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Grundlagen der Vergiftungsepidemiologie und –behandlung Dr. Ezgi Eylül Bankoglu Institut für Pharmakologie und Toxikologie Universität Würzburg

Grundlagen der Vergiftungsepidemiologie und behandlung · Giftexposition und toxische Wirkungen Die Fremdstoffen gelanden in den Körper über die Haut, die Lunge, den Magen-Darm-Trakt

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Grundlagen der Vergiftungsepidemiologie

und –behandlung

Dr. Ezgi Eylül Bankoglu

Institut für Pharmakologie und ToxikologieUniversität Würzburg

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Definition der Toxikologie

Die Toxikologie beschäftig sich mit der schädlichen Wirkung vonFremdstoffen (synthetische, aber auch Naturstoffe sein).

Das Ziel: schädigende Substanzen identifizieren und charakterisieren sowiequantitative aussagen zum Ausmaß der gesundheitlichen Schädigung zumachen.

Auf Basis dieser Daten, Grenzwerte wird ermittelt, die den Schadenverhindern oder minimieren helfen können.

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Giftexposition und toxische Wirkungen

Die Fremdstoffen gelanden in den Körper über die Haut, die Lunge, den Magen-Darm-Trakt oder über parenterale Wege.

Toxische Effekte am schnellsten:

Injektion ins Blut > Über die Lunge > Intraperitoneal >per Oral

Der Expositionweg beeinflusst die Art und Ausmaß der schädigenden Wirkungen durch

die Wirkdauer,

den Wirkort und

die Reversibilität

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Giftexposition und toxische Wirkungen

Die Wirkdauer:• Akut (einer kurzen Zeitspanne nach einmaliger Exposition gegenüber einem

Chemischen Stoff)

• Chronisch (nach mehrmaliger Exposition gegenüber geringere Konzentrationen)

Exposition Ort Effekt Chemisher Stoff

Akut

Lokal LungenödemPhosgen, Ozon, Stickstoffdioxid

systemisch Leberschädigung Tetrachlorkohlenstoff

Chronisch

Lokal Bronchitis Schwefeldioxid

systemisch Neurotoxizität Hexan

Subakut (täglich über 28 Tage) und subchronisch: über 90 Tage

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Giftexposition und toxische Wirkungen

Ort der Wirkung: Lokal: die Stoffe schädigen die ihres kontakt Stelle

Systemisch: über verschiedene Wege in den Körper aufgenommen und dort verteilt

Organspezifisch: selective Anreicherungsmechanismen, lokal aktivierendeEnzyme oder besondere Empfindlichkeit

Chemischer Stoff Zielorgan

Aflatoxin Leber

Kohlenmonoxid Erythrozyten

Cadmium Niere

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Giftexposition und toxische Wirkungen

Reversibilität: Reversiblen Wirkung:

Die Konzentration des toxischen Stoffes am Wirkort die ausschlaggebende Größe

Irreversible Wirkungen:

Durch kovalente Modifikationen von Protein oder DNA

Mechanismus Toxische Wirkung Beispiel

Kovalente Bindungan DNA

KrebsDimethylnitrosamin

Nitrosoharnstoff

Bindung an cholinesterase

Neurotoxizität Carbamate

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ResorptionVerteilung

BiotransformationExkretion

Rezeptor-Wechselwirkung chemische Läsion

Toxikokinetik Toxikodynamik

Effektresorptive Verfügbarkeit biologische Verfügbarkeit

Quelle: Dekant und Spiros, Toxikologie

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Todesursachen in Deutschland

Quelle: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2007

• Todesfälle in Deutschland (2006): 821 627

• Davon durch Verletzungen und Vergiftungen: 32 212

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Informationsbeschaffung bei Vergiftungen

Wer ist betroffen?

• Alter,

• Gewicht,

• Geschlecht,

• Telefonnummer für Rückruf

Welche Art von Vergiftung?

• Anhaltspunkte zum Stoff oder Produkt

Wie hoch ist die mögliche Belastung?

• Anhaltspunkte zur Dosis (Tablettenanzahl, Flüssigkeitsmenge)

Wann ist es passiert?

• Zeit seit dem Vorfall

Was wurde beobachtet und untergenommen?

• Symptome, Erste Hilfe

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Anzahl der Anrufe 1975-2015

Quelle: Jahresbericht 2015, Giftnotruf München

Etwa 80% dieser Anfragen betreffen tatsächliche oder vermutete Vergiftungen

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Allgemeine Charakteristik der Anrufe

Quelle: Jahresbericht 2015, Giftnotruf München

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Altersverteilung im Vergiftungen

Quelle: Jahresbericht 2015, Giftnotruf München

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Ätiologie der Vergiftung, Erwachsene

Quelle: Jahresbericht 2015, Giftnotruf München

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Substanzgruppen bei Vergiftungen im Erwachsenen

Quelle: Jahresbericht 2005, Giftnotruf München

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Substanzgruppen bei Vergiftungen im Kinder

Quelle: Jahresbericht 2005, Giftnotruf München

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Erstversorgung: Fünf-Finger-Regel

1. Lebensrettende Basismaßnahmen (Sicherung Atem und

Kreislauffunktionen)

2. Giftelimination

3. Antidot-Therapie

4. Assevierung (Probenahme)

5. Transport

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Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen

Freihalten der Atemwege

stabile Seitenlagerung

Entfernung von Speiseresten

Erhaltung der Blutzirkulation

Sauerstoffzufuhr

bei toxischem Lungenödem (z.B. durch Reizgase)

