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Innovationspolitik und IKT-Expansion in Deutschland und der EU
Prof. Dr. Andre Jungmittag
FB 3: Wirtschaft und Recht
FH Frankfurt am Main
Prof. Dr. Andre JungmittagFH Frankfurt am Main
Relevante Teilaspekte
1. Wie hat sich in der Vergangenheit auf aggregierter Ebene die Innovationsdynamik in den EU-Ländern entwickelt? Insbesondere interessiert hierbei die Frage, ob es innerhalb der EU im Zeitablauf zu einer Angleichung (Konvergenz) oder Divergenz der nationalen Innovationsfähigkeiten kommt.
2. Hat die IKT-Expansion zu einem neuen „techno-ökonomischen Paradigma“ und damit auch zu einem neuen Typ von Wirtschaft geführt?
3. Welche wirtschaftspolitischen Implikationen ergeben sich aus den empirischen Befunden?
Prof. Dr. Andre JungmittagFH Frankfurt am Main
Nationale Innovationsfähigkeit - Definition
Potential einer Volkswirtschaft, das es ermöglicht, einen Strom von kommerziell relevanten Innovationen zu produzieren.
Dabei besteht zwar ein Zusammenhang zwischen der Innovationsfähigkeit und dem nichtkommerziellen wissenschaftlichen und technischen Fortschritt, aber die beiden unterscheiden sich dadurch, dass letzterer nicht notwendigerweise eine ökonomische Anwendung einschließt.
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Nationale Innovationsfähigkeit - Einflussfaktoren
1. Allgemeine Innovationsinfrastruktur: FuE-basierte Modelle der „neuen“ Wachstumstheorie
[Ideenproduktionsfunktion]; Konzept der nationalen Innovationssysteme.
2. Technologische und wirtschaftliche Spezialisierung.
3. Qualität der Verbindung zwischen der allgemeinen Innovationsinfrastruktur und den Wirtschaftszweigen, die in dem jeweiligen Land ein besonderes Gewicht haben.
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Nationale Innovationsfähigkeit - Messkonzept
Patente sind eine rechtliche Konstruktion,
Patente haben eine Informationsfunktion,
Patente besitzen Output-Charakter.
Die letzte Eigenschaft wird für empirische Analysen ausgenutzt: Patente sind ein mit dem gesamten Innovationsoutput hoch korrelierender Innovationsoutputindikator.
Prof. Dr. Andre JungmittagFH Frankfurt am Main
Langfristige Trends des Innovationsoutputs I
0
50
100
150
200
250
1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998 2003 2008
Finnland
Schweden
Deutschland
0
20
40
60
80
100
120
1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998 2003 2008
NiederlandeDänemarkÖsterreichGroßbritannienFrankreichLuxemburgBelgien
Prof. Dr. Andre JungmittagFH Frankfurt am Main
Langfristige Trends des Innovationsoutputs II
0
2
4
6
8
1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998 2003 2008
Spanien
Griechenland
Portugal
0
10
20
30
40
50
1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998 2003 2008
Irland
Italien
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Langfristige Trends des Innovationsoutputs III
SEDE
UK
NL
FRLU
DKAT
BE
IT
FI
ESGR
IE
PT
0
2
4
6
8
10
12
14
16
0 2 4 6 8 10 12 14 16
Rang 1963
Ran
g 2
008
rRang = 0,714
Prof. Dr. Andre JungmittagFH Frankfurt am Main
Konvergenz oder Divergenz der nationalen Innovationsfähigkeiten I
y = -0,0067x + 0,9749
R2 = 0,801
0,6
0,65
0,7
0,75
0,8
0,85
0,9
0,95
1
1,05
1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998 2003 2008
Var
iati
on
sko
effi
zien
t
Test auf σ-Konvergenz bei den nationalen Innovationsfähigkeiten
Prof. Dr. Andre JungmittagFH Frankfurt am Main
Konvergenz oder Divergenz der nationalen Innovationsfähigkeiten II
ATBEDK
FI
FR
DEGR
IE
IT LUNLPT
ES
SEUK
y = -0,6519x + 4,7235
R2 = 0,2268
0
2
4
6
8
10
-2 -1 0 1 2 3 4 5
ln(Patente 1963)
Wac
hst
um
196
3-20
08
Test auf β-Konvergenz bei den nationalen Innovationsfähigkeiten
Prof. Dr. Andre JungmittagFH Frankfurt am Main
Konvergenz oder Divergenz der nationalen Innovationsfähigkeiten III
Test auf β-Konvergenz bei den nationalen Innovationsfähigkeiten (ohne Ausreißer)
ATBE DK
FRDE
IT
LU NL
SE
UK
y = -0,937x + 5,3147
R2 = 0,5319
0
1
2
3
4
1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5
ln(Patente 1963)
Wac
hst
um
196
3-20
08
Prof. Dr. Andre JungmittagFH Frankfurt am Main
Konvergenz oder Divergenz der nationalen Innovationsfähigkeiten: Weitere Befunde I
Wenn die drei südeuropäischen Länder aus der Stichprobe entfernt werden, kann im Regelfall auf eine β-Konvergenz geschlossen werden, allerdings sind die sich ergebenen Konvergenzgeschwindigkeiten, die um 2 % liegen, sehr gering.
