Hintergrund Brasilien 08.09.2014

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  • Hintergrund: Brasilien Nr. 51 / September 2014 | 1

    Wie wird in Brasilien gewhlt? Hintergrundinformationen

    zu den Wahlen 2014 in Brasilien

    Dr. Gabriele Reitmeier

    Am 5. Oktober 2014 werden ca. 142 Millionen Brasilianer und Brasilianerinnen aufgerufen sein, den

    Staatsprsidenten, alle 513 Bundesabgeordnete, 27 Gouverneure, ein Drittel der 81 Senatoren sowie

    alle Abgeordnete der Landesparlamente zu whlen. Staatsprsident und Gouverneure bentigen eine

    absolute Mehrheit sollten sie diese nicht erreichen, findet am 26. Oktober die Stichwahl statt. Senato-

    ren und Abgeordneten reicht die einfache Mehrheit. Es gilt fr alle Mandate eine Amtszeit von vier Jah-

    ren, nur Senatoren werden fr acht Jahre gewhlt.

    1. Chronologie der Wahlvorbereitungen

    Die Vorbereitungen auf den Wahlmarathon erfolgen nach einem genau festgelegten Zeitplan, der auf

    der Website des Obersten Wahlgerichtes (Tribunal Superior Eleitoral, TSE, www.tse.jus.br) eingesehen

    werden kann:

    Registrierung der Parteien

    Sptestens ein Jahr vor den Wahlen, d.h. zum 5. Oktober 2013, mussten sich die Parteien beim TSE

    registrieren lassen. Insgesamt 32 Parteien wurden zu den Wahlen 2014 zugelassen, darunter auch

    zwei neue Parteien: Dies ist zum einen die Zentrumspartei Partido Republicano da Ordem Soci-al(PROS) und zum anderen die Mitte-Links-Partei Solidaridade (SDD). Voraussetzung fr die Zu-

    lassung neuer Parteien ist, dass sie dem TVE 492.000 notariell beglaubigte Unterschriften, die ca. 5%

    der Whlerschaft entsprechen, vorlegen. An dieser Hrde scheiterte das Rede Sustentabilidade von

    Marina Silva, der erfolgreichen Prsidentschaftskandidatin von 2010.

    Hintergrund: Brasilien

    Nr. 51 / 08. September 2014

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    Ob das Scheitern politisch motiviert war, d.h. durch den Regierungsapparat verursacht wurde, oder

    tatschlich Unterschriften fehlten, wird nicht nachzuweisen sein. Auch der Partido Social Democrti-co(PSD), der bereits im Mrz 2011 vom damaligen Gouverneur des Bundesstaats So Paulo, Gilberto

    Kassab, gegrndet wurde, wird erstmals an diesen Wahlen teilnehmen. Seine aktuell 50 Vertreter im

    Nationalkongress, darunter 2 Senatoren verdankt der PSD allein den bertritten aus anderen Parteien.

    Parteibertritte

    Da ein Kandidat von einer Partei nur aufgestellt werden kann, wenn er ihr mindestens ein Jahr vor der

    Wahl angehrt, mussten bis sptestens 5. Oktober 2013 auch alle Parteibertritte bekannt gegeben

    werden. Von dieser Mglichkeit machten ber 10% (der 513) nationalen Abgeordneten und 14% der

    Abgeordneten in den Bundesstaaten Gebrauch. Sie werden sich fr die Wahlen 2014 von einer neuen

    Partei als Kandidat aufstellen lassen.

    Kandidaten-Nominierung

    In der Zeit zwischen 10.-30. Juni 2014 mussten die Parteien ihre Nominierungsparteitage abhalten

    und die gewhlten Kandidaten bis sptestens 5. Juli offiziell beim TSE registrieren. Per Gesetz muss

    dabei auch eine Frauenquote von mindestens 30% eingehalten werden. Doch trotz dieser Quote wer-

    den auf allen politischen Ebenen immer noch sehr wenige Frauen gewhlt. Die Anzahl der zur Wahl

    stehenden Kandidaten fr das Parlament ist unberschaubar. Bei den letzten Wahlen 2010 betrug sie

    ber 5.500.

    Formierung der Wahlallianzen (Coligaos)

    Auch die Wahlallianzen verschiedener Parteien zur Untersttzung eines Kandidaten fr das Prsiden-

    ten-, Gouverneurs- oder Abgeordnetenamt mssen sptestens drei Monate vor der Wahl verbindlich

    geschlossen werden. Aufgrund der groen Anzahl von Parteien handelt es sich dabei um einen schwie-

    rigen, komplexen und teilweise unbersichtlichen Prozess, da sich auf Bundesebene und in den 27

    Bundesstaaten ganz unterschiedliche Bndnisse entwickeln knnen.

    Die coligaos der drei wichtigsten Prsidentschaftskandidaten sehen wie folgt aus:

    > Dilma Roussef: Com a Fora do Povo (PT): PMDB, PSD, PP, PR, PROS, PDT, PC do B, PRB

    > Aecio Neves: Muda Brasil (PSDB): PMN, SD, DEM, PEN, PTN, PTB, PTC e PT do B > Marina Silva: Unidos pelo Brasil (PSB/RS): PPS, PPL, PHS, PRP, PSL

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    2. Wahlwerbung

    Erst nach der offiziellen Registrierung und Bekanntgabe der Kandidaten, d.h. ab dem 6. Juli, war

    ffentliche Wahlwerbung erlaubt. Diese ist in Brasilien durch das Wahlgesetz (Lei das Eleies) minu-

    tis geregelt und vermeintlich kostenlos. Jegliche Form von bezahlter politischer Werbung in Radio

    und Fernsehen sowie Partei-Werbung ist vor Wahlen verboten.

    Viele Brasilianer sind ber die Wahlwerbung auf

    den Straen verrgert und sehen in ihr eine

    Verschmutzung ihrer Stadt. In den sozialen

    Netzwerken wurden viele Seiten ins Leben geru-

    fen, die die Whler aufrufen, strende Werbung

    zu fotografieren und auf den Seiten zu verf-

    fentlichen. Auf Facebook gibt es z.B. die Seiten

    Diga no ao candidato sujo (Sag Nein zum schmutzigen Kandidaten) sowie Nesse eu no

    voto! (Diesen whle ich nicht). Letztere enthlt eine schwarze Liste jener Kandidaten, die Poster

    und Banner in der Stadt verteilen und ohne Er-

    laubnis Nachrichten aufs Handy verschicken.

    Die vermeintlich kostenlosen Sendezeiten in Radio und Fernsehen stehen den Kandidaten vorrangig

    in der Zeit vom 19. August bis 2. Oktober 2014 zur Verfgung und werden den brasilianischen Steuer-

    zahler in diesem Jahr beachtliche 850 Mio. RS (368 Mio. $) kosten. Die Wahlwerbung fr die Prsi-

    dentschaftskandidaten wird in Radio und Fernsehen dreimal die Woche (Dienstag, Donnerstag, Sams-

    tag) in zwei Blcken von je 25 Minuten ausgestrahlt: im Radio von 7h -7h25 und von 12h 12.25h,

    im Fernsehen von 13h -13h25 und von 20h30 -20h55. Insgesamt also je 150 Minuten pro Woche in

    Radio und 150 Minuten pro Woche im Fernsehen.