Kohlenmonoxidvergiftung

Korrektur von Störung des Säure-Base und Elektrolythaushalts

Wärmeschutz

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Primäre und Sekundäre Giftelimination

ENTGIFTUNG

Primäre Elimination(vor Resorption)

Sekundäre Elimination(nach Resorption)

Induziertes Erbrechen

Magenspülung

Haut/-Augenreinigung

Aktivkohle

Laxantien

Darmspülung

Aktivkohle

Hämodialyse

Hämoperfusion

Forcierte Diurese

Antidottherapie

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Minderung der Giftresorption

Emesis durch Ipecac-Sirup (Ipecacuanhae radix, Brechwurzel)

• Reflex-Emetikum durch Irritation der Magenschleimhaut

• Die Wirkung ist sehr variable und gering (Wirksamkeit: 20% des aufgenommenen Stoffes)

• Verzögerte Wirkung: repetitives Erbrechen über 2-3 h

• Kontraindikationen: Bewusseintrübung, Intoxikationen mitLösungsmitteln und Schaumbildnern, ätzenden oderkrampfauslösenden Stoffen

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Minderung der Giftresorption

Aktivkohle als unspezifisches Adsorbens

Als Gel oder wässrige Ausschlämmung oral oder nasogastralerSonde verabreicht

Dosis: 0,5-1 g/kg körpergewicht

Adsorptionsfläche von 1000-2000 m2 pro g

Bindet große Zahl von Giftstoffen

(unwirksam bei Ethanol/Methanol/Ethylenglykol, Schwermetallen, org. Lösungsmitteln, starken Säuren/Laugen)

Je früher die Behandlung, desto höher ist der Prozentsatz des gebundenen Stoffes

Wenn der Gefahrstoff Erbrechen auslösst, Gefahr der Aspiration von Aktivkohle besteht.

Ebenso wirksam wie Magenspülung oder induziertes Erbrechen

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Laxanzien (z.B. sorbitol oder Magneziumzitrat)

Laxanzien haben keine Bedeutung zur Dekontamination des Intestinaltraktes

Unerwünschte Wirkungen wie Wasser und Elektrolythaushaltverschlechtern

Klinische Studien zu Laxanzien liegen nicht vor.

Nicht empfohlen!

Minderung der Giftresorption

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Minderung der Giftresorption

Magenspülung :

Durchführung: Spülung mit 10-20 L lauwarmen Wasser oderphysiologischer Kochsalzlösung.

Wegen eingeschränkte Wirksamkeit wird selten verwendet

KI: Giftaufnahme liegt > 1 h

Wahl bei Stoffen bei denen Aktivkohle ungenügend wirkt (z.B. Methanol, Eisen, Lithium) oder bei besonders gefährlicheVergiftungen (Paraquat, Knollenblätterpilz, Zyanide)

Nebenwirkungen: Laryngospasmus, Perforation, Aspiration, Herzrhytmusstörungen und Störungen im Elektrolythaushalt

Infrastruktur eine –krankenhaus und erfahrenes Personal notwendig

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Probenahme (Asservierung)

Stoffreste, die mit Vergiftung in Zusammenhang stehen können

Mögliche Behälter oder Verpackungen

Urin, Stuhl und Blutprobe

Erbrochenes kann tiefgekült werden

Nach der Magenspülung erste Spülportion (höchste

Giftkonzentration!)

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Darmspülung (z.B. elektrolytbalancierter Polyethylenglykollösung, Macrogol)

über nasogastrale Sonde verabreicht

Bei retardpräparaten und hohen Dosen von Substanzen die schlecht an Aktivkohle binden (Eisen, Lithium)

Die Methode wird auch noch > 2h nach der Vergiftung sinvoll sein

Nebenwirkungen: Abdominalekrämpfe und Erbrechen

Herabsetzung der Aktihkohlewirkung durch die Verdünnung und beschleunigte Ausscheidung

Minderung der Giftresorption

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Sekundäre Eliminationsverfahren

Beschleunigung der Giftelimination

1. Unterbrechung des enterohepatischen Kreislauf (wiederholteAktivkohlenabgabe)

2. Renale Elimination

3. Hämodialyse

Antidottherapie

Direkt chemisch an Giftstoffe binden (Acetylcystein gegenParacetamolvergiftung)

Giftwirkung funktionell hemmen(Atropin gegen Organophosphate)

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Minderung der Giftresorption

Aktivkohle dient der primären und sekundären Giftelimination

Unterbrechung des enterohepatischen Kreislauf durch

wiederholte Gabe von Aktivkohle

Dosis: initial 0,5-1 g/kg KG, 3-4 mal alle 4-6 h 25-50 g/kg

Nach Einnahme lebensbedrohlicher Mengen von Carbamazepin,

Phenobarbital, Theophyllin

Kombinierte Gabe mit einem Laxans (Natriumsulphat) zur

Beschleunigung der Darmpassage

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Beschleunigung der Giftelimination

Steigerung der Elimination über die Niere (forcierte Diurese)

Stoffliche Voraussetzungen:

• Hydrophil

• möglichst nicht eiweißgebunden

• überwiegend renal Elimination

Durchführung:

• Infusion großer Flüssigkeitsmengen (6-12 L/tag) + Schleifendiuretikum (Harnvolumen > 500 ml/h)

• Bei schwachen Säuren (Barbituraten, Salicylaten) zusätzlichAlkalisierung des Urin pH durch Natriumhydrogencarbonat(verminderung die Rückdiffusion)

Einschränkungen:

• schwere Hypokaliämie, Engmaschige Kontrolle und Alkalose

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Beschleunigung der Giftelimination

Elimination über extrakorporalen Kreislauf Hämodialyse:

Prinzip:

beim Transport durch Kapillaren gibt Blut über semipermeable MembranWasser und niedermolekulare Substanzen ab (z.B. Ethanol, Methanol, Salicylate)

Stoffliche Voraussetzungen:

• Hydrophil

• Nicht eiweißgebunden

• Hohe Plasmakonzentration

Indikation:

• v.a. Niereninsuffizienz

• Bei schwere Intoxikationen durch:

• Arsen,

• Calcium

• Methanol

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Beschleunigung der Giftelimination

Elimination über extrakorporalen Kreislauf Hämoperfussion:

Prinzip:

Durch Adsorption an polymere Trägermaterialien (z.B. beschichtete Aktivkohle) werden Gefahrstoffe aus dem Blut entfernt.

