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Psychologie: Teams richtig motivieren Kommunikation als Schlüssel Methodenwissen: Projekte global steuern Verlässlich schätzen Organisation: Agiles Offshoring Hybride Verfahren anwenden Komplexität reduzieren Recht und Gesetz: Festpreise im agilen Umfeld Wenns schiefgeht: Wer haftet? Methoden verständlich erklärt Agil Software entwickeln KOMPAKT IT-PROJEKTE Scrum richtig einführen Ein Sonderheft des Magazins für professionelle Informationstechnik 4/2015 Für Praktiker: Von Erfahrungen profitieren

growing Fruit techniques

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The subject of fruit and nut production deals with intensive culture of perennial plants, the fruits of which have economic significance (a nut is a fruit, botanically). It is one part of the broad subject of horticulture, which also encompasses vegetable growing and production of ornamentals and flowers.

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  • Psychologie:

    Teams richtig motivierenKommunikationals Schlssel

    Methodenwissen:

    Projekte global steuernVerlsslich schtzen

    Organisation:

    Agiles OffshoringHybride Verfahren anwenden Komplexitt reduzieren

    Recht und Gesetz:

    Festpreise im agilen Umfeld Wenns schiefgeht: Wer haftet?

    Methoden verstndlich erklrt

    Agil Softwareentwickeln

    KOMPAKTIT-PROJEKTE

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    Ein Sonderheft des Magazins fr professionelle Informationstechnik 4/2015

    Fr Praktiker:

    Von Erfahrungenprofitieren

  • iX Kompakt 2015 Agiles IT-Projektmanagement 3

    EDITORIAL

    Wie ein roter Faden zieht er sich durch das gesamte Heft, dererste Leitsatz aus dem agilen Manifest:

    Individuals and interactions over processes and tools.

    Menschen und ihre Zusammenarbeit sind der Schlssel zumErfolg in der Softwareentwicklung. Eine ernst zu nehmendeStudie von oose Informatik untermauert diese Erkenntnis (sie-he Alle Links). Das gewhlte Vorgehen ist danach zweitran-gig, auch wenn agil durchgefhrte Projekte unbestritten einehhere Erfolgsquote aufweisen als traditionelle. Das liegt nahe,es ist einfach sinnvoller, Software in regelmigen Abstndenund in verdaulichen Hppchen auszuliefern, als dem Kundenam Ende einen Riesenbatzen hinzuwerfen, von dem er vorhernichts zu sehen bekam. In der Regel folgt ein bses Erwachen.

    Nur: Was genau bedeutet eigentlich agil? Auf den Hype vor ein paar Jahren, der im Prinzip dafr warb, den gesunden Men-schenverstand in die Softwareentwicklung einzufhren, folgtezwar keine Ernchterung dafr sind die Vorteile zu offen-sichtlich , aber eine realistische Einbettung der agilen Ideenin das tatschliche Geschehen. Denn auch frher ging nicht alles schief, die zunehmende Komplexitt der Anforderungendeckte jedoch die Schwchen wasserfallmig organisiertenProjektmanagements auf.

    Es mussten neue Verfahren her. Allerdings galt Scrum zunchstnur als Technik fr berschaubare Projekte. Die Anpassung angroe und internationale Vorhaben kam erst spter hinzu. Nunzeigte sich: Ganz ohne Formalismen geht es nicht. Und somauerte man die schne neue Welt wieder ein mit administrati-ven Vorgaben, festgelegten Rollen und allerlei Spezialbefind-lichkeiten. Einer konservativen Organisation lsst sich der pureStoff nicht schmerzlos verabreichen.

    Und so beklagte sich Dave Thomas, einer der Vter des imJahre 2001 proklamierten agilen Manifests, 2014 darber, dassdie IT-Industrie aus reinem Profitinteresse die Seele aus denagilen Ideen sauge (siehe Alle Links). Tatschlich hat sichdarum eine Armee aus Beratern, Toolherstellern und Konfe-renzveranstaltern aufgebaut, Agile ist zu einer Marketing-floskel verkommen.

    Thomas mchte den Terminus daher in Rente schicken undhofft, dass sich die Programmierer wieder auf das Wesentlichebesinnen. Seine Worte: Lets abandon the word agile to thepeople who dont do things. Instead, lets use a word that describes what we do. Lets develop with agility.

    Das klingt sympathisch, lsst aber eine wesentliche Sache au-er Acht: Entwickler bewegen sich nicht im luftleeren Raum,sie unterliegen dem Diktat des Wirtschaftslebens. Auftraggeberfreuen sich ber verlssliche Abgabetermine, planbare Kosten,und dann sind da noch Compliance-Vorgaben, Branchenstan-dards, Gesetze, kulturelle Bremsen und anderes mehr, das dieidealtypische Welt stark einschrnkt. Es ist gut, wenn Program-mierer autonom und eigenverantwortlich entwickeln drfen,jedoch funktioniert das nur in einem abgesteckten Rahmen.

    Viele eher traditionell ausgerichtete Projekte bedienen sichheute aus dem agilen Werkzeugkasten. Agil im ursprnglichenSinn ist das nicht. Derzeit scheint das Vereinen solcher Techni-ken mit klassischen Verfahren angesagt zu sein. Das belegenetliche Artikel im vorliegenden Heft, die praxisgerechte Wegeaus dem Dilemma zeigen. Agil zu arbeiten, heit in erster Linie, im Kopf frei zu sein, die Zwnge klein zu halten undmiteinander zu reden.

    JRGEN DIERCKS

    Zurck zum Ursprung

    Alle Links: www.ix.de/ix1516003 x

  • Agile Software -entwicklung kompaktZwar haben sich agile Verfahren in der Softwareent-wicklung etabliert, aber die kommen leider ebenfallsnicht ohne Tcken aus. Es gibt viele Stolperfallen, und wer nur auf die Methoden schaut, hat gute Chancen, dabei auf die Nase zu fallen. Einen berblick gibt es ab

    Seite 8

    Abseits des Hype Manche Anhnger des Agilen konzentrieren sich zustark auf die Methoden. Um mit diesen Technikenerfolgreich zu sein, braucht es jedoch mehr, vor allemeine realistische Einschtzung der Lage.

    Seiten 14, 18, 22 und 54

    EinfhrungAgilittIn 28 Artikeln: So gelingen agile IT-Projekte 8

    Projekte & QualittMethodenkritikAgiles Projektmanagement: Eine Illusion? 14

    FirmenkulturScrum nachhaltig im Unternehmen einfhren 18

    PlanungsmethodenGenauere Schtzungen durch Komplexittsreduzierung 22

    SoftwarequalittWerte schaffen mit sinnvollen Inkrementen 28

    AnforderungsmanagementRequirements Engineering in der agilen Entwicklung 32

    QualittssicherungSoftware testen im agilen Entwicklungsprozess 36

    OutsourcingAgile Techniken und Offshoring zusammenbringen 40

    ErfahrungenVom agilen Projekt zum agilen Unternehmen 46

    Kommunikation & Soft SkillsProjektfhrungWie man Projekte gekonnt scheitern lsst 54

    UmgangsformenSCARF: Die fnf Grundbedrfnisse des Menschen 58

    PsychologieProjekte mit gewaltfreier Kommunikation verbessern 64

    CoachingAgiler Coach: Change Agent mit vielfltigen Aufgaben 70

    FhrungsstilDer agile Manager: Gewnschte Kultur vorleben 74

    DidaktikVisual Facilitation: Workshops lebendiger gestalten 80

    ArbeitsumfeldEine produktive Umgebung fr Teams schaffen 86

    Methoden & ModelleGrundlagenHistorie der agilen Entwicklung 92

    Feature Driven DevelopmentAgile und konventionelle Verfahren zusammenfhren 96

    4 iX Kompakt 2015 Agiles IT-Projektmanagement

    INHALT | IX KOMPAKT IT-PROJEKTE

  • Den Kollegen verstehenTools und Techniken sind zwar wichtig, ohne kreativeKpfe luft jedoch nichts. Wie man die anzapft unddas Team richtig motiviert, steht auf den

    Seiten 58, 64, 70 und 74

    Das Beste beider WeltenRundum agil kommt man meist nicht ins Ziel. Zu vielunagile Hindernisse wie Festpreise, kulturelle Differen-zen und Haftungsfragen liegen im Weg. Es gilt daher,die jeweils passenden Dinge zu kombinieren.

    Seiten 96, 100, 124, 133 und 138

    SkalierungScaled Agile Framework: Groe Projekte agil umsetzen 100

    Change ManagementKontinuierliches Lernen durch Retrospektiven 104

    Hybride VerfahrenFestpreisprojekte mit kombinierten Verfahren 109

    SchtzverfahrenFunktionsumfnge statt Aufwnde festlegen 112

    OrganisationTeambergreifende Projekte mit Kanban umsetzen 118

    GlobalisierungInternationale Projekte mit Scrum steuern 124

    Compliance & RechtRegeltreueCompliance in agilen Projekten umsetzen 130

    VertragsgestaltungPlanbare Kosten mit agilen Festpreisen 133

    ProjekthaftungSo kann man sich gegen Schadensflle absichern 138

    DokumentationTestflle in agilen Projekten beschreiben 142

    SonstigesEditorial 3

    Inserentenverzeichnis 6

    Impressum 6

    iX Kompakt 2015 Agiles IT-Projektmanagement 5

    Alle Links: www.ix.de/ix1516004

    Artikel mit Verweisen ins Web enthalten am Ende einenHinweis darauf, dass diese Webadressen auf dem Server deriX abrufbar sind. Dazu gibt man den iX-Link in der URL-Zeile des Browsers ein. Dann kann man auch die lngstenLinks bequem mit einem Klick ansteuern. Alternativ stehtoben rechts auf der iX-Homepage ein Eingabefeld zur Verfgung.

  • iX Kompakt 2015 Agiles IT-Projektmanagement

    SERVICE | IMPRESSUM/INSERENTEN

    MAGAZIN FR PROFESSIONELLE INFORMATIONSTECHNIKiX Kompakt 4/2015 Agiles IT-Projektmanagement

    Postfach 61 04 07, 30604 Hannover; Karl-Wiechert-Allee 10, 30625 Hannover

    Redaktion: Telefon: 0511 5352-387, Fax: 0511 5352-361, E-Mail: [email protected]

    Chefredakteur: Jrgen Seeger

    Konzeption: Jrgen Diercks, Barbara Lange

    Redaktionelle Leitung: Jrgen Diercks (-379, [email protected])

    Autoren dieser Ausgabe: Kai Altenfelder, Manfred Baumgartner, Pavlo Baron, Bjrn Berg, Johannes Bergsmann, Frank Dsterbeck, Boris Gloger, Andrea Grass, Andrea Herrmann, Michael Hofmann, Michael Httermann, Dirk Jahnke, Martin Klonk, Philip Knott, Veronika Kotrba,Barbara Lange, Stefan Lange, Klaus Leopold, Tilo Linz, Marc Lffler, Christoph Mathis, Ralph Miarka,Ralf Mittermayr, Andreas Opelt, Wolfgang Pfarl, Helmut Pichler, Ilja Preuss, Sandra Reupke-Sieroux,Andreas Rping, Gregor Sandhaus, Richard Seidl, Siegfried Tanczos, Uwe Vigenschow, Markus Wittwer, Henning Wolf, Serhiy Yevtushenko

    Abbildungen Can Stock Photo Inc.: mtruchon (Titel, S. 7), fpfunke (S. 8), OG_vision (S. 13),AndreySt (S. 14), amabrao (S. 18), andriigorulko (S. 22), LORRIANI (S. 28), drudoran (S. 29), smarnad (S. 31), Otvala (S. 32), Neirfy (S. 36, S. 40), gunnar3000 (S. 41), GekaSkr (S. 53), Zinch (S. 54), albund (S. 58, S. 142), jonnysek (S. 64, S. 91, S. 92, S. 112), asafeliason (S. 70),donatas1205 (S. 74), azgek (S. 80), Gelpi (S. 86), Arogant (S. 96), johannesk (S. 100), kamchatka (S. 104), Jochen (S. 104), tobkatrina (S. 109), justmeyo (S. 118), photovova (S. 124), JackF (S. 129), prill (S. 130), valzan (S. 133), Garry518 (S. 138)

    Redaktionsassistenz: Michael Mentzel (mm) -153, Carmen Lehmann (cle) -387

    Korrektorat: Kathleen Tiede, Hinstorff Verlag, Rostock

    Layout und Satz: Enrico Eisert, Matthias Timm, Hinstorff Verlag, Rostock

    Titelidee: iX, Jrgen Diercks

    Verlag: Heise Medien GmbH & Co. KG, Postfach 61 04 07, 30604 Hannover; Karl-Wiechert-Allee 10, 30625 Hannover; Telefon: 05 11/53 52-0, Telefax: 05 11/53 52-129

    Geschftsfhrer: Ansgar Heise, Dr. Alfons Schrder

    Mitglied der Geschftsleitung: Beate Gerold

    Verlagsleiter: Dr. Alfons Schrder

    Anzeigenleitung: Michael Hanke (-167), E-Mail: [email protected],www.heise.de/mediadaten/ix

    Druck: Dierichs Druck + Media GmbH & Co. KG, Kassel

    Verantwortlich: Textteil: Jrgen Seeger; Anzeigenteil: Michael Hanke

    iX Kompakt 4/2015 Agiles IT-Projektmanagement: Einzelpreis 9,90, sterreich 10,90, Schweiz CHF 17,50, BeNeLux: 10,90, Italien: 10,90

    Eine Haftung fr die Richtigkeit der Verffentlichungen kann trotz sorgfltiger Prfung durch die Redaktion vom Herausgeber nicht bernommen werden. Kein Teil dieser Publikation darf ohne ausdrckliche schriftliche Genehmigung des Verlages verbreitet werden; das schliet ausdrcklich auch die Verffentlichung auf Websites ein.