Ein Blick auf die Trendwachstumsraten zeigt, dass nicht alle Länder an einem Aufholprozess gegenüber den 1963 führenden Länder teilnehmen.
Im Falle Deutschlands und der Niederlande bzw. Schwedens sind die geringen Wachstumsdifferenzen gegenüber dem 1963 jeweils führenden Land sicher nicht problematisch, weil diese Länder im betrachteten Zeitraum insgesamt sehr innovativ sind und sich beinahe gleichauf mit dem jeweils führenden Land bewegen.
Hingegen gelingt es Griechenland und Portugal nicht, ihr sehr niedriges Niveau zu verlassen und die anfänglich recht starke Position Großbritanniens wird durch Rückfallprozesse in allen Technikbereichen erodiert.
Prof. Dr. Andre JungmittagFH Frankfurt am Main
Konvergenz oder Divergenz der nationalen Innovationsfähigkeiten: Weitere Befunde II Die Ergebnisse der Zeitreihen- und der Paneldatentests zeigen zunächst
einmal, dass es sowohl für die gesamte Technik als auch für die einzelnen Technikbereiche innerhalb der EU konvergierende Entwicklungen gibt.
Allerdings ergibt eine genauere Inspektion der einzelnen Ergebnisse, dass das Konvergenzverhalten der einzelnen EU-Länder und auch das Konvergenzverhalten in den einzelnen Technikbereichen recht unterschiedlich ist. Eine absolute Konvergenz ist dabei die Ausnahme.
Wenn eine Konvergenz vorliegt, so handelt es sich in den meisten Fällen um eine bedingte Konvergenz zu einem vom Mittelwert oder vom 1963 führenden Land abweichenden Niveauwert oder um eine Konvergenz zu einem individuellen Wachstumspfad.
Eine solche bedingte Konvergenz der Innovationstätigkeit dürfte ein wesentliches Hemmnis für das Erreichen einer absoluten Konvergenz der Pro-Kopf-Einkommen oder Arbeitsproduktivitäten innerhalb der EU sein und das Vorliegen einer Nichtkonvergenz oder auch einer Konvergenz zu einem eigenen Wachstumspfad dürfte selbst einer bedingten Konvergenz im Wege stehen.
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Von der Innovations- zur Wachstumsdynamik:
Die positiven Auswirkungen des technischen Fortschritts und von Innovationen auf das Wirtschaftswachstum sind heute zwar allgemein anerkannt, aber die Mechanismen, die Innovationen in breit wirkende ökonomische Effekte übersetzen, sind zumindest teilweise noch unbekannt.
Neben der allgemeinen Innovationsfähigkeit dürfte die technologische Spezialisierung eines Landes seine ökonomische Leistungsfähigkeit ebenfalls beeinflussen. Basierend auf der neuen Wachstumstheorie können dabei zwei Arten von Spezialisierung unterschieden werden: Smithianische Spezialisierung und Ricardianische Spezialisierung.
Zudem können technologisch zurückliegende Länder durch die Imitation ausländischer Technologien aufholen.
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Arten der technologischen Spezialisierung
Neue Wachstumstheorie
Romer (1986)Romer (1990)
Grossman/Helpman (1991)
Smithianische Spezialisierung
führt zu ‚Learning-by-Doing’-Effekten und steigenden Skalenerträgen, unabhängig von den Technikbereichen,
in denen ein Land spezialisiert ist
Ricardianische Spezialisierung
betrifft den qualitativen Charakter der Spezialisierung, weil Länder, die in Technikbereichen mit Möglichkeiten für ein höheres Produktivitätswachstum spezialisiert sind,auch insgesamt ein höheres Wachstum aufweisen dürften
Evolutorische Ökonomik
Prof. Dr. Andre JungmittagFH Frankfurt am Main
Pfadabhängige Prozesse: Schumpeters Konzept der „radikalen Innovationen“
Nach Schumpeters Theorie der langen Wellen haben große technologische Innovationen eine unterbrechende Wirkung auf Wachstumspfade: sie werden in einem Prozess kreativer Zerstörung eingeführt, der zu einer drastischen Veränderung des Kapitalstocks eines Landes führt.