Geeignet auch für lipophile, nicht dialyzable Gifte mit hoher Eiweissbindung

Wegen mangalhafter Spezifität für das Ausfiltern des Gefahrstoffs, Hämoperfusion wird nur bei schwersten Vergiftungen und selten eingesetzt.

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Antidottherapie

Dekorporierungsantidotte

• Gehen mit Giftstoff oder Metaboliten eine chem. Bindung ein

• Enstehung eine Komplexes mit startk verminderter Toxizität

Bindung von Ionen: nach Komplexbildung sind Metallionen nichtmehr in freier Form toxischer und werden renal ausgeschieden.

Chelatoren Metallionen

Dimercaptosuccinat(DMSA, Succimer)

Blei, evtl. Quecksilber

Dimercaptopropansulfonat(DMPS)

Quecksilber, Arsen, evtl. Blei

Deferoxamin Eisen

Penicillamin Kupfer, Blei

Eisen(III)-Hexacyanoferrat(II) Thallium, Cäsium

Kalzium-Dinatrium-EDTAVerschieden zweiwertigeSchwermetallionen

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Antidottherapie

Funktionelle Antidote

Unterbrechen die agonistisch-toxische Wirkung des Gefahrstoffesüber den entsprechenden Rezeptor

Beispiele:

Flumazenil: wirkt gegen Benzodiazepine am GABAA-Rezeptor

Naloxon: wirkt gegen Opioide

Atropinsulfat: wirkt gegen Organophosphat und CarbamatInsektizide

Durch Verdrängung des inhibierenden Gefahrstoffs vomRezeptor/Enzyme ermöglichen sie deren ursprüngliche Wirkung.

Beispiele:

Antagonizierung von Cumarin durch Phytomenadion (Vit K1)

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Kritische Dosis:

• bei Tagesdosierung mehr als 7,5 g (Hepatotoxizität) oder >12g (schweres Leberversagen)

• Spezifische Risikogefahr unter bestimmte Bedingungen wie:

Leberschäden,

Enzymeinduktion,

Alkolismus

Symtomatik:

leicht: Übelkeit, Erbrechen und andere GI Beschwerden

schwer: Leberzellnekrose

Therapie:

• Innerhalb 8-12 h nach der Intoxikation, N-Acetylcystein150mg/kg i.v. alle 15 min gabe

• Lebertransplantation

Vergiftung mit Paracetamol

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Vom Symptom zum Gefahrstoff

Bei Vergiftungen mit Arzneistoffen kann die Symptomatik Hinweise auf den Stoff geben.

Organ Symptom

AtmungFrequenz/Tiefe

Bronchospasmus

HerzTachykardie vs. Bradykardie

Rhytmusstörungen

Kreislauf Hypertonie vs. Hypotonie

ZNS

DepressionKrampfanfälle

Hyperthermie vs. HypothermieHyperreflexie

Halluzinationen

Hauttrocken vs. feucht

kühl vs. warmBlässe

Organ Symptom

Pupillen Miosis vs. Mydriasis

Drüsen

Speichelfluss vs.Mundtrockenheit

TränenflussBronchorrhö

GI-TraktÜbelkeit

ErbrechenDarmatonie vs. Stuhlinkontinenz

Blase Harnverhalt vs. Harninkotinenz

Skelett-muskel

Faszikulationen

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Vom Symptom zum Gefahrstoff

Effekte an mehreren Organsystemen können sich alsSymptomenkomplex (Toxidrome) ausprägen.

Praktisch wichtige Toxidrome sind:

1) Cholinerges Syndrom

2) Anticholinerges Syndrom

3) Syndrom der Opiat, Sedative oder Alkohol Intoxikation

4) Sympathomimetisches Syndrom

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Cholinerges Syndrom

Auslöser:

o Cholinesterase-Hemmer (z.B. Organophosphat und Carbamat)

o Chemische Kampfstoffe (Nervengifte Soman, Sarin, Tabun)

o Nikotin

Symptome:(dominiert von der agonistische Effekten an muskarinischen Rezeptoren)

o Herz: hemmung (Bradykardie)

o Drüsen: Stimulierung (Hypersecretion Speichelfluss, Tränenfluss, Schwitzen)

o Glatte Muskulatur/Auge: Kontraktion mit Miosis

o Erschlaffung der Sphinkteren (Erbrechen, Diarrhö, Harn und Stuhlinkontinenz)

o Nikotinische Effekte: Muskelfaszikulationen, Atemlähmung

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Cholinerges Syndrom

Therapie:

o Antagonisierung der muskarinischen Symptomatik (Atropin)

o Reaktivierung der Acetylcholinesterase bei

Organophosphaten (Obidoxim)

o Zur Behandlung der nikotinischen Symptome kann Beatmung

notwendig werden

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Anticholinerges Syndrom

Auslöser:

o Arzneistoffe (trizyklische Antidepressiva, Phenothiazine, H1-Antihistaminika, Antiarrhythmika der Klass I)

o Einige Pflanzen mit anticholinerg wirkende Inhaltstoffen(Risspilze und Solanaceen Alkaloide)

Symptome: (antagonistische Effekte an muskarinischen Rezeptoren)

o Herz: Aktivierung, Tachykardie

o Drüsen: hemmung der Sekretion

o Glatte Muskulatur: Relaxation (Bronchus, Magen-DarmMotilität, Ureteren)

o Auge: Relaxation mit Mydriasis und Fernakkomodation

Therapie:

o Das zentral wirkende Antidot ist Physostigmin.

