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Inhalt Arbeitsblatt für die Sitzung vom 15. April...................1 Arbeitsblatt für die Sitzung vom 22. April...................4 Arbeitsblatt für die Sitzung vom 29. April...................6 Arbeitsblatt für die Sitzung vom 6. Mai.....................10 Arbeitsblatt für die Sitzung vom 20. Mai....................13 Arbeitsblatt für die Sitzung vom 27. Mai....................15 Arbeitsblatt für die Sitzung vom 3. Juni....................18 Arbeitsblatt für die Sitzung vom 10. Juni...................21 Arbeitsblatt für die Sitzung vom 17. Juni...................24 Arbeitsblatt für die Sitzung vom 8. Juli....................27 Arbeitsblatt für die Sitzung vom 15. Juli...................30

HA Von Der Freiheit Eines Christenmenschen

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InhaltArbeitsblatt fr die Sitzung vom 15. April1Arbeitsblatt fr die Sitzung vom 22. April4Arbeitsblatt fr die Sitzung vom 29. April6Arbeitsblatt fr die Sitzung vom 6. Mai10Arbeitsblatt fr die Sitzung vom 20. Mai13Arbeitsblatt fr die Sitzung vom 27. Mai15Arbeitsblatt fr die Sitzung vom 3. Juni18Arbeitsblatt fr die Sitzung vom 10. Juni21Arbeitsblatt fr die Sitzung vom 17. Juni24Arbeitsblatt fr die Sitzung vom 8. Juli27Arbeitsblatt fr die Sitzung vom 15. Juli30

Arbeitsblatt fr die Sitzung vom 15. April1. Erklren Sie den Begriff Nominalismus, indem Sie ihn vom Begriff Realismus abgrenzen.Im Hohen und Spten Mittelalter hatten sich in der Scholastik zwei Hauptwege herausgebildet: die via antiqua und die via moderna, die jeweils einen unterschiedlichen Blick auf die Welt und die sie bezeichnenden Begriffe werfen. Whrend die via antiqua davon ausgeht, den Allgemeinbegriffen komme reales Sein zu, die Einzeldinge seien nur Exemplare einer Gattung (universalia sunt nomina die Allgmeinbegriffe sind wirklich: Realismus), leugnet dies die via moderna und behauptet, die Allgemeinbegriffe seien bloe Namen, Sein komme allein den Einzeldingen zu (universalia sunt nomina die Allgemeinbegriffe sind Namen: Nominalismus).In Erfurt ging man auf diesem neuen Weg des Nominalismus und Luther lernte gewissermaen die Welt durch die nominalistische Brille kennen, namentlich in der Ausprgung des Wilhelm von Ockham. ber Wilhelm von Ockham lernte Luther die Unterscheidung von potentia absoluta und potentia ordinata kennen. Diese Unterscheidung besagt: Gott ist im Gegensatz zu allen Kreaturen ein absolut unabhngiger Geist und Wille, dem uneingeschrnkte Macht eignet (potentia absoluta); jedoch hat er sich in Natur und Geschichte selbst gebunden (potentia ordinata) und entgeht so dem Vorwurf, ein Willkrgott zu sein. Gott hat nicht ein allgemeines Sein, sondern konkrete Einzeldinge erschaffen, die sich durch Individualitt auszeichnen. Insofern entspricht es der gttlichen Ordnung und seinem Willen, die Welt durch nominalistische Augen zu betrachten. Erkenntnis ist daher in erster Linie Erfahrung.

2. Was sagt Ihnen die Bibelstelle Rm 1,17 in Bezug auf Luther?Luther selbst hat in der Vorrede zum ersten Band seiner lateinischen Schriften (1545) seinen Interpreten eine Perspektive seiner theologischen Anfnge vorgezeichnet (WA 54,185/12-186/16). Das, was in der Forschung als Turmerlebnis oder reformatorische Wende bezeichnet wird, erlangte Luther durch das intensive Studium der Schrift, durch einen Kampf mit ihren Aussagen, durch ein exegetisches Ringen. Da Luther den genauen Zeitpunkt dieser Wende nicht angab, herrscht in der Forschung keine Einigkeit darber, wann sich der Durchbruch der reformatorischen Erkenntnis datieren lsst.Die Vertreter der Frhdatierung, die gerne den Zeitpunkt schon in die Zeit der ersten Psalmenvorlesung setzen wollen, verkennen dabei, wie sehr Luther zu einem groen Teil zu diesem Zeitpunkt noch in den traditionell-scholastischen Bahnen dachte. Die Vertreter der Sptdatierung, die erst 1518, als Luther ffentlich gegen Rom und den Papst opponiert, den Durchbruch annehmen, verkennen, dass es dazu schon einiger inhaltlicher Vorbereitung bedurfte. So sehr man in dieser Angelegenheit auch streiten mag, letztlich wird es wohl darauf hinauslaufen, den reformatorischen Durchbruch nicht als punktuelles Ereignis zu beschreiben, sondern als allmhliche Entwicklung.Unabhngig von der exakten Datierung bleibt der Inhalt der reformatorischen Erkenntnis, das Verstndnis von der Gerechtigkeit Gottes das Entscheidende. Im Sinne der aristotelischen Ethik war die bisherige Meinung gewesen, der Mensch msse selbst gerecht sein. Seine Gerechtigkeit bzw. das Ma der menschlichen Gerechtigkeit ist das, was spter im Gericht zur Anerkennung kommt. Einfacher ausgedrckt: Das Ma der gttlichen Gnade richtet sich nach dem Ma der menschlichen Gerechtigkeit. Und diese Gerechtigkeit kann sich der Mensch erwerben durch das Befolgen der Gebote und Gesetze Gottes. Die Crux lag nun darin, dass der Glubige nicht sicher sein konnte, den Grad der Gerechtigkeit erlangt zu haben, der ihn im Gericht bestehen lie. Wenn Gott der ist, der nach dem Ma der Gerechtigkeit des Menschen Gnade walten lsst (oder eben auch nicht), dann kann er am Ende nur der Strafende und Zrnende sein und der Mensch kann sich noch so sehr anstrengen, er wird Gott nicht zufriedenstellen knnen.Luther fand den Ausweg aus diesem Dilemma ausgerechnet in der Bibelstelle Rm 1,17, die ihm zuvor so viel Kummer bereitet hatte. Denn dort entdeckt er drei Schlsselwrter: Glaube, Gerechtigkeit, Leben. Will man das Wort vom Leben und das Wort von der Gerechtigkeit zusammenbringen, dann muss mit Gerechtigkeit etwas anderes gemeint sein als der gerechte Habitus des Menschen. ber diesen Gedanken erffnete sich Luther das neue Verstndnis: Soll der Gerechte aus dem Glauben leben, dann muss von der Gerechtigkeit Gottes die Rede sein, denn der Mensch kann nicht gerecht sein. Gerechtigkeit ist also ein Attribut, das den Menschen nicht zugeschrieben werden kann, jedenfalls nicht, wenn damit eine Eigenschaft des Menschen bezeichnet werden soll. Die Gerechtigkeit des Menschen ist also eine passive. Der Mensch ist also nicht gerecht (aktiv), sondern er wird gerecht gemacht (passiv); es geht nicht um das iustus, sondern um die iustificatio. Der Gerechte kann dann aus dem Glauben leben, wenn nicht er gerecht ist (was er aufgrund der Snde nicht sein kann), sondern wenn ihm die Gerechtigkeit Gottes geschenkt wird.

3. Stellen Sie kurz dar, in welchem historisch-biographischen Kontext Luther die im Seminar behandelte Schrift verfasste.Der Traktat entstand mitten in der Zeit des Umbruchs und der Krise, in die Luther durch sein reformatorisches Auftreten gekommen war. Im Jahre 1520 war der rmische Prozess gegen Luther wieder in Gang gekommen. Dessen erstes Ergebnis war die Bannandrohungsbulle Exurge Domine, die am 15.6.1520 ausgefertigt und am 24.7.1520 in Rom verffentlicht wurde. Sie verurteilte 41 den Schriften Luthers entnommene Stze als hretisch und dehnte diese Verurteilung auf alle die Schriften Luthers, in denen die genannten Stze vorkommen, aus. Luther und seine Anhnger wurden aufgefordert, binnen 60 Tagen von ihren Irrtmern abzulassen, anderenfalls wrden sie zu Hretikern erklrt und exkommuniziert. Im September 1520 wurde die Bulle durch Johannes Eck in Kursachsen bekannt gemacht.Luther verfasst daraufhin, nicht aus eigenem Antrieb, sondern auf Vermittlung von Karl von Miltitz und auf Druck seines Landesherrn, einen Vershnungsbrief an Papst Leo X., dem er eine kleinere unpolemische Schrift beifgte. Luthers Schrift De libertate Christiana entstand also in einer Situation der Krise, aber sie verkndete eine Botschaft, die nicht von den Zufllen dieser Situation abhngig war, sondern Einsichten benennt (noch deutlicher als die Adelsschrift und als Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche), die auch ber die konkrete Auseinandersetzung hinaus Anspruch auf Gltigkeit erheben.

4. Erlutern Sie, warum und inwiefern sich schon aus dem Titel der Luther-Schrift eine ethische Relevanz ergibt.Im Gegensatz zum Freiheitsverstndnis Rousseaus, nach dem der Mensch frei geboren ist, handelt es sich hier nicht um die menschliche Freiheit schlechthin, sondern um eine spezifisch christliche. Nicht Freiheit der Kirche, etwa gegenber staatlicher Gewalt, oder bestimmter Gruppen in ihr, sondern die Freiheit des einzelnen Christen ist gemeint. Wie die Gerechtigkeit und die Gnade dem Menschen unverfgbar sind und auerhalb seines Willens- und Wirkungsbereich liegen, so auch die Freiheit. Alles, was der Mensch ist und hat, kommt ihm als Geschenk Christi von auen (extra nos) zu. Erkennt er dies im Glauben, dann ist er wahrhaft getrstet und frei. Freiheit ist nur Freiheit im Vollsinne des Wortes, wenn sie als von Christus geschenkte erfahren wird. Sie ist durch nichts zu erzwingen oder zu erkaufen, denn sie ist ein in der Gottesebenbildlichkeit verheienes Gut, das unverlierbar ist und im Glauben neu vergewissert wird. Freiheit ist die Voraussetzung ethischen Handelns und Verhaltens, denn ohne die Mglichkeit freier Selbstbestimmung gibt es keine Verantwortung.

Arbeitsblatt fr die Sitzung vom 22. April1. Grenzen Sie die Begriffe Dogmatik und Ethik voneinander ab.Die Dogmatik rekonstruiert und entfaltet den Inhalt des christlichen Glaubens als angemessenes, wahres Verstndnis der Wirklichkeit, wie sie ist. Die Ethik zieht aus diesem Wirklichkeitsverstndnis die angemessenen, folgerichtigen Konsequenzen fr das menschliche Handeln, dessen Bedingungen, Voraussetzungen und Folgen. Traditionell wird die Ethik als handlungs-, die Dogmatik als glaubensbezogener Teil der Systematischen Theologie verstanden oder mit anderen Worten, Dogmatik befasst sich mit der christlichen Weltauslegung, Ethik mit der Weltgestaltung. Ethik gibt es nicht unabhngig von religis-weltanschaulichen Voraussetzungen, da jeder Ethik ein religises oder weltanschauliches Verstndnis von der Wirklichkeit, insbesondere vom Menschen und seiner Bestimmung zugrunde liegt. Deshalb verweisen Dogmatik und Ethik immer wieder aufeinander, weil sie dasselbe, nmlich den christlichen Glauben, jeweils von einer anderen Seite aus betrachten.