Solch eine radikale Innovation kann einen wirtschaftlichen Aufschwung erzeugen, wenn sie einen „Spielmannszug“ von nachfolgenden inkrementalen Innovationen hervorbringt.
Dosi (1982) argumentiert, daß eine radikale Innovation zu einem neuen technologischen Paradigma führt, und dass die sich ergebenden Spielmannszug-Effekte eine neue technologische Trajektorie schaffen.
Prof. Dr. Andre JungmittagFH Frankfurt am Main
Pfadabhängige Prozesse: Schumpeters Konzept der „radikalen Innovationen“
Jedoch hängen die Gesamteffekte einer radikalen Innovation entscheidend von ihrer Durchdringungskraft ab (Freeman 1991).
Wenn eine neue Technologie nur die Produktionsstruktur eines Sektors berührt, wird das neue Paradigma nur einen begrenzten Einfluss auf die Gesamtwirtschaft haben. Verändert sie hingegen die Produktionsstruktur der meisten Sektoren, werden die makroökonomischen Effekte groß sein.
Perez (1983) hat den Begriff techno-ökonomisches Paradigma eingeführt, um zwischen durchdringenden und nicht durchdringenden technologischen Paradigmen zu differenzieren.
Prof. Dr. Andre JungmittagFH Frankfurt am Main
Pfadabhängige Prozesse: Schumpeters Konzept der „radikalen Innovationen“
Bei dieser Sichtweise ergibt sich aus einem neuen technologischen Paradigma ein neues techno-ökonomisches Paradigma, wenn das technische Prinzip oder die damit verbundenen Produkte in einem Großteil der Wirtschaft genutzt werden können, und mithin die institutionellen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den meisten ökonomischen Akteuren berührt
Jedoch hat Freeman (1982) auch darauf hingewiesen, dass abnehmende marginale technologische Gelegenheiten letztlich zu einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums führen, wenn das neue technologische Paradigma in die gesamte Wirtschaft diffundiert ist.
Prof. Dr. Andre JungmittagFH Frankfurt am Main
IKT als Basis eines neuen techno-ökonomischen Paradigmas
Kommunikation Computer Hardware und Software 178, 333, 340, 342, 343, 358, 367, 370,
375, 379, 385, 455 341, 380, 382, 395, 700, 701, 702, 704,
705, 706, 707, 708, 709, 710, 712, 713, 714
Computer Peripherie Informationsspeicherung 345, 347 360, 365, 369, 711
IKT-Patentklassen am USPTO:
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Langfristige Trends des IKT-Innovationsoutputs I
0
5
10
15
20
25
1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998 2003 2008
Deutschland
Niederlande
Irland
Großbritannien
0
20
40
60
80
100
120
1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998 2003 2008
Luxemburg
Finnland
Schweden
Prof. Dr. Andre JungmittagFH Frankfurt am Main
Langfristige Trends des IKT-Innovationsoutputs II
0
2
4
6
8
10
12
14
16
1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998 2003 2008
Frankreich
Dänemark
Österreich
Belgien
0
1
2
3
4
5
1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998 2003 2008
Portugal
Italien
Spanien
Griechenland
Prof. Dr. Andre JungmittagFH Frankfurt am Main
Konvergenz oder Divergenz der IKT-Innovationsdynamik
Test auf σ-Konvergenz der IKT-Innovationsdynamik
y = -0,0063x + 2,06R2 = 0,0327
0
0,5
1
1,5
2
2,5
3
1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998 2003 2008
Var
iati
on
sko
effi
zien
t
Prof. Dr. Andre JungmittagFH Frankfurt am Main
IuK-Technologie
Internet
Venture Capital
Globalisierung
E-Commerce
Biotechnologie
High Tech
Wissens-ökonomie?
IKT-Innovationen als Basis einer „neuen Wissensökonomie“?
Virtual Reality
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„Alte“ versus „neue Wissensökonomie“
„Alte Wirtschaft“
Kapital Arbeit
Güter
Human- kapital
Wissen
Wissensgüter
„Neue Wissensökonomie“
Quelle: In Anlehnung an Klodt (2001).
