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DOI: 10.1111/j.1610-0387.2009.07024.x Akademie 557 © The Authors • Journal compilation © Blackwell Verlag GmbH, Berlin • JDDG • 1610-0379/2009/0706 JDDG | 6 ˙ 2009 (Band 7) Anamnese Ein 33-jähriger Patient stellte sich mit seit 3–4 Monaten größenprogredienten, sym- ptomlosen Knoten an Knie und Hand vor. Der Patient lebte seit 6 Monaten in Deutschland und stammte ursprünglich aus Brasilien. Weitere Erkrankungen sowie Medikamenteneinnahme wurden verneint. Klinischer Befund Es zeigten sich jeweils ein ca. 3 3 cm großer erythematöser Nodus mit Exulzeration und Krustenbildung (Abbildung 1). Die weitere körperliche Untersuchung inklusive Schleimhäute/ Lymphknotenstatus verlief unauffällig. Diagnosequiz Größenprogrediente Nodi an der Hand und am Knie eines 33-jährigen brasilianischen Patienten Growing nodi on hand and knee of a 33-years old patient from Brazil Moritz Felcht, Wiebke Katharina Peitsch, Sergij Goerdt, Claus-Detlev Klemke Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Medizinische Fakultät Mannheim der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Universitätsmedizin Mannheim Ihre Diagnose? . . . >>> Abbildung 1: An der rechten Hand (a) und dem rechten Knie (b) sind jeweils ein solitärer erythe- matöser weicher Knoten mit zentraler Exulzeration und Krustenbildung auffällig.

Größenprogrediente Nodi an der Hand und am Knie eines 33-jährigen brasilianischen Patienten

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DOI: 10.1111/j.1610-0387.2009.07024.x Akademie 557

© The Authors • Journal compilation © Blackwell Verlag GmbH, Berlin • JDDG • 1610-0379/2009/0706 JDDG | 6˙2009 (Band 7)

AnamneseEin 33-jähriger Patient stellte sich mit seit 3–4 Monaten größenprogredienten, sym-ptomlosen Knoten an Knie und Hand vor. Der Patient lebte seit 6 Monaten inDeutschland und stammte ursprünglich aus Brasilien. Weitere Erkrankungen sowieMedikamenteneinnahme wurden verneint.

Klinischer BefundEs zeigten sich jeweils ein ca. 3 � 3 cm großer erythematöser Nodus mit Exulzerationund Krustenbildung (Abbildung 1). Die weitere körperliche Untersuchung inklusiveSchleimhäute/ Lymphknotenstatus verlief unauffällig.

Diagnosequiz

Größenprogrediente Nodi an der Hand und am Knieeines 33-jährigen brasilianischen Patienten

Growing nodi on hand and knee of a 33-years old patient from Brazil

Moritz Felcht, Wiebke Katharina Peitsch, Sergij Goerdt, Claus-Detlev KlemkeKlinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Medizinische Fakultät Mannheim der Ruprecht-Karls-UniversitätHeidelberg, Universitätsmedizin Mannheim

Ihre Diagnose? . . . >>>

Abbildung 1: An der rechten Hand (a) und dem rechten Knie (b) sind jeweils ein solitärer erythe-matöser weicher Knoten mit zentraler Exulzeration und Krustenbildung auffällig.

>>> Diagnose:Kutane Leishmania brasiliensisInfektion

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HistologieDie Epidermis zeigte Akanthose, Hy-pergranulose und Orthoparakeratose (Abbildung 2). In der Dermis fand sichdichtes lymphohistiozytäres Infiltrat mitmehrkernigen Riesenzellen. In derGIEMSA-Färbung fielen dermal Histio-zyten mit Amastigoten auf.

AbklatschpräparatDas Tupfpräparat zeigte intrazellulär ineinem Makrophagen gelegene amastigoteLeishmanien Komplexe (Leishmania-Donovani Körperchen) (Abbildung 3).

Kultur auf Leibowitz-MediumPositiv für Leishmanien.

SerologieTiter von 1:2560 für Leishmanien.

