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Informationsaustausch mit der Universitätsbibliothek Breslau im Rahmen der
Universitätspartnerschaft vom 20. bis 24. Juni 2016
Dr. Angela Holzer
Schwerpunkt des Aufenthalts bildeten die Themen Versorgung mit E-Ressourcen,
Zeitschriftenversorgung, elektronisches Publizieren, digitale Bibliothek und Open Access
sowie insgesamt die Organisationsstruktur. Auch der Bereich Forschungsdaten war für mich
von Interesse.
Aula Leopoldina
Die Universität wurde 1701 gegründet. Das Hauptgebäude der Universität gehört zu den
schönsten in Europa, mit der prunkvollen spätbarocken Aula Leopoldina als
Versammlungsraum. Neben der Universitätsbibliothek besteht das Bibliothekssystem der
Universität Breslau noch aus 36 Fachbereichsbibliotheken. Die Universitätsbibliothek hat
momentan vier Standorte. Zwei befinden sich in der Karola-Szajnochy-Straße - 7/9 (u.a.
Wissenschaftliche Information und Benutzung) und 10 -, einer auf der Sandinsel (ehemaliges
Augustinerchorherrenstift, Sondersammlungen) und daneben gibt es den Neubau in der Joliot-
Curie-Straße.
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Neubau der Bibliothek in der Joliot-Curie-Straße
sowie Lese- und Recherchesaal der Abteilung für
Wissenschaftliche Information
Nach über vierzehn Jahren Planung des Neubaus wurde er nun fertiggestellt und die
Abteilungen aus den alten Bibliotheksgebäuden stehen kurz vor dem Umzug (der jedoch auch
schon vor Jahren kurz bevorstand, s. Bericht von Frau Hennig 2012), daher war die
Arbeitsbelastung der Kolleginnen und Kollegen hoch. Umso dankbarer bin ich, dass der
Aufenthalt realisiert werden konnte. Der Zeitschriftenlesesaal ist dort bereits in Betrieb und
voll funktionsfähig. Auch die anderen Lesesäle sind bereits großteils eingerichtet, allerdings
fehlt noch der Bestand. Die Regale für das Freihandmagazin sind bereits aufgestellt. Zudem
arbeiten die Kolleginnen in der Zeitschriftenabteilung sowie ein Teil der Abteilung für
Wissenschaftliche Information bereits dort. Während meines Aufenthalts fand eine
Planungssitzung statt und es wurde die Reihenfolge des Umzugs der einzelnen Abteilungen
festgelegt. Ein Hindernis besteht wohl noch in der Tatsache, dass sich keine geeigneten
Transportunternehmen auf die Ausschreibung beworben haben. Für ein altes Gebäude, das
Wallenberg-Pachaly-Palais (Karola-Szajnochy-Straße 10) wurde bereits ein Käufer gefunden.
Es stammte aus dem Besitz der schlesischen Adelsfamilie von Wallenberg-Pachaly und wird
von der Stiftung Wallenberg gekauft.
Palais Wallenberg-Pachaly
Karola-Szajnochy 10
Bibliotheksgebäude in der Karola-Szajnochy 7/9
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Für das ursprünglich als Bibliothek gebaute, unter Denkmalschutz stehende Hauptgebäude in
der Karola-Szajnochy-Strasse 7/9 hat sich wohl noch kein Käufer gemeldet. Der Standort
Sandinsel wird zukünftig von der Philologischen Fakultät der Universität genutzt,
insbesondere auch von der Judaistik, die sehr auf die baldige – und nötige – Renovierung
drängt.
