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02~11 Respektive 87 86 Respektive 02~11 HERR & KNECHT Um „die Proteste friedlich zu halten“ werden am G8- Gipfel in Genua 2001 stren- ge Massnahmen ergriffen. In Kühlhäusern werden 200 Leichensäcke bereitgestellt. Für die Zeit des Gipfels setzt Italien das Schengener Ab- kommen ausser Kraft. Sämt- liche Grenzen werden lücken- los überwacht. In Genua werden 20’000 Polizisten zu- sammengezogen. Zur Gewährleistung der Sicherheit wird die Stadt in zwei Zonen geteilt. Eine rote Zone wird mit meterhohen Zäunen abgeriegelt. Sie um- fasst den Stadtkern und das gesamte Hafengebiet und ist für die Dauer des Gipfels unter keinen Umständen betretbar. Eine gelbe Zone kann nur mit eigens von der Stadtverwaltung ausgege- benen Ausweisen (beispiels- weise für Anwohner) betre- ten werden. Strassen und Autobahnen werden mit Hilfe von Stras- sensperren (Checkpoints) kontrolliert; Hafen und Bahnhöfe werden geschlos- sen, ebenso der Flughafen, auf dessen Gelände Flugab- wehrraketen gegen mögliche terroristische Anschläge auf- gestellt worden sind, vor de- nen der italienische Geheim- dienst mehrfach gewarnt hat. Des Weiteren sind Geräte zur Störung (Jamming) des Mo- biltelefonverkehrs in Bereit- schaft und sämtliche Zu- gänge zur Kanalisation in der Umgebung der roten Zone versiegelt. Zur Sicherung des G8-Gip- fels in Heiligendamm 2007 unter anderem ein 12 Kilo- meter langer und 2,5 Meter hoher Zaun mit Stacheldraht, Kameraüberwachung und Bewegungsmeldern rund um den Tagungsort installiert. Von der Bundeswehr werden im Bereich der Bahnstrecke des Molli weitere Absper- rungen errichtet. Die ge- samte Anlage umschliesst die so genannte Verbotszone I, in die nur Anwohner und Lieferanten Zutritt haben. In einem Korridor von 200 Metern Breite um den Sperr- zaun herum gilt vom 30. Mai bis zum 8. Juni 2007 ein Ver- sammlungsverbot. Für den Schutz dieses Bereiches ist die Polizei Mecklenburg- Vorpommern zuständig. Zu- sätzlich wird die Verbots- zone I mit einem zweiten Sicherungsbereich, der so ge- nannten Verbotszone II, gesichert. Diese umfasst einen der Verbotszone I um mehrere Kilometer vorge- lagerten Bereich. Für die Ab- sicherung der Ostsee um Heiligendamm wird das um- liegende Seegebiet komplett gesperrt. Zur Durchsetzung der Sperrzone und die Über- wachung der See wird neben der Polizei auch die deutsche Marine eingesetzt. Auch der Luftraum ist teilweise gesperrt: Im so genannten Flugbeschränkungsgebiet Heiligendamm ist die zivile Luftfahrt bis FL100 (3 km Höhe) im Umkreis von 30 nautischen Meilen (55 km) untersagt. Daneben wird im Umkreis des Flughafens Parchim ein weiteres Sperr- gebiet eingerichtet. Der Flughafen Rostock- Laage ist während des Gip- fels für den kommerziellen Flugbetrieb gesperrt. Die Flüge werden zum Flughafen Neubrandenburg umgeleitet. Auch im Umkreis des Rosto- cker Flughafens gilt vom 2. bis am 8. Juni 2007 ein Versammlungsverbot. Das Deerhurst Resort ist das Gipfelhotel des G-8 in Kana- da 2010. Es ist liegt ab- geschieden und ist leicht zu kontrollieren. Zum Resort führt nur eine Strasse, wäh- rend des Gipfels wird sie ge- sperrt. Zudem spannt sich ein kilometerlanger Sicher- heitszaun um das Areal. Tausend Urlauber können in dem Hotel sonst unterge- bracht werden. In den Tagen vor dem Gipfeltreffen kommt nichts und niemand mehr raus oder rein. Zur Sicherheit ist alles frische Obst und Gemüse bereits geliefert. Den Salat hat sich das Hotel samt Erde anliefern lassen, damit er hält, bis die Poli- tiker anreisen. 50 Millionen Dollar sind von der Regierung bereitgestellt, um die Region rund um das Deerhurst Resort aufzuhüb- schen. Neue Leitplanken sind montiert, Telefonleitungen gelegt, Stadtgärten begrünt, und der nahe Flughafen in North Bay ausgebaut. In Toronto, wo im Anschluss an den G-8-Gipfel das Treffen der G-20-Staaten stattfindet, ist ein künstlicher See ange- legt worden, der dem Penin- sula Lake ähneln soll. Beide Gipfel kosten mehr als eine Milliarde Dollar. Herr und Knecht I Architektur der Sicherheit

