52

Jüdisches Leben in Baden-Württemberg › 2_99 › juedisch.pdfwas zu bedenken ist, wenn man einen solchen nicht alltäglichen Schüleraustausch verwirklichen will. Der deutsch-jüdische

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Politik undUnterricht

2/1999 · 2. Quartal · 25. Jahrgang

„Politik und Unterricht“ wird von der Landeszentrale fürpolitische Bildung Baden-Württemberg herausgegeben.

Herausgeber und Chefredakteur:

Siegfried Schiele, Direktor der Landeszentrale für politischeBildung Baden-Württemberg

Redaktionsteam:

Otto Bauschert, M.A., Oberregierungsrat, Landeszentrale fürpolitische Bildung, Stuttgart (geschäftsführender Redakteur)

Ernst-Reinhard Beck, Oberstudiendirektor, Direktor desFriedrich-List-Gymnasiums Reutlingen

Judith Ernst-Schmidt, Studienrätin, Werner-Siemens-Schule(Gewerbliche Schule für Elektrotechnik), Stuttgart

Ulrich Manz, Rektor der Schiller-Schule Esslingen(Grund- und Hauptschule mit Werkrealschule)

Horst Neumann, Ministerialrat, Ministerium für Umwelt undVerkehr Baden-Württemberg, Stuttgart

Angelika Schober-Penz, Studienassessorin, Ministerium fürUmwelt und Verkehr Baden-Württemberg, Stuttgart

Karin Schröer, Reallehrerin, Eichendorff-RealschuleReutlingen

Anschrift der Redaktion:70184 Stuttgart, Stafflenbergstraße 38,Tel. (0711) 2371-388/-378, Telefax (0711) 2371-496

Politik und Unterricht erscheint vierteljährlich

Preis dieser Nummer: DM 5,–

Jahresbezugspreis DM 20,–. Unregelmäßig erscheinendeSonderhefte werden zusätzlich mit je DM 5,– in Rechnunggestellt.

Verlag: Neckar-Verlag GmbH78050 Villingen-Schwenningen, Klosterring 1

Druck: Baur-Offset GmbH & Co.78056 Villingen-Schwenningen, Lichtensteinstraße 76

Namentlich gezeichnete Beiträge geben nicht unbedingt dieMeinung des Herausgebers und der Redaktion wieder.

Nachdruck oder Vervielfältigung aufelektronischen Datenträgern sowie Einspeisung inDatennetze nur mit Genehmigung der Redaktion.

I N H A L T

JÜDISCHES LEBEN INBADEN-WÜRTTEMBERG

Vorwort des Herausgebers __________________ 1

Geleitwort des Ministeriumsfür Kultus, Jugend und Sport ________________ 2

Mitarbeit an diesem Heft ____________________ 2

UnterrichtsvorschlägeEinleitung __________________________________ 3(Karin Schröer)

Baustein ABesuch in einer Synagoge __________________ 6(Alfred Hagemann)

Jüdische Feste und Feiertage _______________ 10

Baustein BSpurensuche am Heimatort __________________ 11(Klaus Schubert)

Ehemalige Synagogen, Gedenkstätten undMuseen zur Geschichte der Juden inBaden-Württemberg ________________________ 11

Jüdische Friedhöfe in Baden-Württemberg(Karte) ____________________________________ 12

Sichtbare Zeugnisse jüdischen Lebens ________ 15(Uri Kaufmann)

Geschichte der jüdischen Gemeinden inBaden, Württemberg und Hohenzollern ________ 16(Erika Dürr)

Baustein CJüdisches Leben in Deutschland heute ________ 18(Harald Roth)

Jüdische Gemeinden in Baden undWürttemberg 1925 (Karte) ____________________ 19

Glossar (Erika Dürr)__________________________ 21

Baustein DDeutsch-israelischer Schüleraustausch –Ein Projektbericht __________________________ 23(Thomas Friese / Angelika Betzenhammer-Peetz)

Texte und Materialienfür Schülerinnen und Schüler ________ 27–48

AV-Medien zum Thema ____________________ U 3

Dieser Ausgabe liegt ein Prospekt der Jüdischen Presse, Berlin, bei. Wir bitten um freundliche Beachtung.

1

VorwortdesHerausgebers

Es gibt viele wichtige Themen, welche die Grenzen der Schul-fächer übersteigen. In solchen Fällen ist es erstrebenswert, überdie Fachgrenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Auch das ersteder fächerverbindenden Themen für Klasse 10 – Juden inDeutschland – gehört zu dieser Kategorie.

Die Schülerinnen und Schüler können bei einem solchen Projektam Ort oder in ihrer Region auf historische Spurensuche gehen,jüdische Gemeinden besuchen, Synagogen, Gottesdienste,Feste und Bräuche des Judentums kennenlernen und – woimmer dies möglich ist – mit Juden, vielleicht sogar mitjüdischen Mitschülerinnen und Mitschülern ins Gespräch kom-men. Es versteht sich von selbst, dass dabei die Geschichte derEntrechtlichung und Vernichtung der Juden in der Nazi-Zeitnicht ausgeblendet werden darf, andererseits wäre es verfehlt,junge Juden und Christen, Israelis und Deutsche auf vorgege-bene Opfer- und Täterrollen festzulegen. Beide Seiten wollendas in der Regel auch nicht.

Der erste Baustein unseres Heftes zeigt, wie man den Besuch ineiner Synagoge planen, vorbereiten und durchführen kann.Hilfestellung für die Spurensuche am Heimatort gibt der zweiteTeil dieser Ausgabe von „Politik und Unterricht“. Die Bilder undTexte, hier am Beispiel Haigerlochs, fordern dazu auf, an denjüdischen Spuren in unserer Umgebung nicht achtlos vorüber-zugehen, sondern sie zu entdecken und zu verstehen. Der dritteBaustein enthält viele Texte darüber, wie Juden heute inDeutschland leben. Die Beschäftigung mit Aussagen vonMenschen verschiedenen Alters können auch dort zumbesseren Verstehen beitragen, wo persönliche Begegnungenmit Juden nicht möglich sind. Die Lektüre der Texte ist aberauch eine gute Vorbereitung für das Gespräch mit Juden, dieheute bei uns leben. Ein Projektbericht besonderer Art schließtdiese Ausgabe ab. Geschildert wird ein deutsch-israelischerSchüleraustausch zwischen Ludwigsburger Gymnasien undSchulen in Israel. Die Tagebuchnotizen und Protokolle sowie dieReflexionen der begleitenden Lehrkräfte zeigen anschaulich,was zu bedenken ist, wenn man einen solchen nicht alltäglichenSchüleraustausch verwirklichen will.

Der deutsch-jüdische Religionsphilosoph Martin Buber hatdarauf vertraut, dass Menschen, wenn sie persönlich mit-einander zu tun bekommen, das gemeinsam Verpflichtendespüren. Unser Heft über jüdisches Leben in Baden-Württem-berg will dazu beitragen, solche fruchtbaren Begegnungenmöglich zu machen. Grundsätzlich sollten dabei nicht nur derReligions- und Ethikunterricht, sondern auch die FächerDeutsch, Geschichte und Gemeinschaftskunde einbezogenwerden.

Siegfried SchieleDirektor der Landeszentrale für politische BildungBaden-Württemberg

2

„Woher sollte er wissen, was Judentum ist?“ – bemerkt Ignatz Bubis über denjüngeren deutschen Durchschnittsbürger und fährt treffend fort: „Und wenn eraus der Schule etwas über das Judentum behalten hat, dann war/ist es derHolocaust. Mehr nicht! Über 1 600 Jahre jüdischer Geschichte in Deutsch-land hat er nichts erfahren. Über Holocaust in ausreichendem Maße.“

Diese Dominanz des Holocaust hat große Berührungsängste gegenüberMenschen jüdischen Glaubens aufgebaut und erschwert unseren Schülerin-nen und Schülern eine Annäherung an jüdische Mitbürger und ihre Religion.Auf der anderen Seite können jüdische Gleichaltrige, die in Deutschlandleben, und junge Israelis der dritten Generation, die zu uns kommen, imheutigen Deutschland kaum etwas anderes als das „Land der Täter“ sehen,da sie durch das Leid ihrer Großeltern immer noch traumatisiert sind und dasErinnern eine zentrale Rolle in ihrem Leben einnimmt. Lassen sich unter die-sen Voraussetzungen überhaupt Brücken über den Abgrund der Schoaschlagen?

Dass dieses durchaus möglich ist, zeigen die Beispiele erfolgreichen Schüler-austausches in diesem Heft. Um ihn auf eine breitere Basis zu stellen undKontakte zu Juden in Deutschland zu knüpfen, ist ausreichendes Wissen überdie Befindlichkeit des anderen, seine Geschichte und seine gegenwärtigenProbleme unabdingbar. Weil es daran mangelt, widmet sich das vorliegendeHeft gezielt diesem Aspekt, indem es an das jüdische Leben – gegenwärtigesund vergangenes – in der Nähe des Heimatortes heranführen und denWunsch wecken möchte, im Dialog den anderen kennenzulernen und Vor-urteilen und Diskriminierungen entgegenzuwirken. Das geschieht in didak-tisch wohl überlegten Bausteinen, die vielfältige Arbeitsansätze ermöglichenund im Fachunterricht ebenso wie beim fächerübergreifenden Lernen einge-setzt werden können.

Wenn es dadurch gelingen sollte, Minderheiten zu verstehen und Ängste ab-zubauen, hätte die Landeszentrale für politische Bildung einen wichtigen Bei-trag auf einem schwierigen Feld geleistet. Damit es gelingt, wünscht das Mi-nisterium für Kultus, Jugend und Sport, dass das Heft die ihm angemesseneBeachtung findet und dass es dazu beitragen möge, gegenseitiges Vertrauenzu schaffen.

Rudolf PfeilGymnasialprofessorMinisterium für Kultus, Jugend und SportBaden-Württemberg

Geleitwortdes Ministeriumsfür Kultus, Jugendund Sport

Mitarbeit an diesem Heft

Federführung: Karin Schröer

Angelika Betzenhammer-Peetz, Gymnasium imEllental II, Bietigheim-Bissingen: Baustein D,Deutsch-israelischer Schüleraustausch –Ein Projektbericht

Erika Dürr, Diplom-Bibliothekarin, FrauenbrückeOst-West, Bad Urach: Jüdische Feste undFeiertage, Geschichte der jüdischen Gemeinden,Glossar

Dr. Thomas Friese, Friedrich-Schiller-GymnasiumLudwigsburg: Baustein D, Deutsch-isrealischerSchüleraustausch – Ein Projektbericht

Alfred Hagemann, Albertus-Magnus-GymnasiumStuttgart-Bad Cannstatt: Baustein A, Besuch ineiner Synagoge

Dr. Uri Kaufmann, Hochschule für jüdischeStudien Heidelberg: Sichtbare Zeugnisse jüdischenLebens

Harald Roth, Theodor-Heuss-RealschuleGärtringen: Baustein C, Jüdisches Leben inDeutschland heute

Karin Schröer, Eichendorff-RealschuleReutlingen: Federführung, Einleitung

Klaus Schubert, Religionslehrer, Haigerloch:Baustein B, Spurensuche am Heimatort

3

JÜDISCHES LEBENIN BADEN-WÜRTTEMBERG

Einleitung

Dieses Heft will dazu beitragen, den Mangel zu lin-dern, den Ignatz Bubis in seinem Text beschreibt.Die Beiträge informieren an ausgewählten Beispie-len über jüdisches Leben in Deutschland. Wie wenigDeutsche im allgemeinen über das Judentum wis-sen, ist durch Umfragen belegt. Unsicherheit, Vor-urteile und Fehlverhalten können ihre Ursache imNichtwissen haben. Und wenn schon die Kennt-nisse der Erwachsenen zu wünschen übrig lassen, –das Vorwissen von Schülerinnen und Schülern überdieses Thema ist noch viel geringer.

Wenn man Schüler nach Juden fragt, wissen fastalle, dass diese unter der Diktatur Hitlers verfolgtund in den Konzentrationslagern vernichtet wurden.Die zweite Assoziation zum Stichwort „Juden“ istder Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern

sowie die Terroranschläge radikaler Gruppen inIsrael. Selten – abhängig vom Geschichts- oderReligionsunterricht, der in den befragten Klassenvorausgegangen ist – haben Schüler genauereInformationen über die Geschichte und die Religionder Juden oder über die Anlässe der Verfolgungen.

Vorurteile werden von Schülern im Zusammenhangmit dem Judentum nicht geäußert. Die typischenRessentiments der Großvätergeneration sindJugendlichen weitgehend unbekannt. Nur seltenhaben die Lehrenden einen Schüler im Unterricht,der persönlich einen Juden kennt oder in dessenFamilie über Erfahrungen mit Juden gesprochenworden ist. Allerdings kann sich das durch den Zu-zug osteuropäischer Juden auch wieder ändern.

In den Medien werden die Schüler kaum über dasJudentum oder über deutsche Juden informiert.Dort überwiegen Nachrichten über die gleichen Be-reiche, die auch die Schüler nennen: das Holocaust-Denkmal in Berlin, der Streit zwischen Bubis undWalser um das richtige Erinnern, Reden zum Jah-restag des 9. November oder zum Gedenktag fürdie Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar.Schlagzeilen machen auch die Entschädigungsfor-derungen von Juden an Firmen und Banken für ge-leistete Zwangsarbeit oder enteignetes Vermögen.Zwar gibt es immer wieder Meldungen, die betroffenmachen, zum Nachdenken anregen und die Wich-tigkeit unseres Themas betonen, so wenn über ge-schändete jüdische Friedhöfe, über antisemitischeSchmierereien und Ausschreitungen berichtet wird.Bei den Auslandsnachrichten gibt es eine Fülle vonInformationen über die Entwicklung der israelischenInnenpolitik sowie des israelisch-palästinensischenFriedensprozesses.

Auf den Lokalseiten der Zeitungen findet man immeröfter auch Berichte, die Mut machen; zum Beispiel,wenn Realschülerinnen in Rottenburg nach jüdi-schen Spuren in ihrer Stadt suchen oder wenn eineGeschichtswerkstatt in Tübingen einen Geschichts-pfad quer durch die Stadt entwirft, um die Erinne-rung an jüdisches Leben wieder in Erinnerung zu ru-fen. Aktionen dieser Art gibt es fast überall inunserem Bundesland. Die Beispiele, die in diesemHeft dokumentiert sind, sollen dazu anregen, dassLehrer und Schüler jeweils an ihrem Ort geeigneteProjekte entdecken und verwirklichen.

Unbekannt und fremd?

Mit der Erinnerung an die selbstverständliche Koexi-stenz von deutscher und jiddischer Kultur bei den klei-nen Leuten, mit der Erinnerung an die deutsch-jüdischeKultur der Groß- und Bildungsbürger schwand auch dasWissen über das Judentum. Wer kennt heute inDeutschland etwa die Bedeutung der jüdischen Feier-tage? Wer weiß, wie viele jüdische Bürgerinnen undBürger in unserem Land leben? Wer hat einmal eineSynagoge besucht? Wieviele nichtjüdische Deutschekennen eine jüdische Familie? Nicht so sehr der Tat-bestand der verbreiteten Unkenntnis selbst scheintschrecklich, die historischen Gründe, die ihn herbeige-führt haben, sind furchtbar.

Was man nicht kennt, verunsichert, erscheint fremd,bedrohlich. Es muss ausgegrenzt und im schlimmstenFall dämonisiert werden. Ich wünsche mir, dass dienichtjüdischen Deutschen wieder mehr über jüdischeKultur, jüdische Religion, jüdisches Leben erfahren, dassmehr nichtjüdische Deutsche in unsere Gemeindezen-tren und Synagogen kommen – einfach, um jüdischesLeben kennenzulernen.

Ignatz Bubis: Juden in Deutschland, Berlin: Aufbau, 1996,S. 38

4

Diese Ausgabe erhebt keinen Anspruch auf Voll-ständigkeit in irgendeiner Richtung. Es will keinenQuerschnitt durch die aktuellen politischen Prob-leme Israels oder einen Längsschnitt durch die jüdi-sche Geschichte bieten. Auch eine Aufarbeitung desHolocaust und eine systematische Darstellung derjüdischen Religion und Kultur sind hier nicht mög-lich. Über diese Bereiche gibt es zahlreiche und viel-fältige Veröffentlichungen aus allen möglichen Per-spektiven – so viele, dass hier sogar auf eineausführliche Literaturliste verzichtet wird. Bei jedemBaustein ist nur die dort direkt verwendete Literaturgenannt.

Auch wenn so viele Fragen und Probleme ausge-klammert sind, ist ein Heft über Juden in Deutsch-land immer ein schwieriges Unterfangen. Immerwieder werden wir durch Zeitungsmeldungen daraufhingewiesen, wie leicht Missverständnisse entste-hen, wie schwer sie wieder aus der Welt zu schaffensind, wie groß die Empfindlichkeiten sind und wiemühsam das „normale“ Zusammenleben undMiteinandersprechen ist. Feingefühl ist auf beidenSeiten auch deshalb nötig, weil auch die jüdischenGemeinden in Deutschland unterschiedliche Posi-tionen zu jüdisch-christlichen Begegnungen vertre-ten: viele sind offen für Dialoge, manche sind eherzurückhaltend.

Lernen durch Begegnung

Die vier Bausteine regen dazu an, sich mit demThema nicht in der traditionellen Weise (Schul-bücher, Lehrervortrag, Referate) zu beschäftigen,sondern einen Zugang über Begegnungen zu versu-chen. Bei der Konzeption des Heftes stand dieÜberlegung im Mittelpunkt, wo Schüler heute inihrem Umfeld dem Judentum begegnen können –und das ist im Wesentlichen nur außerhalb derSchule möglich.

In allen Bausteinen steht die Gegenwart im Vorder-grund. Die Zugangsfragen sollten immer sein: Wasist heute da, was sehe ich, wen kann ich treffen, mitwem kann ich sprechen, welche Fragen kann er mirbeantworten, wie ist es dazu gekommen? Ebensoist in allen Bausteinen aber Vergangenheit auchimmer gegenwärtig. Die Schüler merken, dass derheutige Zustand das Ergebnis aus vielen Jahren undJahrhunderten gemeinsamer Geschichte ist. In die-ser Geschichte gibt es Beispiele für ein gutes Mit-einander zwischen Juden und Nichtjuden, aberauch für Diskriminierung und Verfolgung.

Lebendig ist jüdisches Leben zuerst einmal in derSynagoge. Deshalb steht im Mittelpunkt des Bau-steins A die Vorbereitung auf den Besuch in einerSynagoge. Die meisten Informationen und Materia-lien in diesem Heft beziehen sich auf die StuttgarterSynagoge, doch finden sich auch Hinweise auf dieSynagogen in Karlsruhe und Mannheim. Wenn derBesucher beispielsweise vor der Stuttgarter Syna-goge steht, so fällt ihm nicht nur ein Gedenksteinauf, sondern auch der stark gesicherte Eingang. Der

heutige Besucher wird also nicht nur sofort mit derVergangenheit konfrontiert, er erfährt schon vor demEintreten, dass auch heute Synagogen gegenrechtsextreme wie terroristische Anschläge gesi-chert werden müssen.

Baustein B gibt Anregungen für eine Begegnung derSchüler mit jüdischem Leben an ihrem Heimatort,wie es vor der Zeit des Nationalsozialismus dortexistiert hat. Auch diese Spuren sind lebendig, wennman sie sieht und deuten kann. Hinter den gegen-wärtigen Zustand geht der Blick zurück in die Ge-schichte des Judentums in Deutschland.