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Syndrom der Opiat, Sedetiva oder Alkohol Intoxikation

Bei disem Syndrom besteht Hinblick auf die ZNS-Wirkung (Atemdepressionund Koma) als Gemeinsamkeit.

Opiat und OpioideSymptome:• Miosis• BradykardieTherapie:• Antagonist an

OpioidrezeptorenNaloxon i.v. Sedativa und Narkotika

Symptome:• Müdigkeit• Ataxie• DysarthrieTherapie:• Flumazenil als

Antagonist

AlkoholSymptome:• Bei Ethanol-Intoxikationen

zentrale Wirkung (Rausch)• Bei Methanol und Glykolen

auch metabolische Azidoseund organspezifische Toxizität

Therapie:• Natriumhydrogencarbonat

bei Azidose• Fomezipol als Antidot• Hämodialyse

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Sympathomimetisches Syndrom

Auslöser:

o Kokain, Amphetamine, Appetitzügler (Phenylpropanolamin)

o Theophyllin, Koffein

o smypathomimetische Pharmaka

Symptome:

o ZNS-Stimulanzien

o Abgrenzung zum anticholinergen Syndrom durch fehlendeperiphere Wirkungen an Drüse und GI

Therapie:

o Antagonist Phentolamin (gegen Hypertonie)

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Weitere Toxidrome

Serotoninsyndrom:

Auslöser sind Serotoninergika z.B. Triptane und Tramadol

Symptomatik: Erbrechen, Diarrhö, Tachykardie, Schwitzen, Mentalle Alteration, Kardiotoxizität, Koma, Krampfanfällen

Therapie: Gabe eines Serotonin-Antagonisten

Neuroleptikasyndrom:

Zahlreiche antagonistische Effekte führen zuzentralnervösen, anticholinergen, extrapyramidalen und kardiotoxischen Wirkungen.

Symptomatik: autonome Instabilität, Tachykardie, Hyperthermie, Schwitzen, Muskelrigidität

Therapie: symptomatisch

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Prädiktivität von Toxidromen

Die Diagnose wird erschwert durch:

Bei schweren Vergiftungen ist eine eher allgemeineSymptomatik führend (Arrhytmien, Krampfanfälle, ZNS-Depression, Koma, Atemstillstand).

Das Gegenspiel physiologischer Regelkreise des autonomenNervensystems kann eine Zuordnung erschweren.

Vorbestenden Erkrankungen mit zugehöriger Medikationbeeinflussen die Einzelstoffsymptomatik.

Mischintoxikationen: Häufig sind zusätzlich Alkohol, Benzodiazepine oder Antihistaminika beteiligt.

Besondere Lebensabschnitte: bei Kinder oder alte Menschen kann der Vergiftungsverlauf unchrakteristisch sein.

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Kohlenmonoxid

■ Geruchloses, nicht reizendes Gas (kein Warneffekt beim Menschen!), kann sich durch Sauerstoffverdrängung in der Umgebung anreichern

■ entsteht als Produkt unvollständiger Verbrennung von kohlenstoffhaltigem Material

■ Rasche Resorption über die Lunge

■ bindet an Hämoglobin („Blutgift“)

■ bei einem Kohlenmonoxidanteil von 0,1 % in der Atemluft wird etwa die Hälfte der roten Blutkörperchen für den Sauerstofftransport blockiert

■ Bei einem Atemluftanteil von über einem Prozent tritt binnen ein bis zwei Minuten der Tod ein

■ Affinität von Kohlenmonoxid zum Hämoglobin ca. 220 mal als die Sauerstoff

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Kohlenmonoxid-Intoxikation Symptome

in Abhängigkeit des [Hb-CO] –Gehaltes

leichte Intoxikation (CO-Hb 10-20 %)• Kopfschmerzen• Schwindel• Ohrensausen• Sehstörungen• Erbrechen• Kurzatmigkeit• Muskelschwäche • Tachykardie

Mittelschwere bis schwere Vergiftungen (CO-Hb 20-60 %) • anfangs Erregungszustände • später Bewusstseinstrübung bis tiefes Koma• Krampfanfälle• Herzrhythmusstörungen bis zum Kollaps• oberflächliche Atmung oder Hyperventilation• metabolische Azidose

CO-Hb-Konzentrationen > 70 %• Zentrale Anoxie und Tod innerhalb weniger Minuten

nach Überwindung der akuten Phase u. U. Spätsyndrom: neuropsychiatrische Störungen

Raucher: CO-Hb 5-10 % (< 2 % bei Nichtrauchern)!

