Handbuch Netzneutralität

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    Handbuch Netzneutralitt

    Im Internet sollen alle Daten gleich behandelt werden egal welche Art vonDaten, woher sie kommen und wohin sie gesendet werden. Diese Gleich-behandlung heit Netzneutralitt und sie ist in Gefahr. Wir steuern auf ein In-

    ternet verschiedener Klassen zu, in dem innovative Projekte behindert,Zensurmanahmen hingegen erleichtert werden. Dieses Handbuch erklrt,wieso Netzneutralitt wichtig ist und gesetzlich verankert werden muss.

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    1. Was ist Netzneutralitt? .......................................................................................................... 1

    2. Zehn Grnde fr Netzneutralitt.............................................................................................. 3

    3. Exurs: Die Enquete-Kommission..............................................................................................5

    4. Die Situation in Deutschland.....................................................................................................6

    5. Die Situation in der EU..............................................................................................................7

    6. Warum wird die Netzneutralitt verletzt?................................................................................ 8

    7. Checkliste: Neutrales Netz aus Nutzersicht..........................................................................12

    8. Checkliste: Was bedeutet Netzneutralitt fr Internetanbieter?..........................................13

    9. Mythen und Wahrheiten: Warum Telekommunikationsunternehmen gegenNetzneutralitt sind.................................................................................................................14

    10. Leitfaden: Wie die Politik Netzneutralitt sichern kann......................................................16

    1. Netzneutralitt gesetzlich verankern.................................................................................16

    2. Das Netzneutralitts-Siegel...............................................................................................17

    Glossar.........................................................................................................................................18

    Die Europische Meldestelle fr Netzneutralitt: RespectMyNet.eu.......................................20

    ber uns......................................................................................................................................22

    Frdermitgliedschaften.............................................................................................................. 23

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    In den vergangenen 30 Jahren wurde das Internet zu einem globalen Netzwerk, das heu-te mehr als zwei Milliarden Nutzer in der ganzen Welt zusammenbringt. Es hat Innovatio-nen vorangetrieben, den Zugang zu Informationen erheblich erleichtert und vielenMenschen ermglicht, von ihrem Recht auf freie Meinungsuerung Gebrauch zu ma-chen. Es hat zur Entstehung neuer Geschftsmodelle beigetragen und viele Bereiche un-seres tglichen Lebens verndert. Wir knnen einfacher miteinander kommunizieren,Wissen generieren, Neues erlernen sowie an sozialen, kulturellen und politischen Debat-ten und am Wirtschaftsleben teilhaben.

    Mit der zunehmenden Nutzung und der wachsenden

    Bedeutung des Internets sind dessen Architektur unddie zugrunde liegenden Prinzipien ein wichtiger Teil derDebatte geworden. Die wachsende Datenflut wird vonAnbietern immer hufiger zum Anlass genommen, be-stimmte Arten von Datenverkehr zu sperren, zu priori-sieren oder zu drosseln. Das hat erheblicheAuswirkungen auf die Meinungsfreiheit, auf Wirtschaftund Innovation und ist keineswegs ein Thema, das nurTechniker angeht.

    Frher war es einfach: Internet-Anbieter transportier-ten Daten und kmmerten sich nicht darum, was da

    ber ihre Leitungen lief. Netzbetreiber konnten undwollten nicht in einzelne Datenpakete hineinschauen.Sie wussten nicht, welche Pakete bei ihnen bertragenwurden. Nutzer konnten frei entscheiden, wie sie dasNetz nutzen wollten. Ob Grokonzern oder Einzelkmp-fer, ob Spiel, Chat oder Browser im Netz hatte grund-stzlich jeder die gleichen Rechte. DieseInnovationsfhigkeit an den Enden des Netzes machtedas Internet gro. Anbieter, die hier andere Wege zu

    gehen versuchten beispielsweise AOL mit einem geschlossenen Garten waren mit-telfristig nicht erfolgreich. Die Nutzer wollten damals schon Netzneutralitt, auch wennsie es nicht so ausgedrckt htten. Heute haben sich jedoch die technischen Rahmenbe-

    dingungen gendert: Netzbetreiber verfgen ber Technologien, mit denen sie in Echtzeitin den Datenverkehr hineinschauen knnen (u.a. Deep Packet Inspection = Datenpaket-kontrolle). Das gibt ihnen neue Mglichkeiten, Anwendungen und Inhalte zu kontrollieren ganz nach ihren Wnschen.

    Im Kern der Debatte um Netzneutralitt steht eine Frage: Wollen wir Netzbetreibern dieMglichkeit geben, diese Technologien zu nutzen und vorzuschreiben, wer unter welchenBedingungen Zugriff auf Informationen erhlt? Oder sollten nicht besser alle Nutzer der

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    Leitungen souvern bestimmen knnen, wie sie das Netz nutzen? Brauchen wir Regeln,die Netzbetreibern verbieten, Anwendungen und Services zu blockieren, zu verlangsa-men oder auszuschlieen?

    Provider setzen bereits heute sogenanntes Netzwerkmanagement ein. Sie verkaufenihren Kunden Bandbreiten, die sie im Volllastbetrieb vielleicht gar nicht liefern knnen.Wrden alle Kunden gleichzeitig die Verbindungen in vollem Umfang nutzen wollen,

    stnde ihnen nur ein Bruchteil der versproche-nen Leistung zur Verfgung. Oft geben Provi-der in der Werbung daher nur ein bis zu an so klein gedruckt wie mglich. Und damit dieseMogelpackung nicht zu sehr auffllt, drosselnmanche Provider bestimmte Dienste, wennman in einem bestimmten Zeitraum zu vieleDaten bermittelt.

    Wer hier Vorfahrt hat, bestimmt allein der Pro-vider. Dieser bevorzugt dabei in der Regel sei-ne eigenen Daten oder die seinerGeschftspartner. Kabel Deutschland drosseltFilesharing-Anwendungen, die hnlich daten-

    intensiven Video-On-Demand-Anwendungen aus eigenem Haus gelangen aber weiter un-gehindert zum Kunden. Mobilfunkbetreiber schlieen Konkurrenzdienste wie Skype ganzaus oder berechnen Zusatzgebhren, um sie freizuschalten. Was wann genau und wiestattfindet, verraten die Provider ihren Kunden aber nicht. Stattdessen verkaufen sie im-mer neue bis zu-Angaben die in der Realitt oft nur bei Sonnenschein und Rcken-wind mglich sind.