Versorgung mit E-Ressourcen
Die Versorgung der Universitätsbibliothek mit E-Ressourcen wird vornehmlich von der
Abteilung für Wissenschaftliche Information (in Absprache mit der Zeitschriftenabteilung, die
allerdings auf Druck fokussiert ist) vorgenommen. Dabei handelt es sich um E-Periodika
(Zeitschriftenpakete), E-Bücher und Datenbanken. Die Abteilung ist mit der Implementierung
von Katalogen sowie mit der Verwaltung des Zugangs zu den Inhalten befasst. Sie hat selbst
kein Budget für E-Ressourcen. Ein Großteil der Pakete und Datenbanken wird zu 100% vom
polnischen Wissenschaftsministerium finanziert (das ich im Rahmen meiner Tätigkeit für die
DFG 2012 zum Thema Open Access beraten konnte). Bei den Zeitschriften handelt es sich
dabei um die Titel von Springer, Nature, Wiley und Elsevier, sowie um E-Books von Wiley
und Ebsco-Datenbanken, Web of Science und SCOPUS. Fachspezifische Zeitschriftenpakete
werden zu 50% von den Fächern und zu weiteren 50% vom Ministerium über ein nationales
fachliches Konsortium finanziert (IOP, RSC, ASC). JSTOR (alle Kollektionen) befindet sich
bis Ende Juli 2016 im Testzugang. Nachfragen nach Dublettenchecks und einer
Aussonderung von Druckzeitschriften bzw. einer E-Only- oder Archivierungsstrategie
konnten leider nicht beantwortet werden. E-Books werden zudem vom nationalen Verlag
(IBUK) in Paketen bezogen. Die Konsortialstelle ist die WBN (Wirtualna Biblioteka Nauki).
Zudem werden Literaturverwaltungsprogramme lizenziert. Magdalena Sołowiej, die bereits
am Austausch mit der UB Bochum teilgenommen hat, erläuterte diese Tatbestände. Die
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Abteilung Wissenschaftliche Information pflegt in diesem Kontext die Liste der Titel, die in
den Paketen enthalten sind, hat aber selbst keinen Einfluss auf deren Zusammensetzung.
Zudem wird der Zugang zu Open Access-Titeln über das DOAJ ermöglicht. Eine weitere
Aufgabe der Abteilung besteht insgesamt in der Pflege der Webseiten der Bibliothek, z.B.
auch in der Verwaltung des Adressbuches. Dazu wird die Software Drupal verwendet.
Die Abteilung übernimmt auch Aufgaben der Recherche und Auskunft für Nutzer und führt
Schulungen zur Benutzung der Bibliothek, Schulungen für Bibliothekare und für Studenten
der Bibliothekswissenschaft durch. Besonders interessant war in diesem Kontext die Moodle-
Seite der Bibliothek, die von Łukasz Jodłowski gepflegt wird. Hier werden
Schulungsmaterialien der UB, Informationen über die Nutzung sowie über Open Access
eingestellt. Die UB hat eine eigene IT-Abteilung, es gibt keine übergeordnete IT-
Zuständigkeit für die Universität. Jede Fakultät hat eigene IT-Spezialisten und kann daher
ggf. auch eigene Software einführen. Die UB nutzt Moodle wegen der Kostenfreiheit.
Merkwürdig war bei der Erläuterung der Nutzungsbedingungen, dass die UB das Kopieren
von Printbüchern nur im Umfang von max. 30 Seiten erlaubt (nicht das Ausdrucken von E-
Books!). Hier gibt es anscheinend von UB zu UB abweichende Regelungen (ohne dass die
rechtliche Grundlage bekannt ist, die eigentlich keine Einschränkung enthalten dürfte). Sehr
fortschrittlich erscheint der Bereich Educational Resources, wo 195 verschiedene Titel
(Vorlesungen, Lehrbücher usw.) als Auszug aus dem Repositorium online verfügbar gemacht
werden (http://www.bibliotekacyfrowa.pl/dlibra/collectiondescription?dirids=14).
