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A. Anspruch B gegen A aus §433 Abs. 2 BGB1
B könnte gegen A einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung iHv 160 Euro aus §433
Abs. 2 haben.
I. Anspruch entstanden
Voraussetzung hierfür wäre ein wirksamer Kaufvertrag. Ein Kaufvertrag kommt
durch zwei korrespondierende Willenserklärungen zustande, Angebot und
Annahme.
1. Angebot
Fraglich ist, was in diesem Fall als Angebot anzusehen ist. Das Zusenden der
Ware kommt hierfür in Betracht.
Ein Angebot gem. §145 ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung2,
die auf den Abschluss eines Vertragsverhältnisses gerichtet ist und inhaltlich so
bestimmt ist, dass es durch bloße Zustimmung angenommen werden kann. Zu
diesem Zweck muss es die sogenannten essentialia negotii, Ware und Preis,
enthalten, und den Vertragspartner kenntlich machen. Sie wird gem. §130 Abs. 1.
S. 1 mit Zugang an den Adressaten wirksam.3
Das Schreiben der B an A enthält sowohl die Preise als auch die mitgesendeten
Waren. Auch die B als Vertragspartnerin geht klar hervor. Somit ist das Angebot
inhaltlich hinreichend bestimmt.
Problematisch könnte in diesem Fall allerdings der Zugang des Angebots sein.
Gem. §131 Abs. 2 S. 2 muss das Angebot bei Abgabe an einer in der
Geschäftsfähigkeit beschränkten Person lediglich einen rechtlichen Vorteil
aufweisen, um wirksam zu werden. In der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind
gem. §106 Minderjährige, die das siebente Lebensjahr vollendet haben. Eine
lediglich rechtlich vorteilhafte Willenserklärung liegt vor, wenn durch sie die
Rechtsstellung des Minderjährigen verbessert wird4. Hierbei kommt es nicht auf
die Vorteilhaftigkeit des Vertrages an sich an, der durch die Angebotserklärung
angetragen wird.
1 Paragraphenangaben ohne Gesetzesbezeichnung sind im Folgenden solche des BGB.
2 Rüthers/Stadler - §19 Rn. 3.
3 Rüthers/Stadler - §17 Rn. 44; Brox/Walker AT 166
4 Rüthers/Stadler - §23 Rn. 9.
2
A war zum Zeitpunkt der Angebotserklärung 17 Jahre alt und somit in ihrer
Geschäftsfähigkeit beschränkt. Durch diese bekommt A die Chance auf einen
Vertragsschluss mit der B, Verpflichtungen liegen allein durch die
Angebotserklärung nicht vor; es handelt sich um eine rechtlich lediglich
vorteilhafte Willenserklärung. Folglich geht die Willenserklärung auch ohne
Einwilligung der Eltern zu.
Es liegt also ein wirksames Angebot der B vor.
2. Annahme
A müsste für das Zustandekommen eines Kaufvertrages dieses Angebot auch
wirksam angenommen haben. Fraglich ist nun, worin eine Annahme der A zu
sehen sein könnte. Die Annahme ist eine grundsätzlich empfangsbedürftige
Willenserklärung, durch die der Antragsempfänger dem Antragenden sein
Einverständnis mit dem angebotenen Vertragsschluss zu verstehen gibt5. A könnte
das Angebot durch eine ausdrückliche Annahmeerklärung angenommen haben.
Sie hat sich gegenüber B aber in keiner Weise geäußert, eine ausdrückliche
Annahme liegt also nicht vor.
A könnte weiterhin das Angebot durch die Zahlung des Kaufpreises angenommen
haben. A zahlte allerdings nicht an B, folglich liegt auch keine konkludente
Annahme durch Zahlung vor.
Fraglich ist, ob das Schweigen der A als Annahme zu werten ist. Grundsätzlich
hat das bloße Schweigen nicht die Bedeutung einer Willenserklärung6. Unter
besonderen Umständen wird Schweigen allerdings als Willenserklärung gewertet.
Eine Variante ist, dass es vorher von den beiden Vertragsparteien vereinbart
wurde, Schweigen als Willenserklärung zu werten7, eine andere, dass es von
Gesetz her geregelt ist8.
In diesem Fall schrieb B in ihrem Schreiben, dass A „gar nichts“ tun müsse; dies
ist weder eine Vereinbarung, da nur von B ausgehend, noch fällt dies unter die
von Gesetz her geregelte Variante. Also kann man hier A’s Schweigen nicht als
Annahme werten.
Die Annahme könnte allerdings konkludent gem. §151 erklärt worden sein; in
diesem Fall muss sie nicht explizit dem Vertragspartner mitgeteilt werden.
5 Brox/Walker AT 176
6 Brox/Walker AT 195, Rüthers/Stadler - §17 Rn. 24
7 Larenz/Wolf - §28 Rn. 71; Brox/Walker AT 91
8 Rüthers/Stadler - §17 Rn. 29
3
Voraussetzung ist, dass ein konkludentes Verhalten nach außen hin gezeigt wird,
das den Willen zum Vertragsschluss signalisiert. So ein Verhalten kann
beispielsweise in der ständigen Nutzung der Kaufsache zu finden sein.
A nutzt den Schal und später auch die Tasche. Außerdem erzählt sie ihrer
Freundin „stolz von dem Schnäppchen“. Hiermit ist nach objektiven Kriterien der
Wille zum Vertragsschluss erkennbar.
Fraglich ist allerdings, ob der Ausnahmetatbestand nach §241a greift und somit
eine konkludente Annahme ausschließt.
a) Ausnahmetatbestand des §241a
Gem. §241a werden „durch Lieferung unbestellter Sachen […] durch einen
Unternehmer an einen Verbraucher“ keine Ansprüche begründet.
aa) Persönlicher Anwendungsbereich des §241a (§13 und §14)
Fraglich ist, ob der persönliche Anwendungsbereich eröffnet ist. Dafür ist
erforderlich, dass ein Verbrauchervertrag vorliegt. Verbraucherverträge sind
Verträge zwischen einem Unternehmer nach §14 als Lieferanten oder Leistenden
und einem Verbraucher gemäß §13 als Kunden.9
Dafür müsste A Verbraucherin i.S.d. §13 sein. Verbraucher ist demnach jede
natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder
ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet
werden kann.10
Problematisch ist hier, dass gerade zu prüfen ist, ob ein
Rechtsgeschäft abgeschlossen wurde; somit kann die Verbrauchereigenschaft nur
durch eine hypothetische Betrachtung ermittelt werden, also ob ein Vertrag über
die unbestellt zugesendete Ware dem privaten oder gewerblichen Bereich des
Bestellers zuzuordnen wäre11
.
A bekommt Schal und Tasche als Privatperson zugesandt und benutzt sie auch zu
privatem Zweck, also ist sie als Verbraucherin gemäß §13 anzusehen.
Weiterhin müsste B als Unternehmerin i.S.d. §14 tätig geworden sein.
Unternehmer ist nach §14 jede natürliche oder juristische Person, die bei
Abschluss eines Rechtsgeschäfts ihre gewerbliche oder selbstständige berufliche
Tätigkeit ausübt12
.
9 Larenz/Wolf, §29 Rn. 67
10 Medicus/Lorenz, Rn. 583
11 Staudinger/Olzen, §241a Rn. 21
12 Medicus/Lorenz, Rn. 584
4
B handelt gewerblich mit französischen Gegenständen und ist folglich
Unternehmerin i.S.d. §14.
Somit ist der persönliche Anwendungsbereich eröffnet.
bb) Sachlicher Anwendungsbereich des § 241a
Fraglich ist, ob der sachliche Anwendungsbereich des §241a eröffnet ist. Dafür
muss gem. §241a Abs. 1 eine Lieferung unbestellter Sachen vorliegen oder die
Erbringung sonstiger Leistungen. Relevant ist hier nur die erste Alternative.
Eine Lieferung liegt vor, wenn die Sache derart in den Herrschaftsbereich des
Empfängers gelangt, dass dieser daran Besitz ergreifen kann13
. Eine Sache ist
gem. §90 ein körperlicher Gegenstand, und unbestellt ist diese, wenn sie dem
Verbraucher ohne eine ihm zurechenbare Aufforderung zugeht.14
Schal und Tasche wurden der A zugeschickt, sodass sie diese benutzen konnte.