2. Erlutern Sie die These, dass der Mensch passiv konstituiert sei.Im Verhltnis zu Gott ist der Mensch nicht durch seine Autonomie Person und auch nicht durch seine Vernunft oder seine gesellschaftliche Wrde. Denn die Person coram deo unterliegt einer Totalbestimmung, welche all die Eigenschaften coram mundo irrelevant fr das Gottesverhltnis macht, nmlich der Snde. Person vor Gott ist der Mensch nur durch die Rechtfertigung, die Gott ihm schenkt, durch das schpferische Wort, das Gott ihm zuspricht. Personsein besitzt der Mensch demnach nicht schon einfach, sondern es wird erst durch ein anregendes Wort geschaffen. Person ist sowohl aktiv als auch passiv bestimmt, aber nur passiv konstituiert. Die Person wird durch das Wort erst konstituiert, indem sie glaubt. Die Wahrheitsgewissheit des Glaubens wird als Werk Gottes verstanden, die Formen seiner Bezeugung in sozialem Handeln aber als in die Verantwortung des Menschen gestellte Ttigkeit. Wird in Anspruch genommen, dass die eigene Wahrheitsgewissheit des Glaubens von Gott geschenkt und damit menschliche Gewissheit ganz grundstzlich der aktiven Verfgbarkeit entzogen ist, weil sie passiv konstituiert ist, dann gilt diese Auffassung nicht nur von der eigenen Wahrheitsgewissheit, sondern auch von der anderer Menschen und stellt somit ein zentrales Element der Respektierung der Menschenwrde des anderen dar.

3. Welche Rolle spielt der Freiheitsbegriff im Menschenbild Luthers, welche im Menschenbild Rousseaus?Rousseaus bekannteste uerung aus Du contrat social (1762), Der Mensch ist frei geboren, und berall liegt er in Ketten, bildet den Ausgangspunkt seiner Schrift und seines Menschenbildes. Sein Ziel ist es, eine Form des Zusammenlebens zu finden, in der die Menschen echte Freiheit besitzen. Nach Rousseau veruern die Menschen ihre natrliche Freiheit und schlieen sich ber einen Gesellschaftsvertrag zu einer Gemeinschaft zusammen fr mehr Schutz und Ordnung. Die Gemeinschaft regiert und bildet den Staatskrper. Er kennt natrliche Freiheit des Individuums, brgerliche Freiheit als Mitglied der Gemeinschaft.Bei Luther soll mit dem Begriff Freiheit eines Christenmenschen betont werden, dass die Freiheit kein natrliches Attribut des Menschen ist, sondern sich aus einer Befreiung ergibt und nur gleichzeitig mit dem Glauben existieren kann, da ohne den Glauben an Christus der Mensch in Knechtschaft lebt. Freiheit ist die Freiheit des Glaubens und kommt aus dem Glauben. Sie stellt fr den Menschen keinen Zustand dar, von dem er sich entfernen knnte. Freiheit bleibt stets eine Gabe, die an den Glauben und an das Wachsen des Glaubens gebunden ist.

4. Ist die menschliche Freiheit nicht letztlich doch nur die Folge einer Heteronomie? Beziehen Sie begrndet Stellung.Im weitesten Sinn bedeutet Freiheit die Mglichkeit der Selbstbestimmung. Diese kann auf zweierlei Arten gegeben sein: als Freiheit von etwas und als Freiheit zu etwas. Wird der Terminus negativ als Freiheit von Fremdbestimmung definiert, so sind Menschen so weit und so lange frei, als sie nicht durch ueren Zwang (sei dies in sozialer oder politischer Hinsicht) unfrei gemacht werden. Freiheit ist also zum einen Mglichkeit, Wahlfreiheit und zum anderen Selbstbestimmung, Autonomie. Freiheit als Selbstbestimmung setzt jedoch Freiheit als Mglichkeit voraus. Je weniger Wahlmglichkeiten einem Menschen gegeben sind, umso weniger kann er sich selbst in Freiheit bestimmen. Er agiert zwangslufig fremdbestimmt. Selbstbestimmung setzt ebenso eine Idee vom Selbst voraus. Um der zu werden, der ich sein soll oder will, bedarf ich einer Idee davon, wie ich sein kann oder soll. Diese Idee ist letztlich religiser Art, denn sie ist immer schon vorausgesetzt, unbedingt. Deshalb ist die Bestimmung des Menschen, die sich in der Selbstbestimmung des Menschen realisiert, von Gott bestimmt. So grndet die Freiheit zur Selbstbestimmung in der Anerkennung einer unbedingten Bestimmung des Menschen. Freiheit im hchsten Sinne heit dann: mich zu dem bestimmen, der ich von Gott her bin. Freiheit heit: mein Selbstverhltnis als Gottesverhltnis zu leben. Religise Existenz kann nicht bedeuten: mich von vorgegebenen Lehren und Autoritten zu etwas bestimmen lassen, sondern mich im Verhltnis allein zu Gott zu dem bestimmen, zu dem ich von Gott her bestimmt bin (Tillich Theonomie). So ist auch das Gottesverhltnis kein Zwangsverhltnis, sondern ein Freiheitsverhltnis, ein Verhltnis, in dem ich mich zu meinem Selbstverhltnis wie zu meinem Gottesverhltnis verhalte.

Arbeitsblatt fr die Sitzung vom 29. April1. Nennen Sie den aristotelischen Satz der Freiheit.Nach Aristoteles sind das von auen erzwungene und das unwissentliche Handeln unfrei. Frei ist, wer nicht gezwungen, sondern freiwillig, aus innerem Antrieb handelt. Freiwillig wird getan, was mit Bewusstsein getan wird. Whrend Aristoteles das Prinzip des Handelns in der Person selbst sieht (Autonomie), versteht Luther dieses zwar nicht als ausschlielich fremdbestimmt (Heteronomie), aber als Handeln von auen (extra nos), im Sinne einer Befreiung bzw. Bestimmung durch Gott (Theonomie).In engem Zusammenhang mit der Freiheit eines Christenmenschen steht ein weiterer Satz des Aristoteles: Es ist unmglich, dass ein und dasselbe einem Identischen in derselben Hinsicht zugleich zugrunde liegt und nicht zugrunde liegt. Mit anderen Worten: Unmglich kann ein und derselben Sache Entgegengesetztes zukommen. Das heit zum Beispiel, dass es unmglich ist, dass etwas ist und zugleich nicht ist. Und es ist unmglich, dass einem Ding zur gleichen Zeit einander widersprechende Eigenschaften zukommen, beziehungsweise, dass ihm eine Eigenschaft zugleich zukommt und abgeht. Das Widerspruchsprinzip ist eng verbunden mit einem weiteren Prinzip, dem des ausgeschlossenen Dritten, welches das Prinzip des Widerspruchs noch festigt. Es besagt, dass entweder etwas ist oder nicht ist, eine dritte Mglichkeit gibt es nicht.

2. Erlutern Sie, wie vor dem Hintergrund des o.g. Satzes das von Luther formulierte Paradoxon bezglich des Wesens des Menschen aufgelst bzw. zumindest geglttet werden kann.Folgt man Aristoteles, kann ein Christenmensch nicht zugleich frei und in derselben Hinsicht unfrei sein. Luther sagt jedoch: Ein Christenmensch ist ein freier Herr ber alle Ding und niemand untertan und stellt dem gegenber: Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Ding und jedermann untertan. Es bieten sich nun verschiedene Mglichkeiten bei dem Versuch, diesen Widerspruch aufzulsen. Zum einen knnte man argumentieren, dass wir als Christenmenschen frei und als Weltkinder unfrei sind (oder umgekehrt). Da uns das Christsein aber ganzheitlich betrifft und der Mensch seine Identitt nicht in zwei Teile spalten kann, um sich einerseits gem den Regeln der Welt und andererseits gem Gottes Gesetzen zu verhalten, kann dies nicht die Lsung sein, zumal Luther fordert, der Christenmensch solle zugleich frei und Knecht sein.Zum anderen knnte man das zugleich abndern, indem man postuliert: Ein Christenmensch kann zunchst unfrei sein und im Zuge einer Entwicklung frei werden (oder umgekehrt). Dies ist problematisch, da Luther von dem Menschen spricht, der schon Christenmensch und insofern befreit ist. Auch ein zunehmendes Freiwerden kann hier nicht gemeint sein, da es zu nah an eine Werkgerechtigkeit heranreichen wrde. Die Argumentation, ein Christ sei im Leben unfrei, wrde aber durch die Hoffnung frei (liber in spe non in re), kann ebenso nicht gelten, da christliche Freiheit als Totalbestimmung gilt und sich Luther an anderer Stelle gegen die aus einer solchen Haltung resultierende Lebensfhrung (Sittenverfall) wendet.Es bleibt die Unterscheidung von verschiedenen Hinsichten. In einer Hinsicht (coram Deo vor Gott) ist der Christenmensch frei, in einer anderen Hinsicht (coram mundo vor der Welt) ist er unfrei. Vor Gott sind wir frei, weil Gott uns befreit hat und vor der Welt sind wir unfrei, weil wir uns aus der Freiheit, die Gott uns gegeben hat, an unser Menschsein binden. Wir gehen davon aus, dass sich der Mensch aus dem doppelten Freiheitsverstndnis (frei von etwas frei fr etwas) aus der Freiheit heraus bindet. Insofern beschreibt Luther Freiheit als relationales Gebilde und nicht als etwas Substantielles. Da Freiheit nicht nur eine Eigenschaft, sondern das Wesen eines Christenmenschen ist (Christsein = Frei sein), ist auch das Christsein ein relationales Gebilde. Wie sich das Christsein gestaltet und entwickelt, ist ebenfalls relational, daher knnen keine Vorschriften und Regeln formuliert werden, die allgemein gltig sind. Demzufolge ist auch das Menschsein ein relationales Gebilde, das sich durch das Verhltnis zu mir selbst, zur Welt bzw. Umwelt und zu Gott bzw. dem Grund des Menschseins konstituiert. Insofern wird der Christenmensch frei von positivem oder negativem Urteil, von Anerkennung oder Ablehnung durch sich selbst und andere, sobald er sich allein von Gott definieren lsst. Luther verfasst folglich auch keine prskriptive, sondern eine deskriptive Ethik, die nur eine Situations- und keine Prinzipienethik sein kann.