Kataloge
Als Navigationsinstrumente werden an der UB eine Vielzahl von Katalogen und Datenbanken
unterhalten, die z.T. Eigenentwicklungen sind. Der OPAC wird auf dem System VIRTUA der
amerikanischen Firma VTLN betrieben, die Konkurs angemeldet hat. Daher wird eine
Migration zukünftig unausweichlich. Neben dem OPAC wird seit längerem auch Summon als
Discovery Service eingesetzt. Zudem wird ein elektronischer Katalog der Zeitschriften in den
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Fachbereichsbibliotheken geführt, der aber nur rudimentäre Information enthält. Weiterhin
gibt es Kataloge für die Spezialsammlungen (Manuskripte, Karten, Musikalien,
Untergrundzeitschriften aus der kommunistischen Periode, Alte Drucke auf Mikrofilm,
Normen, Schlesisch-Lausitzische Sammlung). Darüber hinaus wird NUKAT als nationaler
Verbundnachweis genutzt (Wissenschaftliche Bibliotheken ohne Warschauer
Nationalbibliothek). NUKAT wird von der UB der Warschauer Universität betrieben. Letztlich
gibt es den Verbundkatalog KARO, der nicht nur die Bestände von wissenschaftlichen, sondern
auch von anderen Bibliotheken in Polen enthält (Akademien, ÖBs, Institutsbibliotheken).
Neben den elektronischen Katalogen werden auch noch Zettelkataloge gepflegt, wobei die
preussischen Kataloge eine besonders wichtige Ressource darstellen. Der alphabetische
Zettelkatalog (ab 1801) wurde bereits digitalisiert. Auch in der digitalen Version des
Zettelkatalogs werden Änderungen am Bestand nachgearbeitet. Der analoge Sachkatalog
wurde leider noch nicht digitalisiert, dazu fehlt es noch an einem Konzept für die Abbildung
der teils handschriftlichen Querverweise, die auch nicht über OCR erkannt werden. Der
preussische Bandkatalog wurde ebenfalls digitalisiert. Zudem wird noch ein zentraler
Zettelkatalog für die Zeitschriftenbestände der Fachbibliotheken geführt, in dem
Änderungsmeldungen nachgezogen werden.
Alphabetischer Zettelkatalog
Hochschulbibliographien
Eine weitere Aufgabe der Abteilung Wissenschaftliche Information ist die Erstellung und
Pflege von Bibliographien, darunter das Verzeichnis der Veröffentlichungen von
Wissenschaftlern der Uni Breslau sowie das Verzeichnis von Veröffentlichungen über die Uni
Breslau, wozu täglich Druckzeitungen händisch ausgewertet werden.
Das Verzeichnis von Veröffentlichungen der Universitätsangehörigen wird technisch über ein
monolithisches Datenbanksystem realisiert, das Publikationsdaten enthält, aber keine
Verbindung zu Volltextpublikationen des Repositoriums (s. unter digitale Publikationen).
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Dabei sind die Erfassungsdaten für die einzelnen Fakultäten uneinheitlich. Da die
Mittelverteilung von der Erfassung der Publikationen abhängt, gibt es keine Hindernisse bei
der Meldung die Publikationen, die über fakultätsinterne Koordinatoren an die UB erfolgt.
Inzwischen wurden auch einige bibliometrische Auswertungsmöglichkeiten geschaffen, die
insbesondere für das stark formalisierte Berichtswesen an das Wissenschaftsministerium
dienen. Moderne Technologien (OLD, Schnittstellen) und Datennormierung (IDs,
Normdaten) werden noch nicht eingesetzt.
Digitale Bibliothek
Die Universitätsbibliothek Breslau betreibt eine eigene dLibra-Instanz für ihre digitale
Bibliothek, deren Daten auch an die digitale Verbundbibliothek polnischer Sammlungen
(ohne Nationalbibliothek Warschau) fbc geliefert werden. In der digitalen Bibliothek befinden
sich momentan über 65.000 Objekte. Dabei wird den besonders schutzbedürftigen Materialien
bei der Digitalisierung Priorität eingeräumt:
Digital Library of Wroclaw University
Die digitale Präsentation von Beständen verschiedener Einrichtungen in Polen (ggf.
vergleichbar mit der DDB in Deutschland) verzeichnet auf der Plattform fbc über 2, 7 Mio.