    Printed in Germany

    Copyright by Heise Medien GmbH & Co. KG

    Die Inserenten

    dpunkt.verlag www.dpunkt.de 63, 148

    Hanser Verlag www.hanser.de 41

    Hostserver www.hostserver.de 2

    Orientation in Objects www.oio.de 93

    Die hier abgedruckten Seitenzahlen sind nicht verbindlich. Redaktionelle Grndeknnen nderungen erforderlich machen.

  • iX Kompakt 2015 Agiles IT-Projektmanagement 7

    EINFHRUNG | AGILITT

    EinfhrendesEs gibt vermutlich nur noch wenige Unternehmen, die sich nicht mit agilen Entwicklungspraktiken beschftigen. Denn die haben ihre Vorzge inzwischen bewiesen. Doch auch in der agilen Welt lsst sich an den Bedrfnissen vorbei programmieren. Wie man es richtig angeht, mchte dieses Heft zeigen.

    In 28 Artikeln: So gelingen agile IT-Projekte 8

  • Scrum, Kanban oder Extreme Programming haben sich inUnternehmen etabliert, Wasserfallmodelle befinden sichauf dem Rckzug. Trotz zahlreicher Anpassungen an mo-derne Ansprche gelten lineare Entwicklungsverfahren immernoch als zu starr und brachten so manches ehrgeizige Projektzum Absturz. Der vielzitierte Chaos-Report der Standish Groupuntermauert das regelmig und anschaulich (siehe Alle Links).Immerhin: Die Untersuchung attestiert agil durchgefhrten Pro-jekten eine deutlich hhere Erfolgsquote (Abbildung1). Durchdas stndige Ausliefern lauffhiger Softwareteile fallen Fehlereher auf und Missverstndnisse lassen sich schneller aus derWelt schaffen.

    Kommunikation als Hauptproblem

    Das heit jedoch noch lange nicht, dass die agilen Methoden injedem Fall der Weisheit letzter Schluss sind, genug IT-Projektegeraten immer noch ins Trudeln oder werden sang- und klangloseingestellt. Technische Tcken sind in der Regel allerdings nichtdie Hauptverursacher der Schwierigkeiten obwohl die Verant-wortlichen das gern als Ausrede missbrauchen. Meist liegen dieGrnde fr im Morast steckende Vorhaben in schlechter Kom-munikation, also im zwischenmenschlichen Wirrwarr. Miteinan-der sprechen will eben auch gelernt sein.

    Schlecht formulierte Anforderungen geben ebenfalls reichlichAnlass zur Klage, denn oft wei der Kunde nicht, wie die be-

    stellte Software tatschlich aussehen soll. Dieses Phnomen hatden schnen Spruch IKIWISI geprgt: Ill know it when I seeit. Nach solchen Vorgaben zu programmieren, drfte viele Ent-wickler in die Verzweiflung treiben. Und manchmal starten agileTrendsetter im Unternehmen mit viel Enthusiasmus, der trgeRest zieht jedoch nicht mit. Denn gerade in groen Organisatio-

    8 iX Kompakt 2015 Agiles IT-Projektmanagement

    EINFHRUNG | AGILITT

    In 28 Artikeln: So gelingen agile IT-Projekte

    Nicht in dieFalle tappenBarbara Lange, Jrgen Diercks

    Die Einsicht, dass sich in der Software entwicklung nicht alles

    przise planen lsst, hat sich durchgesetzt. Leider haben auch agile Vorgehensweisen

    ihre Tcken, vor allem, wenn sie nur als Feigen-blatt dienen. Dieses Sonderheft gibt einen

    fundierten Einblick in die vielfltigen Aspekte des Themas.

    Wasserfall agil

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    29 %

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    gescheiterterfolgreich schwierig

    Die Standish Group, Urheber des notorischen Chaos Report,sieht agile Projekte im Vorteil gegenber traditionellen Ver-fahren. Als erfolgreich gelten Projekte, die mit allen ge-wnschten Funktionen, zu den geplanten Kosten und im Zeit-rahmen abgewickelt wurden (Abb.1).

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  • nen lassen sich undurchlssige Hierarchien, ber Jahrzehnte ge-wachsene Frstentmer und traditionelle Karrierewege nichtdurch bloe agile Proklamationen auflsen. Daher gehen ambi-tioniert gestartete Versuche ebenfalls regelmig in die Hose agil hin oder her. Oder man lsst die agilen Spinner halt machen,solange sie keinen greren Schaden anrichten und die gewohn-te Ordnung bedrohen.

    Die Ursachen fr das Scheitern sind jedenfalls zahlreich undvielfltig. Wer nicht in die blichen Fallen tappen mchte, hatmit dem Kauf dieses Heftes schon mal einen Schritt in die rich-tige Richtung getan. Die hier versammelten Artikel stammen zuknapp zwei Dritteln aus aktuellen Bchern bekannter agiler Pro-tagonisten, zehn Beitrge wurden exklusiv neu erstellt. Das Fol-gende zeigt eine bersicht.

    Klein anfangen und langsam wachsen

    Gelegentlich heit es, man solle einen Elefanten in Scheibenschneiden, wenn es darum geht, komplexe Vorhaben in genie-bare Hppchen zu zerlegen. Keine gute Idee, denn der Kundekann mit ein einzelnen Abschnitten wenig anfangen, wenn dasGanze nicht funktioniert. Zudem setzt er die Fragmente imZweifel falsch zusammen, gibt der Autor des Artikels In Ein-klang bringen (S. 22) zu bedenken. Besser ist es daher, einenkleinen Elefanten langsam grozuziehen und, bezogen auf agileSoftwareprojekte, sukzessive einzelne, lauffhige Releases zuliefern (Abbildung2). Dieses iterative Vorgehen gilt als wesent-liches Merkmal von Scrum und Co. Das Grundgesetz dafrstellt das agile Manifest (siehe gleichnamigen Kasten).

    Allerdings schtzt die stetige Abgabe solcher Zwischenpro-dukte die Beteiligten nicht automatisch davor, nutzlose Pro-grammteile zu produzieren. Warum immer noch viel unbrauch-barer Softwareschrott hergestellt wird, erfhrt man im ArtikelKein faules Obst auf S. 28. Denn lngst nicht alle Projektesind agil, auch wenn sie unter dieser Flagge segeln. GefhrlichesHalbwissen und das Auspacken des Scrum-Brecheisens fhrenoftmals direkt ins Desaster, kritisieren die Autoren. InteressanteFragen stellt der Beitrag Definitionssache auf S. 14. Etwa: Ab

    wann lsst sich ein Vorgehen als agil bezeichnen? Eignen sichagile Methoden fr jedes Unternehmen? Ist es sinnvoll, agileund traditionelle Verfahren zusammenzurhren? Letztlich kanndie ehrliche Beschftigung mit diesen Themen zum Ergebnis ha-ben, dass ein gewnschtes Vorgehensmodell nicht zur Firmen-kultur passt.

    Schtz mal, wie lange wir brauchen

    Einerseits versuchen agile Projekte gar nicht erst, alle Detailsvorab festzulegen, andererseits sind sie eingebunden in die Bud-get- und Zeitplanung der Unternehmen. Jeder will wissen, wielange es dauert und was es kostet. Im agilen Umfeld helfen klas-sische Aufwandsschtzungen jedoch meist nicht weiter. Erfolgversprechender ist es, den Funktionsumfang eines Produkts zuschtzen. Wie das geht, beschreibt der Artikel Spielerisch ar-beiten auf S. 112. Er stellt dazu Methoden wie Planning Poker,Team Estimation Game und Magic Estimation vor.

    Auch in der agilen Welt kommen Kunde und Dienstleisternicht um Vertrge herum, wenn es darum geht, Kosten fr einProjekt zu planen. Hier bieten sich agile Festpreise an ei-gentlich ein Widerspruch in sich, aber machbar, wie der ArtikelIm Vertrauen (S. 133) ausfhrt. Dabei schaffen beide Partner

    iX Kompakt 2015 Agiles IT-Projektmanagement 9

    Agiles ManifestWir erschlieen bessere Wege, Software zu entwickeln, indem wir esselbst tun und anderen dabei helfen. Durch diese Ttigkeit haben wirdiese Werte zu schtzen gelernt:

    Individuen und Interaktionen mehr als Prozesse und WerkzeugeFunktionierende Software mehr als umfassende DokumentationZusammenarbeit mit dem Kunden mehr als Vertragsverhandlung Reagieren auf Vernderung mehr als das Befolgen eines Plans

    Das heit, obwohl wir die Werte auf der rechten Seite wichtig finden,schtzen wir die Werte auf der linken Seite hher ein.

    Einen Elefanten in Scheiben schneiden? Besser nicht. Der Kunde kann nmlich mit dieser Salamitaktik wenig anfangen und setzt dieTeile eventuell noch falsch zusammen. Besser ist es, den Elefanten langsam grozuziehen (Abb.2).

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  • einen Rahmen, in dem sie sich auf Kosten, Termine und einegemeinsame Marschrichtung einigen.

    Ein hybrides Vorgehen, das klassische und agile Software-entwicklungsmethoden kombiniert, schlgt der Beitrag Wie-dervereinigung (S. 109) fr agile Festpreisprojekte vor. DieStrken iterativer und linearer Modelle zusammenzufhren,versuchen auch andere Methoden, denn jenseits der Euphoriekann Agilitt einige Schwierigkeiten verursachen: So gestaltetsich das Verwalten der Aufgaben in den Backlogs oft mhse-lig, das Rollenkonzept wird gelegentlich unzureichend umge-setzt, Schtzungen sind immer noch zu optimistisch und vieleMitarbeiter empfinden ihre Arbeit als zu kleinteilig getaktet.

    Besonders in Festpreisprojekten und greren Teams hat sichdeshalb das Feature Driven Development (FDD) bewhrt,meint die Autorin des Artikel Was nicht passt (S. 96).FDD zerlegt jedes Projekt in Teilvorhaben, die jeweils ein ein-zelnes Feature erstellen.

    Unternehmen mssen sich wandeln

    Gegen ein Aufweichen agiler Prinzipien wendet sich der BeitragGanz oder gar nicht (S. 18). Demnach sollte ein Unterneh-men, das Scrum einfhren will, nicht einfach die Elemente aus-

    10 iX Kompakt 2015 Agiles IT-Projektmanagement

    EINFHRUNG | AGILITT

    Warum eigentlich agil?Das Entwickeln von Software hat ein Ziel: Wert zu schpfen durch daseffektive Umsetzen komplexer und dynamischer Geschftsprozesse.Dies erzeugt immer aufwndigere Systeme, die einer hohen nde-rungsdynamik unterliegen. Ihr gerecht zu werden, ist eine der Haupt-aufgaben fr Entwickler.

    Grundlage eines Produktes sind die Anforderungen, die es erfllen soll.Sie werden durch Menschen und deren Interaktionen umgesetzt (Ab-bildung3). Wer den Produktionsprozess verstehen will, muss sich auchmit den umliegenden Komponenten beschftigen.

    Whrend im Industriezeitalter Menschen in denkende Subjekte (Ma-nager) und handelnde Objekte (Ressourcen) aufgeteilt wurden, so sindheute kreative und innovative Kpfe gefragt. Eine erfolgreiche Soft-wareentwicklung zeichnet sich dadurch aus, dass sie die Fhigkeitendieser sogenannten Wissensarbeiter bestmglich nutzt. Dazu gehrt,dass Erkenntnisse aus Psychologie und Wissenschaft, etwa was dieMotivation und das Zusammenspiel von Menschen angeht, konse-quent angewendet werden. Neben einer positiven Fehlerkultur unddem Frdern eines intrinsischen Ansporns zhlt hierzu die Organisationder Beteiligten in autonom handelnden Teams.