    Die Verteilung kostenlosen Sendezeiten auf die Parteien geschieht wie folgt: Ein Drittel wird pari-

    ttisch zwischen allen berechtigten Parteien aufgeteilt. Die restlichen zwei Drittel werden proportio-

    nal zur Anzahl der Sitze der jeweiligen Partei im Parlament verteilt bei Wahlallianzen (coligaos)

    addieren sich die Sendezeiten der Parteien. 2014 sehen die verfgbaren Sendezeiten fr die drei wich-

    tigsten Prsidentschaftskandidaten und ihre Wahlallianzen sowohl im Radio wie im Fernsehen wie

    folgt aus:

    - Dilma Roussef: 22 Min 48 Sek tglich / 68min 24 Sek pro Woche

    - Aecio Neves: 9 Min 10 Sek tglich / 27 min 30 Sek pro Woche

    - Martina Silva: 4 Min 06 Sek tglich / 12 Min 24 Sek pro Woche

    Wahlwerbung 2014 in Sao Paulo, Quelle: FNF-Brasilien

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    Fernsehdebatten der Prsidentschaftskandidaten

    Was in Deutschland die Duelle der Kanzlerkandi-

    daten sind, sind in Brasilien die Debatten der

    Prsidentschaftskandidaten. Gerade die kleineren

    Parteien schtzen diese Mglichkeit der publi-

    kums-wirksamen Profilierung, da sie angesichts

    geringer kostenloser Sendezeiten und geringen

    Wahl-spenden im Nachteil sind. Traditionsgem

    lud auch dieses Mal wieder der Sender TV Band-

    eirantes zur ersten Debatte ein. Am Abend des

    27. August stellten sich nicht weniger als sieben

    der insgesamt elf Prsidentschaftskandidaten

    den Fragen der Journalisten.

    Wahlwerbung im Internet

    Dank der im Jahre 2010 verabschiedeten Wahl-

    rechtsreform drfen Prsidentschaftskandidaten und ihre Parteien Blogs und Soziale Netzwerke wie

    z.B. Orkut und Facebook, aber auch die Plattformen Twitter und You Tube sowie E-Mails fr Wahlwer-

    bung nutzen. Allerdings muss es den Adressaten mglich sein z.B. auf einen Eintrag im Blog antworten

    zu knnen. Prsidentschaftskandidaten ist es darber hinaus erlaubt, Werbeplatz auf Nachrichtensei-

    ten zu kaufen.

    Wie wichtig Wahlwerbung ist, zeigt sich daran, dass sich jeder vierte Whler daraus die Informationen

    ber die Kandidaten holt. Studien haben auch eine positive Korrelation zwischen der Lnge der Sende-

    zeit im Fernsehen und dem Erfolg bei Kongress- und Kommunalwahlen belegt. Allerdings bewirkt

    Wahlwerbung i.d.R. keine Vernderung, sondern vielmehr eine Verstrkung des intendierten Wahlver-

    haltens.

    3. (Parteien)- und Wahlkampffinanzierung

    Brasilien gehrt zu den Lndern mit den hchsten Wahlkampfkosten und -spenden weltweit. Beliefen

    sich die Wahlkampfkosten 2010 (Prsident und Kongress) noch auf bescheidene R$ 480 Mio. (ca. 275

    Mio. $), erreichten sie bei den Kommunalwahlen 2012 mit R$ 597 Mio. (295 Mio. $) den hchsten

    Wert in der Geschichte des Landes. Besonders die Wahlkmpfe in den Grostdten sind teuer. So soll

    der Brgermeister von Rio de Janeiro, Eduardo Paes (PMDB), fr seine Kampagne 2010 ca. 10 Mio.

    Euro ausgegeben haben.

    Die Wahlkampffinanzierung erfolgt in relativ bescheidenem Umfang aus dem staatlichen Parteien-

    fonds (Fundo Partidrio), berwiegend jedoch durch private Spenden groer Unternehmen.

    Im Studio von TV Bandeirantes, Quelle: FNF-Brasilien

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    Staatliche Parteienfinanzierung

    Gem dem in der brasilianischen Verfassung von 1988 verankerten Recht der Parteien auf staatliche

    Finanzierung erhalten die beim TSE offiziell registrierten Parteien Zuwendungen aus dem staatlichen

    Parteienfonds (Fundo Partidrio). Der Fonds speist sich aus Mittel des Bundeshaushaltes, Bugeldern,

    Geldstrafen und Spenden.

    Verteilung der Mittel: 5% der Fondsmittel werden parittisch an alle berechtigten Parteien zugeteilt.

    Die restlichen 95% werden proportional zur Anzahl der Mandate in der nationalen Abgeordneten-

    kammer an die Parteien verteilt.

    Die Gelder knnen sowohl fr den Wahlkampf als auch fr die Finanzierung der laufenden Partei-

    ausgaben eingesetzt werden. Mindestens 20% der erhaltenen Gelder mssen die Parteien fr andere

    Zwecke, wie z.B. Aus- und Weiterbildung einsetzen. Im Jahr 2013 schttete dieser Fond umgerechnet

    rund 100 Mio. Euro aus. Zudem erhielten die Parteien noch weitere ca. 33 Mio. Euro aus dem Fonds

    der Strafzahlungen, die vom Wahlgericht von Parteien wegen Gesetzesversten erhoben wurden, und

    die nach demselben Verteilerschlssel verteilt werden. Darber hinaus gibt es noch indirekte Formen

    der staatlichen Parteienfinanzierung wie Steuernachlsse, kostenlose Nutzung staatlicher Infrastruk-

    tur etc. Mit den Zuwendungen aus dem Staatsfonds knnen die Parteien jedoch nur einen Bruchteil

    ihrer Ausgaben decken.

    Private Parteien- und Wahlkampfspenden

    Der Groteil der Parteien- und Wahlkampfspenden kommt aus privaten Quellen. Spendenberechtigt

    sind Einzelpersonen bis max. 10% ihres Brutto-Einkommens und Unternehmen bis max. 2% ihres

    Bruttoumsatzes. Berechnungsgrundlage ist jeweils das Jahr vor der Wahl.

    Im Jahr der Kommunalwahlen 2012 wurden insgesamt R$ 751,8 Mio. an 27 Parteien gespendet, 95%

    davon stammten aus dem Privatsektor (Quelle: g1.globo). Nach Angaben von Folha de So Paulo gingen die Grospenden zu 28,5 Prozent an die Arbeiterpartei PT, zu 21 Prozent an die PSDB und zu

    17,7 Prozent an die PMDB. Zu den Grospendern gehrten Baukonzerne, ein Fleischkonzern und drei

    Banken.

    Nach Angaben des Obersten Wahlgerichtes (TSE) gingen in den Jahren 2011-2013 private Spenden

    v.a. an folgende Parteien (Schaubild)

    Arbeiterpartei (PT):

    165,4 Mio. R$

    Sozialdemokratische Partei Brasiliens (PSDB):

    34,7 Mio. R$

    Partei der Brasilianischen Sozialisten (PSB):

    12,8 Mio. R$

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    Rechenschaftspflicht ber Parteien- und Wahlkampfspenden

    Das Sistema de Prestao de Contas Eleitorais(SPCE) sieht die Verffentlichung aller erhaltene Spen-den nach einem detaillierten Zeitplan vor: Bis sptestens 2. August mussten die Parteien dem TSE den

    ersten Bericht ber erhaltene Wahlkampfspenden (nur Barmittel) und geplante Ausgaben vorlegen. Bis

    2.September ist der zweite Bericht fllig. Ein Gesamtbericht wird vom TVE bis 25. November vorgelegt.

