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341 Oktober 2012 Hauptstadt: Neu-Delhi Staatsform: Parlamentarische Bundesrepublik Staatsoberhaupt: Staatspräsident Pranab Mukherjee Regierungschef: Premierminister Manmohan Singh Fläche: rd. 3,29 qkm Einwohner: rd. 1,21 Mrd Mitgliedschaft in regionalen Wirtschaftszusammen- schlüssen: ESCAP, Colombo-Plan, SAARC, Indian Ocean Rim Assn. Wichtige Handelspartner: China, VAE, Schweiz, USA, Saudi Arabien, Deutschland Währung: Indische Rupie (iR) = 100 Paise (P) Wechselkurs: 1 Euro = 70,34 iR BIP (2011): 1.676,1 Mrd US$ BIP pro Kopf: 1.389 US$ Inflationsrate (2011): 8,6 % Export (2011): – davon nach D: 220,4 Mrd Euro/+24,7 % 7,50 Mrd Euro/+20,2 % Import (2011): – davon aus D: 350 Mrd Euro/+31,4 % 10,87 Mrd Euro/+17,1 % Wichtige Einfuhrgüter: Erdöl und -produkte, chemische Erzeugnisse, Baustoffe, Glas, Keramik, Maschinen, Elektronik Wichtige Ausfuhrgüter: Erdöl und -produkte, Textilien und Bekleidung, chemische Erzeugnisse, Nahrungsmittel, Rohstoffe, Stahl Indien Länderreport Indien Gebremster Aufschwung Von Dr. Thomas Kiefer, Aumühle Indiens Wirtschafswachstum sank nach vorläufigen Zahlen der GTAI im Finanzjahr 2011/12 (1.4. bis 31.3.) auf 6,9 %, dem nied- rigsten Wert seit 2003. Dies ist in Anbetracht der Rezession einiger Industrieländer zwar immer noch ein stolzer Wert, aber angesichts der stark steigenden Bevölkerung, einer unzurei- chenden Infrastruktur und drückender Armut breiter Bevölke- rungsschichten ein unzureichender Wert. Hohe Inflation und Zinsen, steigende Rohstoffpreise, Absatzprobleme in den Indus- trieländern und die zögerliche Umsetzung der engagierten Wirt- schaftspläne bremsen den Aufschwung. Die Inflation betrug im Finanzjahr 2011/12 mehr als 8 % und das Haushaltsdefizit lag mit 5,9 % deutlich über dem Planwert. Die Industrie zeigt nur noch wenige Wachstumstendenzen. Die Produktion legt nur leicht zu, und die Anzahl der neu angekündigten Investitionsvorhaben geht zurück. Der Außenhandel zeigt weiter steigende Werte. INHALT • Indiens Wirtschaft • Indisch-Deutsche Wirtschaftsbeziehungen • Maschinen- und Anlagenbau • Umwelttechnik und Energie • Windkraft und Solarenergie • Automobilbranche • Tata • Kleinwagen • Deutsche Autobranche • Chancen und Risiken • Armut, Überbevölkerung, Analphabeten- tum • Moisten und Unruhen • Rechtsstaat und Korruption • Patente und Rechtsschutz • Korruption und Steuerdschungel • Infrastruktur • Industriewachstum • Asien als Chance begreifen • Wirtschaftsmarkt BRICS Indiens Wirtschaft Der Indische Subkontinent ist kaum mit China vergleichbar. Zwar ist Indien laut Verfassung auch ein Sozialistischer Staat und die Wirtschaftsentwicklung ist in Plänen festgeschrieben. Doch das Land ist äußerst differenziert und ins- besondere in ländlichen Gebieten in der Tradition verhaftet. Indiens Wirtschaft wuchs nach der Öff- nung des zuvor abgeschotteten Landes. Auch während der Wirtschaftskrise zeigte die Wirtschaft kaum Schwächen. Da die Produktionskosten in China ra- sant ansteigen, entwickelt sich in In- dien eine neue Exportwirtschaft. „Das Wachstum der Exporte lag 2010 in In- dien bei 37 Prozent. Diese neue Ex- portindustrie braucht neue Maschinen“, erklärt Gero Winkler, vom India Desk bei der Handelskammer Hamburg. Die bevorstehende Verabschiedung eines Freihandelsabkommens zwischen In- dien und der EU dürfte das Außenhan- delsvolumen verdoppeln. Der Trend zur Liberalisierung der Außenwirt- schaft sei ungebrochen, doch gibt es zunehmend Unbehagen über Entschei- dungen staatlicher Stellen, so Winkler. Der für Februar zum 12. Gipfeltreffen zwischen der EU-Kommission und der indischen Regierung angekündigte Freihandelspakt wurde verschoben, teilweise steigen sogar die Einfuhrab- gaben. 75 Prozent beträgt jetzt der Zolltarif, den Indien auf Oberklassen- fahrzeuge erhebt. Bis Ende März galt noch ein Tarif von 60 Prozent. Nach Erhebungen der großen indischen Industrieverbände Indian Chambers of Commerce and Industry (FICCI) und Confederation of Indian Industry (CII) sehen die Unternehmen jetzt weniger erwartungsvoll in die Zukunft. In In- dien werden zudem weniger größere neue Wirtschaftsprojekte angekündigt.

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341Oktober 2012

Hauptstadt: Neu-Delhi

Staatsform: Parlamentarische Bundesrepublik

Staatsoberhaupt: Staatspräsident Pranab Mukherjee

Regierungschef: Premierminister Manmohan Singh

Fläche: rd. 3,29 qkm

Einwohner: rd. 1,21 Mrd

Mitgliedschaft in regionalen Wirtschaftszusammen-schlüssen:

ESCAP, Colombo-Plan, SAARC, Indian Ocean Rim Assn.

Wichtige Handelspartner: China, VAE, Schweiz, USA, Saudi Arabien, Deutschland

Währung: Indische Rupie (iR) = 100 Paise (P)

Wechselkurs: 1 Euro = 70,34 iR

BIP (2011): 1.676,1 Mrd US$

BIP pro Kopf: 1.389 US$

Inflationsrate (2011): 8,6 %

Export (2011):– davon nach D:

220,4 Mrd Euro/+24,7 %7,50 Mrd Euro/+20,2 %

Import (2011):– davon aus D:

350 Mrd Euro/+31,4 %10,87 Mrd Euro/+17,1 %

Wichtige Einfuhrgüter: Erdöl und -produkte, chemische Erzeugnisse, Baustoffe, Glas, Keramik, Maschinen, Elektronik

Wichtige Ausfuhrgüter: Erdöl und -produkte, Textilien und Bekleidung, chemische Erzeugnisse, Nahrungsmittel, Rohstoffe, Stahl

Indien

Länderreport IndienGebremster Aufschwung

Von Dr. Thomas Kiefer, AumühleIndiens Wirtschafswachstum sank nach vorläufigen Zahlen der GTAI im Finanzjahr 2011/12 (1.4. bis 31.3.) auf 6,9 %, dem nied-rigsten Wert seit 2003. Dies ist in Anbetracht der Rezession einiger Industrieländer zwar immer noch ein stolzer Wert, aber angesichts der stark steigenden Bevölkerung, einer unzurei-chenden Infrastruktur und drückender Armut breiter Bevölke-rungsschichten ein unzureichender Wert. Hohe Inflation und Zinsen, steigende Rohstoffpreise, Absatzprobleme in den Indus-trieländern und die zögerliche Umsetzung der engagierten Wirt-

schaftspläne bremsen den Aufschwung. Die Inflation betrug im Finanzjahr 2011/12 mehr als 8 % und das Haushaltsdefizit lag mit 5,9 % deutlich über dem Planwert. Die Industrie zeigt nur noch wenige Wachstumstendenzen. Die Produktion legt nur leicht zu, und die Anzahl der neu angekündig ten Investitionsvorhaben geht zurück. Der Außenhandel zeigt weiter steigende Werte.

