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| 31. Oktober 2013 Lara Gut Die momentan erfolgreichste Skirennfahrerin der Schweiz ist auch eine gefragte Markenbotschafterin. Seite 64 Special Marketing INHALT Mobility gewinnt GfM- Marketingpreis 2013 Die Schweizer Carsharing-Pionierin erhält dieses Jahr den Award der Gesellschaft für Marketing (GfM). Die Mobility Genossen- schaft verbinde Innovation und Nachhal- tigkeit vorbildlich mit der marktorientier- ten Unternehmensführung. Seite 61 Wie man in turbulenten Zeiten bestehen kann Der deutsch-schweizerische Medienfutu- rist und Strategieberater Gerd Leonhard formuliert fünf Thesen zur Zukunft des Marketings. Und Ulrich H. Moser, Präsi- dent der GfM, erklärt im Interview, was Schweizer Firmen heute machen müssen, um morgen erfolgreich zu sein. Seite 62/63 Ambition und Realität der Markenführung Prophet und die GfM haben 32 hiesige Konzerne zu ihrer Markenführung be- fragt. Dabei fallen zwei Diskrepanzen auf: Zwischen Theorie und Praxis zeigt sich eine deutliche – so nicht zu erwartende – Lücke. Und die besten Unternehmen wählen einen gänzlich anderen Zugang als ihre schwächeren Mitbewerber. Seite 65 Interhome definiert den Marketingmix täglich Der Ferienimmobilien-Spezialist der Mig- ros-Reisetochter Hotelplan vollzieht einen radikalen Kurswechsel. Die 17 lokalen Marketingteams weltweit werden durch ein einziges ersetzt, das von der Schweiz aus alle Aktivitäten steuert und so mit weniger Mitteln mehr erreicht. Seite 67 St. Galler Pionier des Dialogmarketings Vor 35 Jahren legte Unternehmer Peter Stössel mit einer Occasions-Kuvertier- maschine den Grundstein für die MS Mail Service. Heute beschäftigt seine Firmen- gruppe über 2000 Mitarbeitende, ebenso dazu gehören die erworbene rbc Solutions und die gegründete Quickmail. Seite 74 VERANTWORTLICH FÜR DIESEN SPECIAL: NORMAN C. BANDI FOTO-PORTFOLIO Die Bilder der Beilage zeigen die nächste industrielle Revolution – den dreidimensionalen Druck. Das Startup 3D-Model.ch aus Zürich nutzt die Technologie in sämtlichen Variationen täglich, etwa um für die Medizin Knochen zu reproduzieren. Fotos: Peter Frommenwiler PETER FROMMENWILER Dritte Dimension: Christiane Fimpel und Phil Binkert von 3D-Model.ch zeigen, was man heute mit 3D-Druckern alles machen kann – nicht nur Trophäen und Schmuck. PETER FROMMENWILER NORMAN C. BANDI In den weltweiten Ranglisten zu Inno- vation und Wettbewerbsfähigkeit belegt die Schweiz regelmässig einen der vor- dersten Plätze. Vielfach steht sie sogar zuoberst auf dem Podest. Ein Indiz dafür, dass die hiesigen Unternehmen ihren Teil zum erfolgreichen Abschnei- den des Landes beitragen müssten. Doch anhand der am 22. Oktober 2013 zum neunten Mal erschienenen Studie «Global Innovation 1000» der interna- tionalen Strategieberatung Booz & Com- pany lässt sich dies nicht erhärten. Die 30 erfassten Konzerne mit Sitz in der Schweiz investierten dieses Jahr zwar rund 31 Milliarden Dollar in For- schung und Entwicklung (F&E), was aber nur 4,9 Prozent der gesamten F&E- Aufwendungen der besten 1000 Unter- nehmen ausmacht – mit 638 Milliarden Dollar (plus 5,8 Prozent) erreicht dieser Wert ein neues Rekordhoch. Immerhin: 18 der 30 hiesigen Kon- zerne erhöhten gemäss Booz ihre F&E- Leistung gegenüber dem Vorjahr. Dabei weisen die Schweizer Unternehmen mit 8 Prozent eine hohe Forschungsinten- sität aus. Der weltweite Durchschnitt für das Verhältnis von F&E-Ausgaben zu Gesamtumsatz liegt bei 3,6 Prozent. Hingegen: Über 60 Prozent der F&E- Investitionen der hiesigen Konzerne entfallen auf die beiden Basler Pharma- giganten Roche und Novartis – in ihrer Sparte sind sie führend. Roche erhöhte die F&E-Aufwendungen um 8,1 Prozent auf 10,2 Milliarden Dollar und liegt da- mit wie im Vorjahr auf dem dritten Platz der weltweiten Rangliste. Bei Novartis ging die F&E-Leistung um 2,1 Prozent auf 9,3 Milliarden Dollar zurück, womit das Unternehmen von der zweiten Stelle auf die siebte Position abrutscht. Die weiteren Konzerne mit Schwei- zer Sitz in den Top 100 sind der Halb- leiterproduzent STMicroelectronics in Genf (58), der Nahrungsmittelmulti Nestlé in Vevey (84) sowie der Energie- und Automationstechnikspezialist ABB in Baden (96). Knapp nicht unter den besten hundert ist das Agrarmittel- unternehmen Syngenta (113) in Basel. Die besten Konzerne im globalen Vergleich von Booz sind andere. Mit einem F&E-Volumen von 11,4 Milliar- den Dollar ist Volkswagen (Deutsch- land) neuer Spitzenreiter, gefolgt von Samsung (Südkorea) mit einem F&E- Volumen von 10,4 Milliarden Dollar. Als innovativstes Unternehmen gilt weiter- hin Apple (USA) vor Google (USA), während es Samsung auch in dieser Wertung erstmals in die Top 3 schafft. Indes im «Global Innovation Index», den die gleiche Strategieberatung am 1. Juli 2013 publizierte, schwang unser Land zum dritten Mal in Folge obenaus. www.booz.com/global/home/what-we-think/ global-innovation-1000 Im Schatten des Landes Konzerne Die Schweiz gilt als Weltmeisterin der Innovation und Wettbewerbsfähigkeit. Aufgeschlüsselt nach Investitionen für Forschung und Entwicklung hiesiger Unternehmen lässt sich dies nicht erhärten.

Handelzeitung Spezial Oktober2013

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Page 1: Handelzeitung Spezial Oktober2013

| 31. Oktober 2013 Lara Gut Die momentan erfolgreichste Skirennfahrerin der Schweiz ist auch eine gefragte Markenbotschafterin. Seite 64

Special MarketinginhaLt

Mobility gewinnt GfM-Marketingpreis 2013Die Schweizer Carsharing-Pionierin erhält dieses Jahr den Award der Gesellschaft für Marketing (GfM). Die Mobility Genossen-schaft verbinde Innovation und Nachhal-tigkeit vorbildlich mit der marktorientier-ten Unternehmensführung. Seite 61

Wie man in turbulenten Zeiten bestehen kannDer deutsch-schweizerische Medienfutu-rist und Strategieberater Gerd Leonhard formuliert fünf Thesen zur Zukunft des Marketings. Und Ulrich H. Moser, Präsi-dent der GfM, erklärt im Interview, was Schweizer Firmen heute machen müssen, um morgen erfolgreich zu sein. Seite 62/63

Ambition und Realität der MarkenführungProphet und die GfM haben 32 hiesige Konzerne zu ihrer Markenführung be-fragt. Dabei fallen zwei Diskrepanzen auf: Zwischen Theorie und Praxis zeigt sich eine deutliche – so nicht zu erwartende – Lücke. Und die besten Unternehmen wählen einen gänzlich anderen Zugang als ihre schwächeren Mitbewerber. Seite 65

Interhome definiert den Marketingmix täglichDer Ferienimmobilien-Spezialist der Mig-ros-Reisetochter Hotelplan vollzieht einen radikalen Kurswechsel. Die 17 lokalen Marketingteams weltweit werden durch ein einziges ersetzt, das von der Schweiz aus alle Aktivitäten steuert und so mit weniger Mitteln mehr erreicht. Seite 67

St. Galler Pionier des DialogmarketingsVor 35 Jahren legte Unternehmer Peter Stössel mit einer Occasions-Kuvertier-maschine den Grundstein für die MS Mail Service. Heute beschäftigt seine Firmen-gruppe über 2000 Mitarbeitende, ebenso dazu gehören die erworbene rbc Solutions und die gegründete Quickmail. Seite 74

Verantwortlich für diesen special: norman c. Bandi

Foto-portFoLio

die Bilder der Beilage zeigen die nächste industrielle revolution – den dreidimensionalen druck. das startup 3d-model.ch aus Zürich nutzt die technologie in sämtlichen Variationen täglich, etwa um für die medizin Knochen zu reproduzieren.

Fotos: peter frommenwiler

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Dritte Dimension: christiane fimpel und phil Binkert von 3d-model.ch zeigen, was man heute mit 3d-druckern alles machen kann – nicht nur trophäen und schmuck.

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norman c. Bandi

In den weltweiten Ranglisten zu Inno­vation und Wettbewerbsfähigkeit belegt die Schweiz regelmässig einen der vor­dersten Plätze. Vielfach steht sie sogar zuoberst auf dem Podest. Ein Indiz dafür, dass die hiesigen Unternehmen ihren Teil zum erfolgreichen Abschnei­den des Landes beitragen müssten. Doch anhand der am 22. Oktober 2013 zum neunten Mal erschienenen Studie «Global Innovation 1000» der interna­tionalen Strategieberatung Booz & Com­pany lässt sich dies nicht erhärten.

Die 30 erfassten Konzerne mit Sitz in der Schweiz investierten dieses Jahr zwar rund 31 Milliarden Dollar in For­

schung und Entwicklung (F&E), was aber nur 4,9 Prozent der gesamten F&E­Aufwendungen der besten 1000 Unter­nehmen ausmacht – mit 638 Milliarden Dollar (plus 5,8 Prozent) erreicht dieser Wert ein neues Rekordhoch.

Immerhin: 18 der 30 hiesigen Kon­zerne erhöhten gemäss Booz ihre F&E­Leistung gegenüber dem Vorjahr. Dabei weisen die Schweizer Unternehmen mit 8 Prozent eine hohe Forschungsinten­sität aus. Der weltweite Durchschnitt für das Verhältnis von F&E­Ausgaben zu Gesamtumsatz liegt bei 3,6 Prozent.

Hingegen: Über 60 Prozent der F&E­Investitionen der hiesigen Konzerne entfallen auf die beiden Basler Pharma­giganten Roche und Novartis – in ihrer

Sparte sind sie führend. Roche erhöhte die F&E­Aufwendungen um 8,1 Prozent auf 10,2 Milliarden Dollar und liegt da­mit wie im Vorjahr auf dem dritten Platz der weltweiten Rangliste. Bei Novartis ging die F&E­Leistung um 2,1 Prozent auf 9,3 Milliarden Dollar zurück, womit das Unternehmen von der zweiten Stelle auf die siebte Position abrutscht.

Die weiteren Konzerne mit Schwei­zer Sitz in den Top 100 sind der Halb­leiterproduzent STMicroelectronics in Genf (58), der Nahrungsmittelmulti Nestlé in Vevey (84) sowie der Energie­ und Automationstechnikspezialist ABB in Baden (96). Knapp nicht unter den besten hundert ist das Agrarmittel­unternehmen Syngenta (113) in Basel.

Die besten Konzerne im globalen Vergleich von Booz sind andere. Mit einem F&E­Volumen von 11,4 Milliar­den Dollar ist Volkswagen (Deutsch­land) neuer Spitzenreiter, gefolgt von Samsung (Südkorea) mit einem F&E­Volumen von 10,4 Milliarden Dollar. Als innovativstes Unternehmen gilt weiter­hin Apple (USA) vor Google (USA), während es Samsung auch in dieser Wertung erstmals in die Top 3 schafft.

Indes im «Global Innovation Index», den die gleiche Strategieberatung am 1. Juli 2013 publizierte, schwang unser Land zum dritten Mal in Folge obenaus.

www.booz.com/global/home/what-we-think/global-innovation-1000

Im Schatten des LandesKonzerne die schweiz gilt als weltmeisterin der innovation und wettbewerbsfähigkeit. aufgeschlüsselt nach investitionen für forschung und entwicklung hiesiger Unternehmen lässt sich dies nicht erhärten.

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Marketing | 61handelszeitung | Nr. 44 | 31. Oktober 2013

Teilen als GeschäftGfM-Marketingpreis 2013 Alle Welt spricht heute von Shareconomy. Mobility macht das schon seit Jahren – und wird dafür nun von der Gesellschaft für Marketing ausgezeichnet.

SuSAnne WAGner

Mobility hat etwas geschafft, was vor 30 Jahren kaum jemand für möglich hielt: Mehr als 105 000

Schweizer verzichten darauf, für Auto­fahrten ausschliesslich den eigenen Pri­vatwagen zu benutzen. Stattdessen teilen sie den fahrbaren Untersatz mit Gleich­gesinnten. Das Auto weniger als Status­symbol zu betrachten, sondern einfach als pragmatische Möglichkeit von A nach B zu kommen – mit dieser Vision schlossen sich Ende 1980er­Jahren ein paar Köpfe in Stans NW zusammen und gründeten eine der Vorläufer­Genossenschaften, Share­Com. Zehn Jahre später fusionierten sie mit der zeitgleich in Zürich gegründeten ATG Auto Teilet Genossenschaft – und die Mobility Genossenschaft entstand.

Damit nahmen sie ein Phänomen vor­weg, das heute als Megatrend in Gesell­schaft und Wirtschaft gilt: Shareconomy, sprich Teilen als Lebensphilosophie, bei der Nachhaltigkeit mit Komfort verknüpft wird. Im Gegensatz zu herkömmlichen Autovermietungen erlaubt es das Car­sharing, ein Fahrzeug nur stundenweise zu mieten. Der Grundgedanke bleibt: Die Kunden nutzen den Wagen, kümmern sich aber nicht um Reparaturen, Service, Unterhalt, Steuern oder Versicherungen.

Was klein begann, entwickelte sich zu einem Vorzeigeunternehmen. Auffallend

hoch ist heute die E­Business­Quote von über 93 Prozent. Bereits 1999 ermöglichte Mobility Reservationen per Internet – in einer Zeit, als das tägliche Leben noch längst nicht derart online durchdrungen war wie heute. Der einfache Zugriff für die Kunden, unter anderem dank der Anwendung der neusten IT­Lösungen, gehört bei Mobility zu den Grundpfeilern des Marketings und des Unternehmens.

Gegen Konkurrenz gewappnetEine wichtige Voraussetzung für die

Erfolgsgeschichte ist aber auch das gute Netz des öffentlichen Ver­kehrs (ÖV). «Mobility be­deutet Anschlussmobilität. Das gut ausgebaute ÖV­Netz in der Schweiz ist ideal, um kombinierte Mobilität zu le­ben», sagt Geschäftsführerin Viviana Buchmann. Organi­sationen wie SBB, Zürcher Verkehrsverbund und andere regionale Tarifverbünde waren seit Beginn entschei­dende Kooperationspartner – ebenso im Marketing. Dazu kamen in den letzten Jahren Grossverteiler wie die Migros, was den Nutzern ermöglicht, mit ihren Fahrten zusätzliche Cumulus­Punkte zu sammeln.

Damit Carsharing überhaupt funk­tioniert, ist eine gewisse Anzahl Kunden nötig. Deshalb setzt Mobility auf eine breite Abdeckung und ist in jeder Ortschaft mit

über 5000 Einwohnern präsent. Das Netz ist so dicht angelegt, dass 65 Prozent der schweizerischen Bevölkerung an ihrem Wohnort Zugriff auf einen Mobility­Stand­ort haben. Neu sind die unverwechsel­baren roten Fahrzeuge auf Standorten in Siedlungen präsent. Viviana Buchmann sieht dort ein Kundenpotenzial. «Wir spre­chen Leute in urbanen Wohnüberbauun­gen an, die entweder ganz auf das Auto oder auf das Zweitauto verzichten wollen.» Immer häufiger hört sie, dass die Person, die den ganzen Tag ausser Haus arbeitet, den Familienwagen zuhause lässt und den

Arbeitsweg mit dem öffentli­chen Verkehr kombiniert mit Mobility zurücklegt.

Die dynamische Entwick­lung der Branche bringt Konkurrenz hervor. Etwa eMotion, das Carsharing­ Pilotprojekt mit Elektrofahr­zeugen der Migros­Tochter

M­Way. Oder das Projekt Sharoo, auch von M­Way, das sich noch bis Ende Jahr in der Testphase befindet. Mobility­Chefin Vivi­ana Buchmann meint dazu: «Mitbewerber beleben den Markt. Es ist positiv, wenn sich mehr Leute mit dem Thema ausein­andersetzen.» Sie betont, dass sich die An­gebote stark unterscheiden. Beim Sharoo­Modell stellen Privatpersonen ihr eigenes Auto zum Teilen zur Verfügung. Mobility hingegen entlastet die Kunden von jeg­

lichem organisatorischem Aufwand des Wagenbesitzes.