Herr und Knecht

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Die Serie Herr und Knecht ist eine Kombination aus Bildern und Texten. Die Zeichnungen von Marc Bauer ergänzt mit einer Auswahl von literarischen und philosophischen Texten, zusammengestellt von der in Zürich lebenden Philosophin Christine Abbt, ergeben ein komplexes Verweissystem. Das Verhältnis von Herr und Knecht wird hierbei nicht nur als eine Beziehung zwischen Oben und Unten sondern als gesellschaftlich wirksames Wechselverhältnis beschrieben. Im Herbst 2010 war die Serie Herr und Knecht anlässlich einer Einzelausstellung von Marc Bauer im Kunstmuseum St. Gallen zu sehen und erstmals in gedruckter Form in der Ausgabe 02.2011 von Respektive.

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HERR & KNECHT

Um „die Proteste friedlich zu halten“ werden am G8- Gipfel in Genua 2001 stren-ge Massnahmen ergriffen. In Kühlhäusern werden 200 Leichensäcke bereitgestellt. Für die Zeit des Gipfels setzt Italien das Schengener Ab-kommen ausser Kraft. Sämt-liche Grenzen werden lücken- los überwacht. In Genua werden 20’000 Polizisten zu-sammengezogen.Zur Gewährleistung der Sicherheit wird die Stadt in zwei Zonen geteilt. Eine rote Zone wird mit meterhohen Zäunen abgeriegelt. Sie um-fasst den Stadtkern und das gesamte Hafengebiet und ist für die Dauer des Gipfels unter keinen Umständen betretbar. Eine gelbe Zone kann nur mit eigens von der Stadtverwaltung ausgege-benen Ausweisen (beispiels-weise für Anwohner) betre-ten werden.

Strassen und Autobahnen werden mit Hilfe von Stras-sensperren (Checkpoints) kontrolliert; Hafen und Bahnhöfe werden geschlos-sen, ebenso der Flughafen, auf dessen Gelände Flugab-wehrraketen gegen mögliche terroristische Anschläge auf-gestellt worden sind, vor de-nen der italienische Geheim-dienst mehrfach gewarnt hat. Des Weiteren sind Geräte zur Störung (Jamming) des Mo-biltelefonverkehrs in Bereit- schaft und sämtliche Zu- gänge zur Kanalisation in der Umgebung der roten Zone versiegelt.

Zur Sicherung des G8-Gip-fels in Heiligendamm 2007 unter anderem ein 12 Kilo-meter langer und 2,5 Meter hoher Zaun mit Stacheldraht, Kameraüberwachung und Bewegungsmeldern rund um den Tagungsort installiert. Von der Bundeswehr werden im Bereich der Bahnstrecke des Molli weitere Absper-rungen errichtet. Die ge-samte Anlage umschliesst die so genannte Verbotszone I, in die nur Anwohner und Lieferanten Zutritt haben. In einem Korridor von 200 Metern Breite um den Sperr-zaun herum gilt vom 30. Mai bis zum 8. Juni 2007 ein Ver-sammlungsverbot. Für den Schutz dieses Bereiches ist die Polizei Mecklenburg-Vorpommern zuständig. Zu-sätzlich wird die Verbots- zone I mit einem zweiten Sicherungsbereich, der so ge-nannten Verbotszone II,

