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47 | 12. Februar 2015 Special Prozess-Management In Luxusuhren steckt BPM Wie die Schaffhauser Uhrenfirma IWC ihre Prozesse optimiert. Seite 49 Geschäftsprozesse auf dem Prüfstand Wie Business Process Management bei Firmen in der Schweiz Einzug hält und was sich dadurch verändert. SEITE 49 Agilere Stromwirtschaft Die Elektrizitätsbranche steht unter hohem Wand- lungsdruck. Wieso dabei bessere Prozesse für die Firmen ein Vorteil sind. SEITEN 50/51 Digitalisierte Prozesse Die Digitalisierung erfasst heutzutage jedes Unternehmen. Sie bietet auch die Chance, die Prozesse anzupassen. SEITE 52 Die Ausbildung für BPM-Profis Prozess-Management ist bei Schweizer Firmen gefragt. Die richtige Ausbildung eröffnet Karrierechancen. SEITE 54 Den Firmen den Puls gefühlt Manche Branchen sind bei der Umsetzung von Prozess-Management weiter. Eine Studie zeigt, wo die Vorreiter sind. SEITE 55 VERANTWORTLICH FüR DIESEN SPECIAL: JORGOS BROUZOS Rund die Hälfte der Firmen erwartet von ihrer IT-Abteilung, dass sie ihre Effizienz erhöht. FOTOLIA JORGOS BROUZOS Business Process Management oder kurz BPM ist für viele Schweizer Firmen ein wichtiges Instrument. Damit stellen sie re- gelmässig ihre internen Abläufe auf den Prüfstand und passen sie bei Bedarf an. Die Devise dabei ist einleuchtend: Die Be- triebe stellen keine Informatik her, son- dern sie benutzen IT-Systeme, um ihre Prozesse zu verbessern. Beim Winterthurer Immobiliendienst- leister Wincasa sind die Ziele, die mit BPM erreicht werden sollen, hochgesteckt. Mit BPM soll die Innovation gefördert, die Transformation des Unternehmens voran- gebracht, das Geschäft digitalisiert werden, hiess es vor kurzem an einer Veranstaltung zum Thema BPM. Bei Wincasa geht es so- gar so weit, dass auch Abläufe ausserhalb des Unternehmens miteinbezogen werden. Beispiel dafür sind Kreditorenmanagement oder die Betreuung von externen Inserate- plattformen im Internet. Auch der Schaffhauser Uhrenhersteller IWC schenkt dem Thema Aufmerksam- keit. Geschäftsleitungmitglied Karlheinz Baumann umschreibt im Interview (siehe Seite 49), wie wichtig BPM für das Unter- nehmen ist. BPM sei somit viel mehr als ein IT-Tool. Es umfasse Strategien, Ziele, Kultur, Organisationsstrukturen, Rollen, Methoden und IT-Werkzeuge, um End-to- End-Prozesse zu analysieren, zu entwer- fen und nicht zuletzt einzuführen, so Bau- mann. BPM spiele bei IWC eine wesentli- che Rolle bei der kontinuierlichen Verbes- serung der Geschäftsprozesse, so der IWC-Mann im Interview. Unternehmen wie IWC oder Wincasa erachten das Pro- zess-Management also heute schon als wichtigen Faktor. Doch oftmals ist nicht klar, welche Resultate Prozess-Manage- ment-Systeme in einem Unternehmen wirklich abwerfen. Das Luzerner Unternehmen iProcess hat dazu eine Untersuchung durchgeführt und zeigt, in welchen Branchen Prozess- Management erfolgreich angewendet wird (siehe Seite 55). Die iProcess-Exper- ten kommen zum Schluss, dass es für den Reifegrad des Prozess-Managements in ei- nem Unternehmen keine Rolle spielt, wie gross eine Firma ist. Sie haben festgestellt, dass auch kleine Firmen über ein funktio- nierendes Prozess-Management verfügen können. Jedoch stellen die Experten auch fest, dass noch viel Bedarf bei der Verbes- serung im Umgang mit Prozess-Manage- ment besteht. Am 5. März 2015 indet im Mövenpick Hotel in Zürich-Regensdorf das nächste Swiss BPM Forum statt. Dann werden wei- tere umfangreiche Ergebnisse aus der Stu- die von iProcess vorgestellt. Zudem kön- nen sich am Forum Anwender und Anbie- ter über den Nutzen von BPM-Lösungen austauschen. Die Abläufe im Griff Prozess-Management Schweizer Unternehmen setzen auf Business Process Management (BPM). Damit werden ambitionierte Ziele verfolgt. Nicht überall werden sie allerdings erreicht. FOTO-PORTFOLIO Die Bildstrecke bildet das fortlaufende Anpassen von Geschäftsprozessen symbolhaft ab. In den Bildlegenden wurden Zahlen aus der aktuellen Studie «IT-Trends 2015» des Beratungsunternehmens Capgemini verwendet. Fotos: Fotolia FOTOLIAA Impressum Redaktion und Verlag, Axel Springer Schweiz, Förrlibuckstrasse 70, 8021 Zürich

HZ Special «Prozess-Management»

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Page 1: HZ Special «Prozess-Management»

47| 12. Februar 2015

Special Prozess-Management

In Luxusuhren steckt BPMWie die SchaffhauserUhrenfirma IWC ihreProzesse optimiert. Seite 49

Geschäftsprozesseauf dem PrüfstandWieBusiness ProcessManagement bei Firmenin der SchweizEinzughält undwas sich dadurchverändert.SeIte 49

AgilereStromwirtschaftDieElektrizitätsbranchesteht unter hohemWand-lungsdruck.Wieso dabeibessere Prozesse für dieFirmen einVorteil sind.SeIten 50/51

DigitalisierteProzesseDieDigitalisierungerfasst heutzutage jedesUnternehmen. Sie bietetauch dieChance, dieProzesse anzupassen.SeIte 52

Die Ausbildung fürBPM-ProfisProzess-Management istbei Schweizer Firmengefragt. Die richtigeAusbildung eröffnetKarrierechancen.SeIte 54

Den Firmen denPuls gefühltMancheBranchen sindbei derUmsetzung vonProzess-Managementweiter. Eine Studie zeigt,wo dieVorreiter sind.SeIte 55

Verantwortlich für dieSenSpecial: JorgoS BrouzoS

Rund die Hälfte der Firmen erwartet von ihrer IT-Abteilung, dass sie ihre Effizienz erhöht.

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JorgoS BrouzoS

Business Process Management oder kurzBPM ist für viele Schweizer Firmen einwichtiges Instrument.Damit stellen sie re-gelmässig ihre internen Abläufe auf denPrüfstand und passen sie bei Bedarf an.DieDevise dabei ist einleuchtend: Die Be-triebe stellen keine Informatik her, son-dern sie benutzen IT-Systeme, um ihreProzesse zu verbessern.

Beim Winterthurer Immobiliendienst-leister Wincasa sind die Ziele, die mit BPMerreicht werden sollen, hochgesteckt. MitBPM soll die Innovation gefördert, dieTransformation des Unternehmens voran-gebracht, das Geschäft digitalisiert werden,

hiess es vor kurzem an einer Veranstaltungzum Thema BPM. Bei Wincasa geht es so-gar so weit, dass auch Abläufe ausserhalbdesUnternehmensmiteinbezogenwerden.Beispiel dafür sindKreditorenmanagementoder die Betreuung von externen Inserate-plattformen im Internet.

Auchder SchaffhauserUhrenherstellerIWC schenkt dem Thema Aufmerksam-keit. Geschäftsleitungmitglied KarlheinzBaumann umschreibt im Interview (sieheSeite 49), wie wichtig BPM für das Unter-nehmen ist. BPM sei somit viel mehr alsein IT-Tool. Es umfasse Strategien, Ziele,Kultur, Organisationsstrukturen, Rollen,Methodenund IT-Werkzeuge, umEnd-to-End-Prozesse zu analysieren, zu entwer-

fen und nicht zuletzt einzuführen, so Bau-mann. BPM spiele bei IWC eine wesentli-che Rolle bei der kontinuierlichenVerbes-serung der Geschäftsprozesse, so derIWC-Mann im Interview. Unternehmenwie IWC oder Wincasa erachten das Pro-zess-Management also heute schon alswichtigen Faktor. Doch oftmals ist nichtklar, welche Resultate Prozess-Manage-ment-Systeme in einem Unternehmenwirklich abwerfen.

Das Luzerner Unternehmen iProcesshat dazu eineUntersuchung durchgeführtund zeigt, in welchen Branchen Prozess-Management erfolgreich angewendetwird (siehe Seite 55). Die iProcess-Exper-ten kommen zum Schluss, dass es für den

ReifegraddesProzess-Managements in ei-nem Unternehmen keine Rolle spielt, wiegross eine Firma ist. Sie haben festgestellt,dass auch kleine Firmen über ein funktio-nierendes Prozess-Management verfügenkönnen. Jedoch stellen die Experten auchfest, dass noch viel Bedarf bei der Verbes-serung im Umgang mit Prozess-Manage-ment besteht.

Am 5. März 2015 indet im MövenpickHotel in Zürich-Regensdorf das nächsteSwissBPMForumstatt.Dannwerdenwei-tere umfangreiche Ergebnisse aus der Stu-die von iProcess vorgestellt. Zudem kön-nen sich amForumAnwender undAnbie-ter über den Nutzen von BPM-Lösungenaustauschen.

DieAbläufe imGriffProzess-Management Schweizer unternehmen setzen auf Business process Management (BpM).damit werden ambitionierte ziele verfolgt. nicht überall werden sie allerdings erreicht.

Foto-PortFoliodie Bildstrecke bildet dasfortlaufende anpassen vongeschäftsprozessensymbolhaft ab. in denBildlegenden wurden zahlenaus der aktuellen Studie«it-trends 2015» desBeratungsunternehmenscapgemini verwendet.

Fotos: fotolia

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Impressum Redaktion und Verlag, Axel SpringerSchweiz, Förrlibuckstrasse 70, 8021 Zürich

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Prozess-Management | 49handelszeit ung | Nr. 7 | 12. Februar 2015

Schneller angepasstFirmen-IT Den Geschäftsprozessen eines Unternehmens kommt eine grössere Bedeutung zu. Eine Situationsanalyse.