Firmen und junge Leute im VisierUm für die Anforderungen in der Zu­

kunft gewappnet zu sein, investiert Mobi­lity laufend in die technische Infrastruktur. Ein wichtiges Thema ist die Firmenmobi­lität, denn der Mix aus Geschäfts­ und Privatkunden sorgt für eine optimale Aus­lastung der Fahrzeuge. Im Rahmen des Angebots Pool­Carsharing rüstet Mobility bereits vorhandene firmeneigene Autos mit der Mobility­Technologie aus, um die Handhabung zu verbessern und die Flotte besser auszulasten.

Solche Angebote im Firmenkunden­bereich will Viviana Buchmann mit ihrem Team in Zukunft noch besser bekanntma­chen. Handlungsbedarf besteht ihrer Ansicht nach auch, wenn es darum geht, «die Coolness von Carsharing noch stärker herauszustreichen». Denn sie ist davon überzeugt, dass das Konzept von Mobility zum heutigen urbanen und modernen Lebensstil passt. Dazu gehört auch eine ausgebaute Flexibilität, die das Pilotpro­jekt Free Floating in naher Zukunft an­strebt. Mit Free Floating können Kunden Autos per Smartphone orten und ohne vorgängige Reservation nutzen. Damit reagiert Mobility auf die Nachfrage der jungen Kunden nach spontanen Einweg­fahrten ohne Angabe einer Endzeit.

Rennwagen: Sieht aus wie Lego, ist aber aus einem Guss – das 10 Zentimeter lange Modell eines Formel-1-Boliden aus Plastik, von einem industriellen 3D-Drucker in Farbe gefertigt.

Die Coolness von Carsharing

noch stärker herausstreichen als neues Ziel.

«Lancieren Pilotprojekt Free Floating» Wie hat sich das Marketingkonzept von Mobility seit der Lancierung im Jahr 1997 verändert?Viviana Buchmann: Anfangs machten wir unser Produkt vor allem mittels Kooperationen mit unseren Mobilitäts­partnern wie den SBB oder den Tarif­verbünden bekannt. Erst vor rund sechs Jahren war Mobility in der Lage, eine selbstständige Werbekampagne mit Inseraten, Plakaten und TV­Spots aus eigenen Mitteln auf die Beine zu stellen.

In letzter Zeit sind wir mehr zu differen­zierterer Marktbearbeitung übergegan­gen. Dazu gehört städtespezifisches und zielgruppenorientiertes Marketing.

Mit Mobility hat nun wieder eine Ge­nossenschaft den GfM­Marketingpreis gewonnen. Hat die Rechtsform einen Einfluss auf die Marketingstrategie?Buchmann: Diese Rechtsform ermög­licht es uns, innovativ zu bleiben und eine langfristig angesetzte Strategie mit einer nachhaltigen Entwicklung des Angebots umzusetzen. Als Genossen­schaft müssen wir nicht auf den nächs­ten Quartalsabschluss hinarbeiten oder bei jeder Schwankung das Steuer herumreissen. Carsharing ist eine sehr investitionsintensive Tätigkeit, die sich nur langfristig auszahlt.

Welches sind nebst Ihrem Marketing weitere Erfolgsfaktoren von Mobility?Buchmann: Entscheidend ist, dass wir technologisch spitze bleiben und die IT­Lösungen für unsere Angebote laufend ausbauen. Deshalb entwickeln wir auch die Apps für die mobilen Geräte kontinuierlich weiter. Beispielsweise für die Smartphones, mit denen die Kunden bei unserem Pilotprojekt Free Floating, das wir 2014 lancieren wollen, das gewünschte Auto orten können.

intervieW: SuSAnne WAGner

Viviana BuchmannGeschäftsführerin, Mobility Genossenschaft, Luzern

MoBility

105 000 Kunden, 47 Prozent beteiligt, 2650 Fahrzeuge, 100 Prozent nachhaltigPreisträger Mobility ist die Gewinnerin des mit 20 000 Franken dotierten GfM-Marketingpreises 2013. Die Gesellschaft für Marketing (GfM) hat ihn am 29. Ok-tober zum 29. Mal verliehen. Die Luzer-ner Genossenschaft folgt auf Freitag (2012), Geberit (2011), Mobiliar (2010), Mammut (2009) und Logitech (2008). Mit ihrem «Jahrespreis der Stiftung für Marketing in der unternehmensführung» zeichnet die GfM seit 1984 Persönlich-keiten oder unternehmen aus, die durch aussergewöhnliche Marketingleistungen aufgefallen sind. Mobility wurde dieses Jahr unter 77 Bewerbungen ausgewählt.

Unternehmen Den 17 400 Kunden der 1997 gegründeten Mobility Genossen-

schaft stehen zu Beginn 760 Fahrzeuge zur verfügung. Heute ist Mobility eines von drei am meisten verbreiteten Car-sharing-Systemen in europa und be-schäftigt 200 Mitarbeitende. von den

mehr als 105 000 Mobility-Kunden sind 47 Prozent Genossenschafter. An 1380 Standorten in 500 schweizerischen Ort-schaften stehen 2650 Fahrzeuge bereit.

Begründung Manfred Bruhn, Professor für Marketing an der universität Basel und Präsident des Stiftungsrats der GfM: «Die innovation ist der zentrale erfolgs-treiber. Mobility hat das thema Sharing als Megatrend als einer der ersten in der Wirtschaft erkannt. in der Zwischenzeit gibt es in anderen europäischen Ländern imitatoren. Auch das Konzept des Car-sharing ist innovativ. Dank Selbstbedie-nung rund um die uhr ist eine stunden-genaue Abrechnung möglich. Mobi lity ist nicht nur in Sozialen Medien präsent,

durch Apps können die Fahrzeuge gebucht werden. Die neuste innovation, das Free Floating, erlaubt ab 2014 eine noch freiere nutzung. Der nachhaltige erfolg von Mobility zeigt sich zudem in der hohen Loyalität – 30 Prozent der Kunden haben ihr Privatauto verkauft. Mobility Carsharing war eine der ersten Firmen, die eine glaubwürdige nachhal-tigkeitsstrategie verfolgt haben. Dank Mobility fahren jährlich 23 000 Autos weniger und pro nutzer sinkt der CO2-Ausstoss um 298 Kilogramm pro Jahr. Massgebend waren auch die dominante Marktposition von Mobility unter den drei meistverbreiteten Carsharing-Syste-men in europa und der einfache Kauf- und nutzungsprozess für die Kunden.»

Pro nutzer von Mobility sinkt der CO2-Ausstoss um 298 Kilogramm pro Jahr.

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62 | Marketing handelszeitung | Nr. 44 | 31. Oktober 2013

Kleiderhaken: Salopp gesagt im Spaghetti-Verfahren produziert.

Fünf ThesenMarketing wird zu InhaltDie Zukunft ist digital. Das Marketing

ist digital. All dies hat gravierende Auswirkungen – für die adressierten Konsumenten, für die adressieren-

den Unternehmen. Die nächsten Jahre bringen Veränderungen, die wir so nicht erwarten und so noch nie gesehen haben. Fünf Thesen dazu, wie die Zukunft des Marketings aussieht.• These 1: Bis zum Jahr 2020 wird Unterbre-chungswerbung praktisch verschwunden sein. Stattdessen wird Marketing individualisiert, kundenspezifisch und an das angepasst wer-den, was ich als meine Wünsche oder Opt-ins ausgedrückt habe. Konkret heisst dies, dass Marketing zu Inhalt wird. Dabei werden Daten essenziell sein und wir als User werden mit unseren Daten spielen und einige persönliche Informationen für die Nutzung von Platt formen sowie Dienstleistungen eintauschen. Konsu-menten werden Beziehungen zu Brands ein-gehen, die auf Vertrauen aufgebaut werden. Und wenn eine Firma dieses Vertrauen miss-braucht, wird sie untergehen. Bis in sieben Jah-ren wird die unautorisierte Kundenansprache nutzlos geworden sein. Ich als Konsument ent-scheide, von wem ich hören möchte. Ich werde Dinge mögen oder nicht. Unternehmen müssen bei mir Punkte gutmachen.• These 2: Separate Marketingabteilungen wer-den verschwinden. In Zukunft wird der Kauf-grund sozial motiviert sein. Wenn ein Produkt grossartig ist und es alle lieben, wird es sich verkaufen. Und Kunden werden aufhören, Produkte von Firmen zu kaufen, die nicht ihren Werten entsprechen, weil sie keinen Grund dafür sehen, denen Geld zu geben.• These 3: Ortsbasierte Dienstleistungen wer-den ungemein wertvoll und nützlich sein, aber nur, wenn eine Art Privatsphären-Bank ins Leben gerufen wird. Eine ermächtigte, neutrale Autorität oder Instanz, die die Sicherheit der

Allgemeinheit gewährleistet. Denn wer wird seine Location bekannt geben, wenn er sich nicht sicher fühlt?• These 4: Firmen werden versuchen voraus-zusagen, wie die Menschen über ihren Brand denken, um dann in Echtzeit Merkmale zu ändern und die Konversation mit den Kunden neu zu beginnen. Alle Unternehmen der Zu-kunft werden eine grosse Aufgabe haben. Dafür zu sorgen, dass sich der Verbraucher geschätzt und geschützt fühlt. Zu gewährleisten, was Ama-zon «customer delight» (Kundenglück) nennt, wird die wichtigste Mission sein. Wenn eine Firma dies vermasselt, wird sie von allen verlas-sen werden.• These 5: Unternehmen können so viele Infor-mationen sammeln, wie sie wollen, aber Daten allein werden nie genug sein, denn man wird die Kunden nach wie vor auf einer emo tionalen Ebene erreichen müssen. Die Quint essenz für Marketeers wird folgender Grundsatz sein: Wenn ein Produkt oder eine Dienstleistung nicht vermenschlicht wird, wird es oder sie sich nicht verkaufen. Ein Kaufentscheid wird kein intellektueller Prozess mehr sein, bei dem man denkt, etwas könnte nützlich sein – er wird nur erfolgen, wenn man sich sagt: «Das will ich wirklich.»

Marketing und Werbung müssen in der Zukunft mehr zu Inhalt werden, damit wir überhaupt noch am Empfangen interessiert sind. Fast alle Marken werden zu Sendern und Ver legern (social-local-mobile-video-cloud = SoLoMo+), und sämtliche Telekommunika-tionskonzerne sowie Internetplattformen müs-sen unsere Daten und Privatsphären aktiv verteidigen – sonst heisst es nur noch «do-no-track» und «unlike» auf den digitalen Kanälen.

Gerd Leonhard ist Medienfuturist, Strategieberater und Chef von The Futures Agency in Arlesheim BL.

Gerd LeonhardChef, The Futures Agency, Arlesheim BL

«Bis zum Jahr 2020 wird unautorisierte Kundenansprache nutzlos geworden sein.»

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Marketing | 63handelszeitung | Nr. 44 | 31. Oktober 2013

Ulrich H. Moser Der Präsident der Gesellschaft für Marketing (GfM) über bestehende und künftige Herausforderungen. IntervIew: norMan C. BanDI

Das Jahr 2013 stand bei der GfM unter dem Motto «Core Principles of Superior Marketing». Wie gut ist Ihren über 740 Mitgliedern die Rückbesinnung auf die Kernaufgaben geglückt?Ulrich H. Moser: Die GfM-Mitgliederfir-men verfolgen mehrheitlich nachhaltige und auf langfristige Unternehmensziele ausgelegte Marketingstrategien. Zudem stellen wir immer wieder mit Freude fest, dass sie sich nicht von kleinen Mode-erscheinungen verführen lassen. Unsere

Mitglieder konzentrieren sich auf wenige, aber wichtige Dinge im Marketing.

Für Unternehmen, die den propagierten Appell noch nicht verinnerlicht haben: Wie lauten die «Core Principles of Supe rior Marketing» und wofür stehen sie? Moser: Unser Vorstandsmitglied Stefan Michel, Marketingprofessor am IMD in Lausanne, hat an der diesjährigen GfM Marketing-Trend-Tagung die 3C lanciert. Sie stehen für: Co-Create Value – Mehr-wert mit dem Kunden schaffen, Commu-nicate Value – den Mehrwert kommuni-zieren, Capture Value – eine Preisprämie für den Mehrwert erwirtschaften.

Früher hiess der Grundsatz 4P: Product, Price, Promotion, Place. Lösen die neuen 3C nun den alten Marketingmix ab?Moser: Nein. Die 3C sind eine logische Weiterentwicklung der 4P. Wer heute im Marketing Erfolg haben will, kommuni-ziert und interagiert mit seinen mündigen Kunden auf partnerschaftlicher Ebene.

Das Jahr 2014 steht bei der GfM unter dem Motto «Successful Marketing in Turbulent Times». Die Zeiten sind immer turbulent. Weshalb rückt das erst jetzt in den Fokus?Moser: In der Wirtschaft muss man ak-zeptieren, dass turbulente Zeiten eher zur Regel als zur Ausnahme werden. Wer auf ruhige Zeiten hofft, wird wahrscheinlich enttäuscht werden. Erfolgreiche Marke-teers haben begriffen, dass Marketing vor allem in turbulenten Zeiten ein wesent-licher Treiber zur Sicherstellung des Unter-nehmenserfolges sein muss.

Die Krise als Tagesgeschäft.Moser: Turbulente Zeiten sind nicht zwin-gend immer Krisen. Neue Absatzmärkte – Stichwort Schwellenländer – bieten Chan-cen für etablierte Unternehmen. Diese po-sitiven Turbulenzen stellen das Marketing ebenfalls vor grosse Herausforderungen.

Firmen neigen dazu, bei wirtschaftlichem Gegenwind auf die Vermarktungsbremse zu treten, weil sie Kosten sparen müssen.

Warum sollten sie jetzt ihre Anstren­gungen inten sivieren und investieren?Moser: Die Grundanforderungen, das heisst eine gute Qualität zu einem ver-nünftigen Preis-Leistungs-Verhältnis, werden von den meisten Anbietern abge-deckt. Die Aufgabe des Marketings geht weiter. Kunden wollen nicht nur befriedigt, sondern begeistert werden. Wer diese Herausforderung besser meistert als seine Mitbewerber, wird vor allem in schwieri-gen Zeiten als Sieger vom Platz gehen.

Wie lautet Ihr Patentrezept?Moser: Es gibt keines. Die wirklich wichti-gen Trends, die sogenannten Megatrends, beeinflussen aber über längere Zeiträume unser Handeln und damit unseren Erfolg. Wir sehen die Nutzung der neuen Techno-logien wie Social Media weiterhin als zen-tralen Trend im Marketing. Sharing oder Shareconomy ist ebenfalls eine sehr span-nende Entwicklung im Marketing.

Und wie hilft die Gesellschaft für Marke­ting ihren Mitgliedern diesbezüglich?Moser: Unsere Kernangebote in den Be-reichen Forschung, Weiterbildung, Ver-anstaltungen und Publikationen erfreuen sich nach wie vor grosser Beliebtheit. Die GfM wird als ideale Plattform geschätzt –sowohl für den Wissenstransfer als auch für die Pflege des Netzwerks.

«In turbulenten Zeiten wesentlicher Treiber»

Captain America: Kleine Statue, die mit dem Gips-3D-Drucker farbig hergestellt ist.

der MensCHName: Ulrich H. MoserFunktion: Präsident der GfM (seit 2007); Profi-verwaltungsrat, etwa bei alfred Müller, Hug und rivellaAlter: 57Wohnort: ZugAusbildung: Ökonom Hwv (FH), aMP Harvard Business School

Die Organisation Die 1941 gegründe-te Gesellschaft für Marketing (GfM) ist in der Schweiz die Plattform für marktorientierte Unternehmensfüh-rung. Ihr gehören über 740 Firmen aller Branchen und öffentlich-recht-liche, marktwirtschaftlich ausgerich-tete Institutionen als Mitglieder an.