    Nach Informationen aus dem ersten Bericht (verffentlicht bei Globo am 26. August

    http://g1.globo.com/politica/eleicoes/2014) wurden bis dahin R$ 123.776.700 (ca. 54,5 Mio. $) an die

    Parteien gespendet. Der geringere Teil (11,4%) der Spenden kam aus dem staatlichen Parteien-fonds.

    Der weitaus grte Teil der Spenden (88,6%) stammt aus privaten Quellen, d.h. von Privat-personen

    aber vor allem von Unternehmen. Allein die 10 grten Spenden von Unternehmen machen ber die

    Hlfte der Gesamtspenden (54%) aus. Spitzenreiter ist JBS, der grte Fleischkonzern weltweit mit R$

    27,3 Mio., gefolgt vom Bauunternehmen OAS und CRBS mit je R$ 7,7 Mio. Es folgen Queiroz Galvao

    (R$ 6,9 Mio) und UTC-Engenharia (R$ 3,8 Mio). Mit je R$ 3,0 Mio Spenden vertreen sind Cosan Eng-

    heneria, Carioca C.N.Engheneria, Banco Safra und Arosuco. Das Schlusslicht bildet Via Engenharia mit

    R$ 2,5 Mio.

    Bislang kamen die PMDB (R$ 34.574.000), die PP (R$ 16.430.000) und die PSD (R$ 15.139.081) in den

    Genuss der hchsten Spenden. Die Parteien der drei fhrenden Prsidentschaftskandidaten bewegten

    sich nur im Mittelfeld: PSDB (R$ 10.752.538), PSB (R$ 9.974.883) und PT (R$ 6.280.010 RS.

    Reform

    Im Rahmen der seit langem geplanten Politikreform wurde auch immer wieder ber ein Verbot pri-

    vater Parteien- und Wahlkampfspenden diskutiert. Die brasilianische Anwaltskammer sowie ver-

    schiedene Gruppen aus der Zivilgesellschaft setzten sich dafr ein. Die Gegner kritisieren vor allem die

    Vetternwirtschaft der Politik mit einer kleinen Gruppe von Unternehmern, die wirtschaftlich die Fden

    in der Hand hlt. Es msse knftig verhindert werden, dass Politiker gewhlt wrden, die sich fr die

    wirtschaftlichen Belange einzelner Konzerne einsetze. Die private Finanzierung sei ein Einfallstor fr

    Korruption und eine Bedrohung fr die Unabhngigkeit der Kandidaten und die Legitimitt des Wahl-

    prozesses. Andere, nicht weniger kritische, NGOs wie der brasilianische Ableger von Transparency International fordern die Einfhrung einer Obergrenze fr private Spenden. Ein Verbot fhre nur dazu,

    dass verdeckt gespendet werde.

    Im April 2014 hat sich eine Mehrheit der Richter am Obersten Gerichtshof Brasiliens nun tatschlich

    fr ein Verbot von Unternehmensspenden an politische Parteien ausgesprochen. Da jedoch das An-

    schlussurteil noch nicht gefllt wurde, wird dieses Verbot vermutlich erst bei den kommenden Kom-

    munalwahlen 2016 Anwendung finden.

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    4. Das Profil der brasilianischen Whlerschaft

    Geografische Verteilung der Whler

    Die Whlerschaft ist geografisch zwischen den 27 Bundesstaaten sehr ungleich verteilt. Der Bundes-

    staat So Paulo vereint 23,3% aller Wahlberechtigten, also ber 30 Mio. Menschen. An zweiter Stelle

    liegt der Bundesstaat Minas Gerais (10,7%) gefolgt von den Bundesstaaten Rio de Janeiro mit 8,5%

    und Bahia mit 7,0%. Fast die Hlfte aller Wahlberechtigten stammt also aus nur vier Bundesstaaten.

    Folglich konzentrieren alle Parteien ihre Wahlkmpfe in diesen vier Bundesstaaten.

    Die Zahl der Bundesabgeordneten reflektiert die unterschiedliche Einwohnerzahl der Bundesstaaten,

    nicht aber der Senat. Dort sind alle Bundesstaaten mit drei Senatoren gleich stark vertreten. So repr-

    sentiert ein Senator aus So Paulo 10,1 Mio. Wahlberechtigte, ein Senator aus Roraima dagegen nur

    90.000.

    Partei-Hochburgen

    Der vergleichsweise hoch entwickelte Sden des Landes (d.h. die drei Bundesstaaten Paran, Santa

    Catarina und Rio Grande do Sul mit 14,9% der Wahlberechtigten) und das wirtschaftliche Kraft-

    zentrum So Paulo (23,3%) tendieren wie schon im Jahre 2010 zur Wahl der Oppositionskandidaten.

    Dagegen sind die Regionen Nordosten (neun Bundesstaaten mit 27,0% der Wahlberechtigten) und

    Norden (acht Bundesstaaten mit 7,4% der Wahlberechtigten) seit 2006 Hochburgen der Arbeiterpartei

    PT.

    5. Wahlrecht

    In Brasilien besteht ein Proporzsystem mit offenen Listen, wobei die Legislative nach dem Verhltnis-

    wahlrecht, die Exekutive nach dem Mehrheitswahlrecht gewhlt wird.

    Verhltniswahlrecht

    Die Legislative, d.h. Abgeordnete auf der nationalen, regionalen und kommunalen Ebene werden nach

    dem Verhltniswahlrecht gewhlt. Die Parteien fertigen eine Wahlliste mit ihren Kandidaten an. Geht

    eine Partei eine Koalition mit anderen Parteien ein, gibt es eine gemeinsame Liste. Unabhngige Kan-

    didaten gibt es nicht, da die Zugehrigkeit zu einer Parteiliste obligatorisch ist, um kandidieren zu

    knnen.

    Fr die Verteilung der Mandate ist die Summe der Stimmen der Kandidaten einer Liste entscheidend.

    Danach wird bestimmt, wie viele Parlamentspltze einer Liste zustehen. Anschlieend erhalten die

    Kandidaten der Liste nach der Reihenfolge ihrer persnlichen Stimmanzahl ein Mandat, bis die der

    Partei zustehenden Pltze vergeben sind. Im folgenden Beispiel sind 40 Sitze zu vergeben. Wenn die

    Kandidaten einer Liste zusammengenommen 25,8 Prozent aller gltigen Stimmen erhalten, bekommt

    die entsprechende Partei oder Koalition mindestens 10 Sitze. Der Listenplatz ist nicht entscheidend.

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    Mehrheitswahlrecht

    Der Prsident, die Mitglieder des Senats, Brgermeister sowie die Gouverneure werden nach dem

    Mehrheitsprinzip direkt gewhlt. Fr die Wahl des Prsidenten, der Gouverneure sowie der Brger-

    meister von Stdten mit mehr als 200.000 Einwohnern ist dafr eine absolute Mehrheit erforderlich.

    Gewinnt keiner der Kandidaten im ersten Wahlgang mindestens die Hlfte plus eine der gltigen

    Stimmen, kommt es zu einer Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten, die im ersten Wahlgang die

    meisten Stimmen erhielten. In kleineren Stdten ist hingegen nur eine relative Mehrheit ntig.