    Leider behandeln viele Organisationen heute noch Menschen, die inihrem privaten Leben schwierige Entscheidungen eigenstndig treffen,in ihrer ureigenen Wissensdomne, dem beruflichen Alltag, wie kleineKinder. Ihnen wird von der Geschftsfhrung, der Gruppenleitung, demProjektmanager oder Projektleiter, dem Stararchitekten, dem Testma-nager gesagt oder gar befohlen, wann sie was wie lange tun mssenund drfen. Das degradiert diese Personen zu den oben genannten Ob-jekten/Ressourcen, demotiviert sie und erstickt Ideen und Kreativittim Keim. So entsteht eine Unternehmenskultur, die absolut nichts mitmoderner Wertschpfung zu tun hat und dem Markt in keiner Weisegerecht werden kann.

    Softwareentwicklung funktioniert nicht mit veralteten Prozessen, Prak-tiken und Methoden des Industriezeithalters. Dies gilt brigens ebensofr die moderne industrielle Produktion (gerne unter dem BuzzwordIndustrie 4.0 subsummiert). Hier setzt das agile Manifest an. Es bil-det den Rahmen fr das, was heute in der Softwareentwicklung als Vo-raussetzung fr den Umgang mit Komplexitt und Dynamik gilt. Setztman seine Werte und Prinzipien konsequent um, hat man das Funda-ment fr eine erfolgreiche Softwareentwicklung gelegt. Darauf basie-rend kann eine anpassungsfhige Produktion und eine kundengerechteFertigung entstehen. Wer weiterhin auf dem Althergebrachten beharrt,wird auf Dauer mit groer Wahrscheinlichkeit scheitern. Umso erstaun-licher, dass in Deutschland das Thema Agilitt 14 Jahre nach Verkn-dung des agilen Manifests noch immer nicht in allen Bereichen der ITEinzug gefunden hat, und gelegentlich eine regelrechte Angst davorzu spren ist.

    Dies mag auch daran liegen, dass Scrum als Prozessrahmen nicht aus-reicht, die genannten Anforderungen abzudecken. Zum einen fehlt derRahmen fr den Rahmen. Das heit, Unternehmen mssen gegebe-nenfalls organisatorische Vernderungen durchfhren, damit Agilittfunktionieren kann. Zum anderen mssen sie den Rahmen mit Prozes-sen und Praktiken fr das Anforderungs-, Qualitts- und Projektma -nagement sowie die Entwicklung ausfllen.

    Weitere Grnde fr den noch nicht flchendeckenden Einsatz agilerVorgehensmodelle sind in den technischen und infrastrukturellen He-rausforderungen zu suchen. Damit Software zeitgerecht und in guterQualitt alle xWochen ausgeliefert werden kann (wie es beispielsweiseScrum fordert), ist die modernste Technik notwendig. Das erfordert Investitionen in Infrastruktur und untersttzende Software. Das not-wendige Kleingeld zur Einfhrung hat jedoch nicht jedes Unternehmenparat. Zudem mssen sie ihre veralteten, jedoch weit verbreiteten Ar-chitektur- und Entwicklungskonzepte abschaffen. Das kontinuierlicheAus- und Weiterbilden der Mitarbeiter sowie das Einbeziehen von Ex-perten ist dabei unerlsslich. Nur so kann echte Agilitt entstehen,die sich nicht in Alibiveranstaltungen erschpft. Man sollte sie jedochnicht als Dogma verstehen, sondern als Hilfsmittel zum Gestalten desTransitionsprozesses. Frank Dsterbeck

    Softwareentwicklung im Zusammenspiel: Wer den Produk -tionsprozess verstehen will, darf sich nicht nur mit dem eigentliche Produkt beschftigen, sondern muss das gesamteUmfeld im Auge behalten (Abb.3).

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  • whlen, die ihm gerade passend erscheinen. Wer auf Scrumsetzt, holt sich nicht nur eine neue Entwicklungsmethode insHaus, sondern muss Organisationsstruktur sowie Firmenkulturanpassen und steckt schnell in einem ausgewachsenen Change-Projekt, so die berzeugung der Verfasser. Man kann einigesfalsch machen bei der Einfhrung: Es ist jedoch nicht gut, lund Wasser zu mischen. Mit anderen Worten: Nur auf sehr gro-ber Ebene lassen sich agile Projekte in ein nicht agiles Umfeldeinbetten.

    Das gilt ebenso fr groe sowie globale Vorhaben. Hier zeigtsich deutlich, dass es nicht nur um das Verndern der Arbeits-weise einzelner Teams geht, sondern um den Wandel zur agilenOrganisation. Der richtige Mix (S. 46) steuert praktische Er-fahrungen dazu bei. Den flankierenden Manahmen widmetsich das Scaled Agile Framework (SAFe), nachzulesen im Ar-tikel Big Picture auf S. 100. Die Beitrge Integrationspro-jekt (S. 40) und Rund um die Welt (S. 124) zeigen, wie manOffshoring und Agilitt zusammenbringt. Und Zusammenhangherstellen auf S. 118 erklrt, wie sich teambergreifende Pro-jekte mit Kanban umsetzen lassen. Hier geht es ums groeGanze, es ntzt nichts, in einem komplexen System nur einzel-ne Komponenten zu optimieren.

    Auch Chefs mssen umdenken

    Wenn es wirklich agil werden soll, muss sich die Fhrungs-Crew ebenfalls bewegen. Beispiele aus sechs Unternehmen pr-sentiert der Artikel Voll dynamisch auf S. 74. Wenn wir Mit-arbeiter als Erwachsene behandeln, die Konflikte untereinanderaustragen, statt den Konflikt auf den Chef abzuwlzen, knnendiese bessere Entscheidungen treffen, als das in zentralen Gre-mien mglich ist, so eine der Kernaussagen (siehe KastenWarum eigentlich agil?). Und wer es richtig ernst meint, kannsogar die Gehlter nach fairen Gesichtspunkten gemeinsam mitallen Beteiligten festlegen und wre damit ultimativ agil. Wiees berhaupt dazu kam, dass sich die Einsicht durchsetzte, Soft-ware nach agilen Prinzipien zu entwickeln, zeigt der historischeAbriss Evolutionstheorie auf S. 92.

    Wie man es garantiert schafft, ein Projekt mit Aplomb in denSand zu setzen, beschreibt der Artikel Crashkurs (S. 54). DieMglichkeiten sind zahlreich: Ziele fr sich behalten, unklareAnforderungen stellen, nur mglichst komplexe Projekte ange-hen oder autoritr ber die Kpfe der Mitarbeiter hinweg ent-scheiden. Damit ist der Misserfolg quasi sicher.

    Skrumm und schief scheitern

    Wenn es zwischen Kunde und Auftragnehmer nicht rund luft,steht pltzlich Unerquickliches wie Schaden und Haftung imRaum. Wie sich damit umgehen lsst, und wie man gerichtsfesteNachweise fhrt, erklrt der Beitrag Wer schreibt, der bleibt aufS. 138. Normen und Standards schrnken Agilitt ebenfalls ein,etwa wenn ein ISO-9001-zertifiziertes Qualittsmanagementsys-tem verlangt wird. Zwar fordert keine Norm einen klassischenEntwicklungsprozess, aber manchmal ist es erforderlich, den Pro-zess schriftlich festzuhalten. Mit diesem Abdriften ins Unagile be-schftigt sich der Text Alles geregelt auf S. 130. Dokumenta-tionen sind auch in agilen Projekten unerlsslich. An dieser Stelleinterpretieren die Beteiligten aus Bequemlichkeit das agile Mani-fest oft falsch, wie die Autoren des Artikels Beweissicherung(S. 142) feststellen. hnliches gilt fr das Anforderungsmanage-ment, das sich nun auf seine Kernkompetenzen konzentrieren

    muss, aber keinesfalls zum Alteisen gehrt, nachzulesen im Bei-trag Aufs Wesentliche besinnen (S. 32).

    Zum integralen Bestandteil der Qualittssicherung in derSoftwareentwicklung gehrt das Testen. Anders als in klassi-schen Methoden gibt es bei den agilen Verfahren hierfr keineeigene Phase: Die Tests laufen in jedem Sprint mit, und das ge-samte Team ist dafr verantwortlich. Die erforderlichen Ma-nahmen beschreibt der Artikel Permanente Kontrolle (S. 36).

    Kommunizieren und Konflikte lsen

    Teams sollen sich selbst organisieren, iterativ entwickeln undganz viel kommunizieren im stillen Kmmerlein sind DailyScrums und Retrospektiven jedoch nicht mglich. Mehrere Bei-trge thematisieren das in der Rubrik Kommunikation&SoftSkills, letztlich aber zieht sich diese Sache wie ein roter Fadendurch das ganze Heft.

    Einen Lsungsweg fr Konflikte bietet die sogenannte ge-waltfreie Kommunikation (Bedrfnisbefriedigung auf S. 64).Der psychologische Ansatz aus den 1970er-Jahren geht davonaus, dass sich hinter jedem Verhalten eine positive Absicht verbirgt, mit der ein Mensch versucht, seine fundamentalen Be -drfnisse zu erfllen. Der Beitrag stellt das notwendige Hand-werkszeug vor, das man bentigt, um agile Teams zu Hchst-leistungen zu animieren.

    Die fnf sozialen Grundbedrfnisse klassifiziert eine psycho-logische Methode namens SCARF: Status, Certainty (Sicher-heit), Autonomy (Selbstbestimmtheit), Relatedness (Zugehrig-keit) and Fairness (Gerechtigkeit). Sieht jemand eins oder garmehrere dieser Bedrfnisse gefhrdet, ist Kooperation kaumnoch mglich, schreiben die Autoren im Artikel Konfliktbe-wltigung (S. 58). Das vorgestellte Modell erleichtert das Ver-stehen menschlicher Verhaltensweisen enorm.

    Man sieht, es gibt viele Aufgaben fr einen agilen Coach,dargestellt im Beitrag Rollenspiele (S. 70). hnlich wie derScrum Master begleitet der Coach das Team durch den Entwick-lungsprozess. Er moderiert die Meetings und achtet darauf, dassdie agilen Werte nicht im Alltagsgeschft verlorengehen. Grund-stzlich soll er dem Team den Weg ebnen, damit es sich auf sei-ne Arbeit konzentrieren kann und sich nicht in administrativenKleinkram verzettelt.

    Wie man Meetings gut vorbereitet, erlutert der ArtikelBlick zurck (S. 104) am Beispiel der Retrospektiven. In ei-nem Workshop schaut das Team auf die letzten Wochen undMonate, um daraus Erkenntnisse fr die Zukunft zu gewinnen.Wichtig ist dabei, wie man Ergebnisse visualisiert, damit dieTeilnehmer des Workshop nicht einschlafen. Die zugehrigeTechnik namens Visual Facilitation, vermittelt der ArtikelWie gemalt auf S. 80.

    Wie die Arbeitsumgebung agiler Teams aussehen sollte, skiz-ziert der Beitrag Angenehme Atmosphre (S. 86). Zwischennervigem Groraumbro und Einzelzelle gibt es Alternativen:Gemeinsame Arbeitsbereiche, Rckzugsgebiete sowie eine Kom-mandozentrale sollen die gegenstzlichen Bedrfnisse nach Nheund Distanz ausbalancieren. (jd)

    Barbara Langeist IT-Journalistin und Inhaberin des Redaktionsbros kurz und einfach in Lengede.

    12 iX Kompakt 2015 Agiles IT-Projektmanagement

    EINFHRUNG | AGILITT

    Alle Links: www.ix.de/ix1516008 x

  • iX Kompakt 2015 Agiles IT-Projektmanagement 13

    QualitativesAgil hin oder her: Immer noch muss sich der Konsument mit unbrauchbarer oder zweifelhafter Software herumschlagen. Zwar knnen moderne Ent -wicklungsmethoden helfen, die Lcke zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu verkleinern, eine Garantie dafr gibt es jedoch nicht. Denn auch agile Methoden muss man erlernen und beherrschen.

    Agiles Projektmanagement: Eine Illusion? 14

    Scrum nachhaltig im Unternehmen einfhren 18

    Genauere Schtzungen durch Komplexittsreduzierung 22

    Werte schaffen mit sinnvollen Inkrementen 28

    Requirements Engineering in der agilen Entwicklung 32

    Software testen im agilen Entwicklungsprozess 36

    Agile Techniken und Offshoring zusammenbringen 40

    Vom agilen Projekt zum agilen Unternehmen 46

  • D er Begriff agil ist so positiv besetzt, dass entsprechendeVerfahren ohne weitere Qualifizierung traditionellen ber-legen erscheinen. Der wegen zu oberflchlicher Betrach-tungsweise besorgte Agilist drfte rasch darauf hinweisen, dasses ja gute Grnde dafr gibt, zum Beispiel, weil agile VorgehenVerschwendung vermeiden sollen. Das bringt den traditionellenVertreter selbstverstndlich auf die Palme, schlielich bedienter sich mit viel Erfahrung der Best Practices, da kann von Ver-schwendung keine Rede sein. Schnell zeigt sich, dass eine ver-nnftige Auseinandersetzung zwischen Protagonisten beiderWelten nicht einfach ist.

