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Trauerrede von Nicole Lieber Jochen, liebe Susanne, Melina und Caroline, liebe Freunde, Als ich vorgestern gebeten wurde, bei dieser Feier zu sprechen, war mir klar, dass es mir nicht möglich sein würde, Winfried Schmitz Linkweilers Lebenswerk intellektuell zu betrachten. Nicht etwa, weil ich seine Arbeit nicht verstanden hätte, sondern weil es mir in den letzten Tagen schwer fiel, einen klaren Gedanken zu fassen. Es ist ausgeschlossen, dass ich ihm hier und heute mit meinen wenigen Worten gerecht werde. Der plötzliche Tod Winnis hat mich erschreckt und eine tiefe Lücke in mein Leben gerissen. Er fehlt mir sehr. Er war mein bester Freund. Winfried Schmitz Linkweiler war kein Jäger und Sammler. Er war ein Sammler und Schöpfer. Er war ein engagierter, enthusiastischer Politiker, Mensch und Künstler und ich hatte das Glück ihn oft arbeiten zu sehen. Immer konzentriert, angestrengt, ließ er sich oft selbst von seinen eigenen Ergebnissen überraschen. Beinahe nie hat er die Resultate seiner Arbeiten vorher gekannt, höchstens erahnt, sie beweisen dennoch sein großes Talent. Die Bilder, Fotokompositionen, Collagen, Wachsarbeiten und Setzkästen entstanden oft spontan, vorsichtig kontrollierend, lenkend, eingreifend und immer mit größter Sorgfalt. Selten nur war sein Ausgangsmaterial ein weißes Blatt Papier, meistens verwendete er eines oder mehrere seiner Sammelstücke, irgendwelche Schnipsel, kleine Fragmente jeglichen Materials, die schon ein Eigenleben besaßen, bevor er ihnen mit seiner Kunst – und Zeichenfertigkeit, auch mit seiner Sensibilität weiteres oder neues Leben schenkte oder einkritzelte. - Das Bildereinrahmen war ihm lästig. Wir haben das mal eine Nacht zusammen gemacht. Ich hatte damals die viel bessere Schlagzahl, weil er dabei überall Tabakkrümel verteilte. - Er lehrte uns das Sehen und Hinsehen. In den letzten Jahren drückte er uns dabei manchmal eine Lupe in die Hand. Winni war einer der seltenen, wahrhaften Künstler. Er hat sein Leben der Kunst, dem Sehen und dem Verstehen gewidmet. Seine große Emotionalität, die Politik, seine Liebe zu den kleinen Dingen, seine Sorge um die Entwicklungen, alles floss ineinander und zeigte sich immer wieder neu in seinen Kompositionen. Winni konnte gut und viel reden, er unterbrach die Leut’ auch oft, und …wenn ich es recht überlege, war er sogar manchmal ein gnadenloser Redner. Dennoch machte er selten große Worte um seine einzelnen Bilder bzw. Arbeiten. Er war keiner, den man bei Ausstellungen nach weit schweifenden Interpretationen fragen konnte, für ihn war die Arbeit nach dem eigentlichen Schaffensprozess

Grabrede Nicole

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zum Tode von Winfried Schmitz Linkweiler

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Page 1: Grabrede Nicole

Trauerrede von Nicole

Lieber Jochen, liebe Susanne, Melina und Caroline, liebe Freunde, Als ich vorgestern gebeten wurde, bei dieser Feier zu sprechen, war mir klar, dass es mir nicht möglich sein würde, Winfried Schmitz Linkweilers Lebenswerk intellektuell zu betrachten. Nicht etwa, weil ich seine Arbeit nicht verstanden hätte, sondern weil es mir in den letzten Tagen schwer fiel, einen klaren Gedanken zu fassen. Es ist ausgeschlossen, dass ich ihm hier und heute mit meinen wenigen Worten gerecht werde. Der plötzliche Tod Winnis hat mich erschreckt und eine tiefe Lücke in mein Leben gerissen. Er fehlt mir sehr. Er war mein bester Freund. Winfried Schmitz Linkweiler war kein Jäger und Sammler. Er war ein Sammler und Schöpfer. Er war ein engagierter, enthusiastischer Politiker, Mensch und Künstler und ich hatte das Glück ihn oft arbeiten zu sehen. Immer konzentriert, angestrengt, ließ er sich oft selbst von seinen eigenen Ergebnissen überraschen. Beinahe nie hat er die Resultate seiner Arbeiten vorher gekannt, höchstens erahnt, sie beweisen dennoch sein großes Talent. Die Bilder, Fotokompositionen, Collagen, Wachsarbeiten und Setzkästen entstanden oft spontan, vorsichtig kontrollierend, lenkend, eingreifend und immer mit größter Sorgfalt. Selten nur war sein Ausgangsmaterial ein weißes Blatt Papier, meistens verwendete er eines oder mehrere seiner Sammelstücke, irgendwelche Schnipsel, kleine Fragmente jeglichen Materials, die schon ein Eigenleben besaßen, bevor er ihnen mit seiner Kunst – und Zeichenfertigkeit, auch mit seiner Sensibilität weiteres oder neues Leben schenkte oder einkritzelte. - Das Bildereinrahmen war ihm lästig. Wir haben das mal eine Nacht zusammen gemacht. Ich hatte damals die viel bessere Schlagzahl, weil er dabei überall Tabakkrümel verteilte. - Er lehrte uns das Sehen und Hinsehen. In den letzten Jahren drückte er uns dabei manchmal eine Lupe in die Hand. Winni war einer der seltenen, wahrhaften Künstler. Er hat sein Leben der Kunst, dem Sehen und dem Verstehen gewidmet. Seine große Emotionalität, die Politik, seine Liebe zu den kleinen Dingen, seine Sorge um die Entwicklungen, alles floss ineinander und zeigte sich immer wieder neu in seinen Kompositionen. Winni konnte gut und viel reden, er unterbrach die Leut’ auch oft, und …wenn ich es recht überlege, war er sogar manchmal ein gnadenloser Redner. Dennoch machte er selten große Worte um seine einzelnen Bilder bzw. Arbeiten. Er war keiner, den man bei Ausstellungen nach weit schweifenden Interpretationen fragen konnte, für ihn war die Arbeit nach dem eigentlichen Schaffensprozess