gesichert. Diese umfasst einen der Verbotszone I um mehrere Kilometer vorge- lagerten Bereich. Für die Ab-sicherung der Ostsee um Heiligendamm wird das um- liegende Seegebiet komplett gesperrt. Zur Durchsetzung der Sperrzone und die Über-wachung der See wird neben der Polizei auch die deutsche Marine eingesetzt. Auch der Luftraum ist teilweise gesperrt: Im so genannten Flugbeschränkungsgebiet Heiligendamm ist die zivile Luftfahrt bis FL100 (3 km Höhe) im Umkreis von 30 nautischen Meilen (55 km) untersagt. Daneben wird im Umkreis des Flughafens Parchim ein weiteres Sperr-gebiet eingerichtet.

Der Flughafen Rostock- Laage ist während des Gip-fels für den kommerziellen Flugbetrieb gesperrt. Die Flüge werden zum Flughafen Neubrandenburg umgeleitet. Auch im Umkreis des Rosto-cker Flughafens gilt vom 2. bis am 8. Juni 2007 ein Versammlungsverbot. Das Deerhurst Resort ist das Gipfelhotel des G-8 in Kana-da 2010. Es ist liegt ab- geschieden und ist leicht zu kontrollieren. Zum Resort führt nur eine Strasse, wäh-rend des Gipfels wird sie ge-sperrt. Zudem spannt sich ein kilometerlanger Sicher-heitszaun um das Areal. Tausend Urlauber können in dem Hotel sonst unterge-bracht werden. In den Tagen vor dem Gipfeltreffen kommt nichts und niemand mehr raus oder rein. Zur Sicherheit ist alles frische Obst und Gemüse bereits geliefert.

Den Salat hat sich das Hotel samt Erde anliefern lassen, damit er hält, bis die Poli- tiker anreisen. 50 Millionen Dollar sind von der Regierung bereitgestellt, um die Region rund um das Deerhurst Resort aufzuhüb-schen. Neue Leitplanken sind montiert, Telefonleitungen gelegt, Stadtgärten begrünt, und der nahe Flughafen in North Bay ausgebaut. In Toronto, wo im Anschluss an den G-8-Gipfel das Treffen der G-20-Staaten stattfindet, ist ein künstlicher See ange-legt worden, der dem Penin-sula Lake ähneln soll. Beide Gipfel kosten mehr als eine Milliarde Dollar.

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A r c h i t e k t u rd e r S i c h e r h e i t

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H e r r u n d K n e c h t V I

A b s o l u t i s m u sd e s K a p i t a l s

H e r r u n d K n e c h t

Le premier qui, ayant enclos un terrain, s’avisa de dire: Ceci est à moi, et trouva des gens assez simples pour le croire, fut le vrai fondateur de la société civile. Que de crimes, de guerres, de meurtres, que de misères et d’horreurs n’eût point épargnés au genre humain celui qui, arra-chant les pieux ou comblant le fossé, eût crié à ses semblables: Gardez-vous d’écouter cet imposteur; vous êtes perdus, si vous oubliez que les fruits sont à tous, et que la terre n’est à personne.

Jean-Jacques Rousseau: Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalité parmi les hommes, 1754

„Eine weitere Liberalisierung des Welthandels ist eine wichtige Massnahme gegen Armut.“ Auf diese Formulierung eini-gen sich die G-8 Teilnehmer, namentlich Kanada, Frank-reich, Deutschland, Italien, Japan, Russland, Vereinigtes Königreich und die Vereini-gte Staaten.Genua 2001

The global financial crisis was not just an economic cri-sis, but also a crisis of values. This calls in to question the degree to which our current systems and institutions embody those values that we hold most dear. There is clearly a gap between our values and our systems and institutions.World Economic Forum Davos 2010

Die frühere republikanische US-Vizepräsidentschaftskan-didatin Sarah Palin hat für eine Rede an der finanziell angeschlagenen California State University 75’000 Dollar erhalten. Wegen der knappen Staatskasse hat die California State University zur selben Zeit diverse Kurse für Studierende kürzen und Stipendien streichen müssen. Fresno 2010

Obwalden entscheidet die Einführung des degressiven Steuersystems, bei dem die Steuerbelastung mit zuneh-mendem Einkommen sinkt. Obwalden 2005

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H e r r u n d K n e c h t V

Rahmenbedingungen derA r b e i t s v e r h ä l t n i s s e

1. Instrumentalisierung: Das Objekt wird von der verding-lichenden Instanz als Werk-zeug behandelt, das ihren Zwecken dienen soll.