Somit hat sie an den Sachen die tatsächliche Sachherrschaft (unmittelbarer Besitz)
erlangt; eine Lieferung liegt damit vor. Besitz kann nur an Sachen ausgeübt
werden15
, folglich sind Tasche und Schal Sachen i.S.d. §90. Des Weiteren ging
von A keine Aufforderung zur Lieferung dieser Sachen aus, womit die Lieferung
auch unbestellt ist.
Somit ist der sachliche Anwendungsbereich eröffnet.
cc) Anwendbarkeit des §241a
Strittig ist nun, ob §241a überhaupt auf diesen Fall anzuwenden ist.
aaa) Konkludente Annahme durch Nutzung
Nach der ersten Ansicht ist in dem Nutzen der Ware eine konkludente Annahme
zu sehen16
. A hätte also eine Annahmehandlung abgegeben.
bbb) Keine konkludente Annahme durch Nutzung
Nach der anderen Ansicht stellt auch eine Nutzung aufgrund von §241a keine
konkludente Annahme dar17
. Somit hätte A keine Annahmehandlung abgegeben.
ccc) Stellungnahme
Da die Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, ist der Streit zu
entscheiden.
13
Staudinger/Olzen, §241a Rn. 22/23 14
Palandt/Grüneberg, §241a Rn. 3 15
Brox/Walker AT, 776 16
Lorenz, JuS 2000, 841; Casper, ZIP 2000, 1607; 17
Palandt/Grüneberg, §241a Rn. 6; MüKo/Kramer; §241a Rn. 13
5
Für die erste Ansicht spricht der Wortlaut des Gesetzes: nur „durch die Lieferung“
werde kein Anspruch begründet, sondern durch den Annahmewillen, der in der
ständigen Benutzung zu erkennen ist18
. Weiterhin spricht der objektive Zweck der
Norm für eine konkludente Annahme, und zwar soll der Verbraucher von der
Lästigkeit, die mit der unbestellten Zusendung verbunden ist, befreit werden19
.
Eine Schenkung sei nicht das Ziel. Der Verbraucher soll nicht den Substanz-oder
Gebrauchswert der Sache ohne Gegenleistung erlangen20
.
Als letztes Argument für diese Ansicht spricht die systematische Stellung der
Paragraphen im Schuldrecht, nicht im Allgemeinen Teil bei der
Rechtsgeschäftslehre21
. Somit wären auch bei der Lieferung unbestellter Sachen
die allgemeinen Grundsätze der Rechtsgeschäftslehre, in diesem Fall §151,
anzuwenden.
Für die andere Ansicht spricht der Sinn und Zweck der Norm nach dem
Gesetzgeber: Der Verbraucher soll die unbestellte Ware gerade beliebig nutzen
und gebrauchen dürfen22
. Es soll im Ergebnis auf eine Schenkung hinauslaufen23
.
Dass die Vorschrift im allgemeinen Schuldrecht steht, spricht nicht dagegen, da
ein zwingender Standort für die Regelung ohnehin nur schwer auszumachen ist24
.
Der letzten Ansicht ist zu folgen. Der Wille des Gesetzgebers ist klar formuliert
und lässt keine Zweifel daran offen. Eine Nutzung unbestellter Waren stellt also
abweichend von der herkömmlichen Dogmatik keine konkludente Annahme dar.
b) Rechtsfolge des §241a
Durch die Wirkung des §241a stellt eine Nutzung der Kaufsache keine
konkludente Annahmeerklärung dar. Folglich ist das Benutzen des Schals und der
Tasche durch die A nicht als Annahme von B’s Angebot zu werten. Es liegt keine
wirksame Annahme vor.
II. Ergebnis
Mangels Annahme ist kein wirksamer Kaufvertrag entstanden. B hat keinen
Anspruch auf Kaufpreiszahlung gegen A aus §433 Abs. 2.
18
Lorenz, JuS 2000, 833 (841); Casper, ZIP 2000, 1602 (1607) 19
Casper, ZIP 2000, 1602 (1607) 20
Berger, JuS 2001, 649 (654) 21
Larenz/Wolf, §29 Rn. 68 22
Palandt/Grüneberg, §241a Rn. 6f; Böttcher/Möritz, VuR 2/2005, S. 46; Schwarz, NJW 2001,
1449 (1451); Sosnitza, BB 2000, 2317 (2323) 23
BT-Drs. 14-2658 S. 46 24
Sosnitza, BB 2000, 2317 (2319)
6
B. Anspruch B gegen A auf Herausgabe des Schals aus §985
B könnte gegen A einen Anspruch auf Herausgabe des Schals aus § 985 haben.
Voraussetzung dafür wäre das Vorliegen einer Vindikationslage. Diese liegt vor,
wenn der Anspruchssteller Eigentümer und der Anspruchsgegner Besitzer ohne
Recht zum Besitz i.S.d. §986 ist25
.
I. A als Besitzerin
A müsste für einen Anspruch aus §985 Besitzerin des Schals sein.
Besitzer einer Sache ist derjenige, der die tatsächliche Sachherrschaft ausübt
(854 I).
A übt keine tatsächliche Sachherrschaft über den Schal aus, mithin ist sie keine
Besitzerin.
II. Ergebnis
B hat mangels Besitzereigenschaft der A keinen Anspruch auf Herausgabe des
Schals aus §985 gegen diese.
C. Anspruch B gegen A auf Herausgabe der Tasche aus §985
B könnte gegen A einen Anspruch auf Herausgabe der Tasche aus §985 haben.
Voraussetzung hierfür wäre das Vorliegen einer Vindikationslage.
I. B als Eigentümerin
Dafür müsste B Eigentümerin der Tasche sein. Eigentum ist das umfassende
Nutzungs- und Verwertungsrecht an körperlichen Gegenständen (Sache i.S.d.
§90)26
. Ursprünglich war B Eigentümerin, könnte das Eigentum aber gem. §929
S. 1 durch Übereignung verloren haben. Voraussetzung dafür ist eine Einigung
der Parteien. Die Einigung ist ein dinglicher Verfügungsvertrag, bestehend aus
beiderseitigen Willenserklärungen27
.
Bei der Tasche handelt es sich um eine unbestellte Ware. Bei solchen ist das
Zusenden zwar auch ein Angebot auf Übereignung, dieses steht nach allgemeinen
Auslegungsgrundsätzen gem. §§ 133, 157 unter der aufschiebenden Bedingung
25
Wolf/Wellenhofer §21, Rn. 8 26
Wolf/Wellenhofer §1, Rn. 12 27
Wolf/Wellenhofer §7, Rn. 4
7
(§158 Abs. 1) der Kaufpreiszahlung bzw. des Vertragsschlusses28
. Nichts anderes
ist hier anzunehmen.
Da diese Bedingung nicht erfüllt ist29
, hat B das Eigentum nicht gem. §929 S. 1
verloren.
Es kommt weiterhin ein gesetzlicher Eigentumserwerb nach §241a in Betracht.
Dies entspricht aber weder dem Wortlaut des §241a noch dem Willen des
Gesetzgebers, der in der Gesetzesbegründung zu dem §241a das dauerhafte
Auseinanderfallen von Besitz und Eigentum anspricht30
, woraus sich schließen
lässt, dass das Eigentum nicht auf den Verbraucher übergehen soll31
.
Folglich ist B noch Eigentümerin der Tasche.
II. A als Besitzerin
Weiterhin müsste A Besitzerin der Tasche sein. Durch das Zusenden der Ware hat
sie die unmittelbare Sachherrschaft über die Tasche erworben. Mithin ist sie
Besitzerin.
III. Kein Recht zum Besitz
A dürfte auch kein Recht zum Besitz i.S.d. §986 haben. Ob die Lieferung
unbestellter Sachen ein solches Recht begründet, ist strittig.
Für ein solches Recht zum Besitz spräche, dass dem Verbraucher ein umfassendes
Recht, die Ware zu nutzen, zu gebrauchen oder zu verbrauchen, zusteht. Dies sei
nichts anderes als ein Recht zum Besitz i.S.d. §98632
.
