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„Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann, dass jeder Haushalt ein Mikro-BHKW im Keller stehen hat“ Interview Bei VNG beschäftigt sich ein ganzes Team an Experten mit der Forschung und Entwicklung von innovativen Lösungskonzepten für neue, effiziente und umweltfreundliche Technologien auf dem Gebiet der Erdgastechnik sowie der Energieumwandlung und -anwendung. medium gas sprach mit Robert Scheler, Leiter Technologie Center bei VNG, über das, was uns zukünftig in der Energie- versorgung alles erwarten könnte. Herr Scheler, sind neue innovative Technologien wirklich der Schlüssel zur Energieversorgung der Zukunft? Ich denke schon. Sie sind aus meiner Sicht eine wichtige Möglichkeit, das Streben der Menschheit nach immer mehr Luxus mit Bezahlbarkeit oder Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen. Wir brauchen Technologien, um zum Beispiel die Effizienz der Anwendungen zu verbessern, um neue Energie- quellen zu erschließen oder das Energiesystem in Teilen von fossilen Energieträgern auf eine neue Basis umzustellen. Energietechnologien sind damit ein wichtiger Baustein für die Zukunft. Aber längst nicht der einzige? Nein. Ein anderer Schlüssel wäre zum Beispiel der intelligentere Umgang mit Energie. Gedanklich und argumentativ sind die Menschen schon im Wasserstoffzeitalter, aber im Alltag verschwen- den wir Energie an jeder Ecke. Nehmen wir das Beispiel Tanken: Wenn man nicht krampfhaft versuchen würde, noch mühsam einen halben Liter „dazuzuklickern“, erspart man der Pumpe in der Zapfsäule den hohen Anlaufstrom, den sie für jeden Neustart braucht. Das ist ganz einfach umsetzbar und spart Energie. Kein schlechtes Beispiel, auch wenn es nicht Ihrer Arbeitswelt entspringt. Ihr Technologie Center beschäftigt sich ja eher mit innovativen Erdgasprojekten. Ja und nein. Natürlich arbeiten wir an Innovations- projekten – angefangen bei neuer Wärmetechnik über CO 2 -Speicherung bis hin zu Kraftwerkstech- nologien. Aber das macht nur einen Teil unserer Arbeit aus. Hauptsächlich beschäftigen wir uns mit Themen wie Untergrundspeichern, der Zu- standserfassung des Transportnetzes, Gasche- mie, Biogaseinspeiseanlagen und allgemeinem Projektmanagement für die VNG-Gruppe. Aber gerade diese Mischung aus Praxis und For- schung macht das Besondere bei uns aus; daraus ergeben sich oft interessante Ansätze und Ideen, die nicht vollkommen losgelöst von der Realität sind.

Interview Scheler

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Bei VnG beschäftigt sich ein ganzes Team an Experten mit der Forschung und Entwicklung von innovativen lösungskonzepten für neue, effiziente und umweltfreundliche Technologien auf dem Gebiet der Erdgastechnik sowie der Energieumwandlung und -anwendung. medium gas sprach mit Robert Scheler, leiter Technologie center bei VnG, über das, was uns zukünftig in der Energie- versorgung alles erwarten könnte.

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„Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann, dass jeder Haushalt ein Mikro-BHKW im Keller stehen hat“

Interview

Bei VnG beschäftigt sich ein ganzes Team an Experten mit der Forschung und Entwicklung von innovativen lösungskonzepten für neue, effiziente und umweltfreundliche Technologien auf dem Gebiet der Erdgastechnik sowie der Energieumwandlung und -anwendung. medium gas sprach mit Robert Scheler, leiter Technologie center bei VnG, über das, was uns zukünftig in der Energie-versorgung alles erwarten könnte.

Herr Scheler, sind neue innovative Technologien wirklich der Schlüssel zur Energieversorgung der Zukunft?Ich denke schon. Sie sind aus meiner Sicht eine wichtige Möglichkeit, das Streben der Menschheit nach immer mehr Luxus mit Bezahlbarkeit oder Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen. Wir brauchen Technologien, um zum Beispiel die Effizienz der Anwendungen zu verbessern, um neue Energie-quellen zu erschließen oder das Energiesystem in Teilen von fossilen Energieträgern auf eine neue Basis umzustellen. Energietechnologien sind damit ein wichtiger Baustein für die Zukunft.