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GfM präsentiert Gerd LeonhardEinmal mehr organisiert die Gesellschaft für Marketing (GfM) Anfang Jahr zweimal ihren Brush-up, um Interessierten einen Ausblick auf die Zukunft zu bieten. «Radi-kaler Wandel – working, learning and living in the future», lautet diesmal der Titel des Keynote-Referats von Gerd Leonhard. Der deutsch-schweizerische Doppelbürger ist einer der angesagtesten Medienfuturisten und Strategieberater sowie Chef von The Futures Agency mit Sitz in Arlesheim BL. Die beiden GfM Brush-up zum Jahresauftakt finden jeweils von 12 bis 13 Uhr mit anschlies-sendem Apéro statt: Donnerstag, 16. Ja-nuar 2014, an der Universität Bern; Frei-tag, 17. Januar 2014, an der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ). Teilnahme-gebühr: 75 Franken für GfM-Mitglieder, 150 Franken für Nicht-GfM-Mitglieder.

www.gfm.ch/de/veranstaltungen

GfM Marketing-Trend-TagungDer 24. Jahreskongress der Gesellschaft für Marketing (GfM) steht nächsten Früh-ling unter dem Motto «Successful Marke-ting in Turbulent Times». Auf der Bühne erwartet werden unter anderem: Domi-nique Turpin, Präsident des IMD in Lau-sanne; Dominique von Matt, Chef der Werbeagentur Jung von Matt/Limmat; Rainer Balensiefer, Managing Director von Accenture Interactive für Deutsch-land, Österreich und die Schweiz; Mag-nus Lindkvist, schwedischer Trendspotter und Zukunftsforscher. Die nächste GfM Marketing-Trend-Tagung findet statt am

Dienstag, 25. März 2014, von 9 bis 17 Uhr im Kongresshaus Zürich. Teilnahme-gebühr 690 Franken für GfM-Mitglieder und 890 Franken für Nicht-GfM-Mitglie-der. Im Preis inbegriffen sind Pausen-erfrischungen, Mittagessen (inklusive Getränke) sowie Apéro.

www.gfm.ch/de/veranstaltungen/gfmmarketing-trend-tagung.htm

GfM fördert neuen HWZ-StudiengangGemeinsam mit der Gesellschaft für Mar-keting (GfM) hat die Hochschule für Wirt-schaft Zürich (HWZ) ein neues Certificate of Advanced Studies (CAS) zum Thema Brand Leadership ins Leben gerufen. Der Studiengang wird im nächsten März lan-ciert und setzt den klaren Fokus auf die Interdisziplinarität einer erfolgreichen Markenführung. Brand Leadership über-nimmt die strategische Verantwortung für die Marke, definiert, wofür sie steht, und macht diese Inhalte den unterschied-lichen Anspruchsgruppen erlebbar. Der CAS Brand Leadership vermittelt ein Führungsverständnis, bei dem die Marke im Mittelpunkt des unternehmerischen Handelns steht, und bietet Instrumente für wertsteigernde Markenführung im digitalen Zeitalter. Der Studiengang rich-tet sich an markenaffine Führungskräfte, die ihr strategisches Markenverständnis stärken wollen. Im Rahmen von Gastrefe-raten, Fallstudien sowie Exkursionen ver-knüpft der CAS Brand Leadership neueste wissenschaftliche Erkenntnisse mit bewährten Erfolgsregeln aus der Praxis. Für die Studiengangsleitung verantwort-lich sind Peter Felser und Max Meister.

www.fh-hwz.ch/de/prod/studiengang/casdas/brandleadership.htm

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Page 6: Handelzeitung Spezial Oktober2013

64 | Marketing handelszeitung | Nr. 44 | 31. Oktober 2013

Medaillen jagen, Sponsoren erobernMarkenbotschafterin Die junge Tessinerin Lara Gut ist die beste und am besten vermarktete Schweizer Skirennfahrerin der Gegenwart.

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Wenn Lara Gut (22) etwas nicht passt, dann handelt sie. Über­raschend und kurz vor dem Start

zur Weltcup­ und Olympia­Saison hat die Ikone im Schweizer Damen­Skiteam vor kurzem ihren Trainer gefeuert. Das Ver­hältnis mit dem italienischen Coach habe sich zuletzt nicht positiv entwickelt, be­gründete Vater und Manager Pauli Gut die Entlassung in den Medien. Die Trennung habe sich abgezeichnet. Die Tessinerin selbst sagt dazu nicht viel. Nur, dass sie von ihrem Ex­Trainer zu wenig Engagement und Begeisterung gespürt habe. Im Hin­blick auf die Olympischen Winter spiele 2014 in Sotschi ist das keine gute Voraus­setzung. Tochter und Vater Gut haben des­halb abrupt die Reissleine gezogen.

Als Teenager vom Erfolg überfordertGeschwindigkeit zeichnet Lara Gut in

erster Linie im Schnee aus. In einem leider eher mässigen Schweizer Damen­Skiteam sorgt sie seit fünf Jahren für die meisten sportlichen Höhepunkte. So gewann sie bei der WM 2013 in Schladming die Silber­medaille im Super­G und damit das ein­zige Edelmetall für unsere alpine Nation. Schnell ist Lara Gut auch im Kopf und sorgt trotz ihrer Jugend bereits für die Kar­riere nach dem Spitzensport vor. Diesen Sommer bestand sie ihre Maturaprüfun­gen, um dann gleich voll in die intensive Vorbereitungsphase einzusteigen für die Saison, die letztes Wochen ende mit ihrem Sieg in Sölden begann. Dem grossen Ziel, an Olympia zu den Gewinnerinnen zu gehören, wird zurzeit alles untergeordnet.

Gleichwohl ist Lara Gut von diversen Verpflichtungen abseits der Piste auch in dieser sportlich wichtigen Phase nicht befreit. Keine andere Schweizer Skirenn­fahrerin ist bei Sponsoring­ und Werbe­partnern so begehrt. Ihr Erfolg ist ein Grund dafür, ihre attraktive Erscheinung und ihre extrovertierte Wesensart sind Multiplikatoren. Die Liste der Partner wird daher jährlich länger. Ragusa, Audi, Rolex, Andermatt Swiss Alps, Kjus Sportmode und Rossignol sind die gegenwärtigen Haupt sponsoren, für die Lara Gut als Bot­

schafterin wirbt. Selbst die Filmbranche wurde auf die Tessinerin aufmerksam. Im Film «Tutti giù» des italienischen Regis­seurs Niccolò Castelli, der 2012 in den Kinos lief, spielt Lara Gut eine junge, cha­rismatische Spitzenskirennfahrerin, die vom plötzlichen Erfolg überrumpelt wird.

Eine Rolle, die ihr reales Leben nach­erzählt. Mit 17 gewann sie ihr erstes Welt­cup­Rennen. «Ich wurde zunächst förm­lich überrollt von einer Druckwelle mit Medienterminen, Interviews, Sponsoring­Events und so weiter. Gleichzeitig wurden

von mir immer noch bessere sportliche Leistungen erwartet», sagt Lara Gut. Als Teenager war sie von diesem Druck pha­senweise überfordert. «Inzwischen habe ich gelernt, wie ich mit dem Rummel um­gehen muss.» Ihre wichtigste Erkenntnis: «Jedes Engagement neben dem Sport kann für mich nur dann funktionieren, wenn es auch Spass macht. Die klare Hauptrolle muss aber zu je­der Zeit der Skisport einneh­men.» Die Erfahrungen der letzten Jahre helfen Lara Gut heute, bei der Auswahl von Sponsoren sorgsam umzugehen. Es ist ihr wichtig, dass potenzielle Partner nicht nur den kommerziellen Erfolg im Visier ha­ben, sondern genauso am Menschen Lara Gut interessiert sind. «Heute habe ich das Glück, mit lauter solchen Unternehmen zusammenarbeiten zu dürfen», sagt sie. Dadurch falle ihr diese Arbeit einerseits leichter, anderseits mache sie richtig Spass – und zwar für beide Seiten. «Das ist die perfekte Voraussetzung, um gemeinsam erfolgreich zu sein.»

Kommunizieren über alle KanäleEin Erfolg, der sich auf das Portemon­

naie auswirkt. Das Thema ist für Lara Gut indes Tabuzone. Weder zu ihren Einkünf­ten als Skirennfahrerin noch zur Dotierung ihrer Sponsoring­ und Werbeverträge gibt es eine Auskunft. Einzig im Zusammen­hang mit ihrem Filmdebüt in «Tutti giù» ist etwas zu erfahren. «Ich wollte eigentlich keine Gage dafür, erhielt dann aber doch einen minimalen Lohn, den ich für arme Kinder in Afrika gespendet habe.»

Spielt Geld für die Schweizer Olympia­Hoffnung nur eine Nebenrolle? «Sicher nicht eine so wichtige wie meine Ambitio­nen im Spitzensport», sagt Lara Gut im Wissen, dass das eine ohne das andere nicht möglich ist. Dankbar sei sie daher,

von den Sponsoren mit den notwendigen Mitteln unter­stützt zu werden, um Spit­zensport auf diesem Niveau zu betreiben. Und Lara Gut müsste schwindeln, wenn sie verneinen würde, sich aktiv zu vermarkten. Profes­sionell nutzt sie heute alle

modernen Kommunikationskanäle, ver­sorgt die Fans mit Ferienfotos via Face­book oder twittert auch mal einen medien­wirksamen Kommentar. «Natürlich bin ich mir bewusst, dass jede Regung und Kleinigkeit via Social Media zu einer Nachricht oder einem ganzen Artikel aus­geschlachtet werden kann.» Hier gelte es für sie, ein gesundes Gleichgewicht zu fin­den und sich selber stets treu zu bleiben.

Die Bewirtschaftung der Sponsoren wird im KMU Gut heute klar strukturiert. Priorität hat die sorgfältige Pflege der bestehenden Partner. Neue Kooperatio­nen werden angestrebt, sofern sie ins Port­folio passen. Dieses Geschäft beherrscht die junge Tessinerin heute. Den Kopf hat sie gleichwohl fast permanent beim Ski­fahren. In dieser – ihrer wichtigsten – Welt zählt nicht ein kamerawirksames Lächeln, sondern nur Arbeit, Disziplin, Hunderts­tel sekunden. Da gibt es keine Kompromis­se. Eine Olympia­Medaille in Sotschi kann man sich schliesslich mit noch so lukrati­ven Sponsoring­Verträgen nicht kaufen.

Fingerringe: Neue ideen, Formen, Muster und Varianten lassen sich mit dem industriellen 3D-Drucker ausprobieren – wer möchte, kann die Schmuckstücke aus Hartplastik auch tragen.

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Ihre attraktive Erscheinung und

ihre extrovertierte Wesensart sind Multiplikatoren.

Lara Gut

Dreimal WM-Silber – und einmal KinofilmSkirennfahrerin Lara Gut (22) ist zur-zeit die erfolgreichste Schweizer Ski-rennfahrerin. Die Allrounderin geht in allen vier Disziplinen an den Start und hat ihre Stärken in der Abfahrt und im Super-G. Sie gewann bislang drei WM-Silbermedaillen (Abfahrt, Super-G und Super-Kombination) und 2008 als bis heute jüngste Rennfahrerin (17) ein Weltcup-Rennen. 2009 erlitt sie bei einem Sturz eine Luxation an der rech-ten Hüfte und verpasste die olympi-schen Winterspiele 2010 in Vancouver.

Multitalentiert Lara Gut wuchs in Comano Ti auf. ihr Vater stammt aus der Deutschschweiz, ihre Mutter aus der Romandie. im Fernstudium absolvierte sie parallel zum Spitzensport das Gym-nasium und spricht italienisch, Franzö-

sisch und Deutsch fliessend sowie eng-lisch und Spanisch. Neben zahlreichen Sponsoring- und Werbeverträgen hat sie letztes Jahr als Hauptdarstellerin in der Tessiner Produktion «Tutti giù» debütiert. eine Fortsetzung ihrer Film-karriere ist zurzeit nicht vorgesehen.

Lara Gut mit ihrer dritten Silbermedaille: Super-G an der WM 2013 in Schladming.

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Page 7: Handelzeitung Spezial Oktober2013

Marketing | 65handelszeitung | Nr. 44 | 31. Oktober 2013

Achim Wirtz

Komplexe und dynamische Märkte stellen Unternehmen vor immer höhere Anforderungen an ihre

Markenführung. Wie gut ist sie dafür auf-gestellt, was sind ihre grössten Herausfor-derungen und wo bestehen Defizite? Eine Studie im Sommer dieses Jahres zum Stand der Markenführung im deutsch-sprachigen Raum liefert Antworten.

Befragt wurden vom internationalen Beratungsspezialisten Prophet in Koope-ration mit der Gesellschaft für Marketing (GfM) rund 600 Markenverantwortliche und Marketingentscheider. In der Schweiz haben sich 32 Konzerne daran beteiligt, darunter Coop, Credit Suisse, Galenica, Geberit, Holcim, Nestlé, Roche, SBB, Swiss, Swisscom, Swiss Re oder UBS. Die Mehrzahl der hiesigen Mitwirkenden können als Markt- und Reputationsführer eingestuft werden.

Drei Grundmuster der MarkenführungDie Studie zeigt drei Grundmuster von

Markenführung. Jedes vierte Unterneh-men ist von der Rolle des Kommunikators geprägt. Markenführung folgt hier einem eher klassischen Markenverständnis – kommunikationszentriert, vom Marketing mit wenigen und einfach zu erhebenden Kennzahlen geführt. Die Integratoren repräsentieren ein weiteres Viertel der Unternehmen. Sie nutzen die Marke als Leitplanke für die Entwicklung von Markt-leistungen und haben die enorme Bedeu-tung der Mitarbeiter für den Markenerfolg erkannt. Entsprechend ausgeprägt arbei-ten hier Markenführung und Personalma-nagement zusammen.

Fast jedes zweite Unternehmen gehört zur Gruppe der Strategen. Sie leiten die Markenstrategie konsequent aus der Un-ternehmensstrategie ab und definieren langfristige Zielsetzungen und Marken-programme mit einem umfassenden Sta-keholder-Ansatz. In der Schweiz sind viele der befragten Konzerne den Integratoren und Strategen zuzuordnen. Zu den Kom-munikatoren gehören sie weniger.

Erfolg messen – Mitarbeiter aktivierenDie meisten Unternehmen messen den

Erfolg der Markenführung mit einzelnen isolierten und traditionellen Kennzahlen, die keine Rückschlüsse auf den Einfluss der Markenführung auf den Unterneh-menserfolg zulassen. Im Vordergrund der Erfolgsmessung stehen Bekanntheits-, Image- und Absatzdaten. Investitionen in die Marke werden von Anlässen oder Ini-tiativen der Wettbewerber getrieben. Die Marke wird eher als Kostenfaktor denn als Erfolgsfaktor betrachtet.

Die besten Konzerne messen den Mar-kenerfolg mit einer Vielzahl unterschied-licher – auch digitaler – Dimensionen und setzen diese in Kennzahlensystemen in Beziehung zu harten Geschäftskennzah-len. Hier kommen auch ROI-Analysen (Return on Investment) zum Einsatz. In einigen wenigen Unternehmen werden integrierte Kennzahlensysteme in Form von Marken-Cockpits oder Brand Balan-ced Scorecards eingesetzt. Von einer län-gerfristigen und ganzheitlichen Investi-tions- beziehungsweise Budgetplanung auf Basis zuverlässiger KPI-Systeme (Key Performance Indicator) sind wir aber auch bei den meisten führenden Unter-nehmen noch weit entfernt.

Ein einheitliches und alle Kontakt-punkte abdeckendes Markenerlebnis ist die wichtigste aktuelle Herausforderung der Markenführung. Fast genauso wichtig ist die Aktivierung der Mitarbeiter einge-stuft. Sie spielen in jeder Branche eine ent-scheidende Rolle für das Kundenerlebnis. Diese Einstufung sollte also eigentlich kei-ne Überraschung sein. Nur jedes fünfte Unternehmen bindet die Marke in die Produktentwicklung ein. Nur ein Drittel der Unternehmen integriert die Marken-führung in den Vertrieb und nur knapp 40 Prozent in die Entwicklung der Service-qualität. Das erstaunt. Man kann kein ganzheitliches Markenerlebnis aufbauen, wenn die Marke in Produktentwicklung, Vertrieb und Service keine Rolle spielt.

Dieser Widerspruch wartet darauf, auf-gelöst zu werden. Als wesentliche künftige Herausforderung in der Markenführung wird die Integration neuer Kommunika-tionstechnologien und -kanäle angesehen, beispielsweise Social Media. Die stärkere Nutzung der Unternehmensmarke in der Vermarktung von Produkten und Services ist ein branchenübergreifender Trend. Entsprechend planen zwei von drei Unter-nehmen, ihre Markenportfolios zu berei-nigen und ihre Markenarchitektur zu straffen.

Auch wenn die Aktivierung der Mitar-beiter als Herausforderung erkannt ist, lie-gen Anspruch und Wirklichkeit weit aus-einander. Nur die Hälfte der Unternehmen

gibt an, dass Mitarbeiter als Zielgruppe in der Markenführung definiert sind. Ledig-lich jedes zweite Unternehmen sieht in der Mitarbeiteraktivierung eine Voraus-setzung für den Aufbau seiner Marke.

Nur in jedem zehnten Unternehmen arbeiten Markenführung und Human Resources eng zusammen. In keinem anderen Bereich sind die Markt- und Re-putationsführer anderen Unternehmen so weit voraus wie bei der markenbasierten Mitarbeiteraktivierung. Sie wird von ihnen ausnahmslos als eine der drei wichtigsten Herausforderungen definiert und als Grund für zusätzliche Markeninvestitio-nen eingestuft. Die Marke ist als relevante Orientierungsgrösse für Personalführung und -rekrutierung identifiziert und wird – in enger Kooperation mit Human Resour-ces – entsprechend ausgerichtet.