2. Leugnung der Autonomie: Das Objekt wird von der ver-dinglichenden Instanz so behandelt, als fehle ihm jeg-liche Selbstbestimmung

3. Trägheit: Das Objekt wird von der verdinglichenden Instanz so behandelt, als fehle es ihm an Handlungs-fähigkeit und Aktivität

4. Austauschbarkeit: Das Objekt wird von der verdinglichen-den Instanz so behandelt, als sei es austauschbar.

5. Verletzbarkeit: Das Objekt wird von der verdinglichen-den Instanz so behandelt, als brauchten seine Grenzen nicht respektiert zu werden, so als handle es sich um etwas, das man zerbrechen, zerschlagen oder zerstören darf.

6. Besitzverhältnisse: Das Objekt wird von der verdinglichen-den Instanz als etwas behan-delt, das einem anderen gehört, das gekauft oder ver- kauft werden kann.

7. Leugnung der Subjektivität: Das Objekt wird von der verdinglichenden Instanz als etwas behandelt, dessen Erle-ben und Fühlen nicht berück- sichtigt zu werden braucht.

Martha Nussbaum: Verdinglichung, 1999

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After a time, Tom saw the tra-der returning, with an alert step, in company with colo-red woman, bearing in her arms a young child. She was dressed quite respectably, and a colored man followed her, bringing along a small trunk. The woman came cheerfully onward, talking, as she came, with the man who bore her trunk, and so passed up the plank into the boat. The bell rung, the steamer whizzed, the engine groaned and coug-hed, and away swept the boat down the river. The woman walked forward among the boxes and bales of the lower deck, and, sitting down, busied herself with chirruping to her baby. Haley made a turn or two about the boat, and then, coming up, seated himself near her, and began saying something to her in an indif-ferent undertone. Tom soon noticed a heavy cloud passing over the woman’s brow; and that she answered rapidly, and with great vehemence. „I don’t believe it, -- I won’t believe it!“ he heard her say. „You’re jist a foolin with me.“ „If you won’t believe it, look here!“ said the man, dra-wing out a paper; „this yer’s the bill of sale, and there’s your master’s name to it; and I paid down good solid cash

for it, too, I can tell you, -- so, now!“ „I don’t believe Mas’r would cheat me so; it can’t be true!“ said the woman, with increasing agitation. „You can ask any of these men here, that can read wri-ting. Here!“ he said, to a man that was passing by, „jist read this yer, won’t you! This yer gal won’t believe me, when I tell her what ‚t is.“ „Why, it’s a bill of sale, signed by John Fosdick,“ said the man, „making over to you the girl Lucy and her child. It’s all straight enough, for aught I see.“ The woman’s passionate ex-clamations collected a crowd around her, and the trader briefly explained to them the cause of the agitation. „He told me that I was going down to Louisville, to hire out as cook to the same tavern where my husband works, -- that’s what Mas’r told me, his own self; and I can’t believe he’d lie to me,“ said the woman. „But he has sold you, my poor woman, there’s no doubt about it,“ said a good- natured looking man, who had been examining the papers; „he has done it, and no mistake.“ „Then it’s no account talking,“ said the woman, suddenly growing quite calm;

and, clasping her child tighter in her arms, she sat down on her box, turned her back round, and gazed listlessly into the river.