3. Veranschaulichen Sie mithilfe einer schematischen Darstellung das relational-anthropologische Menschenbild Luthers.

Der innere Mensch istDer uere Mensch istgeistlich/seelischleiblichfreidienstbarneualt

im Geist (Glauben)GeistFleisch (Snde/Trennung)lebenSeeleleben Leib richtige/intakte ganzer Menschfalsche/sndigeGottesbeziehungGottesbeziehung

4. Eine allgemeine christliche Ethik ist als Grundlage fr unsere heutige Gesellschaft erstrebenswert! Beziehen Sie kritisch und begrndet Stellung zu dieser These.Man kann mit Luther konstatieren: Theologie und Ethik gehren untrennbar zusammen. Wenn auch viele von Luthers ethischen Anweisungen zeitgebunden sind, so finden wir doch etliches, das ebenso in unserer Zeit noch Gltigkeit besitzt. Ethik ist mehr als die Kantsche Frage Was soll ich tun? Ethik ist vielmehr die Lehre vom rechten Verhalten, in das mehr eingeschlossen ist, etwa der Wille, das Urteil, die Affekte. Das Stichwort Verhalten weist noch auf einen weiteren Zusammenhang: Verhalten hat mit Verhltnis zu tun. Mit Relation.Der Christ, der seine Existenz nicht aus sich selbst versteht und begrndet, steht dabei in doppelter Relation, wie Luther in seinem Freiheitstraktat in prziser Weise zum Ausdruck gebracht hat: Er lebt in Christus im Glauben und im Nchsten in der Liebe. Diese Bindung bringt ins Bewusstsein, wie sehr alle Ethik ein Ausdruck des rechten Gottesverhltnisses ist. Ethik als Frage nach dem rechten Verhalten wird das Handeln nie losgelst sehen von der relationalen Grundstruktur menschlicher Existenz und den daraus resultierenden Konsequenzen. Wenn das Gottesverhltnis im Glauben grndet, dann sind die Werke davon entlastet, dass der Mensch sich mit ihnen vor Gott etwas verdienen muss. Sie knnen ganz und ungeteilt um des Nchsten willen geschehen. Dann tut ein Christenmensch, was er tut, nicht deshalb, weil es als gut bewertet wird (sei es durch Gott oder andere Menschen) oder weil es als gut zu bewerten ist, sondern um des Nchsten willen bzw. aus Liebe zu Gott und dem Nchsten. Durch die Fokussierung auf die Person ist das Handeln nur am Nutzen des Nchsten, also an den Folgen orientiert. In diesem Sinne befreit der Glaube zu wirklich selbstloser Liebe.So gesehen liegt die Bedeutung von Luthers Lehre darin, dass sie den Glauben anstelle der Werke als dasjenige begreift, was am Leben teil gibt (Joh 20,31), und zwar den Glauben nicht als eine anrechenbare Leistung im Sinne eines Sich-Bestimmens des Menschen, sondern als ein Sich-Bestimmen-Lassen durch etwas, das allem eigenen Bestimmen zuvorkommt (2Kor 5,20). Anstelle der Frage, wie wir handeln sollen oder wie wir Gutes tun, rckt damit auch die Frage ins Zentrum, wodurch wir uns in unserem Leben bestimmen lassen. Dieser Wechsel des Blickwinkels behlt auch unabhngig von den historischen Entstehungsbedingungen von Luthers Lehre seine grundlegende Bedeutung fr das Verstndnis menschlicher Lebensfhrung.Durch diesen Horizont knnen die Menschen Orientierung gewinnen, um fr das Leben mit seiner spannungsvollen und verwirrenden Vielfalt von Erfahrungen und Eindrcken gewappnet zu sein. Es ist dabei ein christlicher Grundzug, dass der Tendenz der Sinnlosigkeit und Absurditt widerstanden wird und auch noch die abgrndigsten Erfahrungen integriert werden, indem das, was sich wechselseitig auszuschlieen scheint, wie Leben und Tod, im Zeichen von Kreuz und Auferstehung in eine spannungsvolle Einheit gebracht wird. Luther hat in seiner Auseinandersetzung mit dem Evangelium diesen theologischen Kern gefunden und stets im Blick gehabt, worum es bei diesem Kern geht: um den Menschen, der in Anfechtung und Gewissensnot eines Wortes bedarf, das ihm zum Leben verhilft. Luther leitet an zu einem kritischen Umgang mit sich selbst, seinem Leben und der Welt, in der man lebt.

Arbeitsblatt fr die Sitzung vom 6. Mai 1. Erklren Sie die Begriffe securitas und certidudo als mgliche Modi menschlichen Existierens.Martin Luther hat scharf zwischen Heilsgewissheit und Heilssicherheit unterschieden. Heilsgewissheit ist fr ihn identisch mit dem Glauben eines Christenmenschen, wohingegen Heilssicherheit eine verderbliche Haltung darstellt, weil sie den bestndigen Kampf gegen die Snde als unntig erscheinen lsst. Im Sinne dieser Unterscheidung hat Luther auch auf eine przise terminologische Unterscheidung der Begriffe securitas und certitudo geachtet. Gewiss sein darf sich der Mensch der Gnade Gottes, aber dieser Gnade kann er nur teilhaftig werden, wenn er nicht in Sorglosigkeit um sein Seelenheil verfllt, denn Sicherheit im Sinne von Sorglosigkeit ist ein Trugschluss.Demnach steht Zuversicht oder Gewissheit (certitudo) im Gegensatz zur Sicherheit (securitas). Diese Entgegensetzung widerstrebt unserem Sprachgefhl, in dem Sicherheit und Gewissheit hufig als austauschbare Begriffe verstanden oder empfunden werden. Doch die Begriffe bezeichnen insofern etwas Gegenstzliches, als Sicherheit den (relativ erreichbaren) Zustand bezeichnet, indem ein Mensch eine Situation so beherrscht und bestimmt, dass er die Kontrolle ausbt und unverwundbar ist. Gerade das gilt fr die Gewissheit nicht. Die Zuversicht oder das berzeugtsein von einer Einsicht oder einem Gefhl, was als Gewissheit bezeichnet werden kann, ist kein Beherrschen und Bestimmen, sondern eher ein Beherrscht- und Bestimmtwerden, dem ein Mensch wehrlos ausgesetzt ist, und schliet deshalb Verletzbarkeit gerade nicht aus. Denn Gewissheit basiert nicht auf Beweisen, sondern auf Erfahrung, die jeder Mensch nur fr sich machen, anderen aber nicht demonstrieren kann. Deshalb ist Gewissheit anfechtbar und der Glaube (als auf Gewissheit gegrndetes unbedingtes Vertrauen) impliziert sogar, dass ein Mensch mit seinem ganzen Dasein verwundbar wird. Doch dies ist notwendig, denn in der Beziehung zu Gott und der Beziehung zum Mitmenschen wrde sonst das Streben nach Sicherheit jede echte Begegnung verhindern. Glaube, der auf Gewissheit grndet, ist angefochtener Glaube.

2. Was versteht man unter einem syllogismus practicus?Der sogenannte Syllogismus practicus calvinistischer Tradition besagt, dass der rechte Glaube des Christen an seiner Lebensfhrung zu erkennen ist. Die guten Werke und der irdische Erfolg vergewissern das Erwhltsein. Der Glaubende soll sich selbst hinsichtlich der Erfllung des gttlichen Willens beobachten und beurteilen. Damit bekommt der Syllogismus practicus die Qualitt eines technischen Mittels zur Selbstkontrolle, denn der Mensch treibt sich selbst zur gottgeflligen Lebensfhrung an. Luther will im Gegensatz dazu nicht um das richtige Leben streiten, da das Christsein des Menschen ein innerlicher Zustand bzw. Vorgang ist und nicht von auen festgestellt werden kann, sondern nur um den richtigen Glauben.

3. Der Christenmensch ist ein Exzentriker! uern Sie sich zu dieser Aussage vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass der Mensch ein dialogisches Wesen ist.Die christliche Freiheit wird nicht dinglich, sondern im Wort bzw. durch das Wort vermittelt. Im fnften Abschnitt des Freiheitstraktats beschreibt Luther, dass die christliche Freiheit durch das Wort vermittelt wird, sie ist nicht res, sondern verbum. In diesem Zusammenhang fhrt Luther den Begriff promissio (Verheiung/ Zusage/ Versprechen) ein, denn ohne Zusage kann nichts geglaubt werden. Ohne Glauben aber ist die Zusage nutzlos, weil sie durch den Glauben aufrechterhalten und erfllt wird. Das gesamte Evangelium ist Verheiung, und zwar Verheiung durch das Wort. Somit wird uns auch die christliche Freiheit zugesprochen in der Predigt von Christus Wort. Der Mensch ist also auf die promissio, das Wort, angewiesen. Daher kann man sagen, das Mensch- sowie das Freisein zeigen sich in einem Sprachgeschehen. Der Mensch ist ein dialogisches, ein antwortendes Wesen. Mit den Worten der modernen Psychologie: der Mensch kann sich nur durch Sprache und Kommunikation konstituieren. Luther spricht freilich nicht von der Beziehung zwischen Menschen, sondern von der Beziehung zwischen Mensch und Gott und insofern ist der Christenmensch ein Exzentriker, da sich das Sprachgeschehen auerhalb vollzieht.Hier greift Luther Aristoteles auf: Als ein zoon logon echon kann der Mensch sein Leben und Handeln durch Vernunft und Sprache bestimmen.Luther schrnkt aber ein, dass nicht jedes Wort gemeint ist, sondern die Predigt, das Kerygma Christi, also ein Wort, das etwas bewirkt, bei dem etwas in uns geschieht. Es handelt sich also um performative Rede, also wirkmchtige Worte wie ich verzeihe dir oder ich verurteile dich, zu denen auch die Predigt zu rechnen ist.

4. Erlutern Sie die Duplizitt des gttlichen Wortes als Anspruch sowie als Zuspruch.Die Einheit der Schrift entfaltet sich in einem Dualismus: Das eine Wort Gottes in zwei Gestalten. Dieser Dualismus ist eine Grundstruktur der Theologie Luthers und liegt dem gesamten Traktat sowie der Heiligen Schrift zugrunde, die nur in der Spannung zwischen den gegenstzlichen und einander zugeordneten Gestalten des Wortes Gottes verstanden werden kann. Es handelt sich um den Dualismus von Gesetz und Evangelium, der die Heilige Schrift bestimmt. Nur die wechselseitige Unterscheidung von Gesetz und Evangelium kann dem, die Schrift als ganze durchdringenden, Verhltnis von Anspruch und Zuspruch Gottes gerecht werden. Wird die Unterscheidung aufgegeben, wrde das Wort Gottes auf unverantwortliche Weise verkrzt werden, denn es wre ein Wort, das entweder nur befiehlt und Strafe androht oder nur verspricht und schmeichelt und in beiden Fllen in die Irre fhrt.Ein und dasselbe Wort Gottes kann also den Menschen je nach Situation mit dem einen oder dem anderen Inhalt treffen oder mit beiden, aber die Dialektik bleibt immer bestehen. Der Inhalt der Lehre des Gesetzes ist das Gute, weil das Gesetz selbst gut und heilig ist. Das Gute ist einerseits das, was vom Menschen erstrebt und vollbracht werden soll, andererseits das, was er nur von Gott erhlt. Der Zweck des Gesetzes ist es nicht, seine Erfllung zu ermglichen, sondern sein theologischer Gebrauch, der usus theologicus. Das Gesetz fhrt zur Selbsterkenntnis des Menschen. Diese Funktion des Gesetzes ist notwendig, weil der Mensch sonst seine wirkliche Lage vor Gott nicht erkennt. Da das Gesetz nur fordert, aber die Erfllung nicht ermglicht, zeigt es dem Menschen seine Unfhigkeit, das Gute zu tun, seine unausweichliche Sndhaftigkeit. Die Unmglichkeit, nicht zu sndigen, und die gleichzeitige Verpflichtung, nicht zu sndigen, bringen einen Widerspruch hervor, der nach einer Lsung verlangt. Der Snder kann nicht aus sich selbst heraus zur Gewissheit der Vergebung gelangen, sondern er bedarf dazu des ihm von auen zugesprochenen Wortes, dem er glaubt.Der Glaube rettet also aus dem Unvermgen, aus eigener Kraft das Gesetz zu erfllen. Nicht der Glaube an die eigene Kraft, das Selbstvertrauen, rettet, sondern der an die Erlsung durch Christus, der uns von auen entgegentritt. Christus selbst ist die Verheiung und Zusage der Gnade. Wie das Gesetz erfllt werden kann, zeigt das Evangelium. Der Glaube hebt nicht nur die Unmglichkeit der Gesetzerfllung auf, sondern macht sie auch leicht, insofern er ihr das Zwanghafte nimmt und sie zu etwas Freiem macht, denn der Glaube selbst ist die Erfllung des Gesetzes. Das zweite Wort Gottes, das scheinbar neben das Gesetz tritt, das Evangelium, ist nicht einfach ein weiteres Wort neben dem Gesetz, es gehrt vielmehr zu ihm hinzu, weil es seine Erfllung ist. Erst in der Dialektik von Gesetz und Evangelium wird die Einheit des Wortes Gottes und seine richtende und erlsende Macht deutlich. Diese Einheit des Wortes Gottes wird im Glauben erkannt und wirksam.