    Netzneutralitt kann man aus zwei Blickwinkeln betrachten, die Teil der Definition seinmssen. Da sind zum einen die Nutzer, darunter fallen aber unter Anderem auch Inhal-te- und Diensteanbieter.

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    Und das Stichwort Netzneutralittist fr uns sehr wichtig.

    Jeder Nutzer, egal was er verdient,welchen Bildungsgrad er hat, solldie Mglichkeit haben, den glei-

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    Zehn Grnde fr Netzneutralitt

    Netzneutralitt ist wichtig fr Wirtschaft, Gesellschaft, Brger, Verbraucher und Staat.Auer den Transporteuren profitiert niemand von einem Bruch mit ihr.

    1. Netzneutralitt sorgt dafr, dass alle Datenpakete gleich behandelt werden und si-chert so unser Recht auf Informations- und Meinungsfreiheit. Ohne Netzneutralittwerden groe Netzbetreiber zu Torwchtern ber den Zugang zu Inhalten im Inter-net: Sie knnen entscheiden, was wir sehen und wer uns sieht.

    2. Netzneutralitt ist eine Voraussetzung fr Innovation und Wirtschaftswachstum,weil auch junge, kleine Unternehmen den gleichen Zugang zum Internet haben wiegroe Konzerne. Ohne Netzneutralitt knnen Netzbetreiber neuen oder missliebi-

    gen Dienstleistern den Zugang zuihren Kunden erschweren undsich selbst an erste Stelle setzen.

    3. Netzneutralitt sichert freies Wis-sen, Demokratie und Teilhabe.Projekte wie Wikipedia oder Blogshaben denselben Zugang zumNetz wie groe Medienkonzerne.Ohne Netzneutralitt wird im In-ternet vor allem gehrt, wer ge-nug Geld hat, um fr die schnelle

    Verbreitung seiner Meinung zubezahlen.

    4. Netzneutralitt sichert die dezen-trale Struktur des Internets. OhneNetzneutralitt knnen diegroen Anbieter im Netz die klei-nen verdrngen. Somit wird dieGleichwertigkeit aller Teilnehmerim Netz gefhrdet.

    5. Ohne Netzneutralitt knnen

    Netzbetreiber von Inhalte-Anbie-tern Wegzoll verlangen. Netzneu-tralitt ermglicht diekostengnstige Verbreitung digi-taler Inhalte auf der ganzen Welt.Das gilt auch fr Behrden undandere ffentliche Stellen, die un-tereinander und mit ihren Brgern nicht zweitklassig kommunizieren wollen.

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    6. Netzneutralitt ist die Voraussetzung fr einen funktionierenden Datenschutz imInternet. Ohne Netzneutralitt wird berwachung zum Alltag eines jeden Nutzers.Denn wer bestimmte Datentypen anders behandeln will, muss in jedes Datenpaket

    hineinschauen. Der Provider liest damit jede Webseite, jede E-Mail und jede Chat-Nachricht.

    7. Netzneutralitt schtzt vor Zensur. Ohne Netzneutralitt knnen Netzbetreibernicht nur Dienste, sondern auch Inhalte verbieten und zensieren. Die selbe Tech-nik, die deutsche Provider zum Sperren von Skype einsetzen, verwenden auch au-toritre Regime zum Zensieren unliebsamer Inhalte.

    8. Netzneutralitt zwingt die Netzbetreiber zu Investitionen in moderne Netzinfra-struktur, weil sie nur so Engpsse beseitigen knnen. Ohne Netzneutralitt werdenEngpsse bei veralteter Infrastruktur einfach durch das Ausbremsen einzelnerDienste beseitigt und Investitionen aufgeschoben.

    9. Netzneutralitt dient dem Schutz von Endverbrauchern. Ohne Netzneutralitt gibtes keine Garantie, dass Internet drin ist, wo Internet draufsteht. Das Internet ohneNetzneutralitt wird zu BTX und AOL. Oder einfach nur zu einem Kabelfernsehen2.0.

    10. Netzneutralitt ist die Grundvoraussetzung fr echte Interoperabilitt. Eine E-Mailaus Sdafrika oder Bulgarien kommt genauso schnell an wie eine aus Deutschlandoder den USA. Ohne Netzneutralitt drohen Regionalisierung und Nationalisierung.

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    Exurs: Die Enquete-Kommission

    Die Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft des Deutschen Bundestageshat in einer Arbeitsgruppe das Themenfeld Netzneutralitt von vielen Seiten beleuchtet.Dabei hat man auch eine Definition aufgestellt, wann eine Diskriminierung stattfindet:

    Mglich wre nunmehr eine Ungleichbehandlung bzw. Diskriminierung hinsichtlich

    des Inhalts

    der zu transportierenden Datenmenge

    des vom Nutzer oder Serviceanbieter bezahlten Qualittsstandards

    einzelner Nutzer einzelner Diensteanbieter

    einzelner Programme und Services."

    Die Arbeitsgruppe Netzneutralitt der Enquete-Kommission hatte alle groen Telekom-munikationsanbieter angeschrieben und um belastbare Informationen zum Beweis ihrerBehauptung gebeten, dass ihre Netze berlastet seien. Kein Telekommunikationsanbie-ter war in der Lage oder willens, belastbare Daten vorzulegen, die diese Behauptung be-sttigen.

    Bei der Abstimmung ber die Handlungsempfehlungen des Zwischenberichts zum The-

    ma Netzneutralitt kam es zu einem Patt: Die Regierungskoalition mit ihren industriena-hen Sachverstndigen votierte gegen eine gesetzliche Festschreibung vonNetzneutralittsregeln und fr Vertrauen in den Markt. Die Opposition und alle zivilge-sellschaftlichen Sachverstndigen votierten fr klare gesetzliche Regelungen zur Fest-schreibung der Netzneutralitt.

    http://www.bundestag.de/internetenquete/

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    Die Situation in Deutschland

    In Deutschland wird die Netzneutralitt zunehmend verletzt. Immer mehr Anbieterdurchsuchen den Datenverkehr ihrer Kunden und drosseln oder verbieten bestimmte In-halte, Dienste und Gerte. Vor allem im Mobilfunk-Bereich untersagen fast alle Anbieterbestimmte Nutzungsarten des Internets per AGB. Aber auch bei Festnetz-Anschlssenmehren sich die Eingriffe in die Netzneutralitt.