VolkEr richErt

Die jüngsteBPM-Studie (Busi-ness Process Management)des Instituts für Wirtschafts-informatik der ZürcherHochschule fürAngewandte

Wissenschaften (ZHAW) kommt zumSchluss, dass in den letzten vier Jahren einUmdenken erfolgt sei. «Das Bewusstseinfür BPM und die Wichtigkeit seinerstrategischen Verankerung im Spektrumbetrieblicher Aktivitäten haben überalle Organisationsgrössen der schweizeri-schen Unternehmenslandschaft stark zu-genommen», halten die AutorinnenDeni-sa Kykalová und Elke Brucker-Kley in ih-remVergleich zum Jahr 2011 fest. Sie resü-mieren, «dass Prozess-Management ohneden Einsatz vonMethoden undTechnolo-gien kaummehr vorstellbar ist».

Seit einigen Jahren würden KMU wieauch grosse Unternehmen gezielt BPM-Werkzeuge nutzen, was neben der Pro-zessmodellierung insbesondere die Pro-zessautomatisierung umfasse und überdie Integration von Applikationen in Pro-zesse, die Prozessanalyse bis hin zur Un-terstützung von Governance, Risk undCompliance reiche. Mittlerweile würden70Prozent der befragtenUnternehmen IT-gestützte BPM-Werkzeuge nutzen undweitere 14,4 Prozent können sich derenAnschaffung in naher Zukunft vorstellen.«Der Trend zu einer umfassenderen IT-Unterstützung über die rein dokumentie-rendeModellierunghinaus ist unverkenn-bar», hält die Studie denn auch fest.

Es verwundert daher kaum, wenn dasdeutsche Fraunhofer-Institut für experi-mentelles Software Engineering (IESE) inden vergangenen Jahren rasante Fort-schritte der BPM-Software ausgemachthat. In der soeben vorgelegten Marktana-lyse 2014 «BPM Suites im Test» sind auchdie zwei Schweizer Anbieter Axon Ivyaus Luzern und die Zürcher Appwayausgezeichnet worden. Zur Einschätzungder aktuellen Lage sagt Markus Fischer,Schweiz-Chef von Axon Ivy: «Heute sindfast alle Branchen gefordert, flexibel aufMarktveränderungen, regulatorische An-forderungen oder Reorganisationen undSparmassnahmen zu reagieren.» Ein gutgeführtes Unternehmen kenne seine Ge-schäftsprozesse undnutze die technologi-schenMöglichkeiten, um sie neuenGege-benheiten anzupassen, so Fischer.

BPM und DigitalisierungAllerdings fehle bei der fachlichen Be-

trachtung vonBPMzurModellierung,Do-kumentation und Analyse der Geschäfts-prozesse «oftmalsNachhaltigkeit imSinnedes kontinuierlichen Verbesserungspro-zesses, weil die eingesetzte Software dieBedürfnisse der Anwender nicht abdecktund somit von den Mitarbeitenden nichtgenutzt wird». Unternehmen betriebendiesbezüglich zwar einen immensen Auf-

wand für dieProzessdokumentation, doch«fristen die Geschäftsinformationen alsSchrankware ein tristes Dasein».

Anders sehe es bei der Automatisie-rung der Unternehmensprozesse und de-ren Integration in Umsysteme aus. Das seinicht mehr nur grösseren Unternehmenvorbehalten. Man habe «von Anfang anauf eineKMU-taugliche Lizenzierung undclevere Integration der an den ProzessenbeteiligtenMenschen gesetzt, die im Zen-trum der Entwicklung von Prozesslösun-gen stehenmüssen», so Fischer.

Was das konkret heisst, illustriert App-way-Firmenchef Hanspeter Wolf anhandseiner Erfahrungen in der Finanzindus-trie: «VieleunsererKundenausderFinanz-industrie werden durch den Wandel desglobalen Wettbewerbs, durch Effizienz-druck, regulatorische Veränderungen undneue Kundenbedürfnisse angetrieben.»Da ein Ziel von BPM die Unterstützungder industrieübergreifenden Digitalisie-rung sei, müsse die Transformation vonGeschäftsprozessen ermöglicht werden,ohne bestehende Betriebsmodelle zu ver-ändern. Appway setze hierzu bei der Ent-kopplung der Geschäftsprozesse von denexistierenden Systemen an, um die Kom-plexität neuer Vorhaben zu reduzierenund eine schnelle Umsetzung zu ermögli-chen. Denn «BPM ist ein Katalysator, wel-cher bestehende Betriebsmodelle erhält,gleichzeitig die Digitalisierung des eige-

nen Unternehmens in Gang setzt und derGeschäftsleitung die Führung über dieseTransformation gibt».

Damit werde die Software Bestandteilaller Geschäftsprozesse, um diese kontinu-ierlich zumessen und zu verbessern. Es seizu beachten, wie sehr die Digitalisierungoder Innovationen einer Reise gleichen,seien doch nicht nur die IT-Systeme, son-dern auch die Firmenkultur betroffen. Esgehe darum, getrieben vom operativen Ge-schäft, kontinuierlich Verbes-serungen zu schaffen und dieAuflösung der Unterneh-mensgrenzen zu ermögli-chen. Hindernisse würdenimmer dort entstehen, wo«BPM immer noch als einereine Methode betrachtetwird, um strukturierte undTask-orientierte Geschäftsprozesse zu au-tomatisieren, und der Fokus auf der Arbeiteinzelner Teams innerhalb der Organisa-tionsgrenzen liegt».

Automatisierung und RegulierungDass die Prozessausrichtung der Unter-

nehmen stetig zunimmt, weiss auch RalphKarl Weber, Senior Executive Manager beiSopra Steria Consulting. Auch wenn derBPM-Einsatz bei grossen Unternehmenweit fortgeschritten sei, bestündebei ihnenPotenzial in der Prozessautomatisierung.Die Effizienzgewinne, Kosteneinsparungs-

möglichkeiten und die Verbesserung derDurchlaufzeiten durch Automatisierungwürden die Firmen in Zukunft wettbe-werbsfähiger machen: «Dies ist im Zugeder aktuellen Wechselkursentwicklungenfür Unternehmen in der Schweiz ein mög-licher Hebel», wieWeber ausführt.

Er schätzt die BPM-Situation bei KMUübrigens ähnlich ein, auch wenn bei ihnendie Mengengerüste kleiner und die manu-ell durchgeführten Prozesse kürzer sind.

Bei dieser Entwicklung seiausserdem zu beachten,dass die Einbindung vonTeilprozessabwicklungendurch Cloud-Services eben-falls stetig wächst. Und We-ber hat festgestellt, dass in-zwischen auch Unterneh-men ohne immensen Inno-

vations- undKostendruckdieOptimierungihrer Geschäftsprozesse vorantreiben.

Bei Oracle betont der BPM-DirectorBarry O’Reilly, dass jede Organisation, obgross oder klein, operative Prozesse habe,die einen Punkt erreichen könnten, andem ihr Beherrschen und OptimierenBusiness-relevant werde. Gerade Schwei-zer Kunden von Oracle seienmeist gut in-formiert und wüssten, was sie wollten.Wenn sie eine BPM-Lösung kauften, seiauch klar, dassmit einemBPM-Projekt «inirgendeinerWeiseWert generiert»werdenmüsse. Interessant sei, dass dies vonexter-

nen Vorschriften und Regulatorien be-günstigt werde. Auf sie gingen «zwischen25 und 30 Prozent der neuen BPM-Projek-te» zurück, die aus Compliance-Anforde-rungen hervorgingen. Audit, Reporting,interne Einhaltung von Vorgaben und dasManagement von Geschäftsregeln seienbevorzugte Einsatzgebiete für BPM. «DerDruckdurch externeVorschriftenundGe-setze zwingt quasi zum Einsatz von BPM-Systemen», so O’Reilly. Insgesamt müsseman aber verstehen, dass «nur ein Drittelvon BPM aus Software besteht; ein Drittelmachen die Methoden und ein weiteresDrittel die Unternehmenskultur aus».

BPM und CloudBeimBPM-Einsatz inKMUistmanhin-

gegen bei IBM skeptischer: «Im KMUspielt BPMeinenocheheruntergeordneteRolle», sagtMarkusKreher,Client SolutionRepresentative bei IBM Schweiz. Grund-sätzlich bestehe zwar auch in KMU überBPM die Möglichkeit, Prozesse und Ab-läufe besser zu strukturieren, für höhereQualität und Effizienz zu sorgen. Dochverlasse man sich dort häufig auf bereitseingesetzte Standardsoftware und ordnesichden verfügbarenProzessenunter.Da-mit versäume man, über ein ergänzendesBPM-SystemdieProzesse so einzurichten,dass sie dem Betrieb am besten nutzen.

Hingegen würde der BPM-Bezug ausdem Cloud-Service definitiv zunehmen,führt Kreher aus. Die Einstiegshürde seigering, weil die Unternehmen sich nichtmit der Installation und Integration einesBPM-Systems beschäftigen müssten.Username und Passwort reichten aus, umanzufangen. Hohe Anfangsinvestitionenentfielen und bezahlt werde je nach Ge-brauch und Anzahl User. Schnell könneBPMdannseineVorteile ausspielen,wennetwa Verbesserungen im Bereich vonDurchlaufzeiten und der Arbeitsauslas-tung angestrebt würden. Dass dabeigleichzeitig die Qualität der Prozessresul-tate steige, ist laut Kreher ein Plus.

Allerdings dürfte man auch die Gren-zen eines BPM-Systems nicht übersehen.Bei klar strukturierten oder zu eng gesetz-ten Abläufen könnten kreative Prozesseleiden.Hier könneaber einCase-Manage-ment-System helfen, Meilensteine eineskreativen Prozesses sicherzustellen undProzesse nicht in enge Bahnen zu lenken.Und man muss sich im Klaren darübersein, dass die Einführung eines BPM-Sys-tems mit Kosten und gewissen Verände-rungen der betrieblichen Abläufe verbun-den ist. Solange also «Qualität undDurch-laufzeiten stimmen, die Zusammenarbeitzwischen den Mitarbeitern gut funktio-niert unddieAnzahl der parallel ablaufen-den Prozesse überschaubar bleibt, wirdein Unternehmen nicht auf ein BPM-System angewiesen sein», resümiertIBM-Mann Kreher. Ein kleiner Betriebmiteinem gut organisierten Büro komme gutohne BPM aus.