    Beide Seiten tragen diesen Konflikt emotional und somithufig leider unsachlich aus. Zuschauer der Auseinandersetzung,die fr sich entscheiden mssen, welchen Weg sie einschlagenwollen, stehen ratlos daneben. Sie knnen sich mitreien lassenoder versuchen, einen eigenen Weg zu finden. Aber wie soll dasgehen?

    Uneinigkeit bei der Einordnung

    Eine der Ursachen fr die Schwierigkeiten bei der Betrachtungbeider Anstze knnte darin liegen, dass ungleiche Dinge ver-glichen werden. Das Project Management Institute (PMI) be-schreibt traditionelles Projektmanagement als die Anwendungvon Wissen, Knnen, Werkzeugen und Techniken auf Projekt-aktivitten, um bestimmte Anforderungen zu erfllen. Die Ge-sellschaft fr Projektmanagement (GPM) sieht es hnlich, ge-nauso wie die DIN- und ISO-Normen. Fr IT-Projekte stellt dasPITPM (Pragmatisches IT-Projektmanagement) eine Reduktion

    des allgemeingltigen Project Management Body of Know -ledge (PMBOK) der PMI auf Belange der IT-Projekte dar undmacht somit die umfangreiche Methodensammlung leichter zu-gnglich und handhabbar (siehe Alle Links).

    Diese Anstze teilen die Idee, dass zu Beginn ein Projekt for-muliert und in weiteren Phasen umgesetzt wird. Im Grundsatzist das der Gedanke des Wasserfallmodells. Beim agilen Vorge-hen lohnt sich ein Blick auf Scrum als den derzeit strksten Ver-treter. Schon bei Kanban ist man sich uneinig darber, ob es sichberhaupt um ein agiles Modell handelt. Solche Anstze bezie-hen sich auf das agile Manifest mit seinen vier Kernaussagen,die die Grundwerte und Prinzipien entsprechender Vorgehens-modelle festlegen. Scrum bietet ein Framework an, das im kon-kreten Projektfall mit Leben gefllt werden muss.

    Der Scrum-Guide legt in einem 20-seitigen Dokument denRahmen fest, und der ist viel kleiner als in allen traditionellenVerfahren (siehe Alle Links). Das zeigt deutlich, dass vieleThemen, die allgemein Scrum zugeordnet werden, vermutlichgar nicht so auf dieses Vorgehen festgelegt sind. In der Tat bietetder Guide reichlich Spielraum fr eine projektspezifische Ge-staltung. Es ist Aufgabe des Teams, ihn zu erkennen und zu nut-zen. Allein diese distanzierte Betrachtung der traditionellen undagilen Modelle zeigt, wie unterschiedlich die Schwerpunkte ge-lagert sind. Auf der traditionellen Seite stehen Prozesse undWerkzeuge im Mittelpunkt, auf der agilen Seite Werte, Prinzi-pien und nur wenige feste Regeln.

    Somit stellt sich die Frage, ob man die beiden Welten nichtzusammenbringen kann. Wenn sie so unterschiedliche Eigen-schaften festlegen, sollte es doch mglich sein, mit einem soge-nannten agilen Projektmanagement, das sich jedoch nur einiger

    14 iX Kompakt 2015 Agiles IT-Projektmanagement

    PROJEKTE & QUALITT | METHODENKRITIK

    Agiles Projektmanagement: Eine Illusion?

    Definitions sacheDirk Jahnke

    Ab wann ist ein Projekt agil? Und ist agil immer gut? Wer diese Fragen

    seris beantworten will, muss genau hinschauenund darf vor allem nicht jedem Hype hinter-

    herlaufen. Denn oftmals funktioniert dasgewnschte Vorgehens modell nicht,weil es schlicht nicht zur Unterneh-menskultur passt.

  • ausgesuchter agiler Praktiken bedient, zu arbeiten. Das Folgen-de betrachtet die Sache aus zwei Perspektiven: Zum einen wer-den die Rollen untersucht und insbesondere die Rolle des Pro-jektmanagers im agilen Umfeld kritisch beleuchtet. Zumanderen wird das gesamte Umfeld in seiner Ausprgung als Fir-menkultur daraufhin geprft, wie gut sich agile und traditionel-le Anstze einfgen.

    Im traditionellen Projektmanagement geht es um die Rolledes Projektmanagers, in Scrum um die Rollen des ProductOwners, des Entwicklungsteams sowie des Scrum Masters (Ab-bildung1). Diese Betrachtungsweise ist etwas verkrzt, es exis-tiert zustzlich ein Umfeld mit Management und Stakeholdernin beiden Umgebungen, die ebenfalls Einfluss ausben bezie-hungsweise aus dem Projekt heraus Informationen und Ergeb-nisse erhalten mssen.

    Der Projektmanager ist als zentrale Person mit allen Befug-nissen ausgestattet, um die gewnschten Methoden anzuwen-den. Er bekommt ein Ziel und ein Budget vorgegeben, das er imIdealfall im Vorfeld mitgestalten darf. Im Rahmen der Projekt-durchfhrung kann und muss er bestimmen, wer wann welcheTtigkeiten durchzufhren hat. Er setzt Prioritten, legt Reihen-folgen fest und steuert auf diese Weise Abhngigkeiten. Selbst-verstndlich holt ein erfahrener Projektmanager beim Entwick-lungsteam Meinungen ein und bercksichtigt sie auch. Er istzentrale Ansprechperson und Entscheidungsstelle fr alle Be-lange des Vorhabens. Ist er nicht in der Lage, eine Entscheidungzu treffen, wird sie beispielsweise in einem Steuerkreis eskaliert,in dem Management und Stakeholder sitzen.

    Das Team ist Entscheidungstrger

    In agilen Projekten funktioniert es anders: Hier geht es um geteilteund gemeinsame Verantwortung. Gemeint ist damit, dass alle Rol-len (Product Owner, Entwicklungsteam, Scrum Master) gemein-sam am Erfolg gemessen werden. Das gesamte Team bestimmt,wo es langgeht, nicht eine einzelne Person. Dafr sind Entschei-dungsprozesse ntig, die etwas komplizierter sein knnen. Es istAufgabe des Scrum Masters, die Ablufe so zu moderieren, dassam Ende ein fr alle Beteiligten tragfhiges Ergebnis steht.

    Ein geeigneter Fhrungsstil in agilen Teams ist das Fhrendurch Dienen (Servant Leadership). Der Scrum Master ach-tet darauf, dass alle Beteiligten die Prinzipien, die im agilen Vorgehen von Bedeutung sind, einhalten. Der Product Ownerfungiert als Schnittstelle zu den Stakeholdern, klrt die fach -lichen Fragen im Projekt und ist insbesondere dafr verantwort-lich, dass am Ende ein Produkt entsteht, das den gewnschtenGeschftsnutzen liefert.

    Besonders gefordert ist das Entwicklungsteam: Es entscheidetber technische Angelegenheiten, somit ber die Architektur, undliefert nach jedem Sprint ein Produktinkrement. Damit das lang-fristig gelingt, muss das Unternehmen in technische Aufgaben

    iX Kompakt 2015 Agiles IT-Projektmanagement 15

    Typen von Unternehmenskulturen William Schneider identifizierte vier Typen fr Unternehmenskulturen:Control, Collaboration, Competence und Cultivation. Welche in einemUnternehmen vorherrscht, bestimmt sich durch verschiedene Fakto-ren, insbesondere sind Erfahrungen aus der Vergangenheit entschei-dend: Was machte das Unternehmen erfolgreich? Wer hat es gefhrtbeziehungsweise gegrndet und mit welchem eigenen Hintergrundbezglich Geschichte, Natur und Erfahrungen in der Sozialisierung?Mit welcher Wahrnehmung, was notwendig ist, um in einem Markterfolgreich zu sein? Schneider beschreibt die vier Kernkulturen wiefolgt:

    Control: Hier dreht sich alles um Sicherheit, Vorhersagbarkeit, Genau-igkeit und Zuverlssigkeit. Die Organisation selbst steht an erster Stel-le. Alles konzentriert sich auf das Erreichen der Unternehmensziele.Begriffe, die zur Control-Kultur passen, sind: formale Prozesse, Key Per-formance Indicators, Management by Numbers, TQM, Just in Time,Rightsizing, Robotik, Automatisierung, autoritre Fhrung, Hierarchie,Compliance, Systematik.

    Collaboration: Synergien stehen hier im Vordergrund. Diese Organi-sationen existieren, um Gemeinschaften zu bilden, oder eine enge Ver-bindung mit den Kunden einzugehen. Sie zeichnen sich durch ihreHingabe zum Kunden aus. Eine Collaboration-Kultur erreicht Fort-schritt durch die vielfltigen Erfahrungen der Menschen innerhalb undauerhalb des Unternehmens. Begriffe, die zur Collaboration-Kulturpassen sind: Teams, Diversity, Customer Loyality, Open Door Policy,partizipatives Management, selbstbestimmte Teams, High Perfor-mance Work Teams, Brainstorming, Group Facilitation, Fhren durch

    Konsens, Synergie, Win-Win, Coaching, demokratisch, Team Player,Vertrauen, Kameradschaft.

    Competence: Unternehmen der Competence-Kultur geht es um denUnterschied, den ihre Produkte und Dienste ausmachen. Es ist die Kul-tur der einzigartigen Produkte und Dienstleistungen. Informationenund Wissen haben einen hohen Stellenwert, sie richten sich an denkonzeptuellen Zielen des Unternehmens aus. Begriffe, die zur Compe-tence-Kultur passen sind: Knowledge Capital, virtual Organization,Benchmarking, Entrepreneurial Management, Excellence, Best Practice,Continuous Improvement, Matrix Management, Kernkompetenzen,leistungsabhngige Bezahlung, Standard Setter, Experten, Spezialisten,analytisches Vorgehen, Professionalitt.

    Cultivation: In dieser Kultur geht es um Bereicherung. Die Unter -nehmen tun alles, um ihre Kunden wachsen zu lassen, ihre Potenzialeauszuschpfen und zu entwickeln. Es geht ihnen um die Verwirkli-chung von Idealen, Werten und Zwecken hherer Ordnung. Begriffe,die zur Cultivation-Kultur passen sind: Empowerment, Employee Com-mitment, Fhren ist eine Kunst, Fhren nach Prinzipien, Entrepreneu-rial Management, Qualitt des Arbeitslebens, soziale Verantwortung,charismatisches Fhren, Spirit at work, Enlightened Leadership,Selbstverwirklichung, persnliche Entwicklung, evolutionr, partizipa-tiver Fhrungsstil, Fehler machen drfen.

    Schneider beschreibt diese Kulturen detailliert in seinem 1994 verf-fentlichten Werk [1]. Selbstverstndlich treten diese Kategorien seltenin reiner Form auf, jedoch lsst sich immer feststellen, welche Kulturdominant und somit mageblich ist.

    Mgr = Manager, Fhrungskraft | SH = Stakeholder | Dev = Entwickler PM = Projektmanager | SM = Scrum Master | PO = Product Owner

    Traditionelles Projektteam Agiles Projektteam

    MgrSHSH

    Mgr

    Dev Dev

    DevDev

    POSMDev

    Dev Dev

    DevDev

    Mgr Mgr

    Mgr

    SHSH

    PM

    Dev

    Rollenverteilung: Im traditionellen Team steht der Projektmana-ger im Zentrum des Geschehens, das agile Scrum-Team teilt sichdie Verantwortung (Abb.1).

  • investieren, zum Beispiel in Refactoring-Manahmen, die an sichkeinen Business Value haben. Selbstverstndlich treten in diesemSpannungsfeld verteilter und gemeinsamer Verantwortlichkeitenberschneidungen auf, die Konfliktpotential besitzen. An diesenStellen mssen die Beteiligten verhandeln ein Vorgang, der imtraditionellen Vorgehen kaum vorstellbar ist.

    Neue Rollenverteilung ist gefragt

    In der traditionellen Projektarbeit kennen die Mitarbeiter die Rol-lenverteilungen und haben in der Regel Fhigkeiten und Eigen-schaften entwickelt, die ein Projektmanager blicherweise ben-tigt. Kann man in solch einer Umgebung einfach ein Projektaussuchen, um es probehalber agil durchzufhren? Welche Rollenimmt der bisherige Projektmanager in einem neuen Szenarioein? Als Product Owner htte er zwar einen groen Anteil an dergewohnten Verantwortung, aber es liegt nicht mehr alles in seinerHand, denn um die technischen Aspekte kmmert sich das Team.Und die Stories muss er ebenfalls mit dem Team verhandeln.

    Das Team bestimmt auch den Umfang von Sprints, der Pro-duct Owner soll jedoch dafr vor dem Stakeholder geradeste-

    hen. Methodisch beeinflusst der Scrum Master die Arbeit imTeam. Ein Projektmanager kann diesen Teil vorgeben und da-mit eine Menge Diskussionen abkrzen. Und wer legt die Sprint-dauer fest? Soll man alle zwei Wochen eine Retrospektivedurchfhren? Es hat doch bisher gereicht, das am Projektendezu erledigen und die Ergebnisse fr die Nachwelt festzuhalten.Der Projektmanager knnte hier schnell den Eindruck gewin-nen, dass zu viel Zeit verschenkt wird, die besser in wertvolleImplementierungsarbeiten investiert wre. Aber er darf nichtmehr so optimieren, wie er es fr richtig hlt.