„Going to take it easy, after all!“ said the trader. „Gal’s got grit, I see.“ The woman looked calm, as the boat went on; and a beau-tiful soft summer breeze passed like a compassionate spirit over her head -- but her heart lay as if a great stone had fallen on it. Her baby rai-sed himself up against her, and stroked her cheeks with his little hands; and, springing up and down, crowing and chatting, seemed determined to arouse her. She strained him suddenly and tightly in her arms, and slowly one tear after another fell on his won-dering, unconscious face; and gradually she seemed, and little by little, to grow calmer, and busied herself with ten-ding and nursing him. (...) „Taking her down south?“ said an other man. Haley nodded, and smoked on. „Plantation hand?“ said the man. „Wal,“ said Haley, „I’m fillin’ out an order for a plantation, and I think I shall put her in. They telled me she was a good cook; and they can use her for that, or set her at the cotton-

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picking. She’s got the right fingers for that; I looked at ‚em. Sell well, either way;“ and Haley resumed his cigar. „They won’t want the young ‚un on the plantation,“ said the man. „I shall sell him, first chance I find,“ said Haley, lighting another cigar. „S’pose you’d be selling him tol’able cheap,“ said the stran-ger, mounting the pile of bo-xes, and sitting down comfor-tably. „Don’t know ‚bout that,“ said Haley; „he’s a pretty smart young ‚un, straight, fat, strong; flesh as hard as a brick!“ „Very true, but then there’s the bother and expense of rai-sin’.“ „Nonsense!“ said Haley; „they is raised as easy as any kind of critter there is going; they an’t a bit more trouble than pups. This yer chap will be running all around, in a month.“ „I’ve got a good place for raisin’, and I thought of takin’ in a little more stock,“ said the man. „One cook lost a young ‚un last week, -- got drownded in a washtub, while she was a hangin’ out the clothes, -- and I reckon it would be well en-ough to set her to raisin’ this yer.“ Haley and the stranger smo-ked a while in silence, neither

seeming willing to broach the test question of the interview. At last the man resumed: „You wouldn’t think of wantin’ more than ten dollars for that ar chap, seeing you must get him off yer hand, any how?“ Haley shook his head, and spit impressively. „That won’t do, no ways,“ he said, and began his smo-king again. „Well, stranger, what will you take?“ „Well, now,“ said Haley, „I could raise that ar chap myself, or get him raised; he’s oncom-mon likely and healthy, and he’d fetch a hundred dollars, six months hence; and, in a year or two, he’d bring two hundred, if I had him in the right spot; I shan’t take a cent less nor fifty for him now.“ „O, stranger! that’s redicu-lous, altogether,“ said the man. „Fact!“ said Haley, with a decisive nod of his head. „I’ll give thirty for him,“ said the stranger, „but not a cent more.“ „Now, I’ll tell ye what I will do,“ said Haley, spitting again, with renewed decision. „I’ll split the difference, and say forty-five; and that’s the most I will do.“ „Well, agreed!“ said the man, after an interval. „Done!“ said Haley. „Where do you land?“

„At Louisville,“ said the man. „Louisville,“ said Haley. „Very fair, we get there about dusk. Chap will be asleep, -- all fair, -- get him off quietly, and no screaming, -- happens beautiful, -- I like to do every-thing quietly, -- I hates all kind of agitation and fluster.“ And so, after a transfer of cer-tain bills had passed from the man’s pocket-book to the trader’s, he resumed his cigar.

It was a bright, tranquil evening when the boat stop-ped at the wharf at Louisville. The woman had been sitting with her baby in her arms, now wrapped in a heavy sleep. When she heard the name of the place called out, she hastily laid the child down in a little cradle formed by the hollow among the boxes, first careful-ly spreading under it her cloak; and then she sprung to the side of the boat, in hopes that, among the various hotel-wai-ters who thronged the wharf, she might see her husband.

„Now’s your time,“ said Haley, taking the sleeping child up, and handing him to the stran-ger. „Don’t wake him up, and set him to crying, now; it would make a devil of a fuss with the gal.“ The man took the bundle carefully, and was soon lost in the crowd that went up the wharf.

When the boat, creaking, and groaning, and puffing, had loosed from the wharf, and was beginning slowly to strain herself along, the wo-man returned to her old seat. The trader was sitting there, -- the child was gone! „Why, why, -- where?“ she began, in bewildered surprise. „Lucy,“ said the trader, „your child’s gone; you may as well know it first as last. You see, I know’d you couldn’t take him down south; and I got a chance to sell him to a first-rate family, that’ll raise him better than you can.“ (...) The woman did not scream. The shot had passed too straight and direct through the heart, for cry or tear.