Bei mehr als einem Drittel der befragten Firmen in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich hat es höchste Priorität, die Kosten zu senken.

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«BPM istmehr als ein Tool»Der Wandel im Management der Ge-schäftsprozesse beim UhrenherstellerIWC ist ein ständiger Prozess. Doch be-grenztmandort dasBPM(Business Pro-cess Management) nicht auf die Tech-nologie. Karlheinz Baumann, ChiefOperating Officer (COO) und Mitgliedder Geschäftsleitung von IWC Schaff-hausen, erläutert die Hintergründe.

Welche Rolle spielt BPM im KMU-LandSchweiz und speziell bei Ihnen imBetrieb?Karlheinz Baumann: In erster Linie istdas BPM eineMethode, die es einemUnternehmen erlaubt, die Geschäfts-prozesse aktiv zu steuern. BPM ist somitviel mehr als ein IT-Tool. Es umfasstStrategien, Ziele, Kultur, Organisations-strukturen, Rollen, Methoden und IT-Werkzeuge, um End-to-End-Prozessezu analysieren, zu entwerfen und nichtzuletzt einzuführen. Somit spielt BPMbei der IWC eine wesentliche Rolle beider kontinuierlichen Verbesserung un-serer Geschäftsprozesse.

Wie lange hält man an einer einmal ein-geführten BPM-Methode fest?Eine gut implementierte BPM-Methode

entwickelt und verändert sich von in-nen heraus ständig weiter und passtsich denHerausforderungen des jewei-ligen Geschäftsmodells an.

Wo liegt der Mehrwert, der über eineBPM-Methode erreicht werden kann?DerMehrwert liegt klar in der struktu-rierten Transparenz der Geschäftspro-zesse, die es einem erlauben, die Pro-zesse wie in einer Art von Legobaustei-nen aufzubauen. Damit geht eineerhöhte Anpassungsgeschwindigkeitbei der Umsetzung von Transforma-tionsprojekten einher.

Welchen Beitrag leistet BPM bei der Um-setzung von Innovationen bei IWC?Innovation gliedert sich inmehrereBereiche auf. Im Bereich von Produk-

tinnovationen ist der Beitrag von BPMeher gering. Der Innovationsbeitragvon BPM liegt mehr im Bereich derProblemlösung und Vereinfachung vonArbeitsabläufen, die dann in einemög-liche Digitalisierung des Geschäftspro-zessesmünden können.

Welche Rolle spielt BPM, wenn Prozesseüber die Unternehmensgrenzen hinaus-gehen?Im Bereich von IT-Lösungen fährt dieRichemont-Gruppe die Strategie derStandardisierung. Dies bedeutet für dieIWC, dass die IT-Geschäftsprozessenicht ohne Abstimmungmit anderenMarken angepasst werden dürfen. Diein der Gruppe eingeführte BPM-Metho-de ermöglicht uns eine effektivereKommunikationmit unseren Kollegen.

Wo liegen die Grenzen desBPM-Einsatzes?In einemKMUmit geringer Komplexi-tät macht der Einsatz einer integriertenBPM-Methode nur bedingt Sinn. DieGrenzen der BPM-Methode liegen inder Akzeptanz desManagements.

intErViEw: VolkEr richErt

KarlheinzBaumanniwc,Schaffhausen

BPM-Projektemüssen für dieFirmen einen

messbarenWertgenerieren.

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Volker richert

E s ist unbestritten, dass die hiesigen Stromver­sorger vor grossen Ver­änderungen stehen. Themen wie Strom­marktliberalisierung, Umbruch im Netzbe­

reich oder die im ersten Massnahmenpa­ket der Energiestrategie 2050 anvisierten Ansprüche an die Branche stehen oben auf der Agenda. Neben der neuen Wett­bewerbssituation, die auch bisher bran­chenfremde Player anlockt, stellen unter anderem die schwankende Wind­ und So­larenergieproduktion und neue Technolo­gien die Energieanbieter vor früher unbe­kannte Probleme. Um sie zu bewältigen, sind die Geschäftsprozesse bei den Elek­trizitätsversorgungsunternehmen (EVU) stärker in den Fokus gerückt. Interessant sind dabei die Unterschiede zwischen kleinen und grossen Energieversorgern.

Die Branche mit ihren derzeit 680 EVU habe in Sachen Business Process Manage­

ment (BPM) Nachholbedarf, weiss Ernst Haas, Direktor der Werkbetriebe Frauen­feld. Erst die grossen EW hätten sich mit dem Thema auseinandergesetzt, führt er aus (siehe Interview). BPM­Anbieter wie Optimatik aus Teufen AR be­stätigen diesen Befund: «Die Grösse der EVU, welche sich mit BPM befassen sinkt lau­fend», so Verkaufsinge nieur Markus Brack.

Allerdings müsse man wissen, dass sich das BPM­Denken zwar in einzelnen Prozessen etabliert habe, die Philosophie aber nirgends durchgängig umgesetzt sei. «Es gibt überall noch Systeme, welche mit einfachsten Mitteln Daten untereinander austauschen», so Brack. Viele seien über­haupt nicht integriert und die Mitarbeiter übertrugen die Daten noch oft von Hand. In den letzten zwei Jahren habe bei einigen EVU aber ein Umdenken stattgefunden, weiss man bei dem Anbieter für Energie­markt­Systeme. Gerade das Beispiel der Werkbetriebe Frauenfeld zeige, dass sich

auch kleinere EVU verstärkt nach den Pro­zessen ausrichteten. Die Marktöffnung habe neue Geschäftsprozesse mit sich ge­bracht, während schon vorhandene nun häufiger angewendet würden als bisher.

Verstärkt habe sich in den letzten Jahren zudem der Margendruck, was effizien­tere Prozesse mit möglichst tiefen Kosten verlange. Für Brack genau das Umfeld, das vom BPM adressiert wird. Darum liefere man intelli­gente Gesamtkonzepte, die

neben den Geschäftsprozessen beispiels­weise auch die Messsysteme umfassten.

Kein Nachholbedarf bei den Grossen Etwas anders wird hingegen die Situa­

tion beim Softwareriesen SAP einge­schätzt. Mit Verweis auf Grossunterneh­men erklärt Arne Speck, Solution Expert bei SAP Schweiz: «Aus unserer Sicht gibt es keinen spezifischen Nachholbedarf der in der Energiebranche angesiedelten Un­ternehmen.» Wobei auch er sieht, dass

dem BPM mit Blick auf die bevorstehende Marktöffnung ein gestiegenes Interesse entgegengebracht werde. Interessant ist laut Speck dabei, dass sich die IT­Abtei­lungen der grösseren Energieversorger «aufgrund der Prozessdynamik, die es ab­zubilden gibt, vermehrt mit dem Thema» beschäftigten. Doch die Diskussion über den Einsatz von BPM bei den EVU laufe schon seit einigen Jahren und derzeit stell­ten beispielsweise «branchenspezifische Ausprägungen speziell für Energieversor­ger keine notwendige Anforderung für un­sere Kunden dar», fügt er an.

Vielmehr käme ein BPM häufig im Rahmen der genauen Ausprägung beim Erweitern von Standardprozessen um un­ternehmensspezifische Charakteristika zur Anwendung. «Branchenspezifische Prozesse sehen wir vor allem in der Kom­munikation mit den Kunden, um bei­spielsweise das Hausanschlusswesen, Ein­ und Auszüge, Störungsmeldungen und deren Verarbeitung abzubilden», so Speck. Ausserdem würde durch neue Technologien das Serviceumfeld verbes­sert, wenn etwa via BPM die Prozesse End­to­End erfasst würden, definierte Service

Unter Strom Energie Geschäftsprozesse zu analysieren, optimieren, automatisieren und transparent abzubilden, ist die zentrale Aufgabe des Business Process Management. Schweizer energieversorger setzen heute auf solche Systeme.

Level Agreements (SLA) durchzusetzen und schneller als bisher Engpässe oder Störungen zu identifizieren seien. Dabei zeige sich, dass die mit BPM mögliche fle­xible Ausgestaltung der Prozesse gerade in der Kundeninteraktion einen grossen Un­terschied in der Servicequalität der ver­schiedenen EVU ausmache.

Mehr Lust auf EffizienzAuch bei Optimatik streicht man he­

raus, dass in den letzten Jahren die An­sprüche an die Energieversorger ständig gewachsen seien. Damit nehme auch «die Affinität für Effizienzsteigerungen zu», wie Brack sagt. Aber im Gegensatz zu SAP ist man bei Optimatik überzeugt, dass bei den EVU wie in anderen Branchen spezifi­sche Prozesse wie etwa die Energieprog­nose und Energiebeschaffung laufen, die vom BPM zu adressieren sind. Deshalb seien die EVU auf BPM­Anbieter mit «Branchenwissen angewiesen, um ihre Projekte effizient und zielführend abzuwi­ckeln», wie Brack erklärt. Dabei warnt er davor, eine BPM­Einführung als Techno­logieprojekt aufzufassen. Die «sind tot» sagt er, kein EVU wolle Software kaufen. Es gehe darum, ein konkretes Problem zu lösen, um einen bestimmten Prozess zu optimieren. Etwa wenn der Leidensdruck angesichts fehlender Schnittstellen und Funktionen hoch geworden ist.

Konkret wird mit BPM zwar immer ein Datenaustausch adressiert. Doch stehen dabei neben der Integration der Stammda­ten vor allem Transparenz und Sicherheit in der Kommunikation im Vordergrund. Da­ten würden bei den EVU also nur noch ein­mal erfasst und dann automatisch und sicher allen Systemen und Personen in pas­sender Form zur Verfügung gestellt, erklärt Brack. In einer zweiten Phase würden dann weitere Aufgabenfelder realisiert. Dazu ge­

hören das Management des gesamten Life­cycle der Zähler genauso wie die Leistungs­erfassung der Mitarbeiter, die Instandhal­tung von Anlagen, Hausinstallations­Kont­rollen oder auch der Lieferantenwechsel sowie Angebots­ und Inkasso­Prozesse inklusive Steuerung via Smart Metering.