    Es ist also kaum mglich, einfach mal ein Projekt agil durch-zufhren. Die Vernderungen wren zahlreich, ebenso wie dieGelegenheiten, in alte Muster zurckzufallen. Denn dass die alten Muster ebenfalls erfolgreich sein knnen, darf nicht in Vergessenheit geraten. Neu und agil allein fhren nicht zumErfolg. Es stellt sich nun die Frage, was agiles Projektmanage-ment eigentlich ausmacht. Wie viel Agilitt ist damit gemeint?Wenn man das agile Manifest zu stark verndert, sind die be-schriebenen Schwierigkeiten vorhersehbar. Solange nur einzelnePraktiken aus der agilen Welt zum Einsatz kommen, etwa dasbewhrte Time Boxing oder regelmige Retrospektiven, blei-ben die bekannten Rollenverteilungen jedoch erhalten und diebeschriebenen Probleme treten nicht auf. Aber sollte man dasschon agiles Projektmanagement nennen?

    Unternehmen sind lebende Organismen

    Bisher lag der Fokus auf den Mitwirkenden, den Auswirkungenauf ihre Arbeitsweise und die Art der Entscheidungsfindung.Nun geht es um die Einbettung in eine Unternehmensumgebung.Hier nehmen Management und Stakeholder ebenso Einfluss wiealles andere, was im Betrieb blich ist, also die Unterneh-menskultur. Doch was zeichnet die aus? Zu diesem Thema exis-tieren verschiedene Erklrungsversuche, hier soll das Modellvon William Schneider Licht in die Sache bringen [1], der un-tersucht hat, warum neue Management-Ideen manchmal funk-tionieren und manchmal eben nicht. Er vergleicht Unternehmenmit lebenden Organismen und zeigt, dass komplexe Wirkungs-modelle notwendig sind, um sie adquat zu beschreiben. Ein-deutig steht bei ihm an erster Stelle, dass Unternehmenskulturenmchtiger sind als alle anderen Einflsse. Die identifiziertenGrundtypen nennt Schneider Control, Collaboration, Compe-tence und Cultivation (siehe Kasten Typen von Unternehmens-kulturen).

    Danach konzentriert sich jede Organisation entweder aufdas, was derzeit gilt (Actuality). oder auf die Mglichkeiten(Possibilities). Unternehmen der erstgenannten Kategorie ar-beiten mit Konkretem, Berhrbarem, mit Fakten, Dingen, diein der Vergangenheit liegen oder gerade geschehen. Die derzweiten Sorte beschftigen sich dagegen mit Einsichten, Din-gen, die in der Zukunft geschehen knnen, Idealen, berzeu-gungen, Neuerungen, Innovationen, kreativen Optionen odertheoretischen Konzepten.

    Eine weitere Eigenschaft zur Unterscheidung von Kulturenist der Organisationsprozess, also die Antwort auf die Frage,wie eine Organisation Dinge entscheidet und beurteilt. JedesUnternehmen betont entweder unpersnliche/sachorientierteAnalysen oder persnliche/zwischenmenschliche Beteiligung.Die Kennzeichen einer Kultur der sachorientierten Entschei-dungen lassen sich mit folgenden Begriffen beschreiben: Sys-teme, Policies, Arbeitsanweisungen, berechnungsorientiert,wissenschaftlich, objektiv, prinziporientiert, Gesetze, Formali-tten, gefhlsfrei, vorschriftsmig. Eine Kultur der personen-

    16 iX Kompakt 2015 Agiles IT-Projektmanagement

    PROJEKTE & QUALITT | METHODENKRITIK

    Actuality

    Possibility

    Control

    Competence

    Impersonal

    Collaboration

    Cultivation

    Personal

    customer collaboration

    daily scrum

    sprint-retro spectives

    Maintain a constant pace

    burndownself-organizing teams

    Business people and developers must work together daily

    velocityindividuals and

    interactions

    sprint-reviews

    technical exellence and good design

    early and continues delivery of valuable software

    Build projects around motivated individuals

    face-to-face communication

    Scrum im Kulturenmodell: Die agilen Aspekte hufen sich in denSektoren Cultivation und Collaboration (Abb.2).

    ProjectManagement

    Agile

    Actuality

    Possibility

    Control

    Competence

    Impersonal

    Collaboration

    Cultivation

    Personal

    Agile und traditionelle Vorgehensmodelle im Kulturenmodell:Der Schwerpunkt traditioneller Methoden liegt eindeutig in denBereichen Control und Competence (Abb.3).

  • bezogenen Entscheidungsfindung wird umrissen durch: orga-nisch, evolutionr, dynamisch, partizipativ, subjektiv, informell,open-ended, orientiert am Menschen, gefhlsbetont.

    Warum Management-Ideen scheitern

    Diese beiden grundstzlichen Unterscheidungsmerkmale frUnternehmenskulturen lassen sich als zwei Achsen eines Koor-dinatensystems betrachten. Es entsteht eine Vier-Feld-Darstel-lung der wesentlichen Unternehmenskulturen (siehe KastenUnternehmenskulturen nach Managementpraktiken). Schnei-der verwendet diese Darstellung, weil er in der Missachtung derUnternehmenskulturen einen der Hauptgrnde sieht, dass neueManagementideen hufig scheitern. Das gilt vor allem, wenn sienicht zur Kultur des Unternehmens passen.

    Wie fgt sich das agile Projektmanagement ins Kulturenmo-dell ein? Fr die Vorgehensmodelle bietet das agile Manifest mitseinen vier Kernwerten eine gute Grundlage. Noch hilfreichersind die daraus abgeleiteten zwlf Prinzipien. Wenn man sie aufdas Kulturenmodell abbildet, so entsteht eine Matrix (Abbil-dung2). Es ist deutlich erkennbar, dass sich die Aspekte in denSektoren Cultivation und Collaboration hufen. Diese Darstel-lung enthlt schon Scrum-Artefakte wie Velocity und Burn-down, obwohl die nicht zu den Prinzipien gehren. Das soll ver-deutlichen, dass es sehr wohl agile Praktiken gibt, die sich auchanderen Kulturformen zuordnen lassen.

    Eine hnliche Betrachtung kann man fr das traditionelleProjektmanagement durchfhren, ebenso wie fr jeden anderenAnsatz, etwa das hauseigene Projektmanagement-Modell. DasBetrachten der traditionellen Modelle fhrt zu einem offensicht-lichen Ergebnis. Zur Erinnerung die PMI-Interpretation vonProjektmanagement: Die Anwendung von Wissen, Knnen,Werkzeugen und Techniken auf Projektaktivitten, um Projekt -anforderungen zu erfllen. Der Schwerpunkt liegt eindeutig inden Bereichen Control und Competence (Abbildung3).

    Zu viel Verquickung ist schlecht

    Das Ergebnis drfte nicht berraschen. Es sei an dieser Stelleausdrcklich erwhnt, dass mit der Betrachtung der Kulturenund der Vorgehensmodelle keine Wertung einhergeht. Ziel istnicht, eine Kultur mit einer anderen in ihrer Wertigkeit zu ver-gleichen. Diese Kulturen existieren, weil Unternehmen in ih-ren Umgebungen damit erfolgreich waren. Somit hat jede ihreBerechtigung, ebenso wie smtliche Vorgehensmodelle. DieserBeitrag soll verdeutlichen, dass ein Zusammenwerfen von Agi-litt und traditionellem Projektmanagement ein zu groes Feldabdeckt und somit alle Kulturformen einschliet. Das wre qua-si die eierlegende Wollmilchsau. Dadurch wrden Kulturbrcheschon in das Vorgehensmodell einflieen. Das passiert beispiels-weise, wenn man agil in einem Control-betonten Unternehmenarbeiten mchte. Es entstehen Risse, in der Regel zwischen demagilen Team und dem Umfeld in Form von Management undStakeholder. Besonders zu spren bekommt das der ProductOwner in einem Scrum-Projekt sowie die Mitglieder des Ent-wicklungsteams. Das bremst schnell die Motivation.

    hnliche Betrachtungen lassen sich fr andere Vorgehens-modelle durchfhren. Michael Sahota beschreibt zum Beispiel,dass Kanban der Control-Kultur zuzuordnen ist und SoftwareCraftmanship (siehe Alle Links) der Competence-Kultur.

    Traditionelle und agile Vorgehensweisen weisen deutliche Un-terschiede auf, und es ist nicht Erfolg versprechend, durch wildes

    Vermischen der Prinzipien ein agiles Projektmanagement zuschaffen. Es spricht jedoch nichts dagegen, sich im Werkzeugkas-ten der Methoden zu bedienen. Aber vor der unbedachten Einfh-rung agiler Aspekte in traditionelle Projekte mit der Erwartung,die beste Vorgehensweise zu verwenden, kann nur eindringlichgewarnt werden. Auch stellt agiles Projektmanagement, dasssich nur ein paar Teile aus dem agilen Fundus herauspickt, keinensanften bergang zur wirklich agilen Arbeitsweise dar.

    Das Anwenden agiler Methoden in Control- oder Compe-tence-Kulturen fhrt zu Kulturbrchen an den Schnittstellen.Das kann gehrige Frustrationen auslsen und eine erhhteFluktuation nach sich ziehen, weil Mitarbeiter es in diesemSpannungsfeld nicht dauerhaft aushalten. Hufig ist das ndernder Unternehmensorganisation und -spielregeln jedoch keineOption. Es muss die Erkenntnis erlaubt sein, dass ein ge-wnschtes Vorgehensmodell eventuell nicht zu einem Unter-nehmen passt. (jd)

    Literatur[1]William E. Schneider; The Reengineering Alternative;

    A Plan for Making Your Current Culture Work; Burr Ridge,IL; Irwin Professional Publishing, Inc., 1994

    Dirk Jahnke ist bei der adesso AG als Berater sowohl in agil als auch traditionell gefhrten Projekten sowie als Coach oder Mitarbeiter in verschiedenen Rollen ttig.

    iX Kompakt 2015 Agiles IT-Projektmanagement 17

    Unternehmenskulturen nach Management-Praktiken

    Trgt man die Kulturen aus Schneiders Modell auf zwei Achsen auf,ergibt sich eine Vier-Feld-Einteilung (Abbildung4).

    Auf der vertikalen Achse steht, wem die Aufmerksamkeit im Unter-nehmen primr gilt (Inhalt/Content der Kultur). Die beiden Endpunk-te sind die Gegenwrtigkeit, also der Bezug auf das Jetzt oder dieVergangenheit (Actuality) im Gegensatz zu dem nach vorne gerich-teten Blick auf die Mglichkeiten (Possibility).

    Die horizontale Achse zeigt an, wie im Unternehmen in der Haupt-sache Entscheidungen oder Beurteilungen gefllt werden (Prozessder Kultur): unpersnlich/sachlich (impersonal) im Gegensatz zumstarken Bezug auf den Menschen (personal).

    Actuality

    Possibility

    Control

    Competence

    Impersonal

    Collaboration

    Cultivation

    Personal

    Basiskulturen nach Schneider: Auf den vier Quadranten lassensich die vier Kulturtypen einordnen (Abb.4).

    Alle Links: www.ix.de/ix1516014 x

  • S chweigen neun Augenpaare sehen ihn an. Florian, derseit zwei Monaten Scrum Master ist und beharrlich darumkmpft, den Teamgeist zu strken, berkommt ein mulmi-ges Gefhl. Was nun? Dabei hatte er nur nach Lehrbuch eineRetrospektive anmoderiert. Und nun dies: Sie schweigen ihn an.Wo ist der Team-Spirit, von dem andere so schwrmen, wennsie von geglckten Scrum-Projekten sprechen?

    So oder so hnlich wie Florian drfte es vielen gehen, dieScrum einfhren und feststellen, dass die Regeln zwar einfachsind, jedoch schwierig umzusetzen. Was macht eine gute Scrum-Einfhrung aus? Woran merkt man, dass man auf dem falschenWeg ist? Darum soll es hier gehen.

    Agilitt in der Softwareentwicklung hat mittlerweile denMainstream und den Golfplatz erobert. Obwohl viele Unterneh-men bereits Scrum einsetzen, erreichen nur wenige die erhofftenZiele. Zum Beispiel schaffen sie es nicht, eine krzere Zeitspan-ne zwischen Produktidee und Auslieferung zu etablieren. Einverbessertes Projekt-Controlling bekommen sie nicht hin. Undbeim Frdern der Mitarbeitermotivation durch mehr Selbstbe-stimmung in der Arbeitsgestaltung hapert es ebenfalls.

    Geht man durch einen Betrieb, in dem Agilitt Einzug gehal-ten hat, so nimmt man dies zunchst durch die vernderten Ar-beitsweisen mancher Mitarbeiter wahr: Es gibt selbstorganisierte

    Teams, mehr direkte Kommunikation, ritualisierte Treffen zumTeil im Stehen und Unmengen von Klebezetteln an Brown-den und -tren.