Im Baustein C erfahren die Schüler etwas über Be-gegnungen mit Juden, die in Deutschland leben:Zeitzeugen, die die Vernichtung überlebt haben, de-ren Kinder, Enkel und jüdische Einwanderer ausOsteuropa. Die Reaktionen der Umwelt, von denendie Texte berichten, erklären sich auch hier durchVorurteile oder Wissen aus der Vergangenheit.

Ein Projektbericht über den Schüleraustausch zwi-schen deutschen und israelischen Gymnasiasten istim Baustein D abgedruckt. Die Begegnungen fan-den in Deutschland, in Israel und in Polen statt. Da-bei erweist sich, dass Beziehungen auch zwischenjungen Menschen nur gelingen können, wenn dieVergangenheit nicht verschwiegen oder zugedecktwird.

Ziele

So soll dieses Heft durch Information und durchBegegnungen mit jüdischem Leben in Deutschlandaußerhalb und innerhalb der Schule beitragen• zu etwas mehr Toleranz gegenüber Minderheiten,• zu einem friedlichen Umgang zwischen unter-

schiedlichen Religionen,• auch zum Abbau von Unsicherheit, Ängsten und

Vorurteilen• und zur Verhinderung von aggressiven Hand-

lungen.

Das Heft will helfen, die in Deutschland nach wie vorvorhandenen Schwierigkeiten im Umgang mit jüdi-schen Menschen zu klären und – aller Vergangenheitzum Trotz – Begegnung heute möglich zu machen.Sabine Rosenbladt hat die Aufgabe so formuliert:Wir, die multikulturellen Deutschen, könnten in derZwischenzeit üben, die Frage „Sind Sie Jude?“ nichtmehr anders klingen zu lassen als „Sind Sie Katho-lik?“ oder „Sind Sie Vegetarier?“

Inhalte und Methoden

Diese Zielrichtung ist in allen Bausteinen gleich. DieUnterrichtsvorschläge unterscheiden sich aber nichtnur durch die Inhalte, sondern auch wegen der dif-ferierenden methodischen Möglichkeiten, sich mitdem Thema auseinanderzusetzen.

In Baustein A steht als Einführung in jüdische Reli-gion und Lebensweise ein Synagogenbesuch im

5

deshalb auch eine Menge Materialien, die ohne diedazugehörige Eigenaktivität den Schülern Informa-tionen und eine lebendige Vorstellung von jüdi-schem Leben vermitteln.

Diese beiden Zielvorgaben der Materialien führenzuweilen zu Doppelungen. So sind zum Beispiel Abbildungen und Informationen im Heft abgedruckt,die der Synagogenbesucher nicht unbedingtbenötigt, da er sie ja selbst sieht oder hört; aber der,der im Klassenzimmer bleibt, braucht sie und weißdann einiges über Funktion und Aussehen von Sy-nagogen.

Einsatzmöglichkeiten

Das Heft ist hauptsächlich auf den Unterricht in derSekundarstufe I ausgerichtet. Es kann folgender-maßen eingesetzt werden:

– alle Bausteine im Religions- und Ethikunterrichtder Klassen 9 und 10 als Ergänzung zum Lehr-buch oder anstelle der dort vorgeschlagenenTexte

– Baustein B im Geschichtsunterricht der Klassen 7bis 9 (Bevölkerung im Mittelalter, Judenemanzi-pation im 19. Jahrhundert, Judenvernichtung imDritten Reich)

– Baustein C im Deutsch-, Gemeinschaftskunde-und Geschichtsunterricht der Klassen 9 und 10(Lebensberichte, Selbstaussagen, Vorurteile,Minderheiten, Ergänzung zu verschiedenenGanzschriften)

– Das gesamte Heft eignet sich besonders gut fürden fächerübergreifenden Unterricht. Im Gymna-sium ist das Thema „Juden in Deutschland“ di-rekt als fächerverbindendes Unterrichtsthema imLehrplan genannt.

– die Materialien des Heftes eignen sich zum Ein-satz bei Projekttagen. Sie regen zur Selbsttätig-keit an und bieten den Schülern auch die not-wendigen Hilfen zur Durchführung. Dabei kann invier Gruppen gearbeitet werden. Die Ergebnissekönnen dann in einer Ausstellung oder Informati-onsveranstaltung öffentlich gemacht werden.

– Außerdem enthält das Heft mit der Geschichtsta-fel, dem Glossar jüdischer Fachbegriffe, demFestkalender, den Adressen von Ansprechpart-nern hilfreiche Informationen nicht nur für dieBearbeitung der Materialien selbst, sondern auchfür verschiedene Unterrichtseinheiten des Reli-gions-, Ethik-, Geschichts- und Politikunter-richtes.

Karin Schröer

Mittelpunkt. Die Benutzer werden zu einem Gangdurch die Stuttgarter Synagoge eingeladen. WeitereHinweise erleichtern die Übertragung auf andereSynagogen in Baden-Württemberg und öffnen denBlick auf jüdische Feste, Speisegesetze und auf dieGeschichte. Als methodisches Vorgehen zur Er-schließung wird hier ein Lernzirkel vorgeschlagen.

Baustein B soll motivieren, in der Heimat nach Spu-ren jüdischen Lebens zu forschen, Blicke in die Ver-gangenheit der eigenen Umgebung zu werfen undsie dadurch besser kennenzulernen. Dazu werdendie Schüler am Beispiel Haigerlochs auf Spuren-suche geschickt. Als Vorgehensweise ist dafürGruppenarbeit geeignet. Die gesammelten Materia-lien und Informationen sollen zu einer Broschüre,einem „neuen“ Stadtplan oder einer Ausstellung zu-sammengestellt werden.

In Baustein C lernen die Schüler in Deutschlandlebende Juden kennen. Diese erzählen, warum sie inDeutschland leben, wie sie sich fühlen, welche Pro-bleme ihnen begegnen. Natürlich ersetzen dieseTexte nicht die direkte Begegnung mit Juden, abersie sind eine gute – viele Aspekte umfassende –Alternative oder Ergänzung. Als methodisches Vor-gehen empfiehlt sich hier Freiarbeit. Da diese TexteEmotionen wecken, liest sie jeder still für sich undkann nach Interesse und Gefühl bei einzelnen längerverweilen. Gespräche in der Klasse ergeben sichnach der Lektüre von selbst, sicher auch Wünsche,von manchem noch mehr zu erfahren oder einzelneAspekte genauer zu hinterfragen.

Der Projektbericht Baustein D weckt die Lust an derweitestgehenden Aktivität, dem Schüleraustauschmit Israel. Näher kann man jüdisches Leben nichtkennenlernen als durch das Zusammensein mitgleichaltrigen Juden hier oder in einer Familie in Is-rael. Der Baustein zeigt den Weg zu einer solchenPartnerschaft auf, er informiert und dokumentiert ei-nige gelungene Austausche, darunter sogar einen,bei dem deutsche und israelische Jugendliche ge-meinsam eine Reise nach Polen durchführen undAuschwitz besuchen. Die Schüler erfahren, was ge-meinsam möglich ist und wo Probleme gelöst wer-den müssen. Dieser Baustein soll die Neugier unddie Lust wecken, sich selbst auf eine so intensiveBegegnung einzulassen, einen Schüleraustausch zuinitiieren und sich an Jugendreisen nach Israel, wiesie ja auch außerhalb der Schule, z. B. von Jugend-gruppen der Kirchen oder der Gewerkschaften an-geboten werden, zu beteiligen.

Jeder Baustein hat gleichzeitig zwei Aufgaben zu er-füllen: Er soll erstens anregen zu einer aktiven Be-gegnung mit dem jüdischen Leben – möglichst inder Nähe des Heimatortes. Er soll zugleich einenLeitfaden für diejenigen anbieten, die ein solchesProjekt durchführen; mit Adressen, Fragestellungenund Arbeitsblättern.

Zum anderen soll jeder Baustein auch für jene nütz-lich sein, die keine Zeitzeugen einladen, keinenSynagogenbesuch durchführen können. Er enthält

6

BAUSTEIN A

Besuch in einer Synagoge

Zur Einführung

Sechzig Jahre nach der Pogromnacht des 9. No-vember 1938, der Zerstörung fast aller Synagogen-bauten und dem beginnenden Ende der jüdischenGemeinden im nationalsozialistischen Deutschland,belebt und erneuert sich – unter veränderten Vorzei-chen – das jüdische Leben in der Bundesrepublik.

Die Mitgliederzahl der achtzig jüdischen Gemeindenhat sich in den vergangenen zehn Jahren durch dieZuwanderung aus den Ländern der ehemaligenSowjetunion bis August 1998 auf 67 500 verdoppelt.Durch diesen Mitgliederzuwachs und viele Neugrün-dungen ist die jüdische Gemeinschaft in Deutsch-land zur Zeit in einer Phase des Umbruchs und derNeubesinnung. Als einen neuen „Anfang nach demEnde“1 bezeichnete ein Kölner Symposion 1996diese Zäsur in der Geschichte der Neugründung derjüdischen Gemeinden in Deutschland seit 1945.Und die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb an-lässlich der Einweihung der neuen Aachener Syna-goge im Mai 1995, dass die Zeit für den Bau jüdi-scher Gotteshäuser im Augenblick so günstig sei„wie zuletzt Mitte des vorigen Jahrhunderts“2. Stell-vertretend für die zahlreichen sich in Entwicklungbefindlichen Bauprojekte sei die neue SynagogeDresdens genannt, für die bei den Elbterrassen – ihrem historischen Ort – am 9. November 1998 dererste Spatenstich erfolgte.

Ein spezifischer Neubeginn geschieht also, der auchdie Schulen dazu auffordert, sich neu mit den jüdi-schen Gemeinden und ihren Synagogen zu befas-sen und die aktuellen Entwicklungen in die gängigenUnterrichtsreihen zu integrieren. Dies gilt umsomehr, weil die zugehörigen Themen, wie beispiels-weise „Weltreligionen“, „Judentum“, „Nationalsozia-lismus“ und „Holocaust“, heute zwar ihren festenPlatz im Unterricht haben, eine Anbindung an dieAlltagswirklichkeit der Schüler aber häufig fehlt. DieGefahr, dass „nur“ Lehrbuchwissen ohne einen

Lebensbezug vermittelt wird, dass nur „über“, abernicht „mit“ Juden gesprochen wird, deutet sich an.Motivationsprobleme in diesen Themenbereichensind außerdem nur zu bekannt. Ein weiteres Prob-lem ist die Kompetenz der Lehrer, die zwar jüdischeReligion und jüdische Lebensweise aus „Experten-sicht“ vermitteln sollen, aber als Nichtjuden dabeihäufig an Grenzen geraten. Ein Synagogenbesuch in der eigenen Stadt oder inder näheren Umgebung kann dazu positive Impulseund Ergänzungen bieten. Dabei geht es nicht nur umdie Besichtigung eines Gebäudes (noch dazu außer-halb seiner eigentlichen Nutzungszeiten), sondernvielmehr um die Begegnung mit einem Menschen.Für die Schüler bietet sich die seltene Gelegenheit,an einem authentischen Ort mit einem jüdischenGesprächspartner über das Judentum (und häufigauch sich selbst) sprechen zu können. Hier könnensie sich an Ort und Stelle informieren und sich ein ei-genes Urteil bilden. Fremdheit und fehlendes Ver-ständnis werden abgebaut, indem die Schüler mer-ken, dass der „Typ da vorn“ – wie sie sagen – „ganznormal“ ist. In der Offenheit, in der diese Gesprächeerfahrungsgemäß stattfinden, kann das gesamteThemenspektrum jüdischen Lebens angesprochenwerden. Die Stärke vieler Gesprächspartner aus denjüdischen Gemeinden ist es, „Religion gelebt underlebt“ zu haben. Dies spricht Schüler besondersan, wie sich schon bei vielen derartigen Veranstal-tungen gezeigt hat. Hinzu kommt die Motivation,aus der Schule hinausgehen zu dürfen und einenneuen Ort kennenzulernen, an dem besondereSpielregeln gelten (angefangen bei der Kopfbe-deckung bis hin zu den Sicherheitskontrollen). DieBesichtigung des Synagogenraums und die Frage-runde können in einigen Gemeinden (wie z.B. Stutt-gart) durch ein gemeinsames Essen im koscherenRestaurant ergänzt werden. Die Speisegesetze kön-nen dabei praktisch erfahren werden; der mehrkognitiv-argumentative Zugang zum Judentum kannum einen kulinarischen erweitert werden. Erfolgversprechend scheint hierbei ein fächerüber-greifender Ansatz zu sein. Denkbar ist, dass Reli-gion, Ethik, Geschichte, Deutsch, Erdkunde undBildende Kunst zusammenarbeiten und festlegen,an welchem Schnittpunkt der Unterrichtsreihen(Judentum, Stadtgeographie, Jugendbuch oder NS-Zeit) der Synagogenbesuch sinnvoll ist, und welcheVor- und Nachbereitung die einzelnen Fächer leistenkönnen. Außerdem bleibt zu überlegen, ob es auchaußerschulische Gelegenheiten gibt, bei denen mandie Schüler zu einem Besuch in Synagoge undGemeindezentrum ermuntern kann, z.B. zur Ge-denkfeier anlässlich des 9. Novembers oder zuöffentlichen Veranstaltungen wie Konzerten, demWIZO-Basar oder der Woche der Brüderlichkeit (imMärz). Der Jüdischen Gemeinde Mannheim ist esbeispielsweise ein großes Anliegen, in die Stadt hin-einzuwirken und Kulturadresse für alle Mannheimerzu sein.Wie im Baustein B erläutert, bringt es die historischeEntwicklung mit sich, dass heute in den meisten Fäl-

1 Kurt Reumann: Die Zahl der Juden hat sich verdoppelt.In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.4.1996, S. 43.

2 Sebastian Klusak: In welchem Stil sollen wir bauen? Ge-weihte Monumente im Stadtgefüge: Neue Synagogen inAachen und anderswo, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung,18.5.1995, S. 36.

7

len die „Synagoge“, der Gebetsraum im engerenSinn, in ein multifunktionales Gemeindezentrumintegriert ist. Beide Aspekte sollen im Folgendendeshalb berücksichtigt, gleichwohl aber begrifflichvoneinander getrennt werden. Gleiches gilt für dieKonzeption der „Einheitssynagoge“, die orthodoxesund liberales Judentum in einer Gemeinde bzw.Synagoge vereint.

Ziele

Aus den dargelegten Überlegungen ergibt sich einZielspektrum, das sich in zwei Bereiche gliedernlässt. Ein erster Teil kann durch den Einsatz dervorgelegten Materialien (in Verbindung mit denvorhandenen Lehrbüchern) erreicht werden. DieSchülerinnen und Schüler sollen

• wesentliche Merkmale einer Synagoge (evtl. inGegenüberstellung zum Jerusalemer Tempel) auf-zeigen können,

• die Funktionen und die Einrichtung einer Syna-goge in wesentlichen Punkten kennen und dieskonkret auf eine Synagoge in ihrer Nähe (etwaKarlsruhe, Mannheim, Stuttgart) übertragen kön-nen,

• die Stellung der Synagoge innerhalb des religiö-sen jüdischen Lebens erkennen und die gegen-seitige Ergänzung häuslicher und synagogalerTraditionselemente an einem Festtag (RoschHaschana, Pessach, Schabbat) erläutern können,

• die unterschiedlichen jüdischen Lebensweisen(orthodox, liberal) am Beispiel des Umgangs mitden Speisegesetzen und den Sabbatgeboten er-läutern und ihre Auswirkungen auf die Synago-gengemeinde aufzeigen können,

• Stationen der historisch-politischen und architek-tonischen Entwicklung am Beispiel der Stuttgar-ter Synagoge nachzeichnen können und die „ge-brochene Tradition“ der deutschen jüdischenGemeinden wahrnehmen.

Ein zweite Gruppe von Lernzielen kann nur durcheinen Synagogen- oder Gemeindebesuch „vor Ort“erreicht werden. Die Schülerinnen und Schüler sol-len

• eine jüdische Gemeinde und ihre Synagoge bei-spielhaft kennenlernen und sich an diesem au-thentischen Ort mit einem jüdischen Gesprächs-partner über das Judentum austauschen,

• in Erfahrung bringen, in welcher aktuellen Situa-tion sich die jüdische Gemeinde befindet undwelche Veränderung die Öffnung der osteuropäi-schen Grenzen für das Gemeindeleben gebrachthat,

• als Gast bei öffentlichen Veranstaltungen oder imRestaurant das gelebte Judentum als Teil des ge-sellschaftlichen Lebens der BundesrepublikDeutschland erfahren.

Organisation

Allgemein gilt: Voranmeldung; eventuell kurzes Vor-gespräch mit demjenigen, der die Synagogen-führung durchführt; Kopfbedeckung für die männ-lichen Teilnehmer (wird in Mannheim gestellt):gezielte Vorbereitung der Schüler durch Integrationdes Synagogenbesuchs in eine Unterrichtseinheit;offene Fragen und Interessengebiete aus dem Un-terricht zusammenstellen, schriftlich fixieren undmitnehmen.

Anschriften

HeidelbergJüdische KultusgemeindeHäusserstr. 10-1269115 HeidelbergTel. 06221/90 52 40; Fax 16 30 08• Selbstkostenbeitrag bei einer Gruppe bis sieben Per-

sonen 30,– DM, bei einer Gruppe ab sieben Personen60,– DM; schriftliche Voranmeldung

KarlsruheJüdische GemeindeKnielinger Allee 1176135 KarlsruheTel. 0721/7 20 35 (Büro)

MannheimJüdische GemeindeF 3, 468159 MannheimTelefon 0621/153974• Nur Gruppen aus dem Mannheimer Einzugsgebiet,

Gruppengröße: mindestens 15, maximal 35 Teilneh-mer; schriftliche Voranmeldung

StuttgartIsraelitische Religionsgemeinschaft WürttembergsHospitalstr. 3670174 StuttgartTel. 0711/22836-0 (Büro)Tel. 0711/22836-45 (Restaurant „Schalom“)• Schülerliste mit Namen und Adresse, Lehrer mit Per-

sonalausweis. Wegen eventuellem Essen ist separateVoranmeldung im Restaurant Schalom notwendig.

Weitere Gemeinden gibt es in Baden-Baden, Emmen-dingen, Freiburg, Konstanz, Lörrach und Pforzheim.Zusammen mit den jüdischen Gemeinden in Heidelberg,Karlsruhe und Mannheim sind diese Gemeinden zusam-mengeschlossen in derIsraelitischen Religionsgemeinschaft Badens,Postfach 48 06, 76013 Karlsruhe

Informationen für Lehrende

Zu den Themen „Synagoge“ und „jüdische Religion“liegt eine Fülle von Materialien vor, die eine schnelleund umfassende Information für den Lehrer ermög-lichen. Vergleichbar ist die Situation bei den Lehr-büchern der Fächer Ethik, Religion und Geschichte.