Und das BPM müsse auch in der Lage sein, neue Servi­ces wie etwa die Verwaltung von Telekommunikations­diensten zu integrieren. Da­rum setze Optimatik bei diesen Themen auf fertige und anpassbare Prozesspakete, so Brack. Denn indem sich auf diese Weise die Kosten für eine BPM­Einführung stark reduzieren, werde BPM auch für mittlere und kleinere EVU interessant.

Der etwas andere Ansatz der EKZBei den Elektrizitätswerken des Kan­

tons Zürich (EKZ), einem der grossen EVU der Schweiz, steuert man die Prozesse seit gut zehn Jahren aktiv. Aufgrund seiner Er­fahrungen hat Markus Riner, Leiter der In­formatikorganisation bei den EKZ, denn auch einen anderen Blick auf BPM. Für ihn sind es «nicht nur die Technologien, welche wir zur Modellierung und Auto­matisierung von Prozessen im Einsatz ha­ben, sondern vor allem auch die Men­schen, Methoden und Standards, die wir einsetzen, bevor wir uns für eine Automa­tisierung eines Prozesses entscheiden», hält er fest. Man unterscheide zwischen BPM als Managementdisziplin, der gene­rellen IT­Unterstützung in der Prozessab­wicklung und dem Einsatz von BPM­Sui­ten, die von immer mehr Anbietern auf den Markt kämen, so Riner.

«Wir setzen derzeit keine dedizierte Suite ein, welche alle Aspekte des BPM ab­deckt», betont er. Eine Analyse im Jahre

2012 habe ergeben, dass sich eine Suite mit dem bestehenden Design und den vorhandenen Automatisierungsmöglich­keiten nicht rechne. Gleichwohl verbesse­re man die Prozesse ständig. Dabei gehen

die EKZ einfach vor. Zunächst wird analysiert, ob eine Pro­zessautomatisierung wirt­schaftlich sinnvoll ist. Wo nö­tig, setze man dann auf beste­hende Standardsysteme oder kaufe neue Komponenten hinzu, um einen Prozess zu

unterstützen. So seien für den kommer­ziellen Teil vom Zähler bis zum Kunden beispielsweise die Branchenlösungen SAP­ISU, es steht für Industry Solution Uti­lities, und SAP­CRM, kurz für Customer Relationship Management, im Einsatz, wie Riner ausführt. «Diese Lösungen bie­ten uns neben der Möglichkeit, diverse Kernprozesse flexibel und durchgängig zu automatisieren, auch die für uns wichtige Mandantenfähigkeit.»

Dank dieser Mandantenfähigkeit profi­tieren die EKZ bereits über ihre 2013 ge­gründete Tochtergesellschaft Enpuls im Dienstleistungsgeschäft. Im Bereich der Zählerauslesung und der Abrechnung so­wie beim Kundendienst bietet man Servi­ces für andere Energieversorger an. Sie können diese Dienste in einem Business Process Outsourcing (BPO) an die Enpuls auslagern und damit Kosten sparen. Da­rüber hinaus bilde man im BPM­Umfeld einfachere Workflows in der Administra­tion direkt in der Microsoft­SharePoint­Plattform ab. Gleichwohl weiss Riner, dass der durchgängige Einsatz einer BPM­Suite sich durchaus auch lohnen kann. Bei den EKZ hänge das vom Wachstum bei Enpuls ab: «Ab einer gewissen Anzahl Kunden – und somit steigender Prozessvariationen – wird sich durchgängiges BPM rechnen».

Rund ein Drittel der in der Studie befragten Unternehmen erwartet von ihrer IT, dass sie die Digitalisierung voranbringt.

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Der Druck auf die Margen

sorgt für effizientere

Prozesse.

«Der Prozess wird durchgängig und papierlos»Mit der Liberalisierung des Strommark­tes steht eine ganze Branche in einer zu­vor unbekannten Wettbewerbssituati­on. Zudem hat die Umsetzung der Ener­giestrategie 2050 begonnen. Auch von kleinen Elektrizitätswerken sind Inno­vationen gefordert. Unter anderem ha­ben sie begonnen, ihre Geschäftspro­zesse intelligenter als bisher zu steuern. Ernst Haas, Direktor der Werkbetriebe Frauenfeld, erklärt, was das konkret be­deutet.

Warum brauchen Sie BPM, das Business Process Management?Ernst Haas: Wir haben ein intelligentes Gesamtkonzept gesucht, womit man die Messsysteme und Geschäftsprozesse aus einer Hand steuern kann.

Was ist aus Ihrer Sicht am BPM neu?Der Ein­ und Ausbau der Zähler wurde früher mit sogenannten Fichen manuell erledigt. Das erforderte diverse Einzel­schritte zwischen der Zähler­ und der Verrechnungsabteilung, um diesen Pro­zess von Anfang bis zum Ende abzuwi­ckeln. Mit dem BPM funktioniert das abgelöst in einem Gesamtprozess End­to­End und wir können jederzeit den Status der einzelnen Umbauten nach­verfolgen. Der Prozess wird somit durchgängig und papierlos durchge­führt. In zwei bis drei Jahren können wir auch sagen, ob wir damit schneller ge­worden sind.

Warum brauchen Sie BPM?Wechselprozesse von Zählern oder Energielieferverträge werden bei voll­ständiger Marktöffnung nur mit inte­grierten IT­Systemen zu bewältigen sein. Dazu braucht es standardisierte Prozes­se mit einem entsprechenden BPM.

Besteht bei den Elektrizitätswerken ein Nachholbedarf?Auf jeden Fall. Bis heute haben sich nur die grossen Energieversorger mit die­sem Thema auseinandergesetzt. Wir haben aber annähernd 700 Elektrizitäts­werke in der Schweiz, davon rund 100 alleine im Kanton Thurgau.

Welche Teile haben Sie bereits im BPM erfasst?Den Ein­, Ausbau und Tausch von Strom­, Erdgas­ und Wasserzählern. Auch der Inkassoprozess bei Kunden, welche den Strom nur mit Vorauskasse erhalten, die monatliche Zählerable­sung und Ad­hoc­Ablesungen sowie die Stammdatenverteilung an die Umsysteme.

Sind Ihre Datenbestände dafür ausrei-chend?Ja, denn die erfolgreiche Einführung von BPM verlangt eine hohe Datenge­nauigkeit der Umsysteme sowie eine systematische Arbeitsweise. Mit unse­rem neuen Abrechnungssystem haben wir das bereits bei der Stammdatenver­waltung und dem Rechnungsversand. Zudem sind die Prozesse und Schnitt­stellen bei uns heute klar definiert und wir somit bestens auf die neuen Heraus­forderungen im Bereich Energiewende und Marktöffnung gerüstet.

Welche Rolle spielen Dienstleistungen beim BPM-Einsatz?Die schon erwähnte hohe Anzahl von Elektrizitätswerken in der Schweiz und speziell im Kanton Thurgau begünstigt eine Konsolidierung im Markt. Zudem werden aufgrund der immer höheren Anforderungen an Daten und ihre Aus­wertungen durch die Eidgenössische Elektrizitätskommission Elcom oder andere offizielle Stellen neue Geschäfts­felder, also Dienstleistungen, entstehen. Elektrizitätswerke, welche ihre heutigen Prozesse mit einem BPM managen, sind hier auf jedem Fall im Vorteil – sowohl bei Know­how wie auch finanziell.

interView: Volker richert

Ernst Haaswerkbetriebe Frauenfeld,Frauenfeld

680Elektrizitätsversorgergibt es in der Schweiz.

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Volker richert

E s ist unbestritten, dass die hiesigen Stromver­sorger vor grossen Ver­änderungen stehen. Themen wie Strom­marktliberalisierung, Umbruch im Netzbe­

reich oder die im ersten Massnahmenpa­ket der Energiestrategie 2050 anvisierten Ansprüche an die Branche stehen oben auf der Agenda. Neben der neuen Wett­bewerbssituation, die auch bisher bran­chenfremde Player anlockt, stellen unter anderem die schwankende Wind­ und So­larenergieproduktion und neue Technolo­gien die Energieanbieter vor früher unbe­kannte Probleme. Um sie zu bewältigen, sind die Geschäftsprozesse bei den Elek­trizitätsversorgungsunternehmen (EVU) stärker in den Fokus gerückt. Interessant sind dabei die Unterschiede zwischen kleinen und grossen Energieversorgern.

Die Branche mit ihren derzeit 680 EVU habe in Sachen Business Process Manage­

ment (BPM) Nachholbedarf, weiss Ernst Haas, Direktor der Werkbetriebe Frauen­feld. Erst die grossen EW hätten sich mit dem Thema auseinandergesetzt, führt er aus (siehe Interview). BPM­Anbieter wie Optimatik aus Teufen AR be­stätigen diesen Befund: «Die Grösse der EVU, welche sich mit BPM befassen sinkt lau­fend», so Verkaufsinge nieur Markus Brack.

Allerdings müsse man wissen, dass sich das BPM­Denken zwar in einzelnen Prozessen etabliert habe, die Philosophie aber nirgends durchgängig umgesetzt sei. «Es gibt überall noch Systeme, welche mit einfachsten Mitteln Daten untereinander austauschen», so Brack. Viele seien über­haupt nicht integriert und die Mitarbeiter übertrugen die Daten noch oft von Hand. In den letzten zwei Jahren habe bei einigen EVU aber ein Umdenken stattgefunden, weiss man bei dem Anbieter für Energie­markt­Systeme. Gerade das Beispiel der Werkbetriebe Frauenfeld zeige, dass sich

auch kleinere EVU verstärkt nach den Pro­zessen ausrichteten. Die Marktöffnung habe neue Geschäftsprozesse mit sich ge­bracht, während schon vorhandene nun häufiger angewendet würden als bisher.

Verstärkt habe sich in den letzten Jahren zudem der Margendruck, was effizien­tere Prozesse mit möglichst tiefen Kosten verlange. Für Brack genau das Umfeld, das vom BPM adressiert wird. Darum liefere man intelli­gente Gesamtkonzepte, die

neben den Geschäftsprozessen beispiels­weise auch die Messsysteme umfassten.