    Yes, we do Scrum, but

    Manche Unternehmen entscheiden sich dafr, Agilitt einzufh-ren, indem sie den Werkzeugkasten der Projektleiter um Prakti-ken aus Scrum erweitern. Was vernnftig klingt, ist eine Vari-ante von Scrum-But und schon der erste Schritt auf dem Wegzum Scheitern. Scrum-But bedeutet, aus der Methode nur dieElemente auszuwhlen, die einem passend erscheinen (Yes, wedo Scrum, but ). Scrum ist jedoch keine Werkzeugkiste, son-dern eher vergleichbar mit einer Schweizer Taschenuhr. DieWerte und Prinzipien der Agilitt bilden das Uhrwerk, in demdie Zahnrder przise ineinandergreifen; an der Oberflchesichtbar sind das Zifferblatt, die Zeiger (Scrum-Rollen, Mee-tings, Artefakte). Ohne Werte und Prinzipien bleibt Scrum eineleere Hlle. Wer auf Scrum setzt, holt sich nicht nur eine neueEntwicklungsmethode ins Haus, sondern muss Organisations-struktur sowie Firmenkultur anpassen und steckt schnell in ei-nem ausgewachsenen Change-Projekt.

    18 iX Kompakt 2015 Agiles IT-Projektmanagement

    PROJEKTE & QUALITT | FIRMENKULTUR

    Scrum nachhaltig im Unternehmen einfhren

    Ganz oder gar nichtMichael Hofmann, Andrea Grass

    Wenn ein Unternehmenseine Entwicklungs -prozesse agil gestaltet,

    kann es echte Fortschritteerzielen. Die Sache kann

    jedoch auch nach hinten los gehen nmlich dann, wenn Agilitt lediglich als Feigenblatt fungiert. Erfolg stellt sich nur ein, wenn man alle Beteiligten von Anfang

    an mit auf die Reise nimmt.

  • Wie sich ein Change-Projekt gestalten lsst, hat John PaulKotter bereits in den 90er-Jahren mit drei Phasen Sensibilisie-rung, Mobilisierung, Umsetzung und insgesamt acht Schrittendes Wandels dargelegt [1]. Die Tabelle Change-Prozess nachKotter zeigt, wie ein Unternehmen den Change-Prozess zumEinfhren von Agilitt nutzen kann und wie sich die Kotter-schen Phasen und Schritte umsetzen lassen. Die folgenden Ab-stze beschreiben, was beim Einfhren von Agilitt/Scrum allesschiefgehen kann.

    Wenn es bei der Sensibilisierung (Phase1) und der Mobili-sierung (Phase2) Defizite gibt, zeigen sie sich bei der Umset-zung (Phase3). Ein Beispiel aus der Praxis: Um niemanden aufder Reise in eine neue Arbeitswelt zu verlieren, gibt es manch-mal das Bestreben Wir nehmen alle mit und fhren Vernde-rung daher behutsam ein (Phase3). Dies kann jedoch auch zulangsam geschehen, das Ganze wird zum Schneckenrennen.Aufgeschlossene Kollegen werden ungeduldig, weil sich kaumetwas ndert und gleichzeitig gibt es andere, die nicht mitreisenwollen. Hier zeigt sich, wie wichtig eine ausreichende Sensibi-lisierung ist. Im mittleren Management erzeugt die Scrum-Ein-fhrung sowohl Chancen als auch Probleme, da alte Karriere -

    pfade als Projektleiter oder Softwarearchitekt in Scrum keineEntsprechung finden. Hier mssen die Verantwortlichen frh-zeitig Klarheit darber schaffen, was aus den Kollegen wird, dieRollen besetzen, die in Scrum nicht existieren.

    Die innere Einstellung ist entscheidend

    Zu Beginn gilt es, ausreichend Bewusstsein fr die Dringlichkeitzu schaffen und ein mit Befugnissen ausgestattetes Team zusam-menstellen, das eine Vision entwickelt, die bildhaft erklrt, wieman in Zukunft arbeiten mchte (Phase1). Diese Vorstellungsollte gegebenenfalls wiederholt erzhlt, erlutert und ver-breitet werden, um so die Kollegen zu mobilisieren (Phase2).

    Es liegt auf der Hand, einen Unternehmenswandel zu agilerEntwicklung ebenso in agiler Weise iterativ durchzufhren.Das Prinzip heit Inspect and Adapt. Feedback-Kreislufeersparen den Zwang zur Perfektion zu Beginn. Sind die Mit-arbeiter ausreichend in die Vernderung eingebunden, entstehenProzesse, die jeder annehmen und akzeptieren kann; die Dis-krepanz zwischen gelebtem und dokumentiertem Prozess ist

    Phase Schritt Beispiele einer agilen Operationalisierung Se

    nsib

    ilisie

    rung

    Gefhl fr die Dringlichkeit erzeugen Problembewusstsein durch Retrospektive schaffen Welche Probleme existieren derzeit? Welche davon knnen mit Scrum gelst werden?

    Fhrungskoalition aufbauen Gruppe mit ausreichend Kompetenz soll den Wandel gestalten

    Enterprise Transition Team (unterschiedlicher Hierarchieebenen) einsetzen

    Vision und Strategie entwickeln Vision: Frage klren: Was bedeutet es fr das Unternehmen, agil zu arbeiten?Strategie: systematische Einfhrung Agilitt agil einfhren, alternative Karrierepfade thematisieren agile Transition untersttzen

    Mob

    ilisie

    rung

    Vision des Wandels kommunizieren Empfehlung: die Kommunikation top-down regelmig wiederholen und vor allem die Intention erluternber den aktuellen Stand des Change-Projektes berichten

    Mitarbeiter auf breiter Basis befhigen Handeln im Sinne der neuen Vision und der Ziele ermglichen

    Enterprise Transition Team bernimmt Steuerung des Change-Projektes

    Scrum schulen Scrum-Rollen ausbilden, durch Coach untersttzen und zum

    Leben erwecken

    Umse

    tzun

    g

    schnelle Erfolge erzielen Pilotprojekte und Quick-Wins identifizieren

    Erfolge konsolidieren und weitere Vernderungen einleiten Split and Seed: erfahrene Mitarbeiter aus den anfnglichen Pilotprojekten auf neue Scrum-Projekte verteilen

    neue Anstze in der Kultur verankern ber Ziele und Fortschritte regelmig berichten Communities of Practice etablieren agile Transformation weiterhin begleiten Scrum-Master-Rolle im Alltag etablieren

    Change-Prozess nach Kotter

    iX Kompakt 2015 Agiles IT-Projektmanagement 19

  • gering. Eine iterative Herangehensweise an die Umsetzungs-phase ermglicht das Lernen aus frhen Erfolgen und frhemScheitern. Es zeigt sich dabei regelmig, wie weit man aufdem Weg zur Vision vorangekommen ist, und festigt so die Ver-nderungsprozesse.

    Es soll an dieser Stelle nicht unerwhnt bleiben, dass auchdas Gegenteil gelingen kann statt iterativer Vernderung eineBig-Bang-Einfhrung. Die gute Absicht hier ist: Wir sind vonAgilitt berzeugt, geben Orientierung und Klarheit und gehenalle gemeinsam. Wenn es schief luft, funktioniert durch dieschiere Anzahl an gleichzeitigen Vernderungen zu viel nichtmehr und die Akzeptanz fr die Transformation sinkt. Es ist je-doch mglich und in der Praxis belegt , dass die gute Absichttrgt und sich Scrum erfolgreich in einem groen Sprung ein-fhren lsst. Es erscheint zwar kontra-intuitiv, kann aber den-noch glcken [2].

    Allerdings sind manche Unternehmen davon berzeugt, dassScrum auch nur ein Werkzeug ist. Sie bernehmen daher ledig-lich einige Praktiken aus der Vorgehensweise, ohne sich tatsch-lich an ihren Werten und Prinzipien auszurichten. Dabei entstehtetwas, das man Verwaltungs-Scrum nennen knnte. Die Aufga-be des Scrum Master besteht in diesem Umfeld allein darin,rechtzeitig zu den Meetings einzuladen und zu prfen, ob allepnktlich erscheinen. Er tut weder etwas fr die Teambildung,noch wirkt er als Change Agent in die Organisation hinein.

    Darber hinaus gibt es weitere Ursachen fr ein Scheitern derAgilittseinfhrung. Beispielsweise werden Berater in ein Un-ternehmen gerufen, um den gelebten Scrum-Prozess zu pr-fen. Die Symptome beschreibt das Team gelegentlich mit Stzenwie: Weder sind wir mit unserer Performance zufrieden, nochlsst sich der viel zitierte Teamspirit so richtig spren. Aus ir-gendeinem Grund scheint der Prozess ins Stocken geraten zusein. Die Ursache liegt hufig nicht in einem fehlenden Change-Projekt, sondern in dem Gedanken Wir passen Scrum an unserUnternehmen an und knnen dennoch die eingangs erwhntenZiele erreichen sowie unsere Vision in die Realitt umsetzen.Doch das ist in der Regel nicht erfolgreich. Zwar kann man Din-ge verndern, nur sollte man vorher genau verstanden haben,welche Auswirkungen solche Aktionen haben knnen.

    Angst vor Vernderungen lhmt vieles

    Eine andere Ausprgung von Wir passen Scrum an steckt hin-ter der guten Absicht, dass man organisatorisch zunchst so wenig wie mglich verndern mchte, um die Akzeptanz zu fr-dern. Eine solche Einstellung will nicht zum Aufbruch motivie-

    ren, sondern die Angst vor Vernderungen eindmmen. Darausentsteht im Alltag beispielsweise ein Unternehmen mit (wei -terhin) funktionsorientierten Abteilungen (Requirements-Engi -neering, Entwicklung, Qualittssicherung), mit einem Scrum-Team je Abteilung, die vielleicht auch noch in verschiedenenGebuden sitzen (Abbildung).

    Kein Wunder, dass sich der Teamgeist im Keller versteckt.Dabei liegt die Lsung nahe: Man kann Scrum-Teams abtei-lungsbergreifend besetzen und in einem Flur, benachbarten B-ros oder sogar einem Raum unterbringen. Darber hinaus sollteman darauf hinarbeiten, den Spezialisierungsgrad der Teammit-glieder aufzuweichen, um so mehr Flexibilitt und echte Zusam-menarbeit zu bekommen. Eine weitere Variante der genanntenguten Absicht, organisatorisch so wenig wie mglich zu bewe-gen, knnte den Namen Das Beste aus beiden Welten bekom-men. Hier wird Scrum neben den vorhandenen Rollen und Re-geln eingefhrt die Scrum-Rollen und -Regeln gelten einfachzustzlich. Die betroffenen Mitarbeiter werden mit der Aufl-sung von Rollenkonflikten etwa Projektleiter und Scrum Mas-ter in Personalunion allein gelassen. Es ist jedoch nicht gut,l und Wasser zu mischen. Mit anderen Worten: Nur auf sehrgrober Ebene lassen sich agile Projekte in ein nicht agiles Um-feld einbetten.

    Wenn alle Fragen des Warum, Was und Wie zum Ein-fhren von Agilitt geklrt sind, bleibt immer noch die Heraus-forderung, die neue Arbeitsweise dauerhaft im Alltag zu veran-kern und nicht wieder in alte Gewohnheiten zurckzufallen. Beidiesem Thema der Nachhaltigkeit kommt dem Scrum Mas-ter besondere Bedeutung zu. Voraussetzung fr das Etablierender Neuerungen im Unternehmen ist, dass die Betroffenen allerHierarchieebenen so am Vernderungsprozesses teilhaben, dasssie die Mglichkeit bekommen, ihre Angewohnheiten und Ar-beitsweisen nachhaltig zu ndern. Sie mssen also mitgestaltenknnen und dies iterativ. Die regelmige Reflektion im Teamber die eigenen Arbeitsweisen gehrt zu den Kernaufgaben ei-nes Scrum Master. Seine Rolle sollte im Arbeitsalltag verankertsein und gezielt die Nachhaltigkeit der neuen Arbeitsweise fr-dern. Scrum Master wie der eingangs geschilderte KollegeFlorian bentigen somit nicht nur Kenntnisse ber Rollen,Meetings und Artefakte, sondern vor allem eine Ausbildung, diesie befhigt, die Teambildung voranzubringen und Change Agentim Unternehmen zu sein. Das erfolgreiche Einfhren von Scrumerfordert den Mut, nicht nur ausgewhlte Praktiken zu verwen-den, sondern sich an den entsprechenden Werten und Prinzipienim Alltag zu orientieren. (jd)

    Literatur[1]John Paul Kotter; Leading Change; Harvard Business

    School Press, 1996[2]Michael Hofmann, Meino von Spreckelsen; Einfhrung von

    Scrum im Groen ein Praxisbericht; 30. Internationales Projektmanagement Forum, Nrnberg, 2013

    Dr. Michael Hofmann ist Arbeits- und Organisationspsychologe. Als Trainer und Berater der oose Innovative Informatik eG fhrt er Lean, Agile und Scrum in Unternehmen ein.