Objekte und wird auf höchstem Niveau vom Supercomputerzentrum in Posen betrieben, das
auch Dienstleister und Kooperationspartner für die Europeana ist. Hier wird bereits der
Standard IIIF für Bilddigitalisate angewandt sowie open linked data verfolgt. Die Objekte
sind auch in virtuellen Ausstellungen gruppiert: fbc
Leider liefert die UB Breslau keine Daten an die Niederschlesische digitale Bibliothek:
http://www.dbc.wroc.pl/dlibra und auch nicht an die Schlesische digitale Bibliothek:
http://www.sbc.org.pl/dlibra?action=ChangeLanguageAction&language=de
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Da auch nicht alle polnischen Bibliotheken in der fbc repräsentiert sind, wird man eine
vollständige Sammlung von Digitalisaten aus polnischen Einrichtungen nur über die
Europeana erreichen.
Publikationsdienstleistungen
Als weitere Dienstleistung für die Universität betreibt die Universitätsbibliothek ein
Repositorium, das ebenfalls auf der Basis von dLibra funktioniert und den Volltextzugang zu
Artikeln und Büchern von Fakultätsmitgliedern ermöglicht. Insgesamt befinden sich erst 1312
Objekte in dem nach Fakultäten und Formaten durchsuchbaren Instrument, das leider auch
nicht mit der Hochschulbibliographie verknüpft ist. Die Bibliothek berät die
Veröffentlichenden zu Fragen des Urheberrechts, ist aber auf die Meldung von Titeln durch
die fakultätsinternen Koordinatoren angewiesen, die auch die Titel eingeben. Insbesondere
finden sich hier auch Titel des nationalen Wissenschaftsverlags (IBUK) und eigene
Publikationen der Universität, wobei diese z.T. nicht vollumfänglich zugänglich sind.
Auch einige Fakultäten geben selbst OA-Zeitschriften heraus, z.B. die Fakultät für Jura,
Wirtschaft und Verwaltung, wo ich über den Einreichungs-, Begutachtungs- und
Beratungsprozess mit der Herausgeberin sprechen konnte.
Die Abteilung Wissenschaftliche Information ist z.T. bereits in das neue Gebäude
umgezogen. Dort wird ein Lesesaal für die Recherche zur Verfügung stehen und die
umfängliche Beratung von Nutzern möglich werden. Momentan sind im alten Gebäude nur
drei Computer für die Recherche vorhanden, die aber auch selten frequentiert werden.
Insgesamt wird der wunderschöne Lesesaal des alten Gebäudes technisch nicht mehr den
Anforderungen gerecht, es fehlen z.B. Steckdosen für eigene Laptops der Nutzer.
Entsprechend gering ist auch seine Nutzung. All das wird sich sicher mit dem Umzug
grundlegend verändern, da das neue Bibliotheksgebäude auch weitreichende
Aufenthaltszonen und sogar einen Restaurantbetrieb vorsieht.
Sitzbank vor dem Neubau
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Abteilung für Periodika
Während des Besuches im neuen Gebäudes konnte ich die Arbeitsräume der Kollegen sehen
sowie das kleine Magazin der Ephemera, die dort aufwendig von einer Kollegin erschlossen
werden. Die Regale für das Freihandmagazin sind auch bereits aufgestellt.