Kein Nachholbedarf bei den Grossen Etwas anders wird hingegen die Situa­

tion beim Softwareriesen SAP einge­schätzt. Mit Verweis auf Grossunterneh­men erklärt Arne Speck, Solution Expert bei SAP Schweiz: «Aus unserer Sicht gibt es keinen spezifischen Nachholbedarf der in der Energiebranche angesiedelten Un­ternehmen.» Wobei auch er sieht, dass

dem BPM mit Blick auf die bevorstehende Marktöffnung ein gestiegenes Interesse entgegengebracht werde. Interessant ist laut Speck dabei, dass sich die IT­Abtei­lungen der grösseren Energieversorger «aufgrund der Prozessdynamik, die es ab­zubilden gibt, vermehrt mit dem Thema» beschäftigten. Doch die Diskussion über den Einsatz von BPM bei den EVU laufe schon seit einigen Jahren und derzeit stell­ten beispielsweise «branchenspezifische Ausprägungen speziell für Energieversor­ger keine notwendige Anforderung für un­sere Kunden dar», fügt er an.

Vielmehr käme ein BPM häufig im Rahmen der genauen Ausprägung beim Erweitern von Standardprozessen um un­ternehmensspezifische Charakteristika zur Anwendung. «Branchenspezifische Prozesse sehen wir vor allem in der Kom­munikation mit den Kunden, um bei­spielsweise das Hausanschlusswesen, Ein­ und Auszüge, Störungsmeldungen und deren Verarbeitung abzubilden», so Speck. Ausserdem würde durch neue Technologien das Serviceumfeld verbes­sert, wenn etwa via BPM die Prozesse End­to­End erfasst würden, definierte Service

Unter Strom Energie Geschäftsprozesse zu analysieren, optimieren, automatisieren und transparent abzubilden, ist die zentrale Aufgabe des Business Process Management. Schweizer energieversorger setzen heute auf solche Systeme.

Level Agreements (SLA) durchzusetzen und schneller als bisher Engpässe oder Störungen zu identifizieren seien. Dabei zeige sich, dass die mit BPM mögliche fle­xible Ausgestaltung der Prozesse gerade in der Kundeninteraktion einen grossen Un­terschied in der Servicequalität der ver­schiedenen EVU ausmache.

Mehr Lust auf EffizienzAuch bei Optimatik streicht man he­

raus, dass in den letzten Jahren die An­sprüche an die Energieversorger ständig gewachsen seien. Damit nehme auch «die Affinität für Effizienzsteigerungen zu», wie Brack sagt. Aber im Gegensatz zu SAP ist man bei Optimatik überzeugt, dass bei den EVU wie in anderen Branchen spezifi­sche Prozesse wie etwa die Energieprog­nose und Energiebeschaffung laufen, die vom BPM zu adressieren sind. Deshalb seien die EVU auf BPM­Anbieter mit «Branchenwissen angewiesen, um ihre Projekte effizient und zielführend abzuwi­ckeln», wie Brack erklärt. Dabei warnt er davor, eine BPM­Einführung als Techno­logieprojekt aufzufassen. Die «sind tot» sagt er, kein EVU wolle Software kaufen. Es gehe darum, ein konkretes Problem zu lösen, um einen bestimmten Prozess zu optimieren. Etwa wenn der Leidensdruck angesichts fehlender Schnittstellen und Funktionen hoch geworden ist.

Konkret wird mit BPM zwar immer ein Datenaustausch adressiert. Doch stehen dabei neben der Integration der Stammda­ten vor allem Transparenz und Sicherheit in der Kommunikation im Vordergrund. Da­ten würden bei den EVU also nur noch ein­mal erfasst und dann automatisch und sicher allen Systemen und Personen in pas­sender Form zur Verfügung gestellt, erklärt Brack. In einer zweiten Phase würden dann weitere Aufgabenfelder realisiert. Dazu ge­

hören das Management des gesamten Life­cycle der Zähler genauso wie die Leistungs­erfassung der Mitarbeiter, die Instandhal­tung von Anlagen, Hausinstallations­Kont­rollen oder auch der Lieferantenwechsel sowie Angebots­ und Inkasso­Prozesse inklusive Steuerung via Smart Metering.

Und das BPM müsse auch in der Lage sein, neue Servi­ces wie etwa die Verwaltung von Telekommunikations­diensten zu integrieren. Da­rum setze Optimatik bei diesen Themen auf fertige und anpassbare Prozesspakete, so Brack. Denn indem sich auf diese Weise die Kosten für eine BPM­Einführung stark reduzieren, werde BPM auch für mittlere und kleinere EVU interessant.

Der etwas andere Ansatz der EKZBei den Elektrizitätswerken des Kan­

tons Zürich (EKZ), einem der grossen EVU der Schweiz, steuert man die Prozesse seit gut zehn Jahren aktiv. Aufgrund seiner Er­fahrungen hat Markus Riner, Leiter der In­formatikorganisation bei den EKZ, denn auch einen anderen Blick auf BPM. Für ihn sind es «nicht nur die Technologien, welche wir zur Modellierung und Auto­matisierung von Prozessen im Einsatz ha­ben, sondern vor allem auch die Men­schen, Methoden und Standards, die wir einsetzen, bevor wir uns für eine Automa­tisierung eines Prozesses entscheiden», hält er fest. Man unterscheide zwischen BPM als Managementdisziplin, der gene­rellen IT­Unterstützung in der Prozessab­wicklung und dem Einsatz von BPM­Sui­ten, die von immer mehr Anbietern auf den Markt kämen, so Riner.

«Wir setzen derzeit keine dedizierte Suite ein, welche alle Aspekte des BPM ab­deckt», betont er. Eine Analyse im Jahre

2012 habe ergeben, dass sich eine Suite mit dem bestehenden Design und den vorhandenen Automatisierungsmöglich­keiten nicht rechne. Gleichwohl verbesse­re man die Prozesse ständig. Dabei gehen

die EKZ einfach vor. Zunächst wird analysiert, ob eine Pro­zessautomatisierung wirt­schaftlich sinnvoll ist. Wo nö­tig, setze man dann auf beste­hende Standardsysteme oder kaufe neue Komponenten hinzu, um einen Prozess zu

unterstützen. So seien für den kommer­ziellen Teil vom Zähler bis zum Kunden beispielsweise die Branchenlösungen SAP­ISU, es steht für Industry Solution Uti­lities, und SAP­CRM, kurz für Customer Relationship Management, im Einsatz, wie Riner ausführt. «Diese Lösungen bie­ten uns neben der Möglichkeit, diverse Kernprozesse flexibel und durchgängig zu automatisieren, auch die für uns wichtige Mandantenfähigkeit.»

Dank dieser Mandantenfähigkeit profi­tieren die EKZ bereits über ihre 2013 ge­gründete Tochtergesellschaft Enpuls im Dienstleistungsgeschäft. Im Bereich der Zählerauslesung und der Abrechnung so­wie beim Kundendienst bietet man Servi­ces für andere Energieversorger an. Sie können diese Dienste in einem Business Process Outsourcing (BPO) an die Enpuls auslagern und damit Kosten sparen. Da­rüber hinaus bilde man im BPM­Umfeld einfachere Workflows in der Administra­tion direkt in der Microsoft­SharePoint­Plattform ab. Gleichwohl weiss Riner, dass der durchgängige Einsatz einer BPM­Suite sich durchaus auch lohnen kann. Bei den EKZ hänge das vom Wachstum bei Enpuls ab: «Ab einer gewissen Anzahl Kunden – und somit steigender Prozessvariationen – wird sich durchgängiges BPM rechnen».

Rund ein Drittel der in der Studie befragten Unternehmen erwartet von ihrer IT, dass sie die Digitalisierung voranbringt.

Foto

lia

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Der Druck auf die Margen

sorgt für effizientere

Prozesse.

«Der Prozess wird durchgängig und papierlos»Mit der Liberalisierung des Strommark­tes steht eine ganze Branche in einer zu­vor unbekannten Wettbewerbssituati­on. Zudem hat die Umsetzung der Ener­giestrategie 2050 begonnen. Auch von kleinen Elektrizitätswerken sind Inno­vationen gefordert. Unter anderem ha­ben sie begonnen, ihre Geschäftspro­zesse intelligenter als bisher zu steuern. Ernst Haas, Direktor der Werkbetriebe Frauenfeld, erklärt, was das konkret be­deutet.

Warum brauchen Sie BPM, das Business Process Management?Ernst Haas: Wir haben ein intelligentes Gesamtkonzept gesucht, womit man die Messsysteme und Geschäftsprozesse aus einer Hand steuern kann.

Was ist aus Ihrer Sicht am BPM neu?Der Ein­ und Ausbau der Zähler wurde früher mit sogenannten Fichen manuell erledigt. Das erforderte diverse Einzel­schritte zwischen der Zähler­ und der Verrechnungsabteilung, um diesen Pro­zess von Anfang bis zum Ende abzuwi­ckeln. Mit dem BPM funktioniert das abgelöst in einem Gesamtprozess End­to­End und wir können jederzeit den Status der einzelnen Umbauten nach­verfolgen. Der Prozess wird somit durchgängig und papierlos durchge­führt. In zwei bis drei Jahren können wir auch sagen, ob wir damit schneller ge­worden sind.

Warum brauchen Sie BPM?Wechselprozesse von Zählern oder Energielieferverträge werden bei voll­ständiger Marktöffnung nur mit inte­grierten IT­Systemen zu bewältigen sein. Dazu braucht es standardisierte Prozes­se mit einem entsprechenden BPM.

Besteht bei den Elektrizitätswerken ein Nachholbedarf?Auf jeden Fall. Bis heute haben sich nur die grossen Energieversorger mit die­sem Thema auseinandergesetzt. Wir haben aber annähernd 700 Elektrizitäts­werke in der Schweiz, davon rund 100 alleine im Kanton Thurgau.