Probleme zielgerichtet anpackenDie Herausforderungen der Marken-

führung und die Art, wie die besten Kon-zerne mit ihnen umgehen, zeigen klar auf, wie Marken stärker werden können. Der erste Schritt ist die realistische Beurtei-lung des Beitrags der Marke zum Unter-nehmenserfolg und die Klärung strategi-scher Fragestellungen auf der obersten Führungsebene. Die Rolle der Marke muss entsprechend definiert und organisato-risch verankert werden. In einem zweiten Schritt sind die Methoden und Kriterien

der Erfolgsmessung mit Kennzahlen der Unternehmensführung zu kombinieren. Dies umso mehr, als die Unternehmens-marke bei der Vermarktung von Marktleis-tungen in praktisch sämtlichen Branchen immer wichtiger wird. Entsprechend sind Markenportfolios und -architekturen zu überprüfen und zu bereinigen. Die als hoch prioritär eingestufte Integration in-teraktiver Plattformen in das Marken-erlebnis ist lösbar.

Bleibt ein kritischer Faktor, der die Wirkung all dieser Massnahmen entschei-

dend beeinflusst: Die Aktivierung der Mit-arbeiter zur Erfüllung des Markenverspre-chens und zur Verbesserung der Marken-leistung. Eine Marke braucht Botschafter, die sie für Konsumenten erlebbar machen . Die Mitarbeiter sind deshalb die wichtigs-te Ressource, um die sich eine erfolgreiche Markenführung zu kümmern hat.

Achim Wirtz, managing Partner, Prophet, zürich. Die resultate der markenführungsstudie können ab sofort bei Prophet oder via die Gfm bestellt werden.

Personal zu selten eingebundenMarkenführung Eine Studie von Prophet und Gfm zeigt Unterschiede zwischen Anspruch und Wirklichkeit in Schweizer Unternehmen.

Diagramme: Früher machte man aus Studien zweidimensionale Grafiken, heute kann man dreidimensionale modelle ausdrucken.

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Schweizer Unternehmen betrachten die Marke eher als Kostenfaktor

denn als Erfolgsfaktor.

ErkEnntnissE

Wer im konzern das sagen hat – strategisch und operativVerantwortlichkeiten bei der Markenführung auf Unternehmensebene (in Prozent)

Verwaltungsrat

Geschäftsleitung

Corporate-Communications-Abteilung

marketing-Abteilung

Brand-management-Abteilung

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3

53

53

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74

50

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35

mehrfachnennungen möglich quelle: Studie «markenführung – von kommunikatoren, Strategen und integrierern», ProPhet/gfm

Strategische Markenführung Operative Markenführung

Einheitliches Erlebnis über sämtliche kanäle sicherstellenAktuelle Herausforderungen für die Markenführung im Unternehmen (in Prozent)

Sicherstellung eines einheitlichen markenerlebnisses über alle Kanäle

Moderne technologien einbinden und Marke mehr nutzenKünftige Trends mit Einfluss auf die Markenführung im Unternehmen (in Prozent)

einbindung neuartiger technologien

interne Aktivierung der mitarbeiter

Klare Differenzierung gegenüber wettbewerbern

Sicherstellung eines klaren internen Verständnisses von Bedeutung & potenzial der marke

Kontaktaufnahme/interaktion der marke mit den Kunden

integration der Digital & Social-media-Kanäle in die markenstrategie

Balancieren der erwartungshaltungen unterschiedlicher Stakeholder

Gestiegene Kundenanforderungen ans markenerlebnis

interne Umstrukturierungen aufgrund neuer technologien 15

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nutzung der Unternehmensmarke auf der Vermarktungsebene

integration von Social media

Straffung der markenarchitektur

Dehnung bestehender marken

Geschäftsausweitung in neue Kategorien

neue wettbewerber durch Startups

ANzEigE

Page 8: Handelzeitung Spezial Oktober2013

66 | Marketing handelszeitung | Nr. 44 | 31. Oktober 2013

Denn sie wissen nicht, was sie tunKompetenzen In der «CMO Insights Survey» von Accenture offenbaren über 400 Marketingleiter aus zehn Ländern ihre Sorgen.

BrIAn WhIppLe und BAIju ShAh

Während Chief Marketing Officers (CMO) ihre Unternehmen tag­täglich durch die stürmischen

Gewässer des globalen Wettbewerbs navi­gieren, wird eines deutlich: Die wenigsten fühlen sich für diese Aufgabe ausreichend gewappnet. Vier von zehn geben an, sie hätten nicht die richtigen Mitarbeiter, Werkzeuge und Ressourcen, um ihre Mar­ketingziele umzusetzen.

In diesem komplexen, unerbittlichen Umfeld setzen CMO auf fünf Kompe­tenzen zur Steigerung der Unterneh­mensleistung: Innovation, Kundenanalyse, digitale Orientierung, Kundeninteraktion und gezielte Marketingmassnahmen. Von

den genannten Kompetenzen ist die digi­tale Orientierung am schwächsten ausge­prägt. Und das gerade jetzt, wo digitale Kompetenz wichtiger ist denn je. Digitale Orientierung ist für den Erfolg nahezu jeder Marketingstrategie unerlässlich.

Die digitale DiskrepanzDennoch ist die digitale Orientierung

unter den fünf Marketingkompetenzen am schwächsten (siehe Grafik links). Dabei kann sie den Vertrieb massgeblich fördern. Die Leistung im Bereich digitale Orientierung ist in Unternehmen mit hohen Wachstumsraten um 21 Prozent höher als bei Unternehmen mit negativen Wachstumsergebnissen. CMO in florie­renden Unternehmen stellen fest, dass ein

digital ausgerichteter Betrieb weniger mit Schwankungen zu kämpfen hat.

Zwei Drittel der mehr als 400 befragten Marketingleiter wissen, dass eine stärkere digitale Ausrichtung nur funktionsüber­greifend über das gesamte Unternehmen hinweg eingeführt werden kann, aber erst 7 Prozent sind der Meinung, dass ihre Bemühungen einen Fortschritt bringen. Tatsächlich schätzt einer von fünf CMO den digitalen Fokus in seinem Unterneh­men im Branchenvergleich als schlecht ein – begründet durch ineffiziente Ge­schäftsprozesse, Kompetenzlücken und die wachsende Vielfalt der digitalen Kanäle.

Gleiches ist im Bereich der Kunden­interaktion zu beobachten, wenn es darum geht, für das Unternehmen über digitale

Kanäle Wettbewerbsvorteile zu schaffen. Zwei Drittel der Marketingleiter halten den Austausch mit Kunden für eine wich­tige Kompetenz. Nur 13 Prozent halten ihre Leistung in diesem Bereich für her­vorragend, 16 Prozent gar für schlecht.

Ineffiziente Geschäftspraktiken und mangelnde Finanzmittel oder Ressourcen wirken sich auf alle fünf Marketingkompe­tenzen negativ aus (siehe Grafik rechts).

Ineffiziente Geschäftspraktiken stehen der digitalen Orientierung allerdings am meisten im Weg. Effiziente Geschäfts­abläufe sind für die unternehmensweite Sensibilisierung für digitale Medien Vor­aussetzung – kein Wunder also, dass CMO hier mit Schwierigkeiten zu kämpfen ha­ben. Ebenso wenig verwunderlich ist, dass

mindestens 20 Prozent der befragten Mar­ketingleiter meinen, digitale Werkzeuge würden in ihrem Unternehmen nicht ko­ordiniert und integriert genutzt.

Um Verbrauchern relevante Erfahrun­gen zu ermöglichen, müssen Ressourcen eingesetzt werden – nicht unbedingt mehr, aber individuell angepasste und gezielt eingesetzte. Der Zugang zu Kundendaten ist die tiefste Hürde. Dennoch kann es sein, dass CMO nicht die richtigen Metho­den zur Verfügung haben, um die Daten herauszufiltern, mit denen sie die Kunden­interaktion gezielt fördern können.

Die neue CMO-AgendaAngesichts steigender Kundenerwar­

tungen und verschiedener Kanalpräferen­zen überrascht es nicht, dass sieben von zehn Marketingleiter für die kommenden fünf Jahre eine signifikante Veränderung im Marketing erwarten. Um einen echten Wandel zu bewirken und ihren Dienstleis­termix zu rationalisieren, müssen CMO vier Dinge tun: Das Marketing­Geschäfts­modell grundlegend neu gestalten; intern neue Kompetenzen aufbauen; sich die richtigen Partner suchen; die digitale Ori­entierung im Unternehmen vorantreiben.

Fazit: Digitale Werkzeuge verändern das Marketing. In einer informations­überfluteten Welt hat der markenzentrierte Vermarktungsansatz von früher längst an Bedeutung verloren. Es ist kaum noch möglich, damit Kunden anzulocken und die Investitionen rentabel zu machen.

Brian Whipple, Global Managing director, und Baiju Shah, Managing director for Strategy & Innovation, Accenture Interactive, Accenture, Chicago (uSA).

Konzeptauto: Im Auftrag eines Kunden wurde diese Spielzeug-Limousine ohne drehende räder aus Gips in der dritten dimension gefertigt – Firmen können solche Gags beispielsweise als Werbegeschenke verwenden.

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Ineffiziente Geschäftspraktiken und mangelnde FinanzmittelDie grössten Hindernisse der fünf Marketingkompetenzen (in Prozent)*

25

20

15

10

5

0Digitale

orientierung*Befragt wurden ÜBer 400 Marketingleiter in zehn ländern quelle: «CMO insights survey 2013», aCCenture interaCtive

Zugang zu Kundendatenmangel erforderlicher Kenntnissemangel zentraler technologie/toolsmangel integration anderer Geschäftsbereicheweiss nicht/nicht sicher

Die zwei grössten Barrierenineffiziente Geschäftspraktikenmangelnde finanzmittel/ressourcen

Kundenanalyse innovation Kundeninteraktion marketingmassnahmen

9

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5 6

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6 5

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Digitale Orientierung als schwächste UnternehmensfähigkeitBedeutung und Leistung der fünf Marketingkompetenzen (in Prozent)*

Digitale orientierung

*Befragt wurden ÜBer 400 Marketingleiter in zehn ländern quelle: «CMO insights survey 2013», aCCenture interaCtive

Bedeutung 2009Bedeutung 2011Bedeutung 2012

Schw

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marketingmassnahmen Kundenanalyse Kundeninteraktion innovation

leistung 2009leistung 2011leistung 2012

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wich

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3,80

3,633,75 3,80 3,84 3,84 3,88

3,673,77

3,99

3,83 3,89

4,02

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3,36 3,33

3,46

3,59

3,443,52

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3,61 3,61 3,52

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3,48 3,50

3,76

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0,43 0,150,25 0,34

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0,380,33

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Page 9: Handelzeitung Spezial Oktober2013

Marketing | 67handelszeitung | Nr. 44 | 31. Oktober 2013

Konstante KontrolleInterhome Der Ferienimmobilien-Spezialist der Migros-Reisetochter Hotelplan zentralisiert seine Marketingaktivitäten und setzt auf ein umfassendes Tracking.

DeniSe WeiSFlog

Vor fünf Jahren verfügte Interhome, der Schweizer Anbieter von 33 000 Ferienhäusern und -wohnungen

in 31 Ländern, über ein Marketingbudget von 14 Millionen Franken, heute muss der Spezialist der Migros-Reisetochter Hotel-plan mit halb so viel Geld auskommen. Interhome-CEO Simon Lehmann sieht sich zudem mit einer verschärften Wett-bewerbssituation konfrontiert. «Immer mehr Mitbewerber drängen in den Ferien-hausmarkt, es findet eine regelrechte Ver-drängung statt.» Da sich das kompetitive Umfeld so stark verändere, könne man nicht einfach mehr Geld in Internet-Such-maschinen wie Google investieren. Zumal die Kosten pro Klick jedes Jahr um 20 bis 30 Prozent steigen würden.

Lehmann entschied sich deshalb zu einem radikalen Kurswechsel. Die total 17 lokalen Marketingteams weltweit wurden durch ein einziges Team ersetzt, das von der Schweiz aus alle Aktivitäten steuert. Zentral in seiner neuen Marketingstrate-gie ist das End-to-End-Tracking, bei dem der Weg des Kunden von der ersten Such-anfrage bis zur Buchung mitverfolgt wird. «Wenn wir unsere Mittel so effizient wie möglich einsetzen wollen, müssen wir unseren Kunden kennen», sagt Lehmann. Zur Veranschaulichung zieht er das Bild eines «Töggeli»-Kastens heran. Auch hier zähle nicht nur das Tor (oder der letzte

Klick). Jeder Spieler, der den Ball dorthin bringe, sei ebenso relevant. Im Fall von Interhome könnten dies AdWords, organi-sche Suche, Re-Targeting, Search Engine Advertising (SEA) oder die direkte Eingabe der Webadresse sein.

Täglicher Budgetsplit«Im Ferienhausbereich sind die Wege

zur Buchung sehr heterogen», sagt der Chef. Durchschnittlich informiere sich der Kunde während 37 Tagen, bevor er sich für ein Angebot entscheide. In dieser Zeit besuche er 39 Websites via 11 verschiedene Search Engines. «Da die Suchperiode rela-tiv lang ist, besteht die Herausforderung darin, den Kunden immer wieder zurück-zuholen», sagt Lehmann. Erschwert werde dies durch den breiten Marketingmix von Interhome. Man habe einen E-Shop, biete Apps für Tablets und Smartphones und betreibe zudem ein grosses Call Center in Prag. Entschei-dend sei, wie man die ver-schiedenen Aktivitäten ver-zahne.

«Als Erstes müssen wir den Conversion-Path ken-nen, also den Weg des Kun-den zur Buchung», erklärt Lehmann. Als Nächstes würden die Daten analysiert, die aus Quellen wie dem Inter-net, Google Analytics oder dem Customer Relationship Management (CRM) kämen. «Diese Infos sauber zusammenzufügen, ist entscheidend», sagt Lehmann. Meist habe man zwar eine Masse von Daten, man müsse aber auch das Know-how und die entsprechenden Leute haben, die sie aufbereiten könnten. Interhome beschäf-tigt zurzeit zwei Analysten. Das Keyword-Handling wird an Agenturen ausgelagert. Diese würden jährlich 9217 TextAds in 560 Kampagnen in 17 Google Accounts schalten.

Sind die Daten analysiert, macht Inter-home einen Budgetsplit und passt die Marketinggelder an die aktuellen Entwick-lungen an (siehe Grafik). Dies geschieht laut Simon Lehmann nicht alle paar Mo-nate, sondern täglich. In die Analyse fliesst ebenfalls eine Beurteilung der Konkur-renzsituation mit ein. «Wenn wir beispiels-weise sehen, dass ein Mitbewerber in ei-nem Land plötzlich sein Search Engine Marketing reduziert, spielen wir das dort aus, weil wir sehen, dass die Klicks billiger werden», sagt der CEO.

Alle zwei Wochen findet ein Reality-Check statt, bei dem Interhome sämtliche Know-how-Träger an den Tisch holt. «Was

bei anderen Unternehmen oft vernach-lässigt wird, ist die lokale Markteinschät-zung», so Lehmann. Man könne mittels Daten zwar messen, was zum Beispiel in Frankreich passiere, trotzdem sei es wich-tig, den Marktexperten Frankreich in den Entscheidungsprozess mit einzubeziehen. Dieser habe weitere Einblicke, lese die Zeitung, spreche mit Menschen und beur-teile die Entwicklung vielleicht anders.

Eine weitere wichtige Quelle sei das Call Center. «Hier herrscht ein Puls, den man nicht einfach technisch erfassen kann», erklärt Lehmann. Um zu sehen, was in den einzelnen Märkten gefragt sei, brauche man den Input der Menschen, die rund um die Uhr mit den Kunden Kon-takt hätten.

Gemäss Lehmann generiert Interhome jährlich rund 70 Prozent Neukunden – dies bei jährlich mehr als 500 000 Gästen.

Die geringe Zahl Repeaters sei zum Teil auf das Produkt zurückzuführen: Ferienhäu-ser buche man in der Regel nur ein- oder zweimal im Jahr. Zudem nehme die Kundenloyalität generell ab. Laut einer Studie würden sich zwei Drittel aller Kun-

den nicht mehr daran erinnern, wo sie ihr Ferienhaus gebucht hätten. Dennoch strebt die Hotelplan-Tochter einen Stammkundenanteil von 40 bis 50 Prozent an. «In Zukunft soll das Call Center ver-mehrt für die Kundenpflege eingesetzt werden. Wir werden es massiv nutzen, um Leute zurückzurufen, Follow-ups oder neue Offerten zu machen.» Auch das Di-rect Marketing solle besser gestaltet wer-den. Beispielsweise, indem man mehr über die Newsletter heraushole. Als dritte Massnahme will Lehmann die Kunden-inter aktion in sozialen Medien intensivie-ren und so mehr Informationen für das Re-Targeting generieren.

Kataloge verschwindenAls grösste aktuelle Herausforderung

sieht der Chef seine Mitbewerber, welche dank finanzstarken Investoren über zehn bis zwanzig Mal grössere Marketingbud-gets als Interhome verfügten. «Diese setz-ten auf die Entwicklung der Brands und weniger auf Rentabilität. Interhome gibt es seit fast 50 Jahren, wir müssen mit anderen Mitteln kämpfen.» Am effizien-testen sei man zurzeit im kommissio-nierten B2B-Geschäft, bei dem man über Vertriebspartner wie Booking.com, Casa-mundo oder Atraveo wachse.