    Verbnde und Institutionen aus unterschiedlichsten Gesellschaftsbereichen kritisierendiese Entwicklung. Dazu zhlen zum Beispiel ffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, daRundfunkanbieter ihrem Auftrag nach die gesamte Bevlkerung erreichen mssen, nichtnur zahlungskrftige Kunden. Der Westdeutsche Rundfunk fordert eine diskriminie-

    rungsfreie Durchleitung der Inhalte im Internet. ARD und ZDF fordern die Sicherstel-lung eines leistungsfhigen und diskriminierungsfreien Netzes, das die Erfllunggesellschaftlicher Funktionen und Aufgaben in der Zukunft gewhrleistet. Die Rund-funkanstalten fordern die Gesetzgeber von Bund und Lndern auf, die Gefhrdungen der

    Netzneutralitt zu unterbinden.

    Auch der Verbraucherzentrale Bundes-verband fordert verpflichtende Manah-men fr ein bertragungstechnischneutrales Internet, damit alle Kommuni-kations- und Datendienste ohne Barrie-ren transportiert und unabhngig von

    ihrem Inhalt gleich behandelt werdenknnen."

    Die fr Telekommunikation zustndigeRegulierungsbehrde, die Bundesnetz-agentur, hlt sich jedoch auffallend zu-rck. Trotz wiederholter Belege, dassauch in Deutschland Anbieter die Netz-neutralitt verletzen, will die Bonner Be-hrde lediglich beobachten undvermitteln. Aus Sicht des Digitale Gesell-schaft e.V. ist es Aufgabe der Bundes-

    netzagentur, Verletzungen derNetzneutralitt zu unterbinden und Anbieter daraufhin zu kontrollieren. Wenn dazu eineErweiterung ihres Auftrages notwendig sein sollte, msste die Bundesregierung diesevornehmen.

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    Quelle: http://netneutralitymap.org/

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    Auch die Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft des Deutschen Bundes-tages hat in einer eigenen Arbeitsgruppe das Thema Netzneutralitt behandelt und eineDefinition aufgestellt. Der Deutsche Bundestag hat bisher nichts zum Schutz der Netz-

    neutralitt getan. Im Herbst 2011beschloss die schwarz-gelbe Koaliti-on eine nderung des Telekommu-nikationsgesetzes. Dabeibezeichnete die Regierung Netzneu-tralitt als ein erstrebenswertesZiel. Eine gesetzliche Vorschreibungwollte man jedoch nicht erlassen,vielmehr verlasse man sich auf denMarkt. Dass der nicht funktioniert,zeigen jedoch die existierenden Ver-

    letzungen der Netzneutralitt.Das Verfassungsorgan der Bundeslnder, der deutscheBundesrat, bte whrenddessen Kritik am Bundestag. Dem Kulturausschuss der Ln-derkammer war die bisherige Handhabe der Netzneutralitt zu schwach. Der Ausschussfordert ein grundstzliches Diskriminierungsverbot fr den Datentransport im Netz.Also eine echte Netzneutralitt.

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    Uns gehrt die Infrastruktur. Wir solltenentscheiden, wer sie benutzt. Ganz einfach.Warum sollte da irgendjemand dreinreden?[] Warum etwas regulieren, das funktio-niert? Einfach dem Markt berlassen, denKonsumenten und den Unternehmen!

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    Die Situation in der EU

    Seit 2010 ist die niederlndische Politikerin Neelie Kroes EU-Kommissarin fr die Digita-le Agenda. Bei ihrem Amtsantritt betonte Kroes zwar, wie wichtig ihr Netzneutralitt sei:Wir mssen sehr wachsam sein gegenber neuartigen Bedrohungen der Netzneutrali-tt, sagte sie gegenber den EU-Abgeordneten. In einem Bericht vom Frhjahr 2011 er-klrte sie dann jedoch, dass eine europaweite gesetzliche Regulierung noch nichtnotwendig sei.

    Der Europische Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx warnte im Oktober 2011, dassVerletzungen der Netzneutralitt schwerwiegende Folgen fr das Grundrecht der Nutzerauf Privatsphre und Datenschutz haben knnen. Wenig spter verabschiedete das Euro-

    pische Parlament eine Resolution, in dem die EU-Abgeordneten die Kommission klardazu aufriefen, viel mehr dafr zu tun, das offene Internet und die Neutralitt des Netzeszu sichern.

    Im Mai 2012 verffentlichte das Gremium Europischer Regulierungsstellen BERECeinen Bericht, aus dem hervorging, dass Verste gegen die Netzneutralitt in der EUweit verbreitet sind. Fast die Hlfte aller Nutzer von mobilem Breitbandinternet habenbeispielsweise Vertrge, die den Providern erlauben, VoIP und P2P einzuschrnken. Da-mit hat die EU-Kommission schwarz auf wei, dass die Netzneutralitt in der EU flchen-deckend verletzt wird. Aber nichts passiert.

    EU-Kommissarin Kroes hrte nicht nur weg, sondern entfernte sich seit ihrem Amtsan-tritt noch weiter von ihrem ursprnglichen Engagement fr Netzneutralitt. Im Mai 2012

    erklrte sie, dass es durchaus legitim sei, Dienste einzuschrnken solange die Nutzerdarber informiert werden, ob sie Champagner oder Schaumwein bekommen. Die EU-Kommission weigert sich also, Netzneutralitt gesetzlich zu sichern, und verlsst sichdarauf, dass Transparenz und Wettbewerb ausreichen werden. Die versprochene Trans-parenz finden Verbraucher nur als nicht ablehnbares Kleingedrucktes, versteckt in denAllgemeinen Geschftsbedingungen.