INHALT

• Indiens Wirtschaft

• Indisch-Deutsche Wirtschaftsbeziehungen

• Maschinen- und Anlagenbau

• Umwelttechnik und Energie

• Windkraft und Solarenergie

• Automobilbranche

• Tata

• Kleinwagen

• Deutsche Autobranche

• Chancen und Risiken

• Armut, Überbevölkerung, Analphabeten-tum

• Moisten und Unruhen

• Rechtsstaat und Korruption

• Patente und Rechtsschutz

• Korruption und Steuerdschungel

• Infrastruktur

• Industriewachstum

• Asien als Chance begreifen

• Wirtschaftsmarkt BRICS

Indiens WirtschaftDer Indische Subkontinent ist kaum mit China vergleichbar. Zwar ist Indien laut Verfassung auch ein Sozialistischer Staat und die Wirtschaftsentwicklung ist in Plänen festgeschrieben. Doch das Land ist äußerst differenziert und ins-

besondere in ländlichen Gebieten in der Tradition verhaftet. Indiens Wirtschaft wuchs nach der Öff-nung des zuvor abgeschotteten Landes. Auch während der Wirtschaftskrise zeigte die Wirtschaft kaum Schwächen. Da die Produktionskosten in China ra-sant ansteigen, entwickelt sich in In-dien eine neue Exportwirtschaft. „Das Wachstum der Exporte lag 2010 in In-dien bei 37  Prozent. Diese neue Ex-portindustrie braucht neue Maschinen“, erklärt Gero Winkler, vom India Desk bei der Handelskammer Hamburg. Die bevorstehende Verabschiedung eines Freihandelsabkommens zwischen In-dien und der EU dürfte das Außenhan-delsvolumen verdoppeln. Der Trend zur Liberalisierung der Außenwirt-schaft sei ungebrochen, doch gibt es zunehmend Unbehagen über Entschei-dungen staatlicher Stellen, so Winkler. Der für Februar zum 12. Gipfeltreffen zwischen der EU-Kommission und der indischen Regierung angekündigte Freihandelspakt wurde verschoben, teilweise steigen sogar die Einfuhrab-gaben. 75 Prozent beträgt jetzt der Zolltarif, den Indien auf Oberklassen-fahrzeuge erhebt. Bis Ende März galt noch ein Tarif von 60 Prozent.Nach Erhebungen der großen indischen Industrieverbände Indian Chambers of Commerce and Industry (FICCI) und Confederation of Indian Industry (CII) sehen die Unternehmen jetzt weniger erwartungsvoll in die Zukunft. In In-dien werden zudem weniger größere neue Wirtschaftsprojekte angekündigt.

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Indien

In den zurückliegenden Jahren kündig-ten indische Regierungsstellen zahlrei-che Mammutprojekte an. Die Realisie-rung vieler dieser Projekte verzögert sich. Insgesamt sollen im Geschäftsjahr 2011/12 Projekte im Wert von rund 8,3 Billionen indischen Rupien (iR, rund 126 Milliarden Euro; 1 Euro = 65,93 iR) fertiggestellt werden. Von April bis September 2011 wurden 1.865 neue Projekte mit einem Volumen von insge-samt knapp 6 Billionen iR angekün-digt. Investiert wird vor allem im Ener-giesektor, gefolgt von Projekten bei Telekommunikationsdienstleistungen, im Straßentransport, sowie Stahl und Erdölprodukten.Die Direktinvestitionen (Foreign Direct Investment, FDI) nach Indien beliefen sich 2008/09 auf 27,3 und 2009/10 auf 25,8 Milliarden US-Dollar. 2010/11 und 2011/12 sanken sie auf etwa 20 Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: nach China flossen 2011 etwa 116 Mil-liarden US-Dollar an ausländischem Investitionskapital. Deutschland zählt zu den zehn größten Investorennatio-nen in Indien.

Indisch-Deutsche WirtschaftsbeziehungenDeutschland ist neben Großbritannien Indiens wichtigster Handelspartner in der EU. Der deutsch-indische Handel wächst beständig und hat sich von 2000 bis 2010 von 4,5 auf 15,54 Milliarden Euro mehr als verdreifacht. Allein 2010 stieg der Außenhandel zwischen Indien und Deutschland um 18  Prozent. Im ersten Quartal 2011 lag er bei 4,5 Mil-liarden Euro. Für das gesamte Jahr 2011 werden 20 Milliarden Euro erwar-tet. China liegt hier noch weit vorn, 2010 lag der deutsch-chinesische Han-del bei 130 Milliarden Euro. Hinzu kommt noch die enorme Produktion Tausender deutscher Unternehmen vor Ort in China, die dort für einige Firmen bereits höher ist, als die heimische Pro-duktion. So kommen besonders Zulie-ferteile mit deutschen Markennamen, die in Indien verkauft werden, zuneh-mend aus Fertigungswerken in China.Beim Aufbau der Wirtschaft gibt es noch einen gewaltigen Nachholbedarf. „Deutsche Investoren sind so überzeugt wie nie zuvor, dass Indien sich weiter auf einem nachhaltigen Wachstums-pfad befindet“, erklärt Bernhard Stein-rücke, Hauptgeschäftsführer der Au-ßenhandelskammer (AHK) Indien.

Doch der Einstieg gestaltet sich oft schwierig. Dazu kommen zahlreiche Beschränkungen, ausländische Unter-nehmen dürfen lediglich einen Anteil von 26 Prozent an indischen Firmen hal-ten. Daher lagen die deutschen Direktin-vestitionen auf dem gesamten indischen Subkontinent 2010 bei lediglich 4 Milli-arden Dollar. Selbst im kleinen Stadt-staat Singapur investierten deutsche Un-ternehmen im Jahr 2010 mit 8 Milliar-den Euro das Doppelte dieses Betrags.Indische Konzerne kaufen sich auch bereits in deutsche Unternehmen ein, um so Technologie für den Weltmarkt zu erhalten. Wie der indische Wind-kraftanlagenbauer Suzlon Energy, der in Rostock die insolvente Südwind übernahm und dort anschließend den Forschungs- und Entwicklungsstandort ausbaute. Der indische Maschinen-bauer Crompton Greaves steht vor dem Abschluss der Übernahme der auf An-triebstechnik spezialisierten Firma Emotron in Werningerode.

Maschinen- und AnlagenbauDie indische Maschinenbauindustrie sieht angesichts der abschwächenden industriellen Produktion schwierigen Zeiten entgegen. Die wichtigsten Ab-nehmerbranchen spüren die Auswir-kungen der aktuellen weltwirtschaftli-chen Lage, aber auch die Kaufzurück-haltung auf dem Binnenmarkt. Die Automobilbranche wächst langsamer als im Vorjahr. Ob sich die Prognose der Indian Ma-chine Tool Manufacturers‘ Association (IMTMA) erfüllt, dass bis 2020 sich der Absatz auf 230 Milliarden iR na-hezu versechsfacht, ist daher fraglich. Indische Maschinenbauer konzentrie-ren sich zumeist auf das untere bis mittlere Preissegment. Auf importierte Maschinen greifen vor allem exportori-entierte Unternehmen zurück. Den technischen Rückstand gegenüber Pro-dukten aus Deutschland, Japan und den USA schätzen Branchenvertreter zum Beispiel bei Werkzeugmaschinen auf etwa zehn Jahre. Der Aufwand für For-schung und Entwicklung ist in indi-schen Betrieben sehr gering und liegt im Werkzeugmaschinenbau bei etwa 2 Prozent des Umsatzes. Das Interesse an Kooperationen mit ausländischen An-bietern ist daher sehr groß.Die deutschen Maschinenausfuhren nach Indien stiegen im Zeitraum Januar bis November 2011 im Vergleich zu

