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Schwerpunkt Herz 2020 · 45:431–440 https://doi.org/10.1007/s00059-020-04944-w Online publiziert: 3. Juni 2020 © Der/die Autor(en) 2020 Matthias Gutberlet 1,2 · Christian Krieghoff 1 · Robin Gohmann 1 1 Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie / Professur für Kardiologische Bildgebung, Herzzentrum Leipzig – Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland 2 Leipzig Heart Institute (LHI), Leipzig, Deutschland Werden die Karten der CT- Koronarangiographie mit der FFR CT neu gemischt? Einführung Aktuelle Wertigkeit der CCTA Die koronare Computertomographie- Angiographie („coronary computed to- mography angiography“, CCTA) ist seit Jahren ein zuverlässiges nicht-invasives Verfahren zur direkten morphologischen Darstellung der Koronararterien [15]. Die anderen zur Verfügung stehenden nicht-invasiven diagnostischen Verfah- ren wie Stressechokardiographie, Be- lastungsmyokardszintigraphie [6] oder Stress-MRT (Magnetresonanztomogra- phie) [68] dienen hingegen primär dem Ischämienachweis. Der diagnostische Wert der CCTA wurde in zahlreichen Studien der invasiven Koronarangiogra- phie auch im Vergleich zur invasiven Bestimmung der fraktionellen Fluss- reserve (FFR) gegenübergestellt [4, 9]. Hierbei zeigte sich, dass sich die CCTA hervorragend eignet, um eine koronare Herzkrankheit (KHK) auszuschließen, da sie einen sehr hohen negativen prädik- tiven Wert („negative predictive value“, NPV; nahe 100%) und eine sehr hohe Sensitivität für den Nachweis einer Ste- nose aufweist, während die Spezifität mit zunehmenden Koronarveränderungen abnimmt und insbesondere der positi- ve prädiktive Wert („positive predictive value“, PPV) niedrig ist (. Abb. 1). Die alleinige morphologische Beurteilung der CCTA führt im Falle einer Steno- sierung des Koronargefäßes oſt zu einer Überschätzung des Stenosegrades und birgt die Gefahr in sich, dass sich dadurch die Anzahl unnötiger invasiver Herzka- theteruntersuchungen erhöht, wenn sich keine nicht-invasive Ischämiediagnostik zum Ausschluss einer hämodynami- schen Relevanz der Stenose anschließt. Die aktuellen 2019er Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) für die Diagnose und das Manage- ment des chronischen Koronarsyndroms (CCS) [10, 11] berücksichtigen dies so- wie die Tatsache, dass in neueren großen Kohortenstudien, z.B. in prospektiven CT-Studien wie PROMISE und SCOT- Heart, die Prävalenz der KHK niedriger war, als bisher angenommen. Die aktu- ellen ESC-Leitlinien stärken somit alle nicht-invasiven bildgebenden Verfahren gegenüber dem Herzkatheter, aber ins- besondere die CCTA. In den britischen NICE(National Institute for Health and Care Excellence)-Guidelines wird die CCTA sogar bereits seit 2016 als „first- line investigation“ bei Verdacht auf eine KHK empfohlen [9]. Zusammenfassend ist die CCTA so- mit bereits allein gut geeignet für den Ausschluss eines CCS bei Patienten mit niedriger intermediärer Vortestwahr- scheinlichkeit, was sich auch schon seit Jahren im Indikationsspektrum großer Register wie dem der European Society of Cardiovascular Radiology (ESCR) zeigt [12]. Im Falle eines positiven Koro- narbefunds in der CCTA muss dann ggf. der Nachweis der hämodynamischen Relevanz mittels eines nicht-invasiven ischämienachweisendenVerfahrensoder invasiv mittels FFR erfolgen. Mittels in- vasiver FFR konnte gezeigt werden, dass Patienten, die auf Basis der FFR thera- piert wurden, eine insgesamt niedrigere Rate kardiovaskulärer Ereignisse nach 1 Jahr (13,2 %) aufwiesen im Vergleich zu den auf rein anatomisch gestützter Basis therapierten Patienten (18,3%; p = 0,02) [13]. Es wäre also wünschenswert, wenn neben der rein morphologischen Beur- teilung der Koronararterien auch eine Beurteilung der hämodynamischen Re- levanz der Stenose mit der CT möglich wäre. Die Ergebnisse der PROMISE-Stu- die zeigten, dass dies eine viel gezieltere Selektion von Patienten zur invasiven Koronarangiographie erlauben würde [14]. FFR versus FFR CT FFR Die FFR gibt das Druckverhältnis zwi- schen dem distalen poststenotischen Mitteldruck und dem aortalen Mit- teldruck an. Dieses wird invasiv über Drucksensoren, die in einen Führungs- draht integriert sind, abgeleitet. Die Analyse erfolgt in Echtzeit, in Ruhe und unter maximaler Gefäßdilatation bzw. Hyperämie, meist mittels kon- tinuierlicher intravenöser Gabe von 140 μg/kg/min Adenosin. Neben dem morphologischen Steno- segrad ist der Druckgradient über einer Koronarstenose noch abhängig vom ak- tuellen Perfusionsdruck, vom periphe- ren Gefäßwiderstand und von möglichen Kollateralkreisläufen. Um die FFR be- stimmen zu können, müssen diese Fakto- ren unter bestimmten Bedingungen ab- schätzbar werden, was durch eine ma- ximale pharmakologische Dilatation der Herz 5 · 2020 431