Dizzily she sat down. Her slack hands fell lifeless by her side. Her eyes looked straight forward, but she saw nothing. All the noise and hum of the boat, the groaning of the ma-chinery, mingled dreamily to her bewildered ear; and the poor, dumb-stricken heart had neither cry not tear to show for its utter misery. She was quite calm. The trader, who, considering his advantages, was almost as humane as some of our politi-cians, seemed to feel called on to administer such consolation as the case admitted of. „I know this yer comes kin-

der hard, at first, Lucy,“ said he; „but such a smart, sensible gal as you are, won’t give way to it. You see it’s necessary, and can’t be helped!“ „O! don’t, Mas’r, don’t!“ said the woman, with a voice like one that is smothering. „You’re a smart wench, Lucy,“ he persisted; „I mean to do well by ye, and get ye a nice place down river; and you’ll soon get another hus-band, -- such a likely gal as you -- „ „O! Mas’r, if you only won’t talk to me now,“ said the wo-man, in a voice of such quick and living anguish that the trader felt that there was something at present in the case beyond his style of opera-tion. He got up, and the woman turned away, and buried her head in her cloak. The trader walked up and down for a time, and occasio-nally stopped and looked at her. „Takes it hard, rather,“ he soliloquized, „but quiet, tho’; -- let her sweat a while; she’ll come right, by and by!“ Tom had watched the whole transaction from first to last, and had a perfect understan-ding of its results. To him, it looked like something unut-terably horrible and cruel, because, poor, ignorant black soul! He had not learned to generalize, and to take en- larged views. (...)

Night came on, -- night calm, unmoved, and glorious, shi-ning down with her innume-rable and solemn angel eyes, twinkling, beautiful, but si-lent. There was no speech nor language, no pitying voice or helping hand, from that distant sky. One after another, the voices of business or plea-sure died away; all on the boat were sleeping, and the ripples at the prow were plainly heard. Tom stretched himself out on a box, and there, as he lay, he heard, ever and anon, a smo-thered sob or cry from the prostrate creature, -- „O! what shall I do? O Lord! O good Lord, do help me!“ and so, ever and anon, until the murmur died away in silence. At midnight, Tom waked, with a sudden start. Some-thing black passed quickly by him to the side of the boat, and he heard a splash in the water. No one else saw or heard anything. He raised his head, -- the woman’s place was vacant! He got up, and sought about him in vain. The poor bleeding heart was still, at last, and the river rippled and dimpled just as brightly as if it had not closed above it.

Harriet Beecher Stowe: Uncle Tom’s Cabin, 1852

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H e r r u n d K n e c h t V I

F u n d a m e n t d e rG e r e c h t i g k e i t

H e r r u n d K n e c h t V I I

S a c h z w a n g

Illegale Einwanderung sowie illegaler Aufenthalt auf dem italienischen Territorium werden in den Rang einer Straftat befördert. 5’000 bis 10’000 Euro müssen die auf-gegriffenen Ausländer be-zahlen, um dann umgehend ausgewiesen zu werden. TAZ 2009.

Der Präsident der Republik stellt Immigration und Krimi- nalität auf eine Ebene.Le Nouvel Observateur 2010

Amnesty International weist im Bericht 2005 auf Razzien und Ausweisungen in Marokko hin. Die strafver-folgenden Behörden wenden nicht nur Gewalt an, son-dern praktizieren in der Haft auch Folter.

In bestimmten Stadtteilen von Rabat und Oujda unter-nimmt die Polizei immer häufiger Razzien gegen Flüchtlinge und Migrant_in-nen.

Die Menschenrechtsorganisa-tion Pro Asyl berichtet 2010 von griechischen Küstenwa-chen, die afghanische Flücht-linge auf unbemannte Ägäis-Inseln absetzt oder diese auf ihren Schiffen zurückhält bis sie verdursten.