Andererseits schließt §241a nur Ansprüche des Unternehmers gegen den
Verbraucher aus, und begründet keine Rechte oder Ansprüche des Verbrauchers
gegenüber dem Unternehmer33
. Der Verbraucher darf die Ware nur nutzen, weil
die Ansprüche des Unternehmers ausgeschlossen werden, nicht, weil er ein Recht
zum Besitz innehat. Zudem verlangt ein Besitzrecht, dass zwischen dem
Eigentümer und dem Besitzer eine Rechtsbeziehung besteht, kraft derer dem
Besitzer der Besitz zusteht34
. Allerdings will §241a durch seinen umfassenden
Anspruchsausschluss gerade eine Rechtsbeziehung zwischen Verbraucher und
28
Schwarz, NJW 2001, 1449 (1450); Sosnitza, BB 2001, 2317 (2322); Berger, JuS 2001, 649
(653) 29
s. S. 1ff 30
BT-Drs. 14/2658, S. 46 31
Schwarz, NJW 2001, 1449 (1450); Sosnitza, BB 2001, 2317 (2322) 32
Sosnitza, BB 2000, 2317 (2323) 33
Schwarz, NJW 2001, 1449 (1452) 34
Staudinger NACHSCHLAGEN
8
Unternehmer verhindern35
. Folglich begründe die Lieferung unbestellter Waren
kein Recht zum Besitz.
Letzter Ansicht ist zuzustimmen. A hat kein Recht zum Besitz i.S.d. §986.
Die Voraussetzungen des §985 sind hiermit grundsätzlich erfüllt.
IV. Ausschluss durch §241a
Allerdings könnte der Herausgabeanspruch durch die Sperrwirkung des §241a
ausgeschlossen sein. Die Voraussetzungen des §241a liegen vor36
.
1. Kein Ausschluss der Vindikation
Die erste Ansicht lehnt dies ab37
.
B hätte gegen A einen Herausgabeanspruch nach §985.
2.Ausschluss der Vindikation
Die zweite Ansicht stimmt dem jedoch zu38
.
Somit hätte B gegen A einen Anspruch auf Herausgabe der Tasche nach §985.
3. Stellungnahme
Die Ansichten führen zu verschiedenen Ergebnissen. Daher ist der Streit zu
entscheiden.
Gegen den Ausschluss der Vindikation spricht zunächst der objektive Zweck der
Norm. §241a soll den Verbraucher vor der Lästigkeit unbestellter Waren befreien.
Der Herausgabeanspruch befreit den Verbraucher aber gerade von der ihm
aufgedrängten Ware, weswegen der §241a teleologisch reduziert werden sollte. Es
sei nicht unzumutbar für den Verbraucher, die Ware herauszugeben, wenn der
Unternehmer sie abholen komme39
. Weitere Gründe für eine teleologische
Reduktion seien das dauerhafte Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz
sowie der Sanktionsgedanke, der hinter dem §241a steht. Diese Prinzipien seien
dem BGB fremd40
. Des Weiteren besagt der Art. 9 der Fernabsatzrichtlinie, also
der Artikel, der durch den §241a umgesetzt werden sollte, dass der Verbraucher
von jedweder „Gegenleistung“ befreit werden solle. Der Herausgabeanspruch ist
allerdings keine Gegenleistung, und warum der Gesetzgeber alle Ansprüche gegen
35
Schwarz, NJW 2001, 1449 (1452) 36
s. S. 3ff 37
ohne Begründung Bülow/Artz, NJW 2000, 2056; Casper, ZIP 2000, 1605ff; Flume, ZIP 2000,
1428 38
Schwarz, NJW 2001, 1449 (1450); Sosnitza, BB 2000, 2317 (2319ff); Berger, JuS 2001, 649
(652); Lorenz, JuS 2000, 833 (841) 39
Casper, ZIP 2000, 1602 (1607) 40
Casper, ZIP 2000, 1602 (1607)
9
den Verbraucher ausschließt, sei nicht ersichtlich41
. Somit bestände generell schon
kein Umsetzungsbedarf42
.
Für den Ausschluss der Vindikation spreche zunächst der Wortlaut der Norm:
§241a Abs. 1 spricht von einem „Anspruch gegen diesen“, also den Verbraucher.
Unter diesem weiten Wortlaut lasse sich auch der Herausgabeanspruch nach §985
subsumieren. Dies bekräftige auch die systematische Stellung zu Abs. 2, der eine
Sonderregel für gesetzliche Ansprüche beschreibt. Folglich seien gesetzliche
Ansprüche auch unter Abs. 1 zu subsumieren, so lange Abs. 2 nicht greift.
Weiterhin sei die Norm nicht durch gemeinschafts- oder verfassungskonforme
Auslegung in ihrem Anwendungsbereich einzuschränken, da das
Gemeinschaftsrecht dem nationalen Gesetzgeber keine Schranken zieht. Die
Fernabsatzrichtlinie enthalte nämlich nur eine
Mindestharmonisierungsmaßnahme, wodurch es dem nationalen Gesetzgeber
freigestellt sei, strengere Bestimmungen zu erlassen43
.
Zwar stelle das dauerhafte Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz eine
Ausnahme zu dem System des BGB dar, das heiße aber nicht, dass sich der
Gesetzgeber nicht dieser Ausnahmen bedienen dürfe44
. Ein anderes Beispiel, wo
das Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz außerdem existiere, ist bei der
Verjährung von Herausgabeansprüchen zu finden45
. Auch der Sanktionscharakter
des §241a sei dem BGB nicht völlig fremd: Sowohl im Deliktsrecht als auch beim
Ausschluss des Bereicherungsanspruchs nach §817 S. 2 sowie bei der
Selbsthilfevorschrift des §227 lasse sich ein solcher Sanktionscharakter finden.
Der generalpräventive Zweck dieser Sanktion im Interesse eines verbesserten
Verbraucherschutzes legitimiere die Abweichung von dem klassischen Ziel des
Zivilrechts46
.
Die zweite Ansicht überzeugt. Der Ausschluss der Vindikation entspricht dem
Willen des Gesetzgebers47
. Eine teleologische Reduktion aufgrund eines
objektiven Zweckes ist bei einer solch jungen Norm sehr fragwürdig, wenn er in
diesem Maße dem erklärten Willen widerspricht48
.
41
Casper, ZIP 2000, 1602 (1604) 42
Casper, ZIP 2000, 1602 (1604); Flume, ZIP 2000, 1427 (1429) 43
Sosnitza, BB 2000, 2317 (2319) 44
Sosnitza, BB 2000, 2317 (2320) 45
Sosnitza, BB 2000, 2317 (2320); BT-Drs. 2658 S. 46 46
Sosnitza, BB 2000, 2317 (2320f) 47
BT-Drs. 14-2658 S. 46; Sosnitza, BB 2000, 2317 (2319); Schwarz, JuS 2001, 1449; Riehm,
JURA 2000, 505 (512); Deckers, NJW 2001, 1474 48
Sosnitza, BB 2000, 2317 (2319ff)
10
Aus diesen Gründen ist der Herausgabeanspruch nach §985 durch §241a
ausgeschlossen.
V. Ergebnis
B hat wegen §241a keinen Anspruch auf Herausgabe der Tasche aus §985 gegen
A.
D. Anspruch B gegen A auf Herausgabe der Tasche aus
§812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2
B könnte gegen A einen Anspruch auf Herausgabe der Tasche aus §812 Abs. 1 S.
2, Alt. 2 gemäß der Zweckverfehlungskondiktion haben. Voraussetzung für die
Zweckverfehlungskondiktion ist, dass der Anspruchsgegner etwas durch Leistung
des Gläubigers ohne rechtlichen Grund erlangt hat.
I. Etwas erlangt durch Leistung der B
A muss etwas durch Leistung der B erlangt haben. „Etwas“ ist jeder
Vermögensvorteil49
, Leistung die bewusste und zweckgerichtete Mehrung
fremden Vermögens50
.
A hat durch das Zusenden der Tasche den Besitz an dieser erlangt. B hat die
Tasche der A bewusst zugesendet, um einen Vertrag herbeizuführen. Somit hat A
durch Leistung der B einen Vermögensvorteil erlangt.
II. Ohne Rechtsgrund
Weiterhin darf für diese Leistung kein Rechtsgrund vorgelegen haben. Der
fehlende rechtliche Grund muss darin liegen, dass der Anspruchssteller eine
ungeschuldete Leistung erbracht hat, um ein Tun oder Unterlassen des
Empfängers zu bezwecken51
, und dieser Zweck, über den sich die Parteien
verständigt haben müssen52
, darf nicht eingetreten sein53
. Bei der Verständigung
über den Zweck genügt es, dass der Empfänger die Erwartung des Leistenden
erkennt und durch die Annahme zu verstehen gibt, dass er die Zweckbestimmung
billigt54
.
49
Brox/Walker BT, §37 Rn. 2 50
Brox/Walker BT, §37 Rn. 6 51
Brox/Walker BT, §37 Rn. 32 52
Brox/Walker BT, §37 Rn. 33 53
Brox/Walker BT, §37 Rn. 35 54
Brox/Walker BT, §37 Rn. 33
11
a) Zweck der Leistung
Der Zweck der Leistung muss ein ungeschuldetes Tun oder Unterlassen des
Empfängers sein und darf nicht der Erfüllung einer bestehenden Verpflichtung
dienen55
.
B hat der A die Tasche mit dem Zweck, einen Kaufvertrag zu schließen,
geschickt. Darin bestand auch keine Erfüllung einer bestehenden Verpflichtung.
Somit ist diese Voraussetzung erfüllt.
b) Verständigung der Parteien über den Zweck
Weiterhin müssen sich A und B über den Zweck verständigt haben. Dabei reicht
es aus, wenn B der A ihre Erwartung mitgeteilt hat und A diese billigt, ohne sich
verpflichten zu müssen.
B hat der A in der Sendung ihren Wunsch, einen Kaufvertrag zu schließen,
mitgeteilt. Dies billigt A, ohne eine Verpflichtung eingehen zu wollen. Folglich ist
auch diese Voraussetzung erfüllt.
c) Kein Eintritt des Zwecks
Schließlich darf der Zweck nicht eingetreten sein.
Es kam kein Kaufvertrag zustande. Mithin ist der Zweck nicht eingetreten.
III. Zwischenergebnis
Alle Voraussetzungen der Zweckverfehlungskondiktion sind erfüllt. B hat
grundsätzlich einen Herausgabeanspruch der Tasche gegen A gem. §812 Abs. 1
S.2 Alt. 2.
IV. Ausschluss durch §241a
Allerdings ist dieser bereicherungsrechtliche Anspruch ebenso wie die
Vindikation56
aufgrund der Wirkung des §241a nicht begründet57
.
V. Ergebnis
Demnach besteht kein Anspruch aus §812 Abs. 1 S. 2 Alt 2.
55
Brox/Walker BT, §37 Rn. 32 56
s. S. 8ff 57
Palandt/Grüneberg, §241a Rn. 7; MüKo/Kramer, §241a Rn. 15; Berger, JuS 2001, 649 (652);
Riehm, JURA 2000, 512; Löhnig, JA 2001, 33 (35)
12
A. Anspruch A gegen D auf Schadensersatz aus §823 Abs. 1
A könnte gegen D einen Anspruch auf Schadensersatz aus §823 Abs. 1 haben.
I. Rechtsgutverletzung
Voraussetzung hierfür wäre eine Rechtsgutverletzung i.S.d. §823 Abs. 1. Solche
Rechtsgüter sind gem. §823 Abs. 1 das Leben, der Körper, die Gesundheit, die
Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen. Unter sonstigen
Rechten sind solche absoluten Rechte zu verstehen, kraft deren ihr jeweiliger
Inhaber von jedem anderen verlangen kann, dass er ihn in der Verwertung des
Rechts oder in der Ausübung der aus ihm fließenden Befugnisse nicht
beeinträchtige58
.
1. Eigentum als verletztes Rechtsgut
Zunächst kommt eine Eigentumsverletzung durch D in Betracht.
Eine Eigentumsverletzung liegt vor, wenn in die Befugnisse des Eigentümers, mit
einer Sache nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung
auszuschließen, eingegriffen wird59
.
Dafür müsste A Eigentümerin der Tasche sein. Ursprünglich war B Eigentümerin
der Tasche. Wie aus einer vorherigen Prüfung hervorgeht, hat B das Eigentum
nicht an A verloren60
. Folglich ist A nicht Eigentümerin der Tasche. Das
Eigentum als verletztes Rechtsgut fällt somit raus.
2. Ein sonstiges Recht als verletztes Rechtsgut
Weiterhin kommt die Verletzung eines sonstigen Rechts in Betracht.
Der berechtigte Besitz ist ein solches61
, der unberechtigte nicht62
. Allerdings ist
der Besitz der A an der Tasche unberechtigt. Folglich wurde auch kein sonstiges
Recht verletzt.
Es liegt keine Rechtsgutverletzung vor.
58
Kötz/Wagner Rn. 158 59
Fuchs, S. 17 60
s. S. 6f 61
Kötz/Wagner Rn. 158 62
Schwarz, NJW 2001, 1449 (1453)
13
II. Ergebnis
Mangels Rechtsgutverletzung hat A keinen Anspruch auf Schadensersatz aus
§823 Abs. 1 gegen D.
B. Anspruch A gegen D auf Schadensersatz aus §823 Abs. 2 i.V.m. §303 StGB
A könnte gegen D einen Anspruch auf Schadensersatz aus §823 Abs. 2 i.V.m.
§303 StGB haben.
Voraussetzung dafür ist zunächst, dass eine Schutzgesetzverletzung vorliegt.
I. Schutznormqualität
Entscheidendes Kriterium für die Schutznormqualität ist, dass §303 StGB
Individualschutz gewähren will. Dieser steht im Gegensatz zum Schutz der
Allgemeinheit63
.
§303 StGB soll das „Eigenbeherrschungs-und Eigenverwertungsinteresse“ an
Sachen vor Vernichtung, Beeinträchtigung ihres Bestandes oder Wertes sowie vor
Entziehung tatsächlicher Nutzungsmöglichkeiten schützen64
.
Somit soll ein gewisser Individualschutz gewährleistet werden. Mithin hat §303
StGB Schutznormqualität.
II. Persönlicher Schutzbereich
A kann sich nur auf die Verletzung des §303 StGB berufen, wenn sie zu dem
Personenkreis gehört, den die verletzte Norm schützen will.
§303 StGB schützt „fremdes Eigentum“65
, also Sachen, die jemand anderes als
des Täters Eigentum sind. Die Tasche ist allerdings nicht A’s Eigentum66
.
Somit ist der persönliche Schutzbereich nicht eröffnet.
III. Ergebnis
A hat gegen D keinen Anspruch auf Schadensersatz aus §823 Abs. 2 i.V.m. §303
StGB.
63
Fuchs, S. 128 64
MüKo StGB /Wieck-Noodt, §303 Rn. 1 65
MüKo StGB/Wieck-Noodt, Vorbemerkung zu den §303ff,; Schönke/Schröder-Stree/Hecker,
Vorbemerkungen zu den §§303ff. Rn 1 66
s. S. 6f
14
C. Anspruch A gegen D auf Schadensersatz über eine
Drittschadensliquidation
A könnte gegen D einen Anspruch auf Schadensersatz über eine
Drittschadensliquidation haben.
Eine solche Drittschadensliquidation hat folgende Voraussetzungen: Zunächst
muss derjenige, der aufgrund einer Schädigung einen Anspruch gegen den
Schädiger erhält, selbst keinen Schaden erleiden. Weiterhin darf derjenige, der
den Schaden erlitt, keinen Anspruch gegen den Schädiger haben. Schließlich muss
diese Schadensverlagerung zufällig erfolgt sein67
. Als Folge davon müsse der
Anspruchsinhaber den Anspruch analog zu §285 Abs. 1 an den Geschädigten
abtreten.
Somit hätte A gegen D einen Anspruch auf Schadensersatz über eine
Drittschadensliquidation, falls B einen Anspruch ohne Schaden und A einen
Schaden ohne Anspruch hätte, und diese Verlagerung zufällig erfolgte.
I. Anspruch ohne Schaden
B müsste gegen D einen Anspruch auf Schadensersatz haben, ohne selbst einen
Schaden erlitten zu haben. Schaden ist jeder Nachteil, der an den Rechtsgütern
einer Person entsteht68
Zweifelhaft ist allerdings zunächst, ob ein Unternehmer, der unbestellte Waren
versendet, wirklich keinen Schaden erleide, wenn eine solche unbestellte Sache
beschädigt wird.
Dafür spricht, dass der Unternehmer jegliche Ansprüche gegen den Verbraucher
verliert, wenn er eine Sache unbestellt versendet. Dadurch, dass er sie auch nicht
mehr herausverlangen kann69
, werde sie für ihn wertlos70
.
Allerdings könnte die Ware auch trotz dem Anspruchsausschluss für den
Unternehmer nicht gänzlich wertlos sein: Beispielsweise könnte der Unternehmer
die Ware von dem Verbraucher freiwillig zurückbekommen; dem stehe nichts
entgegen71
. Relevanter ist aber der Fall, wenn ein Dritter in einer der folgenden
Konstellationen zu dem Verbraucher und Unternehmer hinzustößt: Wenn der
Verbraucher die Sache an einen bösgläubigen Dritten veräußert, habe der
67
Verweyen, JURA 2006, 571 (572) 68
Deutsch/Ahrens, §33, Rn. 621 69
s. S. 6ff 70
Link, NJW 2001, 2811 (2812) 71
Verweyen, JURA 2006, 571 (575); Jacobs, JR 2004, 490 (492)
15
Unternehmer die Möglichkeit, sie nach §985 herauszuverlangen72
. Denselben
Anspruch habe der Unternehmer auch gegenüber demjenigen, dem der
Verbraucher die Sache verleiht oder vermietet73
. Ein Herausgabeanspruch aus
§816 Abs. 1 S. 2 stehe dem Unternehmen gegen den gutgläubigen Erwerber zu,
der die Ware schenkweise von dem Verbraucher erlangt74
.
Die zweite Meinung ist überzeugend. Dass die Ware einen gewissen
wirtschaftlichen Restwert für den Unternehmer behält, geht aus den genannten
Gründen hervor.
Somit hat B durch die Beschädigung der Tasche einen Schaden erlitten.
II. Ergebnis
Aufgrund des Schadens der B hat A keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen D
über eine Drittschadensliquidation.
A. Anspruch B gegen D auf Herausgabe des Schals aus §985
B könnte gegen D einen Anspruch auf Herausgabe des Schals aus §985 haben.
Voraussetzung hierfür wäre das Vorliegen einer Vindikationslage.
I. B als Eigentümerin
Dafür müsste B Eigentümerin des Schals sein. Ursprünglich war B dies, könnte
aber ihr Eigentum an D verloren haben, nachdem A über den Schal an D verfügt
hat.
1. Eigentumserwerb der D nach §929 S. 1
D könnte von A das Eigentum durch Übereignung nach §929 S. 1 erlangt haben.
Dafür müsste A als Berechtigte gehandelt haben.
Berechtigter i.S.d. §929 ist grundsätzlich der Eigentümer selbst75
sowie von ihm
ermächtigte Verfügungsbefugte gem. §185 Abs. 176
.
A ist weder Eigentümerin noch wurde sie von der Eigentümerin B zu einer
Verfügung des Schals ermächtigt. Somit handelte A nicht als Berechtigte i.S.d.
72
Sosnitza, BB 2000, 2317 (2322) 73
Jacobs, JR 2004, 490 (492) 74
Jacobs, JR 2004, 490 (492) 75
Wolf/Wellenhofer §7, Rn. 19 76
Wolf/Wellenhofer §7, Rn. 22
16
§929. D hat folglich das Eigentum nicht von A durch Übereignung nach §929 S. 1
erlangt.
2. Gutgläubiger Eigentumserwerb der D nach §§929 S. 1, 932
Allerdings kommt ein gutgläubiger Eigentumserwerb des Schals durch D gem.
§§929 S. 1, 932 in Betracht.
a) Einigung und Übergabe
Voraussetzung dafür ist zunächst eine dingliche Einigung und die Übergabe. A
und D müssten sich darüber einig gewesen sein, dass das Eigentum an den Schal
auf D übergeht und A müsste ihn der D auch tatsächlich übergeben haben.
Übergabe ist die beiderseitig gewollte Übertragung des unmittelbaren Besitzes
vom Veräußerer auf den Erwerber77
.
Grundsätzlich ist dies der Fall. A wollte den Schal an D übereignen, und D nahm
dieses Angebot auf Übereignung an. Dann hat A den Besitz vollständig
aufgegeben und D den Besitz erworben. Dies geschah auf Veranlassung der A.
Somit wurde der Schal auch nach §929 übergeben.
Allerdings ist fraglich, ob die Verfügung der A wirksam war. A ist gem. §106 in
der Geschäftsfähigkeit beschränkt; somit ist ihr Angebot auf Übereignung nach
§107 nur wirksam, wenn ihre Eltern dem zustimmen oder aber es für sie rechtlich
vorteilhaft wäre.
A’s Eltern stimmten zu dieser Übereignung nicht zu. Folglich kommt es auf die
rechtliche Vorteilhaftigkeit dieser Übereignung an. Hierbei sind nur die
rechtlichen Folgen des Rechtsgeschäfts relevant, nicht die wirtschaftliche
Betrachtung78
.
A hat durch die Übereignung keinen Vorteil erlangt. Somit ist dieses dingliche
Angebot generell zustimmungspflichtig.
Allerdings hat A durch die Übereignung auch keinen Nachteil erlangt, da sie nicht
die Eigentümerin des Schals war. Es handelt sich somit um ein neutrales Geschäft,
welches nicht der Einwilligung eines gesetzlichen Vertreters bedarf79
.Dies ist aus
§165 zu entnehmen, der den Fall der Vertretung durch einen Minderjährigen
regelt80
. Folglich liegt grundsätzlich eine wirksame Einigung vor.
77
Wolf/Wellenhofer §7 Rn. 7 78
Palandt/Ellenberger, §107 Rn. 2; MüKo/Schmitt, §107 Rn. 28 79
Palandt/Ellenberger, §107, Rn. 7; MüKo/Schmitt , §107 Rn. 33 80
Palandt/Ellenberger, §107, Rn. 7; MüKo/Schmitt , §107 Rn. 33
17
Jedoch ist es fraglich, ob diese auch dann Bestand hat, wenn dadurch der
Minderjährige eine ihm nicht gehörende Sache übereignet.
aa) Kein gutgläubiger Eigentumserwerb von Minderjährigen möglich
Die erste Meinung spricht sich gegen einen gutgläubigen Eigentumserwerb von
einem Minderjährigen aus81
. Somit würde der gutgläubige Eigentumserwerb der
D nach §§929 S .1, 932 scheitern.
bb) Gutgläubiger Eigentumserwerb von Minderjährigen möglich
Die zweite Meinung spricht sich hingegen für einen gutgläubigen
Eigentumserwerb von einem Minderjährigen aus82
. Somit wäre ein gutgläubiger
Eigentumserwerb bei allen gegebenen Voraussetzungen möglich.
cc) Stellungnahme
Da die Meinungen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, ist der Streit zu
entscheiden.
Für die erste Meinung spricht, dass die Vorschriften über den gutgläubigen
Eigentumserwerb (§§932 ff83
) den Erwerber nur so stellen wollen, wie er bei
Richtigkeit seiner Vorstellung stünde84
. Wäre der minderjährige Veräußerer also
wirklich der Eigentümer, wie es der Erwerber glaube, würde die Verfügung an
§107 scheitern. Das heißt, der Erwerber könnte selbst bei Richtigkeit seiner
Vorstellung kein Eigentum erwerben, ein guter Glaube an dieses Eigentum kann
den Eigentumserwerb dann auch nicht vollbringen85
. Warum der Erwerber bei
dem gutgläubigen Eigentumserwerb schutzwürdiger als der tatsächliche
Eigentümer sein soll, sei nicht ersichtlich86
. Somit sei §932 restriktiv auszulegen
und teleologisch zu reduzieren87
.
Gegen diese Ansicht spricht, dass §107 einzig die Interessen des Minderjährigen
schütze, die aber bei einer Verfügung über eine ihm nicht gehörende Sache nicht
tangiert werde, da es ein neutrales Geschäft sei88
. Der Zweck des §107 sei
nämlich einzig, den Minderjährigen vor sich selbst zu schützen, §107 habe also
81
Medicus BürgR, Rn. 542; Staudinger/Wiegand, §932 Rn. 11; Petersen, JURA 2003, 399 (401);
Weber JuS 1999, 1 (7) 82
Palandt/Ellenberger, §107, Rn. 7; MüKo/Schmitt , §107 Rn. 33; Schreiber, JURA 1987, 221
(222); Westermann/Gursky, §47, II, 1.; Soergel/Henssler, §932, Rn. 34ff 83
Im Folgenden beschränke ich mich auf den §932 84
Medicus, BürgR, Rn. 542 85
Weber, JuS 1999, 1 (7) 86
Medicus, BürgR, Rn. 542; Staudinger/Wiegand §932, Rn. 11 87
Medicus, BürgR, Rn. 542; Petersen, JURA 2003, 399 (401) 88
Westermann/Gursky, §47, II, 1.