HerzzentrumLeipzig–UniversitätLeipzig,Leipzig,Deutschland … · 2020. 7. 29. · FFR somit beschrieben und berechnet werden[15]: FFR= Q s +Q Kol QN = P d−P v P a −P v ≈

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Schwerpunkt

Herz 2020 · 45:431–440https://doi.org/10.1007/s00059-020-04944-wOnline publiziert: 3. Juni 2020© Der/die Autor(en) 2020

Matthias Gutberlet1,2 · Christian Krieghoff1 · Robin Gohmann1

1 Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie / Professur für Kardiologische Bildgebung,Herzzentrum Leipzig – Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland

2 Leipzig Heart Institute (LHI), Leipzig, Deutschland

Werden die Karten der CT-Koronarangiographie mit derFFRCT neu gemischt?

Einführung

Aktuelle Wertigkeit der CCTA

Die koronare Computertomographie-Angiographie („coronary computed to-mography angiography“, CCTA) ist seitJahren ein zuverlässiges nicht-invasivesVerfahrenzurdirektenmorphologischenDarstellung der Koronararterien [1–5].Die anderen zur Verfügung stehendennicht-invasiven diagnostischen Verfah-ren wie Stressechokardiographie, Be-lastungsmyokardszintigraphie [6] oderStress-MRT (Magnetresonanztomogra-phie) [6–8] dienen hingegen primär demIschämienachweis. Der diagnostischeWert der CCTA wurde in zahlreichenStudien der invasiven Koronarangiogra-phie auch im Vergleich zur invasivenBestimmung der fraktionellen Fluss-reserve (FFR) gegenübergestellt [4, 9].Hierbei zeigte sich, dass sich die CCTAhervorragend eignet, um eine koronareHerzkrankheit (KHK) auszuschließen,da sie einen sehrhohennegativenprädik-tiven Wert („negative predictive value“,NPV; nahe 100%) und eine sehr hoheSensitivität für den Nachweis einer Ste-nose aufweist, während die Spezifität mitzunehmenden Koronarveränderungenabnimmt und insbesondere der positi-ve prädiktive Wert („positive predictivevalue“, PPV) niedrig ist (. Abb. 1). Diealleinige morphologische Beurteilungder CCTA führt im Falle einer Steno-sierung des Koronargefäßes oft zu einerÜberschätzung des Stenosegrades undbirgt dieGefahr in sich, dass sichdadurchdie Anzahl unnötiger invasiver Herzka-

theteruntersuchungen erhöht, wenn sichkeine nicht-invasive Ischämiediagnostikzum Ausschluss einer hämodynami-schen Relevanz der Stenose anschließt.

Die aktuellen 2019er Leitlinien derEuropean Society of Cardiology (ESC)für die Diagnose und das Manage-ment des chronischenKoronarsyndroms(CCS) [10, 11] berücksichtigen dies so-wie die Tatsache, dass in neueren großenKohortenstudien, z.B. in prospektivenCT-Studien wie PROMISE und SCOT-Heart, die Prävalenz der KHK niedrigerwar, als bisher angenommen. Die aktu-ellen ESC-Leitlinien stärken somit allenicht-invasiven bildgebenden Verfahrengegenüber dem Herzkatheter, aber ins-besondere die CCTA. In den britischenNICE(National Institute for Health andCare Excellence)-Guidelines wird dieCCTA sogar bereits seit 2016 als „first-line investigation“ bei Verdacht auf eineKHK empfohlen [9].

Zusammenfassend ist die CCTA so-mit bereits allein gut geeignet für denAusschluss eines CCS bei Patienten mitniedriger intermediärer Vortestwahr-scheinlichkeit, was sich auch schon seitJahren im Indikationsspektrum großerRegister wie dem der European Societyof Cardiovascular Radiology (ESCR)zeigt [12]. Im Falle eines positiven Koro-narbefunds in der CCTAmuss dann ggf.der Nachweis der hämodynamischenRelevanz mittels eines nicht-invasivenischämienachweisendenVerfahrensoderinvasiv mittels FFR erfolgen. Mittels in-vasiver FFR konnte gezeigt werden, dassPatienten, die auf Basis der FFR thera-piert wurden, eine insgesamt niedrigere

Rate kardiovaskulärer Ereignisse nach1 Jahr (13,2%) aufwiesen imVergleich zuden auf rein anatomisch gestützter Basistherapierten Patienten (18,3%; p= 0,02)[13]. Es wäre also wünschenswert, wennneben der rein morphologischen Beur-teilung der Koronararterien auch eineBeurteilung der hämodynamischen Re-levanz der Stenose mit der CT möglichwäre. Die Ergebnisse der PROMISE-Stu-die zeigten, dass dies eine viel gezieltereSelektion von Patienten zur invasivenKoronarangiographie erlauben würde[14].

FFR versus FFRCT

FFR

Die FFR gibt das Druckverhältnis zwi-schen dem distalen poststenotischenMitteldruck und dem aortalen Mit-teldruck an. Dieses wird invasiv überDrucksensoren, die in einen Führungs-draht integriert sind, abgeleitet. DieAnalyse erfolgt in Echtzeit, in Ruheund unter maximaler Gefäßdilatationbzw. Hyperämie, meist mittels kon-tinuierlicher intravenöser Gabe von140 μg/kg/min Adenosin.