Therapie:• rasch und großzügig Sauerstoff als Antidot• Künstliche Beatmung mit Sauerstoff• Atmung mit Luft wird mit einer Halbwertzeit

ca. 6 h und bei einer Sauerstoff-Atmung 1,5 h

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Blausäure und Cyanid-Intoxikation

• Exposition erfolgt bei der Metallverarbeitung, bei Bräden und durch Pflanzeninhaltstoffe

•Cyanid-Vergiftung kann innerhalb weniger Minuten tödlich sein

• Cyanid ist 20 x toxischer als Kohlenmonoxid

• toxische Wirkungen von Cyanid und Kohlenmonoxid ergänzen sich additivMischintoxikation auch bei subletalen Dosen der Einzelgifte tödlich

• Vergiftung kann entstehen durch Inhalation, orale Aufnahme oder Hautresorption

• Cyanid-Vergiftung liegt vor, wenn die Cyanidkonzentration im Blut ≥ 39 µmol/l

• Kennzeichen einer Cyanid-Vergiftung in Verbindung mit Rauchgas, z. B. Ruß um Mund, Nase und/oder Oropharynx Bewusstseinsstörungen wie Verwirrtheit und Desorientiertheit Kardiovaskulärer Kollaps, Krampfanfälle oder Koma

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Mechanismus hohe Komplexaffinität zu bestimmten Schwermetallenblockiert Fe3+ der Cytochromoxidase Hemmung der mitochondrialen Atmungskette („innere Erstickung“)

Symptome• Kratzen in Hals und Nase, Brennen von Zunge und Augen• Kopfweh, Schwindel, Atemnot• Herzklopfen• Bewusstseinsstörungen bis Koma, Krämpfe• Herzstillstand

Cyanid-Intoxikation

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Therapie:

Natriumthiosulfatgabe

Na2S2O3 als Bereitstellung von Schwefel zur enyzmatischenThiocyanatbildung. 10%ige Lösung, 10-20 ml i.v. in 10 min Abständenwiederholtegabe

Methämoglobinbildner

Amylnitrit Inhalation als Soforthilfe oder 4-Dimethylaminophenol (4-DMAP)

Kobaltverbindungen

Cyanid bildet sehr stabile Komplex mit Kobalt. Hohe Dosen i.v.

Sauerstoffbeatmung und Korrektur der Azidose

Cyanid-Intoxikation

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Methämoglobinbildende Stoffe

Neben einer Reihe von Arzneimitteln (Procain, Primaquin)kommen als Methämoglobinbildner Nitrite, Anilin undNitrobenzol in Frage.

Wirkungsweise: das zweiwertige Eisen des Hämoglobins indreiwertiges umgewandelt. Das entstandene Methämoglobin istnicht mehr in der Lage Sauerstoff leicht reversible zu binden undvermindert der Sauerstofftransport.

Syptome: Erstickungerscheinungen und tödlich beiMethämoglobinanteil am 60-80% Hemoglobin

Therapie: Zufuhr von Toluidinblau, Austauschtransfusion

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Lungenreizstoffe

Stark reaktive Stoffe verursachen eine durch Proteindenaturierung bedingte „chemische“ Entzündung mit Schleim- und Flüssigkeitsabsonderung und Verengung der Atemwege

Verlust der dreidimensionalen Struktur und Verklumpen der Proteine

Schleimhäute des Auges, Nasen-Rachenraums und Kehlkopfes reagieren sehr empfindlich

In tieferen Lungenabschnitten wird der Reiz nicht wahrgenommen

Stoffbeispiele:

• Saure Reizgase (Flusssäure, Salzsäure, Schwefelsäure)

• Basische Reizgase (Ammoniak, Chloramine)

• Chemisch reaktive Reizgase (Formaldehyde, Chlorgas, Stickstoffoxide, Ozon)

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Entstehung eines toxischen Lungenödems

■ Schädigung der Kapillarwand Permeabilitätserhöhung Austritt von Plasma in den Interstitialraum

■ Vergrößerung der Diffusionsstrecke für O2 und CO2, Gasaustausch drastisch behindert

■ Vertiefung der Atmung und O2-Mangel verstärken Flüssigkeitsaustritt alveoläres Ödem

■ Bildung von Ödemschaum Aufsteigen des Schaums und Verlegung größerer Bronchien toxisches Lungenödem

■ Todesursache durch Ersticken

Therapie

Diazepam

Sauerstoff

Glucocorticoide

• inhalativ (Dexamethason)

• u. U. auch i. v. (Prednisolon)

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Säuren und Basen

Unspezifisch Säurewirkungen

lokale ätzwirkung, per os Ätzwirkungen in Mund, Rachen, Speiseröhre undMagen.

Je nach Schwere können die Verätzungen akut durch Perforation oder späterdurch Infektionen oder Strikturen zu sekundären Erkrankungen führen.

Azidose

Therapie

Magenspülungen wegen der Perforationgefahr zuvermeiden

Neutralization mit MgO statt NaHCO3

Intravenose Infusion von Alkali (Natrium phosphoricum oder Natrium lacticum)

Basen

lokale ätzwirkung, auf Haut und Schleimhäute

die häufigste Verätzungen kommen durch Aufnahme von Kallium oderNatriumhydroxid oder durch Ammoniak vor.

Therapie

Magenspülungen wegen der Perforationgefahr kontraindiziert

Reichliche Zufuhr von Wasser, möglichst mit Zusatz von schwachen Säuren(Citronensäure, Essigsäure).

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Ethanol Vergiftung

Absorption: ca. 20% bereits vom Magen aus, der Rest wird von Dünndarm aufgenommen. Nach der resorption verteilt sich der Ethanol gleichmäßig im gesamten Körperwasser.