PCRPositiv für Leishmania (Viannia) brasi-liensis.

DiskussionUnser diagnostisches Vorgehen richtetesich nach den in diesem Journal publi-zierten Empfehlungen [1]. Neben derKlinik, sind Histologie, Abklatschpräpa-rat, Leishmanienkultur, indirekte Im-munfluoreszenz und PCR-Analyse not-wendig. Differentialdiagnostisch hattenwir aufgrund des klinischen Bildes unddes Herkunftland des Patienten eine aty-pische Mykobakteriose, Blastomykose,Chromomykose, Parakokzidioidomykose,Histoplasmose und eine Kokzidioi-domykose erwogen. L. brasiliensis Infek-tionen besitzen i. d. R. eine Inkubations-zeit von 2–4 Wochen, die somit kürzerist als bei den meisten Pilzerkrankungen.Bei Patienten, die sich schon längere Zeitin Europa aufhalten, ist eine L. brasilien-sis Infektion daher unwahrscheinlich.Die Leishmaniase wird durch das Proto-zoen Leishmania ausgelöst, welches durcheinen Stich der weiblichen Sandmückeübertragen wird. Sie wird unterteilt ineine kutane (CL), mukokutane (MCL)

und viszerale Form [1, 2]. Eine Sonder-form der viszeralen Leishmaniase ist diePost-Kalar-Azar-Dermatose [3]. Die CL

manifestiert sich meist als ulcerierterNodus [4, 5, 6]. Die MCL stellt eineDisseminierung der CL (5–20 %) darund wird in den meisten Fällen durchSpezies des Subgenus L. Viannia (L. brasiliensis, L. guyanensis, L. panamensis,L. peruviana), seltener andere Spezies wieL. infantum verursacht [2, 4]. Bei Verdacht auf eine Infektion mit diesenPathogenen, sollte eine PCR zur Spezies-klassifizierung durchgeführt werden undggf. eine Schleimhautbeteiligung ausge-schlossen werden. Risikofaktoren für eine

Abbildung 2: Die HE Färbung zeigt das typische Bild einer kutanen L. brasiliensis Infektion mitAkanthose und Hyperkeratose in der Epidermis und einem dichten lymphoplasmazytärem Infiltrat inder Dermis. In der Dermis fallen zusätzlich vereinzelt Riesenzellen auf (mit ^ markiert). (a) Übersicht10x, (b) Detail 40x.

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Disseminierung sind männliches Ge-schlecht, Mangelernährung, große/multipleLäsionen, Z.n. keiner/inkompletter The-rapie, Primärlokalisation oberhalb desGürtels sowie genetische Merkmale(HLA-DR2, HLA-DQw3) [2, 4]. DieMCL manifestiert sich zu 50 % in den ersten 2 und zu 90 % in den ersten10 Jahren nach Primärinfektion [2].Zunächst kommt es insbesondere zu ei-ner Destruktion des Nasenseptum mitRhinorrhoe, später zum Larynxbefall mitHeiserkeit. Daneben exisitieren Fallbe-richte mit Augenbeteiligung [7].Während bei den meisten kutanenLeishmaniasen eine Lokaltherapie aus-reicht, wird bei einer L. brasiliensis Infek-tion eine systemische Therapie empfohlen[1, 2, 4, 8, www.awmf-online.de]. Amhäufigsten verwendet werden pentava-lente Antimon-Präparate (SbV) wie Natrium Stiboglukonat (Pentostam™;Glaxo Wellcome, UK). Toxizitäten sindhäufig und nehmen mit steigender ku-mulativer Dosis zu. Innerhalb der ersten14 Tage treten insbesondere Unwohlsein,Appetitlosigkeit, My- und Arthralgienauf. Im Labor fallen häufig reversible Er-höhungen der Leber- und Pankreaswertesowie Anämie, Leuko- und Thrombozy-topenie auf. Selten treten periphere Poly-