Aber längst nicht der einzige?Nein. Ein anderer Schlüssel wäre zum Beispiel der intelligentere Umgang mit Energie. Gedanklich und argumentativ sind die Menschen schon im

Wasserstoffzeitalter, aber im Alltag verschwen-den wir Energie an jeder Ecke. Nehmen wir das Beispiel Tanken: Wenn man nicht krampfhaft versuchen würde, noch mühsam einen halben Liter „dazuzuklickern“, erspart man der Pumpe in der Zapfsäule den hohen Anlaufstrom, den sie für jeden Neustart braucht. Das ist ganz einfach umsetzbar und spart Energie.

Kein schlechtes Beispiel, auch wenn es nicht Ihrer Arbeitswelt entspringt. Ihr Technologie center beschäftigt sich ja eher mit innovativen Erdgasprojekten.Ja und nein. Natürlich arbeiten wir an Innovations-projekten – angefangen bei neuer Wärmetechnik über CO2-Speicherung bis hin zu Kraftwerkstech-nologien. Aber das macht nur einen Teil unserer Arbeit aus. Hauptsächlich beschäftigen wir uns mit Themen wie Untergrundspeichern, der Zu-standserfassung des Transportnetzes, Gasche-mie, Biogaseinspeiseanlagen und allgemeinem Projektmanagement für die VNG-Gruppe. Aber gerade diese Mischung aus Praxis und For-schung macht das Besondere bei uns aus; daraus ergeben sich oft interessante Ansätze und Ideen, die nicht vollkommen losgelöst von der Realität sind.

Warum engagiert sich VnG so stark für Forschung und Entwicklung und überlässt die Arbeit nicht einfach den Spezialisten?Das hat verschiedene Gründe. Zum einen wollen wir nicht auf die Lösungen anderer warten, wenn wir ein technisches Problem sehen oder eine eigene Idee haben. Das dauert uns oftmals viel zu lange oder kommt gar nicht. Da formulieren wir den Lösungsvorschlag und die Projektskizze lieber selber und suchen uns dann einen kompetenten Spezialisten. Zum anderen glaube ich, dass die Praxistauglichkeit eines Energieunternehmens in den sich schnell ändernden Märkten zukünftig stärker von seiner Technologiefähigkeit abhängen wird. Außerdem – das darf man auch nicht ver-nachlässigen – haben Wirtschaftsunternehmen eine gewisse gesellschaftliche Verantwortung. Gerade weil Forschungseinrichtungen und Uni-versitäten über immer weniger Mittel verfügen, sollte sich die Wirtschaft auf dem Forschungs- und Entwicklungsfeld stärker einbringen.

Dieses Forschungsfeld ist durchaus sehr groß. Allein die Bundesregierung weist sechs Themen-schwerpunkte1 der nicht-nuklearen Energiefor-schung aus. Wo sehen Sie derzeit den größten Handlungsbedarf?Ich würde jetzt nicht ein Thema gegen das andere aufwiegen. Alle sind wichtig. Persönlich sehe ich aber bei der effizienteren und emissionsärmeren Stromerzeugung und der Energiespeicherung den größten Handlungsbedarf.

Warum?Effiziente Stromerzeugung heißt für mich emis-sionsärmere Stromerzeugung. Wenn man mal konzentriert den Stern-Report 2 liest, bekommt

diese diffuse Angst vor Klimawandel eine durchaus erschreckende und reale Komponente, die sich sogar in Euro beziffern lässt. Wir müssen wirklich aufpassen, dass wir unseren Kindern nicht große Probleme hinterlassen.Energiespeicherung sehe ich dagegen als wich-tig an, weil wir immer mehr erneuerbare Energie einsetzen. Je mehr ich auf volatile Energie aus Wind und Sonne setze, desto mehr muss ich für den Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage sorgen. Die Speichertechnik ist sozusagen ein strategisches Schlüsselelement, es sei denn, ich schaffe große Überkapazitäten, was diese Energien unnötig verteuern würde. Die Unternehmen der Erdgaswirtschaften haben bei der Speicherung von Energie großes Know-how, das kann zukünftig ein großer Vorteil sein.