Die Tea-Party fordert die Würde der Nation.Washington 2010

Heute wird Frankreich eine erste Gruppe von Roma nach Bukarest abschieben. Diese haben, als 40 illegale Lager vor den Toren von Paris und Lyon geräumt worden sind, keine gültigen Dokumente auf sich getragen. 700 Fah-rende insgesamt sollen bis Ende Monat nach Rumänien und Bulgarien zurückge-schafft werden. Binnen drei-er Monate, so verheisst Frank- reichs Innenminister Brice Hortefeux, werde die Hälfte aller illegalen und prekären Wohnstätten der Roma, also etwa 300, mit resoluter Poli-zeigewalt aufgelöst und platt gewalzt sein. Paris 2010

Am Freitagabend ist es in der süditalienischen Kleinstadt Rosarno zu Vergeltungs- aktionen gekommen. Zwei afrikanische Einwanderer wurden mit Schrotflinten an- geschossen. Zwei weitere Migranten wurden durch

Schläge mit Eisenstangen schwer verletzt. Nach An- gaben italienischer Medien fuhren weitere Einwohner der Stadt fünf Afrikaner ab-sichtlich mit ihren Autos an. Danach versammelten sich rund hundert Einwohner mit Knüppeln und Eisen-stangen bewaffnet in der Nähe eines Lokals, in dem sich viele Migranten auf-hielten, und bauten Barrika-den auf. Einige Einwohner hatten Kanister mit Benzin dabei, andere besetzten das Rathaus. „Wir werden nicht weggehen, bis alle Migranten Rosarno verlassen haben.“Rosarno 2010

Die Jagd ist ein Teil der Kriegskunst. Sie kommt teils gegen die Tiere, teils gegen solche Menschen zur Anwen-dung, die von Natur zu die-nen bestimmt sind, aber nicht freiwillig dienen wollen. Aristoteles, Athen ca. 330 v. Chr.

FRONTEX organis ier t Massenabschiebungen von Wien aus. Ein für eine halbe Million gecharterter Airbus bringt 70 Migranten und Mi-grantinnen in verschiedene westafrikanische Hauptstädte. 140 Polizisten bewachen sie.Wien 2009

Da die polizeiliche Zusam-menarbeit im östlichen Mit-telmeer weiter ausgebaut wird, verschwindet das Phä-nomen der grossen Flücht-lingsschiffe zunehmend. Eine Verdrängung findet offen-sichtlich in Richtung Holz- und Schlauchboote statt. Vor allem gegen sie richten sich die neuen Techniken des Aufspürens und der Meeres-überwachung. Bericht des UNHCR, Genf 2008

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H e r r u n d K n e c h t

Im Jahre 1284 liess sich zu Hameln ein wun-derlicher Mann sehen. Er hatte ein Ober- gewand aus vielfarbigem Tuch an und gab sich für einen Rattenfänger aus. Er versprach, gegen ein gewisses Geld die Stadt von allen Mäusen und Ratten zu befreien. Hameln litt zu dieser Zeit unter einer grossen Rattenplage, der die Stadt selbst nicht Herr wurde, weshalb sie das Angebot des Fremden begrüsste.Die Bürger sagten ihm seinen Lohn zu, und der Rattenfänger zog seine Flöte heraus und pfiff eine Melodie. Da kamen die Ratten und Mäuse aus allen Häusern hervor gekro-chen und sammelten sich um ihn herum. Als er nun meinte, es wäre keine zurückgeblieben, ging er aus der Stadt hinaus in die Weser; der ganze Haufen folgte ihm nach, stürzte ins

Wasser und ertrank. Als aber die Bürger sich von ihrer Plage befreit sahen, reute sie der ver-sprochene Lohn, und sie verweigerten ihn dem Mann, so dass er zornig und erbittert wegging. Am 26. Juni kehrte er jedoch zurück in Gestalt eines Jägers, mit schrecklichem Angesicht, einem roten, wunderlichen Hut und liess, wäh-rend alle Welt in der Kirche versammelt war, seine Flöte abermals in den Gassen ertönen. Alsbald kamen diesmal nicht Ratten und Mäuse, sondern Kinder, Knaben und Mägdlein vom vierten Jahre an in grosser Anzahl gelau-fen. Diese führte er, immer spielend, zum Ostertore hinaus in einen Berg, wo er mit ih-nen verschwand.