    Bei der Senatswahl kommen beide Methoden zum Einsatz. Da die Amtszeit eines Senators 8 Jahre

    betrgt, werden bei den Parlamentswahlen alle vier Jahre alternierend 1/3 bzw. 2/3 der Senatoren

    gewhlt. Das Prinzip der absoluten Mehrheit kommt zur Anwendung, wenn nur ein Sitz pro Bundes-

    staat zu vergeben ist. Sind zwei Sitze zu vergeben, gilt die zweite Methode: die beiden bestplat-

    zierten Kandidaten kommen in den Senat.

    Nachteile des Systems

    Dieses Proporzsystem mit offenen Listen hat zwei Effekte, die oft kritisiert werden. Die Kandidaten

    stehen im Wettbewerb nicht nur mit den Politikern anderer Parteien, sondern auch mit den Kandida-

    ten aus den eigenen Reihen. Zudem kann ein populrer Kandidat zum Zugpferd fr kleine Parteien

    werden. Er kann alleine sehr viele Stimmen erhalten und dadurch anderen Kandidaten seiner Listenal-

    lianz zu einem Mandat verhelfen. Dies kann dazu fhren, dass Kandidaten in diesem eigentlich perso-

    nalisierten Wahlsystem ein Mandat erhalten, obwohl sie weniger Stimmen erhalten haben als Kandi-

    daten anderer Listen. Zudem knnen sie auch noch von einer ganz anderen Partei sein, als der popul-

    re Kandidat, der ihnen zum Wahlsieg verholfen hat.

    Dadurch schwcht die Lista aberta die Bedeutung von Parteien. Im Vordergrund bei den Wahlen

    steht einzig die Person, nicht die Partei, fr die sie kandidiert. Auf vielen Wahlplakaten taucht nicht

    einmal das Parteilogo auf, sondern lediglich die Nummer des Kandidaten, die in die Wahlmaschine

    eingegeben werden muss, um fr ihn zu stimmen.

    Aufgrund des aktuellen Wahlrechts sind vor allem die dnn besiedelten Bundesstaaten im Norden und

    Nordosten in Parlament und Senat berreprsentiert. Auch fhrt das aktuelle Wahlrecht zu einem

    personalisierten und klientelistischen Wahlverhalten. Die Parteien-Loyalitt ist gering ausgeprgt und

    hufige Parteienwechsel sind an der Tagesordnung.

    Wahlpflicht ein umstrittenes Thema Seit 1932 herrscht in Brasilien Wahlpflicht fr alle Brasilianer zwischen 16 - 70 Jahren. Diese Wahl-

    pflicht ist nur aufgehoben fr Analphabeten, Jugendliche zwischen 16-18 Jahren und ltere Personen

    ber 70 Jahren. Wer seiner Wahlplicht nicht nachkommt, wird sanktioniert und muss sich vor dem

    Wahlgericht verantworten. Es drohen Strafen wie z.B. der Ausschluss von Laufbahnen im ffentlichen

    Dienst, von Bankdarlehen, der Erteilung von Reisepssen (damit sind Auslandsreisen unmglich), der

    Einschreibung an Universitten, um nur einige zu nennen. Inzwischen pldieren jedoch so viele Men-

    schen wie noch nie zuvor, konkret 61%, fr die Abschaffung der Wahlpflicht, da sie sich von den Par-

    teien und deren Kandidaten immer weniger reprsentiert fhlen.

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    Unter den Whlern mit hohem Bildungsabschluss und Einkommen ber dem Mindestlohne sind es

    sogar 71% (Datafolha-Umfrage vom Mai 2014). Dieser hohe Prozentsatz weist auf eine ernst zu neh-

    mende Krise des Systems der reprsentativen Demokratie in Brasilien hin.

    Die Stimmabgabe erfolgt elektronisch mittels als sicher gel-

    tender Wahlmaschinen, die inzwischen auch in den entlegens-

    ten Wahlbezirken des Landes vorhanden sind. Sie ermglichen

    eine zgige Auszhlung der Stimmen und verhindern die an-

    derswo blichen Konflikte um die Manipulation der Ergebnisse.

    6. Das Parteiensystem

    Aktuell gibt es in Brasilien 32 Parteien diese Zahl tuscht eine politische Pluralitt vor, die es in der

    Realitt nicht gibt, denn die Parteien haben nur eine geringe ideologische Ausprgung und unter-

    scheiden sich in dieser kaum.

    Parteien in Brasilien sind zudem stark personalisiert und in erster Linie Machtbndnisse. Die Loyalitt

    der Mandatstrger gegenber der eigenen Partei ist gering. Oft ist ein besserer Listenplatz oder die

    Chance auf einen gut dotierten Posten ausschlaggebend fr einen Parteienwechsel. Dies lsst sich

    nicht zuletzt an der anhaltend hohen Zahl der Partei- und Fraktionsbertritte erkennen, ob-wohl diese

    2007 vom Obersten Bundesgericht sehr erschwert wurden. Die Parteibertritte fhren zu einer gewis-

    sen Beliebigkeit und verwssern die Parteiprofile.

    Die Zersplitterung des Parteiensystems schadet zudem der Qualitt der politischen Reprsentation.

    Aufgrund der hohen Anzahl von Parteien kommt es im Parlament meist zu keinen klaren Mehrheiten.

    Um regieren zu knnen, mssen oftmals Koalitionen aus 10 - 20 Parteien geschmiedet werden, die

    aber eher lose sind und keinem Fraktionszwang unterliegen. Aus diesem Grund muss sich die Regie-

    rung fr jede Abstimmung ihre Mehrheiten neu suchen und es erfordert immer wieder einen hohen

    Einsatz, die jeweiligen Parteien des Bndnisses zufrieden zu stellen. Viele Abgeordnete lassen sich ihr

    Abstimmungsverhalten bezahlen. Sie erwarten Vergnstigungen in Form gut dotierter Posten bei

    Staatsunternehmen, Finanzspritzen fr ihren Wahlkreis oder halten einfach die Hand auf. Auf allen

    Ebenen des Staates wurden und werden Stimmen gekauft ein Einfallstor fr anhaltende politische

    Korruption, wie sehr anschaulich der berhmte Mensalo-Prozess gezeigt hat.

    Quelle: Jos Cruz, Wikimedia Commons

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    Quelle: MCCE Quelle: OAB

    7. Saubere Wahlen

    2014 wird zum ersten Mal in der Geschichte Brasiliens das sog. Gesetz der Weien Weste (Lei da

    Ficha Limpa) bei Wahlen zum Prsidenten, den Senatoren, Gouverneuren und Abgeordneten Anwen-

    dung finden. Bisher waren nur die Kommunalwahlen von 2012 davon betroffen.

    Das Gesetz besagt, dass Politiker, die von einem Gericht in 2. Instanz strafrechtlich verurteilt wurden

    (wegen Machtmissbrauch, Wahlbetrug, Veruntreuung ffentlicher Gelder, Stimmenkauf etc.) fr acht

    Jahre auf jeder politischen Ebene von einer Kandidatur ausgeschlossen sind bzw. von ihrem Amt zu-

    rcktreten mssen. Bei den Kommunalwahlen 2012 waren landesweit aufgrund dieses Gesetzes ca.