Neben der Direktion befindet sich auch die Abteilung für die Erschließung der Periodika
bereits komplett im neuen Gebäude, wo auch einige hundert Zeitschriften in der Auslage zu
finden sind. Dort erläuterte mir die Abteilungsleiterin Ewa Grabarska die Aufgaben der neun
Personen umfassenden Abteilung. Die Universitätsbibliothek Breslau profitiert nach wie vor
vom Pflichtexemplarrecht. Daher werden polnische Periodika und Zeitungen nicht käuflich
erworben, wobei die wichtigen Tageszeitungen doch zusätzlich abonniert werden, um ihre
rechtzeitige Verfügbarkeit zu gewährleisten. Die Aufgaben der Abteilung bestehen vor allem
in der Erschließung und Inventarisierung der Printzeitschriften, sowie in der jährlichen
Ausschreibung der zusätzlich zu den Pflichtexemplaren gewünschten (ausländischen) Titel
und der Koordination der Wünsche aus den Fachbibliotheken. Für die Inventarisierung wird
ein hauseigenes Erwerbungssystem genutzt. Zudem werden die Finanzierungsanteile der
Fachbibliotheken errechnet und in jährlichen Übersichten an die Finanzverwaltung der
Universität (Kwestura) gesendet.
Sondersammlungen auf der Sandinsel
Im ehemaligen Augustinerchorherrenstift auf der Sandinsel konnte ich die bedeutende
Kartensammlung, die Restaurierungswerkstatt, die Reproduktionswerkstatt und die
Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek besuchen.
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Rück- und Vorderansicht des Augustinerchorherrenstifts, noch Sitz der Sondersammlungen
Viel Altbestand ist nicht zuletzt durch die Integration des Bestandes einiger
Klosterbibliotheken sowie der Stadtbibliothek Breslau, die auf dem Grundstock der
frühneuzeitlichen Sammlung Rehdiger, einem wichtigen Breslauer Patrizier, entstand, in die
Universitätsbibliothek gekommen. Zudem wurden nach dem Zweiten Weltkrieg viele der in
Schlesien aufgefundenen Buchbestände in die Breslauer Bibliothek gebracht. Die
Aufarbeitung der Kriegsschäden stellt einen Hauptaspekt der Arbeit der
Restaurierungswerkstatt dar, deren kompetente und engagierte Leiterin Katarzyna Łabuz mir
schwer beschädigte alte Drucke aus Auslagerungen zeigte, die jetzt erst identifiziert werden
konnten. Zudem durfte ich neben Einblicken in die Werkstatt und die Techniken auch ein
Exemplar der Thesen von Luther aus dem Entstehungsjahr 1517 sehen. Zwei Drucke des
Originaltexts sind erhalten, leider nicht in Wittenberg. Das Breslauer Exemplar wird zum
Lutherjubiläum dorthin verliehen. Ebenfalls in Bearbeitung befand sich ein Originaldruck des
Hamlet von 1605.
In der Reproduktionswerkstatt hat mich insbesondere die technische Versiertheit und
Kreativität der Mitarbeiter beeindruckt. Zwar ist die Werkstatt mit hochwertigen A2-, A1-
und A0-Scannern sowie mit einem Grazer Buchtisch ausgestattet, die über ein Projekt der
Europäischen Union finanziert worden sind, doch werden sie wenig genutzt. Das auch
deshalb, weil sich die Einsicht bei den Kolleginnen und Kollegen durchgesetzt hat, dass die
Qualität der Scans nicht die Qualität von Aufnahmen mit einer Digitalkamera erreicht. Es
wurde daher ein verschiebbarer Buchtisch mit einem Ansaugemechanismus in Eigenregie
konstruiert, mit dem man gute digitale Aufnahmen machen kann. Die Digitalisate werden mit
dLibra bearbeitet und an fbc geliefert, unter der Beachtung des IIIF (s.o.).
Aus dem reichen Handschriftenbestand durfte ich das älteste vorhandene Exemplar sehen, das
aus Fragmenten einer Chronik des Eusebius aus dem 9. Jahrhundert besteht, die aus einem
späteren Bucheinband herausgelöst werden konnten. Weitere Zimelien waren eine
französische Bibel, ein karolingisches Herbarium, ein Beuteleinband sowie eine arabische
Handschrift mit reichen Illuminationen und Dekorminiaturen.