Einer der wichtigsten Kanäle sei Goo-gle. «Im Moment bekommen wir die meis-ten Buchungen über AdWords. Das ist eigentlich dramatisch, weil dies bedeutet, dass unsere Brand-Bekanntheit abnimmt und kaum jemand mehr den Suchbegriff ‹Interhome› eingibt», sagt Lehmann. Heute liege der Anteil Online-Buchungen bei 70 Prozent, dennoch müsse man sämt liche Kanäle optimieren. Schliesslich beinhalte ein Marketingmix nicht nur die Internet-welt, sondern auch das Call Center, die lokalen Büros, Promotionen und nach wie

vor den Print. Die Kataloge, auf die nur noch 7 Prozent aller Buchungen entfielen, würden jedoch bald verschwinden. In der Schweiz habe man bereits dieses Jahr auf Prospekte verzichtet.

Mehr Umsatz generiert Interhome mit seiner neuen Marketingstrategie nicht. Dennoch ist Lehmann vom Kurswechsel überzeugt. In den letzten Monaten seien die Costs-per-Click massiv angestiegen. Dank der neuen Strategie könne man nun der Konkurrenz standhalten, die dieselben AdWords anpeile wie Interhome.

Plastikbecher: innen zum Wegwerfen, aussen Schicht für Schicht in 3D gedruckt.

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Alle 14 Tage gibt es ein Reality-

Check mit jedem involvierten

Wissensträger.

So verteilt Interhome seine Mittel auf sämtliche KanäleMarketingmix für 17 Märkte im Schnitt *

* Budgetsplit wird täglich angepasst quelle: interhome

SeA42%

performance Display19%

Catalogues11%

DmA11%

xxxxxxxx,xlocal B2C/B2B 9%

Seo 4%

Affiliate networks 4%

SEO Search engine optimazationSEA Search engine AdvertisingDMA Direct Marketing ActivitiesB2B Business-to-businessB2C Business-to-consumer

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Marketing | 69handelszeitung | Nr. 44 | 31. Oktober 2013

Aus zwei mach einsGebo Cermex Positionierung eines durch Fusion entstandenen Unternehmens durch Kunde & Co – bei absoluter Geheimhaltung bis zur Lancierung.

MéLanie KnüseL-RietMann

Die Ausgangslage für die Positio­nierung: Zwei Unternehmen über­legen sich, zu fusionieren. Banken,

Anwälte und Treuhänder werden einge­schaltet. Fieberhaft suchen alle Seiten nach besten Lösungen und geben Unsum­men dafür aus, dass die Übung glatt über die Bühne geht. Kaum ist der Zusammen­legungsentscheid auf Verwaltungsrats­ebene gefallen, wird der Hahn zugedreht. Was dann folgt, ist häufig Usus: Presse­konferenzen, Interviews mit den Invol­vierten und mehr oder weniger fundierte Kommentare in den Medien. Zurück blei­ben frustrierte Mitarbeitende, Aktionäre und Lieferanten, die um ihr künftiges Auf­tragsvolumen bangen.

So nicht, sagte sich Henrik Kattrup, Managing Partner von Kunde & Co in Zürich, der solche Merger­Pannen schon am eigenen Leib erlebt hat. Die ursprüng­lich dänische Full­Service­Agentur (siehe Kasten) geht einen total anderen Weg. Jüngstes Beispiel – gerade erfolgreich be­endet – ist die Fusion von Gebo und Cermex. Damit sollten ein Spezialist, füh­rend auf dem Gebiet der Fördertechnik und des Materialhandlings, sowie ein Experte für Um­ und Endverpackungen unter einem Dach zusammengeführt werden. Was auf dem Papier einer klassi­schen Lösung im Sinn einer industriellen Logik entspricht. Die Synergien sind offen­sichtlich, aber nur, was den maschinellen Teil angeht. Wer garantiert, dass dies auch in den Köpfen des betroffenen Personals ankommt?

Die MenschenGenau hier setzt Kunde & Co an. Was

geht in den Köpfen der von einer Fusion Betroffenen vor? Die Drahtzieher dieses Zusammenschlusses hatten bei Gebo Cer mex zum Ziel, das neu entstehende Un ternehmen mit rund 1800 Angestellten überzeugend am globalen Markt für die Verpackungsanlagen­Technik zu positio­nieren – mit einem klaren Profil und mög­lichst viel Goodwill für das neue Gebilde. Kunde & Co bekam genau fünf Monate Zeit, um den bestmöglichen Start zu reali­sieren.

Im Normalfall wird erst nach einer Verschmelzung damit angefangen, über

die künftige Stellung im Markt und über das entsprechende Konzept zu hirnen. Der Schweizer PET­Hersteller Sidel (über 5500 Angestellte), die Mutter von Gebo Cermex mit Hauptsitz in Frankreich und seinerseits Teil des Schweizer Tetra­Laval­Konzerns (fast 34 000 Angestellte), kam zum Schluss, dass dieses Ziel nur mit einer präzisen analytischen Vorarbeit, bei der sämtliche Involvierten einbezogen wer­den, zu erreichen ist. Ein gefundenes Fres­sen für Kattrup: Kunde & Co hat bereits vergleichbare Massarbeit bei Intersport, Merck Serono, Straumann sowie Landis+ Gyr geleistet, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Bei Sidel wurde vor allem mitberück­sichtigt, dass die neue Marke Gebo Cer­mex eine optimale Projektionsfläche braucht. Mit Pressekonferenzen, Verlaut­barungen, Orientierungen und – als Folge davon – verunsicherten Mitarbeitenden, Kunden und Lieferanten ist das noch längst nicht garantiert.

Der Prozess«Wir haben bei Sidel vor dem Launch

und den üblichen Ankündigungen damit begonnen, qualitative und quantitative Marktanalysen durchzuführen, in Umfra­gen und Workshops die Positionierung zu definieren und das Konzept samt Logo, Key Visuals, Plakaten und Websites fixfer­tig zu erstellen. Die Mitarbeitenden haben am Tag X eine interne Broschüre bekom­men, in der der neue Marktauftritt und die neue Positionierung beschrieben wurden», blendet der Projektleiter in jene Wochen zurück, in denen das Kunststück vollbracht werden musste, den neuen Look unter dem Slogan «first in line» vor­zubereiten, ohne Geheimhaltungspflich­ten zu verletzen.

Alles lief generalstabsmässig ab: Hen­rik Kattrup legt den Gebo Cermex Case, wie er intern heute genannt wird, offen auf den Tisch. Klar, dass er vor dem Tag X einen Decknamen hatte. Das Gespräch mit ihm über das Vorgehen wird beinahe zu einem psychologischen Seminar, das sich auch auf andere Fälle übertragen lässt, in denen heikle Inhalte transportiert werden müssen. «Wir haben damit begon­nen zu überlegen, was bei den Mitarbei­tenden abläuft, wenn sie vom Merger er­fahren», beginnt die Lektion Nummer eins.

Die zentralen Fragen lauten: Werde ich gefeuert? Kann ich meine Position be­haupten? Werde ich gar den Arbeitsplatz wechseln müssen? Wird mein Aufgaben­kreis verändert? Muss ich künftig alles anders machen? Kann ich nicht mehr mit meinem alten Bürokollegen zusammen­arbeiten?

Raffiniert an dieser internen Abklärung ist, dass es – vordergründig – gar nicht um die Fusion, sondern quasi um die all­gemeine Befindlichkeit ging, die aber als Seismograf für das weitere Vorgehen diente. Analog lief es im externen Unter­suchungsfeld ab, also bei Lieferanten, Kunden und generell anvisierten Stake­holdern. Lapidar genannt: Es wurde der Puls gefühlt.

Aufgrund der gesammelten Daten und Informationen erstellte Kunde & Co die notwendigen Unterlagen für das weitere, differenziertere Vorgehen, wobei immer die interne und externe Sichtweise be­rücksichtigt wurde – getreu dem uralten Kommunikationsprinzip: «Du hast von dir ein Bild, der andere aber auch. Wir müs­sen eine Schnittstellenmenge finden.»

Natürlich ging es darum, Synergien aufzuzeigen, betriebliche und äussere Wahrnehmungen, Wünsche, Erwartungs­haltungen und Zukunftsängste zu anti­zipieren. Aber im Grunde genommen basiert das Erfolgsrezept einer geglückten Fusion auf den vorhin genannten Grund­regeln, nach denen sich eine künftige Zusammenarbeit zwischen zwei Firmen­kulturen ausrichten muss, wenn sie gelin­

gen soll. «Es gilt, die eigene Geschichte des Unternehmens vor Augen zu führen und zu extrapolieren, wohin die Reise gehen soll oder könnte. Mit welchen Werthaltungen kommen wir zum gemein­samen Ziel, noch profilierter und noch wettbewerbsfähiger zu werden? Welchen Eindruck wollen wir bei unseren Kunden hinterlassen? Und schliesslich: Welchen

einzigartigen Stellenwert wollen wir – gegenüber der Konkurrenz – einnehmen? Und das vom ersten Tag weg», umreisst Henrik Kattrup die wesentlichen Themen.

Apropos Mitbewerber: «In der Phase des Zusammenführens profitiert die Kon­kurrenz am meisten, wenn dieser Prozess schlecht und unprofessionell gestaltet wird.» Stimmt. Verunsicherte Mitarbei­tende beschäftigen sich mit sich selber, Lieferanten, Kunden und Aktionäre re­agieren negativ in der Phase des labilen Übergangs, welche sich mit einem klaren Schlachtplan wie dem Gebo­Cermex­Plan von Kunde & Co verhindern lässt.

Das ResultatAls sämtliche Involvierten einbezogen,

orientiert und voll motiviert waren, so Hen­rik Kattrup, wurden ihnen noch schriftlich

alle Schritte erläutert, etwa die anvisierte Position des neuen Brands oder die neue Stellung im Markt. Und, das ist das Ent­scheidende, auch die Verkaufs präsen ta­tion und die Imagebroschüre mit dem neuen gemeinsamen Produkteangebot bekamen sie schon ausgehändigt.

«Wir können doch unsere Spezialisten nicht auf die Kunden loslassen, wenn sie erst aus der Zeitung, via Communiqué oder Powerpoint­Präsentation erfahren, was abgelaufen ist, und ihnen Monate später Hilfsmittel zur Verfügung stellen», sagt Henrik Kattrup. Ein geschickter Schachzug, der wohl viel unnütze Ausein­andersetzungen, Hosenbeinabsägereien, ja sogar Personalkündigungen und Liefe­rantenwechsel erspart. «Damit haben wir einen unnötigen Kräfteverlust verhin­dert», kommentiert der Projektleiter die­sen komplizierten Prozess sec, um gleich hinzuzufügen: «Eigentlich geht es letztlich darum, dem Kunden aufzuzeigen, dass ihm dieser Merger durch die Gesamtheit der neu angebotenen Leistung den Mehr­wertschöpfungsbeitrag erhöht und dass die Differenzierungskraft zur Konkurrenz noch grösser wird.» Und Henrik Kattrup bringt gleich ein Beispiel für den Lack­mustest, den das neue Gebilde bestanden hat. An der Drinktec in München – für Getränkefachleute quasi wie die Olma in St. Gallen für Bauern, der Catwalk für Modeschöpfer in Paris oder die Art in Basel für Künstler – wurden die Termin­kalender des Aussendienstes von Gebo Cermex so prall gefüllt wie noch nie.

Brillenfassung: Zuerst kann man Form und stil mittels 3D-Printing testen, danach beispielsweise in serienproduktion gehen.

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Du hast von dir ein Bild, der andere aber auch.

Wir müssen eine Schnitt stellenmenge finden.

Kunde & Co

Marketing als fehlerfreier HürdenlaufFull-Service Kunde & Co wurde 1988 von Jesper Kunde in Kopenhagen ge-gründet. Heute beschäftigt das Unter-nehmen mehr als 160 Mitarbeitende aus 13 nationen und hat neben dem dänischen Hauptsitz seit 2001 eigene niederlassungen in Düsseldorf und Zürich. Die Full-service-agentur bietet folgende Dienstleistungen als Kompe-tenzen: integrierte Kommunikation, Design und Visual identity, Film, Media, Digital, CRM und Dialog, analyse, interne Kommunikation, Kommunikati-onsplattform, Branding, strategisches Marketing, internationale Kampagnen.

Philosophie «Marketing ist wie ein Hürdenlauf. Um ein optimales Resultat zu erzielen, müssen alle Hürden fehler-frei genommen werden. Jedes Unter-nehmen hat seinen individuellen Hürdenlauf, den wir in Zusammenar-beit mit unseren Kunden ausarbeiten. Daraufhin ermitteln wir die zentralen, marketingorientierten Herausforderun-gen und arbeiten an den strategischen Vorgehensweisen sowie den konkreten Lösungen, die immer dasselbe Ziel haben: Die Marktposition des Unter-nehmens zu stärken und profitable ergebnisse zu erzielen», so Kunde & Co.

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70 | Marketing handelszeitung | Nr. 44 | 31. Oktober 2013

So druckt man heute die Welt von morgen3D-Model.ch Mitten in Zürich sitzt der erste dreidimensionale Copyshop der Welt. Hier lässt sich erleben, wie wir in Zukunft Produkte herstellen.

Stefan MaIR

Nahe der Langstrasse im Zürcher Kreis 4 hat sich ein Startup ange­siedelt, das in den Geschichts­

büchern einmal als Pionier einer indus­triellen Revolution stehen könnte. Wer den Begriff Revolution für übertrieben hält, sollte sich einmal intensiv mit 3D­Model.ch von Christiane Fimpel und Phil Binkert befassen. Denn was das Paar in seinen Geschäftsräumen macht, könnte kaum faszinierender sein.

Menschen werden eingescannt und eine Maschine druckt sie als Puppen aus. Schmuck, Spielzeug, Teile für die Medizin kommen ohne weiteres Zutun aus den 3D­Apparaten. Die Printer in der Firma scheinen keine Grenzen zu kennen. Alles, was auf ein Speichermedium passt, kön­nen sie produzieren. «Ich brauche nur die 3D­Daten auf einem Stick, das genügt, dem Drucker zu sagen, was er tun soll», erklärt Phil Binkert. 3D­Printer machen aus digitalen Daten sozusagen Dinge zum Anfassen. «Das könnte unser Leben tat­sächlich ähnlich einer industriellen Revo­lution verändern», sagt der Unternehmer.

Die Maschine baut das Modell, das produziert werden soll, dabei Schicht um Schicht auf. Man kann nicht nur Kunst­stoffe schichten, sondern auch Metall, Gips, Keramik oder Glas. Fachleute nen­nen das Prinzip «additive Fertigung». Bin­

kert führt aus: «Bei Druckern für Privat­anwender ist der Rohstoff ein Plastikdraht auf einer Spule, der Plastikfaden wird auf­geheizt wie bei einer Heissleimpistole. Der Druckkopf trägt den geschmolzenen Kunststoff auf, Schicht für Schicht.»

Im Keller gestartet3D­Model.ch­Mitbegründer Binkert

erkannte die Bedeutung von 3D­Printern schon während seiner Arbeit für das globale Architekturbüro Daniel Libeskind. Wünschte der Kunde nämlich eine Ände­rung der Vorlage, war das enorme Mehr­arbeit. Mit einem 3D­Drucker konnten neue Modelle einfach hergestellt werden.

In der Anfangszeit tüftelten Phil Binkert und Christiane Fimpel noch in bescheide­nen Verhältnissen: «Vor sechs Jahren ha­ben wir angefangen, wir waren zu zweit und haben einen Keller als Geschäftsraum gemietet», erinnert sich die gelernte Kom­munikationsmanagerin Fimpel. Binkert ergänzt: «Ich und Christiane haben ge­spürt, dass sich in diesem Bereich etwas bewegt, dann haben wir uns gesagt: Let’s

go for it». Die Tätigkeitspalette von 3D­Model.ch ist dabei gross. Die Firma ist Ver­triebspartner des Druckerherstellers 3D Systems, sie verkauft Printer, druckt selber Gegenstände nach Auftrag aus und berät Kunden. Dazu gibt es umfassende Weiter­bildungsangebote. Interessierte können Workshops besuchen, sogar Schulen laden Christiane Fimpel und Phil Binkert zu Prä­sentationen ein.

Auch Branchen, für welche die Welt der 3D­Printer eine Chance oder eine mögli­che Bedrohung sein könnte, holen sich Informationen bei 3D­Model.ch aus erster Hand. So wittern Banken und Versicherer Geschäftsmöglichkeiten. Logistiker hin­gegen fragen sich, wie sie darauf reagieren können, wenn Kunden die Produkte nicht mehr geliefert bekommen, sondern gleich zuhause ausdrucken.