    1000 Kandidaten gesperrt worden. Im Hinblick auf die Wahlen im Oktober 2014 prft die Staatsan-

    waltschaft die Kandidatur von 613 Politikern und beabsichtigt, 289 Kandidaten in 20 Bundesstaaten

    zu sperren (Quelle: Globo, 15. Juli)

    Aufsehen erregt auch die Kampagne der Brasilianischen Anwaltskammer (Ordem dos Advogados do

    Brasil, OAB) mit dem Titel Voto no tem preo, voto tem consequncias(die Stimme hat keinen Preis,

    sie hat Konsequenzen). Diese Initiative zielt darauf ab, die Whler ber die Bedeutung der Wahlen

    aufzuklren sowie undemokratische Praktiken, Wahl-Korruption, Stimmenkauf und den Missbrauch

    von politischer und wirtschaftlicher Macht einzudmmen.

    8. Vertrauens- und Glaubwrdigkeitsverlust politischer Institutionen

    Die Protestbewegung vom Juni 2013 hat ein generelles

    Grundgefhl vieler Brasilianer zum Ausdruck gebracht:

    ein wachsendes Misstrauen gegenber den politischen

    Institutionen im Lande. Auch die letzte Erhebung (Aug.

    2013) des Brasilianischen Instituts fr ffentliche Mei-

    nung und Statistik (Ibope), das jhrlich das Vertrauen

    der Brasilianer in 18 Gruppen ffentlicher und privater

    Institutionen misst, spricht Bnde. Noch nie sind die

    Werte so massiv gesunken wie im letzten Jahr.

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    Die drei Spitzenreiter, d.h. die Institutionen, die das grte Vertrauen genieen, sind die Feuerwehr,

    die Kirchen und die Streitkrfte. Auf der unteren Hlfte der Skala rangieren dagegen die fr jede De-

    mokratie fundamentalen Einrichtungen wie Justiz, Regierung, Wahlsystem, Gewerkschaften und Nati-

    onalkongress. Das einsame Schlusslicht bilden die politischen Parteien, denen zumindest nach west-lichem Verstndnis eine wichtige Funktion bei der Mobilisierung, Organisation und Artikulation der politischen Interessen der Brger zukommt.

    9. Die politische Reform seit langem blockiert

    Die oben genannten Probleme groe Zahl von Parteien, die vielen Parteiwechsel, die Ver-schwendung ffentlicher Gelder und die Selbstbereicherung der politischen Klasse, die Ineffizienz und

    Intransparenz der Behrden werden zwar allgemein kritisiert, konkrete Reformanstze gibt es bisher

    aber kaum. Selbst die sog. fnf Pakte fr Brasilien von Prsidentin Roussef, die sie medienwirksam

    im Nachgang zu den Protesten von Juni 2013 verkndet hatte, blieben bisher weitgehend ohne Ergeb-

    nis. Vorgesehen waren:

    a) mehr Sparsamkeit beim Ausgeben ffentlicher Gelder, also ein Fiskalpakt.

    b) Eine Volksabstimmung zur Einfhrung einer Art Verfassungsgebender Versammlung, die

    zwar keine neue Verfassung, aber umfassende politische Reformen beschlieen sollte.

    Dabei ging es vor allem um eine Wahlrechts- und Parteienreform, die Abschaffung privater Wahl-

    kampfinanzierung, neue Regeln fr die Bildung politischer Allianzen etc.

    c) Die Einstellung auslndischer rzte, um mehr Menschen Zugang zu medizinischer Ver-

    sorgung zu ermglichen.

    d) 50 Milliarden Reais (circa 17 Milliarden Euro) fr den ffentlichen Nahverkehr.

    e) Milliardeninvestitionen in die Bildung. So sollten 100 Prozent der Abgaben aus dem Erd-

    lgeschft in die Schulen des Landes flieen.

    Insbesondere Punkt b) bewegt die Brasilianer. Alle bisherigen Versuche, grundlegende Reformen des

    politischen Systems durchzusetzen, scheiterten am Kongress selbst, in dem eine Vielzahl widersprch-

    licher Interessen - Agrobusiness aus dem Nordosten, Privatsektor aus So Paulo, evangelikale Sekten -

    vertreten sind und sich gegenseitig blockieren.

  • Hintergrund: Brasilien Nr. 51 / September 2014 | 12

    10. Sozialprogramme und ihr Einfluss auf das Wahlverhalten

    ber ein Drittel der brasilianischen Bevlkerung, konkret

    36%, lebt von staatlichen Transferzahlungen aus dem

    Sistema nico de Assistncia Social (SUAS). In zwei

    Bundesstaaten Maranho und Piau liegt dieser An-teil bei ber 60%, bei rund einem Dutzend weiterer Bun-

    desstaaten im Norden und Nordosten immerhin noch bei

    41-60%. Fr 2014 plant die Regierung insgesamt R$ 68

    Mrd. (ca. 23 Mrd.). fr SUAS auszugeben ca. 10%

    mehr als in 2013). Dieser Assistentialismus belastet die

    ffentlichen Kassen schwer, fhrt zu Missbrauch und

    hlt die Menschen in Abhngigkeit vom Staat. Gleichzei-

    tig blieben aber seine Ergebnisse hinter den Erwartungen

    (und Mglichkeiten) zurck. Aber er hat eine wichtige

    politische Funktion: die PT-Regierung sichert sich damit

    Millionen von Whlerstimmen.

    Dabei hat das bekannteste Sozialprogramm, Bolsa Fa-mlia, den strksten Einfluss auf das Wahlverhalten.

    Schon bei den Prsidentschaftswahlen 2006 war zu er-

    kennen, dass die PT die Mehrheit der Stimmen in den

    Bundesstaaten des Norden und Nordostens erhielt (also genau in jenen Staaten, die am meisten von

    den Sozialprogrammen profitierten) und nicht mehr aus der Region Zentrum-Sden wie frher. Au-

    erdem gelang es der PT dadurch, ihre Whlerbasis erheblich zu erweitern: von der Mittelschicht und

    gut ausgebildeten Whlern auch auf arme und schlecht ausgebildete Whler aus dem Nordosten.

    Eine hnliche Korrelation zwischen Erhalt von Sozialleistungen und Stimmabgabe fr die Arbeiterpar-

    tei PT war bei den Wahlen 2010 erkennbar. Wie die folgende bersicht zeigt, stimmten 69,2% der

    Empfnger von Sozialleistungen fr Dilma Roussef und immerhin noch 62,7% von jenen, die im Be-

    kanntenkreis Empfnger von Sozialleistungen hatten, stimmten ebenfalls fr Dilma Roussef.

  • Hintergrund: Brasilien Nr. 51 / September 2014 | 13

    Fr 2014 sind von der brasilianischen Regierung ca. 8,4 Mrd. Euro fr Bolsa Famlia vorgesehen,

    10% mehr als im Vorjahr - eine Transferleistung an 14,4 Mio. bedrftige Familien (ca. 50 Mio. Brasili-

    aner).