Arbeitsblatt fr die Sitzung vom 20. Mai1. Was unterscheidet das (krugma) von einem reinen Informationswort?, also Verkndigung, ist eine Handlung, die etwas kund gibt, eine Botschaft bringt und bekannt macht. Nach Luther ist es unser Evangelium, durch welches Christus aller Welt verkndet ist. Christus predigt und spricht von Gott, der die Menschen bedingungslos annimmt und darin fr sie in der Liebe da ist. Er tritt im Gesprch fr diese Liebe ein und vollzieht sie in seinem Handeln. Seit der Auferstehung Jesu Christi wird er von Menschen verkndigt. Die Verkndigung Jesu Christi wandelt sich so zum Zeugnis von seinem Wirken, welches zunchst narrativ ist: es erzhlt von Jesu Wort und Tat, Leben und Tod. Dieses Zeugnis ist aber in solchem Erzhlen zugleich performativ: in ihm vollzieht sich der Zuspruch Gottes, der sich dem Menschen durch Jesus Christus so verspricht, dass sich im Vertrauen auf diesen Zuspruch die Wende zum neuen Leben vollzieht. Die Predigt von Jesus Christus gilt Luther als die in menschlicher Gestalt aktuell ergehende, der biblischen und kreatrlichen Wortgestalt ebenbrtige, ja berlegene Anrede Gottes. Das in der Predigt sich aktuell erneuernde mndliche Wort des Evangeliums soll die Menschen anhalten, locken und reizen zum Glauben und sie zugleich zu einer Antwort auf das Wort, das ihnen gesagt ist, fhig machen. Insofern handelt es sich im Gegensatz zu dem reinen Informationswort um ein Wort, das etwas bewirkt, bei dem etwas in uns geschieht.

2. Erklren Sie den protestantischen Dreischritt des Glaubens, indem Sie die Begriffe notitia, assensus und fiducia inhaltlich bestimmen.Glaube richtet sich auf ein irgendwie Erkanntes, das sich dem Menschen erschlossen hat. Glaube als ein Akt unbedingten Vertrauens setzt voraus, dass der Glaubende das, worauf er vertraut, fr vertrauenswrdig hlt, d.h. Glaube muss sich auf etwas beziehen, dass als glaubwrdig erkannt ist. Dieser Aspekt schliet einerseits die Kenntnis (notitia) des Gegenbers, dem das Vertrauen gilt, andererseits die Anerkennung (assenus) des Gegenbers als vertrauenswrdig ein. Zwar sind Kenntnis und Anerkennung weder je fr sich noch zusammen identisch mit dem Glauben im Sinne des Vertrauens (fiducia), auch folgt das Vertrauen nicht notwendig aus der Kenntnis und Anerkennung, wohl aber impliziert der Glaube als Vertrauen immer sowohl ein Element der Kenntnis als auch der Anerkennung.

3. Stellen Sie die Kategorien coram mundo und coram deo als Modi der menschlichen Freiheit dar.Nach Luther existiert der Mensch in der dialektischen Spannung des Zugleich: Er ist innerlich und uerlich, neu und alt, geistlich und leiblich, Seele und Leib, beides zugleich und ganz und gar. Der Antagonismus zwischen altem und neuem Menschen, Fleisch und Geist, uerem und innerem Menschen hat einen inneren Widerstreit im Christen zur Folge, dem er sich nicht entziehen kann. Geist und Fleisch beherrschen den Menschen als ganzen, sie sind nicht Teile von ihm. Der Gegensatz von Geist und Fleisch lsst sich also nicht zugunsten des Geistes einfach auflsen, sondern bestimmt auch noch das geistliche Sein selbst. Denn der Mensch bleibt auch als Gerechtfertigter Snder und ist auch und gerade als geistlich freier zugleich geistlich Knecht. Auerdem ist beim geistlichen Sein das Sein vor Gott (coram deo) von dem Sein vor der Welt (coram mundo) zu unterscheiden. So ist der Mensch, auch wenn er im Bereich des Geistes lebt, vor Gott frei, fr die Welt aber vielfltigen Verpflichtungen zum Handeln unterworfen. Freiheit also ist Freiheit im Glauben, und das wiederrum heit nichts anderes als: Freiheit vor Gott. Coram deo gilt diese unbedingte und durch nichts und niemanden einzuschrnkende Freiheit; der Glaubende ist nicht gentigt, gute Werke als Erfllung des Gesetzes zu verrichten, er ist frei von der Last, das tun zu sollen, was er nicht kann. Natrlich ist das gute Werk notwendig coram mundo, denn der aere Mensch hat sich in der Welt und seinen Mitgeschpfen gegenber zu verhalten.

4. Inwiefern ist der Mensch imago dei? Beziehen Sie begrndet Stellung.Der Mensch ist Geschpf Gottes, seiner Frsorge bedrftig und gewrdigt und soll dieser bedingungslos vertrauen. Durch die Macht der Snde ist er Gott entfremdet und entspricht in seiner Snde nicht dem Heilswillen des Schpfers und dem heilsamen Gebot Gottes. In Christus ist er aus der Macht der Snde befreit und auf dem Weg in die Nachfolge Jesu zu einem neuen Leben berufen und ermchtigt und zum ewigen Leben kraft der Heilstat Christi bestimmt. Der Mensch ist also durch Christus vor Gott.Der Mensch ist zum einen ein Geschpf unter allen anderen Geschpfen Gottes, eingebunden und verwoben in den Gesamtzusammenhang alles Geschaffenen. Zum anderen ist der Mensch (als dieses Geschpf) bestimmt, Gottes Ebenbild zu sein. Die erste Aussage verbindet den Menschen mit allen anderen Geschpfen, die zweite unterscheidet ihn von allen anderen Geschpfen. Weil aber mit der Erschaffung zur Gottebenbildlichkeit der Auftrag zur Herrschaft ber die anderen Geschpfe aufs engste verknpft ist, ist der Mensch auch durch das, was ihn von den anderen Geschpfen unterscheidet, zugleich mit ihnen verbunden.Schon die biblische Urgeschichte bringt aber zum Ausdruck, dass das Dasein des Menschen zutiefst ambivalent ist. Er lebt nicht in der seiner Bestimmung entsprechenden Gemeinschaft mit Gott, sondern lsst sich unter die Macht der Snde gefangennehmen. Das Spezifische des christlichen Menschenverstndnisses kommt jedoch erst darin zum Ausdruck, dass Gott in Jesus Christus seine auch angesichts der Snde nicht aufgehobene Treue erweist. Jesus Christus ist das Ebenbild Gottes, das zu sein die Bestimmung jedes Menschen ist. Dies wird durch Leben, Tod und Auferweckung Jesu Christi als die bleibend gltige Bestimmung des Menschen zur Anteilnahme an Gottes ewigem Leben erkennbar. Dieser Bestimmung kann der Mensch durch nichts anderes entsprechen als in vorbehaltlosem Vertrauen auf Gott in Entsprechung zur Gerechtigkeit Gottes.

Arbeitsblatt fr die Sitzung vom 27. Mai1. Erklren Sie den Unterschied zwischen dem verbum visibilis und dem verbum invisibilis.Die Sakramente Taufe und Abendmahl (Wasser, Brot und Wein) sind sichtbare Formen des Evangeliumswortes: verbum visibile. Sie konstituieren die communio sanctorum, indem in ihnen Gott sich selbst gibt und so im Empfnger des Sakraments Glauben schafft. In der Unterscheidung von unsichtbarem und sichtbarem Wort wird der Wert des Sakraments deutlich: Gegenber dem Wort bringt es die Konstitution von Gemeinschaft besonders sinnfllig zum Ausdruck. Das Sakrament lsst sich nur in personaler Anwesenheit mitteilen und empfangen. Doch das sinnliche Element im Sakrament bedarf des Wortes, denn das gesprochene Wort knnte zur Not auch ohne Sakramente, diese aber nicht ohne jenes sein. Der Mensch gelangt allein aus der Gnade zum Heil. Es wird dem Menschen, der das verkndigte Wort hrt und das worthafte Sakrament empfngt, frei und bedingungslos geschenkt aus Gnade durch den heiligen Geist, der sich mit Wort und Sakrament, mit dem verbum invisibile und visibile verbindet, indem dem Glaubenden zugeeignet wird, was durch Jesus Christus am Kreuz erwirkt wurde, indem er fr uns gelitten hat und fr uns gestorben ist.

2. Vor dem Hintergrund des Verhltnisses von Glaube und Werken kann der Zuspruch Gottes als effektiv angesehen werden. Erlutern Sie diese Aussage.Nach Luther besteht die Gnade in einer Entlastung des menschlichen Gewissens vom zuvor empfundenen Zwang, durch einen gottgeflligen Lebenswandel zur eigenen Rechtfertigung beitragen oder sie sogar erwirken zu mssen. Diese Entlastung beruht auf dem festen Vertrauen darauf, dass die Frage nach dem eigenen Seelenheil durch das Christusgeschehen von Gott her immer schon zugunsten des Menschen entschieden ist. Dieses Vertrauen in die Heilsmacht des Christusgeschehens bezeichnete Luther als fiducia. Diesem Glaubensbegriff folgend, hebt Luther die Untauglichkeit menschlicher Werke zur Besnftigung des Zornes Gottes hervor. Mit seiner Bestreitung der Heilsbedeutung menschlicher Werke verfolgt Luther nicht das Ziel, gute Werke als berflssig zu erklren. Vielmehr sagt er, dass wahrhaft gute Werke berhaupt erst zustande kommen knnen, dann aber auch zustande kommen mssen, wenn der Handelnde seiner ihm in Christus zugesprochenen Heilswrdigkeit gewiss seine Werke nicht mehr als Beitrag zur Heilserlangung versteht. Denn nur dann, wenn der Handelnde von der Frage nach der Bewertung seiner Werke durch Gott absehen kann, wird er sich mit diesen Werken tatschlich auf seinen Nchsten um dieses Nchsten willen beziehen und nicht um seines eigenen Heiles willen. Die Werke folgen dem Glauben (verstanden als ein Werk Gottes in uns) also notwendig nach, ohne dass sich der Mensch dadurch bei Gott etwas verdienen knnte. Diese Notwendigkeit bedeutet dennoch: Der Glaube muss aus lutherischer Sicht im Leben des Christen effektiv werden.Man kann hier von einem effektiven Rechtfertigungsverstndnis sprechen. Der (forensischen) Gerechterklrung des Menschen von Gott her (durch Vergebung der Schuld und Zurechnung der Gerechtigkeit Christi) entspricht als Folgewirkung seine Gerechtmachung, d.h. eine durch den Heiligen Geist bewirkte, reale sittliche Umwandlung des Glaubenden, die Heiligung. Die in diesem Leben stets fragmentarisch bleibende Heiligung ist einerseits, als effektive Seite des Rechtfertigungsglaubens, von diesem nicht zu trennen; sie ist andererseits vom Rechtfertigungsglauben klar zu unterscheiden, weil der Mensch ausschlielich durch den Glauben von Gott angenommen ist.

