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HANNES SCHWARZ 1926 - 2014 Hannes Schwarz im Gespräch mit Walter Kratner (2006)

Hannes Schwarz 1926-2014

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In Erinnerung an Hannes Schwarz. Hannes Schwarz begleitete über viele Jahre die Veranstaltungsreihe pfingstART. Anlässlich seines Todes erinnert pfingstART an den bedeutenden österreichischen Maler mit einem Gespräch, das Hannes Schwarz im März 2006 zu seinem 80. Geburtstag mit Walter Kratner führte.

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HANNES SCHWARZ1926 - 2014

Hannes Schwarz im Gespräch mit Walter Kratner(2006)

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Hannes Schwarz begleitete über viele Jahre die Veranstaltungsreihe pfingstART. Anlässlich seines Todes erinnert pfingstART an den bedeutenden österreichischen Maler mit einem Gespräch, das Hannes Schwarz im März 2006 zu seinem 80. Geburtstag mit Walter Kratner führte.

Aktueller Anlass für dieses Gespräch ist Dein be-vorstehender 80. Geburtstag. Löst dieser Jahrestag besondere Erinnerungen bei Dir aus?

Die Erinnerung an meine Kindheit ist besonders eindringlich. Es waren wunderbare Jahre, damals, in Anger. Ich sehe das aufgelassene Sägewerk oder die alte Mühle noch heute vor mir. Der Hof meiner Eltern und der Wald mit den kleinen Felsen und Schluchten ist mir gerade in diesen Tagen wieder vollkommen gegenwärtig geworden. Dort kannte ich jeden einzelnen Baum und ich höre noch den Zug, der jeden Tag morgens und abends vorbeifuhr. Viele

Episoden aus diesem Kindheitsparadies könnte ich erzählen: vom Schifahren oder vom Schwimmen bei Hochwasser in der Feistritz. Ich erinnere mich an das lange Anstehen der Nachbarsfamilien vor dem Brunnen, um das tägliche Trinkwasser zu holen. Sie warteten gelassen am Dorfplatz, bis das Wasser aus der defekten Pumpe sprudelte. Für mich war es eine friedliche Welt. In dieser Vorkriegszeit zählte auch noch eine jüdische Familie zu unseren Nachbarn. Ich ging sehr gerne dorthin.

Eine Welt ohne Konflikte?

Eigentlich schon! Mein Vater arbeitete in der „Elin“ und war Sozialist der ersten Stunde - meine Mutter war Schneiderin, streng katholisch, und arbeitete bis in die halbe Nacht hinein. Die wirtschaftlichen Verhältnisse waren sehr bescheiden, doch bezahl-ten die Eltern noch mit ihrem letzten Geld meinen Geigenunterricht. Wahrscheinlich weil ich so klein und mager war, glaubten sie, mich besonders fördern zu müssen. Sie widmeten mir mehr Aufmerksamkeit, als meinen zwei viel älteren Geschwistern.

Im geteilten Herz der Kindheit

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Wann begann die Vertreibung aus diesem vermeintli-chen Paradies?

Eigentlich war es keine Vertreibung! In Anger war es unmöglich eine höhere Schule zu besuchen. Dazu kam, dass sich meine Eltern eine „bessere“ Ausbil-dung für mich sowieso nicht leisten hätten können. Als man mich in der Pflichtschule in Weiz für eine NS-Ordensburg ausgesucht hatte, war das meine große Chance. Ich erfüllte alle Voraussetzungen, die die Nazis verlangten: körperlich war ich inzwi-schen sehr gut trainiert, musikalisch ausgebildet und intelligent. Um nach Sonthofen, in die „Eliteschule“ zu gelangen, musste ich allein nach Berlin fahren. Das werde ich niemals vergessen! Ich war damals ja niemals weiter, als bis nach Graz gekommen und hatte schon im Zug furchtbares Heimweh! Die Men-schenmenge am Bahnhof in Berlin flößte mir Angst ein. Auch die ersten Nächte in der Schule waren ein Alptraum! Ich musste immerfort nur an mein „zu Hause“ in Anger denken. Doch die Lehrer und NS-Ausbilder waren auf den verzweifelten Gemütszu-stand, den die meisten Neuankömmlinge zu diesem

Zeitpunkt hatten, gut eingestellt und beschäftigten uns tagsüber ununterbrochen mit Reiten, Fußball und Segelfliegen. So verschwand mein Heimweh bereits nach der ersten Woche. Wir gehörten zur „Elite“ des „Deutschen Volkes“ und es beeindruckte mich un-gemein, dass wir in Schulbussen fuhren, die eigene Chauffeure hatten.

Das hört sich sehr nach einer Idylle an?

Es war ein Köder! Es war Verführung! Stell Dir vor, als wir im besetzten Paris in der „Grand Opera“ mit einem Cello-Konzert auftraten, schärften sie uns ein, als „Deutsche“ nicht vor Franzosen vom Gehsteig hinab zu treten, weil wir „die Herrenmenschen“ seien! Natürlich dachten wir darüber weiter gar nicht nach, denn das Propagandaministerium filmte und zeigte später unser Konzert ausführlich in der „Deut-schen Wochenschau“.