neuropathien und Pankreasnekrosen auf.Eine besonders gefürchtete Komplika-tion ist die Kardiotoxizität, die sich nachca. 20 Tagen mit Arrhythmien, ST-Sen-kung und einer QT-Verlängerung mani-festieren kann. Die Therapie sollte deshalb engmaschig überwacht werden[2, 4, 8]. Aufgrund möglicher Rezidivesollten nach 6 Monaten klinische Kon-trollen erfolgen [8]. Insbesondere wegender Toxizität werden zunehmend Alter-nativen wie beispielsweise Miltefosin [2]oder liposomales Ampotericin B [4]empfohlen. Unser Patient trat unmittelbarnach Diagnosestellung seine Rückreisenach Brasilien an, so dass wir keine Therapie einleiten konnten, sondernstattdessen die Befunde mit unserer Therapieempfehlung mitgaben.

DanksagungWir möchten insbesondere Frau Prof.Dr. Harms-Zwingenberger, Institut fürTropenmedizin, Charité Berlin, FrauFörster, Sektion Klinische Tropenmedi-zin, Universitätsklinikum Heidelberg,und Herrn Prof. Dr. Hof, Institut fürMedizinische Mikrobiologie und Hy-giene, Medizinische Fakultät Mannheimder Ruprecht-Karls-Universität Heidel-berg, für ihre diagnostischen Hilfestel-lungen danken.

KorrespondenzanschriftDr. med. Moritz FelchtKlinik für Dermatologie, Venerologieund AllergologieUMM – Universitätsmedizin MannheimMedizinische Fakultät Mannheim derRuprecht-Karls-Universität HeidelbergTheodor-Kutzer-Ufer 1–3D-68167 MannheimTel.: +49-621-383-2280Fax: +49-621-383-3815E-Mail: [email protected]

Literatur1 Neuber H. Leishmaniasis. J Deut Der-

matol Ges 2008; 6: 754–65.2 von Stebut E, Sunderkötter C. Kutane

Leishmaniasis. Hautarzt 2007; 58:445–58.

3 Antinori S, Longhi E, Bestetti G, Pio-lini R, Acquaviva V, Froschi A, TrovatiS, Parravicini C, Corbellino M, MerionL. Post-kala-azar dermal leishmaniasisas an immune reconstitution inflam-matory syndrome in a patient withaquired immune deficiency syndrome.Br J Dermatol 2007; 157: 1032–36.

4 Schwartz E, Hatz C, Blum J. NewWorld cutaneous leishmaniasis in travellers. Lancet Infec Dis 2006; 6:342–49.

5 Oliveira-Neto MPd, Mattos MS, PerezMA, Da-Cruz AM, Fernandes O, Mo -reira J, Goncalves-Costa SC, BrahinLR, Menezes CR, Pirmez C. Americantegumentary leishmaniasis (ATL) inRio de Janeiro State, Brazil: main clini-cal and epidemiologic characteristics.Int J Dermatol 2000; 39: 506–14.

6 Vieira-Goncalves R, Pirmez C, JorgeME, Souza WJS, Oliveira MP, Ruto-witsch MS, Da-Cruz AM. Clinical fea-tures of cutaneous and disseminatedcutaneous leishmaniasis caused byLeishmania (Viannia) braziliensis inParaty, Rio de Janeiro. Int J Dermatol2008; 47: 926–32.

7 Oliveira MP, Mattos M, Benchimol E,Cupolillo E, Cuzzi-Maya T, Pirmez C,Grimaldi G. Blepharo-conjunctivitisdue to leishmania (viannia) braziliensiscutaneous infection - Report of two ca-ses in Rio de Janeiro, Brazil. Br J Op -thalmol 2008; Epub vor Druck.

8 Hepburn NC. Cutaneous Leishmaniasis.Clin Exp Dermatol 2000; 25: 363–70.

Abbildung 3: Das Tupfpräparat wurde mitMethamol fixiert und GIEMSA angefärbt. Eszeigen sich mehrere mit ^ markierte intrazellulärgelegene Leishmania-Donovani Körperchen, dievon einem Makrophagen phagozytiert wurden.