    Im Herbst 2012 endete auf EU-Ebene die sechste ffentliche EU-Konsultation, passiertist bisher nichts und viel wird voraussichtlich bis zur neuen Legislaturperiode nach denEuropawahlen 2014 auch nicht mehr geschehen.

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    Handbuch Netzneutralitt

    Warum wird die Netzneutralitt

    verletzt?

    Netzbetreiber verletzen die Netzneutralitt, um den Gewinn mit eigenen Diensten zusteigern.

    Netzbetreiber bieten Anwendungen und Dienste an, die mit denen anderer Anbieter kon-kurrieren. Bestes Beispiel sind VoIP-Anwendungen wie Skype, die in vielen Mobilfunknet-zen geblockt werden, weil die Telekommunikationsanbieter selber Geld mit Telefonatenverdienen wollen.

    Der Netzbetreiber Comcast hat in den USA mit der Blockade von BitTorrent gezeigt, dasser darin eine unerwnschte Konkurrenz erkennt. BitTorrent knnte zu einer Distributi-onsplattform fr Fernseh- und Videoinhalte werden, die mit Comcasts traditionellem Vi-deo-on-Demand-Service konkurriert.

    In den Allgemeinen Geschftsbedingungen von Vodafone und T-Mobile sind oft Peer-to-Peer-Anwendungen verboten, sie werden teilweise knstlich verlangsamt oder gnzlichblockiert. Ebenfalls verboten ist oft Instant Messaging, das als Konkurrenz fr die teurenSMS-Dienste angesehen wird.

    Netzbetreiber verletzen die Netzneutralitt, um unerwnschte Inhalte ausschlieen.

    In Deutschland blockierte der Provider freenet im Jahre 2004 unternehmenskritische Fo-ren fr seine Kunden. Diese konnten so die Kritikam Support von freenet nicht lesen.

    In Grobritannien werden Internetsperren, die ur-sprnglich allein zur Bekmpfung von Kinderporno-graphie eingefhrt wurden, mittlerweile vonMobilfunkanbietern dazu benutzt, beliebig weitereInternetseiten zu sperren. Zu den gesperrten Seitengehren dann auch Webseiten wie unsere befreun-dete franzsische Organisation La Quadrature duNet oder das wichtige Anonymisierungsprojekt Tor.

    Auch in Dnemark wurden die eingefhrten Inter-netsperren zweckentfremdet und zum Instrument der Durchsetzung des Urheberrechtsumfunktioniert. Diese Filtertechnologien wurden um politischer Ziele willen eingefhrt,knnen aber leicht von Unternehmen zur Gewinnerzielung oder zur Erlangung von Wett-bewerbsvorteilen ausgenutzt werden.

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    Deutsche Telekom CombiCard MobileData S / M / L & XL:

    Die Flatrate kann nicht fr BlackBerry, Internet-Telefonie (Voicover IP), Instant Messaging unPeer-to-peer Verkehre genut

    werden.

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    In den USA streamte der Netzbetreiber AT&T Musikkonzerte, unter anderem von PearlJam. Als der Snger Eddie Vedder in einem Konzert den damaligen US-Prsidenten Ge-orge W. Bush kritisierte, wurde die Kritik von AT&T entfernt. Es wurde mit Inhalteprinzi-

    pien argumentiert und dass man Kinder vor schlechter Sprache schtzen msse.

    In Kanada hat der Netzbetreiber Telus im Jahr 2005 die Webseite eines Gewerkschafts-angehrigen geblockt. Telus befand sich mit der Gewerkschaft im Arbeitskampf und aufder Webseite diskutierten Gewerkschaftler ber ihre Strategien im Arbeitskampf.

    Das alles sind Beispiele aus westlichen Demokratien. Autoritre Staaten auf der ganzenWelt lieben Deep Packet Inspection, um damit die Netzneutralitt zu verletzen und dasInternet zu zensieren und zu berwachen. Zu den bekanntesten Feinden des Internetsgehren Staaten wie China, Iran, Syrien und Saudi-Arabien. Die Zensur missliebigerWebseiten oder Suchbegriffe ist dort Alltag.

    Russland zeigte Ende 2012, wie

    schnell diese Entwicklung gehenkann. Ein Gesetz zum Sperrenzum Sperren von Webseiten mitschdlichen Inhalten fr Kinderwurde schon am Tag des Inkraft-tretens auch gegen politischeGegner eingesetzt. Realisiertwird das mit westlicher DPI-Technologie, die ursprnglichgegen Skype und BitTorrent ein-gefhrt wurde. Quasi nebenbei

    kann mit der eingesetzten Tech-nik der komplette Internet-Ver-kehr berwacht werden. So wirdsichtbar, wer wann welche Webseite aufgerufen hat.

    Netzbetreiber verletzen die Netzneutralitt, um weniger Geld in den Ausbau ihrerNetze investieren zu mssen.

    Netzbetreiber verlangsamen oder blockieren gewisse Dienste. Wenn viele Kunden diepreisgnstigen Flatrates wahrnehmen, erhhen sich die Kosten fr die Provider undschmlern ihren Gewinn. Deshalb verlangsamen Provider oft die Datenbertragung, da-mit sie bei gleichbleibenden Einnahmen weniger ausgeben mssen.

    Der Netzbetreiber Kabel Deutschland hat im Sommer 2012 seine AGB gendert und be-hlt sich jetzt bei Gefahr einer berlastung des Netzes eine Priorisierung von Datenpa-keten vor. So genannte Filesharing-Anwendungen sollen in diesem Fall diskriminiert undverlangsamt werden egal ob man damit Filme oder Forschungsdaten austauscht. Im-mer mehr unzufriedene Kunden berichten seitdem darber, wie ihr Netz bei KabelDeutschland zunehmend unbenutzbar wird.

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    Netzbetreiber verletzen die Netzneutralitt, um Kunden einen vermeintlichen Vorteilzu geben, der aber keiner ist.

    Verletzungen der Netzneutralitt knnen auch als vermeintlicher Bonus erscheinen. DerMobilfunkprovider E-Plus bietet seinen Kunden an, selbst mit abgelaufenem Datenvolu-men kostenlos auf Facebook zu surfen. Die Telekom verkauft Tarife, bei denen das Da-tenvolumen des Musik-Streaming-Dienstes Spotify nicht auf das bezahlte Inklusiv-Volumen angerechnet wird. Diese Bevorzugung eines Anbieters bedeutet jedoch die Dis-kriminierung der Anderen.