2010 um etwa 14,5 Prozent. Mit einem Plus von 15,3 Prozent lagen die Steige-rungen nach Indien nur leicht über dem Durchschnittswert. Die anderen neuen Märkte zeigten in China mit +26 Pro-zent, Russland um +33,2  Prozent, die Türkei mit +29,3 Prozent und Brasilien 23,6 Prozent weitaus mehr Dynamik. Die Maschinenimporte nach Deutsch-land stiegen um 18,8 Prozent.Der VDMA rechnet damit, dass die Ex-porte nach Indien in 2012 im höheren einstelligen Prozentbereich weiter wachsen. Die Nachfrage aus wichtigen indischen Abnehmerbranchen sei stabil und das Land ist gleichzeitig weiterhin auf Importe in wichtigen Produktfel-dern angewiesen. „Als Ausrüstungs-partner Nr. 2 der indischen Abnehmer-industrien gehen wir davon aus, dass unsere Branche auch weiterhin am Wachstum des Landes partizipieren kann“ erklärte ein VDMA-Sprecher.Doch im Maschinenbau sind zuneh-mend auch Produktionsanlagen vor Ort notwendig. An seinem Standort im indischen Bundesstaat Goa hat Sie-mens Infrastructure & Cities Ende Ja-nuar zwei neue Produktionsstätten er-öffnet. Insgesamt hat der deutsche Konzern dafür rund 28 Millionen Euro ausgegeben. Beide Werke sind mit ei-ner eigenen Abteilung für Forschung und Entwicklung ausgestattet.In das Werk für Netzautomatisierungs-Komponenten hat Siemens in der ers-ten Ausbaustufe rund 20 Millionen Euro investiert. Derzeit arbeiten dort rund 90 Mitarbeiter. Langfristig ist geplant, rund 500 Menschen zu be-schäftigen. Die in Indien entwickel-ten Komponenten für die Automati-sierung von Stromversorgungsnetzen sind für den indischen und künftig auch für den weltweiten Markt ge-dacht. In der zweiten Ausbaustufe soll die Bandbreite der Entwicklung und Produktion ausgeweitet werden. In dem Werk für Mittelspannungstech-nik fertigt Siemens für den indischen Markt gasisolierte Schaltanlagen für den Aufbau von Mittelspannungs-netzen, sowie Kompaktstationen für Stromverteilungsnetze und den Wind-energiebereich. Siemens hat rund 7,5 Millionen Euro in das Werk investiert und beschäftigt dort etwa 17.700 Mit-arbeiter.Der Maschinenteilehersteller Fibro in-vestiert in eine neue Produktionsstätte im indischen Bundesstaat Maharashtra. In der Industriestadt Pune soll bis Mitte

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2012 auf einer Fläche von 2.300 Qua-dratmetern ein neues Werk entstehen, in dem Normalien, also standardisierte Produkte für den Werkzeug- und Ma-schinenbau, produziert werden sollen. Bereits seit 2008 stellt das Unterneh-men der Läpple-Gruppe in Pune Füh-rungselemente und andere Normalien für den indischen Markt her. 25 Mitar-beiter erwirtschaften einen Jahresum-satz von zwei Millionen Euro. Mit dem neuen Werk will Fibro seine Position weiter ausbauen. Im Großraum Pune finden sich unter anderem Werke zahl-reicher Automobilhersteller, darunter Mercedes-Benz, Volkswagen, Fiat, Ge-neral Motors und Tata Motors.

Umwelttechnik und EnergieDer alltägliche Stromausfall behindert die Produktion und erschwert das All-tagsleben. Die zig-Millionen Diesel-Notstromaggregate erzeugen horrende Zusatzkosten. Daher sind ein Ausbau der Energieversorgung und alternative Energien ein großer Zukunftsmarkt.Die indischen Hersteller von Energie-technik sehen sich jedoch mit einem verlangsamten Nachfragewachstum konfrontiert. Die Industrieproduktion stieg im Zeitraum von April bis Dezem-ber 2011 nur um 4,4 Prozent gegenüber derselben Vorjahresperiode an, so der Branchenverband Indian Electrical and Electronics Manufacturers‘ Association (IEEMA). Im 4. Quartal betrug das Plus nur noch 0,6 Prozent nach 3,6 und 13,8 Prozent in den beiden Vorquartalen.In den Vorjahren hatte die Branche vom stetig steigenden Energiebedarf der kräftig wachsenden indischen Wirt-schaft profitieren und deutliche Zu-wächse verzeichnen können. Der Um-satz der lokalen Produzenten von Stromerzeugungstechnik betrug im Fi-nanzjahr 2010/11 (1.4. bis 31.3.) 265,9 Milliarden indische Rupien (etwa 4,0 Milliarden Euro) und lag damit 30 Pro-zent höher als im Vorjahr. Auch der Ab-satz von in Indien gefertigten Ausrüs-tungen zur Stromübertragung und -ver-teilung war um 13,7 Prozent auf 601,1 Milliarden iR gestiegen.Neben dem Ausbau der Energieversor-gung wird für alternative Energien ein hohes Marktpotenzial gesehen. Indien hat tausende Kilometer gut für Wind-kraft geeignete Küstenlinien und viele Landesteile sind von der Sonne begüns-tigt.

Windkraft und SolarenergieSuzlon ist ein Beispiel für die schnelle Internationalisierung indischer Unter-nehmen. Der indische Windkraftanla-genbauer übernahm 2007 die Mehrheit am Hamburger Unternehmen Repower. Nachdem Suzlon zunächst die Produk-tion in Deutschland ausbaute, geht jetzt Repower aus Kostengründen dazu über Windkrafträder für Nordamerika und Australien in Indien zu fertigen.Die hohen Ölimporte sind für einen großen Teil des indischen Handelsbi-lanzdefizits verantwortlich. In Indien sind die Exporte und Importe im Feb-ruar gestiegen. Die Ausfuhren legten im Februar 2012 um 4,3 Prozent im Jahresvergleich auf 24,6 Milliarden US-Dollar zu, wie das Ministry of Commerce and Industry mitteilte. Die Importe erhöhten sich um 20,65 Pro-zent im Jahresvergleich auf 39,9 Milli-arden US-Dollar. Die Ölimporte stie-gen dabei um 39,45 Prozent auf 12,66 Milliarden US-Dollar an. Das Handels-defizit weitete sich im Februar auf 15,2 Milliarden US-Dollar aus, nachdem im gleichen Zeitraum des Vorjahres 2011 nur 9,4 Milliarden US-Dollar zu ver-zeichnen waren.Der indische Handelsminister Rahul Khullar erklärte, dass Indiens gesamtes Handelsdefizit für das Geschäftsjahr 2011/12 (per 31. März 2012) im Be-reich von 175 bis 180 Milliarden US-Dollar liegen wird, nachdem man zu-vor noch von 160 Milliarden US-Dollar ausging.Bereits im Jahr 2010 startete die indi-sche Regierung die Initiative „National Solar Mission“ und legte damit den Grundstein für den Aufbruch in ein neues solares Zeitalter in Indien. Heute entwickelt sich der indische Solarmarkt extrem dynamisch und zieht die Auf-merksamkeit der internationalen Indus-trie und der Investoren auf sich. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg L.P. Energy Finance, New York, haben sich die Investitionen in netzgebundene Solarprojekte in Indien von 600 Millionen US-Dollar im Jahr 2009 auf 4,2 Milliarden US-Dollar im Jahr 2011 versiebenfacht.Auch andere aktuelle Prognosen erwar-ten für die Zukunft ein weiteres starkes Wachstum für den indischen Solar-markt. Bis 2016 sollen laut der Studie „The India Solar Market: Strategy, Players and Opportunities“ der GTM Research Inc., Cambridge, Massachu-

setts/USA, neue Solarstromanlagen mit einer Spitzenleistung von neun Gigawatt (9 GWp) installiert werden. Die Bank Sarasin AG, Frankfurt, zählt Indien in ihrer Nachhaltigkeitsstudie „Solarwirtschaft: Hartes Marktumfeld – Kampf um die Spitzenplätze“ zu den boomenden PV-Absatzmärkten: Schließlich sei das Ziel der indischen Regierung der Ausbau auf 20 Gigawatt installierter Solarstromkapazität im Jahr 2022. Die Vorgabe der Regierung eröffnet große Chancen für die indische und internationale Solarwirtschaft und für Länder-übergreifende Kooperatio-nen, so die Verfasser der Studie.