    11. Die wichtigsten Parteien Brasiliens

    Partido dos Trabalhadores (PT) Die Arbeiterpartei PT unter ihrem Vorsitzenden Rui Falco ist seit 2003 Jahren an der

    Regierung und besetzt aktuell 17 der 39 Ministerien. Whrend sie frher radikale For-

    derungen erhob, einen neuen Politikstil propagierte und Sprachrohr der sozialen Be-

    wegungen war, ist sie inzwischen selbst Teil des Establishments geworden und regiert

    vergleichsweise pragmatisch auch wenn sich Teile der Partei nach wie vor gerne

    verbal-radikal geben. Zum Pragmatismus zwingen sie nicht zuletzt ihre vielen gemigten Bndnis-

    partner, ohne die sie keine Mehrheiten zustande brchte.

    Die Whlerschaft der PT gehrt nach Angaben des Meinungsforschungsinstitut Datafolha (19/20. Febr.

    2014) berwiegend (zu 51%) der grten sozialen Schicht Brasiliens an: Diese ist 25 - 34 Jahre alt,

    wohnt in Stdten mit weniger als 50.000 Einwohnern mageblich im Nordosten des Landes und hat

    ein monatliches Familieneinkommen von ca. 500 Euro. Je knapp die Hlfte dieser Schicht (44%) ver-

    fgt ber einen Grundschul- bzw. mittleren Schulabschluss. Zur Whlerschaft der PT gehren auer-

  • Hintergrund: Brasilien Nr. 51 / September 2014 | 14

    dem die rund 14 Mio. Familien, d.h. 50 Mio. Menschen, die Empfnger der Bolsa Famlia sind und

    ebenfalls berwiegend im Norden und Nordosten des Landes wohnen. Dagegen ist die PT im Sden

    und Sdosten Brasiliens, wo die besser ausgebildeten und besser verdienenden Whlergruppen leben,

    traditionell schwach. Bei den Parlamentswahlen 2010 gewann die PT 88 Sitze in der Abgeordneten-

    kammer und 14 im Senat. Bei den Kommunalwahlen 2012 wurde die PT mit 16,8 Prozent der abgege-

    benen Stimmen strkste Partei und konnte nach acht Jahren in der Megametropole So Paulo das

    Brgermeisteramt zurckgewinnen.

    Mit den Wahlen 2014 will die Arbeiterpartei PT eine hegemoniale Stellung erreichen: Neben der Be-

    setzung des Prsidentenamtes strebt sie den Ausbau der Fraktion im Parlament auf 130 Sitze, eine

    Mehrheit im Senat und einen Wahlsieg in den drei wichtigsten Bundesstaaten So Paulo, Minas Grais

    und Rio de Janeiro an. Dazu wird die Partei zahlreiche neue Kandidaten lancieren mssen, denn viele

    alte sind durch den Mensalo-Prozess verbrannt. Die PT hat einen aggressiven Internetwahlkampf

    gegen ihre politischen Gegner angekndigt.

    Kommt Lula zurck? Die Bewegung Volta Lula gewinnt an Untersttzung

    Ex-Prsident Luiz Incio Lula da Silva kontrolliert nach wie vor den PT-Apparat, zu dem Prsidentin Dilma Roussef kaum Zugang hat. Auch hat Lula im Parlament und im Privatsektor viel mehr Rckhalt

    als die amtierende Prsidentin. Kein Wunder also, dass er auch im Wahlkampf 2014 der Strippenzieher

    ist: er suchte das Wahlkampfteam aus, bestimmt Strategie und Taktik und hlt sich im Notfall -

    auch fr eine Rckkehr auf das hchste Amt im Staate bereit. Diese Idee einer Rckkehr Lulas (Volta Lula) findet immer mehr Anhnger. Manche wollen ihn 2018 zurck, manche aber auch schon 2014.

    Partido do Movimento Democrtico Brasileiro (PMDB) Brasiliens grte Partei auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene ist die Partei der

    Brasilianischen Demokratischen Bewegung unter ihrem Vorsitzenden Michel Temer.

    Sie ist gleich-zeitig die inhaltlich profilloseste Partei, weshalb sie als Partner auf

    allen Ebenen von allen Seiten umworben wird. So gelang es ihr, seit dem bergang

    zur Demokratie im Jahre 1984 an allen brasilianischen Regierungen beteiligt zu sein,

    unabhngig davon, ob die PT oder die PSDB an der Macht waren. Aktuell stellt sie mit Michel Temer

    den Vizeprsidenten, besetzt fnf Ministerien und hat den Vorsitz in beiden Husern des Kongresses.

    Ihre starke Regierungsprsenz ist mit da-fr verantwortlich, dass im Gegensatz zu anderen lateiname-

    rikanischen Lndern Brasiliens Politik keine radikalen Pendelausschlge in welche Richtung auch im-

    mer kennt, dafr aber einen breiten Konsens. Insofern steht der PMDB fr Stabilitt.

    Gleichzeitig ist der PMDB das ideale Sprungbrett fr Karrieristen aller Schattierungen, die eher am

    Zugang zu Macht und Ressourcen als einer politischen Debatte ber die Zukunft des Landes interes-

    siert sind. Bei den Parlamentswahlen 2010 gewann der PMDB 79 Sitze in der Abgeordnetenkammer

    und 20 im Senat. Bei den Kommunalwahlen 2012 erreichte der PMDB 16,26 Prozent (entsprechend

    16,716 Mio.) der abgegebenen gltigen Stimmen.

  • Hintergrund: Brasilien Nr. 51 / September 2014 | 15

    Bloco der Block abtrnniger Koalitionspartner

    Eine informelle Gruppe innerhalb der PMDB, gegrndet vom Fraktionschef Eduardo Cunha, probt den

    Aufstand: sie hat es grndlich satt, von der PT ignoriert bzw. zum bloen Befehlsempfnger degradiert

    zu werden. Sie wirft der PT vor, sich nicht mit ihr zu beraten und sie auch nicht an strategischen Ent-

    scheidungen zu beteiligen. Cunha hat zwar nicht seine Drohung wahrgemacht, die Allianz mit der PT

    auf nationaler Ebene aufzukndigen, doch in fnf Bundesstaaten Sao Paulo (Paulo Skaf), Rio de

    Janeiro (Luiz Fernando Pezo), Paran (Roberto Requio), Rio Grande do Sul (Jos Ivo Sartori) und

    Cear (Euncio Lopes de Oliveira) stellt die PMDB eigene Kandidaten fr das Amt des Gouverneurs in

    Opposition zur PT. Im Bundesstaat Bahia untersttzt die PMDB mit Paulo Soto (DEM) ebenfalls den

    Konkurrenten der PT.

    Partido da Social Democracia Brasileira (PSDB) Die grte brgerliche Oppositionspartei ist die Brasilianische Sozialdemokratische

    Partei unter ihrem Vorsitzenden Acio Neves. Der ehemalige Staatsprsident Fernan-do Henrique Cardos Cardoso (1994 - 2002) gilt immer noch als einflussreichste Figur

    in der Partei. Die PSDB ist eine groe, etablierte und gut strukturierte Partei. Bei den

    letzten Wahlen 2010 erhielt sie acht Bundesstaaten, darunter auch in den beiden Staaten mit der

    grten Zahl an Wahlberechtigten: So Paulo und Minas Gerais. Im Bundesstaat So Paulo ist die

    PSDB bereits seit 20 Jahren an der Macht. Die PSDB macht aber auch immer wieder durch interne

    Machtkmpfe (wie zwischen Jos Serra und Acio Neves) und diversen Korruptionsskandale auf sich

    aufmerksam. Politisch macht sich die PSDB gegen den Assistentialismus stark, der den Staatsaushalt stark belastet. Bei den Parlamentswahlen 2010 gewann die PSDB 53 Sitze in der Abgeordnetenkam-

    mer und 11 im Senat.