Die Anwendungsbereiche für 3D­Prin­ter sind schier unbegrenzt. Luftfahrt und Autoindustrie stellen schon heute Bau­teile im sogenannten additiven Verfahren her. Darunter sind Triebwerkselemente oder Armaturenbretter. Theoretisch könn­te das ganze Auto aus dem Drucker kom­men, ein solches Gerät existiert bereits in den USA – nur der Motor ist aus Metall. Ideal sind 3D­Printer auch für die Archi­tekturszene, die ihre Modelle in bisher ungekannter Qualität ausdrucken kann. Mit einem riesigen Scanner wäre es sogar möglich, ein ganzes Haus zu fertigen. Der

italienische Architekt Enrico Dini kündigte an, 2014 ein solches Hausdruckprojekt durchführen zu wollen. Natürlich stehen sogar Künstler und Designer Schlange beim Startup, sie können ihre Phantasie mit äusserster Präzision materialisieren.

Besonders spannend sind auch An­wendungen in der Chirurgie. Bereits jetzt stellt 3D­Model.ch Übungsobjekte für das Universitätsspital Zürich her. So können Ärzte etwa anhand von Mustern Opera­tionen anhand der präzisesten Objekte üben. Auch in der Zahnmedizin werden Operationen dank dem 3D­Druck verbes­

sert. Selbst konventionelle Druckshops gehören zu den regelmässigen Besuchern bei Christiane Fimpel und Phil Binkert. «Viele fragen uns, wie sie 3D­Printer in ihre Geschäfte integrieren können. Unsere Kurse sind sehr gut besucht», erklären beide. Im Standort nahe der Zürcher Bäckeranlage arbeiten heute Menschen aus den unterschiedlichsten Richtungen. «Bei Stellenausschreibungen können wir nicht einen 3D­Druck­Techniker anfor­dern, weil dieses Berufsbild erst entsteht», sagt Fimpel. «Das sind Jobs von morgen, deshalb besteht unser Team aus Querein­

3D-Drucker produzieren eine unendliche Palette an

Dingen: Schmuck, Spielzeug – dereinst Lebensmittel.

3D-Model.ch: Christiane fimpel und Phil Binkert vor ihren Hightech-Druckern in Zürich.

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70 | Marketing handelszeitung | Nr. 44 | 31. Oktober 2013 | 71

steigern, die Ideen und Erfahrungen aus den unterschiedlichsten Bereichen mit­bringen.» Diese Vielfalt an Perspektiven ist im Umgang mit verschiedenen Kunden von Architekten bis Vertreter von Indus­trieunternehmen von grossem Nutzen.

Christiane Fimpel weist aber auch auf die Herausforderungen hin, die 3D­Druck noch zu überwinden hat. Nicht zuletzt berührt das Thema 3D­Printing eine ganze Reihe von Fragen, die in den nächsten Jah­ren geklärt werden müssen. Wer hat etwa das Copyright auf Objekte, die sich ein Endkunde selbst ausdruckt? Wie sieht es

mit Fragen der Haftung aus, wenn plötz­lich ein Defekt auftritt? Schliesslich hat der Endkonsument das Produkt ja «selber her­gestellt», indem er es sich zuhause ausge­druckt hat. Wer ist dazu für die Entsorgung verantwortlich? Was passiert, wenn ge­fährliche Gegenstände wie Waffen aus­gedruckt werden? Wer verhindert, dass Jugendliche sich Dinge basteln, die sie gar nicht besitzen dürften?

An all diesen Fragen dürfte die Branche in den nächsten Jahren arbeiten, um einen sicheren Rechtsrahmen für die neue revo­lutionäre Technik zu schaffen. Am verrück­

testen klingt bei alledem die Idee, sogar Essen auszudrucken. Dabei soll eine biologische Tinte verwendet werden, die verschiedene Zelltypen enthält. Ob die Möglichkeit, sich sein Essen selber aus­zudrucken, indes jemals serienreif wird, steht in den Sternen.

Expansion geplantSicher ist, dass sich bereits jetzt im

Internet eine riesige Community gebildet hat, die Konstruktionen für das 3D­Prin­ting hochlädt, mit anderen teilt und sich bei Modellen anderer bedient. Dadurch verbessern sich Muster fortlaufend, und Endkunden können aus den unzähligen Konstrukten auswählen und diese herun­terladen. Von Erweiterungen für Smart­phones, Ersatzteilen für Haushaltsgeräte, bis zu einem Haarkamm ist alles dabei. Die Kreativität dieser Communities ist eine nicht zu unterschätzende Triebfeder für die Entwicklung der ganzen 3D­Druck­Branche (siehe Kasten).

Die Zukunft von 3D­Printern und von 3D­Model.ch sieht Christiane Fimpel sehr rosig. Der Sprung ins Ausland ist schon vorbereitet. «Wir planen die Eröffnung einer weiteren Copyshop­Filiale in Wien Anfang 2014. Dahinter steckt ein Konzept der Expan sion in weitere europäische Metropolen», sagt Fimpel stolz.

www.3d-model.ch

3D-Drucker

Die Zukunft der BoombrancheFür Privatnutzer Während 3D-Drucker vor einigen Jahren noch ein Vermögen kosteten, sind sie inzwischen für den privaten Nutzer erschwinglich. Kleinere Exemplare wie der «Cube» von 3D Sys-tems sind ab 1700 Franken erhältlich – Profigeräte können über 100 000 Fran-ken teuer sein. Die Printer für zuhause sind ungefähr so gross wie eine Kaffee-maschine. 25 Designs beziehungsweise Objektvorlagen werden mitgeliefert. Besonders spannend ist es aber, sich 3D-Objekte via Apps herunterzuladen. Im Internet gibt es zudem Programme, mit denen man selber zum Designer werden und etwa eine Lampe oder Tasse so variieren kann, bis sie dem eigenen Geschmack entspricht.

Wachstum erwartet Die Zahl der 3D-Drucker in privaten Haushalten ist noch klein. Letztes Jahr wurden gerade ein-mal 50 000 Stück verkauft. Da inzwi-schen aber benutzerfreundliche Soft-ware-Anwendungen auf dem Markt sind, die auch für Laien verständlich sind, schätzen Experten, dass die Zahl der Verkäufe in den nächsten Jahren

stark ansteigt. Firmen wie Nokia oder Lego bieten auf ihren Websites sogar schon Designs zum Download an. So kann beispielsweise ein Nokia-Gehäuse für Handys oder ein Lego-Stein als 3D-Modell heruntergeladen und aus-gedruckt werden. Die Mustervorlagen können dabei einfach auf den individu-ellen Geschmack abgestimmt werden.

Rosiger Ausblick Das amerikanische Marktforschungsunternehmen Global Industry Analysts (GIA) prognostiziert in einer aktuellen Studie, dass die Branche der 3D-Printer bis 2018 auf einen Wert von mindestens 3 Milliar-den Dollar wachsen wird. Berechnet wurde dies auf Basis von 34 Unterneh-men aus den USA und 27 Unterneh-men aus Europa. Banken arbeiten be-reits an Anlagestrategien, um vom Boomgeschäft mit den 3D-Druckern zu profitieren. Dabei werden sowohl klassische Druckereifirmen, die mit 3D-Printern arbeiten, ins Portfolio aufge-nommen, als auch Unternehmen, die die 3D-Technologie produzieren, für die Kapitalinvestition berücksichtigt.

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72 | Marketing handelszeitung | Nr. 44 | 31. Oktober 2013

Applikationen Wie man alle Inhalte von Apps systematisch messen und das Angebot auf die Nachfrage ausrichten kann.

ChrIstoph GlAuser

Landauf, landab wird eifrig an App­likationen (Apps) für Smartphones und Tablet­Computer gebastelt. Kein

Wunder setzen sich Agenturangestellte bereits am Donnerstag nach Hause ab und werkeln freiwillig sowie oft ohne Vergel­tung bis und mit oder über das Wochen­ende hinweg an der neuen, ultimativen Entwicklung, die den Rest der Menschheit glücklich und vor allem sie selber reich machen soll. Da kommen digitale Markt­forscher, entzaubern die farbigen Knöpfe und messen die Wirkung der Inhalte auf sämtlichen Apps.

Mit der iPhone­Euphorie kam die App­Euphorie. Was man inzwischen nicht alles als App runterladen kann – mit Betonung auf «kann». Dieses Jahr sollen es laut Gart­ner weltweit mehr als 80 Milliarden Down­loads werden, nächstes Jahr schon über 130 Milliarden. Letztes Jahr waren es noch keine 50 Milliarden Downloads. Digitale Marktforscher, hierzulande etwa ArgYou, fragen in diesem Zusammenhang: Muss man irgendeine App runterladen, nur weil sie da ist? Liefert sie überhaupt die nach­gefragten Angebote für die Nutzer, die mobile oder online verwendet werden? Um dies zu messen, machen sich Soft­ware­Spezialisten hinter das Analysieren von Apps sowie deren Inhalten – und das ganz systematisch mit wissenschaftlich erprobten statistischen Methoden.

Was steht drauf?Die Wirkung von Apps kann man mit

verschiedensten Methoden messen. Eine

davon sind die Nutzungs­ oder Leistungs­daten auf den App­Stores, beispielsweise Google Play, iTunes (Apple), Samsung Apps oder Windows Store. Eine andere sind Zahlen der Agenturen, die Applika­tionen herstellen. Die beste Datengrund­lage ist fast noch immer der Stand auf dem Bankkonto des Anbieters respektive

manchmal von Telekommunikations­firmen, wo man sieht, wie oft eine Bezahl­App gekauft wurde.

Ob diese dann wirklich intensiv genutzt wird, ist eine andere Frage, die mit den Download­Zahlen allein leider oft nicht beantwortet werden kann. Deshalb haben sich Entwickler in den vergangenen Jah­

ren an eine Identifizierungs­Technologie für Apps gemacht – egal ob Apple, Android oder andere. Wie aus einem kleinen Buch werden auf diesem Weg die bei der Pro­duktion und Pflege verwendeten Inhalte systematisch maschinell herausgelesen. Dieses Verfahren ist zwar technisch kompliziert, liefert aber als Einladung für die verantwortlichen Betreiber von Apps messbare, unabhängige, agentur­ und technologieneutrale Informationen zur Wirkung der mobilen Kommunikation. Nutzen ziehen aus den Ergebnissen aber auch Analysten, Agenturen und inter­essierte Kunden.

Was steckt drin?In einem weiteren Schritt sammeln die

digitalen Marktforscher mit zahlreichen Software­Tools bei über 180 verschiedenen Suchmaschinen – online und mobile – die Daten aus der Nutzung dazu. So kann man in 28 Sprachen messen, ob die auf den Applikationen ursprünglich ver­wendeten Inhalte innerhalb der letzten 30 Tage überhaupt je gesucht wurden. Auf diesem Weg analysierte mobile Angebote können anschliessend besser auf die Nachfrage abgestimmt werden und ha­ben dadurch eine viel grössere Wirkung, sprich eine erhöhte Chance, wirklich genutzt zu werden.

Dieses neuartige Verfahren der Wir­kungsmessung erlaubt es auch, systemati­sche Benchmarks für den mobilen Markt und darüber hinaus branchenweite Kon­kurrenzvergleiche sowie Bedarfsanalysen auf dem Umweg über Apps bereitzustel­len. Die Marktforschung auf dem Smart­phone oder Tablet­Computer steckt noch völlig in den Kinderschuhen. Aber auf den kleinen Bildschirmen der Endgeräte ist es extrem wichtig, die Kommunikation möglichst gezielt zu verdichten, damit die Kunden genau das kriegen, wonach sie meistens suchen. Enttäuschte Mobile­

Nutzer sind innert Sekunden wieder weg und kommen nie wieder. Das gilt es zu vermeiden.

Was hilft weiter?Die rasante Entwicklung und der sich

abzeichnende Verdrängungswettbewerb bei den Apps führen automatisch dazu, dass sich die Hersteller und Agenturen in Zukunft vermehrt für diese Form der Wir­kungsanalysen interessieren müssen. Bei neuen Apps macht es deshalb Sinn, sich bereits in einem sehr frühen Stadium dar­um zu kümmern. Beispielsweise wird hier auf der Basis einer Konzeptanwendung oder einer ersten Idee die Relevanz der verwendeten Inhalte gemessen. Frei nach dem Motto: «Besser vorher messen, an­statt hinterher zu jammern.» Auf Englisch sagt man diesem Verfahren: «Optimize before you build». Inhaltlich werden Vor­projekte, sogar Vorkonzepte oder Mock­ups bei den Apps daraufhin analysiert, ob die geplanten Angebote über genügend Nachfrage verfügen.

Nach der Lancierung werden diese Apps auch entsprechend intensiv mobil genutzt und konvertieren besser. Sind die Apps live geschaltet, benötigen die Markt­forscher meistens nur ein digitales Format beziehungsweise ein «*.ios»­ oder «*.apk»­File als Ausgangsinformation. Diese For­mate beinhalten jeweils schon alle Inhalte, die man für eine vertiefte Untersuchung benötigt. Für interessierte Kunden ent­steht kein zusätzlicher Aufwand. Sämt­liche Angaben zu den Projekten werden vertraulich behandelt. Es ist damit zu rechnen, dass das Interesse an solchen Mini­Mobile­Marktforschungen in den nächsten Jahren stark zunehmen wird.

Christoph Glauser, Geschäftsführer, ArgYou, Baar. Aktion von ArgYou für «handelszeitung»-leser: App-Wirkungsanalyse 2660 statt 3130 Franken.

Mini-Mobile-Marktforschung

Oberschenkelknochen: Der nicht gehärtete Gips wird abgewischt (depowdering).pe

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Page 15: Handelzeitung Spezial Oktober2013

Marketing | 73handelszeitung | Nr. 44 | 31. Oktober 2013

Roland BeRnhaRd und nadia eggmann

Dass Konsumenten Mitspracherech-te beim Entwickeln von Produkten erhalten und eine aktive Rolle bei

Innovationsprozessen von Unternehmen spielen, das ist schon länger eine Tatsache. Durch die zunehmend stärkere digitale Vernetzung zwischen Verbrauchern un-tereinander – sowie mit Anbietern – prägt der Konsument jedoch immer mehr auch die Brand Identity mit. Ihn deswegen als Co-Markenentwickler zu betrachten, ist eine logische Konsequenz.

Die Gestaltungsmöglichkeiten der Ver-braucher reichen dabei von der Infor-mationsweitergabe bis hin zum aktiven Vertreten oder sogar Verteidigen eines Brands. Dies kann zur Co-Markenent-wicklung und zur Gestaltung von Wachstums optionen führen. Ersteres war vor der Etablierung der sozialen Netzwer-ke zwar teilweise auch schon möglich,

etwa durch das Tragen eines gebrandeten T-Shirts. Nur nimmt die Reichweite der symbolischen Handlung oder einer Un-terhaltung über eine bestimmte Marke heute durch digitale Medien stark zu und verbreitet sich aus serdem rasant. Treffend lässt sich folgern: Wer seine Brand Equity steigern will, der sollte vor allem eines können: Den Kon sumenten zum begeis-terten Markenbotschafter machen.

Praktische Muster, wie Verbraucher aktiv in die Brand-Identity-Thematik ein-gebunden werden können, existieren un-zählige. Der Schweizer Fleischverarbeiter Bell etwa bietet nebst einer interaktiven Grill-App auch Grill-Meisterschaften oder startete die Aktion mit folgendem Aufruf auf Facebook: «Poste dein Grill-Bild an unsere Pinnwand und versehe es mit fol-genden Hashtags: #bbq#american_bbq.»

Das vielseitige Vorbild Bell zeigt, wie eine positive Reputation und aktives En-gagement der Konsumenten erzielt wer-den können. Obwohl Bell hier fortschritt-lich agiert, ist das Potenzial im Hinblick auf die digitale Brandbildung in Koopera-tion mit dem Verbraucher als Co-Marken-entwickler noch lange nicht ausgeschöpft. Ein hervorragender Ansatz, dieses Poten-zial umzusetzen, liegt in einem ersten Schritt im detaillierteren Kennenlernen und Verstehen des Konsumenten.

Näher beim Kunden mittels Small DataBig Data ist hierfür eine erste Option,

die momentan in aller Munde ist. Big Data führt zu statistisch gesehen traumhaften Datensätzen und einer breiten erfass-baren Grundgesamtheit. Allerdings kann

deren Auswertung dann aber oft nicht so adäquat durchgeführt werden wie erwünscht. Die Fehlerquellen und Miss-interpretationen sind gross, die Daten oft gesichtslos oder anonym. Für gewisse Ziele wie zum Beispiel Trend-Scouting oder Meinungsforschung mag das Arbeiten mit Big Data zwar der absolut richtige Weg sein. Gerade Social Media Monitoring Tools wie Brandwatch, Radian6 oder die Social Insights Generation Methodology, kurz SIG, von Vivaldi Partners können hier das Beste aus Big Data herauskitzeln.