AutomobilbrancheNoch sind die bis vor kurzem den in-dischen Pkw-Verkehr bestimmenden Hindustan Ambassador-Taxis noch nicht ganz von Indiens Straßen ver-schwunden. Der Oldtimer basierte auf einem britischen Automodell von 1948 und zeigte anschaulich den jahrzehn-telangen Stillstand des industriellen Fortschritts. Anfänglich mit japanischer Hilfe modernisierte sich nach der wirt-schaftlichen Öffnung des Landes die Branche und nach ersten Boomjahren gerät das Absatzwachstum ins Stok-ken. Die Vereinigung Indischer Auto-mobilhersteller prognostizierte für das Geschäftsjahr 2011/2012 zunächst ein Plus von 16 bis 18 Prozent. Jetzt wäre der Verband mit 2 Prozent Wachstum zufrieden, kann sich sogar eine Stagna-tion vorstellen.Der indische Branchenverband rechnet für das Geschäftsjahr 2012/2013 mit einer Steigerung um 12 Prozent. Wachstumsraten von zuvor um die 30 Prozent hatten viele ausländische Kon-zerne wie Ford und General Motors veranlasst, ihr Geschäft in Indien mas-siv auszubauen.„Der Rückgang ist kurzfristig und vo-rübergehend“, sagte Shinzo Nakanishi vom größten indischen Autobauer Ma-ruti Suzuki. Noch vor einem Jahr stammte jedes zweite in Indien ver-kaufte Auto aus den Maruti-Fabriken. Doch zuletzt haben heimische Rivalen wie Mahindra & Mahindra und Tata Motors aufgeholt.

TataNoch beherrschen kleine Kabinenroller das Straßenbild vieler indischer Städte. Die motorisierten Dreiräder könnten bald durch Billigautos abgelöst werden.

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Indien

Seit 2009 verkauft Tata den Kleinwa-gen Nano für umgerechnet etwa 2.000 Euro. Doch die hochgesteckten Absatz-zahlen von mindestens 20.000 Einhei-ten im Monat konnten nicht erreicht werden. 2010 konnte der Konzern le-diglich 60.000 Stück verkaufen, die Produktionskapazität liegt jedoch bei 250.000 Einheiten.Tata hatte die britischen Traditionsmar-ken Jaguar und Land Rover 2008 dem US-Autobauer Ford abgekauft. Der in-dische Konzern zahlte dafür 2,3 Milli-arden US-Dollar. Tata soll auch für Saab 350 Mio. US-Dollar geboten ha-ben.Tata ist mit dem chinesischen Autokon-zern Cherry im Gespräch über mögli-che Kooperationen. Dies wäre der erste indische Automobilkonzern, der groß-flächig in China Fuß fassen könnte. Tata will seine Luxusmarken Jaguar und Land Rover in das Nachbarland bringen und zusammen mit Cherry eine eigene Marke für China entwickeln. Etwa eine Milliarde Dollar könnten die Investitionen in neue Produktionsanla-gen umfassen. Eine weitere Milliarde Dollar werde der Aufbau der neuen Marke kosten. Ebenfalls eine Milliarde werde in Entwicklung benötigt. Jaguar und Land Rover möchten mit Cherry auch Motoren entwickeln und bauen.

KleinwagenBajaj, ein Hersteller von Motorrädern und Dreirad-Rikschas möchte mit dem RE60 einen Kleinwagen bauen. Der Wagen mit den Mikro-Maßen und sei-nem 200-Kubikzentimeter-Motor soll 2,5 Liter Benzin auf 100 Kilometern verbrauchen. Die Höchstgeschwindig-keit liegt bei 70 Stundenkilometern. Bajaj kooperiert auch mit dem deut-schen Versicherungskonzern Allianz. Beide Partner betreiben gemeinsam die Versicherungsgruppe Bajaj Allianz in Indien. Marktführer bei Kleinstautos in Indien ist Suzuki mit seiner Marke Maruti. Mit seiner Beteiligung an Suzuki hatte Volkswagen eigentlich vor, in Indien Fuß zu fassen. Doch die Japaner wür-den nach viel Streit gern die Verbin-dung mit den Wolfsburgern auflösen. VW baut jetzt selbst Autos in Indien, am Standort Pune.

Deutsche Autobranche noch kaum vertreten„Die deutsche Automobilindustrie ver-stärkt ihre Präsenz auf dem Wachs-tumsmarkt Indien. Allein der Export deutscher Pkw nach Indien ist 2011 um gut 70 Prozent auf 25.000 Einheiten gestiegen. In den vergangenen sechs Jahren hat sich das Exportvolumen ver-zehnfacht. Gleichzeitig bauen die deut-schen Automobilhersteller ihre Produk-tion vor Ort konsequent weiter aus“, erklärte Klaus Bräunig, Geschäftsfüh-rer des Verbandes der Automobilindus-trie (VDA), auf der Automobilmesse Auto Expo in New Delhi.Die Exporte nach Indien legten nach Zahlen der GTAI im vergangenen Jahr um über 60 Prozent zu. Sie stiegen von 14.542 auf 23.381 Einheiten. Der Markt ist durch hohe Zölle weiter abge-schottet und deutsche Produzenten ha-ben Probleme dort Fuß zu fassenDie deutsche Automobilindustrie mel-dete für 2011 fast eine Verdopplung des Absatzes in Indien. Doch liegt der Marktanteil lediglich um 5 Prozent und der größte Teil der in Indien verkauften deutschen Marken wird außerhalb Deutschlands montiert. Die deutschen Konzernmarken konnten ihren Absatz auf dem Subkontinent um 80 Prozent auf 120.000 Einheiten steigern. Durch die hohen Zölle ist eine Montage vor Ort notwendig, um höhere Markt-anteile erringen zu können. Daimler investiert rund 700 Millionen Euro in Produktionsanlagen und eine Teststre-cke in der Nähe der indischen Stadt Chennai. Daimler setzt dort auf den ex-pandierenden Markt für Lkws. Die leichten, mittelschweren und schweren Nutzfahrzeuge von BharatBenz werden im neuen Werk in Oragadam bei Chen-nai (Südindien) produziert. Das Werk, das sich auf einer Fläche von 160 Hek-tar erstreckt, ist nahezu fertiggestellt. Der Produktionsprobelauf von Motoren und Getrieben hat bereits begonnen. Das Gesamtinvest für die Produktions-stätte beträgt über 44 Milliarden indi-sche Rupien (rund 700 Millionen Euro). Die Kapazität wird zunächst bei 36.000 Einheiten pro Jahr liegen und kann auf 70.000 Einheiten pro Jahr ge-steigert werden.Die indische Nutzfahrzeugtochter von Daimler Trucks arbeitet mit über 450 Zulieferern zusammen. Die zukünfti-gen BharatBenz Lkw werden mit ei-nem Lokalisierungsgrad von 85 Pro-