    Partido Socialista Brasileiro (PSB) Die Brasilianische Sozialistische Partei (PSB) unter ihrem Vorsitzenden Roberto Amaral ist eine Mitte-Links-Partei, die seit 2002 als loyaler Allianzpartner der Arbei-

    terpartei PT fungierte. Im Sept 2013 brach der Ex-Vorsitzende Eduardo Campos je-

    doch mit Dilma Roussef, gab alle mter zurck, die die PSB in der Bundesregierung

    innehatte, und verkndete seine eigene Prsidentschaftskandidatur.

    Der PSB gilt trotz seines Namens und seines linken Programms als wirtschaftsfreundliche Alter-native

    zur amtierenden PT und rekrutiert seine Kandidaten gerne aus Unternehmer- und Fuballerkreisen.

    Politisch grenzt sich das Profil der Partei bisher noch zu wenig von der Arbeiterpartei PT ab. Die knf-

    tige Whlerschaft drfte sich dann auch vor allem aus unzufriedenen ehemaligen PT-Whlern und den

    unzufriedenen Teilen der Unternehmerschaft rekrutieren. Die regionalen Hochburgen des PSB sind im

    Nordosten, da Eduardo Campos aus Pernambuco stammt und dort fast acht Jahre als Gouverneur ar-

    beitete. Diese Tatsache ist fr die PT auerordentlich gefhrlich, die traditionell auch im Norden und

    Nordosten am strksten ist.

    Bei den Parlamentswahlen 2010 hatte der PSB 34 Sitze in der Abgeordnetenkammer und drei Sitze im

    Senat gewonnen

  • Hintergrund: Brasilien Nr. 51 / September 2014 | 16

    Rede Sustentabilidade Das Nachhaltigkeitsnetzwerk wurde Mitte Februar 2013 von Marina Silva gegrn-det. Sein zentrales Ziel ist es, das Prinzip der Nachhaltigkeit in allen Bereichen um-

    zusetzen: in der Umwelt, der Politik und in der Wirtschaft. Das Netzwerk drfte vor

    allem fr jngere und linke Whler sowie fr enttuschte PT-Whler attraktiv sein.

    Dem Netzwerk ist es jedoch nicht gelungen, die fr die offizielle Registrierung als Partei not-wendigen

    rund 500.000 Unterschriften zu sammeln und dem Obersten Wahlgerichtshof (Tribunal Superior E-leitoral - TSE) rechtzeitig ein Jahr vor dem Wahltermin vorzulegen.

    Partei der Nichtwhler und der Brancos & Nulos

    Obwohl in Brasilien Wahlpflicht besteht,

    verweigert eine zunehmende Zahl von Wahl-

    berechtigten ihre Stimmabgabe. Nach Anga-

    ben des Prsidenten des Obersten Wahlge-

    richtes (TSE) erreichte dieser Anteil im ersten

    Wahlgang der Wahlen 2010 beachtliche

    18,12% (24,6 Mio. Wahlberechtigte) und

    weist seit Jahren eine steigende Tendenz auf.

    Zudem gab ein weiterer signifikanter Teil der

    Whler, konkret 5,51% (6,1 Mio.) bewusst

    eine ungltige Stimme ab (voto nulo). Die sog. votos em branco (Stimmenthaltungen, die dem Wahlsieger zugerechnet werden)

    betrugen bei den letzten Wahlen 3,13 %

    (3,4 Mio. Stimmen). Resume: ber ein Vier-

    tel der Wahlberechtigten (konkret 26,76%) hat also nicht aktiv die Kandidaten im 1. Wahlgang unter-

    sttzt.

    Quelle: FNF Brasilien

  • Hintergrund: Brasilien Nr. 51 / September 2014 | 17

    12. Die Prsidentschaftskandidaten & ihre Vizes

    Die drei wichtigsten Kandidaten fr das Amt des brasilianischen Staatsprsidenten sind die Amtsinha-

    berin Dilma Rousseff (PT), Acio Neves (PSDB) und Marina Silva (PSB).

    Prsidentin Dilma Roussef (PT)

    & Vizeprsident Michel Temer (PMDB) Die amtierende Prsidentin wurde 1947 in Belo Horizonte gebo-

    ren, studierte konomie und hat eine bewegte Vergangenheit:

    in den 70er Jahren verbrachte sie drei Jahre im Guerilla-

    Untergrund gegen die Militrdiktatur und anschlieend drei

    Jahre im Gefngnis, wo sie gefoltert wurde. Wie Lula selbst hat

    sie sich ideologisch von weit links in die linke Mitte bewegt.

    Sie war Ministerin fr Bergbau & Energie bevor sie die Leitung

    des Prsidialamtes unter Prsident Lula bernahm. Von Lula

    wurde sie - ohne erkennbare Beteiligung der Partei - zur Kandidatin fr seine Nachfolge bestimmt. Sie

    selbst trat der Arbeiterpartei PT erst relativ spt, d.h. im Jahre 2000 bei. Damit gehrt sie, im Gegen-

    satz zu Lula, nicht dem traditionellen Kern der Partei an und geniet folglich in der PT auch keinen

    Rckhalt. Man sagt ihr ein sehr distanziertes Verhltnis sowohl zum Kongress wie zum Unternehmer-

    sektor und den Gewerkschaften nach und auch die sozialen Bewegungen beklagen ihre mangelnde

    Dialogbereitschaft. Sie gilt als khle Technokratin, arbeitswtig und mit einem phnomenalen Ge-

    dchtnis, aber wenig Charisma ausgestattet. Die Massen kann sie kaum begeistern.

    Roussefs Kandidat fr das Amt des Vizeprsidenten ist wie schon 2010 der inzwischen 74-jhrige Ju-

    rist Michel Temer. Er stammt aus dem Bundesstaat So Paulo, wohin seine Familie aus dem Libanon

    eingewandert war. Seiner politischen war eine lange Karriere als Rechtsanwalt und Jura-Professor

    vorausgegangen. Er war lange Zeit auch nationaler Vorsitzender des PMDB.

    Acio Neves (PSDB) & Vizeprsident Aloysio Nunes

    Wurde 1960 in Belo Horizonte geboren, ist konom und Enkel des legendren

    Tancredo Neves (erster demokratisch gewhlter Prsident nach der Militrdik-

    tatur, der jedoch vor Amtsantritt starb). Acio Neves begann frh seine politi-

    sche Karriere. 1987 zog er erstmals in die Nationale Abgeordnetenkammer ein.

    Insgesamt absolvierte er dort vier Mandate. Anschlieend war er zweimaliger,

    sehr erfolgreicher Gouverneur von Minas Gerais (2003-10). Mit einem exzel-

    lenten Team war es ihm dort gelungen, aus dem vorher fast bankrotten einen

    der am besten verwalteten und erfolgreichsten Bundesstaaten zu machen.

    Auch gelang es ihm, seinen damaligen Vizegouverneur zu seinem Nachfolger

    zu machen. Seit 2011 ist er Senator und seit Mrz 2013 Parteivorsitzender des

    PSDB. Im Norden und Nordosten ist er noch relativ unbekannt.