    Das schadet den Entwicklern neuer Anwendungen und Anbieter neuer Inhalte. Bisherentscheidet der Markt durch die Nutzer, was gut ist und angenommen wird. In einer Weltohne Netzneutralitt mssen sich Kreative jedoch nicht mehr fragen: Ist das cool und in-teressiert das die Nutzer? Sondern: Was sagen dieNetzbetreiber? Wird mein Datenverkehr im Ver-

    gleich zu dem meiner Konkurrenten benachteiligt?Was sagen mgliche Finanziers meines Start-Upsin einer solchen Situation?

    In den USA wurden junge Unternehmen von Finan-ziers bereits gefragt, ob fehlende Netzneutralittein Risiko fr das Geschftsmodell darstelle. Man-che Firmen hatten deswegen Finanzierungsprobleme. Netzneutralitt schtzt somit auchden fairen Wettbewerb und garantiert gleiche Startbedingungen fr alle. Dadurch be-kommen Verbraucher mehr und bessere Anwendungen sowie Dienste, die es ohne Netz-neutralitt kaum geben wrde.

    Die Bevorzugung einzelner Anbieter ist auch pikant, weil die Netzbetreiber stets mit ei-

    ner berlastung ihrer Netze argumentieren, um Manahmen zur Einschrnkung derNetzneutralitt verknden. Werden andererseits bestimmte Dienste auerhalb des Volu-mens gelegt, wird die knappe Ressource Mobilfunk-Bandbreite fr alle noch mehr ber-lastet. Und Telekommunikationsanbieter finden noch mehr Behauptungen, warum siekein echtes Netz wollen.

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    Vodafone: MobileInternet Flat 21,6

    Voice over IP und Peer to PeeNutzung sind nicht gestattet."

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    Checkliste: Neutrales Netz aus

    Nutzersicht

    Nutzer eines neutralen Netzes bekommen einen Internetzugang, der:

    frei von Diskriminierung,

    unabhngig von den verwendeten Anwendungen, Diensten, Inhalten und

    ungeachtet des Absenders oder Empfngers ist.

    Egal wer abruft, egal wer sendet, egal was im Datenpaket steckt: Das geht den Provi-der nichts an. Und der Provider tut sein Bestes, die Daten schnell zum Ziel zu bringen.

    sie jeden Inhalt ihrer Wahl senden und empfangen lsst.

    Ob Video, Foto, Chat oder E-Mail: Was ber die Leitung transportiert wird, soll nichtSache des Providers sein.

    sie Dienste und Anwendungen ihrer Wahl nutzen lsst.

    Wer einen Internetzugang anbietet, darf nicht bestimmte Dienste oder Anwendungenuntersagen.

    sich mit Hardware und Software ihrer Wahl nutzen lsst.Wer einen Internetzugang anbietet, darf dem Nutzer nicht die Endgerte vorschreiben wie zum Beispiel nur Mobiltelefone.

    klar gekennzeichnet ist dahingehend, welche Formen von Netzwerkmanagementdurch den jeweiligen Provider ausgebt werden.

    Wer nicht wei, was ihm tatschlich geliefert wird, wird seiner Wahlfreiheit beraubt.Klein gedruckte, kryptisch formulierte AGB-Klauseln verschleiern oft mehr, als offen-zulegen, dass oftmals nicht Internet geliefert wird, auch wenn Internet versprochenwurde.

    die Verfgbarkeit und Geschwindigkeit gewhrleistet, die ihnen in der Werbung ver-sprochen wurde.

    Statt bis zu-Angaben mssen realistische Durchschnittsverfgbarkeiten von Band-breiten Pflicht werden.

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    Checkliste: Was bedeutet

    Netzneutralitt fr Internetanbieter?

    Internetanbieter mssen:

    vor jedem Eingriff in ihr Netzwerk dokumentieren, dass es nachprfbare Beweise frDatenstau gibt und dass ein Eingriff unabwendbar fr das Funktionieren des Netz-werks ist.

    Natrlich kann es einmal vorkommen, dass beim Anbieter etwas kaputt geht. Dann

    muss er auch handeln drfen. Aber das darf kein Regelfall werden.

    nachweisen, dass es sich um Einzelvorkommnisse und nicht um eine dauerhafte ber-buchung ihrer Kapazitten handelt, die durch mangelnden Ausbau zustande gekom-men ist.

    Finden die Eingriffe regelmig statt, kann man davon ausgehen, dass der Anbietermehr Kunden Leistungen versprochen hat, als er beliefern kann.

    beweisen knnen, dass jede solche Priorisierung der Qualittssicherung dient, unab-hngig davon, ob fr Endverbraucher oder Firmenkunden.

    Die Eingriffe nach vorgenannten Kriterien drfen beispielsweise keine Priorisierung

    von Business- gegenber Privatkunden beinhalten.gesetzgeberisch eng definierte kritische Dienste im Bedarfsfall priorisieren drfen.

    Natrlich sollte ein Telefonnotruf auch weiterhin mglich sein. Aber eine Priorisierungsollte nur dann erfolgen, wenn das Netz tatschlich berlastet ist.

    ihre Netzwerkeingriffe und ihre Eingriffskriterien detailliert dem Regulierer und derffentlichkeit zugnglich machen.

    Ohne umfassende Transparenz und aktive, sanktionsbewehrte Berichtspflichten kanneine Kontrolle nicht stattfinden.

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    Mythen und Wahrheiten: Warum

    Telekommunikationsunternehmengegen Netzneutralitt sind

    In der Debatte um die Netzneutralitt lassen sich die Internet-Provider immer wieder er-staunliche Scheinargumente einfallen:

    Mythos 1: Netzneutralitt wird sich negativ auf den Netzausbau auswirken, denn dieInfrastrukturanbieter mssen die hohen Investitionen alleine schultern.