zent hergestellt. „Diese Lkw basieren auf existierenden Plattformen unserer Daimler Nutzfahrzeuge, sie wurden von indischen Spezialisten für den lo-kalen Markt entwickelt und werden dort gebaut. So können wir am effek-tivsten am indischen Marktwachstum im Volumensegment partizipieren. Wir wollen mit unserem auf Qualität, Zu-verlässigkeit und Effizienz basierenden Produktprogramm vor allem das soge-nannte ‚Modern Domestic Segment’ bedienen, das ein enormes Wachstums-potenzial bietet und die steigenden An-forderungen der indischen Kunden ab-bildet.“, erklärt Andreas Renschler, Vorstandsmitglied der Daimler AG.BMW eröffnete im März 2007 in der Nähe von Chennai ein Montagewerk. In der Fabrik im Südosten Indiens kann BMW Modelle der 3er- und 5er-Reihe für den lokalen Markt bauen. Die Jah-reskapazität liegt bei 11.000 Fahrzeu-gen.Für VW erscheint der Markt schon in-teressanter. Doch auch die Wolfsburger, die ebenfalls ein Werk in Indien haben, trauen sich bisher nicht ein Billigauto zu bauen. Konzernchef Martin Winter-korn erklärte, alle Marken des Volks-wagen-Konzerns bis hin zu Skoda dür-fen keinerlei Abstriche bei der Sicher-heit machen. Den VW-üblichen Standard könne ein 1750-Euro-Auto wie der Tata Nano jedoch niemals er-füllen. Ein solches Fahrzeug aus dem VW-Konzern werde es für den indi-schen Markt darum niemals geben, so Winterkorn.Daran soll sich auch nach dem 20-Pro-zent-Einstieg bei Suzuki nichts ändern. Der japanische Hersteller ist mit 54 Prozent Marktanteil die Nummer eins in Indien. Man werde Suzuki-Händlern anbieten, VW-Produkte zu vertreiben, sagt Winterkorn, aber ein echtes Billig-auto für den indischen Markt, eventuell sogar zusammen mit Suzuki entwi-ckelt, werde es nicht geben.Verantwortlich für diesen Aufwärts-trend ist unter anderem der Vento. Das Modell wird seit August 2010 im Werk Pune gebaut und feierte im vergange-nen Jahr seine Markteinführung in In-dien. Die viertürige Limousine ist be-liebt auf dem Subkontinent. Aufgrund der hohen Nachfrage fährt Volkswagen in Pune ein Dreischichtsystem. Neben dem Vento laufen dort auch Polo und Škoda Fabia vom Band.

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„Der indische Kunde ist sehr kritisch. Der Anspruch an Volkswagen ist hoch. Durch das inzwischen etablierte Werk und die lokalen Zulieferer sind wir in der Lage viel flexibler auf den Markt zu reagieren, als wenn wir Fahrzeuge importieren würden. Mit einer hohen Fertigungstiefe und allen Produktions-prozessen die wir hier haben sind wir gut aufgestellt”, sagt Holger Nestler, Werkleiter in Pune. „Wir haben natür-lich anspruchsvolle Einstellungskrite-rien für unsere Mitarbeiter: Jeder wird intensiv und speziell auf seine Tätigkeit vorbereitet”, betont er.Derzeit liegt die Kapazität bei 130.000 Fahrzeugen pro Jahr. „Die Wirtschafts-krise und der gestiegene Preis für Ben-zin sind zwar etwas spürbar, wir sind aber immer noch in einem Wachstum und werden unser Ziel erreichen”, meint Nestler. Bis zum Ende des Jahres werde das Werk voll ausgelastet sein. Mit dem Erfolg Volkswagens in China ist jedoch in Indien nicht anzuknüpfen. Volkswagen wollte in Indien früher starten, indische Gerichte stoppten je-doch nach Korruptionsvorwürfen das Projekt 2005. Ein früherer Skoda-Ma-nager soll von Andhra Pradesh als Ge-genleistung für die geplante Ansied-lung eines VW-Werks in dem Bundes-staat umgerechnet zwei Millionen Euro erhalten haben. Indien ist für deutsche Autokonzerne nicht das neue China, die Absatzerfolge aus dem Reich der Mitte lassen sich dort kaum wiederholen. Audi verkauft in Indien rund 5.000 Autos im Jahr, in China sind es 330.000. Japaner, Südko-reaner, aber auch heimische Produzen-ten sind sehr stark und es könnte sich auch eine Entwicklungskooperation mit China abzeichnen.

Rangliste der Autohersteller in Indien

• Maruti Suzuki 2011: 916.000

• Tata 2011: 608.000

• Hyundai 2011: 306.000

• Mahindra 2011: 206.000

• Toyota 2011: 143.000

• General Motors 120.000

• Volkswagen/Skoda 2011: 113.000

• Honda 2011: 103.000

• Ford 95.000

• BMW 9.000

• Mercedes 7.000

• Audi 2011 5.000

Quelle: IHS Global Insight, Boston Consulting Group

Deutsche ZuliefererAuch die deutschen Zulieferer profitie-ren von dieser Entwicklung. Im Jahr 2011 haben sie Waren und Dienstleis-tungen im Wert von 660 Millionen Euro nach Indien exportiert, meldet der VDA. Das entspricht einem Zuwachs von 53 Prozent gegenüber 2010. Da-mals lag der Exportwert bei rund 430 Millionen Euro. „Gerade für Zulieferer bietet der Wachstumsmarkt Indien au-ßerordentliche Chancen“, sagte Bräu-nig. Dabei werde die Fertigung vor Ort wei-ter zunehmen. „Dies entspricht nicht nur den Zielen der indischen Regierung für den Aufbau einer eigenen, leis-tungsfähigen Automobilindustrie, son-dern auch der Strategie der deutschen Automobilhersteller, die ihre Fertigung in Indien kontinuierlich steigern. Der große indische Markt lässt sich nicht allein durch Exporte aus Deutschland bedienen. Natürlich haben auch die im-mer noch vorhandenen Handelshemm-nisse hier einen eindeutigen Einfluss“, so Bräunig.Bereits heute hat Indien einen Über-schuss im Pkw-Handel mit Deutsch-land, der in den ersten drei Quartalen des Jahres 2011 rund 92 Millionen Euro betrug. Insgesamt seien im Jahr 2011 die automobilen Importe der EU aus Indien um 14 Prozent auf 2,1 Milli-arden Euro gestiegen, gut zwei Drittel davon entfielen auf Pkw, rund 500 Mil-lionen Euro auf Teile und Zubehör.Bosch fertigt bereits seit 1953 in In-dien. In den kommenden zwei Jahren beabsichtigt das Stuttgarter Unterneh-men dort 22 Milliarden Indische Ru-pien (312 Millionen Euro) zu investie-ren, erklärte der Leiter des Bosch-Au-tomobilgeschäfts, Bernd Bohr. Die Mittel sollen vor allem zum Ausbau der bestehenden Aktivitäten verwendet werden. Außerdem komme Indien eine immer größere Bedeutung beim Soft-ware-Engineering für den Bereich der elektronischen Komponenten für Steu-ergeräte zu.2011 hatte nach ersten Zahlen die Ro-bert Bosch GmbH in Indien rund 110 Milliarden iR umgesetzt, etwa 20 Pro-zent mehr als im Vorjahr. Bosch be-