Neben dem morphologischen Steno-segrad ist der Druckgradient über einerKoronarstenose noch abhängig vom ak-tuellen Perfusionsdruck, vom periphe-renGefäßwiderstandundvonmöglichenKollateralkreisläufen. Um die FFR be-stimmenzukönnen,müssendiese Fakto-ren unter bestimmten Bedingungen ab-schätzbar werden, was durch eine ma-ximale pharmakologische Dilatation der

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Schwerpunkt

Abb. 18Übersicht der Sensitivitäten und Spezifitäten verschiedener bildgebender Verfahren imVergleich zumGoldstan-dard der invasiven FFR(fraktionelle Flussreserve)-Messung. Beachte, dass die limitierte Spezifität der koronaren Computer-tomographie-Angiographie („coronary computed tomography angiography“, CCTA) durch Verwendung von ischämienach-weisenden Verfahrenwie Stress-MRT (Magnetresonanztomographie) oder CT-Perfusion, aber auch FFRCT(„CT-derived FFR“)verbessert werden kann (SPECT „single photon emission computed tomography“). (Mod. n. [9, 17])

Gefäße erreicht werden kann. Zusätz-lichmüssenderaortaleMitteldrucksowieder zentralvenöse Druck (ZVD) bekanntsein. Letzterer wird zur Vereinfachungder Berechnung häufig auch weggelas-sen. Durch folgende Formeln kann dieFFR somit beschrieben und berechnetwerden [15]:

FFR =Qs +QKol

QN =

Pd − Pv

Pa − Pv≈

Pd

Pa

Es gilt:FFR fraktionelle Flussreserve des Myo-

kardsQs maximaler antegrader Fluss durch

die StenoseQKoll maximaler Kollateralfluss distal

der StenoseQN maximaler hypothetischer Nor-

malflussPd mittlerer Druck in der Koronarar-

teriedistalderStenosebeimaxima-ler Vasodilatation unter Adenosin

Pa mittlerer Aortendruck bei maxi-malerVasodilatationunterAdeno-sin

Pv mittlerer zentralvenöser Druckbei maximaler Vasodilatation un-ter Adenosin

Daraus ergibt sich, wie die FFR überden Koronarfluss definiert ist. Sie kannsomit auch als das Verhältnis des maxi-malen Blutflusses im Myokard distal derStenose (antegraderFluss undKollateral-fluss) zum hypothetischen Normalflussim nichtstenosierten Gefäß beschriebenwerden.

Eine FFR von weniger als 0,75 gilt alszuverlässiges Kriterium für eine hämo-dynamisch relevante Stenose, ein Wertgrößer als 0,80 als Normbereich und ei-ne FFR zwischen 0,75–0,80 als „Graube-reich“.

FFRCT

Bei der FFRCT(„CT-derived FFR“)-Be-stimmung erfolgt keine direkte invasi-ve Messung, sondern eine Abschätzungbzw. Berechnung aus CCTA-Daten unterverschiedenen vereinfachenden Annah-men, die später noch erläutert werden.AlsbesonderenVorteil derFFRCT ermög-licht sie eine simultane Berechnung vonDruck und Fluss entlang des gesamtenKoronarbaums (. Abb. 2). Im Gegensatzdazu liefert die invasive FFR-Messungmittels eines Druckdrahts während derinvasiven Herzkatheteruntersuchung inderRegel nur eineMessung in einemvor-her festgelegten Gefäß [16]. Der Drahtist in der Regel nur für eine einmaligeAnwendung zugelassen, was die Unter-suchung entsprechend teuer macht. So-wohl in der CT wie auch in der inva-siven Herzkatheteruntersuchung erfolgtdie morphologische Stenosevermessungdirekt am Ort der Stenose, während die

432 Herz 5 · 2020

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Zusammenfassung · Abstract

Herz 2020 · 45:431–440 https://doi.org/10.1007/s00059-020-04944-w© Der/die Autor(en) 2020

M. Gutberlet · C. Krieghoff · R. Gohmann

Werden die Karten der CT-Koronarangiographie mit der FFRCT neu gemischt?

ZusammenfassungDie koronare Computertomographie-Angiographie (CCTA) besitzt, insbesondereaufgrund ihres hohen negativen prädiktivenWerts undder hohen Sensitivität, bereits einenhohen Stellenwert in der Primärdiagnostik derkoronaren Herzkrankheit (KHK) bei allerdingslimitierter Spezifität. Invasiv lässt sich die Spe-zifität der Herzkatheteruntersuchung (HKU)mit der „fractional flow reserve“ (FFR) mittelsNachweises der hämodynamischen Relevanzeiner morphologisch nachgewiesenenKoronarstenose gut erhöhen. Neue, entwederauf „computational fluid dynamics“ (CFD) oder„machine learning“ (ML) basierende, nicht-invasive Methoden der FFR-Bestimmungin der CT (FFRCT) zeigen vielversprechendeErgebnisse. Die Möglichkeit des Einsatzes der