    Andrea Grass arbeitet als Trainerin und Agile Coach bei der oose Innovative Informatik eG. Sie fhrt Agilittsschecks durch und untersttzt Teams dabei, Agilitt zum Leben zu erwecken.

    20 iX Kompakt 2015 Agiles IT-Projektmanagement

    PROJEKTE & QUALITT | FIRMENKULTUR

    Es ist ein Irrtum, zu glauben, dass Abteilungs-Scrum funktioniert.Echte Vernderungen in Richtung agiles Unternehmen sind soausgeschlossen.

  • W as treibt jemanden dazu, einen Artikel ber Plne zuschreiben? Mir persnlich gengt dafr die Beschfti-gung mit dem in Abbildung1 dargestellten Gantt-Dia-gramm. Es wurde angefertigt, um die zeitliche Abfolge von Ak-tivitten zum Umstellen eines bestehenden IT-Systems auf SAPdarzustellen. Den Plan mit seinen rund 3000 Zeilen zu erstellen,erforderte einen gewaltigen Aufwand. Dumm nur, dass sich dasGanze schon nach wenigen Wochen als hinfllig erwies. Ja, dieArbeit von ber 100 Bearbeitungstagen war umsonst und dasobwohl die Planung den Segen des Program Board und der Ge-schftsleitung hatte. Denn nach kurzer Zeit stellte sich zur all-gemeinen berraschung heraus, dass die zweiwchigen Krank-heiten zweier Schlsselressourcen immense, nicht-lineare

    Auswirkungen auf die Abhngigkeiten in der Projekt- und Res-sourcenplanung hatten. Die Folge: Die vorgesehene Laufzeitvon eineinhalb Jahren verlngerte sich um mehr als ein Jahr. Somacht Planung keinen Spa und bringt auch nichts fr den Er-folg des avisierten Produkts.

    Voraussagen sind unmglich

    Leider ist bei anspruchsvollen Projekten eine sorgfltige Pla-nung unverzichtbar. Wie sonst sollte man wissen, was man wannund wie zu tun hat und was man dafr braucht? Ein Plan ist eineEntscheidungsgrundlage, und die entscheidenden Fragen, die er

    22 iX Kompakt 2015 Agiles IT-Projektmanagement

    PROJEKTE & QUALITT | PLANUNGSMETHODEN

    Genauere Schtzungen durch Komplexittsreduzierung

    In Einklang bringenFrank Dsterbeck

    Beim Planen von Produkten, Releases und Ressourcen liegen die Beteiligten mit ihren

    Schtzungen immer wieder weit daneben. Knnen agileVerfahren die Situation verbessern? Sind sie tatschlich schneller und genauer als klassische? Und wo bleibt eigentlich mein Gantt?

  • beantworten soll, lauten: Was fr ein Produkt will ich entwi-ckeln? In welchem zeitlichen Ablauf mchte ich dies tun? Wasbrauche ich dafr? Typischerweise beantworten drei unter-schiedliche Plne Produkt-, Release- und Ressourcenplan diese drei Fragen.

    Da Softwareentwicklung komplex ist, bewegen sich die Ver-antwortlichen auf dnnem Eis, wenn sie zu Beginn eines Pro-jekts konkrete Aussagen ber die bentigte Zeit, die bentigtenRessourcen und die voraussichtlichen Kosten treffen. Schlie-lich lehrt die Komplexittstheorie, dass man sich in komplexenSystemen auf Voraussagen fr die Zukunft nicht verlassen kann.Dies gilt umso mehr, je komplexer ein System ist. Unglckli-cherweise existieren gerade in der Softwareentwicklung beson-ders viele Komplexittstreiber. Hierzu gehren: sich ndernde Anforderungen Echtzeit Chancen und Risiken Interessen der Stakeholder/politische Interessen neue Prozesse und Methoden neue Techniken alter Code Anwendbarkeit des Gelernten Organisationsstrukturen Infrastruktur die TeammitgliederAllein diese Aufzhlung zeigt, dass Plne nicht alle Unwg-barkeiten im Projektverlauf abdecken knnen. Da komplexeSysteme zudem grundstzlich nicht linear sind, ist es sinnlos,sie vollstndig in ein sequentielles Gantt-Diagramm zu ber-fhren.

    Simplifizierung ist der Schlssel

    Es gibt jedoch einen Weg, mit dem Menschen komplexe Sys-teme in den Griff bekommen und besser verstehen knnen:Simplifizierung. Denn je besser es gelingt, Komplexitt zu re-duzieren und ihr dennoch weitgehend gerecht zu werden, destobesser lsst sich planen. Ganz falsch wre es, auf komplexeSachverhalte mit komplexen Methoden zu reagieren. Denn da-durch erhht sich die Komplexitt noch weiter. Leider ist ihreReduktion immer mit einem Informationsverlust verbunden. Es

    gilt also, bei der Planung die Waage zwischen Verminderungund Verlust zu finden.

    Ausgangspunkt der Produktplanung ist die Vision bezie-hungsweise das Produkt, mit dem man sie erreichen will. DerProduktplan zeigt, wie die Vision umgesetzt werden soll. bli-cherweise definiert man ein Projekt, in dessen Rahmen das Pro-dukt entsteht. Ziel des Projekts ist immer, Wert zu schaffen und dies mglichst schnell, flexibel, hochwertig und gnstig.Hierbei gilt jedoch: Wer versucht, die Planung 1:1 umzusetzen,drfte bald feststellen, dass er den Erfolg des Produkts (auf denes letzten Endes ja ankommt) so nicht erreicht. Denn im Rah-men eines Projekts funken immer wieder die oben genanntenKomplexittstreiber dazwischen.

    Ein Projekt kann nur derjenige erfolgreich umsetzen, der im-stande ist, jederzeit flexibel auf Vernderungen zu reagieren.Einfach nur stur den einmal aufgestellten Plan zu verfolgen,fhrt jedenfalls gewiss nicht zum gewnschten Ziel und kannsogar kontraproduktiv sein.

    Die ntige Flexibilitt liefert ein Product Backlog, in demsich der Produktplan manifestiert (Abbildung2). Sein Vorzugbesteht darin, dass er eine eindeutige Reihenfolge vorgibt, in derdie darin enthaltenen Product Backlog Items (PBIs, typischer-weise User Stories und Epics) abzuarbeiten sind, wobei die ers-

    iX Kompakt 2015 Agiles IT-Projektmanagement 23

    Gantt-Diagramm: Die Realitt lsst

    sich in einem solchen Diagramm

    nicht darstellen(Abb.1).

    Im Product Backlog manifestiert sich der Produktplan mit einerklaren Reihenfolge der Aktivitten (Abb.2).

  • ten User Stories mglichst frh einen hohen Wert schaffen soll-ten. Nur sie werden deshalb schon am Anfang so detailliert undkonkret ausgearbeitet, dass sie sich umsetzen lassen (Status oderDefinition of Ready). Stories, die weiter hinten im ProductBacklog stehen, mssen erst dann in ihren Einzelheiten ausge-arbeitet sein, wenn sie an der Reihe sind.

    Diese Vorgehensweise verringert die Komplexitt und ver-schafft einen immensen Vorteil gegenber dem Arbeiten mitherkmmlichen Lasten- oder Pflichtenheften, die viele Anfor-derungen stark ausdifferenzieren, obwohl sie spter keinen

    oder nur noch einen sehr geringen Wert haben (die typischeGoldkante).

    Die grte Herausforderung beim Anfertigen eines ProductBacklogs besteht darin, die optimale Reihenfolge und den rich-tigen Schnitt (also die Aufteilung) der Stories festzulegen.Hierbei spielen Elefanten eine wichtige Rolle doch dazu sp-ter mehr.

    Auf der Product Roadmap zum Ziel

    Der Releaseplan beantwortet die Frage: Wann kriege ich was?Hierfr sollte das Projektteam eine Product Roadmap anfertigen,die angibt, auf welche Weise es die Vision verwirklicht will. Siedient als Fahrplan und beinhaltet unterschiedliche Releases, diesich jeweils einem bestimmten Ziel (Thema) widmen, das esdann in einem oder in mehreren Sprints zu erreichen gilt.

    Ob nach jedem Sprint eine Auslieferung stattfindet odernicht, ob es auch innerhalb von Sprints Auslieferungen gibt,oder ob berhaupt Releases bentigt werden, all das ist abhn-gig vom Kontext. Oft wird ein Release dazu verwendet, eineKlammer um weitere Ttigkeiten wie Migrationen, Schulun-gen und Change Management zu bilden. Grundvoraussetzungder Releaseplanung ist es, die einzelnen PBIs zu schtzen. Wiebei jeder Schtzung gibt es dabei zwangslufig Unsicherheiten.Der in Abbildung3 dargestellte Kegel der Unsicherheit desamerikanischen Softwareingenieurs Barry Boehm beschreibt,dass zu Anfang eines Projekts die Schtzunsicherheit hoch ist(Faktor4). Im Laufe der Zeit wird die Schtzung zwar genau-er, erreicht aber niemals Faktor1. Erst am Ende eines Projektswei man, welche Schtzung richtig war (und das auch nichtin allen Fllen).

    Oft kommt der Auftragnehmer in die Verlegenheit, dem Kun-den schon vor Beginn eines Projekts eine ungefhre Schtzungdes voraussichtlichen Aufwandes geben zu mssen. Rechneteder Auftragnehmer zum Beispiel ber den Daumen mit einemZeitaufwand von 60 Tagen, wre es nicht unbedingt ratsam, demKunden diese Schtzung mitzuteilen, denn vermutlich lsst sichnur schwerlich ausschlieen, dass das Projekt auch 120 oder 240Tage dauern kann oder auch nur 15. Da kein Kunde eine sounkonkrete Zeitangabe wie 15 bis 240 Tage akzeptiert, musseine konkretere Schtzung her.

    Besser ungefhr richtig als genau falsch

    Man knnte darauf verfallen, nun doch ein vermeintlich exaktesLastenheft zu schreiben. Doch auch dann gbe es weiterhin gro-e Schtzungenauigkeiten (zumal keine Umsetzungserfahrun-gen vorliegen). Und selbst mit erheblich gesteigertem Aufwanderreiche die Schtzgenauigkeit niemals 100 Prozent. An dieserStelle sei auf einen bewhrten Tipp von Johann Wolfgang vonGoethe verwiesen: Entscheide lieber ungefhr richtig, als ge-nau falsch.

    Ein weiterer unerfreulicher Aspekt: Menschen sind nichtwirklich gut darin, komplexe Sachverhalte zu schtzen. Zwarknnen sie relativ gut Relationen bilden und erkennen bei-spielsweise leicht, welches Mnnchen in Abbildung4 grerist als die anderen. Doch insbesondere groe Mengen knnensie nur sehr schlecht richtig einordnen. In der Softwareentwick-lung kommt hinzu, dass Entwickler dazu tendieren, nur das rei-ne Kodieren (also das ideale Netto) zu schtzen (Abbildung5).

    Das reale Brutto, also die eigentliche Arbeit, wird dagegenkaum betrachtet. Dies fhrt zu hohen Abweichungen, die man

    24 iX Kompakt 2015 Agiles IT-Projektmanagement

    PROJEKTE & QUALITT | PLANUNGSMETHODEN

    Kegel der Unsicherheit: Im Laufe der Zeit wird die Schtzungzwar genauer, erreicht aber niemals Faktor1 (Abb.3).

    Relatives Schtzen:Die kleineren Figu-ren zu erkennen, ist kein Problem,schwierig wird esbei groen Mengen(Abb.4).

    reales Brutto

    ideales Netto

    Waste/private

    Dinge tunabstimmen,besprechen

    fortbilden

    Entwerfen Codieren

    Dokumentieren

    Testen

    Reviewen

    Refaktorieren

    Organisieren

    Ideales Netto vs. reales Brutto: Entwickler neigen dazu, das Ko-dieren in den Vordergrund zu rcken, bersehen aber gern denRest (Abb.5).

  • blicherweise mit Puffern korrigiert. Doch wie kann ein Pro-jektteam den Schtzherausforderungen und -komplexitten ge-recht werden?

    Ein einfacher Ausweg aus dem Dilemma sind Story Points.Die Planer schtzen nicht, wie schnell sie eine Strecke laufen,sondern die Lnge der Strecke. Auf die Softwareentwicklungprojiziert heit das: Sie schtzen die Struktur dessen, was sieumsetzen mssen. Dabei kommen sowohl der zeitliche Aspektals auch die Komplexitt und die Unsicherheit bei der Planungeiner Story zum Tragen (was sich etwa ber eine abgewandelteFibonacci-Reihe erreichen lsst). So wird man sowohl der Kom-plexitt als auch den Problemen der Schtzung gerecht.

