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Damit das Sterben nicht zum Notfall wird..
8. DKST
Education Day 19.03.2015
C. Hasan
Vodafone Stiftungsinstitut für Kinderschmerztherapie und päd. Palliativmedizin,
Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln, Univ. Witten/Herdecke
1. Was ist ein Notfall - Palliativversorgung?
Notfall-Palliativ:
� In der Regel vorhersehbar
� Antizipation, Vorbereitung und Prävention leidvoller Symptome meistens möglich
� Bedarf einer sofortigen Intervention
� Lindern leidvoller Symptome und Erhalt der Lebensqualität werden erwartet
+Angemessene medizinische Intervention wird erwartet
Notfall:
� Meistens plötzlich eintretend und nicht vorhersehbar
� Antizipation ist in der Regel nicht möglich
� Bedarf einer sofortigen Intervention
� Intensivtherapie und Lebensrettung (Reanimation) wird erwartet
� Zusätzliches Leid durch Intensivtherapie wird akzeptiert
2. Therapieentscheidungen - Palliativversorgung
Hirntumor, schwere Mehrfachbehinderung
Interkurrente Komplikation (Akute Appendizitis)
Erkrankungsbedingte Komplikation(Akute Luftnot bei Pneumonie)
Erkrankungsbedingte irreversible „Komplikation“
���� Sterben (Atemstörung)
Intensivtherapie
Symptomkontrolle
+
Hirntumor, schwere Mehrfachbehinderung
Interkurrente Komplikation (Akute Appendizitis)
Erkrankungsbedingte Komplikation(Akute Luftnot bei Pneumonie)
Erkrankungsbedingte irreversible „Komplikation“
���� Sterben (Atemstörung)
Intensivtherapie
Symptomkontrolle
+
2. Therapieentscheidungen - Palliativversorgung
Ethische Prinzipien – bei Komplikationen
Autonomie Fürsorge
Wohlergehen Gerechtigkeit
Nicht schaden Würde
Patient Eltern
Palliative Care Team
2. Therapieentscheidungen - Palliativversorgung
Ethische Prinzipien – bei Komplikationen
Autonomie Fürsorge
Wohlergehen Gerechtigkeit
Nicht schaden Würde
Patient Eltern
Palliative Care Team
2. Therapieentscheidungen - Palliativversorgung
Vorausplanung
� Antizipation der Komplikationen / des Sterbeprozesses
abhängig von: - Erkrankung
- Aktueller Therapie (z.B. Chemotherapie)
- Komorbidität
- Zusätzlichen Prozeduren (z.B. VP-Shunt)
� Vor-Bereitung auf Komplikationen / den Sterbeprozess
abhängig von: - Individuellen Bedürfnissen Patient / Familie
- Erkrankung
- Setting (z.B. zu hause)
- Information an alle Mitversorgern
� Compliance der Notfall-Versorger
gewährleisten: - Angebot „Empfehlungen zum Vorgehen in Notfallsituationen“
- Information an Notfall-Versorger
Vorausplanung
� Antizipation der Komplikationen / des Sterbeprozesses
abhängig von: - Erkrankung
- Aktueller Therapie (z.B. Chemotherapie)
- Komorbidität
- Zusätzlichen Prozeduren (z.B. VP-Shunt)
� Vor-Bereitung auf Komplikationen / den Sterbeprozess
abhängig von: - Individuellen Bedürfnissen Patient / Familie
- Erkrankung
- Setting (z.B. zu hause)
- Information an alle Mitversorgern
� Compliance der Notfall-Versorger
gewährleisten: - Angebot „Empfehlungen zum Vorgehen in Notfallsituationen“
- Information an Notfall-Versorger
KOMMUNIKATION
3. Antizipation - Komplikationen
Komplikationen Erkrankungsbeispiele Medikamente Besonderheiten
Krampfanfall (selten leidvoll)
Neurodegenerative ErkrankungZNS-Tumor, -Metastase, -
FehlbildungenStoffwechselerkrankungen
Antiepileptika Krampfanfall verursacht dem Betroffenen kein
Leid
Blindheit, Taubheit, Aphasie,
Parese(leidvoll)
ZNS-Tumor, -MetastaseZNS-Blutung
Anxiolytika, Sedativa
Aufklärung des Patienten über
potentielle Möglichkeit
Akuter Hirndruck(leidvoll)
ZNS-Tumor, -MetastaseShunt-Dysfunktion
AntiödematöseMedikamente,Antiemetika,
Opioide
Verantwortliches Abwägen der
Indikation einer Shuntanlage
Ateminsuffizienz (zentral bedingt)
(durch Hyperkapnieselten leidvoll)
ZNS-Tumor, -MetastaseNeurodegenerative Erkrankung
ZNS-BlutungMetabolische Entgleisung
(Anxiolytika, Sedativa)
Eltern auf path. Atemrhythmus
vorbereiten,Keine Indikation für
eine Beatmung
Ateminsuffizienz (pulmonal,
muskulär bedingt)(leidvoll)