Welche Teile haben Sie bereits im BPM erfasst?Den Ein­, Ausbau und Tausch von Strom­, Erdgas­ und Wasserzählern. Auch der Inkassoprozess bei Kunden, welche den Strom nur mit Vorauskasse erhalten, die monatliche Zählerable­sung und Ad­hoc­Ablesungen sowie die Stammdatenverteilung an die Umsysteme.

Sind Ihre Datenbestände dafür ausrei-chend?Ja, denn die erfolgreiche Einführung von BPM verlangt eine hohe Datenge­nauigkeit der Umsysteme sowie eine systematische Arbeitsweise. Mit unse­rem neuen Abrechnungssystem haben wir das bereits bei der Stammdatenver­waltung und dem Rechnungsversand. Zudem sind die Prozesse und Schnitt­stellen bei uns heute klar definiert und wir somit bestens auf die neuen Heraus­forderungen im Bereich Energiewende und Marktöffnung gerüstet.

Welche Rolle spielen Dienstleistungen beim BPM-Einsatz?Die schon erwähnte hohe Anzahl von Elektrizitätswerken in der Schweiz und speziell im Kanton Thurgau begünstigt eine Konsolidierung im Markt. Zudem werden aufgrund der immer höheren Anforderungen an Daten und ihre Aus­wertungen durch die Eidgenössische Elektrizitätskommission Elcom oder andere offizielle Stellen neue Geschäfts­felder, also Dienstleistungen, entstehen. Elektrizitätswerke, welche ihre heutigen Prozesse mit einem BPM managen, sind hier auf jedem Fall im Vorteil – sowohl bei Know­how wie auch finanziell.

interView: Volker richert

Ernst Haaswerkbetriebe Frauenfeld,Frauenfeld

680Elektrizitätsversorgergibt es in der Schweiz.

Page 6: HZ Special «Prozess-Management»

52 | Prozess-Management handelszeit ung | Nr. 7 | 12. Februar 2015

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Digitale ZukunftmitgestaltenFirmen-IT Die Digitalisierung von Prozessen steigert die Effizienz und ermöglicht neue Geschäftsmodelle.

Firmen sollten die Herausforderung annehmen.

Markus FiscHEr

Unternehmen, ja gar ganzeBranchen stehen infolgeder fortschreitenden Digi-talisierung unsererWelt vorgravierenden Umwälzun-

gen. Dabei bildet beispielsweise die imHandel seit längerem bereits andauerndeTransformation weg vom stationären hinzum Online-Handel nur den Anfang.Cloud und Mobile Computing, SozialeNetzwerkeunddas Internet derDinge ver-ändern in rasantem Tempo das Leben derMenschen, sowohl im Privaten wie auchim Geschäftsleben. Dass das Thema Di-gitalisierung in der Chefeta-ge zumindest teilweise ange-kommen ist, zeigt die «IT-Trends-Studie 2015» des IT-BeratungsunternehmensCapgemini.

Demnach steht bei einemDrittel der in Deutschland,Österreich und der Schweizbefragten Unternehmen nach Effizienz-steigerung der ITmit rund 51 Prozent undderenKostensenkungmit rund 36 Prozentder Ausbau der Digitalisierung ganz obenauf der Prioritätenliste der Informatik-chefs. Allerdings bereitet sie vielenProble-me, verfügen sie doch insbesondere beidenThemenBigDataAnalytics undmobi-le Technologien nicht über die dafür nöti-gen Skills, heisst es bei 41 Prozent der Be-fragten. Dies darf selbstverständlich keinHindernis darstellen,wennesumdiedigi-tale Transformationunddamit umdieZu-kunft des Unternehmens geht.

Dabei kommt man bei der Steigerungder Effizienz und Verbesserung derDienstleistungsqualität um die Optimie-rung der Geschäftsprozesse nicht herum.Auch wenn es um Innovationen geht, bei-spielsweise bei neuen oder angepasstenProdukten, neuen Dienstleistungen odersogar der Entwicklung neuer Geschäfts-modelle, sind hier in erster Linie immerdie damit verbundenen Prozesse betrof-fen –unddas fällt in dieDisziplindesBusi-ness Process Management (BPM). Inso-fern leistet BPM nicht nur einen Beitrag,sondern stellt vielmehr erst die Basis fürein entsprechendes unternehmerischesHandeln zur Umsetzung von Innovatio-nen dar.

Steigende Umsätze bei tieferen KostenInsbesondere kommt der Automatisie-

rung der Geschäftsprozesse sowie derenIntegration in Umsysteme und über dieUnternehmensgrenzen hinaus eine im-mer wichtigere Bedeutung zu – ein The-

ma, das glücklicherweise längst nichtmehr nur den ganz grossenUnternehmenvorbehalten ist. Die neuen Technologienermöglichen insbesondere den Einsatzvon sogenanntem intelligentem BPM(iBPM). Gemeint ist die Integration vonGeschäftsregeln und Services aus ver-schiedenen Datenquellen – internen so-wie externen – in komplexe oder repetitiveProzesse, und zwar in Echtzeit. Dies kannbeispielsweise unter Einbezug von BigData und Analysetechniken mit Informa-tionen aus Datenbanken externer Dienst-leister, Sozialen Medien, Simulationenoder anderen Cloud-Anwendungen inden jeweiligen Prozessschritten erfolgen.

So ist es möglich, Entschei-dungen inWindeseile quali-tativ besser und transparen-ter zu treffen. In Verbindungmit im Prozess hinterlegtenRegeln entscheidet das Sys-tem schliesslich weitestge-hend selbstständig über denweiteren Verlauf des Prozes-

ses und lernt dabei laufend dazu. MitiBPM werden also dem Anwender direktzusätzliche, entscheidungsrelevante In-formationen «on the fly» in seiner tägli-chen Arbeit zur Verfügung gestellt.

So werden nicht nur Mitarbeitendeentlastet und können sich höherwertigenAufgaben zuwenden, es entstehen weni-ger Fehler und bieten sich mehr Möglich-keiten, um Business zu generieren. Dassdie Digitalisierung von Wertschöpfungs-prozessen nicht nur ein frommer Wunschist undwas es inderPraxis bedeutenkann,zeigt folgendes Beispiel: Ein Unterneh-menkonntedieDauerdesmit verschiede-nen Abklärungen und regulatorischenAnforderungen behafteten Kundenbe-stellprozesses von durchschnittlich dreiTagen auf gerade mal noch zehn Minutenreduzieren. Es versteht sich von selbst,

dass eine derartige Verbesserung – geradeim Verkauf – nicht nur eine Effizienzstei-gerung für das Unternehmen, sondernauch eine bedeutende Verbesserung derinsgesamten Dienstleistungsqualität fürden Kunden bedeutet. Der Einsatz vonBPM und insbesondere von iBPM istselbstredend strategisch und damit Chef-sache, geht es doch in der Folge um dieSteigerung der Wettbewerbsfähigkeit unddamit umsÜberleben desUnternehmens.Und dies ist in Zeiten von Frankenstärkeund Fachkräftemangel matchentschei-dend.

Digitalisierung ist nicht aufzuhaltenDer Einsatz von intelligentem Prozess-

Management bringt also nicht nur Quali-täts- und Effizienzverbesserungen mitsich, damit wird auch die Entwicklungneuer oder erweiterter Geschäftsmodellemöglich, die früher nicht vorstellbarwaren. Ein weiteres Praxisbeispiel zeigt,wie man mit iBPM beim Online-Handeldie Nase vorn haben kann. Um bei Kun-den, die ihre Kreditkarteninformationenaus Sicherheitsgründen nicht preisgebenund deshalb per Rechnung bezahlenwollen, das Delkredere-Risiko zu mini-mieren, können Bonitätschecks ad-hocwährend des Kaufprozesses durchgeführtwerden.

Der Dienstleister, welcher den Servicefür den Shop-Betreiber ausführt, über-nimmt die offene Rechnung und wickeltdas Geschäft direkt mit dem Endkundenab. Je nach Bonitätsauskunft ist es demKunden unter Umständen sogar möglich,die Rechnung in Raten zu bezahlen. iBPMermöglicht damit dem Online-Shop Ge-schäfte, die ohne den Dienst verloren gin-gen oder unkalkulierbar riskant wären.Die Beispiele zeigen anschaulich, dass je-desUnternehmenüberdieDigitalisierungseines Geschäfts zumindest gründlichnachdenken sollte.

Alles in allem sollten sich Unterneh-men vor dem hohen Veränderungstempoder Digitalisierung nicht fürchten, viel-mehr aber eine Strategie dafür entwickeln,wie sie mit den neuenMöglichkeiten mit-telfristig umgehen wollen. Umsomehr, dadiese nicht nur das eigene Geschäft beflü-geln können, sondern auch die Einstiegs-hürden für neuePlayer senken. Es gilt des-halb, die digitale Zukunft aktiv mitzuge-stalten und neue Geschäftschancen zunutzen, anstatt diese zu verpassen unddas Feld uneinholbar der Konkurrenz zuüberlassen.

Markus Fischer, country Manager, axon ivy aGschweiz, Luzern.

56 Prozent der befragten Firmen verfügen über zu wenig qualifizierte Mitarbeiter, um die Digitalisierung voranzutreiben.

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Die Mitarbeitersind entlastetund nehmenwichtigere

Aufgaben war.

IT-Budgets imWandelWie sich das iT-Budget von Firmen 2015im Vergleich zum Vorjahr verändern wird.

Quelle: Capgemini 2015

Bleibtgleich38,1%

Steigt33,6%

2015

Sinkt19,4%

Weissnicht9,0%

Page 7: HZ Special «Prozess-Management»

Prozess-Management | 53handelszeit ung | Nr. 7 | 12. Februar 2015

TotaleTransformationDigitalisierung Der Wandel inUnternehmen erfordert mehrals automatisierte Abläufe,sondern eine beständigeAdaption neuer Anforderungen.

HAnspeter Wolf

W achsender Wettbe-werbs- und Kosten-druck – auch befeuertdurch die Stärke desFrankens –, immer

neue Branchenrichtlinien und Regulie-rungen des Gesetzgebers, die sich ständigverändern und denen sich Unternehmenin immer kürzeren Abständen anpassenmüssen, charakterisieren die aktuelleWirtschaftslage. Die Herausforderung derUnternehmen besteht darin, bestehendeGeschäftsmodelle erfolgreich weiterzu-führen und laufend zu optimieren.