schäftigt in Indien 25.000 Mitarbeiter. Die Stuttgarter möchten zukünftig ver-stärkt auch Komponenten für Billig-fahrzeuge und für die heimischen, japa-nischen und südkoreanischen Konzerne anbieten.Der Mechatronik-Zulieferer Brose er-öffnete 2011 sein erstes Werk in Indien. Dort werden zunächst elektrische Fens-terheber hergestellt, weitere Produkte sollen folgen. Das Ziel sei es, in Indien die gesamte Wertschöpfungskette von der Entwicklung bis zur Endmontage abzudecken, kündigte Brose-Indien-Chef Ashwani Aggarwal an. Auch für den Export soll das neue Werk produ-zieren. Nach VDA-Geschäftsführer Bräunig ist diese Exportproduktion aus Indien heraus ein zunehmend attrakti-ves Geschäftsmodell. Deutsche Zulie-ferer würden inzwischen bis zu 90 Pro-zent der in Indien gefertigten Teile in andere Märkte ausführen, schätzt Bräu-nig.ZF Friedrichshafen ist seit mehr als drei Jahrzehnten in Indien präsent und hat dort sowohl Joint-Ventures als auch Lizenzpartnerschaften. ZF beschäftigt am Produktionsstandort Pune rund 3.000 Mitarbeiter. Neben Achsen und Getrieben werden dort Dämpfer, Kupp-lungen und Chassis-Komponenten ge-fertigt.Die Woco Gruppe aus Bad Soden/Sal-münster ist ein Spezialist für Akustik, Aktuatorik und Polymersysteme. Woco hat in Indien bereits zwei Produktions-standorte. Die HJS Emission Techno-logy, Menden, steht für langjährige Er-fahrung und Kompetenz im Bereich der Abgasnachbehandlung. Seit 2008 baut HJS seine Aktivitäten in Indien aus. Um an der dort stetig wachsenden Au-tomobilindustrie teilzuhaben, hat das Unternehmen im März 2011 die Toch-tergesellschaft HJS Emission Techno-logy India Pvt. Ltd. in Bangalore ge-gründet. Eine Produktionsstätte ist in Delhi im zweiten Quartal 2012 geplant. Der zum Rheinmetall-Konzern gehö-rende Automobilzulieferer KSPG (vor-mals Kolbenschmidt Pierburg) mit Sitz in Neckarsulm hat die Gleitlager-Akti-vitäten der Kirloskar Oil Engines Ltd. (KOEL), Pune, übernommen. Zusätz-lich zu diesen Aktivitäten stellt KSPG an seinem eigenen Produktionsstandort in Pune bereits Komponenten zur Schadstoffreduzierung sowie Pumpen für die indische Automobilindustrie her. Die Konvekta AG eröffnet in der Nähe von Mumbai eine Fertigung von

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Indien

Klimatechnik. Auf einer Fläche von ca. 700 m2 werden dann rund 50 Mitarbei-ter zunächst Klimaanlagen für Busse sowie Transportkühlanlagen fertigen.

Chancen und RisikenFür einige mittelständische Unterneh-men ist Indien ein Geschäftsstandort mit enormen Gewinnmarken. Andere Unternehmen haben dort jedoch viel Geld verloren und auch mit hohen In-vestitionen konnten viele nicht Fuß fas-sen. „Viele Wirtschafsdelegationen aus Indien stellen oft die wirtschaftlichen Perspektiven sehr rosig dar und ver-harmlosen die Probleme, die es dort gibt. Der Geschäftsalltag ist sehr schwierig, Loyalität der Geschäftspart-ner durchaus nicht immer zu erwarten und schon viele Mittelständler haben dort bereits viel Geld gelassen. Doch wenn man sich den Herausforderungen stellt, sind in Indien gute Geschäfte zu machen“, erklärt Dietrich Kebschull vom Indo German Export Promotion, Gurgaon.Der indische Subkontinent sollte dabei auch nicht als einheitliches Wirtschafts-gebiet gesehen werden. Das Land hat etwa doppelt so viele Einwohner als die EU, mehrere Schriften und unzählige Sprachen und Dialekte, viele Völker, Religionen und Kasten. Das Land ist noch sehr agrarisch geprägt und weite Landesteile sind wenig entwickelt. Dies alles stellt die Modernisierungspolitik vor eine gewaltige Herausforderung.

Armut, Überbevölkerung, AnalphabetentumIndien rühmt sich mit einem der besten Hochschulsysteme der Welt. Doch weite Teile des Landes sind sehr rück-ständig geprägt und in den Metropolen gibt es riesige Armutsviertel. Nach amtlicher Definition ist ein Landbe-wohner erst arm, wenn er pro Tag sogar weniger als 33 Cents, ein Stadtbewoh-ner weniger als 42 Cents zur Verfügung hat. In Indien steigen die Lebensmittel-preise seit Jahren im zweistelligen Be-reich. Jährlich sterben in Indien etwa 1,7 Millionen Kinder an Unterernäh-rung. Bei der Lebenserwartung, bei Kinder- und Müttersterblichkeit, Kin-derimpfungen und erteilten Schuljah-ren liegt Indien im internationalen Ver-gleich auf den allerletzten Plätzen. In-dien gibt heute prozentual nur halb so viel für die Krankenversorgung aus als China.

Über 70 Millionen Kinder im Alter von 5–14 Jahren gehen in Indien nicht zur Schule, sondern arbeiten bei minimaler Bezahlung. Nach einer Studie liegt die Grundschulausbildung des Subkonti-nents auf der Stufe von Papua-Neugui-nea oder Afghanistan. In Indiens Grundschulen ist das Verhältnis der Anzahl der Schüler zu Lehrern drei Mal so hoch als in China. Das Bil-dungsdefizit gegenüber China wird nicht kleiner, sondern nimmt weiter zu.Indiens Hochschulen dagegen, viele davon privat, sind weltweit bekannt. Sie haben ein hohes Niveau und wer-den vom Staat subventioniert. Doch bei der Grundbildung, im mittleren Bil-dungssegment und bei der beruflichen Bildung gibt es gewaltige Defizite.

Maoisten und UnruhenDie Lebensbedingungen in abgeschnit-tenen ländlichen Gebieten sind zum großen Teil sehr schlecht. Dort sind auch die einheimischen traditionellen Stämme sesshaft, die über 8 Prozent der Bevölkerung stellen und als beson-ders benachteiligt gelten. In diesen oft rechtlosen Räumen sind bewaffnete Maoisten seit Jahrzehnten aktiv, sie tre-ten in mehr als einem Drittel der 626 Bezirke Indiens in Erscheinung. Weite Teile der wirtschaftlich rückständigen Regionen Ost- und Mittelindiens wer-den von Maoisten kontrolliert.Regierungschef Manmohan Singh sieht in den Maoisten die „größte Gefahr für Indiens innere Sicherheit“. In den Jah-ren 2009 und 2010 waren jeweils mehr als 1.100 Zivilisten, Sicherheitskräfte und Rebellen getötet worden, Im ver-gangenen Jahr ist die Zahl der Opfer auf unter 700 gesunken. Die Regierung in Delhi machte dafür ihren „Integrated Action Plan“ verantwortlich, der Inves-titionen in die Infrastruktur der armen Randgebiete, insbesondere im Osten des Landes, finanziert. Hinzu kommen bewaffnete ethnische Konflikte von Nordosten bis in den Sü-den des Subkontinents, Religions-kämpfe und Auseinandersetzungen zwischen den Kasten.

Rechtsstaat und KorruptionIndien rühmt sich damit, ein verlässli-cher Rechtsstaat mit angelsächsischem Rechtssystem zu sein. Doch bei dem Besuch vieler Amtsstuben oder Ge-richte besteht der Eindruck, dass sich in