Ethanol-Konzentration im Blut ist abhängig von:

der Menge des aufgenommenen Ethanols

der Geschwindigkeit der Resorption

der Körpergewicht (Körperfett/wasser)

der Geschwindigkeit der Ethanol-Elimination

Die Elimination des Ethanol beginnt sofort nach der Zufuhr. Dieausscheidung von unverändertem Ethanol wird durch Niere,Atemluft und Haut (in wenige Prozent) und der Rest wird abgebaut.Der Abbau von Ethanol nicht proportional zur Konzentration.

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Ethanol Vergiftung

Symptomen bei der akuten Alkoholvergiftung:

Beeinflussung des Zentralnervensystems Die Reaktionszeit wird verlangsamt Die Hautgefäße werden erweitert Das Wärmeregulationszentrum gelähmt Die Gefäße des Splanchnikusgebietes wird verengt Blutdruck und Herzminuten volume können etwas einsteigen Wasserausscheidung wird gesteigert Hypoglykämie durch die Hemmung von Ethanol die Gluconeogenese aus Aminsäure Werte von 3,5-5 Promille wurde bei tödlich verlaufenden Vergiftungen gefunden.

Die akute Alkohol-Vergiftung kann nur symptomatisch behandelt werden:

Künstliche Beatmung, Beobachtung des Wasser und Salzhaushaltes und der Wärmeregulation

Bei der möglicherwise auftretendes Hirnödem: Osmotherapie Bei Hypoglykämie: Glucose-Infusionen Hämodialyse

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Methanol Vergiftung

Methanol ist sehr viel giftiger als Ethanol.

Vergiftungssymptome sind nicht auf die Methanol selbst zu beziehen, sondern auf die Metaboliten Formaldehyde und Ameisensäure.

Symptome: schwere Azidose, Bewussteinstörungen und Sehstörung

Therapie:

1. Ethanolgabe: hemming der Methanoloxidation zu Armeisensäure

2. Alkalisierung: Korrektur der Azidose (Zufuhr von Natriumhydrogenecarbonat oder Natriumhydrogenphosphat

3. Hämodialyse: für die Methanol-Elimination wenig wirksam, aberder Korrektur der Azidose dienlich sein.

Methanol Formaldehyd Ameisensäure CO2 + H2OADH ALDH

EthanolADH

Acetaldeyd Essigsäure TricarbonsäurezyklusALDH

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Aufgabe 1 - Unfall beim Reinigen einer Milchanlage

Eine 41jährige Patientin wollte die Melkanlage mit einem industriell gefertigtenReinigungsmittel beschicken, welches Natriumhydroxid mit Natriumhypochlorit alsDesinfektionsmittel enthält. Ein weiterer saurer Reiniger enthält vor allem Phosphorsäureund einen geringen Anteil an Desinfektionsmitteln wie Ammoniumchlorid. BeimZusammengießen von Resten kam es zu starker Dunstentwicklung. Die Patientin standdann noch längere Zeit im vernebelten Raum, und es traten gesundheitliche Beschwerdenauf, die einen zweitägigen stationären Aufenthalt erforderlich machten.

a) Worin liegt die Ursache für die Dunstentwicklung und die damit verbundenen

gesundheitlichen Beschwerden?

b) Welche Art von gesundheitlichen Beschwerden sind zu erwarten?

c) Welche Maßnahmen sind zur Vergiftungsbehandlung indiziert?

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Ursache: Chlorgas

■ gelbgrünes, stechend riechendes, giftiges, ätzendes und stark korrosives Gas, griech. chloros = hellgrün, frisch

■ entsteht u. a. bei der Wasseraufbereitung, zur Schwimmbaddesinfektion, bei der Trinkwasseraufbereitung oder bei gleichzeitiger Benutzung von natriumhypochlorithaltigen Bleichlaugen und einer stärkeren Säure, die zum Beispiel in Sanitärreinigern enthalten ist

■ Resorption über Atemtrakt (100 % Resorptionsrate)

■ Reagiert mit der Feuchtigkeit der Schleimhäute unter Bildung von hypochloriger Säure (HOCl) und Salzsäure

■ Schleimhautschädigung im oberen Respirationstrakt und an den Augen

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Symptome/Verlauf:

Husten, Schweißausbruch, Atemnot und Schmerzen beim tiefen Einatmen

Lungenfunktionsprüfung und Röntgen-Thorax unauffällig

Blutgasanalyse: pO2 7,06 (Normalbereich: 8,4-11,7)

pCO2 5,87 (Normalbereich: bis 5,65)

Therapie

Corticosteroide

Theophyllin und Mukosekretolytika

Nach zwei Tagen deutliche Besserung

Entlassung mit 2 x 2 Hüben Budesonid für einige Tage

Unfall beim Reinigen einer Milchanlage

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Aufgabe 2 – Kohlenmonoxid-Intoxikation

Ein 3-jähriges behindertes Kind wurde in einer Kinderklinik vorgestellt, um dieUrsachen seiner schon seit längerer Zeit bestehenden Retardierung näher zudiagnostizieren. Als Zufallsbefund fiel dabei ein auf 24,5 % erhöhter Wert für CO-Hbauf. Es stellte sich heraus, dass in der Familie am Abend zuvor im Innenraum gegrilltwurde.

a. Worauf beruht der Mechanismus der toxischen Wirkung von Kohlenmonoxid?

b. Beurteilen sie den Schweregrad der Kohlenmonoxid-Intoxikation im vorliegenden Fall.

c. Welche Symptome sind zu erwarten?

d. Welche Maßnahmen sind zur Therapie einer Kohlenmonoxid-Vergiftung indiziert?