CCTA wird aber v. a. von der Bildqualität undder Möglichkeit einer guten Segmentierungder Koronararterien bestimmt, die in 7–12%der CCTA für die Anwendung der FFRCT nichtausreicht, obwohl eine rein morphologischeBeurteilungmeistmöglich ist. Beim Verschlusseines Koronargefäßes, z. B. zur Beurteilungdes Kollateralflusses, kann die FFRCT ebenfallsnicht angewendet werden. Die FFRCT istsomit allein kein „game changer“ bei derDiagnose der chronischen KHK („chronicconorary syndrome“, CCS), sondern vielmehrist es der ergänzende Einsatz zur CCTA beinicht eindeutigen Fällen. Außerdem gibt esbisher nur einen kommerziellen Anbieter derFFRCT, bei dem die Analyse zeitlich verzögert(„off-site“) erfolgt, was den akuten Nutzen

bisher noch einschränkt. Es gibt allerdingsauch On-site-Lösungen, die jedoch bishernur für wissenschaftliche Zwecke und nichtklinisch eingesetzt werden dürfen. Einesinnvolle Ergänzung zur reinmorphologischenBeurteilung stellt die FFRCT aber auf jedenFall dar. Wenn On-site-FFRCT-Lösungen auchkommerziell verfügbar sind, werden sie dieWertigkeit der CCTA im klinischen Alltag zurPrimärdiagnostik des CCS in jedem Fall nochweiter erhöhen helfen.

SchlüsselwörterHerzkatheter · Fraktionelle Flussreserve ·FFR-Bestimmung in der CT · KoronareHerzkrankheit · Chronisches Koronarsyndrom

Is FFRCT a game changer in coronary CT angiography?

AbstractCoronary computed tomography angiography(CCTA) is already of great importance forthe primary diagnostic testing for coronaryartery disease (CAD) due to its high negativepredictive value (NPV) andhigh sensitivity but,however, limited specificity. The specificity ofinvasive coronary angiography (ICA) couldbe increased by integrating the fractionalflow reserve (FFR) into the invasive workflowwith proof of the hemodynamic relevance ofa morphologically detected coronary stenosis.New noninvasive methods of FFR calculationsin CT based on computational fluid dynamics(CFD) or machine learning (ML) demonstratevery encouraging results; however, thewidespread use of FFRCT is mainly determined

by the image quality and the resultingcapabilities of coronary artery segmentation,which could be insufficient in up to 7–12%of CCTAs to calculate FFRCT, althougha morphological assessment is still possiblein most cases. Furthermore, FFRCT cannotbe used in total coronary artery occlusion,e.g. to assess the amount of collateral flow.Therefore, FFRCT calculation alone is not thegame changer in diagnosing chronic coronarysyndrome (CCS), but the additional use ofFFRCT together with CCTA can be beneficialin ambiguous cases. Additionally, only onecommercially available FFRCT solution existson the market with an off-site solution, whichlimits its acute benefits. Several on-site FFRCT

solutions for scientific evaluation exist butcan so far only be used for scientific purposesand are not available for clinical use; however,the calculation of FFRCT from CCTA data iscertainly a meaningful supplement to thepurely morphological assessment of thecoronary arteries. The value of CCTA for theprimary diagnosis of CCS in a clinical scenariowill be improved when on-site FFRCT solutionsbecome commercially available.

KeywordsCardiac catheters · Fractional flow reserve · FFRcalculation in CT · Coronary artery disease ·Chronic coronary syndrome

invasive FFR-Messung distal der Stenosemit Hilfe des Druckdrahts beginnt unddanndurchkontinuierlichenRückzugbiszum Ostium die FFR entlang des gesam-ten Gefäßes ermittelt wird. Es besteheninsgesamt in den bisher veröffentlichtenVergleichsstudien eine hohe Per-vessel-und Per-patient-Übereinstimmung.

Diskrepanzen zwischen der invasivenFFR und den in der FFRCT ermitteltenWertenamOrteinerStenosekönnenaberdurch unterschiedliche Lokalisationender Messungen bedingt sein. Währendin der FFRCT die Adenosinbelastung

unter Berücksichtigung von Muskel-masse und Mikrovaskularisierung ausden CT-Daten mit Kontrastmittel an-hand mathematischer Algorithmen undvereinfachenden Annahmen simuliertwird, erfolgt bei der invasiven FFR-Bestimmung eine reale, in der Regelintravenöse Adenosingabe. Koronarver-schlüsse undKollateralflussfindenbisherindenFFRCT-Algorithmen imGegensatzzur invasiven FFR keine Berücksichti-gung, weshalb in solchen Fällen keineEvaluation mittels FFRCTmöglich ist [16,17].

Standardisierung der Analyse

VorderFFRCT-Analyseund-Auswertungist zunächst eine rein morphologischeAnalyse derKoronarien entsprechend ei-nem Koronarsegmentmodell, z.B. demder Society of Cardiovascular ComputedTomography (SCCT), notwendig [18]. Eswirdempfohlen,nurSegmentemiteinemDiameter von 1,5mm oder mehr in dieAnalyse einzubeziehen. Sollte allein mitHilfe der CCTA ein sicherer AusschlusseinerKHKmöglich sein, bedarf es keinerweiteren FFRCT. Für alle morphologisch

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Schwerpunkt

Abb. 29 FFRCT(„com-puted tomogra-phy-derived frac-tional flow reser-ve“)-Koronarbaumeines Patientenmitmorphologischschwerer Ste-nose (>90%). DieCFD(„computationalfluiddynamics“)-basierteFFRCT-Bestimmung(HeartFlow®)10–20mmdistalder Stenose ergibteinenWert von 0,75(Norm: >0,80)

moderaten (50–69%) und schweren Ste-nosen (70–99%) kann eine Bestimmungder FFRCT sinnvoll sein [16].