8

Vorschläge für den Unterricht

Für die Erarbeitung bietet sich die Form des Lernzir-kels an (s. S. 9). Für jüngere Schüler könnten die Fo-tos in ihren Gemeinsamkeiten und Unterschiedenzum Ausgangspunkt gewählt werden. Die Materia-lien A 1 bis A 3 geben Grundinformation über dieSynagoge und ermöglichen die Betrachtung einesGrundrisses der noch zu besuchenden oder bereitsbesuchten Synagoge. Durch Entfernen der „Lösun-gen“ aus A 2 und A 3 kann ein Arbeitsblatt erstelltwerden. (Zusätzliche Informationen zur historischenEntwicklung bietet u.a. Monika Grübel, S. 5 und47f.). Weitere Einrichtungsgegenstände undFunktionsräume können bei der Führung erfragtwerden. (Selbstverständlich sind nicht alle Räum-lichkeiten des Gemeindezentrums für eine Besichti-gung geöffnet. Ausnahmen bilden etwa der WIZO-Basar oder Festveranstaltungen.)

Konkretes jüdisches Leben kann durch die folgen-den Texte (A 4 bis A 8) kennengelernt werden, dieeiner intensiveren Erschließung durch Arbeitsanwei-sungen (etwa als Teil eines Lernzirkels) oder ein ge-lenktes Unterrichtsgespräch bedürfen. Entschei-dend ist, dass die gegenseitige Ergänzung vonhäuslicher und synagogaler Liturgie erkannt wird.Eine ergänzende, anschauliche Form von Unterrichtwäre ein „Schnellkurs“ in koscherer Küche, der sich,wie die Erfahrung zeigt, ohne großen Aufwand ver-wirklichen lässt, wenn man z.B. Mazzeknödel (einPessach-Gericht) zubereitet (vgl. Noemi Berger,S. 53; weitere Rezepte: A 5). Dadurch werden dieSpeisegesetze und die symbolischen Festtagsge-richte den Schülern „greifbar“ näher gebracht.

•• Diese Einführung ins Judentum „durch dieKüchentür“, wie sie u.a. Kantor Frank Barth prakti-ziert, hat aber im nichtjüdischen Bereich ihre ein-deutigen und unüberschreitbaren Grenzen. Ein ver-einnahmender Nachvollzug oder gar ein „Imitieren“der jüdischen Gebete und Symbolhandlungen, ein„Feiern“ im engeren religiösen Sinne wäre verfehltund würde das angestrebte gegenseitige Verständ-nis nicht fördern, sondern gefährden.

Als Variation zu der vorgelegten Textauswahl könn-ten auch längere Abschnitte aus den betreffendenJugendbüchern (Auerbacher, Baer, alternativ auchRichter) in Kooperation mit dem Deutschunterrichtgelesen werden. Eine weitere thematische Differen-zierung bieten die Texte A 7 und A 8, durch die sichUnterschiede und Gemeinsamkeiten jüdischerLebensweisen innerhalb der Einheitsgemeinden –vereinfacht gesprochen: der orthodoxen oder libera-len Position – erarbeiten lassen. Wegen der gebote-nen Kürze fehlt die gleichwohl bedeutende konser-vative Richtung.

Von hier aus können im Rückblick auf die Grund-risse (A 2 und A 3) die Auswirkungen dieser Grund-positionen auf den Synagogenbau gezeigt werden:Sie „müssen meist als ,Einheitssynagogen‘ errichtetwerden, das heißt den unterschiedlichen liturgi-

Das Wort Synagoge stammt aus dem Griechischen. Esbezeichnet die Gemeinde ebenso wie den Versamm-lungsort der Gemeinde und entspricht so dem hebräi-schen Bet ha-Knesset (Haus der Versammlung). DieAnfänge der Synagoge liegen bis heute im Dunkeln;doch bezeugen literarische Quellen und archäologischeFunde die Existenz von Synagogen nicht nur in derDiaspora, sondern auch in Palästina und sogar in Jeru-salem schon zur Zeit des Zweiten Tempels [ca. 6. Jahr-hundert v. Chr.]. Die Synagoge war also kein Ersatz fürden Tempel, sondern existierte neben ihm. Im Gegen-satz zum Tempel gab es in der Synagoge nie einen Op-ferkult mit Räucher-, Brand- und Tieropfern. Dieser warausdrücklich dem Tempel vorbehalten. Deshalb besaßeine Synagoge auch keinen Altar. Vielmehr war von An-fang an der Wortgottesdienst charakteristisch für sie: dieLesung aus der Thora und den Propheten, die Schrift-deutung […] und die Gebete. Während der Tempel alsZentralheiligtum dem ganzen Volk Israel diente, war undist die Synagoge Versammlungsstätte einer Gemeinde,gewöhnlich der Bevölkerung eines Ortes. Sie ist bisheute ein Mehrzweckbau: Sie dient zum Gebet, Studiumund Unterricht [s. jiddische Bezeichnung Schul], zuwei-len als Gerichtsgebäude sowie als gesellschaftlichesund kulturelles Zentrum. Die Synagoge ist kein Sakral-bau, kein geheiligter Ort wie etwa eine katholische Kir-che. Sie erhält ihre Bedeutung durch die Tora, die in ihrgelesen wird und die den Gottesnamen trägt. Währendder Kult im Tempel von einer erblichen Priesterkaste,den Kohanim, versehen wurde, wird der Wortgottes-dienst in der Synagoge von Laien gestaltet. Ein Rabbinerist für die Leitung des Gottesdienstes nicht notwendig.Zehn männliche Juden über 13 Jahren bilden den Min-jan, die Mitgliederzahl, die notwendig ist, um … einenvollständigen Gottesdienst abzuhalten. ZwischenTempelkult und synagogaler Liturgie bestehen aber auchwechselseitige Beziehungen. So sind die Gebetszeitenvom Tempelkult her abgeleitet, und die Gebete werdenseit ältesten Zeiten nach Jerusalem gewandt gespro-chen. Dies prägt die synagogale Architektur von der An-tike bis heute.

Monika Grübel: Judentum, a.a.O. S. 47f.

Kohanim: (hebr.) Priester des Jerusalemer Tempels,Plural von Cohen

Diaspora: (griech.) Gebiet, in dem die Anhänger einerReligion in der Minderheit sind

Kaste: Gruppe, sich streng abschließende Gesell-schaftsschicht

Kult: (lat.) Form der Religionsausübung

Liturgie: (griech.) Form des Gottesdienstes

Sakralbau: (lat.) heiliges Gebäude, Gegenteil: Profanbau:unheiliges, alltägliches Gebäude

synagogal: zur Synagoge gehörig

Dieser Baustein soll daher nur spezielle Ergänzun-gen bieten. Grundinformationen zur Synagoge bie-tet u.a. die (nicht-jüdische) Autorin Monika Grübel(siehe Literaturhinweise). Für ältere Schüler könnteder folgende Text in den Lernzirkel integriert werden:

9

schen Bedürfnissen von orthodoxen und liberalenJuden entsprechen. Die Trennung zwischen Män-nerbänken und Frauenempore, die Stellung desThoraschreins gen Jerusalem muss exakt einge-halten werden, eine Mikwe (rituelles Bad) in denKomplex mit eingeplant werden“ (Klusak, S. 36).

Diese eher systematische Gesichtspunkte berück-sichtigenden, auf die Gegenwart bezogenen Mate-rialien finden ihre Fortsetzung ab A 13. Eingescho-ben wird am Beispiel der Stuttgarter Synagoge einkurzer historischer Rückblick (A 9 bis A 12, weitereMaterialien bei Hahn). Die Geschichte der alten undneuen Stuttgarter Synagoge fasst die deutsch-jüdi-sche Geschichte wie in einem Brennglas zusam-men. Durch A 10 kann ein weiteres Thema, die Bau-weise der alten Stuttgarter Synagoge, ins Zentrumder Aufmerksamkeit gerückt werden. Der AspektSynagogenarchitektur setzt eine ansatzweise Be-schäftigung mit Kirchenbau voraus, die entwederder Religions-, Ethik- oder der Kunstunterricht über-nehmen kann. Querverbindungen, etwa nach Berlinund Nürnberg oder in Stuttgart zur damaligenModearchitektur der „Wilhelma“ und ihrem Vorbild,der spanischen Alhambra, lassen sich herstellen.Der künstlerische Aspekt soll aber kein Selbstzwecksein, sondern über das liberale, assimilierte Selbst-verständnis der jüdischen Gemeinde Stuttgarts inder ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Auskunftgeben. Die nächste Station (A 12) zeigt das Endedieser Hoffnung auf Integration und Gleichberech-tigung durch die Pogromnacht am 9. November1938. Durch Fotos aus der Gegenwart (A 13 bisA 15) wird abschließend ein kurzer Einblick in heuti-ges jüdisches Leben in Baden-Württemberg gege-ben, der Impulse für weitere Exkursionen und Pro-jekte liefern kann.

Beispiel eines Lernzirkels

Der folgende Lernzirkel bietet einerseits mehrStationen und Materialien als im Unterricht einsetz-bar sind, andererseits weist er auch Lücken auf. Derabgedruckte „Laufzettel“ orientiert über das Spek-trum des Materials; er müsste für die Schüler neu er-stellt werden, wenn die folgenden Entscheidungendurch den vorbereitenden Lehrer getroffen wordensind:

• Schwerpunktsetzung: die hier vorgelegten Mate-rialien ergänzen oder streichen; nach BedarfSchulbücher hinzunehmen

• Zeitrahmen klären (mindestens Doppelstunde;Zeit für die Auswertung reservieren)

• Fixierung und Präsentation der Ergebnisse (Heft,Projektbuch, Plakat?)

• Auswahl obligatorischer und fakultativer Statio-nen sowie der Arbeitsformen

• Schwierigkeitsgrad

• Formulieren von Arbeitsaufträgen für die ausge-wählten Materialien.

Laufzettel für die Lernzirkel

Nr. Stichwort Raum erledigt?

Funktion und Einrichtung einerSynagoge

A 1 Aufgaben und Einrichtung

A 2 Innenraum der Synagoge Stuttgart

A 3 Innenraum der Synagoge Karlsruhe

Jüdische Feiertage und Feste

A 4 Schabbat feiern: zu Hause oder inder Synagoge (Text aus Göppingen)

A 5 Menüvorschlag für Rosch Haschana

A 6 Rosch Haschana feiern,in der Synagoge Stuttgart

Vielfalt in der Einheitsgemeinde

A 7 Sabbatruhe und Speisegesetze:orthodoxe Position

A 8 Sabbatruhe und Speisegesetze:liberalere Position

Die alte Stuttgarter Synagoge

A 9 Gedenktafel für die Gefallenen

A 10 Alte Stuttgarter Synagoge, außen

A 11 Alte Stuttgarter Synagoge, innen

Der 9. November 1938

A 12 Brand der Stuttgarter Synagoge

Neue, andere jüdische Gemeinden

A 13 Neue Stuttgarter Synagoge, innen

A 14 Überreste der Gesetzestafeln

A 15 Neue Karlsruher Synagoge, innen

10

Jüdische Feste und Feiertage

Auswahl und Zusammenstellung: Erika Dürr

Schabbat: (hebr. ruhen). Der siebte Tag der Woche undder Schöpfung. Er wird zur Erinnerung an das RuhenGottes nach der Schöpfung der Welt als absoluterRuhetag gefeiert.

Rosch Haschana: Jüdisches Neujahrsfest, 1. und 2.Tischri (September/Oktober). Es hat den Charakter ei-nes Gerichtstages und ist gleichzeitig der Beginn vonzehn Bußtagen, die mit dem Yom Kippur enden.

Sukkot: Laubhüttenfest, 15.–21. Tischri (September/Oktober), erinnert an die Zeit, als die Isrealiten auf demWeg ins gelobte Land waren. Es folgt unmittelbar auf diezehn Bußtage, die mit dem Neujahrsfest beginnen. DasFest dauert sieben Tage, die in einer nach genauen Vor-schriften leicht gebauten Hütte (Sukka) verbracht wer-den. Sukkot ist zugleich Dankfest zum Abschluss derErnte.

Simchat Tora: 23. Tischri (September/Oktober), ist der„Tag der Gesetzesfreude“, der letzte Tag der Sukkot-woche. Es ist der Tag, an dem der Jahreszyklus derThora-Lesung in der Synagoge abgeschlossen wird.

Chanukka: (hebr. Einweihung). Es handelt sich um einachttägiges Fest, das zur Erinnerung an die Rückerobe-rung und Reinigung des Tempels in Jerusalem zur Zeitder Makkabäer 25. Kislew - 2. Tewet (November/Dezember) gefeiert wird. Es ist ein frohes Fest, bei demin einer bestimmten Reihenfolge acht Kerzen desChanukkaleuchters angezündet werden.

Purim: 14. Adar (Februar/März). Losfest, Freudenfestzur Erinnerung an die Errettung der persischen Judenvor der Verfolgung Hamans, Minister am Hofe Xerxes I.(519–465). Der Tag der Vernichtung war durch das Losbestimmt worden (Esther 3, 7).

Pessach: 15.–22. Nissan (März/April). Es ist ein Früh-lingsfest und erinnert an den Auszug aus Ägypten. Esbeginnt mit dem Sederabend.

Schawuot: 6. Siwan (Mai/Juni). Das „Wochenfest“ erin-nert daran, dass Gott dem Volk Israel sieben Wochennach dem Auszug aus Ägypten die Gesetzestafeln(Zehn Gebote) gab. Es ist ein Fest großer Freude.

Yom ha Shoa: 27. Nissan (April) Gedenken an die Shoa.

Yom Kippur: Versöhnungstag, 10. Tischri (September/Oktober). Er ist der ernsteste der jüdischen Feiertage,gekennzeichnet durch Buße und strenges Fasten. Aus-söhnung mit den Mitmenschen machen die Versöhnungmit Gott möglich. Es ist der einzige Tag, an dem in Israeldas öffentliche Leben zum Stillstand kommt.

LiteraturhinweiseAuerbacher, Inge: Ich bin ein Stern. Weinheim, Basel: Beltz &

Gelberg, 1992

Baer, Edith: Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht. Frank-furt/Main: Fischer-Taschenbuch, 1995

Berger, Dr. Joel [Landesrabbiner der Israelitischen Religions-gemeinschaft Württembergs]: In der Synagoge. In: Anti-semitismus, Vorurteile und Mythen, hrsg. v. Julius H.Schoeps u. Joachim Schlör, Frankfurt/Main o.J. Zweitau-sendeins, S. 67-73

Berger, Noemi: Das koschere Kochbuch. Gelebte Traditionund deren Bedeutung für den jüdischen Alltag undan den jüdischen Feiertagen, Stuttgart 1995. [überWIZO-Gruppe Württemberg e.V. zu beziehen; Tel. (0711)2 26 49 01; Fax 2 28 36 18; Preis 29 DM]

Folberg, Neil/ Yom Tov Assis: Dass ich mitten unter ihnenwohne. Historische Synagogen, Frankfurt/Main: Zwei-tausendeins, 1996

Grübel, Monika: Judentum. Köln: DuMont, 1996

Hagemann, Alfred: Jüdisches Alltagsleben und jüdischeKultur – heute und in der Verfolgungssituation der NS-Zeit. In: Ulrike und Bernhard Breunig (Hg.): Fächerüber-greifender Unterricht. Kissing: Weka 1997, 12/2.2,S. 1–37

Hahn, Joachim: Synagogen in Baden-Württemberg. Stutt-gart: Theiss, 1987

Hammer-Schenk, Harold: Synagogen in Deutschland. Ge-schichte einer Baugattung im 19. und 20. Jahrhundert,2 Bde., Hamburg: Christians, 1981

Jüdisches Gemeindezentrum Mannheim F3: Festschrift zurEinweihung. Hrsg. vom Oberrat der Israeliten Badens,Karlsruhe, Mannheim: Verlagsbüro von Brandt, 21990

Krinsky, Carol Herselle: Europäische Synagogen. Architektur,Geschichte und Bedeutung, Wiesbaden: Fourier, 1988

Lau, Israel M.: Wie Juden leben. Glaube, Alltag, Feste,Gütersloh: Gütersloher Verlags-Haus Mohn, 1990

Internet-Auswahl (Stand: April 1999)

http://www.bwue.de/highligh.htm

Synagogen in Deutschland allgemeinhttp://hagalil.com/brd/synagogn.htm

Synagoge Augsburghttp://www.augsburg-online.de/sehens/synagoge.htm

Berlin, Neue Synagogehttp://www.snafu.de/~cjudaicum/

Essenhttp://www.essen.de/kultur/synagoge

Karlsruhe (historisch)http://www.archinform.de/projekte/6193.htm

Kölnhttp://www.sgk.de/sgkdeu1.htmhttp://www.sgk.de/synagogehttp://www.sgk.de/gemeinderessourcen.htmhttp://www.sgk.de/gottzeit.htmlhttp://www.sgk.de/roshhash.html

Jüdisches Leben allgemein (u.a. Festtage, koschereKüche)http://www.hagalil.com (deutsch)http://www.virtual.co.il (englisch)

11

Spurensuche ist in starkem Maße von der zur Ver-fügung stehenden Zeit abhängig. Aus diesem Grundwird dieser Baustein verschiedene Schritte eröffnen– Schritte, die einzeln gangbar sind (verknüpft mitdem jeweiligen Schwerpunkt der Klasse), die aberauch aufeinander aufbauend eine intensive Be-schäftigung mit den Spuren jüdischer Geschichteermöglichen.

Bei der Suche nach steinernen Zeugnissen undSpuren ist es wichtig zu berücksichtigen, dass sol-che Spuren ein Außen (die Hausfassade, der Grab-stein) und ein sich dahinter verbergendes, manch-mal auch verborgenes Innen haben. Diese innereQualität zu erkennen, zum Beispiel durch die Ver-knüpfung mit Lebenserinnerungen (z. B. Inge Auer-bacher: Ich bin ein Stern), ist Ziel der Spurensuche.

Die Anregungen sind hier so dargestellt, dass sie alsUnterrichtsmaterial wie auch als Grundlage für eineExkursion herangezogen werden können. Exempla-

BAUSTEIN B

Spurensuche am Heimatort

Zur EinführungSpurensuche an einem Ort mit jüdischer Geschichtebegleitet und unterstützt einen Lernprozess, dersensibel machen möchte für historische und politi-sche Prozesse, die gekennzeichnet sind von Konti-nuität und Wandel, Umbrüchen und Gewalt. Gleich-zeitig soll Sensibilität für die Geschichte und dasSchicksal von Menschen geweckt werden. Spuren-suche beabsichtigt, zur Erinnerung zu motivierenund auf anderen Erfahrungsebenen vermittelbaresWissen zu veranschaulichen.