Lungenerkrankungen oder -metastasen
Neurodegenerative ErkrankungMuskuläre Erkrankung
Infektiöse Komplikation bei schwerer Mehrfachbehinderung
Opioide Cave: Atemnot bei pulmonaler Ursache
Verantwortliches Abwägen der Indikation zur
Beatmung, Tracheotomie
Herzinsuffizienz(leidvoll - Atemnot)
Inoperabler HerzfehlerPulmonale Hypertonie
Dilatative Kardiomyopathie
Diuretika,Betablocker,
Opioide,Sedativa,
Anxiolytika,
Selten akut einsetzende Komplikation
Ileus(leidvoll - Miserere)
Mechanische Ursache (z.B. Tumor, Metastase, Obstipation)
Neurogene Erkrankungen
Ablaufsonde,Antiemetika,
Spasmolytika,Analgetika,
Antisekretorika
Starke Beeinträchtigung des Patienten und seiner
Angehörigen
3. Antizipation - Komplikationen
Harnverhalt(leidvoll)
Mechanische Ursache (z.B. Tumor, Metastasen)Neurogene Erkrankungen;
Opioid-Nebenwirkung
Blasen- oder suprapubischer
Katheter,Distigminbromid
Als Opioidneben-wirkung passageres
Symptom
Haut-, Schleimhaut-
Blutungen(leidvoll)
Thrombo- oder Panzytopenie;Exulzerierender Tumor;
Plasmatische Gerinnungsstörung
Hämostyptika,ggf. TK-Gabe, Faktorengabe,Antifibrinolytika
Blutverlust oft subjektiv zu hoch eingeschätzt,
selten Therapieindikation
Arterielle Blutung(leidvoll)
Tumorinfiltration einer Arterie Sedativa,Opioide
In der Regel nicht beherrschbare Komplikation
IntestinaleBlutung(leidvoll)
Plasmatische GerinnungsstörungThrombo- oder Panzytopenie
Mukositis, Infektion
ggf. TK-Gabe, Faktorengabe,Antifibrinolytika
Selten
Hirnblutung(leidvoll)
Tumor, Metastase;Selten Thrombozytopenie
Opioide,Sedativa,
Dexamethason
In der Regel nicht beherrschbare Komplikation
3. Antizipation - Komplikationen
Emotionale Not
� Chance der Heilung vertan – noch nicht alles versucht
„Technische“ Komplikationen
� Ernährungssonde obstruiert
� Gerät defekt
� i.v. – Zugang blockiert
� Portnadel disloziert
� PCA-Pumpe leer (z.B. Boli nicht berechnet)
3. Antizipation - Komplikationen
� Sicherheit für Patienten und Eltern
� Medikamente für neu auftretende Symptome
� Eine Telefonnummer für den Notfall (gut sichtbar)
4. Vor-Bereitung auf Komplikationen
� 24-stündige Erreichbarkeit der Krankenpflege und des Kinderarztes
� Gewährleistung eines unverzüglichen Hausbesuches bei Eintreten einer Komplikation
� Bereitschaftsplan, der für alle Versorger absolute Verbindlichkeit besitzt
� Vernetzung mit einem spezialisierten Palliativteam (Arzt, Pflege, psychosoziale Mitarbeiter) und ggf. seelsorgerisch-spirituellem Beistand
� Regelmäßiger, kurzfristiger Informationsaustausch zwischen allen Versorgern und Eltern (z.B. aktualisierter Medikamentenplan)
� Unmittelbare Rückmeldung an die Eltern (Patient) bei Veränderungen der klinischen Situation
4. Vor-Bereitung auf Komplikationen
� Sicherheit für Patienten und Eltern
� Medikamente für neu auftretende Symptome
� Eine Telefonnummer für den Notfall (gut sichtbar)
4. Vor-Bereitung auf Komplikationen
Medikamenten Plan – (Beispiel: ohne i.v. Zugang oder Ernährungssonde)
1. Medikamente – beim Patienten� Prozedere vorher einüben
2. Medikation (KG: 20 kg)
1. Fentanyl intranasal – bei Schmerz
� Initiale Dosis: 0,4 ml (20 µg)1
� Applikation: intranasal
� Wiederholungsdosis: 0,4 ml
� Zeitabstand: 15‘
2. Lorazepam 1 mg Tablette buccal – bei Angst
3. Midazolam2 0,5 ml (2,5 mg) buccal – bei Panik
1Spray intranasal : 50 µg/Dosis; Injektionslösung: 100 µg/2 ml;2Injektionslösung: 5 mg/1 ml
4. Vor-Bereitung auf Komplikationen
� „Empfehlungen zum Vorgehen in Notfallsituationen“
(Beim Patienten positionieren)
� Zuständige Notarzt-Einsatzzentrale informieren
(Telefonische Rückfragen ermöglichen)
5. Compliance der Notfall - Versorger
„Empfehlungen zum Vorgehen in Notfallsituationen“
2009
(DNR order - Do Not to Resuscitate)
1976
1. Ausbildung in der Gesprächsführung einer DNR order
� Mehrheit der Ärzte und Schwestern erhielt wenig - keine strukturierte
Ausbildung oder praktische Anleitung
2. Wann ist der beste Zeitpunkt, um das Gespräch über eine DNR
order anzubieten?