Das Technologie Center ist der zentrale Bereich für die strategische und techno-

logische Weiterentwicklung der Anlagen- und Verfahrenstechnik bei VNG sowie

in Dienstleistung für Dritte. Der Bereich tritt beratend und projektbegleitend für

die Unternehmensgruppe sowie für externe Unternehmen auf und erstellt und

bewertet Analysen, Konzepte und Machbarkeitsstudien zu neuen Vorhaben.

Diese Projekte werden derzeit unter anderem im Technologie-Center bearbeitet:

– Koordinierung von 23 F&E-Projekten der VNG AG

– CCS-Aktivitäten der VNG

– Koordinierung Wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit VNG/GAZPROM

– Mitarbeit bei der Initiative Gaswärmepumpen (IGWP)

– Mitarbeiter am Callux-Programm (Brennstoffzellen)

– Entwicklung von Mikro-BHKW sowie Begleitung der Demophase

– Technische Begleitung von Kraftwerksprojekten

– Projektmanagement im Bereich von Bioerdgasanschlüsse sowie deren

technische Prüfung

– Untersuchung und Zustandsermittlung von Rohrleitungen

– Prüfung neuer Speicherprojekte

– Unterstützung Speicherausbau- und Reparaturprojekte

1 1. Moderne Kraftwerkstechnologien, 2. Kraft-Wärme-Kopplung, Fernwärme 3. Brennstoffzelle, Wasserstoff 4. Effiziente Stromnutzung, Speicher 5. Energieoptimiertes Bauen 6. Energieeffizienz in Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen

2 Der Stern-Report (englisch Stern Review on the Economics of Climate Change) ist ein am 30. Oktober 2006 veröffentlichter Bericht des ehemaligen Weltbank-Chefökonomen und jetzigen Leiters des volkswirtschaftlichen Dienstes der britischen Regierung

Nicholas Stern. Der im Auftrag der britischen Regierung erstellte rund 650 Seiten starke Bericht untersucht insbesondere die wirtschaftlichen Folgen der globalen Erwärmung.

Fortsetzung von Seite 29

„Wenn ich mir etwas wünschen könnte ...“

Beim Einsatz fossiler Energieträger wie Erdgas dominiert derzeit das Thema Mini-Blockheiz-kraftwerk. Eine ausgereifte Technik, die jeder in seinem Haus stehen haben sollte?Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann dass jeder Haushalt ein solches Gerät im Keller stehen hat. Warum soll eine Heizung nicht auch als „Abfall-produkt“ Strom produzieren? Wirtschaftlicher und effizienter kann man Erdgas doch nicht einsetzen. Und ja – die Technik ist ausgereift. Das Prinzip kennt man schon so lange wie es Verbrennungsmotoren gibt. Letztlich ist ein BHKW nichts anderes als ein Auto ohne Räder – durch Verbrennung eines Brennstoffs wird mechanische Energie und Wärme für Heizzwecke gewonnen.

Warum klaffen Wunsch und Wirklichkeit beim BHKW im Haushalt dann noch so weit auseinander?Weil die Geräte derzeit noch zu teuer gegen-über herkömmlichen Heizungssystemen sind. Für Gaswirtschaft und Gerätehersteller geht es jetzt darum, die Lösung so preisgünstig wie möglich zu produzieren. Hier bin ich besonders stolz auf die Eigenentwicklung von VNG, die den Zielen mit intelligenten Lösungen Rechnung trägt. Wir haben in den vergangenen 10 Jahren einen Geräteprototyp entwickelt und getestet, den die Firma Kirsch in weniger als zwei Jahren zum Seriengerät gemacht

hat. Das neue Mikro-BHKW verwendet Industrie-komponenten, ist damit auch deutlich preiswerter als andere Geräte. Außerdem spart unser Mikro-BHKW in einem Einfamilienhaus ungefähr 5 Tonnen CO2 pro Jahr im Vergleich zu einer herkömmlichen Heizung. Das kann sich sehen lassen.