Ehemalige Synagogen, Gedenkstätten und Museen zur Geschichte der Juden in Baden-Württemberg

Zusätzliche Informationen in „Gedenkstätten in Baden-Württemberg“ bzw. über www.lpb.bwue.de

Einrichtung und Ort: Kontaktadressen: Telefon: Telefax:

Museum Synagoge und Friedhof Affaltrach Dorfbergstr. 15 74182 Obersulm- (07130) 6478Affaltrach

EhemaligeSynagoge und Friedhof Baisingen Postfach 29 72101 Rottenburg a.N. (07472) 165351 (07472) 165286Museum und Friedhof Buttenhausen Bachwiesenstraße 7 72525 Münsingen (07381) 182115 (07381) 182101Mikwe „Jordanbad“– Stadtmuseum und Friedhof Eppingen Rathausstraße 14 75031 Eppingen (07262) 920115 (07262) 920177Päd.-KulturellesCentrum – EhemaligeSynagoge Freudental Strombergstraße 19 74392 Freudental (07143) 24151 (07143) 28196Ehem. jüdischesSchulhaus –Bürgerhaus und Friedhof Gailingen Postfach 1117 78260 Gailingen (07734) 930320 (07734) 930350Jüdisches Museum und Friedhof Göppingen- Schlossstraße 14 73033 Göppingen (07161) 979-522 (07161) 979-521

JebenhausenWohnviertel,ehemalige Synagoge und Friedhof Haigerloch Weildorfer Kreuz 22 72401 Haigerloch (07474) 2737 (07474) 8007Alte Synagoge und Friedhof Hechingen Goldschmiedstraße 22 72379 Hechingen (07471) 621031Ehemalige Synagoge und Friedhof Hemsbach Schlossgasse 41 69502 Hemsbach (06201) 67181Ehem. Beetsaal(im Keckenburg-Museum) Schwäbisch Hall Ob. Herrengasse 6–10 74523 Schwäbisch Hall (0791) 751289Ehemalige Synagoge und Friedhof Kippenheim Schmieheimer Str. 112 77971 Kippenheim (07821) 67820Gedenkstätteehemalige Synagoge und Friedhof Michelbach Rathaus 74599 Wallhausen (07955) 2155

a. d. LückeEhemalige Synagoge und Friedhof Oberdorf- Spitalplatz 1 73441 Bopfingen (07362) 3855

BopfingenEhemalige Synagoge und Friedhof Rexingen Priorbergstraße 7 72160 Horb (07482) 91163Ehemalige Synagoge Rottweil Krummer Weg 54 78628 Rottweil (0741) 4345 (0741) 4345Museum zur Geschichtev. Christen u. Juden und Friedhof Schloß Kirchberg 11 88741 Laupheim (07392) 912610 (07392) 912612

GroßlaupheimEhemalige Synagoge und Friedhof Sennfeld Untere Eckenbergstr. 26 74740 Adelsheim (06291) 1408Ehemalige Synagoge und Friedhof Sulzburg Hauptstraße 60 79295 Sulzburg (07634) 5600-35 (07634) 5600-50Ehemalige Synagoge und Friedhöfe Wenkheim Kapellenstraße 2 97941 Tauberbischofsheim (09341) 12190

An zahlreichen anderen Orten befinden sich jüdische Friedhöfe, insgesamt 144 (vgl. Karte S. 12). Auch dort können in Einzelfällen sachkundigeFührungen erfragt werden. Sie wenden sich wegen Auskünften dazu am besten an die Gemeindeverwaltungen.

12

rischer Ort der ausgearbeiteten Vorlagen ist Haiger-loch. Die einzelnen Schritte können auf andere Orteübertragen werden. Für die Vorbereitung wichtigeInformationen finden sich in der Broschüre „Ge-denkstätten in Baden-Württemberg“, dem Buch„Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichtein Baden-Württemberg“, der Reihe „Orte jüdischerKultur“ können die für die Vorbereitung wichtigen In-formationen entnommen werden sowie im Internet(über: www.lpb.bwue.de).

Diese Schritte sind für die Spurensuche in kleinenund mittleren Orten formuliert – also für die Orte, indenen jüdische Landgemeinden bestanden. Die Be-zeichnung „Jüdische Landgemeinden“ steht fürOrte früherer jüdischer Gemeinden in Dörfern undKleinstädten, die im 15. und 16. Jahrhundert Judennach ihrer Vertreibung aus den größeren Städtenaufnahmen. Gegen Schutzgeld und unter hartenAuflagen konnten sich die Familien ansiedeln. Werfür einen solchen Ort eine Kontaktadresse sucht,kann die Broschüre „Gedenkstätten in Baden-Würt-temberg“ heranziehen.

Erkundungsaufgaben, kombiniert mit spielerischenElementen zu einem Suchspiel oder Quiz erweitert,

Jüdische Friedhöfein Baden-Württemberg

Abb. aus Joachim Hahn: Erinnerungen undZeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Stuttgart 1988, S.108

können für die Schülerinnen und Schüler ein Zugangzum jeweiligen Ort sein. Es kann nach einer der fol-genden Varianten vorgegangen werden:• Zu vielen Orten früherer jüdischer Gemeinden lie-

gen Publikationen mit reichhaltigen Abbildungenvor: Die Schülerinnen und Schüler erhalten dieAufgabe, ein Motiv (als Kopie ausgehändigt) imOrt zu finden und zu beschreiben.

• Jüdisches Leben lässt sich an verschiedenen Ge-bäuden und Plätzen erkennen: Die Gruppe solldiese Gebäude und Plätze anhand eines (überar-beiteten) Ortsplans ohne Straßen- und Gebäu-debezeichnungen finden und im Plan eintragen.

• Spuren jüdischen Lebens sind auch die Erinne-rungen der Bevölkerung am jeweiligen Ort: Gutvorbereitete Gruppen können Einwohnerinnenund Einwohner befragen – nach Gebäuden undPlätzen, aber auch nach eigenen Erinnerungenund Erfahrungen.

In Großstädten ist es gut möglich, eine Exkursionvon einer sachkundigen Person begleiten undführen zu lassen. Kontaktadressen hierfür sind dieGesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammen-arbeit (Freiburg, Heidelberg, Karlsruhe, Mannheim,

13

Ravensburg, Stuttgart), die deutsch-israelischenGesellschaften (Baden-Baden, Freiburg i.Br., Hei-denheim, Konstanz, Stuttgart, Ulm) und die jüdi-schen Gemeinden (Baden-Baden, Emmendingen,Freiburg i.Br., Heidelberg, Karlsruhe, Konstanz, Lör-rach, Mannheim, Pforzheim, Stuttgart).

Informationen über Kontaktadressen

Deutscher KoordinierungsRat der Gesellschaften für Christ-lich-Jüdische ZusammenarbeitPostfach 1445 · 61214 Bad NauheimTel. 06032/91110 · Fax: 06032/911125E-Mail: DKR@aranea-de

DIG-Bundesgeschäftsstelle: Martin-Buber-Straße 12,14163 Berlin, Tel. 030/80907028 · Fax 030/80907031

Spurensuche am eigenen Wohn- oder Schulort

•• Eine Übersicht über ehemalige Synagogen, Ge-denkstätten und Museen zur Geschichte der Judenin Baden-Württemberg ist hier abgedruckt (S. 11).Diese Stätten sind auf Besucher eingerichtet undbieten Führungen sowie pädagogische Handrei-chungen. Sie werden oft ehrenamtlich betreut. Da-her wird um frühzeitige Kontaktaufnahme gebeten.

• Anhand von Karten und einem Stadtplan Bezeich-nungen suchen, die für eine frühere jüdische An-siedlung sprechen. Beispiele sind: Judenwinkel(Flurnamen); Judengasse, Schulstraße (Straßenna-men).• Kontaktaufnahme mit dem Zuständigen des Orts-archivs (Frage nach jüdischen Familien, Betriebenjüdischer Gründung) und zu eventuell bestehendenInitiativen (Gedenkstättenverein, Geschichtswerk-statt o.ä.).• Eigene Recherche anhand von Hinweisen in derLiteratur (vgl. Literaturhinweise zu diesem Baustein),besonders: Erinnerungen und Zeugnisse jüdischerGeschichte in Baden-Württemberg.• Kontaktaufnahme zu älteren Bewohnern des Ortes, die in ihrer Kindheit und Jugend jüdischeFamilien kannten.• Wo es möglich ist, auch Kontaktaufnahme zu frühe-ren jüdischen Familien und deren Nachkommen.

Jüdisches Wohnviertel

Das kulturelle und religiöse Leben früherer jüdischerGemeinden ist an den Einrichtungen oder Plätzeneiner Gemeinde ablesbar: Synagoge, Badhaus,Schulhaus, Rabbinat, Mazzenbäckerei können auf-gesucht, eventuell besichtigt und beschrieben wer-den. Moderne Gemeindezentren heutiger jüdischerGemeinden fassen diese Funktionen in einemGebäude zusammen. Die Bezeichnungen der Ein-richtungen jüdischer Gemeinden können in einervorbereitenden Einheit besprochen und erklärtwerden.

Der Plan B 1 zeigt beispielhaft das Ergebnis einesRundgangs durch Haigerloch. Das Arbeitsblatt fürdie Schüler enthält zunächst nur die Ziffern 1 bis 11;die Namen und Funktionen der Gebäude sollen dieSchüler erst erfragen und dann eintragen.

Frühere SynagogenIn vielen Orten, in denen früher jüdische Gemeindenbeheimatet waren, sind die Gebäude der ehemali-gen Synagogen erhalten, zum Teil restauriert,manchmal auch umgebaut, umgenutzt und nichtmehr als Synagoge erkennbar. Die überwiegendeZahl der früheren Synagogen wurde in der Reichs-pogromnacht am 9. November 1938 zerstört, in denfolgenden Jahren „arisiert“ und für andere Nut-zungszwecke umgebaut. (In Haigerloch wollte dieHitlerjugend eine Turnhalle einrichten.) Diese demursprünglichen Sinn und Wert des Gebäudes wider-sprechende Nutzung besteht zum Teil bis heute(auch in Haigerloch). An manchen Orten (Baisingen,Freudental, Hechingen, Sulzburg und andere) wur-den die Gebäude restauriert und wieder zugänglichgemacht.Am Beispiel Haigerloch kann der Prozess, den einsolches Gebäude im Lauf der Jahrzehnte durchge-macht hat, nachgezeichnet werden (B 2). Der Um-gang mit der jüdischen Geschichte kann aufgezeigtwerden, auch als Impuls, um über zeitgemäße For-men der Erinnerung ins Gespräch zu kommen. DieBedeutung, die eine Synagoge für die jüdische Ge-meinde hatte, wird in dem Bericht Inge Auerbachers(„Ich bin ein Stern“, 1992, S. 13–15) anschaulichbeschrieben. Bei der Besichtigung der früherenSynagoge Haigerlochs kann zunächst das Gebäudegenau betrachtet werden; dabei können die„Spuren“ der Geschichte aufgezeigt werden.

Das Schicksal der Synagoge Haigerloch seit 1930

1930 Synagoge der jüdischen Gemeinde1938 Schändung in der Reichspogromnacht1939 Umbau zur Turnhalle,

dann Lagerraum der Deutschen Lufthansa1950 Umbau 1955 Das Gebäude wird als Kino genutzt1998 Erneuter Umbau: Supermarkt, dann Lager-

haus

An Orten, an denen die Synagoge nicht erhalten ist,kann beispielsweise die Spur der „Mesusa“ (B 3) anden rechten Türrahmen früherer jüdischer Wohn-häuser gesucht werden. Die Mesusa ist bis heuteein Merkmal jüdischer Häuser: Am rechten Türrah-men wird eine Kapsel befestigt, die auf einem Per-gament das jüdische Glaubensbekenntnis (Sch’maIsrael) enthält. Diese Kapsel wird beim Betreten desHauses mit dem Finger berührt. Auch andere – nichtausschließlich religiöse – Bräuche im Zusammen-hang mit der Haustür können Schülerinnen undSchülern in Erinnerung gerufen werden (Beispiel:Weihwasserbecken, Türkränze, Segenssprüche).

Jüdische Friedhöfe

Die etwa 140 jüdischen Friedhöfe Baden-Württem-bergs sind Lernorte in doppelter Hinsicht: Die Merk-male jüdischer Friedhöfe sind Zeugnisse jüdischerReligion (Ausrichtung nach Osten, schlichte Gestal-tung, Symbole) und dokumentieren die Geschichte

14

der jüdischen Gemeinde am Ort (zum Beispiel imWandel der Schrift und der Inschriften).

•• Der Friedhof hat im Judentum besondere Bedeu-tung. Seine Bezeichnungen im Hebräischen sind:„Haus der Gräber“, „Haus des ewigen Lebens“,auch „Haus der Ewigkeit“. Das Grab wird als per-sönlicher Besitz der verstorbenen Person betrach-tet; hier erwartet sie die Ankunft des Messias. DieTotenruhe dauert bis zu diesem Zeitpunkt und darfnicht gestört, das Grab weder aufgelassen nochwieder belegt werden. Es gibt also (im Unterschiedzur Synagoge) keinen „ehemaligen“ oder „geschlos-senen“ Friedhof. Bei aller Schönheit der Grabsteineist der Friedhof auch kein Museum. Daher erfolgenPflege oder Restaurierungen nur in sehr einge-schränktem Maße.

•• Der jüdische Friedhof ist ein „guter“, ein „heiligerOrt“, dessen Besuch bestimmten Regeln unterliegt,die zu beachten sind: 1. Kein Besuch am Schabbat (Freitagnachmittag bis

Samstagabend)!2. Männliche Besucher tragen eine Kopfbedeckung.3. Die Grabflächen sollen nicht betreten werden.

Vorsicht! Die Gräber sind nicht so deutlich um-randet wie auf christlichen oder kommunalenFriedhöfen in Deutschland.

4. Die Grabsteine, häufig aus Sandstein, sind mitt-lerweile oft brüchig und nicht immer ganz stand-fest. Sie sollten daher nicht berührt werden.

Der Besuch eines jüdischen Friedhofs, vor allem einungeführter, sollte erst nach grundlegender Infor-mation der Schüler erfolgen. Lehrer und Schülersollten sich vorher mit den wichtigsten Symbolen (B 4) und Inschriftselementen der Grabsteine ver-traut machen. Eine erweiterte Anleitung und Über-sicht findet sich bei Joachim Hahn: Erinnerungenund Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, S. 55ff. Auf den Grabsteinen der jüdi-schen Friedhöfe finden sich vielfältige Hinweise aufdie Geschichte der jüdischen Gemeinde am jeweili-gen Ort.

Mögliche Arbeitsaufträge für den Rundgang

• Notiere die Unterschiede zu einem kommunalenoder christlichen Friedhof, die dir auffallen.

• Ist in der Gestaltung des Friedhofs eine Gesetz-mäßigkeit zu erkennen? Versuche, die Gräber ei-ner Himmelsrichtung zuzuordnen.

• Wie werden die Gräber geschmückt? Notieredeine Beobachtung?

• Auf christlichen Friedhöfen findet man oft Famili-engräber. Welche Beobachtung machst du hier?

• Suche den Grabstein mit dem ältesten und demjüngsten Sterbedatum.

• Suche Gedenksteine oder Erinnerungstafeln.Welche Jahreszahl tragen sie? Aus welchenGründen wurden sie errichtet?

• Beschreibe oder zeichne einen Grabstein, derdich besonders interessiert. Notiere deine Fra-gen.

• Erstelle eine Liste häufiger Familiennamen. Über-prüfe im Telefonbuch, ob es diese Familiennamenheute noch im Ort gibt.

• Betrachte einige Grabsteine genauer. Zeichne jeein Symbol oder Zeichen, das du auf einem Grab-stein findest.

DavidsternAltes Ornament, das erst in der Neuzeit zu einemzentralen Symbol des Judentums wurde, und des-halb auf jüngeren Grabsteinen zu finden ist. Die bei-den Dreiecke können als symbolische Darstellungder Begegnung von Himmel und Erde verstandenwerden.LevitenkännchenDie Leviten verrichteten im Tempel den rituellen Rei-nigungsdienst. Das Symbol des Kännchen stehtalso für die Nachkommen dieser Leviten, die Fami-lien Levi.Segnende HändeDie segnenden Hände sind ebenfalls ein Namens-symbol: Kahn, Cohn, Cohen, Familien, die diesenNamen tragen, stammen von den PriesterfamilienKohen (hebräisch), die den Segen spenden, ab.BuchEin Symbol der Weisheit, des Wissens und derFrömmigkeit, das den Lebenswandel und den Glau-ben des Bestatteten würdigt.BeschneidungsmesserDie Beschneidung (das Zeichen des Bundes) derneugeborenen Jungen ist ein ehrenvolles Amt in derjüdischen Gemeinde, das vom Beschneider, dem„Mohel“ ausgeübt wird. Das Messer als Grabstein-symbol erinnert an dieses Amt.

LiteraturhinweiseEhmann, Annegret u.a. (Hrsg.): Praxis der Gedenkstätten-

pädagogik, Opladen: Leske+Budrich, 1995Gedenkstätten in Baden-Württemberg. Hrsg. von der Lan-

desarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Gedenk-stätteninitiativen in Baden-Württemberg, Stuttgart, 1998.Bezug: Landeszentrale für politische Bildung, Gedenk-stättenarbeit, Sophienstraße 28-30, 70178 Stuttgart (ge-gen Einsendung eines mit DM 1,50 frankierten Rückum-schlags, möglichst DIN lang)

Hahn, Joachim: Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Ge-schichte in Baden-Württemberg, Stuttgart: Theiss, 1988

Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstan-des und der Verfolgung 1933-1945. Bd. 5: Baden-Würt-temberg I (Regierungsbezirke Karlsruhe und Stuttgart);Bd. 5/2: Baden-Württemberg II (Regierungsbezirke Frei-burg und Tübingen). Frankfurt/Main: Verlag für Akademi-sche Schriften, 1991 und 1997

Orte jüdischer Kultur, Broschürenreihe, bisher erschieneneTitel: Haigerloch, Kippenheim, Laupheim, Rottweil, Ulm(weitere Hefte in Vorbereitung). Bezug: Verlag Medienund Dialog, Klaus Schubert, Postfach 1, 72394 Haiger-loch; Telefon: 07474 / 2737, Telefax: 07474 / 8007

Sauer, Paul: Die Schicksale der jüdischen Bürger Baden-Württembergs während der nationalsozialistischen Ver-folgungszeit 1933-1945, Stuttgart: Kohlhammer, 1969

Toury, Jacob: Jüdische Textilunternehmer in Baden-Würt-temberg 1683-1938, Tübingen: Mohr, 1984

15

Von Dr. Uri Kaufmann

An über 250 Orten lebten Juden im19. Jahrhundert auf dem Gebiet desheutigen Bundeslandes Baden-Würt-temberg (in Baden 1825: 17 577 Ju-den in 173 Gemeinden, in Württem-berg 1818: 8 256 Juden an 79 Orten,in Hohenzollern an drei Orten). Ge-rade die kleinen und armen jüdischenGemeinden auf dem Lande – diegroße Mehrheit vom 16. bis 19. Jahr-hundert – hatten nicht die Mittel, eineeigene Synagoge zu bauen. So rich-teten sie in einem Wohnhaus einenBetsaal ein. Weiter gehörte einTauchbad („Mikiwa“) zur Einrichtung,das sich im Haus des Betsaals oderder Synagoge, manchmal auch beiPrivatleuten befinden konnte.

Der Erwerb von Grundstücken warJuden bis ins 18. Jahrhundert meistnicht gestattet und so taten sich auchweit zerstreut lebende Familienvor-stände zusammen und richteten vom16. bis 18. Jahrhundert Verbands-friedhöfe ein: Oft liegen diese abgele-gen in Wäldern, wie etwa in Unter-grombach, Hemsbach, auf derGemarkung Weildorf bei Haigerloch,in Heinsheim-Bad Rappenau etc. (s.die Karte von Joachim Hahn). Weiteregroße Verbandsfriedhöfe gibt es inKuppenheim (bei Baden-Baden),Schmieheim (bei Freiburg), Wiesloch(bei Heidelberg), Waibstadt (Kr. Sins-heim), Bödigheim (bei Buchen), Berli-chingen, Neckarsulm, Unterbalbach(bei Bad Mergentheim) Mühringen(Kreis Horb).