Wie bei allen bildgebenden Verfah-ren, bedarf es auch bei der FFRCT einerStandardisierung der Befundung und ei-ner Interpretation der Ergebnisse. DieRadiological Society of North America(RSNA) empfiehlt deshalb [16]:1. Standardisiert den Wert der FFRCT

im Bereich 10–20mm distal desUnterrandes der morphologischenStenose für die Bewertung heran-ziehen, wie es auch für die invasiveFFR-Messung üblich ist [15–17].Hierdurch kann das sog. „pressurerecovery phenomenon“, welches imunmittelbar poststenotisch dilatier-ten Gefäßabschnitt auftreten kann,vermieden werden.

2. FFRCT-Werte >0,80 werden alsnormal und Werte ≤0,75 als pa-thologisch angesehen. Bei FFRCT-Werten zwischen 0,76 und 0,80 wirdeine zusätzliche Risikostratifizierungempfohlen. Dies ist deshalb beson-ders notwendig, da die mit der FFRCT

ermittelten Werte im Vergleich zurinvasiv gemessenen FFR geringfügigniedriger ausfallen ([15–19]; „biasrange“: 0,03–0,05). Grundsätzlichgilt dieser Bereich aber auch bei derinvasiven Messung als „Graubereich“.

3. Natürlich müssen auch die Ergeb-nisse der FFRCT im Hinblick auf dieKoronaranatomie in ihrem klinischenKontext, die Patientensymptome unddie Möglichkeiten zur Revaskularisa-tion hin bewertet werden.

Zusätzlich zeigen erste Studien, dass eingroßer „pressure-drop“ (ΔFFRCT ≥0,06)möglicherweise ein besserer „predictor“für kardiovaskuläre Ereignisse in der Zu-kunft darstellt als der Absolutwert distaleiner Stenose [16].

Auch in neueren Studien unter Ein-satz von „machine learning“ (ML) ist dieBildqualität entscheidend. In den FFRCT-Studien der letzten Jahre schwankt dieAusschlussrate zwischen 7 und 12%aller CT-Untersuchungen [20] (sieheauch . Tab. 1), überwiegend wegen ein-geschränkter Bildqualität. Dies hat sichseit Einführung der FFRCT nicht wesent-lich verbessert.

Verschiedene Methoden derFFRCT-Bestimmung

CFD (HeartFlow®), CFD- und ML-basiert (Siemens), ML-basiert(DEEPVESSEL FFR®)Fortschritte im „image-based modeling“und in den „computational fluid dyna-

mics“ (CFD) haben es in den letztenJahren möglich gemacht, Blutfluss und-druck in denKoronargefäßen unter Ru-he sowie unter hyperämischen Bedin-gungen allein aus den morphologischenCT-Daten ohne zusätzliche Bildgebung,Modifikationen der Akquisitionsproto-kolle oder den Einsatz von Pharmaka zuberechnen.

Die in der bisher einzigen kommer-ziell verfügbaren und von der Food andDrug Administration (FDA) zugelas-senen Software der Firma HeartFlow®(HeartFlow Inc., Redwood, CA, USA)eingesetzte CFD-Technik [21], die auchin den ersten Studien zur FFRCT-Bestim-mung – DISCOVER-FLOW (Diagnosisof Ischemia-Causing Stenoses ObtainedVia Noninvasive Fractional Flow Reser-ve; [22]), DeFacto (Determination ofFractional Flow Reserve by AnatomicComputed Tomographic Angiography;[23]), NXT [17] oder Platform [24]– eingesetzt wurde, soll im Folgendenkurz beschrieben werden. Dem bisherkommerziell noch nicht verfügbarenCFD-basierten Algorithmus der Fir-ma Siemens (cFR, Siemens, Erlangen,Deutschland), der auch „onsite“ genutztwerden kann, liegen ähnliche Prinzipienzugrunde [25]. Die Bestimmung derFFRCT erfolgt durch simulierte Berech-nung des Verhältnisses von maximalemKoronarblutfluss entlang eines steno-tischen Gefäßes zum Blutfluss einesnormalen Blutgefäßes.

Zur Berechnung der FFRCT mit-tels CFD benötigt man ein anatomi-sches dreidimensionales (3-D) Modelldes Koronarbaums (. Abb. 3), ein ma-thematisches Modell zur Simulationder Koronarphysiologie, welches auchGrenzbedingungen der kardialen Aus-wurfleistung, des Aortendrucks und desmikrovaskulären Widerstands berück-sichtigt, sowie eine numerische Lösung,die die physikalischen Gesetze der Strö-mungsmechanik berücksichtigt [21].

Diese Kombination aus anatomischerund physiologischer Information in Ver-bindung mit der Anwendung der Geset-ze der Strömungsmechanik ermöglichteine Berechnung von Koronarfluss und-druck unter verschiedenen physiologi-schen und pathologischen Bedingungen.