� 79,5 % - beim Erstkontakt
oder in einer stabilen Erkrankungssituation des Patienten
3. Wann haben Sie meistens das Gespräch angeboten?
� 92,1 % - in einer Akutsituation
oder wenn der Tod unmittelbar bevorstand
4. Verändert es die Behandlung des Patienten, wenn eine DNR order
vorliegt? Wenn „Ja“ – Wie?
� 68,7% - die Behandlung des Patienten ändert sich
� 11,2 % - keine Reanimation bei Herz-Atem-Stillstand
� 36,7 % - erhöhte Aufmerksamkeit für Wohlbefinden des Patienten
� 52,1 % - keine Reanimation bei Herz-Atem-Stillstand und erhöhte
Aufmerksamkeit für das Wohlbefinden,
- Begrenzung oder Beendigung diagnostischer und
therapeutischer InterventionenClinician Perspectives Regarding the Do-Not-Resuscitate order; A. Sanderson et al., 2013, JAMA
DNR order
5. Welche Gründe bestanden, dass kein DNR order-Gespräch geführt
wurde? Top 3 - Hindernisse
� 39,1 % - Unrealistische Erwartungen der Eltern
� 38,8 % - Fehlende Bereitschaft der Eltern für das Gespräch
� 30,4 % - Unterschiedliche Auffassung zwischen dem Klinikteam und
dem Patienten/Eltern über die Prognose der ErkrankungClinician Perspectives Regarding the Do-Not-Resuscitate order; A. Sanderson et al., 2013, JAMA
DNR order
Zitat…
Zeitpunkt:
� Gesprächsangebot im Zeitraum der Diagnosestellung
Welche Absprachen:
� Wiederbelebungsmaßnahmen
� Intensive Behandlungsmaßnahmen
Wer trifft die Absprachen:
� Patient (wenn er über Fähigkeiten verfügt, die eine tragfähige
Therapieentscheidung möglich machen)
� Sorgeberechtigte
Verbindlichkeit:
� keine rechtliche Verbindlichkeit für den Notarzt
� Eltern können die EVN vorlegen, aber keine Verpflichtung
„Empfehlungen zum Vorgehen in Notfallsituationen“
� Seit 2012: EVN
DNR
Zeitpunkt:
� Gesprächsangebot im Zeitraum der Diagnosestellung
Welche Absprachen:
� Wiederbelebungsmaßnahmen
� Intensive Behandlungsmaßnahmen
Wer trifft die Absprachen:
� Patient (wenn er über Fähigkeiten verfügt, die eine tragfähige
Therapieentscheidung möglich machen)
� Sorgeberechtigte
Verbindlichkeit:
� keine rechtliche Verbindlichkeit für den Notarzt
� Eltern können die EVN vorlegen, aber keine Verpflichtung
„Empfehlungen zum Vorgehen in Notfallsituationen“
Sterbenlassen - „passive Sterbehilfe“
…wenn eine lebensverlängernde medizinische Behandlung unterlassen wird und dadurch der durch den Verlauf der Krankheitbedingte Tod früher eintritt, als dies mit der Behandlung aller Voraussicht nach der Fall wäre.