War die Gemeinde etwas größer,konnte sie sich ein eigenes Schlacht-haus leisten. Hohe Bedeutung hattedie Fürsorge: Arme durchziehendeJuden wurden in einer „Schlafstätte“,in kleinen Gemeinden auch durchÜbernachtung in privaten Häusernversorgt. Oft gruppierten sich die jü-dischen Familien um die Gemeinde-einrichtungen, auf dem Lande gab eskeine Ghettos mit Mauern und Torenwie in Venedig oder Frankfurt. InMannheim wurden ihnen vom Kurfür-sten im 17. Jahrhundert zum Wohnenbestimmte Planquadrate angewie-sen. Nach 1815 bauten die Judennach Vorschrift der Regierungen ein„israelitisches Volksschulwesen“ auf.Vereinzelt haben sich diese Schulge-bäude ebenfalls erhalten (so in But-tenhausen oder Gailingen). Oft be-fand sich die Rabbiner- oderLehrerwohnung im selben Gebäude.Jetzt konnten sich viele Landgemein-den einen eigenen Friedhof einrich-ten, sie machen die Mehrzahl der erhaltenen Grabstätten aus.

Die jüdischen Händler und Hausiererwaren ein Bindeglied zwischen Stadtund Land. Als im 19. Jahrhundert dieDiskriminierungen für Juden abge-schafft wurden, konnten sich einigeHäuser bauen, die sie nach städti-schen Vorbildern errichten ließen. Oftfindet man deshalb in einem „Juden-dorf“ städtisch wirkende Bauten, bei-spielsweise im südbadischen Gailin-gen. Mit der Erteilung des Rechts zurfreien Niederlassung für Juden wan-derten in den 1860er Jahren viele indie großen Städte aus. Einige Land-gemeinden lösten sich daher vor1933 auf. In südbadischen Städtenwie Freiburg und Konstanz sowie inStuttgart wurden sie erst von den1860er Jahren an zugelassen. Diestädtischen Gemeinden wiesen oftmehrere Betsäle und sogar Synago-gen auf; Spitäler und Gemeindehäu-ser, oft auch neue Friedhöfe wurdenerrichtet. Das gesellschaftliche Lebenspielte sich in vielen Vereinen, jüdi-schen, wie allgemeinen, ab. Die Ver-folgungen der Nazizeit zerstörten dasjüdische Leben in Südwestdeutsch-land.

Tipps zumWeiterforschenAlle Synagogen Baden-Württem-bergs sind am 9./10. November 1938entweder verbrannt und abgebro-chen oder zumindest innen zerstörtworden. Friedhöfe wurden geschän-det, meist aber nicht abgeräumt, weildie Nazis mittels der Grabsteinin-schriften Rassenforschung betreibenwollten.Wo Juden lebten, könnt Ihr in denbeiden Büchern von Franz Hundsnur-scher/Gerhard Taddey, „Die jüdi-schen Gemeinden in Baden“ (Stutt-gart 1968) und Paul Sauer, „Diejüdischen Gemeinden in Württem-berg und Hohenzollern“ (Stuttgart1966), nachlesen. (Geht auch dendort angegebenen älteren Büchernnach: Wie hat man vor 1945 überJuden berichtet?). Die Bildteile gebeneinen Eindruck von Synagogen undFriedhöfen vor ihrer Zerstörung undSchändung. Jüngst wurden neuePhotos badischer Synagogen durchdas Generallandesarchiv in Karlsruheentdeckt (Franz-Josef Ziwes, „Badi-sche Synagogen“, Karlsruhe 1997).Gute kleine Pläne und Hinweise aufneuere Literatur enthält das Buch„Erinnerungen und Zeugnisse jüdi-scher Geschichte in Baden-Württem-berg“ von Joachim Hahn (Stuttgart1987).An Orten mit großer jüdischer Bevöl-kerung gibt es meist Straßen, die von

älteren Leuten „Judengassen“ ge-nannt werden (Sulzburg i.Br.). In Hai-gerloch vertrieb der Fürst zu Hohen-zollern-Sigmaringen die Juden 1780aus der Stadt und wies ihnen einenPlatz „im Haag“ zu. Dieser Platz gibtwohl am besten die Atmosphäre ei-ner jüdischen Landgemeinde wieder.(Leider fristet die Synagoge dort im-mer noch ein Dasein als Textillager).Joachim Hahn hat dokumentiert,dass man in den 1980er Jahren be-gann, ein paar nicht abgebrocheneSynagogen als Denkmale jüdischerKultur zu schätzen, s. sein kleinesBuch „Synagogen in Baden-Würt-temberg“, Stuttgart 1987.

Über jüdisches Leben kann man vielin Memoiren erfahren; Beispiele fürdie Zeit von 1780 bis 1933 für Karls-ruhe, Eppingen, Rust, Tauberbi-schofsheim bei Monika Richarz, Jüdi-sches Leben in Deutschland.Selbstzeugnisse zur Sozialge-schichte, 3 Bde., 1780-1945, Stutt-gart 1979-82 (auch Kompaktaus-gabe). Den ausführlichsten Berichtvom Leben auf dem Lande, hier fürdie Stadt Niederstetten, gibt BrunoStern. So war es (Sigmaringen 1985).Zu empfehlen sind die kurzen Erzäh-lungen von Jacob Picard über dasländliche jüdische Leben in Südba-den (Werkausgabe, Fauthe-VerlagKonstanz). Volker Keller hat die bestePhoto-Dokumentation städtisch-jüdi-schen Lebens herausgegeben(Mannheim.). Besonders gut gelun-gen ist die Spurensuche von Elisa-beth Kallfass, Breisach Judengasse.Ein Lesebuch (Breisach 1993).

Im Revolutionsjahr 1848 spitzte sichdie Judenfeindschaft eines Teils derbäuerlichen Bevölkerung so zu, dasses zu Ausschreitungen kam (StephanRohrbacher, Gewalt im Biedermeier.Antijüdische Ausschreitungen in Vor-märz und Revolution [1815-1848/49],Frankfurt 1993, S. 186-201, 207210).Die durch die Verfolgungen 1933-45geprägten Lebensläufe hat WalterStrauss, Lebenszeichen, Juden ausWürttemberg nach 1933, Gerlingen1982, verfolgt.

Immer noch aktuell sind die älterenÜberblicke von Berthold Rosenthal,Heimatgeschichte der badischen Ju-den, Bühl 1927 und Rabbiner AronTänzer, Geschichte der Juden inWürttemberg, Frankfurt 1937.

Am besten könnt Ihr laufende Arbei-ten durch die Bibliographie des LeoBaeck Year Books (Secker and War-burg Verlag, London) 1956 ff. verfol-gen, aber auch die Landesbibliogra-phie Baden-Württembergs weist dasStichwort „Judentum“ auf.

Sichtbare Zeugnisse jüdischen Lebens

16

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinden im Südwesten

1281

Juden erstmals in Calw nachweisbar

13./14. JahrhundertDrei Pogromwellen gegen Juden: durchdie Banden des Ritters Rindfleischaus Röttingen/Unterfranken (1298),„Judenschläger“ unter „König Armle-der“, einem Ritter von Uissigheim/Küls-heim (1335–37) und – unter dem Vor-wand der Brunnenvergiftung – währendder Pestjahre 1348/49 an fast allen Orten

1498Ausweisung durch Graf Eberhard imBarte

18. JahrhundertZu Anfang des Jh. leben einige Judenals Hofschutzjuden oder Hoffaktoren inWürttemberg (z. B. Josef Süß Oppenhei-mer, genannt Jud Süß).

19. JahrhundertAm Anfang des Jh. leben 534 Juden inWürttemberg

1806Kurfürst Friedrich hebt das Aus-schließungsgesetz auf

18107000 Juden im Königreich Württemberg(nach der Gebietserweiterung durchNapoleon)

1828Gesetz, „mit dem die öffentlichen Ver-hältnisse der israelitischen Glaubens-Genossen im Königreich durch eine zeit-gemäße Gesetzgebung mit derallgemeinen Wohlfahrt in Übereinstim-mung zu bringen, und die Ausbildungund Befähigung dieser Staats-Angehöri-gen zum Genusse der bürgerlichenRechte gegen Übernahme der bürgerli-chen Pflichten möglichst zu befördern“sind

1861Aktives und passives Wahlrecht zurStändeversammlung

1864Bürgerliche Rechtsgleichheit, Aufhe-bung des Judeneides*

1871Übernahme des Bundesgesetzes, dasauch Mischehen erlaubte; damit Eman-zipationsgesetzgebung abgeschlossen

19331. April Judenboykott (im ganzen Deut-schen Reich). Anfang Juni streicht dasStaatsministerium den Staatsbeitrag fürdie Israelitische ReligionsgemeindeWürttemberg. Staatliche israelitischeKonfessionsschulen werden in Privat-schulen umgewandelt.

1934Jüdischer Religionsunterricht an denhöheren Schulen wird aufgehoben

1938Israelitische Gemeinde verliert alleRechte

1939/40Ende 1940 wird begonnen, Städte undDörfer „judenfrei“ zu machen. Es kommtzu Zwangsumquartierung von Juden,z. B. nach Haigerloch

1941/42Gründung sog. jüdischer Altersheime,z. B. in Tigerfeld, Landkreis Reutlingen,mit Zwangseinweisungen

1941Am 1. Dezember Beginn der Deportatio-nen nach Osten

180612 000 Juden leben in Baden

1808Juden dürfen sich am Geburtsort nieder-lassen. Sie gewinnen damit ein Rechtauf Heimat (vorher war Niederlassunggrundsätzlich von einem Schutzbrief*abhängig), sie dürfen Grundbesitz er-werben, Staatsämter in der Exekutiveverwalten und genießen den Schutz desStaates.

1809„Judenedikt“ schreibt vor: allgemeineSchulpflicht, Erlernung eines Berufes,auch Zugang zu akademischer Ausbil-dung, Annahme erblicher Familienna-men

1813Aufhebung des Judeneids*

In Baden 1819Hep-hep-Sturm*

1828Alle Sonderabgaben aufgehoben (steu-erliche Gleichstellung)

1845Nach Mißernten Hass und Gewalt gegenJuden besonders im Odenwald und imKraichgau, Auswanderung von Judennach Amerika

1849Zulassung zum Staatsdienst und Wähl-barkeit zu Abgeordneten

185223 699 Juden in Baden (1,7% der Ge-samtbevölkerung)

1862Gesetz, mit dem die völlige Emanzipa-tion der Juden erreicht wird

1870/71In den Jahren nach dem deutsch-fran-zösischen Krieg antisemitische Hand-lungen

190026 134 Juden in Baden (1,4 % der Be-völkerung), danach stetiger leichterRückgang der jüdischen Bevölkerung

19331. April: Judenboykott

1934Einrichtung jüdischer Klassen und Schu-len mit staatlicher Unterstützung (In Ba-den gab es sonst nur Simultanschulen)

194022.–24. Oktober: Deportation 6 000 ba-discher Juden ins InternierungslagerGurs in Frankreich. Die meisten wurdenspäter in die Vernichtungslager in denOsten deportiert.

In Württemberg

* Vgl. Glossar auf den Seiten 21 und 22

17

Gedenktafeln in Yad Vashem fürdie jüdischen Gemeinden inBaden und Württemberg

Bilder: Harald Roth

1346Erste Erwähnung eines Juden in Haiger-loch

15. und 16. JahrhundertKontinuierliche Ansiedlung einiger Fami-lien in Haigerloch und Hechingen. In derFolgezeit Ausweisung, Neuansiedlungund Ghettoisierung (z.B. 1745 in Hechin-gen)

1850Übergang Hohenzollerns an Preußenbringt weitgehende bürgerliche Gleich-stellung. Die Juden verlieren ihren Status

In Hohenzollernals „Schutzjuden“* und werden dem Ge-setz nach gleichberechtigte preußischeBürger und Untertanen.

19331. April: „Judenboykott“

1940–1942Juden aus Stuttgart und anderen würt-tembergischen Städten werden nachHaigerloch zwangsumgesiedelt

194127. November Beginn der Deportationennach Osten, z. B. nach Riga

1944/1945Nach dem Ende der Deportationen Ein-richtung eines Außenkommandos desKonzentrationslagers Natzweiler/Elsaßin Bisingen mit einer durchschnittlichenBelegung von 1500 großenteils jüdi-schen Häftlingen

1946Nach Auflösung der Massengräber Bei-setzung der dort umgekommenen Per-sonen auf dem Bisinger KZ-Friedhof

Die Situation der Gemeinden nach dem Holocaust

1945Einzelne Überlebende und Heimkehrergründen in Stuttgart die Israelitische Re-ligionsgemeinschaft Württemberg.Stuttgart ist die einzige jüdische Ge-meinde in Württemberg und somitRechtsnachfolgerin aller jüdischen Ge-meinden in diesem Landesteil. Haupt-aufgabe der jungen Gemeinde ist Schaf-fung einer Grundversorgung ihrerMitglieder, denen es an den elementar-sten Dingen fehlt. Außerdem leben in deramerikanischen Zone Hunderte von Dis-placed Persons (DPs) in Lagern ohneKontakte zur Gemeinde mit dem Ziel der

Auswanderung. In der französischenZone leben praktisch keine DPs.

194814. Mai: Gründung des Staates Israel,dadurch Einwanderungsmöglichkeitnach Israel in größerem Maße; nach undnach Schließung der DP-Lager

1952Wiederaufbau der Synagoge Stuttgart.Langsames Ansteigen der Zahl der Ge-meindemitglieder. Ab Ende der fünfzigerJahre auch Rückwanderung aus Israelund Südamerika.

1990hat die Gemeinde etwa 700 Mitglieder

1994Durch Zuwanderung aus den GUS-Staa-ten bereits 1500 über Baden-Württem-berg verteilt, dadurch große organisato-rische und finanzielle Probleme, dahäufig sogar eine Grundausbildung inden Inhalten des Judentums erforderlichist

Jüdische Gemeinden in Baden-Würt-temberg gibt es heute in Baden-Baden,Emmendingen, Freiburg i.Br., Heidel-berg, Karlsruhe, Konstanz, Lörrach,Mannheim, Pforzheim und Stuttgart.

Zusammenstellung: Erika Dürr

18

BAUSTEIN C

Jüdisches Lebenin Deutschland heute

Zur Einführung

Ist nach Auschwitz ein Leben im Land der Täterüberhaupt denkbar? Spätestens nachdem dieWeltöffentlichkeit mit den Menschheitsverbrechenan den europäischen Juden konfrontiert wordenwar, herrschte bei Juden aller Länder die Erwartung,dass kein Jude wieder deutschen Boden betretenwerde. Deutschland werde – wie Spanien nach dergewaltsamen Vertreibung der Juden im Jahre 1492– für eine sehr lange Zeit ein gebanntes Land sein.Leo Baeck, die führende Persönlichkeit des deut-schen Judentums, kam 1945 zu dem traurigen Re-sümee: „Unser Glaube war es, dass deutscher undjüdischer Geist auf deutschem Boden sich treffenund durch ihre Vermählung zum Segen werden kön-nen. Dies war eine Illusion – die Epoche der Judenin Deutschland ist ein für allemal vorbei.“1 RobertWeltsch sprach 1946 aus, was viele dachten: „Wirkönnen nicht annehmen, dass es Juden gibt, diesich nach Deutschland hingezogen fühlen. Hierriecht es nach Leichen, nach Gaskammern undnach Folterzellen.“2 Und doch ließen sich nach demEnde der NS-Herrschaft Juden in Deutschland nie-der. Wie war das möglich?

Vor dem Beginn der nationalsozialistischen Juden-verfolgung lebten in Deutschland rund eine halbeMillion Juden, davon konnten bis 1939 etwa dieHälfte rechtzeitig auswandern. Über 200 000 deut-sche Juden wurden von den Nazis in den Osten de-portiert. 165 000 fielen der Vernichtungsmaschineriezum Opfer. Außerhalb der Konzentrationslager über-lebten lediglich 12 000 bis 15 000 Juden, die mei-sten weil sie mit Nichtjuden verheiratet waren underst gegen Kriegsende deportiert wurden. Eine ver-schwindend geringe Anzahl, etwa 2 000, hatte sichdank der Unterstützung durch nichtjüdische Deut-sche im Untergrund verbergen können. Die meistendeutschen Juden, die die Vernichtungslager und To-desmärsche überlebt hatten, wollten Deutschlandso schnell wie möglich verlassen. In den Lagern für„Displaced Persons“, die von den Westalliierten,hauptsächlich von den Amerikanern, in Deutschlandund Österreich errichtet wurden, lebten in den er-

sten Nachkriegsjahren etwa eine Viertel Million Ju-den, die überwiegend aus Osteuropa stammten. Der„Rest, der entkommen ist“ (so nannten sich dieÜbriggebliebenen selbst nach einem Jesaja-Wort),wurde in diesen militärisch bewachten Lagern mitStacheldraht häufig sogar zusammen mit ihren Ver-folgern untergebracht. Für Menschen, die einen jah-relangen Leidensweg hinter sich und eben erst ihreBefreiung erlebt hatten, eine schier unerträglicheSituation.

Umso erstaunlicher, dass sich die Camps zu auto-nomen Zentren jüdischer Kultur und Religiösität ent-wickelten. Voller Idealismus blickten die dem TodeEntronnenen in die Zukunft; die Schaffung des altenund neuen Eretz Israel sollte zu einem Leben ohneRassismus und Gewalt führen: „Wer unter uns über-lebt hat, blutet noch immer. Manche sagen, für Erlö-sung sei es zu spät, die Toten ließen sich nichtzurückholen. Aber die letzten Reste unseres Volkesmüssen noch einmal hoffen... auf die Wiedererste-hung der moralischen, ethischen und kulturellenWerte, die uns so lieb sind und ohne die die Welt indie Barbarei stürzen würde. Wir müssen unsbemühen, uns wieder zu erheben. Wir schulden dasunseren innig geliebten Toten, die dieselbe Sehn-sucht hatten.“ So wurde die jüdische Identität nachder Shoah in einem Übergangslager bei Stuttgartvom Leiter des lokalen DP-Komitees beschrieben.3Der Gedanke an Rache war mit den moralischenGrundsätzen der Überlebenden nicht vereinbar:„Hitler hat den Krieg gegen die europäischen Judengewonnen. Sollten wir uns rächen, dann würden wiruns in die tiefsten Tiefen der Ethik und Moral bege-ben, zu der die deutsche Nation in den letzten zehnJahren hinabgesunken ist. Wir sind nicht dazu fähig,Frauen und Kinder abzuschlachten. Wir sind nichtdazu fähig, Millionen von Menschen zu verbrennen.Wir sind nicht dazu fähig, Hunderttausende verhun-gern zu lassen.“ (Zalman Grinberg, Juni 1945)4

Weshalb sollten die Juden in ihre osteuropäischenHerkunftsländer zurückkehren, wo sie doch durchden Rassenterror fast alle Angehörigen verlorenhatten und ihre Gemeinden zerstört worden waren?In den kommunistisch regierten Ländern sahendiese Menschen keine Zukunft, zumal es vor allemin Polen bereits 1946 wieder zu antisemitischen Po-gromen kam. Für die Mehrzahl der Entwurzelten undHeimatlosen sollten die Auffanglager nur eineDurchgangsstation auf dem Weg nach Palästinaoder in die USA sein. Doch die restriktive Mandats-politik Großbritanniens und die strengen Einwande-rungsbedingungen der USA verhinderten eineschnelle Ausreise. Erst die Gründung des StaatesIsrael 1948 und eine großzügige Immigrationsquoteder Amerikaner führte zu einer Auswanderungs-

1 zit. nach: Die Zeit vom 21.11.19997

2 zit. nach: Micha Brumlik u.a. (Hrsg.), Jüdisches Leben inDeutschland seit 1945, Frankfurt/M. 1988, S. 14

3 zit. nach: Fritz Bauer Institut (Hrsg.), Überlebt und unter-wegs, Jüdische Displaced Persons im Nachkriegs-deutschland, Frankfurt/M. 1997, S. 35

4 a.a.O., S. 36

19

welle. 1952 lebten noch 12 000 Juden in der Bun-desrepublik. Das letzte DP-Lager wurde 1957 ge-schlossen. (Die Dokumentationsstätte „LagerWeinsberg“, Karl-Weinbrenner-Straße in 74189Weinsberg ist eine der seltenen Stellen, die diesesThema behandelt. Kontakt: Dr. Bernd Liebig,07134/7104)

Juden, die im Deutschtum stark verwurzelt waren,hatten den Vorsatz, aus dem Exil heimzukehren, so-bald die Nazidiktatur beseitigt war. Nachdem ihnenjedoch das ganze Ausmaß des Holocaust bekanntwurde, konnten sich nur wenige zur Rückkehr in diealte Heimat entschließen. Die Zahl der Rückkehrerbelief sich 1959 auf 12 500; d. h. nur jeder zwanzig-ste Emigrant entschloss sich zur Remigration.

Doch seit den siebziger Jahren haben viele Juden,die im Ausland ein neues Zuhause gefunden haben

und nie wieder deutschen Boden betreten wollten,ihrer alten Heimat einen Besuch abgestattet. Oftwurden sie von ihren erwachsenen Kindern und En-keln begleitet. Hilfreich waren hier die Einladungenihrer früheren Wohnorte. In Schulen sprechen diebetagten Menschen – die Klangfärbung verrätschnell ihre Herkunft – über ihre zerstörte Kindheit,die Vertreibung aus der geliebten Heimat und denschwierigen Anfang in der Fremde.

Durch stetige Zuwanderung wuchs in der Bundesre-publik die Zahl der jüdischen Gemeindemitglieder inden achtziger Jahren auf knapp 30 000. Als die DDRgegründet wurde, zählten die jüdischen Gemeindennoch rund 3000 Mitglieder. Prominente Wissen-schaftler, Schriftsteller und Künstler (u.a. ErnstBloch, Hanns Eisler, Arnold Zweig, Anna Seghers,Stefan Heym), die sich bewusst für die Sowjetisch

Jüdische Gemeinden in Badenund Württemberg, 1925

Karte aus Joachim Hahn:Erinnerungen und Zeugnissejüdischer Geschichte in Ba-den-Württemberg, Stuttgart1988, hinteres Umschlagblatt

20

Besetzte Zone (SBZ) entschieden, um am Aufbaueines antifaschistischen und sozialistischen Staatesmitzuwirken, traten meist nicht den jüdischenGemeinden bei, weil sie sich allenfalls der „Schick-salsgemeinschaft“ der Juden zugehörig fühlten.Aufgrund der staatlich gelenkten Antisemitismus-kampagnen in der Spätphase der stalinistischenHerrschaft verließ 1952/53 ein Großteil der Judendie DDR. Bei der Auflösung der DDR waren inden acht Gemeinden nur noch 350 Mitglieder regi-striert.

Heute leben etwa 75 000 Juden in Deutschland. In-folge der Einwanderung aus den GUS-Staaten hatsich die Zahl der Juden seit der Vereinigung mehrals verdoppelt. Weitere Anträge auf Einreise als„Kontingentflüchtlinge“ liegen den Botschaften vor.Der rasante Zuwachs führt einerseits zu der er-wünschten Revitalisierung der überalterten jüdi-schen Gemeinden; die Integration der Neuankömm-linge, die – aufgewachsen in einem atheistischenStaat – nur noch wenig vom Glauben der Väter wis-sen, stellt andererseits für die nach dem Krieg neuentstandenen Gemeinden eine große soziale, kultu-relle und religiöse Herausforderung dar.

Vorschläge für den Unterricht

In den Texten kommen Juden zu Wort, die heute inDeutschland leben. Die Erfahrungsberichte sollenein Gespräch in Gang bringen und damit Verständ-nis und Bereitschaft wecken, sich in die Situationder Juden in Deutschland zu versetzen. So begreiftman vielleicht – um nur einen wichtigen Aspekt her-auszugreifen –, dass auch und gerade Angehörigeder zweiten und dritten Generation traumatisiertsein können und in einem „Angst- und Schuld-ghetto“ (Rafael Seligmann) leben. Die Schüler soll-ten erkennen, dass der wachsende zeitliche Ab-stand für die Juden als Opfer keine Rolle spielt; dievon vielen Nichtjuden gewünschte „Normalität“ derBeziehungen daher nicht so einfach möglich ist.

Wir wissen sehr wenig über das Judentum und dasheutige jüdische Leben in Deutschland. Wie ist esmöglich, dass selbst akademisch Gebildete beimStichwort „Juden“ ausschließlich an die Opfer dernationalsozialistischen Verbrechen oder an die Bür-ger des Staates Israel denken?

Ignatz Bubis nennt einige Gründe: „Es ist eine jüdi-sche Erfahrung, dass sich nichts so lange hält wieVorurteile. Urteile kann man vergessen. Man kannsie auch revidieren. Vorurteile sind lebensfähiger,halten länger, und das zeigt uns die Geschichte derJahrhunderte. Weil es heute so wenige Juden gibt,ist es schwer, einander kennenzulernen... Wie sollteman überhaupt einen Juden treffen? Sicher, es gabdrei größere Gemeinden, Berlin, Frankfurt, Mün-chen. Aber nehmen wir mal eine Stadt wie Essen,mit über 600 000 Einwohnern, Dort lebten bis 198980 Juden. Wie sollte der Durchschnittsbürger über-haupt einen Juden kennenlernen? Woher sollte er

wissen, was Judentum ist? Und wenn er aus derSchule etwas über das Judentum behalten hat,dann war/ist es der Holocaust. Mehr nicht! Über 1600 Jahre jüdischer Geschichte in Deutschland hater nichts erfahren. Über Holocaust in ausreichen-dem Maße. Ich zähle nicht zu denjenigen, die sagen,über diese Zeit der Schoah werde zu wenig unter-richtet. Das stimmt nicht, das trifft nicht zu. Aber, dieVergleichsmöglichkeiten für den durchschnittlichenNichtjuden sind ausschließlich Judentum und Holo-caust. Und das erleichtert nicht das Zusammenle-ben, das Kennenlernen, das Miteinander.“5 Die hiervorgestellten Materialien können natürlich keine per-sönliche Begegnung ersetzen, sie können aber sehrwohl ein Anstoß sein, das Gespräch zu suchen mitJuden, die in Deutschland leben.

Die Passantenbefragung (C 1) zeigt, dass Ignatz Bu-bis mit seiner Einschätzung recht hat. Zu Beginn derUnterrichtssequenz kann der Lehrer/die Lehrerin ei-nen Fragebogen erstellen, um das Vorwissen unddie Meinungen der Schüler kennenzulernen. DieSchüler können aber auch selbst eine Umfrage inder Schule oder in der Gemeinde durchführen. (EineArbeitsgruppe wertet die Ergebnisse aus: Spielt dasAlter oder der Bildungsstand der Befragten eineRolle? Gibt es Aussagen, die als antisemitisch ein-zustufen sind?

Micha Brumlik, 1947 in der Schweiz geboren, gehörtzur zweiten Generation. In C 2 nennt er Gründe,warum ein Teil der DPs in Deutschland „hängen-blieb“. Bezeichnend, dass in vielen Texten dieSchuldgefühle und der Rechtfertigungsdruck, unterdem die hier lebenden Juden leiden, thematisiertwird. Wie ein roter Faden zieht sich die Identitäts-frage durch die Äußerungen. Die Antworten fallen –abhängig von der Herkunft und dem Alter der Auto-ren – sehr unterschiedlich aus.

Dass Juden im Nachkriegsdeutschland gebliebensind, war nicht immer Folge einer bewussten Ent-scheidung. Der aus Polen stammende Isak Wasser-stein baute sich – von Selbstvorwürfen geplagt – inder Bundesrepublik eine Existenz auf (C 3). JosefWarscher und Harry Kahn kehrten sofort nach derBefreiung in ihre schwäbische Heimat zurück, umsich am Wiederaufbau des Gemeindelebens zu be-teiligen (C 4, C 5). Ignatz Bubis, der als Jugendlichervon den Nazis in Arbeitslager gesteckt wurde,gehört ebenfalls der Gründergeneration an, die sichstark der deutsch-jüdischen Kultur verbunden fühlt(C 6). Nach vielen Exilstationen kehrte Egon M.Kornblum in das „neue“ Deutschland zurück (C 7).

Bei der in der Nachkriegszeit aufgewachsenen zwei-ten Generation setzte einerseits eine stärkere Be-jahung des Lebens in Deutschland ein, dasschlechte Gewissen, im „Haus des Henkers“ zu le-

5 Ignatz Bubis: Jüdisches Leben in Deutschland 1945 –1995, in: Günther B. Ginzel (Hrsg.): Der Anfang nach demEnde, Düsseldorf: Droste 1996, S. 45 f.

21

ben, führte andererseits vielfach zu einer starkenIdentifizierung mit Israel (C 8, C 9). Nicht selten wa-ren die „Kinder des Holocaust“ einem hohen Erwar-tungsdruck ausgesetzt: „Wir, die Generation einsnach Auschwitz, sind mit den Alpträumen der Elternaufgewachsen, in dieser Gemeinschaft der Überle-benden. Wir waren die Stellvertreterkinder. In unssahen die Erwachsenen stets all die Kinder, die Op-fer der Schoah wurden.“ (Günther B. Ginzel).6 Undimmer wieder werden sie mit dem alltäglichen Anti-semitismus konfrontiert; die „gedankenlosen“ Äuße-rungen der Gutmeinenden treffen besonders tief. (C 10, C 11).

Die dritte Generation (C 12 bis C 15) lebt nicht mehrauf „gepackten Koffern“, sie bringt sich selbstbe-wusst in die Gesellschaft ein; wenngleich – dasmuss betont werden – Jude sein in Deutschlandauch für die Jüngeren keine Selbstverständlichkeitist. Der neuerwachte Neonazismus, fremdenfeind-liche Gewaltakte und antisemitische Übergriffe ge-gen jüdische Einrichtungen in den neunziger Jahren(so der Brandanschlag auf die Lübecker Synagoge)führten dazu, dass sich viele junge Juden fragten,ob das vereinigte Deutschland der richtige Ort zumLeben sei.

Die „Kontingentflüchtlinge“ aus den GUS-Staatenleben sich nur schwer in Deutschland ein; die Jün-geren verkraften den Wechsel in der Regel besser,sie finden sich schneller in der fremden Umgebungzurecht (C 16, C 17). Die jüdischen Gemeinden tunschon sehr viel für ihre Neumitglieder. Doch dieganze Gesellschaft ist gefordert, um die Zuwandereraus ihrer Isolation zu holen und die Integration zu er-leichtern. So können Initiativen (z.B. Hausaufgaben-hilfe, Spielkreise, sportliche Aktivitäten) auch vonSchulklassen ausgehen.

Glossar

Aschkenasim: (Einz.: Aschkenas; seit dem MA übliches hebräisches Wort für Deutschland). Bezeichnung für die mit-tel- und osteuropäischen Juden, deren UmgangsspracheJiddisch ist. Ggs.: R Sephardim.

Bar-Mizwa: (hebr. Sohn der Pflicht). Bezeichnung für einenJungen mit Vollendung des 13. Lebensjahres. An einem derTage nach seinem 13. Geburtstag übernimmt er in der Syna-goge die Pflichten des religionsmündigen Mannes. Mädchenwerden bereits mit Vollendung des 12. Lebensjahres religiösvolljährig. Eine entsprechende Feier (Bat Mizwa / „Tochterder Pflicht“) ist erst im 19. Jh. entstanden und wird vor allemim Reformjudentum begangen.

Beschneidung: (Berit Mila). Entfernung der Vorhaut desmännlichen Glieds. Grundlegendes Gebot des Judentumszum Zeichen des Bundes mit Abraham. Die Beschneidungmuss bei einem jüdischen Jungen am achten Tag nach derGeburt vollzogen werden.

Beth ha-Knesset: (hebr. Versammlungshaus). Knesset istauch die Bezeichnung des in allgemeinen, gleichen und ge-heimen Wahlen auf vier Jahre gewählten israelischen Parla-ments mit Sitz seit 1949 in Jerusalem.

Beth ha-Midrasch: (hebr. Haus der Lehre). Midrasch (Pl. Mi-draschim) ist die Bezeichnung für die rabbinische Auslegungder Bibel.

Beth ha-Tefilla: (hebr. Haus des Gebets). Tefilla ist die allge-meine Bezeichnung für den Hauptteil des jüdischen Synago-gengebets.

Chamez: Gesäuertes (= mit Sauerteig hergestellt), das sichzu Pessach nicht im Haus befinden darf. Deshalb wird amAbend zuvor das Gesäuerte im ganzen Haus gesammelt undam darauffolgenden Tag zur Mittagszeit in einem speziellenRitus verbrannt.

Genisa: (urspr. pers./hebr. Aufbewahrung). Unbrauchbar ge-wordene heilige Bücher und Kultgegenstände dürfen nichtweggeworfen werden. Sie werden in eigens dafür bestimm-ten Räumen, den Genisa, aufbewahrt. Da aus Raumnot ofttote Winkel von Häusern dafür verwendet wurden, habenmanche dort die Naziherrschaft überdauert.

Hep-hep: Antisemitischer Spottruf, der wohl zu Beginn des19. Jahrhunderts auftauchte. Neben lautmalerischen Er-klärungsansätzen wird auch die Verwendung der Anfangs-buchstaben des Satzes „Hierosolyma est perdita“ (Jerusa-lem ist verloren) vermutet.

Judeneid: Ein aus dem Mittelalter stammender Brauch, dieJuden zu einer sie besonders entehrenden Art des Eides zuzwingen, um so, wie Christen behaupteten, der Gefahr vor-zubeugen, dass sie meineidig würden.

Judengasse: Seit Ende des 13. Jahrhunderts von christli-cher Seite erzwungenes Zusammenwohnen der Juden in ei-ner ihnen zugewiesenen Straße, die durch verschließbareTore eine willkürliche räumliche Trennung von der übrigenBevölkerung ermöglichte (z.B. an christlichen Feiertagen). 6 a.a.O., S. 18

Unter

http://www.lpb.bwue.de/publikat.htm

finden Sie POLITIK UND UNTERRICHTauch im Internet, die neuesten Hefte fastvollständig online, außerdem einVerzeichnis der noch lieferbarenAusgaben.

Besuchen Sie uns im World Wide Web!

PO

LIT

IK&

UN

TE

RR

ICH

T

Online

22

Kaddisch: (hebr. geheiligt). Jüdisches Gebet, das seit demMittelalter im Trauerjahr für das Seelenheil des Verstorbenengesprochen wird.

Kaftan: Mantelartiger, langer und eng geknöpfter schwarzerRock der orthodoxen Juden

Kalender: Der heutige jüdische Kalender ist lunisolar. DieMonate werden nach dem Mond, die Jahre nach der Sonneberechnet. Die jüdische Zeitrechnung bezieht sich auf denZeitpunkt der Weltschöpfung. Rechnet man zu der bei unsaktuellen Jahreszahl des Gregorianischen Kalenders 3760hinzu, erhält man die Jahreszahl des Jüdischen Kalenders.

Kibbuz: (Pl.: Kibbuzim). Gemeinschaftssiedlungen in Israelseit 1905 zur Erreichung gemeinsamer Ziele. Die Mitgliederbekommen gegen Arbeitsleistung unter Verzicht auf Privatei-gentum die zum Leben notwendigen Dinge und nutzen dieGemeinschaftseinrichtungen wie Kindergärten und Gemein-schaftsküche.

Kiddusch: (hebr. Heiligung). Segensspruch über einem Becher Wein unter Beachtung vorgeschriebener Formen

Kippa: (Pl. Kippot). Hebräischer Ausdruck für eine kleineKopfbedeckung, die von gläubigen Juden im Alltag, zumin-dest aber bei besonderen Anlässen getragen wird (Friedhof,Synagoge, Gebet, Studium, Mahlzeiten)

Magen David: (hebr. Schild Davids). Es handelt sich um zweiDreiecke, die ein Hexagramm oder einen sechszackigenStern bilden. 1527 erstmals für die Judengemeinde in Pragbenutzt, breitete sich das M.D. langsam als Symbol jüdischerIdentität aus und wurde durch den Zionismus zum Symbolder jüdischen Nationalbewegung.1949 nahm die Knessetdas M.D. in die Fahne Israels auf. Häufig findet man die Be-zeichnung „Davidstern“ für das Magen David.

Mazza: (hebr. ungesäuertes Brot), wird nach bestimmtenVorschriften hergestellt und muss am Pessachfest gegessenwerden, darf jedoch auch das ganze Jahr über gegessenwerden.

Mesusa: (hebr. Türpfosten). Eine kleine längliche Metallkap-sel, die am rechten Türpfosten des Eingangs einer jüdischenWohnung oder eines Hauses spätestens 30 Tage nach demEinzug angebracht werden muss.

Mikwe: (hebr. Becken od. Brunnen, wo es fließendes Wassergibt), im heutigen Sprachgebrauch Ritualbad (Tauchbad). Ri-tuelle Reinigungen sind in der Bibel vorgeschrieben (3. Mose14, 15).

Peies: (jiddisch, Schläfenlocken). Bezeichnung genau fest-gelegter Teile des Kopfhaares, die (gem. Lev. 19, 27= 3.Mose, 19,27) bei Knaben nicht abgeschnitten werden dürfen.

Rabbinat: Für die Verwaltung einer jüdischen Gemeinde un-erlässliche Einrichtung zur Klärung religiöser Probleme undritueller Belange. Der Rabbiner ist nicht für die Leitung desGottesdienstes verantwortlich.

Schächten: (Schechita) Aufgrund biblischer Vorschrift im Ju-dentum einzig erlaubte Art, Tiere zu töten

Schofar: Ausgehöhltes Horn eines Widders oder einer Anti-lope, in biblischer Zeit als Signalhorn, heute für bestimmteFeiertage verwandt. In Israel wird es auch zur Einsetzung ei-nes neuen Staatspräsidenten geblasen.

Schutzbrief: Von einem Territorialherren häufig gegen Bezahlung ausgestellte Urkunde, mit der einer Person odereiner Gruppe ein bestimmtes Schutzrecht zugesichertwurde. Für Juden wurde meist das Recht zur Niederlassungund Religionsausübung verbrieft.

Schutzjuden: Ursprünglich unterstanden die Juden demSchutz des Kaisers. Von der Mitte des 14. Jahrhunderts anwurden diese Rechte immer häufiger an die Landesherr-schaften abgetreten, die dann einzelnen Juden, ihren Fami-lien, oder auch kleinen Gemeinden gegen Zahlung bestimm-ter Steuern ein persönliches Aufenthaltsrecht zustanden.

Sederabend: Der Seder ist die religiöse Feier am ersten Pes-sach-Abend, sie schließt ein festliches Mal ein, das von einerbesonderen Ordnung (Seder) feierlicher Handlungen beglei-tet wird.

Sephardim: (Sing. Sephard, hebr. Bezeichnung für Spanien),Bezeichnung für die Juden, die vor ihrer Vertreibung 1492 inSpanien und Portugal lebten, sich anschließend in Südost-europa, Nordafrika und Asien niederließen. Heute werden mitSephardim oft Juden aus orientalischen Ländern bezeichnet,die vom Holocaust nicht betroffen waren und nach 1948nach Isreal eingewandert sind. Ggs.: R Aschkenasim.