    Das Gegenteil ist der Fall: ohne Netzneutralitt knnen Infrastrukturbetreiber schlep-penden Netzausbau versilbern, indem sie ihren Kunden und Inhalteanbietern fr denschnelleren Transport Zusatzkosten aufbrden. Der Anreiz, Engpsse hinsichtlich Band-breite durch Investitionen in die Netzinfrastruktur zu beseitigen, ist deshalb ohne Netz-neutralitt geringer.

    Mythos 2: Effizientes Netzwerkmanagement ist im Interesse der Kunden und stelltsicher, dass die Netze funktionsfhig bleiben.

    Effizientes Netzwerkmanagement ist auch ohne Verletzung der Netzneutralitt problem-los mglich. Muss Bandbreite zwischen mehreren Kunden geteilt werden, so kann dies

    ohne weiteres entsprechend der von diesen Kunden bezahlten Bandbreite erfolgen. ImGegenteil, eine Bevorzugung einzelner, finanzkrftiger Inhalteanbieter kann sogar dieFunktionsfhigkeit der Netze in solchen Fllen fr die Kunden verringern, sofern sie In-halte anderer Anbieter bevorzugen.

    Mythos 3: Eine strikte Gleichbehandlung smtlicher Datenpakete wrdequalittsempfindliche Anwendungen unmglich machen und innovative Diensteverhindern.

    Nur die strikte Gleichbehandlung von Datenpaketen kann innovative Dienste berhauptmglich machen. Mssen Start-Ups in Konkurrenz zu finanzkrftigen Anbietern um die

    Gunst der Netzbetreiber kmpfen, ist es fr sie sehr viel schwieriger, ihre Dienste einerbreiten ffentlichkeit zur Verfgung zu stellen. Ohne Netzneutralitt setzen sich diejeni-gen durch, die in der Lage sind, fr eine Bevorzugung ihrer Datenpakete zu zahlen alsobereits bekannte, etablierte Anbieter.

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    Mythos 4: Durch Transparenz und die Mglichkeit, den Anbieter zu wechseln, wird derMarkt schon automatisch fr Netzneutralitt sorgen.

    Schon heute verletzen groe Provider regelmig Netzneutralitt, entweder weil sie be-stimmte Dienste gnzlich oder zu bestimmten Zeiten verlangsamen, oder weil sie andereDienste gegen Gebhr bevorzugen. Je weiter sich derartige Eingriffe in die Netzneutrali-tt verbreiten, desto schwieriger wenn nicht berhaupt unmglich wird ein Vergleichder Angebote verschiedener Internetanbieter. Denn ohne Netzneutralitt ist Internetnicht gleich Internet. Und jeder geblockte oder bevorzugte Dienst ist eine weitere Ver-gleichsdimension zustzlich zu Preis und Bandbreite.

    Mythos 5: Netzneutralitt gibt es gar nicht.

    Das Internet verdankt seinem Erfolg

    dem Ende-zu-Ende-Prinzip, dass dieIntelligenz an den Enden von Inter-net-Kommunikation ist und die ber-tragenden Stellen sich nichteinmischen. Richtig ist, dass auch ineinem neutralen Internet im Falle ei-nes Bandbreitenengpasses der Daten-verkehr gemanagt werden muss.Entscheidend ist aber, das auch bei derVerwaltung von Engpssen alle End-kunden und Diensteanbieter gleich be-handelt werden mssen.

    Mythos 6: EU-Recht erlaubt die Einfhrung von Netzmanagement-Manahmen zurQualittssicherung, insofern besteht kein Bedarf fr zustzliche Regelungen.

    Gerade weil es auf europischer Ebene bislang keinen ausreichenden Schutz der Netz-neutralitt gibt, bedarf es nationaler Regelungen. Dass solche Regeln mglich sind, be-weist das Beispiel der Niederlande, wo gesetzlich garantiert ist, dassNetzwerkmanagement nur im Interesse der Endnutzer erlaubt ist.

    Mythos 7: Netzneutralitt verhindert Innovation

    Einige der Telekommunikationskonzerne geben an, dass nur ein Bruch mit der Netzneu-tralitt neue Geschftsmodelle ber das Internet ermglichen wrde. Tatschlich han-delt es sich dabei aber nicht um neue, sondern um althergebrachte Geschftsmodellewie SMS und MMS oder eben die Einspeiseentgelte, mit denen Kabelanbieter in der Ver-gangenheit viel Geld verdienen konnten. Dass echte und nachhaltige Innovation nichtohne, sondern gerade mit einem neutralen Netz stattfindet, haben die vergangenen 15Jahre Internet in Deutschland eindrucksvoll gezeigt.

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    Leitfaden: Wie die Politik

    Netzneutralitt sichern kann

    1. Netzneutralitt gesetzlich verankern

    Netzneutralitt ist in der Bundesrepublik gesetzlich einfach verankerbar. Notwendig istdazu nur der politische Wille.

    Ein mglicher Weg wre eine Ergnzung zu 88 im Telekommunikationsgesetz (TKG).

    Dieser Paragraf zum Fernmeldegeheimnis regelt bisher, dass sich Diensteanbieter berdie Gewhrleistung von Diensten und den Schutz von Systemen hinaus nicht ber Inhaltund nhere Umstnde der Telekommunikation ihrer Nutzer informieren drfen, und un-tersagt insbesondere die Weitergabe solcher Informationen an Dritte. Eine Spezifizierungdes Gesetzes bezglich der Netzneutralitt knnte 88a Nichtanalyse und Nichtunter-drckung lauten. Dadurch knnte jede willkrliche Analyse sowie jede Sperrung von In-halten, Ziel- und Anfrageadressen auf Providerebene fr grundstzlich unzulssigerklrt werden eine Konkretisierung des Fernmeldegeheimnisses also. Diese nde-rung wrde auch der Klarstellung dienen, dass die geschilderten Eingriffe in den Inter-net-Verkehr zugleich Eingriffe in das Telekommunikationsgeheimnis aus Art. 10 Abs. 1des Grundgesetzes darstellen und als solche daher absolut unzulssig sind.

    Keine Diskriminierung von einzelnen Diensten oder Gerten

    Keine Verbindung darf aufgrund ihrer Art oder des verwendeten Protokolls oder Gertsbevorzugt oder benachteiligt behandelt werden.