    Auerdem ist es mit einfachen Schtzverfahren mglich,ein Product Backlog schnell und effizient vergleichend zuschtzen, zum Beispiel ber das Team Estimation Game (siehedazu den Artikel Spielerisch arbeiten auf Seite 112). Hierbeischlgt die bereits erwhnte Eigenschaft der Menschen durch,dass sie gut Relationen bilden knnen. Auch das reduziertKomple xitt.

    Ist das Product Backlog entsprechend bewertet, muss dasTeam fr die zeitliche Abbildung wissen, wie viele Story Pointses pro Sprint abarbeiten kann (die sogenannte Velocity). Sie ba-siert auf den tatschlich geleisteten Werten (empirisches Ma-nagement) und lsst sich zum Vermeiden grerer Schwankun-gen auf die Anwesenheit der Mitarbeiter beziehen. Weiterhinmuss das Projektteam die maximalen und minimalen Werte derVelocity betrachten (extreme Minima und Maxima herausrech-nen), um mit ihnen in die Releaseplanung zu gehen (Abbil-dung6).

    Agil schtzt es sich besser

    Gibt es einen fixen Termin fr das Re-lease, so lsst sich mit hoher Validitt sa-gen, welche Stories bis dahin abgearbei-tet werden knnen, welche nur vielleichtund welche auf keinen Fall. Ist der Funk-tionsumfang fix, so lsst sich anhand derermittelten minimalen und maximalenVelocity leicht bestimmen, bis wann sichder Auftrag erfllen lsst. Im Zweifelempfiehlt sich ein fixer Release-Termin,

    nicht zuletzt, weil es Vertrauen schafft, wenn das Produkt oderwenigstens dessen Essenz bis dahin auch tatschlich geliefertwird (was dank guter Priorisierung im Backlog gelingt). Fr einTeam, dessen Velocity noch nicht bekannt ist, muss man aus derErfahrung heraus am Anfang eines Projekts eine Annahme tref-fen, die es dann schnellstmglich zu besttigen und gegebenen-falls zu korrigieren gilt. ber die Genauigkeit einer Preisindika-tion gibt der Vergleich zwischen diesem agilen und einemklassischen Vorgehen in Abbildung7 Auskunft.

    Schnell auf Probleme reagieren

    Das agile Angebot ist mit Sicherheit wesentlich genauer als daszum gleichen Zeitpunkt abgegebene klassische, da die Betei-ligten bis dahin schon Erfahrungen beim Umsetzen gesammelthaben. Somit knnen sie gute Zukunftsprognosen treffen. Einweiterer Vorteil der agilen Vorgehensweise ist, dass die Umset-zung zeitig beginnt. Das bedeutet zwar auch, dass schon frhmehr Geld in das Entwicklungsteam flieen muss, doch zu-gleich zeichnen sich etwaige Fehlschlge viel schneller ab, undman kann schnell auf Probleme reagieren. Bei ungnstigemVerlauf lsst sich ein Projekt also wesentlich frher stoppen.Um mit den Unsicherheiten der Releaseplanung besser umge-hen zu knnen, sollten sich die Beteiligten klarmachen, dassman einen Elefanten nicht in Scheiben schneiden darf. Was dasbedeutet? Ein Elefant ist stark und kann eine ganze Menge Eigenschaften, die auch fr das Produkt gelten sollten. Mit einpaar Scheiben kann man nichts anfangen, und seien sie noch

    iX Kompakt 2015 Agiles IT-Projektmanagement 25

    Releaseplanung: Das Team muss wissen,

    wie viele Story Points es pro Sprint abarbeiten

    kann (Abb.6).

    klassisch

    agil

    Lastenheft

    Pflichtenheft

    ProductBacklog

    CR CR

    Umsetzung Umsetzung

    Preisindikation

    Preisindikation

    Angebot

    Umsetzung

    Das agile Angebot ist wesentlich genauer als das zum gleichen Zeitpunkt abgegebeneklassische (Abb.7).

  • so gro. Im Zweifel werden sie auch noch falsch zusammen-gesetzt (Abbildung8).

    Salamitaktik fhrt zu nichts

    Auf das Produkt bertragen hei das: Wenn der Auftragnehmeres scheibchenweise verwirklicht, hat es erst ganz zum Schlusseinen Wert. Besser wre es jedoch zweifellos, mglichst schnelleinen Wert zu schaffen. Die richtige Vorgehensweise bestehtdemnach darin, den Elefanten wie es die Natur vorgesehenhat langsam grozuziehen.

    Zwar bedeutet das, dass der kleine Elefant noch nicht allesgut kann und vielleicht ein paar Probleme bereitet, aber immer-hin lebt er schon mal. Wer sein Produkt langsam zur vollen Rei-fe bringt, wird der Komplexitt der Software gerecht und schafftfrhzeitig Wert.

    Um dies zu erreichen, bietet sich bei der Produkt- und derReleaseplanung das Story Mapping an. Es besteht aus folgendenRegeln und Schritten: Alle, die mit der Produktentwicklung zu tun haben, machen

    mit Nimm die Haupt-Benutzeraktivitten und Hauptgeschftspro-

    zesse Trenne Aktivitten in entsprechende Schritte auf (funktionale

    Bereiche, Epics et cetera) Trenne jeden Schritt in kleinere Stories auf Priorisiere jede Story nach Wert, Risiko, Nutzen, Wichtigkeit Definiere und schtze ein Walking Skeleton, das Gerst der

    Anwendung, das alle kritischen Schichten und Techniken be-rhrt, allerdings ohne viel Fleisch (im Sinne von Funktio-nen) drumrum

    Definiere und schtze das Minimal Viable Product (MVP, dasminimale Set an Funktionen)

    Vergiss nie die Vision beziehungsweise das Big PictureHinter dem Ressourcenplan steckt hufig die Frage: Was solldas Ganze kosten? Was die Entwicklungsttigkeiten angeht, istdie Antwort darauf einfach: Die Kosten pro Story Point ergebensich aus den Kosten pro Sprint geteilt durch die Velocity. DieKosten pro Sprint wiederum ergeben sich je nach Kontext. Istein externer Dienstleister involviert, muss man der Rechnunglediglich dessen Kosten pro Stunde zugrunde legen.

    Verzgerungen mit einplanen

    Typischerweise hat ein Auftraggeber allerdings nur ein begrenz-tes Budget. In der klassischen Welt geht ein kluger Auftraggeberoder Projektverantwortlicher davon aus, dass das Projektbudgetnicht ausreicht, und plant Mehrkosten von 10 bis 15 Prozent so-wie etwaige Zeitverzgerungen mit ein. Nach dem Projekt wird

    selbstverstndlich ein Wartungsbudget definiert. Es ist aber nichtim Projektbudget enthalten und im schlimmsten Fall muss esein anderer Bereich bezahlen.

    blicherweise erweisen sich bei Projekten sowohl die Zeit-vorgaben als auch die geplanten Kosten als zu knapp kalkuliert.So entsteht vor allem beim klassischen Vorgehen nach demWasserfallprinzip am Projektende ein starker zeitlicher Druck,dem dann vielleicht sogar einige Tests zum Opfer fallen.

    Zeitlicher Druck ist eine beliebte Ursache fr eine groetechnische Schuld (schnell mal fertig machen). All das ziehtunweigerlich Qualittsmngel nach sich und erzeugt ein starkberhhtes Wartungsbudget. Mit Festpreis und der Gewhrleis-tung des Dienstleisters ist es im besten Fall nur rgerlich fr denEndkunden. Meistens aber fhrt es zu erheblichen Mehrkostenbei Folgeprojekten, entweder weil sich der Dienstleister die Ge-whrleistungskosten wieder zurckholt oder weil die technischeSchuld so gro ist, dass sie aufwendige Refaktorierungen erfor-dert. Ein Mittel, diesen Problemen entgegenzuwirken, ist ein ite-rativ-inkrementelles Vorgehen.

    Auch hier muss man davon ausgehen, dass das Projekt so-wohl den zeitlichen als auch den Kostenrahmen reit. Trotzdemsind dabei doch bestimmte Funktionen korrekt umgesetzt wor-den und erzeugen Wert (vorausgesetzt, der Elefant wurde gro-gezogen und nicht geschnitten). Das bedeutet: Die Funktionen,die das Team am Ende der Projektlaufzeit noch umsetzen muss,sind im Zweifel kaum noch relevant und knnen womglich so-gar wegfallen.

    In jedem Fall verbessert das iterativ-inkrementelle Vorgehendie Qualitt des Produkts. Testphasen entfallen nicht, und dietechnische Schuld ist kleiner. Das Wartungsbudget drfte des-halb deutlich geringer ausfallen als beim klassischen Wasser-fallverfahren.

    Der Wert treibt, nicht der Plan. Ein Team muss versuchen, derKomplexitt der Softwareentwicklung sowie den Schwierigkei-ten insbesondere von Schtzungen mit geeigneten Manahmenzu begegnen. Erreichen lsst sich das durch das Kombinierenetablierter agiler Praktiken und Methoden sowie einer inkremen-tellen, iterativen Vorgehensweise. Das bedeutet auch, dass manEntscheidungen auf Basis des Bekannten trifft und nicht aufGrundlage des Unbekannten. Dabei braucht man kein Gantt-Chart. Dieses berbleibsel aus der Industrialisierung suggerierteine Planungssicherheit, die es in der Softwareentwicklung nichtgibt. Besser ist es, den Ausspruch von Bertold Brecht zu berck-sichtigen: Wer A sagt, der muss nicht B sagen, er kann auch er-kennen, dass A falsch war. (jd)

    Frank Dsterbeckarbeitet bei der HEC GmbH als Berater und Trainer fr Organisationsentwicklung, Projekt-, Test- und Anforderungs manage -ment mit Fokus auf agilen Methoden (Twitter: @fduesterbeck).

    26 iX Kompakt 2015 Agiles IT-Projektmanagement

    PROJEKTE & QUALITT | PLANUNGSMETHODEN

    Egal, wie gro die Scheiben ausfallen; der Kunde kann damit nichts anfangen (Abb.8).

  • Agile Softwareentwicklung ist im Mainstream angekom-men. Und genau hier lauern die Gefahren. Die ursprng-lichen agilen Ideen werden hufig nicht ausreichend ver-mittelt. Oder die Leute ignorieren die Grundstze und schnappensich stattdessen die erste Methode, die ihnen ber den Weg luft,nur um sich den Orden agil an die Brust heften zu drfen. Oh-ne adquates Zuschneiden. Ohne berlegung, ob und was bes-ser und passender wre. Ohne Respekt vor Grautnen, einfachnur von Schwarz ins vermeintliche Wei.

    Wir haben in diversen Projekten und Teams festgestellt, dassviele Menschen hufig nicht genau verstehen, was die agileSoftwareentwicklung denn ausmacht, und zwar im Kern, nettosozusagen. Dafr haben sie aber beispielsweise den Scrum-Flohim Ohr sitzen. Sie wissen nicht, nach welchen Prinzipien managil denken muss, um so Software entwickeln zu knnen. Siefrchten sich vor Pair Programming, weil sie es fr Ressourcen-verschwendung halten.

    Es hat sich zu viel oberflchliches, gefhrliches Halbwissenangesammelt, weil sich viele nicht einmal die Mhe machen,bei Wikipedia unter Agile Softwareentwicklung nachzuschla-gen, sondern gleich das Scrum-Brecheisen auspacken. So stellensie ihr ganzes Unternehmen auf den Kopf, ohne zu ahnen, dasssie mit Scrum ein Managementkonzept und keineswegs per seagile Softwareentwicklung einfhren. Kurzum: Fr viele scheintdie agile Softwareentwicklung in ihrer reinen, methodenunab-hngigen Form im Spannungsfeld zwischen Marketing-Hypeund Halbwissen ein Buch mit sieben Siegeln zu sein.

    Unsere oberste Prioritt ist es, den Kunden durch die frheund kontinuierliche Auslieferung ntzlicher Software zufrieden-zustellen.

    Das Umsetzen dieses Prinzips aus dem agilen Manifest wirktsich direkt auf die Kundenzufriedenheit aus, und die ist schlie-lich entscheidend fr den Erfolg der Mission. FunktionierendeSoftware ist in diesem Kontext die Software, die fr den Kun-den einen Mehrwert bringt, also im Vergleich zum vorherigenStand eine Verbesserung darstellt. An dieser Aufgabe werdenSie und Ihr Team gemessen.

    Der Kunde muss immer profitieren

    Erhhen Sie mit jeder Auslieferung Nutzen und Wert der Soft-ware fr den Kunden. Prferieren Sie Inkremente gegenbermehrwertlosen Iterationen. Bauen Sie nicht auf Halde oder aufVerdacht, lassen Sie keine berdimensionierung zu. VerwerfenSie rigoros alles, was nicht hier und jetzt erforderlich ist oderzumindest als Vorbereitung fr die nchsten Schritte dient be-ziehungsweise zur Basisarchitektur der Lsung gehrt.

    Ein Beispiel: