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STANDORT – Zeitschrift für Angewandte Geographie 1/2001 © Springer-Verlag 52 Angewandte Geographie Als der Student Hermann Kemper im Jahre 1922 an der TH Hannover sich mit der Wirkungsweise von Elektroma- gneten befaßte und dabei die Idee ent- wickelte, die Räder der Eisenbahn durch die Tragkraft von Elektromagne- ten zu ersetzen, hatte er zuerst wohl nur an einen Teilaspekt der Weiterentwick- lung der Rad-Schiene-Technik gedacht. Im Laufe seiner späteren wissenschaft- lichen Arbeit kamen Erkenntnisse hin- zu, die mit der Weiterentwicklung der Regelungstechnik und der nach 1968 einsetzenden verkehrspolitischen Dis- kussion neue Perspektiven für den spurgebundenen Verkehr und für die Neuordnung des Gesamtverkehrs eröff- neten. KEMPER (Abb. 1) wurde am 5. April 1892 in Nortrup, Landkreis Osnabrück, gebo- ren. Dort wuchs er in seinem an der Ei- senbahnlinie gelegenen Elternhaus auf und wurde früh von der Faszination der Rad-Schiene-Technik erfaßt. Sie regte ihn an, sich mit der Weiterentwicklung dieser Technik zu beschäftigen. Grund- legende Ideen kamen ihm bei seinem Studium der Elektrotechnik, das er erst nach Beendigung des Ersten Weltkrie- ges beginnen konnte. Dort sah er die Möglichkeit, die Räder der Eisenbahn durch schwebende Elektromagnete zu ersetzen, die ihm geeignet erschienen, ein neues System darauf aufzubauen, das ohne Rollgeräusche verkehren konnte. Der mit einem feinen Gehör ausgestattete, nicht nur technisch son- dern auch künstlerisch veranlagte Kem- per, hatte die lauten Geräusche der Ei- senbahn als sehr störend empfunden. Mit dieser Idee des berührungsfreien Schwebens spurgebundener, mit Elek- tromagneten versehener Fahrzeuge konnte er sich jedoch erst nach 1927 näher befassen. Nach seiner Studienzeit, die er als Diplom-Ingenieur beendete, und der Tätigkeit als Leiter des physi- kalischen Labors der Kabelfirma Hak- kethal in Hannover bat ihn sein Vater, die elterliche Fleischwarenfabrik in Nortrup zu übernehmen. Da ihm aber der schwebend entlang geführt wer- den“. Er sah dabei die Schwebebahn als neu- artiges Verkehrsmittel für die Beförde- rung von Personen und Gütern. Neuar- tig deshalb, weil neben dem relativ ge- ringen Energieeinsatz keine „Abnutzung des Fahrgleises bei der Schwebebahn“ zu erwarten war. Hier zeigte die neue Technik eine deutliche Weiterentwicklung des spurgebunde- nen Verkehrs, nämlich eine erhebliche Kostenreduzierung in der Fahrwegsun- terhaltung infolge des berührungsfreien Fahrbetriebes. Obwohl der Energieauf- wand im Vergleich zur Rad-Schiene- Technik günstiger ist, befaßte sich KEM- PER auch mit dem Energieeinsatz, weil er nach den Grenzen der Geschwindig- keit der Magnetschwebebahn suchte. Unter normalen atmosphärischen Be- dingungen steigt der Luftwiderstand mit zunehmender Geschwindigkeit ei- nes Fahrzeuges in quadratischer Grö- ßenordnung. Diese Tatsache wurde spä- ter bestimmend für den wirtschaftli- chen Geschwindigkeitsbereich der Magnetschnellbahn Transrapid. KEMPER sah aber auch die Möglichkeit, die atmosphärischen Bedingungen durch den Einsatz der Schwebebahn als Rohrbahn in einem geschlossenen Röh- rensystem zu verändern, in dem die Luftdichte weitgehend reduziert wer- den sollte. Zu einer Zeit, als es noch kei- ne strahlgetriebenen Flugzeuge gab, dachte er schon an Geschwindigkeiten in einer nahezu luftleeren Röhre zwi- schen 1.000 und 3.000 km/h. Für die damalige Zeit eine phantastische Vor- stellung. Heute haben Fragen des Ener- gieeinsatzes und der Kostenreduzie- rung, insbesondere bei der Fahrwegs- unterhaltung der Eisenbahn, höchste Priorität. Nach der Patentierung seiner Ideen folgte die Suche nach Möglichkeiten zur weiteren Forschung und Entwick- lung der Schwebebahn, die vorerst er- Hermann Kemper Pionier der Magnetbahntechnik Gerd Hugenberg = Gerd Hugenberg Görresstraße 13 49716 Meppen die technisch-wissenschaftliche Grund- lagenarbeit zur Magnetschwebetechnik vordringlich war, zog er sich aus der Geschäftsführung seines Betriebes zu- rück und führte in den Jahren 1932 bis 1936 systematische Forschungsarbeiten durch, die in den Jahren 1933, 1934, 1935 und 1938 durch Patente abgesichert wurden. Ausgangspunkt seiner Überlegungen war die Regelung elektrischer Ströme in Elektromagneten. Zur damaligen Zeit konnte er, entsprechend dem techni- schen Erkenntnisstand, als Regelorgan nur Entladungsröhren nutzen. Folge- richtig befaßte er sich danach mit Ein- satzmöglichkeiten der Regelungstech- nik in der „Schwebebahn mit räderlo- sen Fahrzeugen, die an eisernen Fahrschienen mittels magnetischer Fel- Abb. 1 Hermann Kemper - Pionier der Magnetbahn- technik Quelle: Archiv der Versuchs- und Pla- nungsgesellschaft Magnetbahnsysteme m.b.H.

Hermann Kemper

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Als der Student Hermann Kemper imJahre 1922 an der TH Hannover sichmit der Wirkungsweise von Elektroma-gneten befaßte und dabei die Idee ent-wickelte, die Räder der Eisenbahndurch die Tragkraft von Elektromagne-ten zu ersetzen, hatte er zuerst wohl nuran einen Teilaspekt der Weiterentwick-lung der Rad-Schiene-Technik gedacht.Im Laufe seiner späteren wissenschaft-lichen Arbeit kamen Erkenntnisse hin-zu, die mit der Weiterentwicklung derRegelungstechnik und der nach 1968einsetzenden verkehrspolitischen Dis-kussion neue Perspektiven für denspurgebundenen Verkehr und für dieNeuordnung des Gesamtverkehrs eröff-neten.KEMPER (Abb. 1) wurde am 5. April 1892in Nortrup, Landkreis Osnabrück, gebo-ren. Dort wuchs er in seinem an der Ei-senbahnlinie gelegenen Elternhaus aufund wurde früh von der Faszination derRad-Schiene-Technik erfaßt. Sie regteihn an, sich mit der Weiterentwicklungdieser Technik zu beschäftigen. Grund-legende Ideen kamen ihm bei seinemStudium der Elektrotechnik, das er erstnach Beendigung des Ersten Weltkrie-ges beginnen konnte. Dort sah er dieMöglichkeit, die Räder der Eisenbahndurch schwebende Elektromagnete zuersetzen, die ihm geeignet erschienen,ein neues System darauf aufzubauen,das ohne Rollgeräusche verkehrenkonnte. Der mit einem feinen Gehörausgestattete, nicht nur technisch son-dern auch künstlerisch veranlagte Kem-per, hatte die lauten Geräusche der Ei-senbahn als sehr störend empfunden.Mit dieser Idee des berührungsfreienSchwebens spurgebundener, mit Elek-tromagneten versehener Fahrzeuge

konnte er sich jedoch erst nach 1927näher befassen. Nach seiner Studienzeit,die er als Diplom-Ingenieur beendete,und der Tätigkeit als Leiter des physi-kalischen Labors der Kabelfirma Hak-kethal in Hannover bat ihn sein Vater,die elterliche Fleischwarenfabrik inNortrup zu übernehmen. Da ihm aber

der schwebend entlang geführt wer-den“.Er sah dabei die Schwebebahn als neu-artiges Verkehrsmittel für die Beförde-rung von Personen und Gütern. Neuar-tig deshalb, weil neben dem relativ ge-ringen Energieeinsatz keine„Abnutzung des Fahrgleises bei derSchwebebahn“ zu erwarten war. Hierzeigte die neue Technik eine deutlicheWeiterentwicklung des spurgebunde-nen Verkehrs, nämlich eine erheblicheKostenreduzierung in der Fahrwegsun-terhaltung infolge des berührungsfreienFahrbetriebes. Obwohl der Energieauf-wand im Vergleich zur Rad-Schiene-Technik günstiger ist, befaßte sich KEM-PER auch mit dem Energieeinsatz, weiler nach den Grenzen der Geschwindig-keit der Magnetschwebebahn suchte.Unter normalen atmosphärischen Be-dingungen steigt der Luftwiderstandmit zunehmender Geschwindigkeit ei-nes Fahrzeuges in quadratischer Grö-ßenordnung. Diese Tatsache wurde spä-ter bestimmend für den wirtschaftli-chen Geschwindigkeitsbereich derMagnetschnellbahn Transrapid.KEMPER sah aber auch die Möglichkeit,die atmosphärischen Bedingungendurch den Einsatz der Schwebebahn alsRohrbahn in einem geschlossenen Röh-rensystem zu verändern, in dem dieLuftdichte weitgehend reduziert wer-den sollte. Zu einer Zeit, als es noch kei-ne strahlgetriebenen Flugzeuge gab,dachte er schon an Geschwindigkeitenin einer nahezu luftleeren Röhre zwi-schen 1.000 und 3.000 km/h. Für diedamalige Zeit eine phantastische Vor-stellung. Heute haben Fragen des Ener-gieeinsatzes und der Kostenreduzie-rung, insbesondere bei der Fahrwegs-unterhaltung der Eisenbahn, höchstePriorität.Nach der Patentierung seiner Ideenfolgte die Suche nach Möglichkeitenzur weiteren Forschung und Entwick-lung der Schwebebahn, die vorerst er-

Hermann KemperPionier derMagnetbahntechnik Gerd Hugenberg

������Gerd HugenbergGörresstraße 1349716 Meppen

die technisch-wissenschaftliche Grund-lagenarbeit zur Magnetschwebetechnikvordringlich war, zog er sich aus derGeschäftsführung seines Betriebes zu-rück und führte in den Jahren 1932 bis1936 systematische Forschungsarbeitendurch, die in den Jahren 1933, 1934, 1935und 1938 durch Patente abgesichertwurden.Ausgangspunkt seiner Überlegungenwar die Regelung elektrischer Ströme inElektromagneten. Zur damaligen Zeitkonnte er, entsprechend dem techni-schen Erkenntnisstand, als Regelorgannur Entladungsröhren nutzen. Folge-richtig befaßte er sich danach mit Ein-satzmöglichkeiten der Regelungstech-nik in der „Schwebebahn mit räderlo-sen Fahrzeugen, die an eisernenFahrschienen mittels magnetischer Fel-

Abb. 1Hermann Kemper - Pionier der Magnetbahn-technik Quelle: Archiv der Versuchs- und Pla-nungsgesellschaft Magnetbahnsysteme m.b.H.

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folglos blieben. So führte der LebenswegKEMPER 1936 von Nortrup nach Berlinzur Firma Siemens. Eine Chance für dieFortsetzung der Forschungsarbeitenbot ihm die Aerodynamische Versuchs-anstalt Göttingen ab 1939, die mit ihmden Einsatz einer Magnetschwebebahnin normaler Atmosphäre für die aero-dynamische Versuchsarbeit vorbereite-te. Da mit dem Einsatz von Strahltrieb-werken in der Luftfahrt die Flugzeugge-schwindigkeiten deutlich zunehmenwürden, mußten dafür geeignete Trag-flächenprofile entwickelt werden. DerWindkanal in Göttingen brachte jedochnicht die erforderlichen Windge-schwindigkeiten. Deshalb kam dort derGedanke auf, eine Magnetschnellbahnmit entsprechender Auslegung unterVerwendung eines Strahltriebwerkes imVersuchsfahrzeug zur Vermessung vonProfilen und Flugzeugmodellen einzu-setzen. Die in der Nähe von Landsberga.d. Warthe geplante 20 km lange Ver-suchsstrecke, auf der ein Fahrzeug Ge-schwindigkeiten bis zu 1.800 km/h er-reichen sollte, konnte kriegsbedingtnicht mehr errichtet werden. Auch nachdem Zweiten Weltkrieg scheiterten vor-erst alle Bemühungen, Forschung undEntwicklung zur Magnetschwebetech-nik weiter zu betreiben. Deshalb hatKemper auf die Verlängerung seiner Pa-tente verzichtet und damit keinen fi-nanziellen Nutzen aus seiner For-schungsarbeit ziehen können. Eigent-lich hätte damit die Magnetbahn ihrEnde finden können. Doch kam es ganzanders.Ende der 60er Jahre war in der GroßenKoalition der deutschen Bundesregie-rung unter Bundeskanzler KURT GEORG