    Keine Diskriminierung nach Teilnehmern

    Egal zu oder von wem die Daten flieen alle Teilnehmer sind gleich. ber Priorisierun-gen soll jeder Kunde im Rahmen des eigenen Anschlusses selbst entscheiden knnen.

    Echtes Netz auch im Mobilfunkbereich

    Mobilfunk und Festnetz sind bei der Frage der Netzneutralitt grundstzlich gleich zubehandeln. Die Nutzungsverbote bestimmter Inhaltstypen wie Voice over IP, Peer-to-Peer-Diensten oder Instant Messaging durch Mobilfunkprovider sind willkrliche undnicht gerechtfertigte Eingriffe in die Netzneutralitt.

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    Kein Herumschnffeln im Datenverkehr

    Jede Form der Datenpaket-Inhaltsanalyse (Deep Packet Inspection, DPI) muss als Ver-sto gegen die Netzneutralitt und gegen das Kommunikationsgeheimnis (nach Art. 10 IGG) interpretiert werden, da dabei stets der konkrete Inhalt der Datenpakete und die Artdes Protokolls und die Identitt des Absenders (Verbindungsdaten) erkundet wird. Dastechnische Durchleuchten des Inhalts der Kommunikationsdaten mit Methoden der DPIist abzulehnen und gesetzlich zu untersagen.

    Keine Netzsperren oder knstliche Verlangsamung

    Netzsperren oder die Blockade von Inhalten sind die massivste Form der Missachtungder Netzneutralitt und weder mit den Werten des Netzes noch mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar. Wir fordern, gesetzlich die Sperrung bzw. Blo-

    ckade und Verlangsamung von Internet-Inhalten durch bzw. mit Hilfe der Zugangs-Provi-der auszuschlieen.

    2. Das Netzneutralitts-Siegel

    Darber hinaus fordern wir, dass es fr Verbraucher offensichtlich sein muss, ob das ih-nen angebotene Internet tatschlich richtiges Internet ist. Dies knnte man mit einemNetzneutralitts-Siegel oder hnlichem lsen, das durch die Regulierungsbehrde, Bun-desnetzagentur oder eine andere Stelle vergeben werden kann.

    Ausgangspunkt: Es gibt nur ein echtes Internet. Alles andere sind Online-Zugnge.

    Internet ist neutral,

    lsst jeden IP-basierten Verkehr zu,

    greift nicht in diesen ein und

    fhrt kein anlassunabhngiges Monitoring des Datenverkehrs durch.

    Um das durchzusetzen, bedarf es selbstverstndlich Regeln und Wettbewerbskontrolle.Das knnte so aussehen:

    Wer Internet anbietet, aber nur Online-Zugnge liefert, muss dafr durch die Nutzer undWettbewerber in Regress genommen werden sowie durch den Regulierer wegen Irrefh-

    rung mit einer empfindlichen Strafe belegt werden knnen (bis zu EUR 5.000, aber nichtunter EUR 100 pro Nutzer).

    Die Leistungen von Internet-Service-Providern und Telekommunikationsunternehmenwerden in unregelmigen Abstnden von den zustndigen Regulierungsbehrden ge-prft und die Ergebnisse verffentlicht.

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    Glossar

    Allgemeine Geschftsbedingungen (AGB)

    Bezeichnet Vertragsbedingungen eines Diensteanbieters, denen der Kunde vor der Nut-zung des Dienstes zustimmen muss. In den Allgemeinen Geschftsbedingungen knnenauch Dienste ausgeschlossen werden. Einige Mobilfunkanbieter verbieten beispielsweiseDienste, die in direkter Konkurrenz zu eigenen kostenpflichtigen Angeboten stehen. DenAGB muss man zustimmen, um einen Vertrag abschlieen zu knnen, einzelne Bestim-mungen ablehnen knnen Kunden nicht.

    Deep Packet Inspection (DPI)Bezeichnet die Methode, neben Sender und Empfnger von Datenpaketen auch den In-halt zu untersuchen. Provider knnen dann bestimmte Inhalte protokollieren, verlangsa-men, berechnen oder auch komplett unterdrcken. Diese Technologie kann dazu genutztwerden, zum Beispiel nur noch das weiterzuleiten, was politisch gewnscht ist. Da DPIalle Inhalte analysiert, kann es auch zur berwachung eingesetzt werden.

    Diskriminierung

    Bezeichnet die Benachteiligung von Diensten, Gerten oder Inhalten. Immer mehr Inter-net-Provider greifen in den Internet-Verkehr ihrer Kunden ein und drosseln oder blockie-

    ren bestimmte Inhalte oder Datentypen. Die verbreitetsten Beispiels sind Skype undBitTorrent, aber auch Tethering, also die Nutzung von Smartphone-Internet-Anschlssenauf Laptops, wird untersagt.

    Instant Messaging (IM)

    Auch Chatten genannt; bezeichnet das sofortige Versenden einer Nachricht innerhalb ei-nes Gesprchs von zwei oder mehr Teilnehmern. Die Teilnehmer kommunizieren mithilfeeines Chat-Dienstes ber das Internet und erhalten durch das so genannte Push-Verfah-ren die Nachrichten sofort. Bekannte Instant-Messaging-Dienste sind ICQ, XMPP (Jab-ber), MSN Messenger, aber auch deren Verwendung in Google Talk oder dem Facebook-Chat.

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    Netzwerkmanagement

    Bezeichnet die Verwaltung und Steuerung von Telekommunikationsnetzen. Netzwerkma-nagement beinhaltet viele Leistungen, unter anderem Administration, Fehleranalyse und-behebung, Benutzerverwaltung, Datensicherung und das Gewhrleisten von Funktions-fhigkeit und Netzwerksicherheit.

    Die Bezeichnung wird allerdings auch verwendet, um die Priorisierung von Diensten zubeschreiben. Die vom Internetanbieter verkaufte Bandbreite kann in vielen Fllen nichtgewhrleistet werden. Wenn also viele Menschen gleichzeitig auf die versprochene

    Bandbreite zugreifen mchten, muss der Internetanbieter dies so organisieren, dass dieKunden den fehlenden Netzausbau nicht bemerken. Er kann dazu beispielsweise die Ge-schwindigkeit einiger Dienste (z.B. Videostreaming oder Peer-To-Peer) drosseln.