18
Vorsorgecharakter89
. Somit sei die Minderjährigkeit im Verhältnis zwischen dem
bisherigen Eigentümer und dem Erwerber irrelevant; vielmehr müsse die durch
§932 angeordnete Rechtsfolge zwecks Rechtssicherheit verbindlich sein90
.
Schließlich spricht gegen die von der anderen Ansicht geforderte teleologische
Reduktion des §932, dass diese auf einer systemwidrigen Vermengung der
Wertungen des §932 einerseits und des §107 andererseits beruhe. Solange der
Minderjährige keinen unmittelbaren Nachteil erleide, sei der gutgläubige Erwerb
so zu beurteilen, wie er bei jedem anderen Nichtberechtigten beurteilt worden
wäre91
. §932 setze nämlich einzig den guten Glauben an das Eigentum voraus, um
die Interessen des Alteigentümers mit dem des potentiellen Erwerbers abzuwägen;
§107 würde sich also bei einer teleologischen Reduktion faktisch für den
Alteigentümer auswirken, obwohl er nur den hier keines Schutzes bedürftigen
Minderjährigen schützen soll92
.
Die letzte Ansicht ist überzeugend. Für eine Verabsolutierung der
Unwirksamkeitsfolgen des §107 unabhängig von dessen Normzweck besteht
ebenso wenig Anlass wie für einen über §932 hinausgehenden Schutz des
eigentumsbezogenen Erhaltungsinteresses des Alteigentümers93
.
Somit kann D grundsätzlich das Eigentum am Schal von A erwerben, sofern die
anderen Voraussetzungen für den gutgläubigen Eigentumserwerbs erfüllt sind.
b) Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe
Die dingliche Einigung muss außerdem im Zeitpunkt der Übergabe noch wirksam
sein94
. In diesem Fall fallen Einigung und Übergabe zeitlich zusammen. Somit
liegt die dingliche Einigung im Zeitpunkt der Übergabe vor.
c) Fehlende Berechtigung der A
Für einen gutgläubigen Eigentumserwerb darf A keine Berechtigte i.S.d. §929
sein. Dies ist der Fall95
.
d) Gutgläubigkeit der D gem. §932 Abs. 2
Zudem muss D in gutem Glauben gewesen sein. Der Erwerber ist gem. §932 Abs.
2 nicht in gutem Glauben, wenn er weiß, dass der Veräußerer nicht der
89
Schreiber, JURA 1987, 221 (222) 90
Westermann/Gursky, §47, II, 1. 91
Soergel/Henssler §932, Rn. 34 92
Soergel/Henssler §932, Rn. 35 93
Soergel/Henssler §932, Rn. 35 94
Wolf/Wellenhofer §7 Rn. 18 95
s. S. 14
19
Eigentümer ist oder dies infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist96
. Grobe
Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in einem
ungewöhnlich hohen Maße missachtet wird97
.
D wusste nicht, dass A nicht die Eigentümerin des Schals ist, und sie hat dabei
nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt missachtet. Somit war sie gutgläubig.
e) Kein Abhandenkommen der Sache i.S.d. §935
Gem. §935 Abs. 1 S. 1 ist der gutgläubige Eigentumserwerb ausgeschlossen,
„wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder
sonst abhanden gekommen war“.
B hat den Schal der A freiwillig zugesandt. Somit ist ihr die Sache nicht i.S.d.
§935 abhanden gekommen. Folglich ist der Ausnahmetatbestand zu §932 nicht
erfüllt.
3. Zwischenergebnis
D hat somit das Eigentum an dem Schal durch einen gutgläubigen
Eigentumserwerb erlangt, B ihres folglich verloren.
II. Ergebnis
Mangels Eigentümereigenschaft der B hat diese keinen Anspruch auf Herausgabe
des Schals aus §985 gegen D.
B. Anspruch B gegen A auf Erlösherausgabe aus §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2,
667
Dafür muss zunächst eine Geschäftsführung ohne Auftrag98
vorliegen.
Bei der GoA besorgt jemand (Geschäftsführer) das Geschäft eines anderen
(Geschäftsherr), ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu
berechtigt zu sein (§677).
I. Geschäftsbesorgung
Eine Geschäftsbesorgung liegt vor, wenn der Geschäftsführer eine Tätigkeit im
Interesse und Sorgenkreis des Geschäftsherren wahrnimmt.
A handelt mit B’s Schal. Eine Geschäftsbesorgung liegt vor.
96
Wolf/Wellenhofer §8 Rn. 16 97
Wolf/Wellenhofer §8 Rn. 17 98
im Folgenden GoA
20
II. Unerlaubte Eigengeschäftsführung gem. §687 Abs. 2
Bei der unerlaubten Eigengeschäftsführung führt der Handelnde ein objektiv
fremdes Geschäft wissentlich zu seinem eigenen Vorteil99
.
A handelt mit C’s Schal, um das Geld zu behalten. Eine unerlaubte
Eigengeschäftsführung liegt vor.
III. Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung
Eine GoA liegt nicht vor, wenn der Geschäftsführer vom Geschäftsherrn
beauftragt oder in einer sonstigen Weise dazu berechtigt wurde.
Dies ist nicht der Fall.
Somit sind die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erlösherausgabe gem.
§§687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 grundsätzlich gegeben.
IV. Ausschluss durch §241a
Allerdings könnte der Anspruch auf Erlösherausgabe gem. §241a ausgeschlossen
sein. §241a soll zu einem umfassenden Anspruchsausschluss des Unternehmers
gegen den Verbraucher führen100
. Also ist auch der Erlösherausgabeanspruch
ausgeschlossen.
V. Ergebnis
B hat wegen des Ausschlusses durch §241a keinen Anspruch auf Erlösherausgabe
aus §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 gegen A.
C. Anspruch B gegen A auf Erlösherausgabe aus §816 Abs. 1 S. 1
B könnte gegen A einen Anspruch auf Erlösherausgabe aus §816 Abs. 1 S. 1
haben. Voraussetzung dafür ist, dass A als Nichtberechtigte über den Schal eine
Verfügung traf, die gegen B als Berechtigte wirksam ist. Eine Verfügung ist jedes
Rechtsgeschäft, durch das unmittelbar auf den Bestand eines Rechts im Sinne
einer Rechtsminderung oder eines völligen Rechtsverlustes eingewirkt wird101
.
99
Brox/Walker BT, §35 Rn. 58 100
Schwarz, NJW 2001, 1449 (1453( 101
Brox/Walker BT, §38 Rn. 19
21
I. Verfügung der A als Nichtberechtigte
Zunächst muss A als Nichtberechtigte über eine Sache der B verfügt haben.
A hat als Nichtberechtigte den Schal an die gutgläubige D übereignet102
. Dies war
eine Verfügung. Somit hat A als Nichtberechtigte über den Schal verfügt.
II. Wirksamkeit der Verfügung
Weiterhin muss die Verfügung der B gegenüber wirksam sein.
B hat auf Grund D’s gutgläubigen Erwerbs das Eigentum an der Tasche verloren.
Folglich ist die Verfügung B gegenüber wirksam.
III. Entgeltlichkeit der Verfügung
Schließlich muss die Verfügung entgeltlich erfolgt sein.
A hat von D 90€ für den Schal erhalten. Die Verfügung ist also entgeltlich erfolgt.
B hat somit generell einen Anspruch auf Erlösherausgabe aus §816 Abs. 1 S. 1.
IV. Ausschluss des Erlösherausgabeanspruchs durch eine rechtvernichtende
Einwendung gem. §818 Abs. 3
Allerdings könnte der Erlösherausgabeanspruch aus §816 Abs. 1 S. 1 gem. §818
Abs. 3 ausgeschlossen sein, falls A nicht mehr bereichert wäre103
.
Ist das Empfangene für außergewöhnliche Dinge verwendet worden, die sich der
Empfänger sonst nicht verschafft hätte, sogenannte Luxusausgaben, so ist die
Bereicherung regelmäßig weggefallen104
.
A hat mit dem Erlös ihre Freunde „auf einige Runden Crémant und Pernod“
eingeladen und den gesamten Verkaufserlös aufgebraucht. Da sie dies ohne den
Verkauf des Schals nicht gemacht hätte, sind diese Ausgaben als Luxusausgaben
zu bezeichnen. Somit ist A nicht mehr bereichert.
V. Ergebnis
B hat wegen der vollständigen Entreicherung der A keinen Anspruch auf
Erlösherausgabe gem. §816 Abs. 1 S. 1 gegen diese.