der juristischen Verwaltung kaum et-was geändert hat. Unsortierte meter-hohe Aktenberge und unzuständige Be-amte prägen das Bild. Das führt dazu, dass Indien eines der teuersten Länder für Rechtsfragen ist, Entscheidungen nach Jahren erst gefällt werden.Weit verbreitet ist Korruption, aber auch Verfahren gegen Korruption. So musste der norwegische Telenor-Kon-zern seine Lizenzrechte für Mobilfunk in Indien zurückgeben, da die Lizenzen nach Zahlung von Bestechungsgeldern erteilt wurden. Jetzt erwägt Telenor eine Klage über 14 Milliarden US-Dol-lar gegen die indische Regierung. Der britische Mobilfunkanbieter Vodafone muss sich mit einer Forderung für eine Steuernachzahlung über 2,5 Milliarden US-Dollar auseinandersetzen.Dem früheren Skoda-Manager Hel-muth Schuster wird vorgeworfen, vom indischen Bundesstaat Andhra Pradesh 2005 als Gegenleistung für die geplante Ansiedlung eines VW-Werks umge-rechnet zwei Millionen Euro erhalten zu haben und sich damit persönlich be-reichert zu haben. Das VW-Projekt wurde daraufhin gestoppt und Volks-wagens Start verzögerte sich um Jahre.Auf der einen Seite ist oft ein jahrelan-ger Vorlauf notwendig, bis in Indien die Geschäfte laufen. Andererseits gibt es manchmal einen abrupten Kurswechsel staatlicher Stellen. Selbst ein Unterneh-men wie Indiens Automobilkonzern Tata Motors konnte seine Produktion des Billigautos Nano nicht wie geplant in einem neuen Werk beginnen, da die zuvor genehmigten Landrechte für un-wirksam erklärt wurden.Doch nicht nur die Millionenzahlun-gen, sondern auch die alltäglichen klei-nen Gefälligkeiten und Bestechungen, ohne die oft in den Behörden wenig läuft, belasten das Geschäftsleben. Ausländische Unternehmen sind dieser Willkür noch stärker ausgeliefert und leiden unter der verbreiteten Korrup-tion und der drückenden Bürokratie.

Patente und RechtsschutzNicht nur bei der Steuerpolitik, auch beim Patentrecht können nicht genau zu definierende „nationale Interessen“ über dem Recht stehen. Die indische Patentbehörde verurteilte den Pharma-konzern Bayer AG das Patent für das Krebsmittel Nexavar an den heimi-schen Generikahersteller Natco Pharma Ltd. weiterzugeben. Das Mittel zur Be-

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handlung von Nieren- und Leberkrebs steht in Indien seit 2008 für Bayer un-ter Patentschutz. Es ist das erste Mal, dass Indien eine derartige Lizenzabtre-tung gerichtlich anordnet.Der Windanlagenbauer Enercon bekam gleich ein Dutzend Patentrechte von indischen Gerichten abgesprochen. Der Geschäftsführer des indischen Tochter-unternehmens Enercon India Ltd. habe zudem das indische Unternehmen völ-lig unter Kontrolle, führe keine Ge-winne ab und handle frei mit dem Mar-kennamen. Nachdem sich Enercon be-reits vor über einem Jahr aus Indien zurückzog, ist der ehemalige Ge-schäftspartner mit der Marke immer noch aktiv, auch im Internet unter www.enerconindia.net.„Bei diesen Fällen sollte man Indien jedoch nicht pauschal und voreilig ver-urteilen. Schaut man sich die Berichter-stattung in indischen Medien an, so ist Enercon für diese Urteile mit verant-wortlich. Es habe sich die Rechte für Indien nicht wie vorgeschrieben si-chern lassen und mit offensichtlich un-zuverlässigen Geschäftspartnern auch unbrauchbare Verträge abschließen las-sen. Hier wird wieder deutlich, wie wichtig gute Vorbereitung, die richti-gen Geschäftspartner, aber auch eine laufende, umfassende Kontrolle der Geschäfte in Indien sind,“ erklärt Kai Bollhorn von der WB Unternehmens-gruppe, Dr. Wamser + Batra GmbH.

Korruption und SteuerdschungelDer britische Mobilfunkriese Vodafone ist Indiens größter ausländischer Inves-tor. Vodafone streitet sich mit indischen Gerichten in einem Verfahrenswert von 2,9 Milliarden US-Dollar um Zahlun-gen von Kapitalertragssteuer für die Übernahme von Hutchison Essar. Nachdem Vodafone vom Obersten Ge-richt recht bekam, planen jetzt die Re-gierungsstellen Transaktionen ausländi-scher Unternehmen mit indischen Tochterfirmen in Indien mit einer Kapi-talertragssteuer zu belegen. Dies rück-wirkend ab 1962. Die Bestimmungen würden dann auch eine Reihe weiterer ausländischer Konzerne treffen.Großbritanniens Finanzminister George Osborne kritisierte die Pläne bei einem Treffen mit seinem indischen Amtskol-legen Pranab Mukherjee „Wir machen uns Sorgen über die vorgeschlagenen Maßnahmen“, sagte Osborne. „Nicht nur wegen der Folgen für Vodafone,

sondern weil wir denken, dass sie das allgemeine Investitionsklima in Indien beeinträchtigen“, so Osborne.In einem Brief vom März 2012 von sie-ben Wirtschaftsverbänden wird vor den negativen Folgen der nachträglichen Besteuerung gewarnt. „Der plötzliche und beispiellose Schritt hat das Ver-trauen in die Politik Indiens untergra-ben“. Die Verbände sehen auch die Rechtstaatlichkeit in Gefahr. Zu den Unterzeichnern gehört der in den USA von Boeing-Chef James McNerney ge-führte Runde Tisch, der britische In-dustrieverband, der japanische Außen-handelsrat und die Organisation der kanadischen Hersteller und Exporteure.

InfrastrukturDie marode Infrastruktur ist ein großes Wachstumshemmnis. Die meisten Ver-kehrswege sind veraltet und hoffnungs-los überfüllt, ein Drittel der Ernte ver-dirbt auf dem Weg vom Bauern zum Geschäft. Ein Lastwagen braucht für 1.500 Kilometer manchmal fünf Tage. Stromausfälle sind alltäglich. Seit Jah-ren kündigt die Regierung umfassende Infrastrukturprojekte an, eine Billion Euro sollen in neue Projekte fließen. Doch die Mittel fließen oft noch in die Taschen von Beamten und Politikern, der Ausbau kommt dem wachsenden Bedarf nicht nach.Darüber hinaus bestehen Know-how-Defizite bei der Projektumsetzung. Der Ausbau der Energieversorgung verläuft daher langsamer als geplant. Die Kapa-zitäten sollten im 11. Fünfjahresplan (2007 bis 2012) ursprünglich um 79 Gigawatt (GW) erhöht werden. Nicht einmal das bereits nach unten korri-gierte Ziel von 62 GW kann nun jedoch realisiert werden. Bislang liegen die Schätzungen bei 52 GW bis Ende März 2012.

Industriewachstum Allein durch die Milliardenbevölke-rung und das anhaltende Wirtschafts-wachstum bestehen in Indien enorme Geschäftschancen. „Ich glaube, dass gerade im Bereich der erneuerbaren Energien eine sehr gute Zusammenar-beit möglich ist“, erklärte Bundeskanz-lerin Merkel in Delhi. So fördert etwa die bundeseigene KfW-Bank im indi-schen Sakri derzeit das größte Photo-voltaik-Solarkraftwerk der Welt. Indien plant sowohl den Ausbau der Photovol-taik als auch effizientere Kohlekraft-

werke, beides mit deutscher Unterstüt-zung.Merkel eröffnete in Indien ein „Deutschlandjahr“ zum 60. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Bezie-hungen, das als Schwerpunktthema ‚StadtRäume – CitySpaces‘ behandelt. „Wir sind auf einem sehr guten Weg“, fasste Merkel die Dynamik der Bezie-hungen zusammen. Insbesondere die Minister für Stadtentwicklung und für Infrastruktur hätten deutlich gemacht, welches enorme Kooperationspotenzial noch zu heben sei. Vom Straßenbau über den Eisenbahnsektor bis zur um-weltfreundlichen Abfallbeseitigung, so die Bundeskanzlerin.Doch bei allen Problemen ist der indi-sche Subkontinent weiter zur Moderni-sierung gezwungen, daher entstehen weiter gute Geschäftsmöglichkeiten für ausländische Unternehmen. Bei einem Engagement vor Ort müssen die Be-sonderheiten, die Geschäftspartner und das Geschäftsumfeld genau analysiert werden. Interessant sind dabei auch Standorte außerhalb der überfüllten, teuren Ballungszentren. „Viele Unter-nehmen blicken beim Aufbau einer Auslandsniederlassung in die Boom-städte, wie Puna oder Bangalore. Doch sind diese nicht nur sehr teuer und überlaufen. Dort gibt es auch große Lo-gistikprobleme und Fachkräftemangel. Auf dem Indischen Subkontinent gibt es noch viele Großstädte, die wenig be-kannt aber besonders für Produktions-betriebe ein guter Standort sein kön-nen,“ sagt Dietrich Kebschull von der Indo German Export Promotion, Gur-gaon.