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Tab.1

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„negativepredictivevalue“,k.A.keine

Angaben

Herz 5 · 2020 435

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Schwerpunkt

Abb. 39Dreidi-mensionale Rekon-struktion des Com-putertomographie-Koronarbaums (der-selbe Patientwie in.Abb. 2)

Es wird bei den verwendeten ma-thematischen Algorithmen vereinfa-chend angenommen, dass die Systemedes Kreislaufs der universellen Regel„form follows function“ folgen, die esdem Körperkreislauf ermöglichen, ei-ne gleichmäßige Organperfusion unterverschiedenen physiologischen Bedin-gungen (Ruhe vs. Belastung) mit ausrei-chendem Blutfluss und Perfusionsdruckaufrechtzuerhalten [20, 26].

Als weitere Bedingung wird die Gül-tigkeit allometrischer Skalierungsgeset-ze, also die Übertragbarkeit der Bezie-hungen der Masse eines Organs zu sei-nerForm,AnatomieundPhysiologie vongroßen auf kleinere Objekte, vorausge-setzt. Im Falle der FFRCT-Bestimmungwäre das z.B. die Übertragung von Mes-sergebnissen aus großen Blutgefäßen aufdie Simulation des Blutflusses in den Ko-ronararterien.

Allometrische Skalierungsgesetze er-möglichen es, z.B. Rückschlüsse von derOrgangröße auf die Organdurchblutungund damit den Blutfluss zu ziehen. Soist z.B. unter Ruhebedingungen der ko-ronare Blutfluss proportional zur myo-kardialen Masse, welche durch einfacheSegmentierung aus den CT-Daten be-stimmt werden kann [21].

Weiterhin kann als allometrischesSkalierungsgesetz die direkte Propor-tionalität zwischen dem Blutfluss unddem Gefäßdiameter genutzt werden,welche weiterhin durch die Wandspan-

nung und die Viskosität im Blutgefäßbeeinflusst werden. Des Weiteren be-steht eine inverse Korrelation zwischendem Gefäßwiderstand, dem resultieren-den Blutfluss und dem Gefäßdiameter[21] der Koronargefäße. Der Gefäßwi-derstand und der Blutfluss distal einerStenose stehen in direkter Beziehungzu Anzahl und Größe der distalen Ge-fäße und Seitenäste und können damitebenfalls aus den morphologischen CT-Daten ermittelt werden.

CFD – numerische Strömungsme-chanik und Simulation

Eine bezeichnende Eigenschaft von Ge-setzen der Strömungsmechanik ist ihreUniversalität, d.h. man kann mit ihnenähnliche Strömungsphänomene (z.B.Wirbelbildungen) an Flugzeugen undin Flüssen genauso wie in Blutgefäßenbeschreiben. D.h. viele Gesetze der Strö-mungsmechanik gelten in Gasen wiein Flüssigkeiten und lassen sich dem-entsprechend ähnlich berechnen bzw.simulieren.

Koronarer Blutfluss und -druck kön-nen also grundsätzlich mithilfe der seitüber 150 Jahren bekannten Navier-Sto-kes-Gleichungen berechnet sowie phy-sikalische Eigenschaften des Blutes wieDichte und Viskosität abgeleitet werden.In großen Blutgefäßen kann Blut verein-fachend sogar alsNewton-Flüssigkeitmitkonstanter bzw. weitgehend belastungs-

unabhängiger Viskosität betrachtet wer-den, in kleineren Blutgefäßen wie denKoronararterien verhält sich Blut hin-gegen als Nicht-Newton-Flüssigkeit mitweit komplexeren rheologischen Eigen-schaften. Um diese in mathematischenGleichungenberücksichtigen zu können,sindMillionen von nichtlinearen partiel-len Differenzialgleichungen simultan zulösen und diese Prozesse für jeden Herz-zyklus iterativ zu wiederholen [21]. Sol-che numerischen Methoden werden alsCFD-Methoden der Strömungssimulati-on bezeichnet. Um die notwendigen Re-chenoperationen einzugrenzen, müsseneinesog.„domainof interest“, imFallederFFRCT-Bestimmung also das Koronarge-fäßlumen, undmathematische Grenzbe-dingungen, sog. „boundary conditions“,definiert werden. Aus dem bisher Ge-nannten wird klar, dass hierzu eine im-mense Rechenleistung erforderlich ist,um zeitnah Ergebnisse erzielen zu kön-nen.

„Image-based modeling“ desBlutflusses im Blutgefäß

Die Berechnung der FFRCT aus CC-TA-Daten benötigt also, gekoppelt andie CFD, auch Methoden, um Modelleaus den morphologischen CT-Daten zuextrahieren und die mathematischenGrenzbedingungen einbeziehen zu kön-nen, die dann auch denEffekt derMikro-zirkulation mitberücksichtigen [21]. Eswird somit klar, dass einwesentlicher Be-standteil dieses „image-based modeling“eine qualitativ hochwertige Segmentie-rung der Koronargefäße darstellt. Dieserfolgt bisher meist noch semiautoma-tischundbedurfte zumindest initial nocheiner zusätzlichen, teilweise aufwändi-gen manuellen Korrektur und bedarfauch jetzt noch einer entsprechend sorg-fältigen Qualitätskontrolle, um valideWerte zu generieren. Deshalb ist dieRate der nicht verwertbaren CCTA ausden Studienmit 7–12% (. Tab. 1) immernoch sehr hoch.