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Merkmale der „neuen Wissensökonomie“
Die „neue“ Wissensökonomie wird durch andere Produktionsfaktoren getrieben: Wissen bzw. Ideen
Die Produktion und Anwendung von Wissen schafft Outputs, die innovativ sind, wie Biotechnologie, Computer Software, neue Materialien bis zu den Wissensgütern der „schwerelosen“ Wirtschaft
Obwohl die „neue Wissensökonomie“ ihre Wettbewerbsfähigkeit aus Wissensinputs ableitet, die innovative Outputs generieren, wäre es falsch anzunehmen, daß sie exklusiv an Hochtechnologie gebunden ist.
Es gibt auch einen Beitrag von neuen Ideen zu einem breiten Spektrum an Dienstleistungen und Produkten, die keine Hochtechnologie beinhalten.
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Neue Technologien sind der Kern „neuer Wissensökonomien“
Aus der historischen Innovationsforschung ist bekannt, daß es zwei Bedingungen für ein nachhaltiges Wachstum aufgrund eines neuen technologischen Paradigmas gibt:
Die Grenzen der Diffusion einer neuen Technologie in den Rest des ökonomischen Systems müssen durch eine Kombination von Veränderungen der institutionellen sowie sozialen Rahmenbedingungen und Produktivitätszuwächsen in anderen Industrien überwunden werden.
Die weltweite Diffusion einer neuen Technologie muß in solch einer Größenordnung sein, daß die aggregierte Nachfrage einen weltweiten Boom erzeugen kann, und nicht nur eine Expansion in ein oder zwei Ländern.
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Faktoren eines Wissensökonomie-Indexes
Venture Capital-Verfügbarkeit
Universitätsbasierte Start-Ups Universitätsforschung und
Technologietransfer FuE und Patente KMU Innovationsaktivitäten Internet-Verbreitung Zu- und abfließende
Direktinvestitionen
Arbeitsqualifikation und Humankapital
Zu- und Abfluß von Wissensarbeitern
Lohndynamiken (Lohnmuster und ihre Veränderungen)
Verschiedenheit der Arbeitskräfte
Unternehmens-, Betriebs- und Arbeitsmobilität
Arbeitsplatzschaffung
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Technologie und Wachstum in der alten Wirtschaft: Die Rolle des Humankapitals
Bildung und Ausbildung
Wissen FuE-Sektor
Patente Verarbeitendes Gewerbe
WachstumKonsumenten
Patente und Verarbeitendes Gewerbe vermitteln zwischen Wissensproduktion und Konsumenten
Quelle: Quah (1999)
Wissensintensive Vorprodukte
Konsumgüter
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Wachstum in der Wissensökonomie: Die Rolle des Humankapitals
Bildung und Ausbildung
Wissen und Wissensgüter
Wachstum
Konsumenten
Die Distanz zwischen Wissensproduktion und Konsumenten verringert sich: Humankapital gewinnt auch auf der
Nachfrageseite an Bedeutung
Quelle: Quah (1999)
Diffusionsbeschleunigung z. B. durch IKT
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Nachhaltigkeit einer neuen Wissensökonomie und erhöhter Bedarf an Humankapital
Einige Beobachtungen:
Rasante Beschleunigung des Innovationstätigkeit (gemessen durch die Patente am USPTO oder EPA)
Auftreten von Wettbewerbern mit hochqualifizierten Arbeitskräften zu niedrigen Lohnkosten in Mittel- und Osteuropa sowie Asien
Die Nachfrage nach geringqualifizierten Arbeitskräften ist innerhalb der OECD dramatisch zurückgegangen, während gleichzeitig die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften stark anstieg
Verschiebung der komparativen Vorteile der Hochlohnländer in Richtung auf wissensbasierte, innovative Aktivitäten (Güter und Dienstleistungen)
Prof. Dr. Andre JungmittagFH Frankfurt am Main
Nachhaltigkeit einer Wissensökonomie und erhöhter Bedarf an Humankapital
Bedrohungen für die Nachhaltigkeit:
Zu geringe Investitionen in Grundlagenforschung und –wissen: Gibt es ein Crowding-Out der Grundlagenforschung durch Kommerzialisierungsmöglichkeiten?
Verbreiterung der Einkommensverteilung aufgrund eines Auseinanderdriftens der Einkommenspotentiale von Wissensarbeitern und traditionellen Arbeitnehmern
Wachsende Einkommensungleichheiten sind typisch für „Wissensökonomie“-Regionen. Dieser Trend könnte durch die Globalisierung noch verschärft werden. Durch sie könnte zudem noch die Einkommensungleichheit innerhalb der Gruppe der qualifizierten Arbeitnehmer wachsen (Meckl, 2002).