Links

India Trade Promotion Organisation (ITPO) http://www.indiatradefair.com/

Indian Machine Tool Manufacturers’ Association http://www.imtma.in/

Ministry of Heavy Industries http://www.dhi.nic.in

Industry 2.0, Zeitschrift http://www.industry20.com

The Machinist, Zeitschrift www.machinist360.com

Deutsch-Indische Handelskammer http://indien.ahk.de/en/home

VDMA India http://www.vdmaindia.org/

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Asien als Chance begreifen

Internationalisierung ist mehr als nur Export aus Deutschland heraus. Um in Deutschland weiter Ar-beitsplätze zu schaffen und zu erhalten, müssen auch Arbeitsplätze im Ausland ausgebaut werden“, erklärte VDMA-Präsident Dr. Thomas Lindner anläss-lich des VDMA-Außenwirtschaftstages ASEAN in Of-fenbach. Die deutsche Maschinenbauindustrie be-schäftigt in ihren Auslandstöchtern inzwischen über 300.000 Mitarbeiter. „Ohne solche lokalen Anteile geht es nicht, wenn ein überlebensfähiger Welt-marktanteil gehalten werden soll“, sagte Lindner.

„Unsere Gesellschaft muss Asien begreifen lernen, historisch, gesellschaftlich und interkulturell“, betonte der VDMA-Präsident. „Es gilt Asien als Chance zu be-greifen und nicht als Bedrohung.“ Das gehe nur über Bildung und Weiterbildung. Hier könne die Politik wertvolle Zeichen setzen: In der Schulpolitik, in der Hochschul- und Wissenschaftspolitik, in der Vergabe von Stipendien und bei Forschungsaufträgen.“

„Asien steigt zum gleichrangigen Partner Europas auf, damit müssen unsere Kinder später einmal fertig werden. Asien wird Ansprüche an uns stellen, mit de-nen die nächste Generation kaum angemessen um-gehen kann, wenn sie Asien nicht besser begreifen lernt als heute“, sagte der VDMA-Präsident.

„Wir dürfen nicht diejenigen sein, die auf den Wind der Veränderung mit dem Bau von Schutzhütten reagieren. Lassen Sie uns vielmehr Windmühlen bauen, um die Kraft des asiatischen Windes auch für uns zu nutzen“, so der Appell des VDMA Präsi-denten an die deutschen Maschinenbauer.

Wirtschaftsmacht BRICSBRICS bezeichnen sich die aufstrebenden Wirt-schaftsnationen Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Damit werden die wichtigsten großen Schwellenländer des frühen 21. Jahrhun-derts unter einem Begriff zusammengefasst. Die Gruppe führt regelmäßige Treffen durch und ver-sucht ihre Modernisierungspolitik zu koordinieren.

In den fünf Nationen leben 43 Prozent der Weltbe-völkerung, sie stehen für ein Viertel der Weltwirt-schaft mit stark zunehmender Bedeutung. Bei dem Treffen im März in New Delhi beschlossen die Län-der eine gemeinsame Entwicklungsbank zu grün-den, die Projekte in den BRICS-Staaten und anderen Schwellenländern fördert, die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und von der Weltbank nicht unterstützt werden. „Wir haben die Finanzminister angewiesen, diesen Vorschlag bis zum nächsten Gipfel auf seine Durchführbarkeit zu prüfen“, sagte der indische Premierminister Manmohan Singh.

Zudem vereinbarten die Teilnehmer weitere Handels-erleichterungen innerhalb des BRICS-Verbundes. So wird die Kreditvergabe in Landeswährungen durch die nationalen Entwicklungsbanken vereinfacht. Nach Ansicht von Experten könnte mit dem Abkommen das Handelsvolumen zwischen den fünf Staaten bis zum Jahr 2015 auf rund 500 Milliarden Dollar (375 Milli-arden Euro) mehr als verdoppelt werden.

Wirtschaftliche Eckdaten Indikator 2009/10 1) 2010/11 1) 2) Vergleichsdaten

Deutschland 2010 BIP (nominal, Mrd. Euro) 3)

914,90 1.212,34 2.498

BIP pro Kopf (nominal, Euro)

835,14 1.101,76 30.463

Bevölkerung (Mio.) 1.190,69 4) 1.210,19 5) 82 Wechselkurs (1 Euro = indische Rupien, iR)

67,04 60,27 -

1) Finanzjahr 1.4. bis 31.3; 2) CMIE-Schätzung; 3) zu Faktorkosten; 4)1.3.10; Schätzung, Annahme Com-pound Annual Growth Rate (CAGR): 1,638 % (2001;2011); 5) 1.3.11

Quellen: Centre for Monitoring Indian Economy (CMIE), November 2011; Census 2011, Office of The Registrar General & Census Commissioner; http://www.oanda.com; gtai.

Wirtschaftlicher Ausblick (reale Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %)2009/10 1) 2010/11 1) 2011/12 1) 2012/13 1)

BIP 2) 8,4 8,4 6,9 3) 7,6 3) Einfuhr 4) -5,0 28,2 29,4 5) 10,5 6) Bruttoanlageinvestitionen 6,8 7,5 5,6 3) 8,7 6) Privater Verbrauch 7,2 8,1 6,5 3) 7,3 6)

1) Finanzjahr 1.4. bis 31.3.; 2) zu Faktorkosten; 3) Schätzung/Prognose Economic Survey; 4) nominal US$-Basis; 5) April 2011 bis Januar 2012; 6) CMIE-Prognose

Quellen: Economic Survey 2011/12, Government of India; Centre for Monitoring Indian Economy (CMIE), März 2012 laut gtai.

Schlüsselindikatoren Wirtschaftslage Indikator 2009/10 1) 2010/11 1) 2011/12 1) BIP 2) (nominal, Bill. iR) 64,6 76,7 89,1 BIP 2)(nominal, Mrd. US$) 1.352,5 1.682,3 1.851,6 BIP je Einwohner 2)3) (iR) 46.117 53.331 60.972 BIP je Einwohner 2)3) (US$) 966 1.169 1.267 Wirtschaftswachstum 2)3) (%, real) 8,4 8,4 6,9 Wachstum der Industrieproduktion (Index, %)

5,3 8,2 3,6 4)

Inflationsrate 5) (%) 12,4 10,4 8,4 6) Wareneinfuhr 7) -5,0 28,2 29,4 6) Warenausfuhr 7) -3,5 40,5 23,5 6) Leistungsbilanzsaldo (in % des BIP) -2,8 -2,7 -3,6 8) Devisenreserven (Mrd. US$, jew. Ende März)

279,1 304,8 292,8 9)

Haushaltsdefizit 2) (in % des BIP) 6,7 4,9 5,9 Durchschnittlicher Wechselkurs (iR/US$)

47,4 45,6 48,1

Durchschnittlicher Wechselkurs (iR/Euro)

67,5 60,3 66,2

1) Finanzjahr 1.4. bis 31.3, (iR = indische Rupie); 2) 2011/12 Schätzung; 3) zu Faktorkosten; 4) April bis Dezember 2011; 5) Konsumentenpreisindex Industriearbeiter; 6) April 2011 bis Januar 2012; 7) nominal US$-Basis; 8) April bis September 2011; 9) Ende Januar 2012

Quellen: Economic Survey 2011/12, Government of India; Union Budget; gtai-Berechnungen, März 2012.

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