KIESINGER (CDU) als VerkehrsministerGEORG LEBER (SPD) tätig. Mit seinem Mi-nisterium hatte GEORG LEBER auch dieDeutsche Bundesbahn (DB) übernom-men, die schon damals finanzielle Pro-bleme hatte. Um dem Gesamtverkehrund damit auch der DB eine besserewirtschaftliche Grundlage zu schaffen,beauftragte er die HSB Studiengesell-schaft, Konzepte für die Neuordnungdes Gesamtverkehrs zu entwickeln. DieWirtschaftlichkeit der Verkehrsmittelstand dabei im Vordergrund. U.a. kamdiese Gesellschaft zu dem Ergebnis, denKurzstrecken-Flugverkehr einzustellenund als Bindeglied zwischen der Eisen-bahn und dem Langstreckenflugverkehreine Hochleistungs- und Schnellbahn

zu entwickeln. Dabei erinnerte mansich an die Arbeiten von HERMANN KEM-PER zur elektromagnetischen Schwebe-bahn. Unter Federführung des For-schungsministers wurden von verschie-denen deutschen Firmen alle möglichenAspekte der Magnetbahntechnik unter-sucht bis zum Systementscheid 1977, indem die Magnetschwebetechnik nachdem „anziehenden Prinzip“, wie sieKEMPER bearbeitet hatte, als erfolgver-sprechende Variante definiert und aufden weiteren Weg der Realisierung ge-geben worden ist.Die Entwicklung der elektronischenRegelung war inzwischen von der Röh-rentechnik zur Halbleitertechnik ge-langt, die neue Perspektiven hinsicht-lich Schnelligkeit elektrischer Schaltun-gen und Raumbedarf fürRegelungseinheiten ergaben. Die Trans-rapid-Entwicklungsreihe vom Transra-pid 01 bis zum Transrapid 08 (Krauss-Maffei und Thyssen Henschel), paralleldazu das Prinzipfahrzeug und derKomponentenmeßträger KOMET (Mes-serschmitt-Bölkow-Blohm) sowie dieLangstatorlinearmotor-Fahrzeuge HMB1 und HMB 2 (Thyssen Henschel), führ-te in der Elektronik von der Analog-technik zur Digitaltechnik und diesezum Versuchsfahrzeug Transrapid 07und dem Prototyp eines Anwenderfahr-zeugs Transrapid 08 auf der Versuchs-anlage Emsland. Die gesamte Entwick-lung der Magnetfahrtechnik von 1969bis 1999 kostete weniger als die einesneuen Autotyps.Ist diese Entwicklung zukunftsweisend,wie so oft behauptet wird? Wer für dieZukunft arbeitet, steht immer wiedervor der Frage, ob in die Zukunft gerich-tete Entscheidungen auch richtig sind.Bei der Beantwortung dieser Frage istder Blick in die Vergangenheit hilf-reich, denn in der Vergangenheit sindTrendlinien entstanden, an denen mansich gut orientieren kann. Die techni-sche Entwicklung zeigt diesen Trend:Mechanik – Elektrotechnik – Elektro-nik. Diese Entwicklung ist auch imspurgebundenen Verkehr sichtbar:Dampflok/Diesellok – Elektrolok – ICE(elektronisch geregelter Antrieb, jedochnoch mechanische Berührung Rad aufSchiene). Die Magnetschnellbahn istsowohl beim Antrieb (Steuerung undRegelung) als auch im Fahrzeug (Tra-gen, Führen, Lineargenerator) elektro-nisch geregelt und damit das Endpro-

dukt in dieser vorgezeichneten Ent-wicklungslinie.HERMANN KEMPER, der am 13.7.1977 inNortrup verstorben ist, konnte die Ent-wicklung nach 1969 bis zu seinem Todeverfolgen und bestätigt bekommen, daßseine Arbeiten zukunftsgerichtet undgrundlegend zur Weiterentwicklung desspurgebundenen Verkehrs beigetragenhaben, wie er es sich gewünscht hatte.In Anerkennung seiner wissenschaftli-chen Arbeiten wurde HERMANN KEMPER

auf dem „Internationalen Kongreß elek-trische Bahnen 1971“ als „Nestor derMagnetfeldfahrtechnik“ geehrt und zurVollendung seines 80. Lebensjahres 1972mit dem „Großen Verdienstorden derBundesrepublik Deutschland“ ausge-zeichnet.

Gerd Hugenberg, geb. 1928 in Druch-horn, Landkreis Osnabrück - Nachbarortvon Nortrup, in dem Hermann Kemperseine wissenschaftlichen Arbeiten zurMagnetschwebetechnik begonnen hat.Nach dem Abitur 1947 in Meppen unddem Studium der Landwirtschaft an derUniversität Göttingen erste beruflicheAktivitäten in der LandwirtschaftskammerWeser-Ems im Rahmen der Emslander-schließung. Danach fast 20 Jahre Ge-schäftsführer der Emsland GmbH, der fürdie Emslanderschließung federführen-den Gesellschaft. Mitwirkung bei derAnsiedlung der Transrapid Versuchsanla-ge Emsland in Lathen/Dörpen und in derÖffentlichkeitsarbeit für die Magnet-schnellbahn Transrapid.