Parallel dazu ist die digitale Transfor-mation der Unternehmen voll im Gange.Internet-of-Things, dieEntwicklungmobi-ler Endgeräte und Cloud-Anwendungenhaben vollkommen neue Möglichkeitengeschaffen, mit Kunden und Interessen-ten zu interagieren. Ressourcenplanungs-und Kundenverwaltungssysteme, SozialeNetzwerke und Produktionsmaschinensowie unzählige weitere Quellen liefernpausenlos neue Daten, die idealerweisesofort als Entscheidungsgrundlage verfüg-bar sein sollten. Nicht zu vergessen: DerKunde erwartet jederzeit und auf jedemEndgerät eine überzeugende Anwender-erfahrung, ob es umBestellvorgänge in ei-nemOnline-Shop, die Kontoeröffnung beieiner Bank oder die Serviceanfrage beimKundensupport geht.

Diese neuen und dynamischen Rah-menbedingungen haben massive Auswir-

kungen auf die Geschäftsprozesse. Es gehtnicht mehr nur um eng umrissene, aufga-benorientierte Abläufe, die problemlosstandardisiert und weiter optimiert wer-den können. Stattdessen rücken fallbezo-gene Ad-hoc-Aufträge in den Fokus, diesich nicht einfach standardisieren undvorhersehen lassen.

Somit rückenMenschenalsWissensar-beiter in den Vordergrund. Als Expertenmit spezifischem Fachwissen arbeiten siegemeinsam daran, Aufgabeneffizienter zu gestalten undzu steuern, beispielsweiseExperten in der Rechtsabtei-lung oder im Controlling –gerade auch über Teamgren-zen hinweg. Um die Ge-schäftsziele zu erreichen, ge-winnt in zunehmendemMasse auch die Zusammenarbeit mit ex-ternenAkteuren, wie Lieferanten undVer-triebspartnern, aber auch von Kunden, anBedeutung.

Die neueWelt braucht neueWerkzeugeEin weiterer Aspekt: Die Anzahl der

Dokumente, ob physisch oder elektro-nisch, ist ein wichtiges Anzeichen für denReifegrad der Geschäftsprozesse. Wäh-rend es im ersten Schritt darum geht, pa-pierbasierteAbläufe innerhalbderProzes-se zu beseitigen, werden Dokumente imnächsten Schritt elektronisch geführt undin der Folge immer weiter digitalisiert.Dies trägt dazu bei, fundierte Entschei-dungen zu beschleunigen. Relevante In-formationen müssen nicht erst mühsammanuell gesammelt, ausgewertet und ver-teilt werden, sondern stehen allen Akteu-ren jederzeit sofort zur Verfügung.

Während statische, vorgegebene Ab-läufe auch zukünftig durch traditionelleBPM-Lösungen gestaltet und implemen-tiert werden könnten, erfordert der enor-

meVeränderungsdruck zusätzlich eine in-teraktionsfokussierte Herangehensweise.Hier kommen Anwendungsplattformender nächsten Generation mit integriertenWerkzeugen ins Spiel, die es ermöglichen,effizienter mit allen Beteiligten zusam-menzuarbeiten. Sie vernetzen Menschen,Wissen und Systeme und erlauben es Un-ternehmen, über Team- und Unterneh-mensgrenzen hinweg zu agieren und denGrundgedankender kontinuierlichenVer-

änderung vorzuantreiben.BPMwird somit zumwichti-gen Bestandteil dieses inte-grierten Werkzeugs. Aberneben Prozessen werdenu.a. Geschäftsregeln, Daten,User Interfaces, Integra-tions- und Analysefunktio-nen eingebunden sowie die

Benutzerfreundlichkeit der Applikationenund die Verfügbarkeit auf allen Endgerä-ten sichergestellt.

Mit diesen neuen Anwendungsplatt-formen können Unternehmen mit demVeränderungstempo mithalten und zuihremVorteil nutzen, sei es durch ständigeEntwicklung und Anpassung bestehenderApplikationen, sei es zur reaktionsschnel-len Einführung vollkommen neuerGeschäftsmodelle. Auch fehlerhafte Ap-plikationenwerden schneller erkannt undkönnen zeitnah repariert werden. Die In-tegration von Echtzeitdaten zum Beispielaus ERP-/CRM-Systemen und SozialenNetzwerken sorgt dabei für eine fundierteEntscheidungsgrundlage.

BPM hilft bei der DigitalisierungAufdieseArt undWeise kannBPMzum

Katalysator werden, der die Digitalisie-rungdesUnternehmens inGang setzt undder Geschäftsleitung die Führung überdiese Transformation gibt. Unternehmenprofitieren vonBPM, indem sie vorhande-

ne Geschäftsmodelle weiterführen undgleichzeitig die digitale Transformationvorantreiben können. Anwendungsplatt-formen der nächsten Generation tragenmassgeblich dazu bei, dass Unternehmen

die komplexen Herausforderungen undChancenderDigitalisierung zu ihremVor-teil nutzen können.

Hanspeter Wolf, Ceo, Appway, Zürich.

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In fast der Hälfte der Betriebe hapert es an der Planung der Digitalisierung.

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Firmen müssenihre Prozesseständig neuenBedürfnissenanpassen.

Page 8: HZ Special «Prozess-Management»

54 | Prozess-Management handelszeit ung | Nr. 7 | 12. Februar 2015

DasZertifikat für Prozess-ManagerAusbildung Mit Erfahrung imProzess-Management und einerpassenden Zertifizierung erhältman einen Vorteil und wird Teilder Prozess-Management-Community.

ManuEla MüllEr

Egal ob Luxusuhren hergestelltoder Zeitungen produziertwerden, ob einUnternehmendie halbe Welt mit Hightech-Bauteilen versorgt oder eine

Bäckerei ein Quartier mit Brot – überallmüssen Menschen und Maschinen sinn-voll, effizient und effektiv zusammenspie-len, damit Unternehmen erfolgreich sind.Sich schnell verändernde Bedingungenführen dazu, dass in vielen Betrieben dieKomplexität der Unternehmensprozessezunimmt oder diese laufend angepasstwerden müssen. Gleichzeitig bestätigtsich die Einsicht, dass gutes Prozess-Ma-nagement Kosten und Zeit spart und da-mit zu einem entscheidenden Wettbe-werbsvorteil wird. Prozess-Managerinnenund -Manager, die über die notwendigenKenntnisse, Erfahrungen und Tools verfü-gen, sind daher gefragte Leute.

Prozess-Manager analysieren, entwi-ckeln, dokumentieren und optimierenUnternehmensprozesse und sorgendafür,dass sie von allen Beteiligten eingehaltenwerden. Gute Prozess-Manager sind Ge-neralistenund verfügenüber einenausge-prägten Blick für Zusammenhänge. Zu-dem brauchen sie ein hohes Mass anSozialkompetenz, geht es im Prozess-Ma-nagement doch immer auch darum, dassdie beteiligten Mitarbeitenden gut undgerne arbeiten – übrigens einMerkmal er-folgreicher Prozesse. In kleinen und mit-

telgrossen Betrieben in der Schweiz istProzess-Management selten ein Fulltime-Job. Oft sind Prozess-Managerinnen undProzess-Manager auch im Projekt- oderQualitätsmanagement, in der Strategieoder in der Beratung tätig.

Zertifizierung als KompetenznachweisDerBlick für Zusammenhänge, für Sys-

temeundProzessewird in der schweizeri-schen Berufsbildung noch zu wenig ge-schult. Wer sich dafür interessiert, muss

sichweiterbilden, sei es in Führung, Orga-nisation, Informatik, Controlling, Quali-täts- oder eben Prozess-Management.Vieles lernt man «on the job».

Seit 2009 können sich erfahrene Pro-zess-Manager in der Schweiz persönlichalsCertifiedBusiness Process Professional(CBPP) zertifizieren lassen. Dafür ist Be-rufserfahrung vonmindestens vier Jahrenerforderlich. Seit diesem Jahr gibt es aucheine Zertifizierung für weniger erfahreneProzess-Manager, den Certified Business

Process Associate (CBPA), die bereits miteinem Jahr Berufserfahrung möglich ist.Die internationale Zertifizierung belegtFachwissen und Berufserfahrung, die beider Anmeldung für die Zertifikatsprüfungdetailliert nachgewiesen werden müssen.Die Zertifikate sind an keine Weiterbil-dung gekoppelt und setzen auch keinespezifische Ausbildung voraus.

Die Anforderungen hinsichtlich Pra-xiserfahrung sowie Breite und Tiefe desProzess-Management-Wissens bedingenaber eine eingehende Be-schäftigung mit dem The-mengebiet. Mit der Zertifi-zierung werden theoreti-sches Wissen und praktischeFertigkeiten sichtbar, trans-parent und international ver-gleichbar. Das Zertifikat alsCBPP oder CBPA bildet da-her die ideale Ergänzung zu DiplomenoderAbschlüssen imBereichProzess-Ma-nagement. Wichtig zu wissen ist auch,dass sich die Inhaber einer Zertifizierungregelmässig rezertifizieren lassenmüssen,somitwird sichergestellt, dass sie ihr Fach-wissen kontinuierlich aktualisieren undihre Kompetenzen im Prozess-Manage-ment laufend erweitern. Durchgeführtwird die Zertifizierung vom Verein zurZertifizierung von Personen im Manage-ment (VZPM).

Was bringt eine Zertifizierung?Das Zertifikat zum CBPP oder CBPA ist

ein eindeutiger und überprüfter, interna-tional anerkannter Qualitätsnachweis.Zertifizierte Personen sprechen weltweitdieselbe Sprache, verwenden einheitlicheBegrifflichkeiten und kennen dieselbenModelle, die für die spezifische Anwen-dung zur Verfügung stehen. Das erleich-tert die Zusammenarbeit enorm undbeugt kostspieligen Missverständnissen

vor. Zertifikatsinhaber sind auf dem inter-nationalen Arbeitsmarkt gefragt. Als Teilder internationalen Fach-Community er-halten sie zudem laufend Informationenüber aktuellste Entwicklungen, BestPractices, PublikationenoderForschungs-ergebnisse.