    Peer-to-Peer-Kommunikation (P2P)

    Bezeichnet ein Netzwerk, in dem jeder PC auf die freigegebenen Inhalte der anderen PCszugreifen und selbst Inhalte zur Verfgung stellen kann. Dabei gibt es keinen Server, derdas Netzwerk verwaltet. So knnen Dateien direkt zwischen zwei oder mehreren Nutzerngeteilt werden. Viele beliebte Internet-Anwendungen sind dezentral, es gibt Peer-To-Peer Netzwerke fr Filesharing, VoIP, Diskussionsforen, Video-Streaming, Suchmaschi-nen und sogar eine dezentrale Whrung.

    Priorisierung

    Bezeichnet eine bestimmte hierarchische Anordnung von Diensten. hnlich wie bei Dis-kriminierung fhrt es dazu, dass einige Dienste bevorzugt behandelt werden. Dies kanndaran liegen, dass der Dienstanbieter dem Provider Geld fr die Priorisierung seinerDienste zahlt oder dass es sich um qualittsempfindliche Anwendungen handelt. Dasfhrt dazu, dass einige Anbieter besser fr den Kunden erreichbar sind als andere undsomit einen Vorteil haben.

    Voice over IP (VOIP)

    Bezeichnet eine Technologie, mit der Telefongesprche ber das Internet gefhrt werdenknnen, die sogenannte IP-Telefonie. Da es eine Vielzahl von VoIP-Anbietern gibt, die die-se Dienste kostenlos anbieten, steht VoIP in direkter Konkurrenz zu den kostenpflichti-gen Gesprchstarifen der Telefonanbieter. Die freie Nutzung von VoIP ber Smartphoneswrde zum Beispiel kostenpflichtige Gesprche ber das Telefonnetz berflssig ma-chen. Daher verbieten viele Anbieter die Nutzung von VoIP in ihren AGB.

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    Die Europische Meldestelle fr

    Netzneutralitt: RespectMyNet.eu

    Die Plattform RespectMyNet.eu ermglicht es allen Nutzern, als Wchter des InternetsVerste gegen die Netzneutralitt zu melden. RespectMyNet.eu wurde von den Brger-rechtsorganisationen Bits of Freedom und La Quadrature du Net gestartet, um Verlet-zungen der Netzneutralitt europaweit zu sammeln und zu dokumentieren, um diePolitik zum Handeln zu motivieren.

    Jeder Nutzer kann dort Verste melden und andere Meldungen besttigen. Je mehrMenschen mitmachen, um so genauer wird das Bild. EU-Kommissarin Kroes klagte zwarbereits, dass ihr zahlreiche Berichte ber Verste aus ganz Europa zu Ohren gekom-men seien, zaudert aber noch immer, konkrete Gegenmanahmen vorzuschlagen. Be-reits 2010 verwies sie auf die Diskriminierung von VoIP-Angeboten durch Netzanbieter inEuropa. Jetzt kann sich jeder an dem Observatorium fr Netzneutralitt beteiligen, Ver-ste unkompliziert melden und beschreiben, welche Dienste, Anwendungen oder Seitenungewhnlich langsam sind. Auerdem findet man auf der Seite Tools, die beim Monito-ring hilfreich sind.

    http://respectmynet.eu

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    Die Initiative fr Netzneutralitt:

    echtesNetz.de

    Echtes Netz ist eine Kampagne fr Netzneutralitt vom Digitale Gesellschaft e. V. SeitEnde 2011 informieren wir on- und offline umfassend ber das Thema Netzneutralitt.Gleichzeitig arbeiten wir an einem politischen Bndnis zum Erhalt der Netzneutralitt.

    http://echtesnetz.de/

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    ber uns

    Wer ist Digitale Gesellschaft?

    Der Digitale Gesellschaft e. V. hat sich derFrderung von Grund- und Freiheitsrechtenim Internet, der politischen Bildung und derArtikulation von Nutzerinteressen verschrie-ben. Er wurde 2010 in Berlin gegrndet undist Mitglied des europischen Bndnisses Eu-ropean Digital Rights (EDRi). Weitere Infor-mationen auf unserer Webseite:https://digitalegesellschaft.de/

    Wie kann man uns untersttzen?

    Engagement kostet viel Zeit und auch Geld. Wir wollen professionelle Infrastrukturenaufbauen, um das Kernproblem vieler freiwilliger Kampagnen zu lsen: Irgendwelchenotwendigen Aufgaben bleiben immer liegen, weil es an Mitteln und Mitmachenden fehlt.

    Spenden verwalten wir dabei transparent und offen. Wir verffentlichen einen jhrlichenTtigkeits- und Finanzbericht darber, wofr welche Gelder konkret verwendet werden.Gleichzeitig berichten wir regelmig ber unsere Aktivitten und arbeiten an Mglich-keiten, Spender in Entscheidungen einzubinden.

    Unsere Kontodaten:

    Digitale Gesellschaft e. V.

    Konto-Nr: 1125012800 BLZ: 430 609 67

    IBAN: DE88430609671125012800

    BIC: GENODEM1GLS (44789 Bochum)

    https://digitalegesellschaft.de/spenden/

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    https://digitalegesellschaft.de/spenden/https://digitalegesellschaft.de/spenden/
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    Frdermitgliedschaften

    Arbeit fr digitale Brgerrechte kostet Zeit und Geld. Entscheidend ist eine stabile Basis-finanzierung, weil sie uns Unabhngigkeit und einen lngeren Atem verschafft. Mit einerFrdermitgliedschaft leistest Du dazu einen wesentlichen Beitrag, dass wir noch bessergegen Industrieinteressen und fr mehr Brgerrechte eintreten knnen.

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    jhrlich halbjhrlich vierteljhrlich monatlich

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    Broschre von: Gefrdert durch:

    Digitale Gesellschaft e.V.

    Schnhauser Allee 6/7, 10119 Berlin

    [email protected] | @digiges auf Twitter

    V.i.S.d.P Markus Beckedahl