Das daraus entstandene geometrische3-D-Modell für die FFRCT wird in „fini-te Elemente“ mittels eines Gitternetzesvon Millionen Knoten und Elementenzerlegt, und die Flussgeschwindigkeitenund -drücke in jedem dieser Elemente

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Abb. 48 Patientinmit visuell schwerer Stenose in der proximalen LAD („left anterior descending artery“) im Bereich einerstark verkalkten Plaque vor TAVI(„transcatheter aortic valve implantation“): Sowohl derML(„machine learning“)-basierte Al-gorithmus (DEEPVESSEL FFR®; Keya Medical Technology, Beijing, China) als auch der der Firma Siemens ergeben jeweils imAbstandvon10–20mmvonder LAD-Stenose eine FFRCT („computed tomography-derived fractional flow reserve“) zwischen0,78 und 0,81 imGrenzbereich einer hämodynamischen Relevanz. Es erfolgte keine Koronarintervention

werden mithilfe von parallelem „super-computing“ berechnet.

FFRCT-Berechnung aus der CT

Die finale FFRCT-Bestimmung erfor-dert die Reduktion der Daten auf eini-ge Hauptkontrollparameter („lumped-parameter model“). Dies ist ein gängigesVorgehen zur topologischen Beschrei-bung räumlich verteilter physikalischerSysteme unter bestimmten vereinfa-chenden Annahmen. Dieses Vorgehenist gebräuchlich zur Beschreibung vonphysikalischen Phänomenen aus derElektronik, der Akustik oder auch – wieim Falle der FFRCT-Bestimmung – ausder Biomechanik.

Mathematischausgedrückt,überführtdiese Simplifikation den Zustandsraumoder „state space“ in eine endliche Di-mension und die partiellen Differenzial-gleichungen in ordinäre Differenzialglei-chungenmit einer endlichenAnzahl vonParametern.

Die verwendeten „lumped-parametermodels“ des Herzens, des Systemkreis-laufs, sowie der Mikrozirkulation wer-denmiteinempatientenspezifischenMo-dell der Aortenwurzel, der Muskelmas-

se und der epikardialen KoronargefäßeausdenCT-Datengekoppelt.Der gesam-te Koronarfluss unter Ruhebedingungenwird aus der muskulären Kammervolu-metrie abgeschätzt, aus dem Gesamtko-ronarfluss wird der Gesamtkoronarwi-derstand und aus demArmblutdruck derAortendruck berechnet.

Final müssen die Grenzbedingun-gen für die Simulation der maximalenHyperämie unter Adenosinbelastung de-finiert werden. Es konnte experimentellgezeigt werden [21, 26], dass in Ko-ronargefäßen mit normaler koronarerFlussreserve (CFR) der Gesamtkoronar-widerstand unter maximaler Adenosin-belastung (140 μg/kg/min), wie sie auchfür invasive FFR-Bestimmung, Stress-MRT oder Myokardszintigraphie unterpharmakologischerBelastungverwendetwird, auf 0,24 des Ruhewertes absinkt.DieserWert kann als maximale Redukti-on auch im Falle einer mikrovaskulärenDysfunktion angesehen werden – einevereinfachende Annahme, die auch Er-gebnisse der FFR repräsentiert. Hierbeiwird weiterhin angenommen, dass dermikrovaskuläre Widerstand distal einerStenose unter Hyperämiebedingungen

dem eines gesunden Gefäßes in Ruheentspricht.

Am Ende ergibt sich aus den vielenGleichungen eine räumliche Vertei-lung der FFRCT-Werte über den gesam-ten dreidimensionalen Koronarbaum(. Abb. 4).

FFRCT-Bestimmungmittels ML

Die bisher einzige kommerziell zurVerfügung stehende und auch dieFDA-Zulassung besitzende Software(HeartFlow®) ist eine CFD-basierte. Siewird aktuell cloudbasiert angeboten,d.h. die DICOM-CT-Daten müssen hierhochgeladen werden, und die Ergebnis-se werden dann in der Regel innerhalbeines Arbeitstages geliefert.

Nach sorgfältiger Off-site-Segmentie-rungderDatensätze erfolgt dieKalkulati-onder FFRCT, die, wie für dieCFD-Simu-lation beschrieben, sehr zeitaufwändigerRechenoperationen mittels „supercom-puting“ bedarf. Die Preise für diese Leis-tung liegen in der Größenordnung einerinvasiven FFR-Bestimmung mittels Ka-theter.