Für Arbeitgeber ist eine Personenzerti-fizierung, die klar definiertes theoreti-sches Wissen ebenso wie praktische Fä-higkeiten bestätigt und die transparentund international vergleichbar ist, ein

grosser Vorteil. Die einheit-liche Fachsprache und Me-thodik hilft Unternehmenbeim Etablieren von Quali-tätsstandards. Die Rekrutie-rung kann schneller erfol-gen und Ausbildungs- undEinarbeitungszeiten sindkürzer, da die Mitarbeiten-

den die gleiche Sprache sprechen undschneller eingesetzt werden können.

Der Einsatz von zertifizierten Prozess-Managern ist ausserdem ein Zeichen da-für, dass man auf international bewährteStandards setzt und das Prozesswissenständig à jourhält.DieZertifizierung einesMitarbeitenden kann auch als Teil einerFachkarriere innerhalb eines Unterneh-mens gesehen werden.

Die Zertifizierung wurde entwickelt inZusammenarbeit mit der Schweizeri-schen Gesellschaft für Organisation undManagement (SGO). Sie ist die Trägerinder Lizenz in der Schweiz.

Manuela Müller, Marketingverantwortliche,Schweizerische Gesellschaft für Organisation undManagement (SGO), Glattbrugg ZH.

Weitere Informationen: www.vzpm.ch, Verein zurZertifizierung von Personen im Management(VZPM), und www.eabpm.org, European associati-on of Business Process Management (EaBPM).

Mehr als die Hälfte der Firmen hat bis 2025 die IT-Abteilung zentral organisiert.

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ZertifizierteExpertensprechen

weltweit dieselbe Sprache.

Page 9: HZ Special «Prozess-Management»

Prozess-Management | 55handelszeit ung | Nr. 7 | 12. Februar 2015

Erhebung zumReifegradStudie Die Bedeutung des Prozess-Managements hat in den letzten Jahrenzugenommen. Ein neues Modell misst den Erfolg bei der Umsetzung.

ClEMEntE MinonnE UnD AnDri KoCh

V ertreter aus der Praxis be-richten, dass die Herausfor-derungen zur Optimierungvon Geschäftsprozessen ei-nerseits im Treffen der opti-

malen Massnahmen in der jeweiligenSituation, anderseits in der Überwachungder Zielerreichung liegen. Einen zielfüh-renden Ansatz zur Ableitung von Mass-nahmen und zur Kontrolle und SteuerungderenUmsetzungbietenReifegradmodel-le. Sie sind sehr flexibel in ihrer Anwen-dung und erlauben je nach Nutzung eineunterschiedliche Ausgestaltung ihres Fo-kus. DasUntersuchungsobjekt kanndabeieinbestimmterGeschäftsprozess oder dasProzess-Management als gesamte Ma-nagementdisziplin darstellen. Ein Einsatzzur Standortbestimmung des Untersu-chungsobjekts, zur Überwachung derZielbestimmung oder als Benchmark, umdas Untersuchungsobjekt einer entspre-chenden Vergleichsbasis gegenüberzu-stellen, kann helfen, um die Unterneh-mung weiterzuentwickeln.

Das Reifegradmodell iPM3, das Kürzelsteht für iProcess Management MaturityModel, welches durch die iProcess imRahmen eines kooperativen Forschungs-projektes gemeinsammit Repräsentantenaus dem Hochschulumfeld unter ange-wandten wissenschaftlichen Ansätzenentwickelt wurde, basiert auf fünf Haupt-faktoren. Es handelt sich um Prozess-Management-Strategie, Prozessanalyse,Prozessmodellierung, Prozesseinführungsowie Prozessüberwachung und -steue-rung. Davon abgeleitet werden 23 Teilfak-toren, mittels derer der Reifegrad des Pro-zess-Managements von Organisationen

erhobenwerden kann. UmeinenGesamt-überblick zu erhalten, werden die Reife-grade je Subfaktor ermittelt. So könnendie Stärken und Schwächen des Prozess-Managements ermittelt werden.

Erfahrungen aus der PraxisEinen überdurchschnittlichen Reife-

grad weisen Unternehmen im Sektor Im-mobilien sowie Handel auf – sie sind aufReifegradstufe 3. Auch Unternehmen imFinanzdienstleistungsbereich, wie Ban-ken, und Transportunternehmen, schnei-den im Verhältnis gut ab. Unternehmen

des Produktionssektors, wie etwa die Ma-schinenindustrie, Pharma, Grundversor-gung wie Energie oder Wasser und öffent-licheVerwaltungen,weisen über dasGan-ze betrachtet einen tieferen Reifegrad aufals der Durchschnitt der Organisationenim deutschsprachigen Raum. Was er-staunt, ist die eher tiefe Bewertung desReifegrades von Prozess-Management improduzierenden Gewerbe. Dies wider-spricht der vielerorts herrschenden Mei-nung, dass Produktionsunternehmenallen anderen Branchen im Prozess-Management überlegen sind. Es ist auseigener Projekterfahrung zu vermuten,dass die tiefe Selbsteinschätzung der Ver-tretenden der Produktionsbranche daherkommt, dass diese ihre Unternehmen ausganzheitlicher Betrachtung tief einstufen,da sich das Prozess-Management in die-

sen Organisationen oftmals nur auf denProduktionsprozess und nur selten aufweitere Geschäftsprozesse, wie etwa denEinkauf, die Finanzen, das Personalma-nagement oder die Informatik fokussiert.

Die Auswertung der Reifegrade vonProzess-Management weist nur einenkleinen Unterschied zwischen Unterneh-men unterschiedlicher Grösse auf undentspricht nicht der weitläufigen Vermu-tung aus der Praxis, dass grössere Organi-sationen auch einen höheren Reifegraddes Prozess-Managements aufweisen alskleinere Organisationen. Die Analysedeckt auf, dass die Unternehmensgrössenicht in einem positiven ZusammenhangzumReifegrad steht.Dasheisst, KMUkön-nen ebenso über einen hohen Reifegradverfügen wie die weltgrössten Konzerne.

Als Gründe, die für die Weiterentwick-lungdes Prozess-Managements sprechen,werden in der Praxis insbesondere folgen-de genannt: Prozessleistungsbewertungmittels Definition adäquater Prozessleis-tungsindikatoren, Prozesskostenrech-nung zwecks Kalkulation des Return onInvestment, Prozesswissensumgangs-Optimierung, Prozessressourcenplanung,Prozessflussautomatisierung mittels Au-tomatisierung von Arbeitsflüssen. DiePraxiserfahrung zeigt, dass der Reifegradaus zwei unterschiedlichen Perspektivenbetrachtet werden muss, um ein adäqua-tes Bild der tatsächlichen Ausgestaltungdes Untersuchungsobjekts zu erhalten.Für eine erfolgreiche Anwendung einesReifegradmodells ist nicht nur die Einfüh-rung einer spezifischen Massnahme ent-scheidend, sondern auch deren kontinu-ierliche Kontrolle der Zielerreichung.

iProcess hat soeben eine Erhebungzum Reifegrad des Prozess-Managementsim deutschsprachigen Europa abge-schlossen. Ziel dieser Untersuchung wardie Betrachtung der Reifegrade unter-schiedlicher Branchen und unterschiedli-cher Unternehmensgrössen, um konkreteAussagen über die Professionalisierungund die Potenziale des Prozess-Manage-ments zu treffen.Die Studie fokussiert sichauf die Erhebung des Reifegrades des Pro-zess-Managements in Abhängigkeit derBranche und der Grösse von Organisatio-nen. Dazu haben 216 Experten aus derSchweiz, Österreich und DeutschlandStellung genommen. Der Studienberichtist ab 5. März 2015 erhältlich.

KMU können sich verbessernReifegradmodelle sind im Prozess-Ma-

nagement für viele Organisationen eindurchaus interessanter Ansatz zur Stand-ort- und Zielbestimmung. MittlerweileexistierenpraktikableMethoden, die auchfür KMU leicht anzuwenden sind. Die Er-gebnisseder aktuellen empirischenStudie

zeigen einen durchschnittlichen Reife-grad von 28 Prozent auf, dies entsprichtder Stufe 2 des angewandten iPM3-Reife-gradmodells von iProcess. Dabei erreichtder Einführungsgrad vonMassnahmen imProzess-Management die Stufe 2 und derKontrollgraddie Stufe 1.Die eruiertenUn-terschiede zwischen dem Reifegrad dergemessenen Dimensionen Einführungs-grad und Kontrollgrad verdeutlichen ei-nen klaren Nachholbedarf des Prozess-Managements.

So liegt der Fokusmehr auf der Einfüh-rung von Massnahmen und nicht bei derKontrolle zwecks deren Weiterentwick-

lung.DieseErkenntnis findet sichwieder inder Ausgestaltung verschiedenster Pro-zess-Management-bezogener Aus- undWeiterbildungen, welche sich beispiels-weise stark auf die Analyse konzentrieren,oder in der Entwicklung von Software-Werkzeugen für das Prozess-Management,welche häufig erst in derHigh-end-Versionüber Funktionen zur Real-time-Überwa-chung von Prozessen verfügen.

Clemente Minonne, lead Principal Business Archi-tekt und Mitinhaber, Andri Koch, Business Architektund Prozess-Verantwortlicher iProcess-research,beide iProcess AG, luzern.

2 Prozent der Befragten erwarten, dass es bis 2025 keine IT-Abteilungen mehr inden Firmen gibt. Die IT wird von externen Dienstleistern bezogen.

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Kleine und mittlere Betriebekönnen über denselben

Reifegrad verfügen wie diegrössten Konzerne.

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Handels- und Immobilienfirmen sind besonders weitDer iProcess-Reifegrad für verschiedene Branchen.

0%

25%

50%

75%

100%

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Einführungsgrad

Kontrollgrad

Andere

Banken

Versicherungen

Grundversorgung

Transport

Öffentlicher Sektor

Technologie

Produktion

Handel/Immobilien

Aus- und Weiterbildung

Dienstleistungen

4.Stufe

3.Stufe

2.Stufe

1. Stufe

5. Stufe

Quelle: iProcess 2015

Page 10: HZ Special «Prozess-Management»