3. Stellen Sie dar, was man unter den Termini meritum de congruo und meritum de condigno, die aus der katholischen Soteriologie stammen, zu verstehen hat.Nach altglubigem Verstndnis ist die Rechtfertigung des Snders davon bestimmt, dass die menschliche Snde durch die in Person und Werk Jesu Christi manifeste Gnade prinzipiell berwunden ist und dass die Erlangung des Seelenheils fr den einzelnen Christen davon abhngt, ob sein Leben umfassend an Gottes Geboten orientiert ist. Gttliche Gnade und menschliches Verdienst sind damit fr die Heilserlangung gleichermaen wichtig. Fr die Erlangung des Seelenheils ist es also notwendig, dass der Mensch die von Gott geschenkte Gnade in freier Entscheidung annimmt und den Begnadungsprozess durch gute Werke untersttzt.Luther sah sich mit der Situation konfrontiert, dass im Interesse einer Wahrung der unbeschrnkten Macht Gottes behauptet wurde, die Rechtfertigung des Menschen knne von Gott auch ohne Eingieung der Gnade bewirkt werden. Gottes Gnade ist nicht auf den Weg der kirchlich-sakramentalen Vermittlung angewiesen, sondern kann einen Menschen auch dann erreichen, wenn dieser, um einen Akt wahrer Gottesliebe hervorzubringen, tut, was in seinen Krften steht. Diese Gnade befhigt dann dazu, die anfnglich selbst hervorgebrachte Gottesliebe auch dauerhaft durchzuhalten. Dieser Akt der Gottesliebe wird auch als Verdienst bezeichnet. Nicht als eigentliches Verdienst, als meritum de condigno, Verdienst nach Wrdigkeit dieses ist nur mglich, wenn der Mensch in der Gnade Gottes lebt und deshalb auch mit Gewissheit den verheienen Lohn erwarten darf. Aber doch ein Verdienst nach Angemessenheit (meritum de congruo), denn es ist angemessen, dass Gott das Seine tut, wenn der Mensch tut, was in seinen Krften steht. Die Werke des Menschen werden demnach nur aufgrund des Wohlwollens Gottes als Gerechtigkeit zuerkannt, ihnen wird billigkeitshalber Gnade zuerkannt.

4. Was meint K. Barth, wenn er betreffs soteriologischer berlegungen von einer unmglichen Mglichkeit spricht?Ist Gottes Offenbarung in Jesus Christus die uns bestimmende Wirklichkeit, dann ist die Leugnung dieser Wirklichkeit eine unmgliche Mglichkeit. Nach Barth hat Gott in Christus die gesamte Menschheit erwhlt und die Verwerfung aller stellvertretend auf sich selbst genommen. Die Erwhlungsgnade ist so universal, dass sie die gesamte Menschheit umfasst und es somit keine Unterscheidung zwischen erwhlten und verworfenen Menschen im Blick auf ihre ewige Bestimmung mehr gibt. Wenn die Erwhlung und Verwerfung fr alle schon vollzogen ist, dann geht es nur darum, dass der Mensch dies erkennt. Damit der Mensch aber auch als Erwhlter leben kann, braucht er die kirchliche Bekanntmachung seiner Erwhlung. Der Mensch soll erkennen, dass alles fr ihn getan ist. Was geschieht allerdings mit den Menschen, welche die "de iure" schon am Kreuz geschehene Heiligung erkennen, aber nicht fr sich annehmen? Bleibt ihnen die wenn auch schreckliche Mglichkeit, zum Erwhlungshandeln Gottes "nein" zu sagen? Betrachtet man Barths Gesamtkonzept, dann sieht man, dass eine Ablehnung aufgrund unserer Freiheit zwar theoretisch mglich, dass aber ein solches letztes "Nein" eine innere Unmglichkeit ist.Eine Ablehnung des Heils kann nur fragmentarisch sein und bezieht sich dann nicht auf das Heilsgeschenk, sondern auf die Vermittlung desselben.

Arbeitsblatt fr die Sitzung vom 3. Juni1. Nach Luther ist Gott allein der Garant der Gnade. Nennen Sie einige Aspekte, die theologisch gegen einen Heilssynergismus sprechen und Luthers Ansicht verdeutlichen knnen.Die rmisch-katholische Theologie hlt in einem bestimmten Sinn an der Willensfreiheit des Menschen im Hinblick auf Gott fest. So ist nach katholischer Auffassung der freie Wille nach dem Sndenfall durchaus nicht ganz und gar verloren. Vielmehr bleibt er (in korrumpierter Form) erhalten und bildet die Voraussetzung sowohl fr das willentliche menschliche Mitwirken bei der Vorbereitung und beim Empfang der Rechtfertigungsgnade als auch fr die Erhaltung und Mehrung der Gnade im christlichen Lebensvollzug. Dem durch die Gnade Gerechtfertigten ist es also mglich, die ihm zugeeignete Gnade durch einen an den Geboten Gottes orientierten Lebenswandel zu vergrern. Im Unterschied zur lutherischen Auffassung haben die aus freiem Willen vollbrachten guten Werke des Gerechtfertigten hier durchaus eine Heilsbedeutung. Eine solche frei vollzogene menschliche Beteiligung am Prozess der Gnadenmitteilung wird aus katholischer Sicht deshalb als wichtig angesehen, weil nur dann der biblische Gedanke vom ewigen Leben als Lohn fr gute Werke sinnvoll aufgenommen werden und als Grundlage moralischer Weisungen und Ermahnungen gelten kann.Im Gegensatz dazu denkt Luther den Menschen in Relationen. Fr das Verhltnis des Menschen zu Gott (coram deo) ist allein der Glaube entscheidend. Hier verlieren die Werke jede Bedeutung. Im Verhltnis des Menschen zur Welt (coram mundo) dagegen kommt den Werken entscheidende Bedeutung zu. Vor Gott gerecht und frei kann den Menschen also kein Werk machen, sondern allein der Glaube an Christus. Im Glauben an Christus kommt es zu jenem frhlichen Wechsel, bei dem die Gerechtigkeit Christi auf den Menschen und die Snde des Menschen auf Christus bergeht. Luther rechnet dabei mit einer realen Erneuerung des Menschen durch das im Glauben ergriffene gttliche Wort. Dabei wirkt sich die Erneuerung des inneren Menschen ganz von selbst auf den ueren, d.h. auf die Werke aus. Luther gebraucht diesbezglich das Bild vom guten Baum, der gar nicht anders kann, als gute Frchte hervorzubringen. So kann auch der Glaube gar nicht anders, als gute Werke zu tun.

2. Erklren Sie den Unterschied zwischen einer Offenbarungstheologie und einer Natrlichen Theologie.Das sich aus der allgemeinen bzw. natrlichen Offenbarung ergebende menschliche Wissen ber Gott wird natrliche Theologie genannt. Sie ist der Versuch, die Frage zu beantworten, was wei der Mensch vor bzw. auerhalb der Offenbarung Gottes von Gott. Damit verbunden ist auch die Frage des Verhltnisses von christlichem Glauben und nichtchristlichen Religionen. Natrliche Theologie baut bezglich der Gotteserkenntnis auf der natrlichen Vernunft auf und steht damit im Gegensatz zur Offenbarungstheologie. Natrliche Theologie lsst sich mit dem Postulat charakterisieren, der Mensch sei durch seine Vernunft zu einer gewissen Gotteserkenntnis fhig, die aus einer besonderen Offenbarung herausgenommen ist. Dagegen geht die Offenbarungstheologie davon aus, Gott habe sich dem Menschen geoffenbart in seinem Wort. Von sich aus kann der Mensch nichts ber Gott wissen und aussagen und nicht zu Gott gelangen. Zwar setzte Rm 1,18ff. ursprnglich die Mglichkeit der Erkenntnis des Schpfers durch die Menschen anhand der Werke des Schpfers voraus, doch das unverstndige Herz des Menschen ist seit dem Sndenfall verfinstert (Rm 1,21) und dieser dahingegeben (Rm 1,24.26.28). Die durch die allgemein zugngliche Schpfungsoffenbarung Gottes erffnete Chance zu wahrer Gottesverehrung bleibt vom Menschen also ungenutzt. Deshalb ist von Christus her deutlich: Gottes Offenbarung durch die Werke der Schpfung hat nur die Funktion, die unentschuldbare Sndigkeit des Menschen und sein Angewiesensein auf die in der Christusoffenbarung manifeste Gnade zu verdeutlichen. Demnach besteht fr den Menschen keine Erkenntnis mehr aus der Schpfung. Diese Mglichkeit ergibt sich erst wieder durch den Glauben. Nach Luther redet Gott den Menschen durch das Offenbarungszeugnis der Schrift in zweierlei Weise an: durch die Forderung der Erfllung des Schpferwillens und durch die Zusage, dass Gott selbst die Bedingung zur Erfllung dieser Forderung schafft, indem er den am Gesetz scheiternden Menschen dadurch gerecht spricht, dass er ihm die Botschaft von der Gnade Gottes in Christus durch seinen Geist im Herzen gewiss macht (Evangelium). Die Schrift verschafft absolute Gewissheit, weil der Glaube in ihr dem inspirierten Offenbarungswort Gottes selbst begegnet und in dieser Gotteserkenntnis aus Offenbarung alle natrliche Gotteserkenntnis der Menschen aufgehoben ist.

3. Fhren Sie drei Vorbehalte gegen die These auf, dass Luther ein Mystiker gewesen sei.Luther missbilligte einige Grundannahmen der Mystik. Seine Vorstellung von der gefallenen Natur des Menschen schloss jede Annahme eines mystischen Konzepts vom Abgrund der Seele aus, dem Ort, wo sich nach der zentralen Vorstellung der deutschen Mystik seit der Zeit Meister Eckharts Menschliches und Gttliches begegnen. Mit seinem Verstndnis von der Erlsung sola gratia lehnte Luther die mitwirkende Rolle des Menschen im mystischen Erlebnis ab. Gott will sich durch das mndliche Wort, vor allem der Predigt, dem Menschen mitteilen. Er kommt von auen, extra nos, auf den Menschen zu. Gegenber dem mystischen Gott in mir z.B. seinem Reden im Herzen war Luther skeptisch. Schlielich verneinte er die Mglichkeit, der Mensch knne sich mit Gott oder sein Wille mit dem Willen Gottes in diesem Leben vereinigen (unio mystica). Insgesamt bestritt er die mittelalterliche Annahme, dass Rechtfertigung und Heiligung im Heilsprozess miteinander verbunden seien.Durch die Auseinandersetzungen mit den frheren Weggefhrten Mntzer, Karlstadt und anderen gewann Luther die berzeugung, dass jede Berufung auf ein mystisches Geisteswirken neben Wort und Sakrament ber kurz oder lang zu einem falschen Vertrauen auf eigene Werke fhrte. Zwar schloss er die Mglichkeit besonderer Offenbarungen nicht grundstzlich aus. Doch wrden solche Kundgebungen Gottes nicht mehr in dessen Willen und Ordnung liegen. Die zum Heil ntige Wahrheit ist nach Luthers Auffassung in Christus und in dem Wort der Schrift, das ihn bezeugt, bereits vollgltig vorhanden.