Ein anderes Thema sind Brennstoffzellen. Die wer-den als Energiequellen der Zukunft angepriesen, weil sie mit Wasserstoff statt Erdgas laufen und Wirkungsgrade jenseits der 95-prozent-Marke haben sollen. Sind solche Geräte noch ein weiter Traum – oder werden sie bald zur Wirklichkeit? Sie sind bereits Wirklichkeit – und laufen über einen Reformprozess auch mit Erdgas. Im Rahmen des Projektes Callux beteiligt sich VNG mit anderen Energieversorgern und Geräteherstellern an einem groß angelegten Feldtest. Wir haben erst kürzlich in Weißenfels in Sachsen-Anhalt zusammen mit den dortigen Stadtwerken eine Brennstoffzelle in einem Einfamilienhaus eingebaut. Das Gerät nutzt den Brennstoff Erdgas zu mehr als 90 % aus.

Das microBHKW L 4.12 ist ein autonomes stromerzeugendes Gas-Heizungs-

system. Schon das sehr kompakte Format und das niedrige Gewicht setzen neue

Maßstäbe. Es ist konzipiert für den Einsatz in Ein- oder Zweifamilienhäusern

mit einem Gesamtjahreswärmebedarf von 25 000 bis 30 000 kWh – und richtet

sich dabei explizit an ältere Gebäude mit technischem Sanierungsbedarf. Auch

Neubausiedlungen mit mehreren Niedrigenergiehäusern können zentral mit

einem microBHKW L 4.12 effektiv und kostengünstig versorgt werden.

www.kirsch-homeenergy.de

Das Kirsch HomeEnergy microBHKW l 4.12

Das klingt ja optimistisch. Trotzdem hört man von vielen problemen beim Brennstoffzellen-projekt. Es gibt derzeit aus meiner Sicht zwei große, noch zu lösende Probleme. Zum einen sind die Pro-duktionskosten für die Brennstoffzelle noch viel zu hoch. Zum anderen können die benötigten Mengen Wasserstoff noch nicht wirtschaftlich hergestellt werden. Man bräuchte alleine 130 000 Windräder mit 1 MW, um über Elektrolyse die En-ergiemenge an Wasserstoff zu erzeugen, die VNG jährlich als Erdgas absetzt. In ganz Deutschland ist gegenwärtig noch nicht mal ein Viertel dieser Menge installiert.

lassen Sie uns den Blick in die weitere Zukunft werfen: Gibt es in zwanzig Jahren noch den Brenn-wertkessel oder stehen in jedem Haus Mini-BHKWs und Brennstoffzellen? Ich denke, es gibt Brennwertthermen gekoppelt mit Solaranlagen, BHKWs, Brennstoffzellen und Wärmepumpen. Es wird ein Mix von Systemen sein. Ich glaube aber, dass die Abrechnung in Echtzeit laufen wird, dass die Systeme im Haus intelligent verknüpft sind und viele Wohngebäude klimatisiert sind. Außerdem werden die stromer-zeugenden Heizungen zusammengeschaltet, so dass die ersten virtuellen Kraftwerke existieren.

und in 50 Jahren – wird es dann ganz andere, heute noch nicht bekannte Technologien geben? Das ist schwer zu beantworten. Es wird sicher Entwicklungen geben, die wir heute noch nicht voraussehen. Wer hätte 1960 schon den Mobilfunk

und die damit verbundenen Entwicklungen voraus-gesagt? Selbst Gottlieb Daimler meinte, dass die weltweite Nachfrage nach Kraftfahrzeugen nie die Grenze von einer Million überschreiten würde – schon aus Mangel an verfügbaren Chauffeuren.

Dann müssen wir uns wohl überraschen lassen. Herr Scheler, ein anderes Stichwort sind Kraft-werke der Zukunft. Schon heute haben moderne GuD-Kraftwerke einen Wirkungsgrad von 58–59 %. Im Vergleich zu Kohlekraftwerken mit nur knapp 40 % Wirkungsgrad ist das zwar eine deutliche Steigerung, trotzdem muss doch auch hier noch eine deutliche Verbesserung möglich sein?Gas- und Dampf-Kombikraftwerke gehören heute zu den effizientesten konventionellen Kraftwerken. Noch dazu wenn man bedenkt, dass sie nur 37 % der CO2-Emissionen eines Braunkohlekraftwerkes erzeugen. Trotzdem lassen sich auch GuDs noch verbessern. Steigerungsmöglichkeiten sehe ich vor allem im materialtechnischen Bereich. Je heißer der Dampfprozess ist, desto höher die Energieaus-beute. Einziger Wermutstropfen: die verbauten Materialien müssen diese Temperaturbelastungen auch aushalten können. Werkstoffe mit hohem Nickelanteil werden aber einiges möglich machen.