Brüder Grimm: Märchen und Sagen, 1815

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H e r r u n d K n e c h t

JACQUES: Un Jacques! Un Jacques, Monsieur, est un homme comme un autre.

LE MAÎTRE: Jacques, tu te trompes, un Jacques n’est point un homme comme un autre.

JACQUES: C’est quelquefois mieux qu’un autre.

LE MAÎTRE: Jacques, vous vous oubliez. Reprenez l’histoire de vos amours, et souvenez-vous que vous n’êtes et que vous ne serez jamais qu’un Jacques.

JACQUES: Si, dans la chaumière où nous trou-vâmes les coquins, Jacques n’avait pas valu un peu mieux que son maître...

LE MAÎTRE: Jacques, vous êtes un insolent: vous abusez de ma bonté. Si j’ai fait la sottise de vous tirer de votre place, je saurai bien vous y remettre. Jacques, prenez votre bouteille et votre coquemar, et descendez là-bas.

JACQUES: Cela vous plaît à dire, Monsieur; je me trouve bien ici, et je ne descendrai pas là-bas.

LE MAÎTRE: Je te dis que tu descendras.

JACQUES: Je suis sûr que vous ne dites pas vrai. Comment, Monsieur, après m’avoir accou-tumé pendant dix ans à vivre de pair à com-pagnon...

LE MAÎTRE: Il me plaît que cela cesse.

JACQUES: Après avoir souffert toutes mes impertinences ...

LE MAÎTRE: Je n’en veux plus souffrir.

JACQUES: Après m’avoir fait asseoir à table à côté de vous, m’avoir appelé votre ami ...

LE MAÎTRE: Vous ne savez pas ce que c’est que le nom d’ami donné par un supérieur à son subalterne. (...)

JACQUES: Monsieur, commandez-moi tout autre chose, si vous voulez que je vous obéisse.“Ici, le maître de Jacques se leva, le prit à la boutonnière et lui dit gravement:

„Descendez.“

Jacques lui répondit froidement: „Je ne descends pas.“

Le maître le secoua fortement, lui dit: „Descen-dez, maroufle! obéissez-moi.“

Jacques lui répliqua froidement encore: „Ma-roufle, tant qu’il vous plaira; mais le maroufle ne descendra pas. Tenez, monsieur, ce que j’ai à la tête, comme on dit, je ne l’ai pas au talon. Vous vous échauffez inutilement, Jacques restera où il est, et ne descendra pas.“

Denis Diderot: Jacques Le Fataliste, 1778

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Lampedusa I, 2010Bleistift auf Papier, 71 x 142 cm

Grand Hotel I (Heiligendamm), 2010Bleistift auf Papier, 71 x 142 cm

Heligendamm, 2010Bleistift auf Papier, 71 x 142 cm

Grand Hotel II (Heiligendamm), 2010Bleistift auf Papier, 71 x 142 cm

Gibraltar, 2010Bleistift auf Papier, 71 x 142 cm

Lampedusa II, 2010Bleistift auf Papier, 71 x 142 cm

Cave, 2010Bleistift, Farbstift und schwarze Litho-grafiekreide auf Papier, 32 x 45 cm

Die Serie Herr und Knecht ist eine Kombination aus Bildern und Texten. Die Zeichnungen von Marc Bauer ergänzt mit einer Auswahl von lite-rarischen und philosophischen Texten, zusam-mengestellt von der in Zürich lebenden Philo-sophin Christine Abbt, ergeben ein komplexes Verweissystem. Das Verhältnis von Herr und Knecht wird hierbei nicht nur als eine Beziehung zwischen Oben und Unten sondern als gesell-schaftlich wirksames Wechselverhältnis beschrie-ben. Im Herbst 2010 war die Serie Herr und Knecht anlässlich einer Einzelausstellung von Marc Bauer im Kunstmuseum St. Gallen zu sehen und nun erstmals in gedruckter Form in der aktuellen Ausgabe von Respektive.

T i t e l d e r Z e i c h n u n g e n