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beendet. Danach lächelte er nur noch und forderte uns charmant auf, doch bitte schön selbst hinzusehen. Winni war ein fleißig Schaffender, aber er war, wie wir schmerzlich einsehen müssen, nicht un-er-müdlich. Im dem Maße, wie die immer bedrohlicher werdende Entwicklung der wirtschaftlichen Welt und auch der Natur ihm zu schaffen machte, schaffte er Neues – sogar meist Schönes - im direkten Gegenzug. Je schnelllebiger, verrückter und unüberschaubarer die Situation um ihn herum wurde, desto kleiner, geordneter und feiner - vielleicht sogar ruhiger - wurden seine Arbeiten. Seine kritischen, analytischen Beobachtungen waren sicherlich bis zum Schluss der Antrieb für seine Arbeit. Winni vereinte in sich eine große, konstruktive, sehr verlässliche Produktivität und eine - oft gegen sich selbst gerichtete - Destruktivität. Er hinterlässt seiner Familie und uns allen ein großes Erbe. Sein Leben waren die Bilder, die Musik, die Filme, Worte und die Politik. Wir werden verantwortungsvoll und behutsam mit diesem Erbe umgehen müssen und uns weiterhin damit auseinandersetzen. Ein gemeinsamer Bekannter, der Ralf, schrieb mir gestern Abend in einer Mail den Satz: „Dieser große, alte Freund.“ Ja, Winni war ein Großer. Er war loyal und klug. Ob er weise war, vermag ich nicht zu urteilen. Wer bestimmt schon, wie wir zu leben und zu sterben haben? Er war gesellig und lachte gerne. Er vertrat seine Meinung vehement, aber nie mit Aggression. Jedenfalls habe ich das nie erlebt. Er hat in all den Jahren unserer Freundschaft kein böses Wort über irgendwen verlauten lassen. Das lag nicht an seiner großen Toleranz, es gab vieles, das er nicht tolerieren konnte, es lag wohl schlicht in seiner Art. Der weiche, warmherzige Winni konnte aber auch ein wahrer Kämpfer sein, wenn es um Kunst ging, die das Leben heroisierte und das Sterben. Nazikunst: Für ihn waren röhrende Hirsche keine Schätze. Ich habe Winni manches Mal weinen sehen. Zumindest hatte er oft Tränen in seinen Augen. Nicht etwa - dass er ein weinerlicher Mann gewesen wäre, er war einfach Manns genug wahrhafte Emotionen zu empfinden und auch zu zeigen. Es hat mir gefallen, dass die WZ diese Woche über ihn geschrieben hat, dass er den Winter hasste …und das Trübe …und die Sonne mochte. Weil das stimmt. Er hat andauernd über das Wetter geredet. Natürlich nicht, weil er kein anderes Thema hatte – sondern weil das Wetter für ihn wichtig war. Das hab ich nie wirklich verstanden, aber heute habe ich mir Sonne für ihn gewünscht. - Er hatte sich für ein Leben ohne Auto, Computer und Handy entschieden. Letzteres habe ich auf Kreta oft bedauert.

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Wenn ich meine Augen schließe, kann ich Winni genau sehen. Er hatte irgendwie immer klappernde, raschelnde Jackentaschen. Ich weiß auch nicht, was er da so immer mit sich schleppte. Er war ein lausiger Beifahrer und er hat es in den 18 Jahren unserer Freundschaft nicht geschafft Kaffeemilch zu besorgen, wenn ich ihn besuchte. Folglich hat mir der Kaffee bei ihm nie geschmeckt. Wenigstens tat ihm das jedes Mal Leid… - Ich weiß, dass diejenigen, die Winni gut kannten, aufrichtig um ihn trauern und ich wünsche uns allen die Kraft irgendwann nur noch mit Dankbarkeit an ihn denken zu können. Winni war ein Mensch wie wir alle. Aber wenn ich das sage, merke ich, dass er mehr war als das. Er war einer der konsequentesten Menschen, die ich kennen lernen durfte. Mitunter rücksichtslos konsequent gegen sich selbst und andere. Der große, alte Freund war auch konsequent in seinem eigenen Ende. Er wollte keinen technisierten Kliniktod, er wollte er selbst sein. Bis zum Schluss. Das hat er durchgezogen und es sollte uns – in all unserer Trauer - irgendwie – versöhnen. Ich danke dir, Winni, dass du mein Freund warst.