Callux ist der bundesweit größte Praxistest von Brennstoffzellen-Heizgeräten für das Eigenheim. Das Projekt wird gemeinsam von Partnern aus der Energiewirtschaft und Heizgeräteindustrie mit Unterstützung des Bundesminis teriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) verfolgt. VNG ist Praxispartner im Feldtest. www.callux.net

Callux

Fortsetzung von Seite 29

„Wenn ich mir etwas wünschen könnte ...“

Sie haben das Thema ccS – die cO2-Abscheidung in kohlebefeuerten Kraftwerken – gerade ange-sprochen. Wie weit ist der Stand der Technik?CO2-Transport und -Speicherung sind erprobte Techniken. In Norwegen, Algerien und Kanada wird das Gas seit Jahren in den Untergrund gepumpt, in den USA existiert seit Anfang der 1970er Jahre sogar ein über 5000 km langes CO2-Pipelinenetz. Auch Vattenfall betreibt in Schwarze Pumpe schon erfolgreich eine 30 MW-Demoanlage mit Oxyfuel-Verfahren. In der EU werden 6 Projekte mit ins-gesamt 1 Mrd. Euro gefördert, die ersten werden ab 2015 die Gesamtkette von Abscheidung bis Speicherung abbilden.

Die Technik ist vielversprechend und praxiser-probt. Warum tut man sich in Europa trotzdem so schwer damit?Das hat viele Gründe. In den USA wird CO2 nicht aus Klimaschutzgründen eingepresst, sondern zur Erhöhung der Ölausbeute. Das Verfahren nennt man Enhanced Oil Recovery.Durch das Einpressen sinkt die Viskosität des Erdöls, es kann mehr aus der Lagerstätte gefördert werden. Eine gewisse Ironie besteht darin, dass zum Einpressen Kohlendioxid aus überwiegend

natürlichen Quellen einsetzt wird, um mehr Öl zu fördern, welches dann wiederum für neue Emis-sionen sorgt. Das CO2-Einspeiseprojekt auf der Norwegischen Plattform Sleipner liegt offshore und auch die Region in Salah in der algerischen Wüste ist relativ unbewohnt. Europa ist dagegen sehr dicht besiedelt. Das erhöht natürlich das Konfliktpotenzial. Außerdem darf man nicht die volkswirtschaftliche Komponente vergessen. Die CO2 -Speicherung ist mit hohen Kosten verbunden. Wenn aber nur die Unternehmen in Europa ihre Emissionen reduzieren müssen, es jedoch keine weltweiten Ziele für alle gibt, wandern energiein-tensive Industrien und damit Arbeitsplätze einfach ab. Die Gefahr besteht, dass wir unsere Emissionen letztlich nur in andere Länder „exportieren“ und in Europa gleichzeitig noch die höheren Preise für nachhaltige Energien bezahlen. Das macht für mich wenig Sinn.

In vielen Zeitungen und Zeitschriften liest man derzeit vom „Smart Grid“ – dem intelligenten Stromnetz, das Erzeugung, Speicherung und Verbrauch miteinander vernetzt und steuert. Ist das Modell auch auf die Gasnetze übertragbar?Partiell sicherlich. Vor allem die vielen dezentralen Einspeisepunkte zum Beispiel für Bioerdgas werden zu Veränderungen führen. Auch die Rückspeisung bei Überangebot an Bioerdgas in lokalen Netzen in die Fernverteilerstufe wird zu prüfen sein. Vielleicht wird es in Zukunft auch vollkommen neue Produkte geben, die dem Kunden den Abruf selbst erworbener Gasmengen zu jedem Zeitpunkt ermöglichen. Unsere Gasinfrastruktur muss und kann solche Visionen in Zukunft bewerkstelligen.