Die bedeutenden Karten wurden schon in früheren Berichten (von Frau Ramisch und Frau
Hennig) erwähnt, auch ich war beeindruckt von der anti-päpstlichen Landkarte von 1566
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(Mappe Monde Nouvelle Papistique), die nur in vier Exemplaren weltweit existiert und
ungesichert – mit einem leichten Leintuch überdeckt – an der Wand des Büros von Dariusz
Przybytek hängt, dem Leiter der Abteilung. Allein die Restaurierung der Karte hat acht
Personen für fünf Jahre voll in Beschlag genommen (der Bericht über die Restaurierung findet
sich hier: http://www.bibliotekacyfrowa.pl/dlibra/doccontent?id=22291). Auch das kleine
Kartenmagazin wirkt sehr provisorisch, es ist dringend geboten, dass die Materialien
konservatorisch besser untergebracht werden. Zahlreiche wichtige Exemplare sind auch
bereits in der digitalen Bibliothek zugänglich
(http://www.bibliotekacyfrowa.pl/dlibra/collectiondescription?dirids=24). Leider sind die
Suchmöglichkeiten jedoch nicht optimal auf Karten ausgerichtet, über fbc funktionieren die
semantischen Suchen und die Facettierungen wesentlich besser.
Alte Stadtkarte aus dem Bestand der UB, in der Reproduktion eines Antiquars
Bibliothek der Politechnika
Sehr aufschlussreich und interessant war auch der Besuch der Bibliothek der TU Breslau
(Politechnika Wroclawska). Die TU wurde 1910 gegründet und vom deutschen Kaiser
Wilhelm II. eröffnet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Betrieb recht bald wieder
aufgenommen, mit einem völlig ausgetauschten Lehrkörper, von dem ein Großteil nun aus
Lemberg stammte. Inzwischen werden in 12 Fakultäten über 33.000 Studenten unterrichtet.
Die Spezialisierung liegt auf den ingenieur- und naturwissenschaftlichen Fächern.
Das Bibliothekssystem besteht aus 20 Fachbibliotheken und dem 2014 neu eröffneten
Zentrum für wissenschaftliche und technische Information, das ich besuchen durfte
(http://centrum.pwr.edu.pl/). Es ist direkt dem Prorektoren für Forschung unterstellt. Das
Gebäude beherbergt 400 mit Computern ausgestattete Arbeitsplätze, große und kleine
Konferenzräumen mit hochwertiger technologischer Ausstattung (für Videoaufnahmen usw.),
die Koordinationsstelle für Open Access, eine Anlaufstelle für Wissenschaftstransfer und
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Patentanmeldung sowie einer Auskunft. Zudem gibt es eine Digitalisierungswerkstatt, die alte
deutsche Zeitschriften aus den Beständen für die niederschlesische digitale Bibliothek
digitalisiert. Es gibt trotz der eingebauten Bücherregale keine Druckbestände im gesamten
Gebäude, das ausschließlich der Versorgung mit E-Ressourcen gewidmet ist.
Zentrum für wissenschaftliche und technologische
Information der TU Breslau
Nach einem sehr informativen Rundgang durch das vornehmlich von der EU finanzierten
Gebäude traf ich den Erwerbungsleiter Krzysztof Moskwa, der mir sowohl die
Organisationsstruktur als auch die Erwerbungspolitik erläuterte.
Die Organisation des Bibliothekssystems ist unterteilt in drei Zweige. Neben der
traditionellen Bibliothek und der elektronischen Bibliothek gibt es das Zentrum für
Wissenschaft und wirtschaftliche Kooperation. Nebenher laufen noch Forschungslaboratorien,
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die von der TU ausgehen, z.T. aber auch bibliothekarisch relevante Entwicklungen und
Anwendungen hervorbringen (z.B. Laboratory of e-learning Technologies, Digitization
Technologies, Multimedia Laboratory). Die Bibliothek ist frei zugänglich, d.h. die digitalen
Ressourcen können auch von Nicht-Universitätsangehörigen genutzt werden. Als
Recherchekatalog ist momentan EDS implementiert, allerdings wird bis Ende des Jahres auch
Alma als integriertes System getestet, womit ein Umstieg auf Primo einherginge, den man
wahrscheinlich vornehmen wird. Als Bibliothekssystem ist momentan Aleph 500
implementiert.