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Kohlenmonoxid

■ Geruchloses, nicht reizendes Gas (kein Warneffekt beim Menschen!), kann sich durch Sauerstoffverdrängung in der Umgebung anreichern

■ entsteht als Produkt unvollständiger Verbrennung von kohlenstoffhaltigem Material

■ Rasche Resorption über die Lunge

■ bindet an Hämoglobin („Blutgift“)

■ bei einem Kohlenmonoxidanteil von 0,1 % in der Atemluft wird etwa die Hälfte der roten Blutkörperchen für den Sauerstofftransport blockiert

■ Bei einem Atemluftanteil von über einem Prozent tritt binnen ein bis zwei Minuten der Tod ein

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Kohlenmonoxid-IntoxikationSymptome

in Abhängigkeit des [Hb-CO] –Gehaltes

leichte Intoxikation (CO-Hb 10-20 %)• Kopfschmerzen• Schwindel• Ohrensausen• Sehstörungen• Erbrechen• Kurzatmigkeit• Muskelschwäche • Tachykardie

Mittelschwere bis schwere Vergiftungen (CO-Hb 20-60 %) • anfangs Erregungszustände • später Bewusstseinstrübung bis tiefes Koma• Krampfanfälle• Herzrhythmusstörungen bis zum Kollaps• oberflächliche Atmung oder Hyperventilation• metabolische Azidose

CO-Hb-Konzentrationen > 70 %• Zentrale Anoxie und Tod innerhalb weniger Minuten

nach Überwindung der akuten Phase u. U. Spätsyndrom: neuropsychiatrische Störungen

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Kohlenmonoxid-IntoxikationTherapie

1. Frischluft, Beatmung

rasch und großzügig Sauerstoff als Antidot über eine dichtsitzende Maske bzw. nach Intubation

mittels Beatmung, mit dem Ziel, den Sauerstoffpartialdruck auf 500-600 mm Hg anzuheben

2. hyperbare Sauerstoffbeatmung in Überdruckkammer

• bei Bewusstseinsstörungen

• nach langer Expositionszeit

• bei metabolischer Azidose

• Kreislaufinstabilität

• Ventilationsstörungen

• CO-Hb > 20 %

3. Weitere Maßnahmen

• Azidoseausgleich

• Schocktherapie zur Verbesserung der Mikrozirkulation

• Corticoidgabe zur Therapie eines Inhalationstraumas und Hirnödemprophylaxe bzw. –therapie

• Zur Beurteilung von Langzeitschäden: Nachuntersuchungen (EKG, EEG, CT, MRT,

neurologischer Status, Audiometrie, Funduskopie) über einen etwa einjährigen Zeitraum

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Kohlenmonoxid-Intoxikation bei 3-Jährigem Kind

1. Verlauf

• CO-Hb 24,5 % mittelschwere Gesundheitsstörung

• Säure-Basen-Status und pH im Normbereich

• Außer Erbrechen keine weiteren Symptome

• Wegen bestehender Retardierung Beurteilung der Vigilanz schlecht möglich

2. Therapie

• Hyperbare Sauerstofftherapie

Vergiftungen mit CO

Holzkohleöfen

Defekte Gasthermen

Go-Kart in Indoor-Anlage

Holzkohlegrills, die (unsinnigerweise) im Innenraum benutzt werden

bei Bränden

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Brandgase

Bei Bränden, insbesondere bei Schwelbränden, wird neben Kohlenmonoxid

(CO) auch Blausäure (HCN) freigesetzt.

Was ist bei der Behandlung einer Mischintoxikation mit CO und HCN im Vergleich

zu einer reinen Cyanid-Vergiftung zu beachten?

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Blausäure und Cyanide

Antidottherapie

1. NatriumthiosulfatBereitstellung von Schwefel zur Bildung von Thiocyanat

2. DMAP (p-Dimethylaminophenol)Umverteilung des CN von Atmungskette zum MetHb

3. Hydroxocobalamin komplexiert Cyanid

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Brandgase

Bei Bränden, insbesondere bei Schwelbränden, wird neben Kohlenmonoxid

(CO) auch Blausäure (HCN) freigesetzt.

Was ist bei der Behandlung einer Mischintoxikation mit CO und HCN im Vergleich

zu einer reinen Cyanid-Vergiftung zu beachten?

Methämoglobinbildung nicht geeignet, weil die durch CO beeinträchtigte

Sauerstofftransportkapazität des Blutes weiter eingeschränkt wird

Hydroxocobalamin Mittel der Wahl

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Ein Patient hatte seit morgens 6:00 Uhr mit einem Pflanzenschutzmittel gearbeitet, das90% Methomyl enthält. Er hatte zwar Schutzkleidung getragen, aber an den Füßen nurSandalen. Gegen 10:00 Uhr bekam er Schweißausbrüche, Schwindel, kalte Hände mitTaubheitsgefühl sowie Übelkeit mit einmaligem Erbrechen. Der herbeigerufene Notarztverabreichte Atropin und Toxogonin i. v. und veranlasste die klinische Aufnahme. Bei derEinlieferung wurde eine Cholinesteraseaktivität von 1,86 kU/l festgestellt.

Aufgabe 3 – Vergiftung durch Methomyl

a. Zu welcher Stoffklasse gehört das verwendete Pflanzenschutzmittel?

b. Wie erklären sich die Symptome der Vergiftung?

c. Welche weiteren Symptome könnten auftreten?

d. Beurteilen Sie den Schweregrad der Vergiftung und die vom Notarzt eingeleitete

Therapie!

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Cholinesterasehemmer

Methomyl ist ein Carbamat, das wie Organophosphate die Cholinesterase hemmt

Das Produkt ist in Deutschland für den landwirtschaftlichen Einsatz nicht mehr zugelassen, ist als „sehr giftig“ eingestuft und darf nur mit vollständigem Chemieschutzanzug angewendet werden.