Synagoge: siehe Baustein A

Tallit: (hebr. Gebetsmantel). Es handelt sich um ein vierecki-ges Tuch mit schwarzen oder blauen Streifen, an dessen vierEcken nach biblischer Vorschrift Schaufäden angebrachtsind, die an die vorgeschriebenen Gebete erinnern sollen.Der Tallit wird von erwachsenen Männern während desGottesdienstes über der normalen Kleidung getragen.

Talmud: (hebr. Lernen, Lehre, Studium), Sammlung vonLehrsätzen (Mischna) verbunden mit den Kommentaren dergroßen Rabbis.

Tefillin: (hebr. Gebetsriemen), zwei schwarze Lederkapseln,die bestimmte Segenssprüche enthalten und mittels Leder-riemen in vorgeschriebener Weise von erwachsenen Judenan Stirn und Oberarm angelegt werden

Thora: (hebr. Lehre, Unterweisung), bezeichnet Lehre im All-gemeinen, auch Gesetzessammlung. Im engeren Sinne be-zeichnet Thora die Mose am Berg Sinai gegebene Offenba-rung und die fünf Bücher Mose. Die Thora wirdtraditionsgemäß von Hand auf eine Pergamentrolle geschrie-ben und in einem Schrein aufbewahrt. Sie wird im Lauf desJahres abschnittsweise in der Synagoge ganz vorgelesen.

WIZO: Women’s International Zionist Organisation, 1920 ge-gründet, 250 000 Mitglieder in 50 Ländern. Engagiert in derFrauen- und Kinderarbeit, betreibt Krippen und Kindergärten,Jugend- und Seniorenclubs. Altersheime und Fahrbibliothe-ken zugunsten aller Bevölkerungsgruppen in Israel. WIZOGruppe Württemberg e.V., Hospitalstr. 36, 70174 Stuttgart,Fax (0711) 2 28 36 18.

Yad Vashem: (hebr. Denkmal und Gedächtnisstätte), eineumfassende Erinnerungsstätte an die Shoa in Jerusalem.Diese Aufgabe leistet sie durch beeindruckende Denkmalan-lagen (z.B. für die ermordeten Kinder, für die versunkenenGemeinden), Museum, Bibliothek, Archiv und Forschungs-und Weiterbildungseinrichtungen. Internet-Adresse:http://www.yad-vashem.org.il/

Zentralrat der Juden in Deutschland: Gegr. 1950 als über-regionaler Dachverband der Jüdischen Gemeinden in West-deutschland und West-Berlin. Der Geschäftssitz ist Berlin,der Vorsitzende seit 1992 Ignatz Bubis.

Zusammenstellung: Erika Dürr

23

Austausch mit einer israelischen Partnerschuleim Oberen Galiläa

Im Jahre 1983 kam es zur Aufnahme freundschaftli-cher Beziehungen zwischen dem Landkreis Lud-wigsburg und dem Kreis Oberes Galiläa im NordenIsraels. Um dieses politische Rahmenwerk mit Le-ben zu erfüllen, wurden in enger Zusammenarbeitmit dem Pädagogisch-Kulturellen Centrum ehema-lige Synagoge Freudental Seminare für Lehrer undJugendleiter aus den beiden Kreisen veranstaltet.Dabei begegneten sich auch Dieter Petri, damalsLehrer am Ellental-Gymnasium in Bietigheim, sowieBarbara Doron und Gadi Lahav, beide an der EinotYarden High School beim Kibbuz Amir. Sie be-schlossen, den Plan eines Jugendaustausches zuverwirklichen.

Im Mai 1989 war es dann soweit: eine Gruppe Ju-gendlicher aus Bietigheim und Umgebung war zuGast in Israel und verbrachte eine Woche zusam-men mit jungen Israelis aus fünf Kibbuzim. Diese be-suchten eine von den fünf Orten gemeinsam finan-zierte Schule, wo sie die Woche über auch wohnten.Dort konnte die deutsche Gruppe in einem geradeleerstehenden Haus für die Zeit des Austauschesunterkommen, was sich für alle Beteiligten alsglücklich erwies. Denn es wurde offenbar, wievielSkepsis dem gesamten Projekt entgegengebrachtwurde, und wie schwierig der Kontakt mit „denDeutschen“ selbst manchen israelischen Jugend-lichen fiel, also Angehörigen der dritten Generationnach dem Holocaust. Die Frage einer israelischenSchülerin, die als Abschlussarbeit Interviews mit derdeutschen Gruppe machte, welcher Vater oderGroßvater der deutschen Teilnehmer denn „derschlimmste Nazi“ gewesen sei, und andere Bege-benheiten vermittelten uns den Eindruck, dass derUmgang mit dem Holocaust von beiden Seiten vielEinfühlungsvermögen erfordert, zum Beispiel beider These von der Kollektivschuld (D 3). Der israeli-sche Historiker Moshe Zuckermann (1998) charak-terisiert die Haltung vieler seiner Landsleute als eine„Mentalität des Misstrauens gegenüber der ,übrigenWelt‘ (,Die ganze Welt ist gegen uns‘), ... eine —Mentalität, in der sich das vom Holocaust geprägte,Opfer‘-Bewusstsein mit der Ausrichtung auf (mi-litä—rische) Macht samt legitimierter Gewalt merk-würdig verbindet.“

Insgesamt waren die Erfahrungen dieser ersten Be-gegnung jedoch überaus positiv. Dennoch musstedie deutsche Seite 1990 mit einer zweiten Gruppeins Obere Galiläa fahren, bevor es 1991 zum erstenGegenbesuch der israelischen Partnerschüler kam:die Vorbehalte der israelischen Eltern, ihre Kindernach Deutschland zu schicken, ja, sie sogar privat ineiner deutschen Familie wohnen zu lassen, warensehr groß. Inzwischen haben sich die Kontakte sogut weiter entwickelt, dass die gegenseitigen Besu-che fast zur Normalität geworden sind (D 1, D 2).

Die Austauschteilnehmer kommen zum großen Teilaus der Oberstufe, weil englische Sprachkompetenz

BAUSTEIN D

Deutsch-israelischerSchüleraustausch –Ein Projektbericht

In Baden-Württemberg haben vier Städte unddrei Landkreise förmliche Partnerschaften mitIsrael. Inwieweit Schulen dort oder anderswoAustauschbeziehungen unterhalten, ist nichtvollständig dokumentiert. Beim AuswärtigenAmt ist bis 1999 die Förderung von elf israeli-schen Austauschgruppen beantragt worden.Mindestens in zwei Fällen besteht auch ein Leh-reraustausch. In einem weiteren Programm derGesellschaft für Christlich-Jüdische Zusam-menarbeit Stuttgart (GCJZ) und dem Ober-schulamt Stuttgart haben bisher 17 Lehrkräftean einem jeweils mehrwöchigen Austausch mitHospitationen und Unterrichtserteilung teilge-nommen.

Ein Schüleraustausch mit Israel ist auch heute nochkein Austausch wie jeder andere. Das gilt, obwohlnicht nur die jugendlichen Teilnehmer, sondern auchihre Eltern und Lehrer in der Zeit nach dem ZweitenWeltkrieg geboren wurden. Er ist es weder für diedeutsche noch für die israelische Seite. Über beidewirft, wie es eine israelische Schülerin in ihrem Be-richt ausdrückt, noch immer der Holocaust seinenSchatten. Ein Austausch mit Israel bedeutet für dieTeilnehmer niemals nur Reiseerlebnisse und Spaß,Wüstenwanderung oder Einkaufsparadies Deutsch-land. Die Frage nach der Geschichte der Juden inDeutschland, nach Auschwitz mit seinen Wurzelnund Konsequenzen, nach Opfern und Tätern, stelltsich unausweichlich.

Hier liegt die besondere Herausforderung eines Ju-gendaustausches mit Israel, aber auch seineChance. Er kann, wie kaum ein anderer Schüleraus-tausch, Einfühlungsvermögen und Versöhnungsbe-reitschaft fördern und durch den Dialog unter undzwischen den Generationen Vorurteile abbauen undBrücken schlagen. Dass dies in der Praxis mit vielenMühen und Schwierigkeiten behaftet ist, davon le-gen die nachfolgenden Berichte über Austausch-projekte mit Israel Zeugnis ab. Aber sie machenauch deutlich, dass ein solcher Austausch eine ein-zigartige Erfahrung für Schüler und Lehrer ist, derdie Anstrengung und den Einsatz ganz sicher lohnt.

24

– insbesondere in den Diskussionen – äußerst wich-tig ist. Die Jugendlichen, die sich auf beiden Seitenzu diesem Programm melden, wissen in der Regel,wieviel Zeit und außerunterrichtliches Engagementvon ihnen erwartet wird. Sie bereiten sich intensivauf das Begegnungsprogramm vor, das dann inForm eines einwöchigen Seminars im Oberen Ga-liläa stattfindet. Der zweite Teil folgt ein Jahr späterin Deutschland, wo sich die Gruppen in möglichstgleicher Zusammensetzung in Bietigheim treffen. Somüssen sich die Jugendlichen über einen langenZeitraum mit der Materie auseinandersetzen undihre Standpunkte finden. Außerdem entstehen per-sönliche Kontakte, wodurch die Gespräche offenerwerden.

Als Programm während der zwei Begegnungswo-chen hat sich eine Mischung aus gemeinsamen Ak-tivitäten, zum Beispiel Ausflüge an die libanesischeGrenze oder auf die Golanhöhen mit dem Besuchdes österreichischen UN-Postens, und Programm-punkten, die als Vorträge mit Diskussion (lecturesand discussions) bezeichnet werden, sehr gut be-währt. Die Vorträge finden entweder nur für diedeutsche Gruppe oder für beide Gruppen zusam-men statt, Frage- und Gesprächsrunden schließensich an.

Der wichtigste Themenkomplex ist natürlich der Ho-locaust. Das Tagesprogramm ist dicht gedrängt. Soberichtete vormittags eine Zeitzeugin über ihreFlucht 1939 aus Stuttgart und ihre Ankunft in Paläs-tina (Thierfelder/Petri 1993), nachmittags spielte vorbeiden Gruppen eine eigens aus Tel Aviv angereisteTheatergruppe von drei Schauspielern Szenen aus„Schuldig geboren“ (nach Sichrovsky 1987) mitSimultanübersetzung vor. In dem Gespräch danachwurde die deutsche Gruppe von einer israelischenSchauspielerin sehr persönlich angegriffen und mitder in Israel immer noch verbreiteten Meinung kon-frontiert, in Deutschland habe sich nichts verändert.Das war sehr verletzend und setzte so starke Emo-tionen frei, dass die israelischen Schüler für ihredeutschen Austauschpartner Partei ergriffen und sieverteidigten. Am Abend wurde der Film „Dasschreckliche Mädchen“ gezeigt und im Anschlussdaran diskutierte man in kleineren Gruppen überdas Programm des Tages (D 3). In einer weiterenVeranstaltung berichteten zwei Betroffene der zwei-ten Generation über die Parallelen im Leben vonKindern der Täter und Kindern der Opfer (D 4).

Da die deutsche Gruppe bei den nächsten Besu-chen nicht mehr in der Schule unterkam, sondernzusammen mit den Partnerschülern in den Kibbuzimselbst oder sogar bei den Familien wohnte, gingendie Diskussionen nach dem Ende des offiziellen Pro-gramms weiter. So vertieften sich die Kontakte, undnach einer Woche fiel der Abschied allen schwer.

Die Programmschwerpunkte der zweiten Wochedes Israelaufenthalts der deutschen Gruppe liegenbeim Kennenlernen der eigenen kulturellen Wurzelnund in der Beschäftigung mit dem Nahostkonflikt. Inund um Jerusalem werden die heiligen Stätten be-

sucht. Um den Schülerinnen und Schülern ein diffe-renziertes Bild von Israel zu vermitteln, sind Treffenmit Vertretern der arabisch-palästinensischen Seiteunerlässlich. Sehr beeindruckend verlaufen Ge-spräche mit einer christlich-palästinensischen Ju-gendgruppe in Bethlehem oder der Besuch in derpalästinensischen Universität Birzeit bei Ramallah,wo die deutschen Jugendlichen direkt von palästi-nensischen Studenten etwas über das Leben unterisraelischer Besatzung erfahren. Übrigens haben wirin den vergangenen Jahren festgestellt, dass Ge-spräche über Israels Rolle im Nahostkonflikt auchmit israelischen Jugendlichen leichter gewordensind.

Ein Jahr nach dem Besuch der deutschen Gruppe inIsrael kommt die israelische Gruppe nach Deutsch-land und wird in den Familien ihrer deutschen Part-ner untergebracht. Das Begegnungsprogramm wirdfortgesetzt mit Ausflügen in die nähere Umgebungund gemeinsamen Aktivitäten, z.B. in Freudental,dem ehemals jüdisch-christlichen Dorf im Kreis Lud-wigsburg. Hier wird deutlich, dass die gemeinsameVergangenheit nicht nur aus dem Holocaust be-steht, sondern es über Jahrhunderte hinweg einnachbarschaftliches Zusammenleben gegeben hat.Wichtig sind Begegnungen und Gespräche mit Zeit-zeugen, z.B. der Autorin Wendelgard von Staden(1979), die über das KZ Vaihingen geschrieben hat,oder mit Heinrich Kling, der über seine Jugendzeitim Dritten Reich berichtete (Kling 1988). Der Aus-tausch hat gezeigt, dass es keine bessere Methodedes Lernens und Erfahrens gibt als die direkte Be-gegnung mit anderen Menschen, ihrer Geschichte,ihrer Kultur, ihren Sorgen und Hoffnungen.

Schüleraustausch mit Aufarbeitung des Holo-caust in Israel, Polen und Deutschland

Im Sommer 1996 kam auf Initiative des AmericanField Service (AFS), einer internationalen Organisa-tion, deren Ziel die Förderung von Schüler- und Ju-gendbegegnungen ist, ein Schüleraustausch zwi-schen dem Kibbuz Afikim in Israel undLudwigsburger Gymnasien zustande, der unge-wöhnlich war und Pilotcharakter hatte: Sein thema-tischer Schwerpunkt war die Aufarbeitung des Ho-locaust, und zwar nicht nur in Deutschland undIsrael, sondern auch auf einer gemeinsamen Polen-fahrt, die zu den Gedenkstätten der Vernichtungsla-ger führte. Der Kibbuz Afikim führte schon seit län-gerer Zeit für die Schüler der Klasse 11 einenAustausch mit Deutschland durch. Seit Anfang derneunziger Jahre lief in dieser Jahrgangsstufe einProjekt, in dem die israelischen Jugendlichen sichintensiv mit der Problematik des Holocaust be-schäftigten. Ein halbes Jahr wurden die Jugendli-chen – angeleitet und begleitet durch ein Team vonPädagogen aus dem Kibbuz – einmal pro Woche mitVorträgen, Dokumentarfilmen und Augenzeugenbe-richten über die Zeit des Nationalsozialismus undden Holocaust konfrontiert (D 5). Als Abschluss die-ses Projekts wurde eine Fahrt zu den Gedenkstätten

25

des Holocaust in Polen durchgeführt. Beim Schüler-austausch mit Ludwigsburg wurde zum ersten Maldie deutsche Gruppe intensiv in dieses Vorhabenmit einbezogen.Da der Kibbuz über reichhaltige Erfahrungen beimJugendaustausch mit Deutschland verfügte, wardas vierzehntägige Programm in Israel organisato-risch und didaktisch exzellent geplant. In der erstenWoche lernten die Teilnehmer das Leben in Israel inseinen vielfältigen Aspekten kennen. Dazu gehörtenneben Vorträgen über die Geschichte Israels, dieKibbuzbewegung und die jüdische Religion auchpraktische Erfahrungen. Dazu gehörte die Arbeit inden nach ökologischen Richtlinien angelegten Ba-nanenplantagen des Kibbuz, aber auch das Wasser-skifahren auf dem See Genezareth und einer mehr-tägige Wüstenwanderung (D 6). Dies gab denJugendlichen reichlich Gelegenheit, sich näher ken-nenzulernen. In der zweiten Woche ging es in Vor-trägen, Augenzeugenberichten und Diskussionenum die Aufarbeitung des Holocaust. Obwohl diedeutschen Schüler keine ähnlich intensive Ein-führung in diese Thematik gehabt hatten wie ihreisraelischen Austauschpartner, zeigte es sich, dassbeide Gruppen sich in ihrem unterschiedlichenWissensstand gut ergänzten. Das Gespräch unterden Teilnehmern über die historischen Aspekte desHolocaust war intensiv und ergiebig. Schwer nach-vollziehbar waren aber für die deutschen Schüler die– vor allem auch von den israelischen Betreuern vor-gebrachten – Bezüge zwischen Holocaustaufarbei-tung und nationaler Identität. Auf Diskussionsver-suche in diesem Bereich reagierten die deutschenSchüler zwar nicht mit Ablehnung, aber doch teil-weise mit Verwirrung und Befremden. Das Wissenüber die politische und militärische Lage Israels gingalso keineswegs einher mit einem Verständnis fürdie damit zusammenhängende emotionale Dimen-sion.Insgesamt zeigte es sich in der zweiten Woche,dass die Jugendlichen bei den gemeinsamen Dis-kussionen über den Holocaust sehr viel wenigerSchwierigkeiten hatten, als von den Betreuern undOrganisatoren des Austausches erwartet oder be-fürchtet worden war (D 8). Am eindrucksvollsten be-stätigte sich dies bei einem ganztägigen Seminar inMassuah, einem Studienzentrum zur Erforschungdes Holocaust. Das Gespräch mit den hier tätigen,zumeist sehr jungen israelischen Wissenschaftlernwar offen und freundschaftlich. Eine Aktion, bei derzum ersten Mal mit einer israelisch-deutschenJugendgruppe der Versuch gemacht wurde, diegemeinsame emotionale Betroffenheit durch denHolocaust künstlerisch aufzuarbeiten (Bemalungvon Gesichtsmasken), zeigte eindrucksvoll, wie gutsich die Jugendlichen mittlerweile verstanden, auchwenn es um eine schwierige Thematik ging.Das in Israel gelegte Fundament erwies sich alstragfähiger Grund für den schwierigsten Teil desAustausches: die Fahrt nach Polen und den ge-meinsamen Besuch der Gedenkstätten dort. Hierkamen mehrere Probleme zusammen. Dieser Teil

des Austausches wurde so zum erstenmal durchge-führt, er bedeutete für beide Jugendgruppen einestarke emotionale Belastung. Aus organisatorischenGründen wechselten bei der deutschen Gruppe dieBegleitlehrer, und die Sicherheitsbestimmungen wa-ren für diesen Teil der Reise ganz besonders rigide.Der Besuch der Gedenkstätten verlief ohne Kon-flikte. Kennzeichnend war der Einbezug der deut-schen Schüler in die an diesen Orten durchgeführ-ten Gedenkzeremonien. Anfangs waren sie nur alspassive Zuhörer dabei. Nachdem aber einigeSchüler die Bitte geäußert hatten, selbst auch ander Gestaltung dieser kurzen Feiern mitwirken zudürfen, wurde diesem Wunsch entsprochen. In bei-den Gruppen wurde das als besonders positiv be-wertet (D 8).