Für andere Ziele, etwa das Befähigen von Kunden zur Co-Markenentwicklung, zeigt sich die Fokussierung auf Big Data jedoch als tendenziell kontraproduktiv. Denn hier sollte es vielmehr um Inter-aktion, Schaffen von Begeisterung, gezielte Konsumentenausrichtung, um Persönli-ches gehen. Während nun also Big Data als grosses Schlagwort in Marketingkrei-sen kursiert, entfacht sich bereits auch eine Gegenrichtung dazu, nämlich die Ar-beit mit Small Data. Unter Small Data wer-den Daten verstanden, die nicht nur an der Oberfläche kratzen, sondern gezielt und vertieft Informationen zu Verbrau-chern liefern. Hauptsächlich spielen der Eins-zu-eins-Gedanke wie auch der Leit-spruch «Qualität vor Quantität» eine über-geordnete Rolle. Laut dem Cisco Visual Networking Index (Global Mobile Data Traffic Forecast Update, 2012–2017) wer-den in vier Jahren mindestens 8,6 Milliar-den Geräte, die ans mobile Netzwerk an-geschlossen sind, in Privatbesitz sein. Dies führt zu einer enormen Menge an theore-tisch vorhandenen personalisierten Small Data, die praktisch genutzt werden könn-ten. Das Mobile Episode Tracking, kurz MET (siehe Kasten), bietet zur Erhebung dieser Daten eine elegante Lösung.

Absicht bedeutet noch lange nicht KaufDieses brandneue Tool befindet sich

gerade in der Markteinführungsphase und wird in Kooperation mit etablierten Unter-nehmen eingesetzt. Durch die Anwendung des MET kann Kundenverhalten in Echt-zeit erfasst und damit ganzheitliche Outside-in-Informationen zu einem be-stimmten Thema generiert werden. Es geht darum, ganz nahe am Konsumenten zu sein und ihn detailliert mit seinen Alltagsbedürfnissen kennen zu lernen. So kann durch das MET direkt und unver-zerrt erkannt werden, was der Verbrau-cher tatsächlich tut – und nicht nur sagt, was er tun wird. Biases wie die Social De sirability können damit in erster Linie verhindert werden. Dies ist von grosser Relevanz, denn die blosse Angabe einer Kaufbeabsichtigung bedeutet noch lange nicht, dass der Kauf dann wirklich getätigt wird. Das MET ist in drei modularen Schritten aufgebaut, die einen besonders tiefen Konsumenteneinblick erlauben.

Bei jedem Input von Seiten des Befrag-ten kann spezifisch nachgehakt und damit

ins Detail gefragt werden. Dies garantiert tiefe und spezifische Insights und beugt Missinterpretationen vor. Erfragt werden können die verschiedensten Aspekte wie Einschätzungen, Erfahrungen, Verhalten, Zufriedenheit, Ratings, Anwendungen oder Verbesserungsvorschläge – hier sind keine Grenzen gesetzt. Diese individuelle

Betrachtung des Verbrauchers führt zu fundierten Erkenntnissen, die zu Vorteilen bei der Identifizierung von Schlüsselfakto-ren für Loyalität und Präferenzen, beim Erfassen von nicht befriedigten Bedürfnis-sen, beim Erhöhen der Markenrelevanz für den Konsumenten und speziell auch bei der Generierung von Wachstumsoptio-

nen führen. Wer weiss, welche Hand-lungsoptionen sich durch die Arbeit mit Small Data für Brands noch ergeben? Und: Kennt man seine (zukünftigen) Kunden eigentlich schon tiefgründig genug?

Roland Bernhard, Senior Partner, und nadia egg-mann, Research analyst, Vivaldi Partners, Zürich.

Verbraucher involvierenCo-Markenentwickler die Führung der Brand identity gehört zu den Kernaufgaben des marketings. Wie dies passiert, verändert sich im digitalen Kontext essenziell.

Damit der Kunde zum Co-Markenentwickler

wird, muss man ihn kennen lernen.

Oberschenkelknochen: das fertige modell ist entpulvert und bereit zum Trocknen. die Farben wurden intensiviert (epoxiert).

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ViValdi Partners

Unabhängige strategieberatungFirma die führende unabhängige Be ratungsfirma für Wachstumsstrate-gien hilft durch die expertise in den Bereichen (Brand-)Strategie, innova-tion, marketing und Transformation und befähigt ihre Kunden, Wachstums-chancen bestmöglich wahrzunehmen. Vivaldi Partners wurde 1999 gegründet und hat ihren hauptsitz in new York. niederlassungen gibt es in münchen, düsseldorf, london, Zürich, amster-dam, hamburg sowie Buenos aires.

Tool das neue mobile episode Tracking (meT) von Vivaldi Partners zur erfas-sung tiefgründiger Konsumentendaten in echtzeit gliedert sich in drei Schritte:

• Daily Episodic Photo Capture: Der Konsument dokumentiert seinen alltag anhand von aussagekräftigen Fotos mit seinem Smartphone und beant-wortet dazu ein paar kurze, schriftlich gestellte Fragen.• Daily Episodic Reconstruction: Am ende einer festgelegten Periode, zum Beispiel jeden zweiten Tag, werden jeweils spezifische Fragen gestellt, die das Bild der Konsumenteninforma-tionen verdichten.• In-depth Episode Exploration: Nach der gesamten untersuchungszeit, rund zwei Wochen, werden die inter-essantesten episoden vertieft mit dem Konsumenten betrachtet.

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74 | Marketing handelszeitung | Nr. 44 | 31. Oktober 2013

Speerspitze im MarketingMS Mail Gruppe In 35 Jahren von der Occasions-Kuvertiermaschine zum Outsourcing-Marktführer.

MélanIe Knüsel-RIetMann

Patron Peter Stössel (69) erinnert sich: «Angefangen hat seinerzeit alles mit einer Occasions-Kuvertier-

maschine, die ich zugleich als Gründungs-kapital in die MS Mail Service einbrachte. Zwar hatte ich das HSG-Lizenziat in der Tasche – jedoch keinen Rappen im Sack. Dafür hatte ich umso mehr gute Ideen im Kopf.» So zum Beispiel das Erbringen von Dienstleistungen an Kunden, die Dialog-marketing-Prozesse entlang ihrer Wert-schöpfungskette auslagern wollten.

Zu diesem Zeitpunkt ein bahnbrechen-der Ansatz, denn das Outsourcing war für die meisten Unternehmen noch ein Wort mit sieben Siegeln. Zusammen mit einem Freund startete er mit diesem Geschäfts-modell für den Textilversand Peter Hahn,

den die MS Mail Service heute noch zu ihren Kunden zählen darf. «Die Kuvertier-maschine ratterte Tag und Nacht. Wenn der eine am Boden schlief, arbeitete der andere und umgekehrt», erzählt Direkt-marketing-Pionier Peter Stössel über die Anfänge seines Imperiums.

Von 2 auf 2000 MitarbeitendeDas war vor 35 Jahren und klingt

irgendwie abenteuerlich. «An so etwas Profanes wie Direktwerbung zu glauben, kam fast einer Gotteslästerung gleich. Es war die Zeit der klassischen Werbung. An den Tankstellen wurde man von Tigern angefaucht, in den Waschküchen stemm-ten weisse Riesen jeden Kleiderstapel.» Ein Direktwerber ist damals gegen den Strom geschwommen und wurde be-lächelt. Seine Kommilitonen an der Uni-

versität St. Gallen fragten Peter Stössel: «Warum warst du überhaupt an der HSG?»

Und heute? Im Zeitalter von Customer Relationship Management (CRM), Big Data, Multichanneling oder Social Media ist der personalisierte Dialog die Speer-spitze im Marketing – kreativ, treffsicher und effizient. Die alte Kuvertiermaschine war eine gute Investition. Mittlerweile beschäftigt die Dachgesellschaft MS Mail Gruppe 2000 Mitarbeitende, knapp 800 Vollzeitbeschäftigte, und setzt kumuliert rund 100 Millionen Franken im Jahr um. Als eines der führenden Outsourcing-Un-ternehmen in der Schweiz werden zurzeit gegen 390 Kunden aus den verschiedens-ten Branchen betreut. In deren Namen und Auftrag werden jährlich annähernd 1000 Kampagnen und Prozesse durch-geführt.

Je nach Bedarf nutzen die Kunden eines der flexiblen Outsourcing-Modelle. Sie profitieren vom Leistungsumfang, der von A wie Adressen bis Z wie Zustellung ein Gesamtspektrum im Dialogmarketing und Contact Management abdeckt. Apro-pos Kunden: Unter den Unternehmen, die hierzulande ihr Vertrauen in die Hände des Familienunternehmens legen, hat es bekannte Namen wie AXA Winterthur, Betty Bossi, Bogner, Coop, Esprit, GE Money Bank, Generali, Harley-Davidson, Hugo Boss, HSE24, Jack Wolfskin, Kraft Foods, Le Shop, Madeleine Mode, Manor, Pan Gas, Procter & Gamble, Pro Idee, Puma, Mercedes-Benz, Raiffeisen, Swiss-com, Swiss Ski, Syngenta, UBS, Walz, Welt-bild, Yves Rocher oder Zalando.

Die 1978 gegründete MS Mail Service mit Sitz in St. Gallen ist über die Jahre suk-

zessiv gewachsen. Sie hat inzwischen Nie-derlassungen in Adligenswil LU, Muttenz BL und Lauterach (Vorarlberg). 2007 er-warb sie die rbc Solutions in Feldmeilen ZH, die seit über 25 Jahren führende Gesamtanbieterin in Dialogmarketing und Contact Management. 2009 gründete MS Mail Service die Quickmail in St. Gallen: Die erste private Firma, die in der Schweiz adressierte Briefe, Mailings, Kataloge und Zeitschriften zustellt. Die Kernkompeten-zen der drei Unternehmen bieten viele Synergieeffekte. Etwa im Bereich CRM und Logistik, aber auch im Fulfillment-Ange-bot der MS Mail Service sowie bei den Postdienstleistungen der Quickmail. «Un-sere hohen Anforderungen an die Flexi-bilität und Kundenorientierung bilden die gemeinsame Grundlage», erklärt CEO Milo Stössel. «Die Vielfalt unserer Kunden reicht vom Internet-Startup zum Gross-konzern. Diese facettenreichen Outsour-cing-Prozesse sind nicht nur Grundlage des Full-Service-Angebots, sondern auch unsere Triebfeder der Innovation.»

Übergabe an zweite GenerationSchon früh hat Peter Stössel sowohl

seinen Sohn Milo (34) als auch seine Toch-ter Nayla (32) in seine weit gespannten Aktivitäten einbezogen. Milo Stössel hat 2008 die Leitung der Muttergesellschaft von seinem Vater nahtlos übernommen. Heute führt er als Delegierter des Verwal-tungsrates auch die Unternehmensgruppe. Gleichzeitig konnte Peter Stössel das OK-Präsidium des renommierten St. Galler Springturniers Concours de Saut Interna-tional Officiel (CSIO) an Nayla Stössel übergeben. An diesem Grossanlass trifft

sich Jahr für Jahr die Weltelite der Spring-reiter im Gründenmoos, das als schönstes Stadion Europas gilt. Der grösste Pferde-sportevent der Schweiz zieht jährlich bis zu 40 000 Besucher an.

Die Kinder des Patrons sitzen also fest im Sattel. Milo Stössel war bei allen Ausbauschritten des Unternehmens da-bei und hat wesentlich dazu beigetragen, dass frühzeitig das E-Commerce-Geschäft

Nachbearbeitung: Die im industriellen 3D-Drucker gefertigten Hartplastikteile werden im Ofen erhitzt, um das stützmaterial Wachs abzuschmelzen.

Peter stössel (rechts) mit sohn Milo und tochter nayla.zv

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stark forciert wurde. Er räumt ein, dass sein Vater zunächst weniger davon ange­tan war, da er mit dem klassischen Ver­sandhandel gross geworden ist. Rasch sah er aber ein, dass kein Weg an diesem stark wachsenden Markt vorbeiführt. Als Peter Stössel das operative Geschäft seinem Sohn übergab, war der längst mit einem Bein drin. «Er hat mich – weitestgehend – machen lasse», meint hierzu Milo Stössel

schmunzelnd. Genau so hielt es der Se­nior mit seiner Tochter. Sie war seit Jahren beim CSIO eine wichtige Mitorganisa­torin und kennt die Welt des profes sio­nellen sowie internationalen Reitsports aus dem Effeff. Den Vater als strategi­schen Sparringpartner im Rücken zu haben, sehen beide aber als wichtigen Erfolgsfaktor für den geglückten Nach­folgeprozess.

«Bescheidenheit, Respekt und eine gewisse Demut sind Tugenden, die einen guten Unternehmer auszeichnen.» Ein Credo des Seniors, nach dem sich auch Milo Stössel ausrichtet. Einmal im Ge­spräch, schimmert dann trotzdem ein biss­chen Stolz durch. «Nebst dem rechtzei­tigen Aufspringen auf den E­Commerce­Zug macht mir natürlich die Entwicklung der jüngsten Tochtergesellschaft beson­ders Freude: Quickmail ist das erste private Unternehmen, das in der Schweiz adres­sierte Briefe, Mailings, Kataloge und Zeit­schriften zustellt.»

Diese Chance wurde wahrgenommen, als dieser Markt teilliberalisiert wurde. Milo Stössel ist fest davon überzeugt, dass dies nur ein erster Schritt auf dem Weg zur weiteren Marktöffnung sein wird. Doch vorderhand ist er zufrieden mit dem an­sehnlichen Erfolg. Seit der Gründung vor vier Jahren hat Quickmail über 70 Mil­lionen Sendungen befördert und viele Arbeitsplätze geschaffen. Im letzten Jahr wurden fast 29 Millionen Zustellungen getätigt und damit allein in der Deutsch­schweiz bereits 63 Prozent aller Haushalte erreicht, sprich 1,6 Millionen. «Unser Ziel ist es, 85 Prozent im Rahmen dieser Teilliberalisierung zu erreichen», sagt Milo Stössel. Er fügt hinzu, dass rbc Solu­tions mit ihrer IT­Kompetenz diesen Auf­schwung massiv unterstützt hat. Damit ist gleich ein Beispiel von vielen angespro­chen, bei dem sich die drei Gruppen­firmen ergänzen.

Als Premium­Gesamtanbieterin ent­wickelt und unterstützt rbc Unternehmen, die sich auf ihre Kernkompetenzen kon­zentrieren möchten. Seit über 25 Jahren

knüpft rbc im Auftrag ihrer Kunden Kon­takte, die fruchten und von Dauer sind. Ihr Tätigkeitsfeld umfasst Consulting und Project Management, Data Intelligence und Data Services, CRM Solutions, CRM Services sowie Customer Interaction Ma­nagement. Dialogdienste werden nahtlos in die Prozesslandschaft der Auftraggeber eingebettet. Je nach Bedarf kommen diese entweder bei rbc oder direkt beim Kunden vor Ort zum Einsatz. Die Kostenvorteile für den Kunden sind evident, weil ihm moderne Infrastruk­turen und ausgereifte Soft­ware­Lösungen im eigenen Haus zur Ver­fügung stehen. Darüber hinaus entfallen Investitions­ und Wartungskosten.

Zentrum des Schweizer E-CommerceEin Besuch in der Zentrale in St. Gallen

ist beeindruckend. Im Call Center werden Anrufe entgegengenommen, Fragende beraten, Reklamationen erledigt und via Live­Co­Browsing Kunden gleichzeitig auf ihrem Bildschirm begleitet. Über die Data Intelligence Services werden Kun­denstämme, Warenkörbe oder Katalog­reihen analysiert, Social­Media­Services und sogar das Management von Debito­ren, Bonitätsprüfungen oder Trainings à la carte angeboten. Eigentliches Herzstück ist die Logistik: Mehrere Millionen Pakete verlassen pro Jahr die Lager der MS Mail Service; flankiert von dazu passenden Diensten wie Fiskalvertretung, Verzollung oder professionelle Dienste aus dem Let­tershop oder Fulfillment bietet das Unter­nehmen einen Fullservice im Multichan­

nel­ und E­Commerce­Markt Schweiz. «Mein grösstes Anliegen ist, dass wir un­sere Kunden mit unserer Passion als Dienst­leister höchst professionell bedienen, auf ihre Wünsche flexibel eingehen und ihre Anregungen sofort aufnehmen. Das gilt auch für die Mitarbeitenden. Sie sind für

uns genauso eine Quelle der Inspiration und Innovation. Wir spüren immer wieder, dass sie es schätzen, in ei­nem Umfeld tätig zu sein, das ihnen Einblick und Kon­takte in die verschiedensten Branchen bietet», so Milo Stössel. Natürlich hat er trotz

dem florierenden Unternehmen grös sere Herausforderungen. Um ein Beispiel ge­beten, erwähnt er die Lohnsitua tion. «Als personalintensiver Dienstleister haben wir einen sehr hohen Lohnkos tenanteil.» Der Preisdruck vom Markt sei nicht ge­ring. «Aber wir stellen zu unserer grossen Befriedigung fest, dass der Wunsch nach Qualitätsanbietern wieder zunimmt und wir damit nach wie vor eine faire Lohn­politik betreiben können.»