Die intelligente Speicherung von großen Strom-mengen ist derzeit noch nicht wirklich möglich, beim Erdgas aber schon. Kann die Gaswirtschaft den „Stromern“ hier Hilfe anbieten?Auf jeden Fall. Die Gasinfrastruktur ist schon jetzt einer der größten Energiespeicher. Allein in Deutschland sind es 217 Terawattstunden, das Stromnetz kann gegenwärtig nur 0,07 Terawatt-stunden (hauptsächlich mittels Pumpspeicher-werken) speichern. Mit ihr könnten theoretisch Schwankungen ausgeglichen werden, die bei der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien

– Gottlieb Daimler war der festen Überzeugung, dass die weltweite

Nachfrage nach Kraftfahrzeugen nie die Grenze von einer Million

überschreiten würde – schon aus Mangel an verfügbaren Chauffeuren.

2007 gab es weltweit rund 918 Millionen Fahrzeuge*.

– Erstmals 1927 erscheint in einem Katalog der Firma Junghans eine Arm-

banduhr. In Fachkreisen beurteilt man es als „Modenarrheit, die Uhr an

der unruhigsten und den größten Temperaturschwankungen ausgesetz-

ten Körperstelle zu tragen.“ Die Experten prophezeien, dass die Armband-

uhr nur eine kurzfristige Modeerscheinung sei.“* Quelle: Wikipedia

Zwei markante Beispiele aus der Vergangenheit zeigen, dass es schwierig

ist mit Prognosen für die Zukunft:

Berufsausbildung Bohrfacharbeiter mit Abitur, VEB Erdöl Erdgas

Grimmen | Studium Bohrtechnik & Fluidbergbau, TU Bergaka-

demie Freiberg | 1996–2004 Projektingenieur/Testingenieur

Untertagespeicher, UGS GmbH Mittenwalde | 2004–2006 Fach-

verantwortlicher Speichertechnik, VNG AG | seit 2006 Leiter

Technologie Center | seit 2009 Geschäftsführer Erdgasspeicher

Peissen GmbH

unser Gesprächspartner

zwangsläufig entstehen. Ohne eine Lösung für das Speicherproblem können erneuerbare Energien auch bei intelligenter Netz- und Verbrauchersteue-rung einen gewissen Anteil an der Stromerzeugung nicht überschreiten.

Der langfristige Ersatz fossiler Energieträger durch erneuerbare Energien steht außer Frage, wenngleich der Zeitpunkt noch vage ist. Welche perspektiven und welches potenzial sehen Sie bis 2050?Das ist eine sehr schwierige Frage. Die Prognosen für Deutschland reichen – zumindest bei der Strom-erzeugung – von 100 % Erneuerbaren in 2050 bis 30 % Marktanteil. Ich tippe auf 60 % Erneuerbare, der Rest wird durch fossile Energieträger gedeckt.

Energieforschung heißt eigentlich nicht nur, nach neuen Erzeugungs- und nutzungspfaden für Ener-gie zu suchen, sondern auch die Energieeffizienz zu fördern. Was tut sich hier aktuell am Markt?Die Effizienz der Anwendungen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich erhöht und wird es auch weiterhin tun. Die Entwicklungen werden aber teilweise wieder konterkariert – vom Streben nach Komfort und Luxus.

Wie meinen Sie das? Nehmen wir das Beispiel Kraftfahrzeugsektor. Was hier mittlerweile bei geringen Hubräumen und Verbrauch an Fahrleistungen möglich ist, wäre vor 30 Jahren noch unvorstellbar gewesen. Die eigentliche Einsparung wird aber durch neue Anwendungen wieder verbraucht, etwa durch Klimaanlage oder Fensterheber. Beides gab es früher nur vereinzelt, heute gehören sie zum Standard. Anderes Beispiel ist die Erhöhung der Motorleistung. Der Golf 1 mit 50 PS wurde längst durch das Einsteigermodell mit 80 PS ersetzt, bei vielen anderen Autos gilt das gleiche Prinzip.

und was lernen wir daraus? Dass wir auf luxusgut verzichten sollten – der umwelt zuliebe?Ganz so drastisch würde ich es nicht formulieren. Wir haben nun mal einen Lebensstandard, den wir auch nicht wieder verlieren und sogar erhö-hen wollen. Das geht mir nicht anders. Ich setze persönlich aber stärker auf eine nachhaltigere Energieerzeugung und einen bewussteren Um-gang mit diesem Gut Energie. Immerhin können wir als Anwender und Nutzer selbst die Effizienz beeinflussen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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