4. Erlutern Sie die Aussage W. Hrles, Glaube sei qualifiziertes Nichtstun.Glaube als Vertrauen, als ein Sich-bestimmen-Lassen durch ein Gegenber, durch das das Dasein eines Menschen in grundlegender Hinsicht bestimmt wird, impliziert nicht, dass der Mensch dem Entstehen des Glaubens willenlos ausgeliefert ist, sondern er kann dies geschehen lassen oder verweigern. Insofern tut der Mensch nichts, sondern lsst etwas mit sich geschehen, aber dieses Geschehenlassen ist seine persnliche Beteiligung an dem Geschehen des Glaubens.

Arbeitsblatt fr die Sitzung vom 10. Juni1. Begrnden Sie, warum eine Trennung von Person und Werk die Voraussetzung fr Vergebung ist.Eine wichtige Implikation der Rechtfertigungslehre betrifft die Unterscheidung von Person und Werk. Gott sieht die Person an, nicht das Werk. Die Person und nicht das Werk wird gerechtfertigt. Die Qualitt der Werke ist von der Person abhngig, nicht umgekehrt. Wie gute Werke keinen guten Menschen machen, so machen bse Werke auch keinen bsen Menschen. In der Perspektive der Rechtfertigungslehre muss der (jeder) Mensch von seinen Taten unterschieden werden. Die Person kann nicht durch ihre Taten, aber die Taten knnen durch die Vernderung der Person verndert werden. Dies richtet sich gegen die Identifikation des Bsen mit Menschen, Gruppen von Menschen oder auch Staaten (Achse des Bsen), die nur allzu leicht die Vorstellung nahe legen kann, es liee sich mit der Ausrottung der Bsen das Bse aus der Welt schaffen. Fr das Verstndnis der weltlichen Strafgerichtsbarkeit bedeutet dies, dass nur Taten gerichtet und abgeurteilt werden knnen, nicht aber Personen. Auch eine noch so schreckliche Tat kann den Tter doch nicht seiner Wrde berauben. Vergebung besteht insofern aus einem Akt des Unterscheidens und einem Akt des Wertens, aber sie geschieht ohne irgendwelche Vorbedingungen.

2. Grenzen Sie die Begriffe Semi-Pelagianismus und Pelagianismus voneinander ab und begrnden Sie, warum die Beurteilung dieser Positionen als hybride undifferenziert wre.Der Theologe Pelagius (gestorben nach 418) lehrte, dass der Mensch als Ebenbild Gottes mit einer auf das Gute gerichteten Naturanlage ausgestattet ist, die auch durch die Snde nicht verloren geht. Die Lehre von der Erbsnde lehnte er daher ab. Snde und Glaube verstand er als zwei dem Menschen verfgbare Mglichkeiten, sich Gott gegenber zu verhalten: Der Mensch kann und muss sich entscheiden, ob er dem in Adam erschienenen Leitbild der Snde oder dem in Christus erschienenen Leitbild der Gerechtigkeit folgen will. Die Gnade wurde dementsprechend verstanden als eine von Jesu Lehre und seinem Beispiel ausgehende berzeugungskraft, die den Willen des Menschen zum Glauben geneigt macht.Die Lehre von der Erbsnde und der Rechtfertigung des Snders allein durch Gottes Gnade wurde weiterhin bestritten, da der Mensch die Mglichkeit zur freien Entscheidung fr das Gute habe und daher ein Zusammenwirken (Synergismus) von gttlicher Gnade und menschlichen Verdiensten im Prozess der Heilserlangung stattfinde. Diese, als Semipelagianismus bezeichnete, Behauptung eines wechselseitigen Zusammenhangs zwischen gttlicher Gnade und christlicher Lebenspraxis, fhrt ebenso wie der Pelagianismus dazu, dass das Werk Christi geleugnet bzw. in seiner Bedeutung zugunsten der menschlichen Freiheit relativiert wird.

3. Die Snde ist keine Wesensbestimmung des Menschen, jedoch aber ein Existential. Erklren Sie diese Aussage.Die Aussage ist dahingehend zu verstehen, dass die Snde zwar den Menschen ganz bestimmt, aber von seinem Wesen und seiner Natur zu unterscheiden ist. Denn wre die Snde die Natur des Menschen, knnte sie nicht berwunden werden und daher muss das Snder-Sein des Menschen von dem Snde-Tun als Ausdruck dessen unterschieden werden. Zwar gehrt es zum Wesen des Menschen, durch die Snde versucht werden zu knnen, aber es gehrt nicht zum Wesen (sondern zur Verfehlung des Wesens) des Menschen zu sndigen.Im Zentrum des reformatorischen Sndenverstndnisses steht die Gottesrelation, wie sie durch das erste Gebot bestimmt ist. Luther konzentriert den Sndenbegriff nicht auf eine Vielfalt von Tatsnden, sondern auf das Glaubensverhltnis. Snde im eigentlichen Sinn ist demnach der Unglaube, die Abkehr von der Liebe Gottes, der Relationsabbruch, dessen Folge die Selbstliebe und die Selbstrechtfertigung ist. Wenn Snde als Gottesferne verstanden wird, hat dies zur Folge, dass es dem Menschen den Rckweg in die Selbstrechtfertigung von vornherein abschneidet, auf dem er seine Snden durch Gegenleistung immer mehr verkleinern will. Es bleibt nur der Ausweg, sich in die Gewissheit der zugesprochenen Gerechtigkeit zu flchten. Der wissende Snder durchbricht die Macht der Snde, indem er darauf vertraut, dass zu ihrer wahren berwindung Christus und seine Gerechtigkeit ntig sind. Luther hat dies mit der Formel simul iustus et peccator umschrieben, in der zum Ausdruck kommt, dass der Mensch in diesem Leben in sich stets Snder bleibt, aber gleichwohl vor Gott und von Gott her angenommen und insofern gerecht ist.Die Gerechtigkeit Christi bleibt eine fremde Gerechtigkeit auerhalb unserer selbst, die keine Eigenschaft des Menschen wird, sondern es gilt, sie sich durch das gepredigte Wort und das Sakrament stets neu zu vergegenwrtigen. An dem im Urteil Gottes gegenwrtigen Heil partizipieren wir im Glauben an Christus bzw. in der Hoffnung auf Christus. Diese Definition des Menschen als homo iustificandus, als Lebewesen, das unvermeidlich in einer Relation steht, erffnet dem Menschen, vor allem, aber nicht ausschlielich dem leidenden und verzweifelten, dem fragenden und angefochtenen Menschen, neue Rume und konstituiert Freiheit. In Luthers Freiheitstraktat meint Freiheit vor allem Freiheit vom Gesetz. Luther kann dies pointiert so ausdrcken, dass der aus dem Glauben Gerechtfertigte frei ist von allen Geboten und tut alles aus lauter Freiheit umsonst.

4. Der Glaube bewirkt nach Luther eine communicatio idiomatum. Was hat man sich darunter vorzustellen?Luther beschreibt mit einem Bild aus der Brautmystik den frhlichen Wechsel oder wunderbaren Tausch, der darin besteht, dass Christus durch seinen Tod unsere Snden bernimmt und uns dafr seine Gerechtigkeit gibt. Die Lehre von der wechselseitigen Mitteilung der Eigenschaften (der Naturen in Christus) lat. communicatio idiomatum ist zu verstehen vor dem Hintergrund des Wesen Jesu Christi, der wahrhaft Gott und zugleich wahrhaft Mensch ist und in seiner Gottheit weseneins mit Gott dem Vater und in seiner Menschheit, bis auf die Snde, weseneins mit den Menschen ist. Luther beschreibt mit dem Bild von Christus und der Seele als Braut und Brutigam, dass der Besitz der Braut in den des Brutigams bergeht und der Brutigam die Schuld der Braut aufnimmt.Der Glaube ist dabei das Verbindende, das den Austausch ermglicht. Die Eigenschaften Christi gehen auf den Glubigen ber. Die Gerechtigkeit Christi geht auf den Glubigen ber, aber diese Aneignung ist keine vllige Identifizierung, sondern die Gerechtigkeit bleibt eine externe, die der Mensch nicht aus eigener Kraft erlangen kann. Der durch Christus errungene Sieg ber das Bse erlaubt es dem Glubigen, sich gegen Snde, Hlle und Tod zu wehren. Wie zuvor im Zusammenhang ber das Wesen der Snde ausgefhrt, wird diese durch den Tausch nicht vernichtet, sondern durchbrochen, was Luther mit den Wendungen peccatum regnans (herrschende Snde) und peccatum regnatum (beherrschte Snde) umschrieben hat.

Arbeitsblatt fr die Sitzung vom 17. Juni1. Erklren Sie mit Hilfe eines Beispiels Ihrer Wahl, was man unter einem Theologumenon zu verstehen hat und welche Funktion es hat.Die Mariologie, die sich im rmischen Katholizismus zu einer umfangreichen Lehre entwickelt hat, sieht die Einzigartigkeit Jesu, zugleich Gott und Mensch zu sein, in der Einzigartigkeit seiner Geburt verdeutlicht. Dabei unterscheidet man vier mariologische Dogmen, die die Person Marias in den Mittelpunkt der Verehrung rcken. Die im sogenannten Nestorianischen Streit (428-431) ausgetragene Frage, ob Maria, die den Sohn Gottes dem Fleisch nach geboren hat, deshalb Gottesgebrerin genannt werden kann, endet auf dem Konzil von Ephesus 431 mit der Besttigung des theotokos-Titels fr Maria. Das zweite Dogma von der immerwhrenden Jungfrulichkeit Marias (semper virgo Laterankonzil um 800) ist darin begrndet, dass mit dem Kommen Christi die Erlsung der Menschen von der Macht der Snde begonnen hat und sich daher auch der Vorgang seiner Geburt ohne die Sndenstrafe des Geburtsschmerzes vollziehen muss. Maria hat ihre Jungfrulichkeit auch nach der Geburt bewahrt, da sie beschloss, Gott zu dienen und daher ihr Leben lang ohne den Makel der Snde geblieben ist. Das dritte Dogma von der unbefleckten Empfngnis Marias (immaculata conceptio) besagt, dass Maria von Beginn ihrer Existenz, also bereits im Scho ihrer Mutter Anna, geheiligt war. Die Sndlosigkeit der immerwhrenden Jungfrau hat also ihren Grund in der gndigen Bewahrung vor der Erbsnde. Maria hat vorab das Heil erfahren, das Christus am Kreuz bewirken sollte. Das vierte Dogma von der leiblichen Aufnahme (assumptio) Marias in den Himmel ergibt sich aus den berlegungen zur unbefleckten Empfngnis, denn wenn der Tod die Folge der Erbsnde ist, kann ein nicht von der Erbsnde betroffener Mensch nicht sterben. Deshalb gilt von Maria, dass sie niemals gestorben ist, sondern am Ende ihrer Tage mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wurde.Luther akzeptierte der ersten beiden Dogmen, wobei die immerwhrende Jungfrulichkeit Marias nicht als berlieferung eines historischen Ereignisses anzusehen ist, sondern als ein Theologumenon, also als Aussage ber die Heilsbedeutung von Jesu Geburt in Gestalt einer erzhlten Geschichte.