  • Hintergrund: Brasilien Nr. 51 / September 2014 | 18

    Das Amt des Vizeprsidenten der PSDB hat Aloysio Nunes, Senator aus So Paulo, bernommen. Er

    war 2010 mit ca. 11 Mio. Stimmen, der hchsten Stimmenzahl aller Senatoren, gewhlt worden. Er

    geniet auch die Untersttzung der grauen Eminenz des PSDB, von Ex-Prsident Fernando Henrique

    Cardoso.

    Marina Silva (PSB/RS) & Vize-Prsident Beto Albuquerque Nach dem tragischen Flugzeugabsturz von Eduardo Campos im August 2014

    wurde Marina Silva zur Prsidentschaftskandidatin des Wahlbndnisses PSB/RS

    gewhlt. Ziel dieses Wahlbndnisses ist es, die politische Dichotomie zwischen

    der Arbeiterpartei PT und der brgerlichen PSDB aufzubrechen, die sich seit

    Jahrzehnten an der Macht abwechseln, und sich als Partei des dritten Weges

    zu etablieren. Dabei baut man auf die hohe Popularitt von Marina Silva, die

    bei den Prsidentschaftswahlen 2010 im ersten Wahlgang mit fast 20 Mio.

    Stimmen einen sehr beachtlichen dritten Platz erreichte.

    Marina Silva wurde 1958 tief im Amazonas-Gebiet von Acre als zweitltestes

    von elf Kindern einer Kautschuksammlerfamilie geboren. Obwohl sie erst mit 16

    alphabetisiert wurde, erreichte sie in wenigen Jahren ihre Hochschulreife und

    beendete mit 26 Jahren ihr Studium als Historikerin. 1988 kandidierte sie erstmals fr die PT als

    Stadtrtin und erhielt ein berwltigendes Wahlergebnis, 1990 gelangt ihr die Wahl zur Landesabge-

    ordneten und vier Jahre spter wurde sie mit 36 Jahren als bisher Jngste in der brasilianischen Ge-

    schichte in den Senat gewhlt. Auch gelang ihr 2002 die Wiederwahl zur Senatorin. 2003 war sie die

    erste Ministerin, die Prsident Lula nach gewonnener Wahl ernannte: sie wurde als Umweltministerin

    in die Regierung berufen. Fnf Jahre spter, am 13. Mai 2008, trat sie jedoch zurck, da sie ber di-

    verse Themen (Freigabe des gentechnisch vernderten Soja-Anbaus, Staudamm-Bau, Plan fr ein

    nachhaltiges Amazonien) in schwere Auseinandersetzungen mit der Regierung geriet.

    Wegen hnlicher politischer Differenzen verlie sie am 19. August 2009, nach 24 Jahren Mit-

    gliedschaft, auch die Arbeiterpartei PT und trat der Grnen Partei (Partido Verde-PV) bei. Fr diese

    kandidierte sie im Oktober 2010 als Prsidentschaftskandidatin und erzielte mit 20 Mio. Stimmen

    (19,4%) einen beachtlichen 3. Platz. Inzwischen verlie sie auch den Partido Verde und grndete im Februar 2013 das Nachhaltigkeits-Netzwerk (Rede Sustentabilidade-RSS). Da Silva nicht mehr schaff-

    te, das RSS ein Jahr vor den Wahlen als Partei beim Brasilianischen Bundeswahlgericht zu registrieren,

    musste sie aus wahltechnischen Grnden am 5. Oktober 2013, dem zuletzt mglichen Termin, in die

    PSB eintreten, um an der Seite des damaligen Prsidentschaftskandidaten Eduardo Campos noch an

    den Wahlen teilnehmen zu knnen.

    Die berzeugte Umweltschtzerin ist aber keine Reprsentantin der Linken. Seit 1997 gehrt sie der

    evangelikalen Assembleia de Deus an und vertritt konservative Familienwerte. Sie kmpft gegen das Recht auf Abtreibung und auch gegen Homosexualitt. Aber sie gilt als nicht korrupt und reprsentiert

    die Unzufriedenheit vieler, die bei den Massendemonstrationen im Juni 2013 auf den Straen zum

    Ausdruck gebracht wurde.

  • Hintergrund: Brasilien Nr. 51 / September 2014 | 19

    Der neue Kandidat auf das Amt des Vize-Prsidenten ist Luiz Roberto de Albuquerque, Rechts-anwalt

    und nationaler Abgeordneter aus dem Bundesstaate Rio Grande do Sul. Gegenwrtig ist er auch Frak-

    tionsfhrer der PSD im nationalen Parlament. Er soll nun die neue unternehmens-freundliche Parteili-

    nie reprsentieren, die Eduardo Campos eingeleitet hatte.

    13. Die jngsten Wahlumfragen

    Datafolha-Umfrage, 18. August 2014

    Die Datafolha-Umfrage vom 18. August, der ersten Umfrage nach dem Tod von Eduardo Campos,

    zeigte vllig vernderte Ergebnisse: Marina Silva als Prsidentschaftskandidatin des PSB erreichte auf

    Anhieb 21%, whrend es Eduardo Campos nie ber 10% geschafft hatte. Profitiert hat sie dabei vor

    allem von sog. votos nulos e brancos, d.h. denjenigen, die vorher eine ungltige oder unentschiedene

    Stimme abgeben wollten. Auch die Wahrscheinlichkeit eines zweiten Wahlganges hat sich mit ihrer

    Kandidatur erheblich erhht.

    Marina Silva stellt zum einen eine Gefahr fr den bisher zweitplatzierten Acio Neves (PSDB) dar, der

    sich bisher sicher in einem zweiten Wahlgang gegen Prsidentin Rousseff whnen durf-te. Um diese

    Chance muss er nun bangen und wird seinen Wahlkampf neu ausrichten mssen. Marina Silva stellt

    jedoch auch eine Gefahr fr die amtierende Prsidentin Dilma Roussef dar. In dem momentan relativ

    wahrscheinlichen Szenario eines zweiten Wahlganges zeigt die Umfrage Marina Silva mit 47% als

    Siegerin.

    Quelle: Datafolha, 18.08.2014

  • Hintergrund: Brasilien Nr. 51 / September 2014 | 20

    IBOPE-Umfrage, 26. August 2014

    Zu sehr hnlichen Ergebnissen kommt die Umfrage des IBOBE-Institutes

    Erster Wahlgang: die Abb. zeigt jeweils die Ergebnisse vom 3.-6. Aug bzw. 23.-25. Aug d.h. jeweils vor und nach dem Tod von Eduardo Campos. Ein zweiter Wahlgang ist danach unausweichlich.

  • Hintergrund: Brasilien Nr. 51 / September 2014 | 21

    Stichwahl

    Bei einer Stichwahl zwischen der amtierenden Prsidentin Dilma Rousseff und Marina Silva, wrde

    sich letztere mit 45% gegenber der Amtsinhaberin behaupten.

    Bei einer Stichwahl zwischen Rousseff und Neves knnte sich indes die amtierende Prsidentin mit 41

    Prozent gegen 35 Prozent durchsetzen.

    Dr. Gabriele Reitmeier ist Projektleiterin der FNF fr Brasilien mit Sitz in So Paulo.

    Impressum

    Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit (FNF)

    Bereich Internationale Politik

    Referat fr Querschnittsaufgaben

    Karl-Marx-Strae 2

    D-14482 Potsdam