Insgesamt besteht der Bestand aus 500.000 Printvolumina, 260.000 Ebooks, 3.278
Zeitschriftentiteln im Druck (214.000 Volumina) und 69.000 E-Zeitschriftentiteln (inkl. OA-
Titel). Dazu werden 93 Datenbanken lizenziert. Pro Jahr werden ca. 40 Verträge für E-
Ressourcen geschlossen. Dazu kommen noch die Nationallizenzen, die vom Ministerium
finanziert werden (s.o.), sowie die fachlichen Konsortien. 90% der Mittel für Zeitschriften
werden für E-Zeitschriften verausgabt, bei den Büchern halten sich Print und E-Books die
Waage. Die Titel werden von den Lehrenden, Studierenden und den Fachspezialisten in den
Bereichsbibliotheken vorgeschlagen, aber die Erwerbung wird zentral vorgenommen. Der
Rektor der TU unterstützt explizit eine E-Only-Policy, z.T. werden aber Titel im Druck
gewünscht, die dann aus den Etats der Fächer zusätzlich angeschafft werden müssen. In den
letzten 10 Jahren hat sich der Bestand an E-Büchern verhundertfacht, die Drucktitel sind
enorm reduziert worden. Es werden sowohl die E-Book-Pakete von Elsevier, als auch von
Springer und Wiley eingekauft, mit 100%iger Finanzierung durch das
Wissenschaftsministerium. Die Finanzplanung wird jährlich direkt mit dem Forschungsrektor
vorgenommen. Das Berichtswesen für das Ministerium ist sehr detailliert, weshalb auch gute
Auswertungen, z.B. über die Nutzung und die Publikationen von Uniangehörigen vorliegen.
Es werden auch alle Open-Access-Publikationen der Fakultäten im Repositorium verzeichnet
und in einer Forschungsdatenbank erfasst, leider aber noch ohne konkrete APC-Kosten. Eine
genaue Historie der Konsortien kann bei Bedarf bei mir eingesehen bzw. kopiert werden.
Neben dem interessanten bibliothekarischen Informationsaustausch konnte ich einen sehr
guten Einblick in die Stadtgeschichte gewinnen, nicht zuletzt auch aufgrund des
gastfreundlichen Engagements und der Übersetzungen von Arkadiusz Cencora, der mir reiche
Einblicke auch in weniger zugängliche Stätten und deren Geschichte ermöglichte. Auf langen
Spaziergängen sah ich nebst anderem das Ursulinenkloster mit dem Grabmal der Piasten, die
Markthalle, die Synagoge, zahlreiche Kirchen, u.a. die Elisabethkirche, die griechisch-
orthodoxe und die Franziskanerkirche, das renovierte und gut bestückte Stadtmuseum
(ehemaliges Palais Späthgen und Residenz der preussischen Könige), das Ossolineum, die
städtische Mediathek, die Oper, das Puppentheater sowie sehr gute Cafés und Restaurants.
Insbesondere die Pracht der frühneuzeitlichen Tradition, aber auch die wunderbaren
Überbleibsel der Jugendstilarchitektur haben mich sehr beeindruckt.
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Mediathek der Stadtbibliothek Breslau
Den Kolleginnen und Kollegen in Breslau, allen voran Herrn Piotr Rossa, der das Programm
organisierte und begleitete, sowie Herrn Arkadiusz Cencora und den weiteren
Gesprächspartnern bin ich zu tiefem Dank verpflichtet.
Mein Dank geht auch an Frau Dr. Lapp und die Ruhr-Universität Bochum für die
Ermöglichung des außerordentlich wertvollen Austausches.