Als Leader auf dem Gebiet von sour­cingbasierten Dialogmarketingdiensten muss er in seinen Zukunftsstrategien solche Entwicklungen im Auge behalten. Und dann bricht bei Milo Stössel ein Schalk durch, der genauso seinem Vater Peter Stössel eigen ist. Mit Blick auf den Wettbewerb meint er abschliessend: «Ich halte zwar nichts vom Spruch ‹Alle kochen nur mit Wasser›, und ich konnte auch noch nicht in alle Töpfe sehen. Aber uns gäbe es nicht so lange, hätten wir nicht ein bisschen Weihwasser dazugegossen.»

Nachbearbeitung: Die im industriellen 3D-Drucker gefertigten Hartplastikteile werden im Ofen erhitzt, um das Stützmaterial Wachs abzuschmelzen.

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Wo digitale Ideen zu Geld werdenSilicon Valley Social, local, mobile: Hier werden diese drei Werte mit Inbrunst gelebt – mehr von den Startups als den Giganten.

AlIce BAumAnn

Mit überdurchschnittlich vielen Startups auf 6,8 Millionen Ein-wohner zieht die pulsierende

San Francisco Bay Area regelmässig Schweizer Marketingexperten an, welche live miterleben möchten, wie Innovation geschieht. Eine Studienreise von Swiss-nex San Francisco und der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ) bringt die Erkenntnis, dass kurzfristiges riskantes Handeln durchaus opportun ist in diesen volatilen Zeiten. Nur nichts tun ist falsch.

«Unternehmen im Silicon Valley zu besuchen, ist anregend und erschöpfend zugleich», mahnt Sean Randolph, Presi-dent & CEO der Vereinigung Bay Area Council. Offenheit, Engagement und die Bereitschaft, sich mit Fremden zu verbin-den, seien die Voraussetzung zum erfolg-reichen Gedankenaustausch. «Grasp the spirit. Leave your comfort zone and move on to where the magic happens», ruft er den Schweizern als Willkommensgruss zu.

Eine Handvoll Communication- und Social-Media-Experten nimmt einen zwölf-stündigen Langstreckenflug, eine inten-sive Arbeitswoche, jetlagbedingte Schlaf-störungen und auch nicht unbeträcht liche Kosten auf sich, um herauszufinden, ob die Amerikaner uns Europäern punkto Unternehmertum und Soziale-Medien-Exzellenz wirklich voraus sind. Die Ant-wort lautet «jein».

Schnell scheitern und wieder gründenWährend strategische Massnahmen

und die Nutzung vorhandener Tools ver-gleichbar sind, ist die Mentalität diametral anders. Bei jedem der zahlreichen Firmen-besuche sind Mut und Machbarkeit zu spüren. Angst zu versagen zeigt sich indes kaum. Vor allem die Innovationsorganisa-tionen der Universitäten wie zum Beispiel Skydeck Berkeley und die noch kleinen Startups vermittelten die Botschaft des «just do it». Es scheint, als sei fast alles möglich und als gäbe es im Bundesstaat Kalifornien kaum Hindernisse zur Grün-dung neuer Unternehmen, steuerliche schon gar nicht.

Von dem Inder T. M. Ravi, einem lei-denschaftlichen Investor und davor in Serie erfolgreichen Gründer und Chef diverser Startups im Bereich Big Data, ist zu erfahren, dass es im Silicon Valley ein-zig darum gehe, ein Unternehmen zu lan-

cieren und es dann binnen maximal drei Jahren entweder zu verkaufen oder an die Börse zu bringen. «Egal, ob du scheiterst oder zu Geld kommst – mach es schnell, denn die nächste Herausforderung wartet schon auf dich», so sein ultimativer Tipp an Menschen jeder Kultur, die über das kalifornische Gründer-Gen verfügen. Zö-gern sei uninteressant und hindere einen nur daran, weitere Firmen zu kreieren. Dies sei so oft nötig, bis eine Idee zu Geld geworden sei.

T.M. Ravi erzählt dies im Wissen, dass europäische Firmen oft Unternehmens-geschichten zelebrieren, welche sich über mehrere Generationen erstrecken. Die San Francisco Bay Area sei stattdessen stolz darauf, dass die Hälfte des Venture-Kapitals der USA in Kalifornien investiert werde, betont der Inder. Goldenen Boden habe derzeit Big Data. «Daten sind das Öl dieses Jahrhunderts. Lasst uns diese Welle reiten», sagt er.

Die amerikanischen Universitäten Berkeley und Stanford strahlen ausserge-wöhnlich viel Historie und Tradition aus. Doch aufgepasst: Der Inder Ram Kapoor,

neuer Direktor des Departements Marke-ting & Digital Communications mit langer Vergangenheit in renommierten globalen Werbeagenturen, lässt beim Markenauf-tritt von Berkeley keinen Stein auf dem anderen. Man wird sehen, ob er die Leitung der Universität für die erstmalige Kommu-nikationsstrategie und den Change-Pro-zess engagiert halten und das Rebranding ihrer vielen Fakultäten und Fachgebiete durchziehen kann. Das einheitliche Er-scheinungsbild und die neue Website sind für 2014 geplant. Wie unternehmerisch eine Universität sein kann, zeigt sich zu-dem in Skydeck Berkeley. Hier verhelfen Professoren und pensionierte Unterneh-mer vielen Startups aus dem wissenschaft-lichen Umfeld zum Erfolg.

Wer Erfolg haben will, muss die So-zialen Medien bespielen. Daher liegt der Fokus dieser Studienreise auf der Kom-munikation der besuchten Organisatio-nen. Die Social-Media-Aktivitäten des Campus Stanford Engineering sowie der California Academy of Sciences sind eher klassischer Natur. Zahlreiche Gespräche mit lokalen Experten legen den Schluss nahe, dass viele Schweizer Unternehmen ihre Aufgaben im Soziale-Medien-Bereich

ebenso effizient machen wie ihre kalifor-nischen Kollegen. Was gut geschulte Social Media Manager in der Schweiz planen und umsetzen, ist also durchaus State of the Art.

Vom Siliziumtal zurück zur MetropoleUnd Schwachstellen gibt es auch bei

Institutionen im Silicon Valley und in San Francisco. Ein als Pressesprecher der Stadtverwaltung fungierender ehemaliger Schnupperstift vermittelt die Überfor-derung einer Stadt, mit ihren Bewohnern einen zielführenden Dialog zu pflegen, ungewollt, aber eindrücklich. Zerknirrscht befindet er, mit nur 300 Stellenprozenten für die Sozialen Medien kommuniziere seine Metropole wie ein Startup.

Schade für San Francisco. Denn es sie-deln sich immer mehr innovative Unter-nehmen in der Stadt an, weil ihre Mit-arbeitenden urban wohnen und den Stau auf dem Highway 101 ins Silicon Valley vermeiden wollen. Die Stadt gehört also aus mehreren Gründen zum Siliziumtal. «Nehmt die Geografie nicht wörtlich: Das Silicon Valley mit dem Hotspot Cupertino ist zwar ein Ökosystem zwischen Regie-rung, Wirtschaft und Universitäten, das die Freiheit von Informationen, Entwick-lungen und Ideen fördert. Aber es handelt sich nicht nur um einen amerikanischen Traum. Tatsache ist, dass über 50 Prozent der Unternehmen von Immigranten ge-gründet werden», erzählt Sean Randolph.

Das Silicon Valley sei zunehmend ein «Mindset» oder «State of Mind» statt eine Region. «Wir sind ein globaler Marktplatz von Ideen und ermöglichen einzigartige Wertschöpfungsketten. Menschen, die hier arbeiten, sind sich bewusst, dass Risiko mit Scheitern verknüpft ist.» Wer keine Fehler mache, könne auch keinen Erfolg haben. «In der Bay Area beherbergen wir 300 Venture Corporations, teilen Kultur sowie Werte und sind bestens vernetzt», bringt Sean Randolph das Wirken im Hot-spot auf den Punkt. «Bei uns investieren 100 Multimillionäre in Startups. Die neun aktivsten Investoren haben in der Bay Area im Jahr 2011 total 21,6 Milliarden US-Dollar eingeschossen. Am meisten profitiert haben die Bereiche Social Media und Cleantech.»

Einen überraschenden Eindruck hin-terlässt die Soziale-Medien-Managerin der weltbekannten lokalen Fernseh- und Radiostation CBS. Frei von jeder Kenntnis einer Unternehmensstrategie und ohne Ausbildung in ihrem Fachbereich postet eine junge Frau News über Gott und die Welt, dies während gefühlter 24 Stunden pro Tag und an sieben Wochentagen. Ist sie abwesend, springt eine Person ein, die

noch weniger weiss über den Job. Eine Nachbearbeitung der ausgezeichneten Newsstreams gibt es bei CBS ebenso we-nig wie landesweit einheitliche Kommu-nikationsprinzipien. Das erschütterte die Gäste aus der Schweiz umso mehr, als der Empfang beim Sender ausgesprochen freundlich, die Führung durch die vielen Studios aufschlussreich und die Kommu-nikation sehr transparent ist.

Twitter-Quartier wird bald hip werdenEher ernüchternd war auch der Besuch

bei den Giganten Facebook in Menlo Park und bei YouTube in San Bruno. Die im ganzen Silicon Valley hoch kultivierte Gastfreundlichkeit, die überall und jeder-zeit dieselbe Vollverpflegung beinhalten kann, wie sie die Mitarbeitenden rund um die Uhr geniessen, ist präsent. Doch sie kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die arrivierten Grössen ihre Besucher gern auf eine nette, aber distanzierte Art mit Essen und Floskeln abspeisen. Ihr Ziel ist, Unternehmensgeheimnisse und visuelle Informationen vor der Konkurrenz abzu-schirmen. Das Check-in erinnert teilweise an das Prozedere an einem Flughafen und die nette Begleitung auf dem hausinter-nen Rundgang an die ehemalige DDR.

Amüsant sind auch die von Google in Zürich bekannten Installationen wie die Rutschbahn. Bei YouTube wird den Be-suchern aus der Schweiz eingeschärft, sie mangels Versicherungsschutz nicht auszutesten. Der Minigolfplatz in der Mitte der Bürolandschaft ist ebenso wenig zum Spielen gedacht. Statt der erwarte-ten Kuschel atmosphäre herrscht in den YouTube- Büros Totenstille.

Neuerdings pflegt sogar Twitter Ge-heimniskrämerei. Das Unternehmen ist dank enormen Steuererleichterungen in ein derzeit noch sozial benachteiligtes Viertel an der Marketstreet gezogen. Eine «Seefeldisierung» dieses Quartiers wird erwartet. Denn Twitter residiert dort ebenso grosszügig wie die längst etab-lierten Social-Media-Giganten im Silicon Valley und erweckt mit schicken Präsen-tationen den Eindruck, der Informations-austausch werde immer enger mit dem Thema Werbung verknüpft.

Grossen Wert legt die Sprecherin auf die Feststellung, dass Twitter im Gegen-satz zu Facebook nicht Menschen verbin-de, die einander schon kennen, sondern interessenbasiert funktioniert. Diese Chan-ce nutzten immer mehr Völker in einem immer höheren Tempo: «Für die erste Milliarde Tweets haben wir drei Jahre gebraucht. Nun generieren wir alle drei Tage so viele», erzählt die Marketingmit-arbeiterin. Bereits 70 Prozent aller Tweets würden ausserhalb der USA geschrieben. Die globale Konversation geschehe in 35 Sprachen (Stand März 2013). Sehr wert-voll sei Twitter unter anderem bei Gross-katastrophen wie der Flut an der Ostküste der USA.

Sehr authentisch wirken echte Startups wie der vor drei Jahren gegründete Li-mousinen-Taxiservice namens Uber. Eine Handvoll Mitarbeitende mit auffälligen Augenringen bewegen sich hektisch tele-fonierend zwischen mehreren Dutzend leeren Pulten und Stapeln von Apple-Schachteln. Sie lenken ihre selbstständig operierenden Premiumfahrer per GPS. Es ist ersichtlich, dass die Gründer vom

«Daten sind das Öl dieses Jahrhunderts. Lasst

uns diese Welle reiten», ist das neue Credo.

Herstellung: uV-licht härtet die 0,016 millimeter dicken Schichten im modus extreme High Defini tion (XHD) aus. Das Druckverfahren nennt sich multi-Jet modeling, zum einsatz kommt ein industrieller 3D-Printer.

IMpreSSuM Redaktion und Verlag, Axel Springer Schweiz, Förrlibuckstrasse 70, 8021 Zürich

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bevorstehenden Durchbruch am Markt überzeugt sind und mit der Miete einer ganzen, noch fast leeren Etage in einem schicken Hochhaus für erfolgreiche Zei-ten vorgesorgt haben. Ihre Niederlassun-gen in New York, Chicago und Los Ange-les, aber auch in Stockholm, London und Paris seien bereits am Rotieren, versichern die enthusiastischen Betreiber. Geld für Werbung habe man nicht; das Empfeh-lungsmarketing funktioniere aber bestens via Blogging und von Mund zu Mund.

Aufschlussreich ist ebenfalls ein Vor-trag von Internetguru Chris Anderson. Der Ingenieur mit Schweizer Wurzeln will mit

der Herstellung von Drohnen eine neue industrielle Revolution einläuten. Als Väter der Entwicklung lobt er die ETH Zürich und die EPF Lausanne. Mit seiner Firma 3D Robotics präsentierte sich Chris An-derson als Macher und Startup-Unterneh-mer, nicht mehr als Wissenschafter und Journalist. Ein Umsatz von mehreren Mil-lionen US-Dollar gibt ihm recht.

Dreidimensionaler Blick in die ZukunftRäumlich die Phase verkörpernd, da

Kleinstbüros neben dem Bildschirm noch Surfbrett und Fahrrad beherbergen müs-sen und der Kaffee aus einer Kartonschach-tel in Pappbecher ausgeschenkt wird, öffnet Pionier Metaio mit seinem «Aug-

mented Reality»-Tool ein spannendes Fenster in die Zukunft. In Kürze dürften demnach selbst unsere privaten Smart-phones Bilder dreidimensional darstellen. Dieses Teilen räumlicher Ansichten soll die Werbung revolutionieren und ein rie-siger Goldgrubenmarkt sein für Autopro-duzenten, die Mode- und Möbelbranche, Spielzeuganbieter, Hochglanzmagazine und viele mehr. Laut dem lokalen Chef Trak Lord vermag «the cool stuff» den Monatsumsatz von Grosskunden um 30 Millionen US-Dollar zu steigern.

Erstaunlich klein ist auch Storify, ein in San Francisco angesiedeltes KMU, das uns die Welt erklären will. Gegründet und betrieben von erfahrenen Medienschaf-fenden, kuratiert Storify mit hoher Pro fes-sionalität Links zu Texten, Bildern und Filmen. Co-Gründer Burt Herman, der sich als Kriegsreporter verdient gemacht hat und sich trotz seinem raschen Erfolg auffällig informell gibt, legt grossen Wert auf das Verifizieren von Fakten, bevor sie neu aufgemischt global publiziert werden. Dies schafft er mit einem Dutzend Mit-arbeitenden anstelle von Maschinen. Noch legt er Zahlen und Fakten über sein Start-up nicht offen.

Fazit: Social, local, mobile – im Silicon Valley werden diese drei Werte mit In-brunst gelebt. Wie hungrige Wölfe verfol-gen die aus aller Welt stammenden Inter-netcracks gemeinsam mit ihren Business Angels die Vision, eines Tages ein erfolg-reiches Unternehmen an die Börse bringen oder verkaufen zu können. Dafür arbeiten sie hart, stehen täglich im Stau auf dem Highway 101 und lassen die Wirtschaft brummen.

In Kürze dürften dank Metaio auch unsere privaten

Smartphones Bilder dreidimensional darstellen.

Herstellung: UV-Licht härtet die 0,016 Millimeter dicken Schichten im Modus Extreme High Defini tion (XHD) aus. Das Druckverfahren nennt sich Multi-Jet Modeling, zum Einsatz kommt ein industrieller 3D-Printer.

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SwiSSnex

Kontaktvermittler sowie ReiseleiterGlobal Als eine von der Eidgenossen-schaft vor einem Jahrzehnt gegründete Organisation zur Förderung von Wirt-schaft, Wissenschaft und Kultur unter-stützt Swissnex Schweizer Startups und expandierende Organisationen mit Schulungen und Tagungen dabei, im Ausland leichter Fuss zu fassen, Netzwerke zu bilden und Visibilität zu erhalten. Alle Anstrengungen dienen der Förderung von Innovation.

Regional Swissnex San Francisco etwa pflegt vor Ort 20 000 Kontakte, arbei-tet mit allen Schweizer Universitäten zusammen, hat letztes Jahr 21 Startups besucht und 107 Events mitorganisiert, an denen mehr als 28 000 Personen teilgenommen haben. Das Jahresbud-get 2012 betrug 2,5 Millionen US-Dol-lar (http://swissnexsanfrancisco.org).

Lokal Swissnex San Francisco beschäf-tigt 17 Mitarbeiter. Sie leiten abwechs-lungsweise die begehrten Studien-reisen in der San Francisco Bay Area, die fünftgrösste Metropolregion der USA. Welche bekannten und noch un-bekannten Marken man in der Region zwischen San José, San Francisco und Oakland entdecken kann, veranschau-licht die Landkarte (siehe Bild rechts). w

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