2. Grenzen Sie die Begriffe deus abscondicus und christus abscondicus inhaltlich voneinander ab.Luther unterscheidet zwei Wirkungsbereiche Gottes. Im Bereich der Schpfung durchwaltet Gott alles geschichtliche Geschehen. Gott ist in allem Geschehen wirkend gegenwrtig. Die Schpfung ist also von Gott nicht nur ins Dasein gerufen, sie wird von ihm auch stndig durchwaltet und regiert. Luther war dabei vom Gedanken der Allgegenwart und Allmacht Gottes durchdrungen. Die Schpfung ist auf diese Weise der von Gott gewollte Weg, um seinen Heilsplan durchzufhren.Gottes Wirken im Bereich der Schpfung ist allerdings verborgen, es ist nicht verstehbar. Dies wird uns vor allem in den Erfahrungen des Leidens und der Sinnlosigkeit deutlich. Luther spricht deshalb vom verborgenen Gott, vom deus absconditus. Da Gott unerkannt in der Schpfung wirkt, kann Luther, trotz der Rede von einer Willensdeterminiertheit durch den allwirksamen Gott, von einer menschlichen Freiheit sprechen, in der sich der Mensch mit seiner weltlichen Vernunft um eine brgerliche Gerechtigkeit bemhen muss (iustitia civilis).Im Bereich der Erlsung wirkt Gott in Jesus Christus durch sein Wort. Er weckt im Menschen den Glauben, der ihn in der Rechtfertigung zum Empfang des Heils fhrt und zugleich zur Gemeinschaft mit sich und dadurch zu rechter Mitmenschlichkeit bringt. Dieses Heilshandeln in Christus, dass allein im Glauben empfangen wird und nur darin erkennbar ist, lsst Gott uns aus lauter Gnade zukommen. In diesem Bereich ist Gott fr uns in seinem ganzen Wesen erkennbar und offenbar, weshalb Luther vom deus revelatus spricht.Der deus absconditus steht nicht in Gegensatz zu dem in Christus sich offenbarenden deus revelatus. Der Gekreuzigte und Auferstandene ist auch der verborgene Gott. Es ist der verborgene Gott, der sich in Jesus Christus offenbart. Er gibt sich kund in Jesus Christus und wird in ihm konkret. Die drei mter Christi als Priester, der die Menschen mit Gott vershnt, als Knig, der die Autorittsbeziehung zwischen Gott und Menschen wiederherstellt und spter als Prophet, der Gott bei den Menschen offenbart, stehen in einem engen Zusammenhang, bleiben aber unsichtbar. Jesus Christus begegnet den Menschen dennoch als Mensch. Luther vertritt die Meinung, dass Christi Herrschaft innerlich/geistig ist und mit Christus das Heil schon begonnen hat, komplett, aber verborgen ist und erst im Reich Gottes offenbar wird (christus abscondicus). Der Schwerpunkt liegt also nicht auf dem Jetzt, sondern der Zukunft.3. Mit Luthers Theologie erfolgt die Entlassung der Welt in ihre Weltlichkeit. Erlutern Sie dieses Aussage.Weil Gott weder in der Welt wohnt noch mit der Welt identisch ist, sondern jenseitig bleibt, ist die Welt in ihre Weltlichkeit entlassen. Die Welt luft nach ihren eigenen Gesetzen der Natur und Geschichte, Gott hat sie freigegeben in ihr Weltsein. Dietrich Bonhoeffer brachte dies auf den Begriff der mndig gewordenen Welt: Wir knnen nicht redlich sein, ohne zu erkennen, dass wir in der Welt leben mssen - etsi Deus non daretur. Und eben dies erkennen wir - vor Gott! Gott selbst zwingt uns zu dieser Erkenntnis. So fhrt uns unser Mndigwerden zu einer wahrhaftigen Erkenntnis unserer Lage vor Gott. Gott gibt uns zu wissen, dass wir leben mssen als solche, die mit dem Leben ohne Gott fertig werden. Der Gott, der mit uns ist, ist der Gott der uns verlsst [...] Vor und mit Gott leben wir ohne Gott. (DBW 8, 533f.) Die geistliche Macht und Freiheit des Glaubens ist nicht nur bloe Innerlichkeit oder eine vernderte Einstellung des Menschen zu seiner Endlichkeit, sondern sie bestimmt das Endliche, Irdische, macht sein Leben und seinen Sinn aus.

4. Fr Luther ist die Welt ein (adiphoron). Was ist damit gemeint?Whrend die Knigswrde die geistliche Macht vor der Welt und in der Welt darstellt, bezieht sich die Priesterwrde auf das Verhltnis zu Gott. Die Wrde des Glubigen besteht in der Teilhabe an den beiden Wrden Christi. Der Glubige ist durch das Knigtum vor der Welt geistlich frei, durch das Priestertum vor Gott ein Freier. Luther bezeichnet die Welt in Anlehnung an die stoische Philosophie als . Die Welt ist neutral und entzieht sich einer eindeutigen Zuordnung als gut oder bse, gttlich oder teuflisch. Die Welt ist nicht Gott, sondern von Gott geschaffen. Da die Welt uns innerlich nichts anhaben kann, ist Gelassenheit fr einen Glubigen die angemessen Haltung der Welt gegenber, aber trotzdem sollte er alles dafr tun, dass Freiheit auch uerlich mglich ist und sich nicht mit dem Bestehenden zufriedengeben. Christliche Freiheit kann nur bestehen, wenn sie nach auen tritt. Selbst wenn es Formen der Unterdrckung oder Unfreiheit gibt, die Wrde des Menschen konstituiert sich allein durch Gott und kann nicht durch uere Umstnde oder andere Menschen abgesprochen werden.

Arbeitsblatt fr die Sitzung vom 8. Juli1. Wo bleibt der Stellenwert der Moral bzw. der guten Werke, wenn allein der Glaube gerecht macht? Erlutern Sie, wie diese Frage im Sinne Luthers beantwortet werden msste.Fr Luther gehren Glaube und gute Werke notwendig zusammen, da der Glaube gute Werke hervorbringt. Man knnte daraus folgern, wenn es fr die Rechtfertigung des Menschen nur auf das Innere, den Glauben ankommt, dann scheint das uere, die Werke, das Handeln in der Welt belanglos zu werden. Die Freiheit vom Gesetz bedeutet aber nicht, dass Handeln berhaupt unntig wrde. Luther argumentiert, dass der innere, geistliche Mensch zwar unabhngig von ueren Werken sei, aber wir sind auch uere Menschen, die sich zu sich selbst und zu anderen Menschen in Beziehung setzen mssen. Das Handeln ist insofern am Nutzen des Nchsten, also an den Folgen orientiert. Allerdings nicht in dem Sinne, dass eine Handlung ihr Gutsein ausschlielich vom Gutsein der Folgen her bezieht. Vielmehr bezieht sie ihr Gutsein von der im Glauben sich vollziehenden Erneuerung und Ausrichtung der Person her. Die lutherische Ethik orientiert sich an den Belangen des anderen und nicht an moralischen Wertungen. Es geht nach Luther also nicht um die Frage, wie etwas moralisch zu bewerten ist, sondern darum, was in einer gegebenen Situation im Sinne des Nutzens des Nchsten auszurichten ist. Anstelle der Frage, wie wir handeln sollen oder wie wir Gutes tun, rckt damit die Frage ins Zentrum, wodurch wir uns in unserem Lebensvollzug bestimmen lassen.

2. Setzen Sie sich vor dem Hintergrund Ihrer Ergebnisse aus Aufgabe 1 kritisch mit dem Ausspruch peccator in re, iustus in spe auseinander.Man muss die Gerechtigkeit Gottes von der menschlichen Gerechtigkeit klar unterscheiden, aber ohne sie voneinander zu trennen, da sie zusammengehren, wobei relevant ist, dass die Gerechtigkeit der Menschen eine Folge der Gerechtigkeit Gottes ist und nicht deren Voraussetzung. Der Mensch ist im irdischen Leben niemals ausschlielich durch den Glauben an Gott, sondern immer auch durch die Snde bestimmt. Wenn man voraussetzt, dass Gott nie ganz vertraut wird, und dieses den Menschen durch und durch verdirbt, ist der Mensch totus peccator in re. Weil der Mensch aber nicht nur durch die Snde, sondern auch durch den Glauben bestimmt wird, und ein einziger Moment des Glaubens den Menschen ganz gerecht macht, ist er zugleich auch totus iustus in spe. Um diesen Totalaspekt des Menschen zu beschreiben, hat Luther die Formel simul iustus et peccator geprgt.Hierbei stehen sich zunchst scheinbar die irdische und die gttliche Welt gegenber, doch Luther richtete den Fokus auch auf die Heiligung des Menschen, in der der Glubige sich mehr und mehr der Gerechtigkeit Christi zu- und der Snde abwendet. Gerechtsprechung und Gerechtmachung sind fr Luther nmlich keine Alternativen, sondern Gottes Gerechtsprechung bewirkt, indem sie Glauben weckt, die Gerechtmachung des Menschen. Somit erschpft sich die Rechtfertigungslehre Luthers nicht in einer Nichtanrechnung der Snde bzw. einem Freispruch, sondern sie bewirkt zugleich ein verndertes Verhalten. Denn die Rechtfertigung Gottes fhrt zwangslufig zur Befreiung von dem Wunsch sich selbst rechtfertigen zu mssen, sich selbst Gottes Gerechtigkeit erarbeiten zu mssen und zugleich zu einem selbstvergessenen Dienst am Nchsten als Frucht der Gerechtigkeit Gottes. Daher handelt der glubige Mensch, im Rahmen seiner Mglichkeiten und mit dem Bewusstsein immer simul iustus et peccator zu bleiben, nicht aufgrund irgendwelcher ethischer Verpflichtungen, sondern als Folge seiner vernderten Existenz. Seine Werke sind daher die Frchte der Gerechtigkeit Gottes, die ihm als Gnadengeschenk zuteil geworden sind. Alle Gebote werden in dem Doppelgebot der Liebe erfllt, wobei dieses keinem Ziel dienen soll, denn solange die Liebe einem Ziel dient, ist sie nicht Gottes- oder Nchstenliebe, sondern nur Selbstliebe. Daher band Luther die Liebe von und zu Gott an die Nchstenliebe.

3. Nennen Sie die drei von Luther formulierten Schpfungsordnungen.Luther unterscheidet ecclesia (Kirche bzw. kirchliche Obrigkeit), oeconomia (Haus-Wirtschaft, Ehe/Familie bzw. husliche Obrigkeit in Wirtschaft und Familie) und politia (Staat bzw. staatliche Obrigkeit).