Unterlassen:
- keine lebensverlängernde Maßnahme einleiten
- keine Fortführung einer bereits begonnenen Maßnahme
- aktives Beenden einer bereits begonnenen Maßnahme
Nationaler Ethik-Rat
2006
„Empfehlungen zum Vorgehen in Notfallsituationen“
Umfrage EVN – pädiatrische Palliativteams in Deutschland
1. Hohe Akzeptanz
2. Gesprächsangebot für Patient und/oder Eltern
� Besprechung des Krankheitsverlaufs
� Antizipation von möglichen Komplikationen
� Vorbereitung auf das Lebensende
2. Regelmäßige Aktualisierung notwendig
3. Handlungssicherheit in der Notfallsituation
„Empfehlungen zum Vorgehen in Notfallsituationen“
Carola Hasan
2009 (nicht veröffentlicht)
� „Empfehlungen zum Vorgehen in Notfallsituationen“
(Beim Patienten positionieren)
� Zuständige Notarzt-Einsatzzentrale informieren
(Telefonische Rückfragen ermöglichen)
5. Compliance der Notfall - Versorger
Fallbeispiel - SteffenRettungsdienst xx, Herr Münstermann Datum: xx. 2011
Nachrichtlich• Kinderarzt• Familie
Prozedere beim Eingang eines Notrufes
Patient: Steffen, geb. am xx.xx.1995Wohnhaft in: Telefon:
Diagnose: 3. pulmonales Rezidiv bei undifferenziertem embryonalem Sarkom der Leber
Sehr geehrter Herr Münstermannmit oben genannten Patienten (in Absprache mit der Familie) wurde vereinbart:
- Es liegt eine „Empfehlung zum Vorgehen im Notfall“ vor (Original bei der Familie). - Es wurde vereinbart, dass Steffen keine Wiederbelebungsmaßnahmen wünscht.- Es soll auch kein Transport auf eine Intensivstation erfolgen.- Bitte Symptomkontrolle vor Ort (Notfallmedikamente und Plan vor Ort). oder:
- Auf Wunsch des Patienten und seiner der Familie Transport zur VKJK Datteln, Station Lichtblicke, Dr. –Friedrich-Steinerstr. 5, 45711 Datteln.
- Bei Fragen kann das SAPV Kinderpalliativteam kontaktiert werden: 0173 2809810
Dr. C. Hasan (OÄ) S. Magnus (Versorgungskoordinatorin)
Für den Notarzt!
Palliativmedizinischer Behandlungsplan Datteln, den 10.06.20xxName: Steffen geb.: xx.xx.1995Gewicht: 51kg
Hauptdiagnosen: Drittes pulmonales Rezidiv bei Lebersarkomo Kardiale Insuffizienz durch verdrängendes Tumorwachstum auf den linken Ventrikelo Eingeschränkte respiratorische Situation - beinahe komplette Metastasierung des li. Lungenflügelso Rezidivierend Hämoptysis
Katheter: Port – a – cath
Symptom Vorgehen (empfohlene Reihenfolge)Dyspnoe/Schmerzen
1.Abstral® Tablette 100µg (Fentanyl) buccal
2.Instanyl NS® 100µg/Sprühstoß (Fentanyl) nasal
3.Morphin 2,5mg/Bolus intravenös
Angst/ Panik/Extreme Unruhe
1.Abstral® Tablette 100µg (Fentanyl) buccal
2.Instanyl NS® 100µg/Sprühstoß (Fentanyl) nasal
3.Morphin 2,5mg/Bolus intravenös
Blutung 1.Abstral® Tablette 100µg (Fentanyl) buccal
2.Instanyl NS® 100µg/Sprühstoß (Fentanyl) nasal
3.Morphin 2,5mg/Bolus intravenös
� Jedes Medikament kann wiederholt, ohne Zeitlimitation, gegeben werden, wenn Wirkung nicht ausreichend.� Abstral und Instanyl alternativ anwendbar, abhängig davon, welcher Applikationsweg vorteilhafter.
Dieser Behandlungsplan umfasst nicht alle möglichen Symptome und ist als Empfehlung gedacht. Es liegt selbstverständlich im Ermessen des Notarztes, die Therapie eigenverantwortlich zu verändern.
Ärztliche Zuständigkeit:1) Kinderarzt Herr Dr. xx: 023... (zu Praxisöffnungszeiten)2) Ambulantes pädiatrisches Palliativteam Datteln: 02363/975 -700 (mit 24-stündiger Bereitschaft))
Dr. C. Hasan
Fallbeispiel - Steffen
Damit das Sterben nicht zum Notfall wird…
Sterbebegleitung
Maßnahmen zur Pflege und Betreuung von Todkranken und Sterbenden
� Körperliche Pflege� Löschen von Hunger- und Durstgefühl� Mindern von Übelkeit, Atemnot, Angst� Menschliche Zuwendung und Begleitung
Ziel:
� Die Fähigkeit des Patienten, den eigenen Willen auch in der
Sterbephase zur Geltung zu bringen, so lange zu erhalten,
wie es medizinisch möglich, für den Betroffenen erträglich und
von ihm gewollt ist.
Nationaler Ethik-Rat
2006
Damit das Sterben nicht zum Notfall wird…
Edvard Munch
Die Begrenzung der Not ist abhängig von:
• der individuellen Situation
• den Erfahrungen des Kindes und der Eltern
• dem Wissen, der Haltung und den Fähigkeiten der Versorger