Prof. Dr. Andre JungmittagFH Frankfurt am Main
Wirtschaftspolitische Implikationen I
Die nationalen und regionalen Unterschiede innerhalb der EU sind weiterhin groß – dies gilt insbesondere für die Innovationsaktivitäten.
Mithin besteht die Gefahr, dass sich bei einer Erhöhung der Innovationsrate, die für das europäische Wachstum (und die Wettbewerbsfähigkeit der EU) insgesamt wichtig ist, diese Unterschiede verschärfen.
Dies liegt mit daran, dass die Regionen mit den geringsten Einkommen bisher nicht in der Lage waren, ihr Potential für die Wissensdiffusion auszuschöpfen.
Mithin muss die Politik dahin zielen, die absorptive Kapazität dieser Regionen zu erhöhen: dies gilt insbesondere auch für die neuen Mitglieder.
Genauso muss aber auch das Potential für eine lokale Wissenschaftsbasis ausgebaut werden, um lokale Lernprozesse zu ermöglichen.
Prof. Dr. Andre JungmittagFH Frankfurt am Main
Wirtschaftspolitische Implikationen II
Die geringe Diffusionsrate ist oft mit einer Wirtschaftsstruktur verbunden, bei der die Landwirtschaft oder „alte“ Industrien vorherrschen, diese wiederum kombiniert mit relativ hoher Arbeitslosigkeit.
Mithin ist unbedingt ein Strukturwandel erforderlich, der aber nicht zu einem weiteren Anstieg der langfristigen Arbeitslosigkeit führen darf.
Innovationen sind hier nicht per se eine „einfache Lösung“ für das Arbeitslosigkeitsproblem
Produktinnovationen: Arbeitslosigkeit kann durch eine erhöhte Nachfrage nach den Produkten, die neue Technologien enthalten, reduziert werden.
Prozessinnovationen: Ziel ist die Rationalisierung von bestehenden Produktionsprozessen, was die Beschäftigung reduzieren kann, wenn es keine kompensierenden indirekten Einkommens- und Nachfrageeffekte gibt.
Prof. Dr. Andre JungmittagFH Frankfurt am Main
Wirtschaftspolitische Implikationen III
Tatsächlich ist die europäische Wirtschaftsstruktur sehr stark auf Sektoren ausgerichtet, die recht offen für Arbeitseinsparungen sind: meistens ausgereifte Industrien mit einem hohen Anteil an Prozessinnovationen.
In dieser Hinsicht sind die gegenwärtigen Probleme Europas z. T. der Preis, der für vergangene Erfolge bezahlt werden muss, da die EU-Politik oft dahin zielte, die Realisierung von Skalenerträgen und eine effiziente Faktorallokation zu fördern.
Dies hat den Aufholprozess gegenüber den USA ermöglicht, jedoch sind die Erträge des Aufholens in kapital- und skalenintensiven Industrien längst eingespielt, und die Spielregeln haben sich inzwischen geändert.
Wissenschaftsbasierte Industrien, insb. solche die im hohen Maße IKT nutzen, sind die Triebkräfte des technischen Fortschritts und des wirtschaftlichen Wachstums geworden.
Prof. Dr. Andre JungmittagFH Frankfurt am Main
Wirtschaftspolitische Implikationen IV Mithin muss die Politik nicht nur zur Erhöhung der Innovationsdiffusion
beitragen, sondern sie muss es auch beschäftigungsfreundlich tun. D. h.: Eine Abkehr von der überkommenen Betonung von
Prozessinnovationen und von Arbeitskostenreduktionen und ein stärkerer Fokus auf Produktinnovationen und Qualitätsverbesserungen.
Europa kann niemals mit den NICs in Asien und anderswo allein auf der Basis der Arbeitskosten konkurrieren, sondern langfristig nur durch die Qualität.
Notwendig ist eine Strategie, die auf vermehrten Produktinnovationen, einer stärkeren Qualifizierung und verstärkten FuE-Anstrengungen beruht, um eine Verbesserung der Qualität als zentralem Wettbewerbsvorteil der EU zu erreichen.
Kurz gefasst: Es besteht die Notwendigkeit für ein innovationsbasiertes Wachstum, das der Umorientierung zu wissenschaftsbasierten Sektoren Rechnung trägt. Dabei geht es weniger um eine Unterstützung ausgewählter Industrien, sondern um eine Verankerung neuer Technologien, insb. der IKT, in die Gesellschaft.