4. Luthers Ethik ist eine Ethik des Maes. Erklren Sie, welche Funktion den Schpfungsordnungen in dieser Ethik zukommt.Mit dieser Dreiteilung macht Luther deutlich, dass es ihm bei dem weltlichen Regiment nicht nur um die Obrigkeit oder den Staat geht, sondern um alle Dinge, die fr das Leben in der Welt notwendig sind. Zugleich vermeidet er das Missverstndnis, der Glubige lebe nur im Reich Christi, denn auch der Glubige fhrt sein Leben in der Welt. Luther betont damit aber auch, dass fr ihn die bestehenden Verhltnisse weder das Ergebnis menschlicher Gestaltungskraft noch eine vom Zufall verursachte Konstellation waren, sondern er verankerte das gesellschaftliche Ordnungsgefge vielmehr direkt im Willen Gottes. Gott selbst hat nach Luther die Stnde Kirche, weltliche Obrigkeit und Familie geschaffen und deshalb kommt ihnen hchste Verbindlichkeit zu. Ein Christ lebt in zwei Grundrelationen, nmlich vor Gott und in der Gemeinschaft mit seinen Mitmenschen. Ebenso gehrt er im Grunde allen drei Schpfungsordnungen bzw. Stnden an. Er hat eine bestimmte Stellung innerhalb der Familie, innerhalb der ffentlichkeit und auch im Blick auf die Institution Kirche. Wenn die Ttigkeiten der verschiedenen Stnde sich nicht gegenseitig beeintrchtigen, sondern sinnvoll ineinandergreifen, kommt es der gesamten Gesellschaft zugute.Im Zusammenhang mit den Schpfungsordnungen und Luthers Zwei-Regimente-Lehre sollte man unterscheiden zwischen dem Glubigen als Privatperson, dem jegliches eigenntziges Verhalten verboten ist, und der sogar Ungerechtigkeit erleiden soll, whrend auf der anderen Seite der Glubige in jeglicher Amtsfunktion sein Handeln am Gemeinwohl ausrichten soll. Die Motivation zum Handeln basiert damit fr Luther nicht auf der Maximierung des eigenen Nutzens, sondern am Wohl der Gesellschaft als Ausdruck der gttlichen Ordnung.

Arbeitsblatt fr die Sitzung vom 15. Juli 1. Erlutern Sie kurz, was man unter dem Begriff Libertinismus zu verstehen hat und argumentieren Sie anschlieend, warum der Vorwurf, Luther sei ein Libertinist gewesen, vor dem Hintergrund seines Menschenbildes und der daraus resultierenden Ethik ungerecht erscheinen muss.Der Begriff Libertinismus bezeichnet im Allgemeinen ein Abweichen von anerkannter Norm, Lehre oder Moral und wird im Regelfall abwertend gebraucht im Sinne von moralischer Freizgigkeit bzw. Beliebigkeit. Darber hinaus bezeichnet Libertinismus eine ungebundene Lebensweise nach dem Motto Tue, was du willst, die dem Neuen Testament widerspricht und sich deshalb zu Unrecht auf die christliche Freiheit beruft. Die Heilsbotschaft wird missverstanden als Freiheit von jeglicher Ethik und steht damit gegen die Tendenz des Neuen Testaments, die eben auch die bleibende Bedeutung des Gesetzes betont, wie dies von Luther dargelegt wurde.Luther hat die Freiheit eines Christenmenschen keineswegs so verstanden und es ging ihm weniger um das Wesen der Freiheit als um das Wesen des Christseins. Allerdings bestimmte er Christsein als frei sein, bzw. als frei werden und als dienstbar sein. Auf diese Weise sollte den Menschen, die sich frei fhlten, aufgezeigt werden, wie unfrei sie in Wirklichkeit waren und denen, die sich unfrei fhlten, dass sie das, was sie bedrckte, hinter sich lassen konnten. Luther beschreibt den Menschen in vielfltigen Relationen und der dialektischen Spannung des Zugleich, als innerlich und uerlich, neu und alt, geistlich und leiblich, Herr und Knecht, Snder und Gerechter und versteht Freiheit in erster Linie als Freiheit im Glauben, also als Freiheit vor Gott. Diese Gewissensfreiheit des Christenmenschen im Glauben vor Gott ist aber nicht gleichzusetzen mit Verantwortungslosigkeit, denn gerade diese Freiheit vor Gott begrndet die Bindung an die Mitgeschpfe. Luther behauptete zwar, der Mensch knne sich nicht fr das Gute entscheiden, aber dies bezieht sich auf sein Verhltnis zu Gott. Innerhalb der Grenzen irdisch relevanter Entscheidungen haben die Menschen natrlich die Wahl, sich moralisch gut oder schlecht zu verhalten. Der zur Freiheit befreite Christenmensch handelt aus freier Liebe umsonst und indem er seinen Mitmenschen dient, verzichtet er nicht auf seine Freiheit, sondern er realisiert sie.

2. Worin bestehen die Unterscheide zwischen dem klassischen und dem christlichen Utilitarismus?Der Utilitarismus strebt eine rein immanente Begrndung ethischer Forderungen an und beabsichtigt eine vernnftige, innerweltliche Legitimation moralischer Forderungen. Dabei ist der ethische Mastab das Nutzenprinzip (utilis = ntzlich). Demnach ist eine Handlung gut, wenn sie dazu beitrgt, Glck zu vermehren und Leid zu vermindern, und dass eine Handlung schlecht ist, wenn sie das Gegenteil bewirkt. Bekannte Vertreter des Utilitarismus waren Jeremy Bentham (1748-1832) und John Stuart Mills (1806-1873) und obwohl es verschiedene Versionen der utilitaristischen Theorie gibt, haben diese gleichwohl einen konsequentialistischen Charakter gemeinsam. Das bedeutet, dass die moralische Beurteilung von Handlungen und Unterlassung letzten Endes allein von deren Konsequenzen abhngig gemacht wird. Nach utilitaristischer berzeugung ist es dabei der hervorgebrachte Nutzen, anhand dessen sich Handlungen moralisch messen lassen mssen.Aus der Position eines christlichen Utilitarismus heraus lsst sich einwenden, dass die Ausrichtung auf irdische Glcksgter der Erlangung des ewigen Heils geradezu widerstreitet; dass das menschliche Glcksstreben insofern in die Irre fhrt, als wahres Glck, d.h. Heil, auf Erden nicht erreichbar ist, sowie die besonders von Luther betonte Einsicht, dass der Mensch sein Heil nicht aus eigener Kraft zu erlangen vermag, sondern dass dieses sich ganz der Alleinwirksamkeit Gottes verdankt. Natrlich bedeutet es im Umkehrschluss nicht, dass die christliche Ethik am Wohl des Menschen nicht interessiert sei, denn besonders Luther hegt keinen Zweifel daran, dass Christinnen und Christen sich aus Dankbarkeit fr das ihnen von Gott zuteilwerdende Heil fr das Wohl ihrer Mitmenschen einsetzen. Auch wenn das Heil in seiner ganzen Flle in diesem Leben nicht zu haben ist, motiviert und inspiriert seine eschatologische Verheiung Christen doch, sich hier und jetzt fr das Wohl ihres Nchsten einzusetzen. Hier liegt auch ein Unterschied zum Utilitarismus klassischer Prgung, denn unabhngig davon, wie man das Wohl des Menschen aus theologischer Perspektive im Einzelnen bestimmt, ist ein christliches Verstndnis menschlichen Wohls mit einer rein hedonistischen Auffassung desselben, wie sie etwa Bentham vertreten hat, nicht zu vereinbaren. hnliches drfte fr eine Sichtweise gelten, die das Wohl des Menschen als Befriedigung seiner jeweiligen Prferenzen bestimmt, denn das von Gott her zuteilwerdende Heil besteht nicht einfach in der Erfllung von Wnschen und Erwartungen der Menschen.Der klassische und der christliche Utilitarismus nehmen das Phnomen des Moralischen aus unterschiedlichen Perspektiven in den Blick. Der Gedanke der Nchstenliebe steht im Zentrum des christlichen Ethos und das damit Gemeinte bezieht sich nicht auf die Folgen einer Handlung. Diese stehen im Zentrum des klassischen Utilitarismus, insofern sich die moralische Richtigkeit einer Handlung daran bemisst, ob sie ein Maximum an guten Folgen realisiert. Doch auch die utilitaristische Theorie ist in der Lage, der Haltung des Handelnden eine relativ eigenstndige Bedeutung im Hinblick auf die Beurteilung der Moralitt einer Handlung zuzubilligen und ebenso wird eine christliche Ethik nicht umhin knnen, den Handlungsfolgen Beachtung zu schenken. Denn wer aus Liebe zum Nchsten handelt, wird wollen, dass seine Liebe auch dem Nchsten zugutekommt, und deshalb nach Konsequenzen seines Handelns fragen. Diese Einsicht findet sich nicht zuletzt in Luthers Freiheitsschrift und eben hierin besteht denn auch ein Kriterium fr die Evaluation christlichen Handelns.3. Erklren Sie die Aussage Schleiermachers, dass Ethik grundstzlich darstellendes Handeln sei.Schleiermacher fasst die Ethik als Ausdruck des Handelns der Vernunft auf. Ethik wird infolgedessen als Lehre vom Ethos im ursprnglichen Sinne der Lebensweise von Gruppen oder Einzelnen verstanden. Daher rckt die Theorie Schleiermachers das Handeln wieder in die Perspektive der gelingenden oder misslingenden Ausfhrung, fr die der Handelnde Verantwortung trgt. Schleiermachers Ethik ist dabei deskriptiv, sie beschreibt das Sittliche und versucht es nicht erst zu begrnden. Kategorische oder konsultative Ethiken setzen nach Schleiermacher immer die Unwirksamkeit und Kraftlosigkeit des Geistes und der Vernunft voraus. Sie beschreiben, was werden soll oder was wnschens- und empfehlenswert ist und gehen davon aus, dass bislang noch nicht sittlich gehandelt wird. Schleiermacher hingegen geht davon aus, dass Vernunft und Geist tatschlich wirksam sind und sich deshalb ethisches Handeln als real Existierendes und nicht nur als Gefordertes, noch Ausstehendes beschreiben lsst.Im Gegensatz zu Luther, der die klassische, von Aristoteles und Thomas von Aquin entwickelte Tugendethik verworfen hat, verhilft Schleiermacher ihr wieder zu grerer Bedeutung, indem er sie jedoch nicht als Darstellung der Ethik im Ganzen begreift, sondern der Pflichten- und Gterethik zuordnet. Nach Schleiermacher ist jede Handlung durch Verpflichtungsgrund, Motiv und Inhalt des erstrebten Guten bestimmt. Die Pflichtenlehre gibt den Verpflichtungsgrund und die Regel der sittlichen Handlung, die Tugendlehre das Motiv der Handlung und die Gterlehre den Inhalt des erstrebten Gutes an. Das Sittliche wird als Pflicht, Haltung und Gut verwirklicht und jeder der drei Aspekte des Sittlichen reprsentiert in sich das Ganze und die Einheit des Sittlichen.

4. Was ist inhaltlich gemeint, wenn der Ethik ein prohibitiver Effekt zugeschrieben wird?Dem reinen Wortlaut folgend wird der Ethik ein verhindernder, abhaltender und vorbeugender Effekt zugeschrieben. Durch die prohibitive Formulierung ethischer Regeln: "Du sollst nicht..." bleibt damit die Verantwortlichkeit des Menschen bestehen.Im Kontext einer globalisierten Welt wchst der Bedarf nach Orientierung, nach sinnvollen Handlungsanweisungen und Werten. Nach Wilfried Hrle hat die Ethik einen entlastenden Effekt, da es ihr nicht um die Welterlsung, sondern um die Welterhaltung geht. Die Ethik schtzt uns dann vor berforderungen. Sie verhindert eine berforderung des Menschen bzw. beugt dieser berforderung des Menschen vor.

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