102
s. S. 13ff 103
Brox/Walker BT, §39 Rn. 7 104
Palandt/Sprau, §818 Rn. 35
22
A. Feststellung des anzuwendenden Rechts
Grundsätzlich ist gem. Art. 43 Abs. 1 EGBGB für eine Sache das Recht des
Staates relevant, in dem sich die Sache befindet (lex rei sitae = Recht der
belegenen Sache)105
. Der Lageort ist der Ort der physischen Präsenz der Sache106
.
Die Tasche befindet sich in Deutschland. Somit ist gem. Art. 43 Abs. 1 EGBGB
grundsätzlich deutsches Recht anzuwenden.
Allerdings könnte hier im Hinblick auf die dingliche Rechtslage ein
Statutenwechsel vorliegen. Ein Statutenwechsel liegt vor, wenn eine bewegliche
Sache in den Herrschaftsbereich einer anderen Rechtsordnung verbracht wird107
.
Die Tasche wurde von Frankreich nach Deutschland gebracht. Somit liegt ein
Statutenwechsel vor. Nun ist zu entscheiden, ob ein schlichter Statutenwechsel
i. S. d. Art. 43 Abs. 2 oder ein qualifizierter Statutenwechsel i. S. d. Art. 43 Abs. 3
vorliegt. Ein schlichter Statutenwechsel liegt vor, wenn der sachenrechtliche
Tatbestand unter der Herrschaft des alten Statuts schon abgeschlossen war, ein
qualifizierter, wenn der sachenrechtliche Tatbestand unter der Herrschaft des alten
Statuts nur teilweise verwirklicht war108
. Der Inhalt von Rechten bestimmt sich
vom Zeitpunkt des Statutenwechsels an nach dem neuen Recht109
.
C hat die Tasche unter Eigentumsvorbehalt an B geliefert; d.h. als die Tasche
noch in Frankreich war, wurde ein Eigentumsvorbehalt vereinbart. Dieser
Vorgang ist abgeschlossen; somit liegt ein schlichter Statutenwechsel vor und der
in Frankreich vereinbarte Eigentumsvorbehalt gilt gem. Art. 43 Abs. 2 EGBGB
auch in Deutschland fort, wenn das deutsche Recht einen solchen
Eigentumsvorbehalt kennt. Der Eigentumsvorbehalt ist in §449 geregelt. Folglich
steht die Tasche zum Zeitpunkt der Lieferung weiterhin unter
Eigentumsvorbehalt. Der Inhalt wird nun nach deutschem Recht geregelt.
Mithin ist deutsches Recht anzuwenden.
105
Kropholler, §54, I, 1. (S. 554); Looschelders, IPR, Art. 43 Rn. 11 106
Looschelders, IPR, Art. 43 Rn. 11 107
Looschelders, IPR, Art. 43 Rn. 44 108
Kropholler, §54, III (S. 559) 109
Rauscher, Rn. 1430
23
B. Anspruch C gegen A auf Herausgabe der Tasche aus §985
C könnte gegen A einen Anspruch auf Herausgabe der Tasche aus §985 haben.
Voraussetzung hierfür wäre das Vorliegen einer Vindikationslage.
I. C als Eigentümerin
Dafür müsste C Eigentümerin sein. Ursprünglich war sie dies, könnte aber ihr
Eigentum gem. §929 S. 1 an B durch Übereignung verloren haben.
1. Eigentumserwerb der B nach §929 S. 1
B könnte von C das Eigentum durch Übereignung nach §929 S. 1 erlangt haben.
Voraussetzung dafür ist zunächst die dingliche Einigung der Parteien.
B und C haben sich über den Eigentumsübergang geeinigt, allerdings einen
Eigentumsvorbehalt i. S. d. §449 vereinbart.
Somit steht der Eigentumsübergang nach §929 S. 1 unter der aufschiebenden
Bedingung (§158 Abs. 1) der vollständigen Kaufpreiszahlung gem. §449 Abs. 1.
B hat den Kaufpreis noch nicht gezahlt, somit ist die Bedingung noch nicht erfüllt.
Da C auch wirksam vom Vertrag mit B zurückgetreten ist, kann diese Bedingung
auch nicht mehr eintreten. Mithin hat B das Eigentum an der Tasche noch nicht
erlangt.
2. Eigentumserwerb der A von B nach §§929 S. 1, 932
Weiterhin könnte C ihr Eigentum an der Tasche verloren haben, wenn A das
Eigentum an der Tasche von B erlangt hätte.
Voraussetzung ist hierfür zunächst die dingliche Einigung der Parteien. B hat A
die Tasche unbestellt zugesandt. Bei einer solchen unbestellten Ware ist das
Zusenden zwar auch ein Angebot auf Übereignung, dieses steht nach allgemeinen
Auslegungsgrundsätzen gem. §§ 133, 157 unter der aufschiebenden Bedingung
(§158 Abs. 1) der Kaufpreiszahlung bzw. des Vertragsschlusses.110
Nichts anderes
ist hier anzunehmen. Da diese Bedingung nicht erfüllt ist111
, hat A kein Eigentum
an der Tasche erlangt.
Somit ist C immer noch Eigentümerin der Tasche.
110
Schwarz, NJW 2001, 1449 (1450); Sosnitza, BB 2001, 2317 (2322); Berger, JuS 2001, 649
(653) 111
s. S. 1ff
24
II. A als Besitzerin
Weiterhin müsste A Besitzerin der Tasche sein. Durch das Zusenden der Tasche
durch B hat sie die unmittelbare Sachherrschaft erworben. Somit ist sie Besitzerin
der Tasche.
III. Kein Recht zum Besitz
A dürfte auch kein Recht zum Besitzt i. S. d. §986 haben.
Eine Lieferung unbestellter Waren begründet kein Recht zum Besitz112
. Sonstige
Gründe für ein Recht zum Besitz sind nicht ersichtlich. Somit hat A kein Recht
zum Besitz. Die Voraussetzungen des §985 sind hiermit grundsätzlich erfüllt.
IV. Ausschluss durch §241a
Allerdings könnte der Anspruch auf Herausgabe aufgrund von §241a
ausgeschlossen sein.
1. Ausschluss der Vindikation
Die erste Ansicht spricht sich für den Ausschluss der Vindikation aus113
.
Somit hätte C keinen Anspruch auf Herausgabe gegen A.
2. Kein Ausschluss der Vindikation
Die andere Ansicht spricht sich gegen einen Ausschluss der Vindikation aus114
.
Somit besteht C’s Anspruch auf Herausgabe gegen A.
3. Stellungnahme
Die Ansichten führen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Daher ist der Streit zu
entscheiden.
Für den Ausschluss des Herausgabeanspruches spreche, dass es für einen
Unternehmer ein Leichtes sei, die Regelung des §241a durch Vorschieben eines
anderen Unternehmers, der formal Eigentümer sei, auszuhöhlen115
. Um dies zu
verhindern, sei auch der Herausgabeanspruch eines Dritten auszuschließen.
Außerdem stünde ein annehmender Unternehmer besser als ein annehmender
Verbraucher, wenn man den Anschluss nicht ausschließen würde. Dieser hätte bei
Ingebrauchnahme nämlich das Angebot angenommen und so gutgläubig das
Eigentum erworben; er wäre nur zusätzlich dem Anspruch auf Kaufpreiszahlung
112
s. S. 7 113
Krebs, AnwKomm. §241a Rn. 18; Böttcher/Möritz, VuR 2/2005, S. 48f 114
Berger, JuS 2001, 649 (653f.); Link, NJW 2003, 2811 (2812) 115
Krebs, AnwKomm. §241a Rn. 18
25
ausgesetzt116
. Der Verbraucher wäre also in gewisser Hinsicht benachteiligt, was
gegen den Verbraucherschutzcharakter der Norm sprechen würde.
Dagegen spreche, dass nur weil auch eine Missbrauchsmöglichkeit bestehe, nicht
gleich auch die Ansprüche aller redlichen Vorbehaltseigentümer ausgeschlossen
sein müssten117
. Es könne nicht angehen, eine Norm allein im Hinblick auf die in
ihr enthaltenen Missbrauchsgefahren auszulegen118
.
Des Weiteren sei §241a eine wettbewerbsrechtliche Vorschrift im Gewande des
Zivilrechts119
, und somit seien die Rechtsfolgen des §241a Abs. 1 einzig auf den
unlauter handelnden Unternehmer zu beschränken120
.