Mit Kriegsende war dann diese Welt auch für euch zusammengebrochen?

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Eigentlich schon früher, als sie uns in den Krieg geschickt haben. Dabei fühlten wir uns in Gehorsam und Disziplin dem „Führer“ und dem „Deutschen Volk“ so verpflichtet, dass wir freiwillig „Himmel-fahrtskommandos“ übernahmen. Wir hatten Angst vor der Schmach, der „Feigheit vor dem Feind“ bezichtigt zu werden. Sollte dieser Selbstbetrug allerdings nicht mehr greifen, wartete die „Deutsche Wehrmacht“ mit einem Hinrichtungskommando auf uns. Das Kriegsende bedeutete aber die größte Zäsur in meinem Leben! Es war für mich ein Schock, zu flie-hen, nach Anger zu meinen Eltern zurückzukehren und mich dort für längere Zeit vor den Alliierten ver-stecken zu müssen. Ich wollte diesen Krieg, diesen Schrecken verstehen und begann alles das zu lesen, was die Nazis unter ihrem Regime in den Schulen verboten hatten.

Weiz ist auch heute nicht der idealste Ort, um künst-lerische oder gesellschaftliche Entwicklungen zu verfolgen. War es schwierig, an diese Bücher zu kommen?

Die kleinen, gelben „Reclam-Bücher“ konnte ich mir leisten. Ich war von der Frage nach der „Schuld“ fast besessen und suchte Antworten für den Grund der Katastrophe. In meiner engen Dachstube in Birkfeld habe ich tage- und nächtelang gelesen. Zwischen-durch spielte ich Geige. In den Schriften der Exis-tentialisten - vor allem bei Camus - glaubte ich zu dieser Zeit einige Antworten gefunden zu haben. In meiner Bibliothek stehen heute noch alle diese Bücher mit meinen Notaten von damals. Ich weiß bis heute nicht, wie ich das zeitlich geschafft habe.

Heute werden Deine Bilder europaweit ausge-stellt, eine große Retrospektive wurde in Wien 2003 gezeigt. Schlussendlich richtete auch Weiz einen „Hannes Schwarz Saal“ ein. Für mich bleibt aber die kleine Emanuelkapelle der schönste Rahmen für Deine Bilder. Sie sind zwischen Religiosität und Skepsis angesiedelt, ohne musealen Charakter. Was empfindest Du, wenn Du diese Kapelle besuchst, denn die Bilder sind für Dich ja auch eine Begeg-nung mit dir selbst?

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Als man an mich herantrat, die künstlerische Ausge-staltung zu übernehmen, habe ich zuerst abgelehnt. Kirchen zu bauen erschien mir nicht zeitgemäß, denn die heutigen Kathedralen sind Banken und Sportsta-dien! Dann begriff ich die Emanuelkapelle als eine Gedenkkapelle, in der auch an die Greul in der Kir-chengeschichte gedacht wird. Vielleicht erscheint sie auch deshalb manchem Besucher „düster“, aber die Geschichte der Institution „Kirche“ besteht nicht nur aus mit Gold verzierten Hochaltären. Jetzt betrete ich die Kapelle und bin glücklich diesen Auftrag übernommen zu haben. Ich sehe die Bilder haben Bestand, obwohl sie nicht im heutigen Trend liegen. Ansonsten bin ich bei Ausstellungen immer sehr unsicher, aber hier fühle ich, dass sie über den Tag hinaus „schön“ sind.

Johannes Rauchenberger spricht im neuen Kunst-buch über Weiz, das Mitte Mai erscheinen wird, von der Friedfertigkeit eines alt geworden Bürgers seiner Stadt gegenüber. Kein Blick zurück im Zorn?

Über das Alter des Zornes bin ich hinaus. Doch

erinnere ich mich an das Jahr 1953. Es war die erste Ausstellung moderner Kunst in Weiz nach dem Krieg. Sie fand im „Werksheim 3“ statt und ver-sammelte junge Künstler vorwiegend aus Graz. Wir hatten uns in der „Jungen Gruppe“ organisiert und wollten endgültig mit dem latent weiter bestehenden Kunstdiktat des Faschismus und mit der unerträgli-chen „Schönfärberei“ des Lebens durch die meisten Politiker brechen. Kommentar eines Weizer Be-suchers vor einem meiner Bilder war: „Zu diesem Idioten schicke ich mein Kind nicht in die Schule!“ Hinter gespielter Höflichkeit gibt es dieses Unver-ständnis immer noch, aber ich glaube, ich hatte ein ausgefülltes Leben.

Hannes Schwarz im Gespräch mit Walter Kratner, März 2006

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„... wenn Haus und Bäume in die Weite schweben ...“,2002, Öl/Leinwand, 110x90 cm