Um diese Leistung schneller und kos-tengünstiger anbieten zu können, wur-

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Schwerpunkt

Abb. 58 ROC(„receiver operating characteristic“)-Analyse der CFD(„computational fluid dyna-mics“)-basierten(roteKurve)undderML(„machinelearning“)-basierten(grüneKurve)FFRCT(„computedtomography-derivedfractionalflowreserve“)-BestimmungimVergleichzur reinen/morphologischenKoronar-CTA (Computertomographie-Angiographie; blaue Kurve) ergibt jeweils eine vergleichbareAUC („area under the curve“) von jeweils 0,84 undeinendeutlichniedrigerenWert für dieCCTA („coro-nary computed tomography angiography“) allein. (Mod. n. [20])

den inden letzten Jahren von verschiede-nen Geräteherstellern und zuletzt auchvon einem geräteunabhängigen Anbieter– bisher allerdings nur für Forschungs-zwecke und nicht zur klinischen Nut-zung – ML-basierte Algorithmen ange-boten, die „onsite“ benutzt werden kön-nen. Die dazu notwendigen Rechenope-rationensinddeutlichwenigeraufwändigund können auf Standardcomputerhard-ware durchgeführt werden.

DieML-basiertenAlgorithmen fußenin der Regel auf einer Kombination vonBildmustererkennung, v. a. für eine qua-litativ hochwertige undweitgehend auto-matisierte Segmentierung der Koronar-arterien, und auf den eigentlichen ML-basierten Algorithmen [20, 27]. Der vonder Firma Siemens benutzte Algorith-mus beruht auf einem mittels „super-vised learning“ an einem Datensatz aus12.000 unterschiedlichen synthetischen3-D-Koronarbaum-Modellen mit zahl-reichen anatomischenVariantenundun-terschiedlichemAusmaß an Koronarste-nosen trainierten Datensatz mit den Er-gebnissen der CFD-basierten FFRCT-Be-stimmung als „ground truth“.

In einer der bisher größten Multizen-terstudiendazu [20]mit 351 eingeschlos-senen Patienten im direkten Vergleichunter Verwendung einer ML-basiertenFFRCT- und einer bisher nichtkommerzi-ell erhältlichen CFD-basierten Software(beide von der Firma Siemens) konn-tenmit einer „vessel-based accuracy“ von78% (. Tab. 1) ähnlich gute Ergebnissewie mit dem CFD-basierten Algorith-mus erzielt werden, mit einer sehr gutenKorrelation von 0,997 und einer identi-schenAUC („area under the curve“) von0,84 (. Abb. 5) im Vergleich zur invasi-venFFR-BestimmungmittelsHerzkathe-ter. An die Ergebnisse der Metaanalysevon Cook et al. [19] unter überwiegen-der Nutzung der kommerziell erhältli-chenCFD-basiertenFFRCT(HeartFlow®)aus 4 Zentren sowie der nichtkommer-ziell erhältlichen CFD-Software der Fir-ma Siemens mit insgesamt 536 einge-schlossenen Patienten und einer „vesselbased accuracy“ von 82% konnte sie je-doch noch nicht ganz heranreichen. Al-lerdingswaren auch in dieserMetaanaly-se dieErgebnisse imBereichder ermittel-ten FFRCT-Referenzbereiche sehr unter-schiedlich. In den Grenzbereichen von

FFRCT-Werten zwischen 0,68 und 0,83,die am häufigsten bei Patienten mit mor-phologischenStenosegradenzwischen50und 90% auftraten, waren die Ergebnisseweniger gut.

In einer neueren Einzelzenterstudie[28] mit lediglich 61 eingeschlossenenPatienten und unter Verwendung einesanderenML-basiertenAlgorithmus(DE-EPVESSEL FFR®; KeyaMedical Techno-logy, Beijing, China;. Tab. 1) wurden al-lerdingsbereits Ergebnisse erzielt, diemiteiner „vessel-based accuracy“ von 88%an die CFD-basierten Techniken heran-reichen bzw. diese sogar übertreffen. DerAnteil der nicht auswertbaren CCTA lagmit 7% aber immer noch sehr hoch.Trotzdem sind diese Algorithmen na-türlich sehr vielversprechend, da sie denbisherigen deutlichen Nachteil der nichtunmittelbaren Verfügbarkeit der Ergeb-nisse nicht mehr aufweisen und kosten-günstiger anbietbar sein werden.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Matthias Gutberlet, MD, PhD,EBCRAbteilung für Diagnostische und Interventio-nelle Radiologie / Professur für KardiologischeBildgebung, Herzzentrum Leipzig – UniversitätLeipzigStrümpellstraße 39, 04289 Leipzig,[email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. M.Gutberlet hat Referenten-honorare vonden FirmenBayer, Bracco, Circle CVI,HeartFlow, Philips undSiemensHealthineers erhal-ten. C. KrieghoffundR. Gohmanngeben an, dass keinInteressenkonflikt besteht.

Für diesenBeitragwurden vondenAutoren keineStudien anMenschenoder Tierendurchgeführt.Für die aufgeführten Studiengelten die jeweils dortangegebenen ethischenRichtlinien.

Open AccessDieser Artikelwird unter der CreativeCommonsNamensnennung4.0 International Lizenzveröffentlicht, welche dieNutzung, Vervielfältigung,Bearbeitung, VerbreitungundWiedergabe in jegli-chemMediumundFormat erlaubt, sofern Sie den/dieursprünglichenAutor(en)unddieQuelle ordnungsge-mäßnennen, einen Link zur Creative Commons Lizenzbeifügenundangeben, obÄnderungen vorgenom-menwurden.

Die in diesemArtikel enthaltenenBilder und sonstigesDrittmaterial unterliegen ebenfalls der genanntenCreative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbil-dungslegendenichts anderes ergibt. Sofern das be-

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