Der zweiten Ansicht ist aus genannten Gründen zuzustimmen. Es wird nämlich
gerade Rechtsunsicherheit geschaffen, wenn §241a auch Ansprüche gegen Dritte
und nicht nur Unternehmer ausschließen würde.
Der Rechtsstaat darf nur rechtswidriges Verhalten sanktionieren121
, ein redlich
handelnder Vorbehaltsverkäufer darf nicht wegen eines unlauter handelnden
Unternehmers bestraft werden.
Somit ist der Herausgabeanspruch der C gegen A nicht aufgrund §241a
ausgeschlossen.
V. Ergebnis
Die Voraussetzungen des §985 sind erfüllt. Somit hat C einen Anspruch auf
Herausgabe der Tasche gegen A.
C. Anspruch C gegen A auf Herausgabe der Tasche aus §812 Abs. 1 S. 1 Alt.
1
C könnte gegen A einen Anspruch auf Herausgabe der Tasche aus der
Leistungskondiktion gem. §812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 haben. Voraussetzung für die
Leistungskondiktion ist, dass der Anspruchsgegner etwas durch Leistung des
Anspruchsstellers ohne Rechtsgrund erlangt hat122
.
116
Böttcher/Möritz, VuR 2/2005, S. 48 117
Link, NJW 2003, 2811 (2812) 118
Link, ebenda 119
Berger, JuS 2001, 649 (653) 120
Berger, ebenda 121
Berger, JuS 2001, 649 (654) 122
Brox/Walker BT, §37 Rn. 1
26
I. Etwas erlangt
A müsste einen Vermögensvorteil erlangt haben. A hat als Vermögensvorteil den
Besitz der Tasche erlangt.
II. Durch Leistung
Dies müsste durch Leistung der C geschehen sein. C hat allerdings nicht geleistet.
Mithin ist diese Voraussetzung nicht erfüllt.
III. Ergebnis
C hat aufgrund mangelnder Leistung ihrerseits keinen Anspruch auf Herausgabe
der Tasche aus §812 Abs. 1 S.1 Alt. 1.
D. Anspruch C gegen A auf Herausgabe der Tasche aus §812 Abs. 1 S.1 Alt. 2
C könnte gegen A einen Anspruch auf Herausgabe der Tasche aus der
Nichtleistungskondiktion gem. §812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 haben. Voraussetzung für
die Nichtleistungskondiktion ist, dass der Anspruchsgegner etwas in sonstiger
Weise, nicht durch Leistung wie in der 1. Alternative, auf Kosten des
Anspruchstellers ohne Rechtsgrund erlangt hat.
I. Etwas erlangt
A müsste einen Vermögensvorteil erlangt haben.
A hat als Vermögensvorteil den Besitz der Tasche erlangt.
II. In sonstiger Weise
Die Bereicherung muss „in sonstiger Weise“ entstanden sein. Dies ist der Fall,
wenn der Bereicherte selbst durch eigene Handlung in das Recht eines anderen
eingreift und auf diese Weisesein Vermögen vermehrt, oder wenn der Eingriff
durch einen Dritten erfolgt123
.
B hat der A die Tasche zugesandt. Somit erfolgte der Eingriff durch einen Dritten.
III. Auf Kosten der C
Dies muss auf Kosten der C geschehen sein. Das heißt nicht, dass bei ihr eine
Vermögensminderung eingetreten sein muss124
. Es kommt darauf an, dass
jemandem ein Gut der C von der Rechtsordnung zugewiesen ist.
A ist in Besitz von C’s Eigentum. Folglich erfolgte der Eingriff auf Kosten der C.
123
Brox/Walker BT, §38 Rn. 3 124
vgl. Brox/Walker BT, §38 Rn. 6
27
IV. Ohne Rechtsgrund
Dies geschah ohne Rechtsgrund, wenn der Bereicherte in eine geschützte
Rechtsposition des Gläubigers eingerückt ist, deren beeinträchtigter Gehalt und
Nutzung ihm ohne Zustimmung des Rechteinhabers in rechtmäßiger Weise nicht
zukämen125
. Die Tasche ist C’s Eigentum. A ist in den Besitz der Tasche
gekommen. C hat dem nicht zugestimmt. Folglich geschah dies ohne
Rechtsgrund.
V. Ergebnis
C hat gegen A einen Anspruch auf Herausgabe der Tasche aus §812 Abs. 1 S. 1
Alt. 2.
E. Anspruch C gegen A auf Schadensersatz aus §§ 989, 990
C könnte gegen A einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§989, 990 haben.
I. Vindikationslage
Zunächst muss eine Vindikationslage vorliegen. C muss somit Eigentümerin und
A Besitzerin ohne Recht zum Besitz sein.
Diese Voraussetzungen liegen vor126
.
II. Bösgläubigkeit im Zeitpunkt des Besitzerwerbs
Weiterhin muss A im Zeitpunkt des Besitzerwerbs bösgläubig gewesen sein.
A wusste nicht, dass C die eigentliche Besitzerin ist und sie eigentlich kein Recht
zum Besitz habe. Somit war sie nicht bösgläubig.
III. Ergebnis
C hat mangels Bösgläubigkeit der A keinen Anspruch auf Schadensersatz aus
§§989, 990.
A. Klageänderung: Schadensersatz statt Herausgabe
Fraglich ist, ob B während des Verfahrens das Ziel der Klage von Herausgabe des
Schals auf Schadensersatz ändern kann.
125
Palandt/Sprau, §812 Rn. 44 126
s. S. 26f
28
Gem. §263 ZPO darf eine Klage nach Eintritt der Rechtshängigkeit, also nach
Erhebung der Klage, nur noch geändert werden, wenn der Beklagte einwilligt
oder das Gericht dies für sachdienlich erachtet. Änderung der Klage in diesem
Sinne bedeutet eine Änderung des Streitgegenstandes127
.
Allerdings lässt §264 ZPO bestimmte Klageänderungen generell zu, um inhaltlich
zusammenhängende Streitfragen möglichst rasch und umfassend klären zu lassen,
wo dies den Beklagten nicht unzumutbar belastet128
. Es werden die Fälle der
Ergänzung oder Berichtigung des Vorbringens(§264 Nr. 1 ZPO), der Erweiterung
oder Beschränkung des Klageantrags (§264 Nr. 2 ZPO) und schließlich der
Anpassung an spätere Veränderung (§264 Nr. 3 ZPO) geregelt.
B will die Klage von Herausgabe auf Schadensersatz ändern, nachdem sie
während des Prozesses erfuhr, dass die Tasche beschädigt und der Schal nicht
mehr in A’s Besitz ist. Somit könnte ein Fall des §264 Nr. 3 ZPO vorliegen.
Voraussetzung ist zunächst, dass sich die Identität des Klagegrundes nicht
geändert hat129
. Klagegrund ist der tatsächliche Vorgang, aus dem der Kläger sein
Recht ableitet, also der seinem Antrag zu Grunde liegende Lebenssachverhalt130
.
Eine Änderung des Klagegrundes ist gegeben, wenn durch neue Tatsachen der
Kern des in der Klage angeführten Lebenssachverhalts verändert wird131
. An
diesem Lebenssachverhalt hat sich nichts geändert. Somit hat sich die Identität des
Klagegrundes nicht geändert.
Weiterhin ist eine Veränderung erforderlich, die später, d. h. nach
Rechtshängigkeit eingetreten ist oder von der der Kläger erst nach diesem
Zeitpunkt erlangt hat oder hat erlangen müssen132
. Die Tasche war schon vor
Eintritt der Rechtshängigkeit beschädigt und der Schal veräußert worden.
Allerdings hat B erst während des Prozesses davon erfahren; dass sie erst dann
davon erfuhr, ist nicht ihr Verschulden. Somit ist auch die zweite Voraussetzung
erfüllt.
B. Ergebnis
Alle Voraussetzungen für eine Klageänderung sind erfüllt. Folglich kann B das
Ziel der Klage von Herausgabe auf Schadensersatz ändern.
127
Musielak, Grundkurs ZPO, Rn. 195 128
Musielak/Foerste, ZPO, §264 Rn. 1 129
Hk-ZPO/Saenger, §264 Rn. 3 130
Musielak, Grundkurs ZPO, Rn. 63 131
Hk-ZPO/Saenger, §263 Rn. 4 132
HK-ZPO/Saenger, $264 Rn. 7; RGZ 70, 337 (338)