Toxikokinetik

wie andere Carbamate und Organophosphate gute Resorption über Haut und Schleimhäute

Mechanismus

kovalente Veresterung an Serin-Hydroxy-Gruppen im aktiven Zentrum der Acetylcholinesterase

Enzyminhibition (reversibel),

Folge: Acetylcholinüberflutung der Synapsen cholinerges Syndrom

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Cholinesterasehemmer

Tränen und Speichelfluß

erhöhte Bronchialsekretion / Bronchospasmus

erhöhte Drüsensekretion

Peristaltik + Spasmen im Magen-Darm-Trakt (Koliken, Durchfall, Erbrechen)

Miosis, Akkommodationsstörungen

Bradykardie, Gefäßdilatation, Blutdrucksenkung

Schweißdrüsenstimulation

Muskelzuckung, KrämpfeMuskelschwäche, Lähmung

Parästhesien

Symptome

Muskarinrezeptoren an parasympatischenNervenendigungen

Nicotinrezeptoren an vegetativen Ganglien und an der motorischen Endplatte

Sprachstörungen

Müdigkeit

Verwirrtheit

Bewußtseinsstörungen

Atemlähmung

Acetylcholinrezeptoren im Gehirn

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Cholinesterasehemmer

Ein Abfall der Acetylcholinesterase-(AChE)-Aktivität auf 20 % des Normalwerts ist kritisch

Als Marker dient Cholinesterase-Aktivität im Blut

Referenzbereich: 3,5 – 13,0 kU/l

bei Einlieferung: 1,86 kU/l

nach 2 Tagen Klinikaufenthalt bei 3,87 kU/l, es erfolgte die Entlassung

Diagnostik

Therapie

bei oraler Aufnahme Aktivkohle, gegebenenfalls Magenspülung

Atropin (bis zur erkennbaren Normalisierung vegetativer Funktionen, initial 2-5 mg i. m. oder

i. v., dann alle 10 - 60 min, bis zu mehrere 100 mg)

Eine Reaktivierung der AChE durch Oxime (z.B. Obidoxim =Toxogonin® ; 250 mg i. v.) ist nur bei

Organophosphaten wirksam (Dephosphorylierung der AChE). Oxime sind daher bei Vergiftung mit

Carbamaten nicht indiziert

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Intoxikation mit Parathion

Ein 37-jähriger Patient hatte neben einer nicht bekannten Menge

Bromazepam und Temazepam in suizidaler Absicht etwa 100 ml eines

Insektizids und Akarizids mit Cognac vermischt zu sich genommen. Das

Insektizid enthielt Parathion 500 g/l, ein Organophosphat.

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Vergiftung mit Parathion

Patient (37 Jahre)

Symptome/Verlauf/therapeutische Maßnahmen

einmaliges Erbrechen von dunkelblauer Flüssigkeit

Bei Eintreffen des Notarztes, 14 min nach Giftaufnahme:

tief komatös

massive Bronchialsekretion, Hypersalivation, Schweißsekretion

Atemstillstand

Freisaugen der Atemwege + Beatmung

100 mg Atropin i. v.

Magenspülung noch am Unfallort (100 - 200 ml dunkelblaue Flüssigkeit)

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Vergiftung mit ParathionPatient (37 Jahre)

Transport ins Krankenhaus (Intensivstation)

Blutdruckabfall, durch Dopamin nicht stabilisierbar

Magenspülung (weitere blaue Flüssigkeit)

Aktivkohle + Glaubersalz

250 mg Obidoxim

3 x 100 mg Atropin

Dopamin zur Kreislaufstabilisierung

Laborchemische Untersuchungen

schwere Azidose (pH 6,9 statt 7,35-7,45)

Cholinesteraseaktivität 32 U/l (Referenzbereich 3500-13000 U/l)

3 h nach Giftaufnahme Verlegung mit Rettungshubschrauber zur Hämoperfusion

Patient verstarb trotz mehrfacher Hämoperfusion nach 5 Tagen

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Aufgabe 4 - Vergiftung durch Methanol

Nach einem Trinkgelage auf einer Klassenfahrt in der Türkei

starben drei Schüler an den Folgen einer Methanolvergiftung.

Bei einer Obduktion wurden im Körper eines der Opfer 2,0

Promille nachgewiesen.

a. Worauf beruht der Mechanismus der giftigen Wirkung?

b. Welche Symptome können bei einer Methanolvergiftung auftreten und wie erklären

sie sich?

c. Welche Maßnahmen sind zur Vergiftungsbehandlung indiziert?

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Vergiftung durch Methanol

Vorkommen als Lösemittel für Lacke, Politur, Reinigungsmittel.Geschmack und Geruch wie EtOH Verwechslung

Methanol Formaldehyd Ameisensäure CO2 + H2OADH ALDH

Tödliche Dosis 30 - 100 ml bzw. ab 0,2 Promille

rasch sehr langsam

Therapie hat 3 Ziele:

1 Methanolkonzentration im Blut erniedrigen: Hämodialyse

2 Hemmung der Oxidation zu Ameisensäurekompetitive Hemmung der ADH durch Ethanol oder FomepizolMethanol-Abatmung1 ‰ Ethanol über mehrere Tage (als Infusion; 100 ml eines alkoholischen Getränkes (40 %))

3 Korrektur der Azidose Infusion von Natriumhydrogencarbonat; Kontrolle der Harnsekretion (alkalisch)

EthanolADH

Acetaldeyd Essigsäure TricarbonsäurezyklusALDH