Konflikte gab es in Polen nicht bei der Beschäfti-gung mit dem Thema Holocaust, sondern aufgrundder strengen Sicherheitsbestimmungen, die auchfür die deutsche Gruppe viele Restriktionen mitsich brachten und die für Schüler, die z.T. schon aneinem Austausch mit einer polnischen Partner-schule teilgenommen hatten, schwer einzusehenwaren. Während des Aufenthalts der israelischenGruppe in Deutschland waren die Sicherheitsbe-stimmungen dann weit weniger streng. Die israeli-sche Seite hatte zu Beginn zwar (aus Sicherheits-

Künstlerische Arbeiten vertiefen den JugendaustauschBild: privat

Hinweis für Schulen und Jugendgruppen

In Baden-Württemberg werden Fahrten zu Gedenkstätten nationalsozialistischen Unrechtsaus öffentlichen Mitteln gefördert.

Schulen stellen ihre Anträge an die Ober-schulämter in Stuttgart, Karlsruhe, Freiburg undTübingen.

Anträge aus dem Bereich der außerschulischenJugendarbeit sind an die Regierungspräsidien inden genannten Städten zu richten.

26

gründen) auf eine geschlossene Unterbringung derisraelischen Gruppe in einer Jugendherberge ge-drängt. Die Aufnahme in Gastfamilien erwies sichaber in der Praxis als problemlos und wurde bei ei-ner abschließenden Umfrage von den israelischenJugendlichen positiv beurteilt (D 8).

Im Rahmen der ursprünglichen Programmplanungwar für Deutschland nicht mehr das Thema Holo-caust als Schwerpunkt vorgesehen worden, weildies nach Meinung des israelischen Leitungsteamsdie Aufnahmebereitschaft der Jugendlichen über-strapaziert hätte. Ausnahmen waren ein Besuch desehemaligen Konzentrationslagers Dachau (D 9) undein Gesprächsabend mit einem ehemaligen HJ-Gruppenführer. Bei der gemeinsamen Fahrt nachStraßburg waren die israelischen Schüler verblüfft,dass hier die Staatsgrenze nach Frankreich ohneKontrollen und ohne anzuhalten überfahren wurde.Die Schlussfolgerung aus dieser Erfahrung könntesein, bei künftigen Begegnungen etwa das Thema„Zusammenwachsendes Europa“ in den Mittelpunkteines Schüleraustauschs zu stellen.

LiteraturhinweiseEhmann, Annegret u. a. (Hrsg.): Praxis der Gedenkstätten-

pädagogik. Erfahrungen und Perspektiven.Opladen: Leske+Budrich, 1995

Impressionen aus Israel. Junge deutsche Besucher schildernihre Erlebnisse. Neuhausen/Stuttgart: Hänssler, 1998.

Johannes-Kepler-Gymnasium Weil der Stadt (Hrsg.): Scha-lom Israel – Impressionen einer Reise, o. J. (1998)

Thierfelder, Jörg / Petri, Dieter: Vorlesebuch Drittes Reich.Lahr: Ernst Kaufmann, 1993.

Sichrovsky, Peter: Schuldig geboren. Kinder aus Nazifami-lien. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1987.

Staden, Wendelgard von: Nacht über dem Tal: eine Jugendin Deutschland. München: Diederichs, 1992

Vauth, M.: „Das Heilige Land“ einmal anders. In: Horizonte.Die Zeitung des AFS(American Field Service), Heft 4/96.S. 17.

Zuckermann, Moshe: Perspektiven der Holocaust-Rezeptionin Israel und Deutschland. In: Aus Politik und Zeitge-schichte. Beilage zur Wochenzeitschrift Das Parlament.B 14/98, 27. März 1998, S. 19–29.

Petra, Paul & Co. – Ein freches Spiel über Entscheidungen in der Gemeindefür 4–10 Spieler ab 13 JahrenPetra, Paul & Co. schauen sich um in ihrer Heimatgemeinde. Sie finden: Vieles könnte man besser machen. Deshalb kan-didieren sie für den Gemeinderat. Jede Kandidatin und jeder Kandidat kämpft engagiert für seine Verbesserungsvor-schläge. Nur wer gute Vorschläge hat und die Chancen zur Zusammenarbeit nutzt, kann Bürgermeister werden.

Was das Spiel auszeichnetPetra, Paul & Co. …– verführt durch seine witzige Grafik zum Spielen– ist spannend bis zur letzten Minute– gibt Impulse für selbständiges und praktisches Lernen– verlangt Zusammenarbeit und klare Entscheidungen– baut Wissenslücken und Vorurteile über Politik ab– beweist, dass man selbst etwas bewegen kann– für seine Entscheidungen einstehen muss– eignet sich zum Spielen im privaten Kreis und– zum unterhaltsamen Lernen in Schule, Jugend- und Erwachse-

nenbildung

Inhalt25 City-Teile – 55 Spielkarten – 1 Übersichtstafel Kandidaten/Programme – Spielfiguren, Steine und Spezialwürfel – 1 Sanduhr –Spielanleitung

Preis14,90 DM plus Versandkosten(für Iinteressierte außerhalb Baden-Württembergs 29,80 DM)

Bestelladresse:Landeszentrale für politische Bildung – Referat ArbeitshilfenHaus auf der Alb, Hanner Steige 1, 72574 Bad Urach

Idee: Reinhard Gaßmann, LpBAutor: Franz Scholles, RemagenHerausgeber: Landeszentrale für politische BildungBaden-Württemberg (LpB)

Texte und Materialienfür Schülerinnen und Schüler 105Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg

Neckar-Verlag GmbH aus: Politik und Unterricht

78050 Villingen-Schwenningen Zeitschrift zur Gestaltung desKlosterring 1 politischen UnterrichtsPostfach 1820 Heft 2/1999

JÜDISCHES LEBEN INBADEN-WÜRTTEMBERGMöglichkeiten zur Begegnung

Baustein A Besuch in einer SynagogeA 1 – A 3 Einrichtung und FunktionenA 4 – A 8 Jüdische Feiertage und FesteA 9 – A 14 Die alte und die neue Stuttgarter SynagogeA 15 Die neue Karlsruher Synagoge

Baustein B Spurensuche am HeimatortB 1 – B 3 Jüdisches HaigerlochB 4 Symbole auf dem jüdischen Friedhof

Baustein C Jüdisches Leben in Deutschland heuteC 1 Umfrage: Stichwort „Juden“C 2 – C 7 Überlebende des HolocaustC 8 – C 11 Die zweite GenerationC 12 – C 15 Enkel der ÜberlebendenC 16 – C 17 Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion

Baustein D Deutsch-israelischer Schüleraustausch – Ein Projektbericht

D 1 – D 2 Begegnungen der JugendlichenD 3 – D 5 Die Gegenwart der VergangenheitD 6 – D 9 Eindrücke und Auswertung

28 Einrichtung und FunktionenA

A 1 Die Synagoge

A 1 – A 15 Besuch in einer Synagoge

Eine Synagoge hat vielfältige Funktionen. Die Tradition kenntdrei grundlegende Aufgaben, aber weitere lassen sich ergän-zen. Der Bau und die Einrichtung einer Synagoge sollen dazudienen, diese Aufgaben zu erfüllen. In drei Spalten werdenhier die Aufgaben, die Einrichtungsgegenstände und die jeweiligen hebräischen Namen genannt.

Aufgabe Einrichtung HebräischeBezeichnung

Haus der • (großer) Raum, Bet ha-KnessetVersamm- • Bänke, Sitze für dielung, der GemeindemitgliederZusammen- (traditionellekunft Trennung nach(hier: der Männern und Frauen;jüdischen in liberalen Reform-Gemeinde) gemeinden keine

Geschlechtertrennung)• weitere Gemeinde-räume, z.B. Saal

Haus des • Schriftrolle(n) mit Bet ha-TefillaGebetes dem Text der fünf Thora

Bücher Mose, die ineinem Schrein aufbe-wahrt werden s. Aron ha-(= optischer Mittel- Kodeschpunkt der Synagoge)• erhöhter Platz undTisch, wo die Schrift-rolle ausgebreitet und Bimavorgelesen werdenkann• Gebetbuch Sidur• Kopfbedeckung Kippa• Gebetsschal Tallit• Gebetsriemen Tefillin• persönlicher Sitzplatz,Fach für Gebetbuch etc.• Ehrenplatz für den Sitz desVorsänger/Kantor Chasan• Tafel zum Anzeigendes Wochenabschnitts

Haus der • Ehrenplatz für den Bet ha-Lehre Lehrer und Midrasch

Rechtsgelehrten Sitz des Rabbi-[heute über- der Gemeinde nerswiegend • Religionsschuledurch Funk- • Räume für Dis-tionsberei- kussionenche des Ge-meindezen-trums erfüllt]

Aufgabe Einrichtung HebräischeBezeichnung

Haus der • BibliothekLehre • Bücher, in denen die Talmud,

Thora kommentiert und Mischnaausgelegt wird

Erinnerung • Aufbewahrungsort Aron ha-an den der Thora wird als Erin- KodeschTempel nerung an die „heilige

Lade“ (des ErstenTempels) angesehen• der Thoraschrein be-findet sich an der Ost-wand, in RichtungJerusalem• Vorhang vor diesem ParochetSchrank ist Erinnerungan den Tempelvorhang• Ewiges Licht als Ner TamidErinnerung an dasEwige Licht im Tempel• bildliche oder plasti- Menorasche Teil-Nachbildungdes siebenarmigenTempelleuchters (eine„perfekte Wiederherstel-lung“ bleibt aus ortho-doxer Sicht dem DrittenTempel vorbehalten)

Erinnerung • z.B. Davidstern Magen Davidan die Ge- „Schild Davids“schichte des • z.B. DoppeltafelnVolkes Israel mit den Zehn

Geboten

Weitere • koschere KüchenFunktions- (milchig und flei-räume zur schig getrennt)Erfüllung • Tauchbad Mikweder religiö-sen Ge- u.Verbote

Verwaltung • BürosderGemeinde

Kulturelles • Festsaalund gesell- • RestaurantschaftlichesZentrum

Einrichtung und Funktionen / Jüdische Feiertage und Feste 29A

A 2

Innenraum der Synagoge Stuttgart

A 3

Innenraum der Synagoge Karlsruhe

Die Synagoge hat im jüdischen Leben eine heraus-ragende Bedeutung. Tradition und Religion werdenaber nicht nur in der Synagoge, sondern auch in derFamilie, zu Hause, gepflegt. Ein Bericht aus Jeben-hausen/Göppingen (Auszug):

Der ... Schabbat fängt freitags mit dem Sonnenun-tergang an und endet am Samstagabend. Schabbatist ein Tag der Ruhe und des Gebets; und Freundeund Bekannte besuchen einander...

Der Tisch war prächtig gedeckt mit einer weißen Da-mastdecke und dem besten Geschirr und dem Sil-berbesteck meiner Großmutter. Am oberen Tisch-ende standen zwei Kerzenständer, und bevor esdunkel wurde, zündete Großmutter die Kerzen anund sprach ein Gebet. Ihr Gesicht schien in demwarmen Licht der Flammen noch schöner zu wer-den. Papa und Mama legten nacheinander ihreHände auf meinen Kopf und segneten mich. Ichküsste meine Eltern und Großeltern, und wir allesagten „Gut Schabbes“ zueinander. Großvater hobdas bestickte Deckchen hoch, das die Barches* be-deckte, schnitt ein Stück ab, bestreute es mit Salzund sagte den Segen für das Brot. Dann bekamenwir auch ein kleines Stück und wiederholten seineWorte. Er hob den silbernen Kelch, sagte den Segenfür den Wein und trank. Auch wir bekamen einenSchluck und sprachen seine Worte nach. Dannwurde Hühnersuppe mit Nudeln hereingebracht,und Großmutter sagte „Mahlzeit“. Das Hauptgerichtbestand üblicherweise aus Rindfleisch mit frisch ge-riebenem Meerrettich, Kartoffelsalat und grünemSalat. Da die Religion den Juden verbietet, anSchabbat zu fahren, gingen wir zu Fuß nach Göp-pingen, um dort am Gottesdienst ... teilzunehmen.*Barches (Brot): geflochtene Mohnzöpfe, hebr. Challa[Rezept: s. A 5]

Inge Auerbacher: Ich bin ein Stern. Weinheim/Basel: Beltz &Gelberg 1992, S. 28 ff.

A 4 Schabbat feiern

A 5 Menüvorschlag fürRosch Haschana

Rosch Haschana fällt in den September. „Rosch“bedeutet Kopf und Anfang, „Haschana“ heißt Jahr,also bedeutet Rosch Haschana der Anfang des jüdi-schen Kalenderjahres... Das Festmahl ist ein tradi-tioneller Bestandteil des jüdischen Neujahrsfestes.Der Tisch wird mit dem schönsten und feinsten Ge-schirr gedeckt. Die Speisen drücken durch ihreForm und Farbe unsere Wünsche für das kom-mende Jahr aus: Fisch, dessen Kopf (Rosch) mit-serviert wird, als Symbol der Fruchtbarkeit, Karottenin Scheiben geschnitten (Zimmes) symbolisierendas Gold der Wohlhabenheit, und die Challot [Brot,Zeichnungen A 2, A 3: Hagemann

Frauenempore

30 Jüdische Feiertage und FesteA

geflochtene Mohnzöpfe] werden an diesen Tagenrund geformt und mit Zucker und Rosinen angerei-chert in der Hoffnung auf ein rundum gutes Jahr. Aufdem Festtagstisch dürfen Honig und Äpfel nicht feh-len in der Erwartung auf ein süßes und glücklichesJahr. Vor der Mahlzeit werden die Apfelscheiben inden Honig getaucht und nach einem entsprechen-den Segensspruch verspeist. Granatäpfel, die be-kanntlich viele Kerne haben, bedeuten die Erfüllungder vielen Wünsche und Hoffnungen. Saure oderbittere Speisen werden an diesen Tagen nicht ver-zehrt. Zu den symbolträchtigen Speisen des RoschHaschana gehört der Honigkuchen – Honiglekach.

Menüvorschlag

• Challa – Apfelscheiben mit Honig• Gesülzter Karpfen• Hühnerbrühe mit Kreplach• Gebratene Ente – Kartoffelkneidlach – Zimmes• Obstsalat• Honig-Kuchen

Rezept für Challa, Mohnzopf für Schabbat und Feiertage

Zutaten: 1 kg Mehl, 1 Ei, 2 TL Salz, 1/2 Glas Zucker,1 Glas Öl, 2 Würfel Hefe (in einem Glas warmemWasser [0,2 l] auflösen), ca. noch 1 Glas lauwarmesWasser.

1. Mehl mit der aufgelösten Hefe mit dem Knetha-ken rühren.

2. Alle Zutaten hinzufügen und ca. 1 Glas lauwar-mes Wasser zugeben. Teig so lange kneten, bis erglatt und glänzend wird.

3. Mit einem Küchentuch zudecken, 2 Stunden ge-hen lassen.

4. Entweder zu 2 Zöpfen flechten oder zu 2Schnecken formen.

5. Auf Backblech legen, mit Eigelb bestreichen undmit Mohn bestreuen. 3/4 Stunde backen bei 175-200° C

Noemi Berger: Das koschere Kochbuch. Stuttgart 1995,S. 9 f. u. S. 181. Bezug über WIZO-Gruppe Württemberg e.V.;Tel. (0711) 2264901; Fax (0711) 2283618; Preis 29,00 DM

festlich und ernst zugleich war. Daran schloss sichJom Kippur* an, ein noch heiligerer Tag, an demBuße getan und gefastet wurde. An den Abenden,die diese ehrfurchtgebietenden Tage einleiteten,holten die Cousinen sie nach dem Essen zur Syna-goge ab...

Die Synagoge mit der blau-goldenen Kuppel warvoller festlich gekleideter Menschen mit Feiertags-gesichtern. Ella trottete nach oben auf die Empore,wo sie mit ihrer Mutter bei den Frauen Platz nahm.Eva und Uschi gingen an der Reihe dunkel geklei-deter Männer vorbei und schlüpften auf dieMädchenbänke, die gegenüber der Lade mit denThorarollen standen. Der reich bestickte Samtvor-hang war schon beiseite gezogen, damit die mit gol-denen Kronen geschmückten Rollen in ihren purpur-farbenen, silberdurchwirkten Hüllen zu sehen waren– als präsentiere man den Gästen zur Feier des Ta-ges die schönen, wohlbehüteten Kinder des Hau-ses. Die Orgelmusik schwoll an, der Chor sang in-brünstig. Eva hörte, wie der feine Mezzosopran ihrerMutter in die Lieder einstimmte, und sie tat es ihrnach und passte die ihr kaum verständlichen Worteden vertrauten Feiertagsmelodien an...

Der Kantor in seiner langen Robe hob den gefülltenKidduschkelch**, um die Segenssprüche zu singen;seine Stimme perlte dunkel wie der rote Wein in demrunden Silbergefäß, und der Schofar, das uralteWidderhorn, ließ seinen durchdringenden Ruf zurBuße schallen, urtümlich und klagend wie der Schreieines verwundeten Muttertieres, das nach seinemverirrten Jungen blökt. Der bärtige, hagere Rabbi Gi-deon erhob seine Gelehrtenhände über der Kanzel.Er bat Gott um Vergebung für die Sünden des ver-gangenen Jahres, aber auch um Beistand für denReichspräsidenten Hindenburg, „den greisen Mann,der die Geschicke unseres Staates lenkt...“ Dannsprach er den priesterlichen Segen über die geneig-ten Köpfe: „Der Ewige wende sein Antlitz dir zu undgebe dir Frieden.“

Als Eva Arm in Arm mit den Eltern die Synagoge ver-ließ – ihr Vater, ein seltener Gottesdienstbesucher,trug seinen gefalteten Gebetsschal und sah mit demfeierlichen Zylinder schön, aber zugleich nicht ganzdazugehörig aus –, fühlte sie sich von den Segnun-gen des Rabbi so wohlig und sicher umhüllt wie voneinem schützenden Umhang. Draußen auf der later-nenbeleuchteten Straße traten Freunde und Fami-lien kurz zusammen, schüttelten sich die Hände undmurmelten: “Mögest du für ein gutes neues Jahreingeschrieben sein.“* Jom Kippur: Versöhnungstag

** Kiddusch: wörtl. Heiligung, Segensspruch; hier: über denWein

Edith Baer: Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht. Frank-furt/Main: Fischer 1995, S. 57-60

A 6 Rosch Haschana in derStuttgarter Synagoge

Edith Baer erzählt ihre Jugend in Stuttgart in literari-scher Verfremdung. Ihre Hauptfigur, Eva Bentheim,wächst im schwäbischen „Thalstadt“ (= Stuttgart)auf und besucht zum jüdischen Neujahrsfest die Synagoge (= die alte Stuttgarter Synagoge in derHospitalstraße).

Ihr eigenes Jahr begann im frühen Herbst, mitRosch Ha-Schana, dem jüdischen Neujahrsfest, das

Jüdische Feiertage und Feste / Die alte und die neue Stuttgarter Synagoge 31A

A 7 Speisegesetze und Sabbatruhe I

Israel M. Lau ist der Oberrabbiner des Staates Israel.In seinem Buch „Wie Juden leben“ erläutert er prak-tische Fragen zum jüdischen Alltag aus orthodoxerSicht.

Selbstverständlich wird jemand, der bei sich zuHause die Kaschrut-Vorschriften (= Speisegesetze)befolgt, sie auch außerhalb des eigenen Hauses undauch im Ausland wie zu Hause befolgen. Beweisenwir uns und den anderen, dass wir allen augenblick-lichen Wünschen und Genüssen entsagen und auchden kleinen Verlockungen widerstehen können. DieKaschrut ist Kennzeichen und Schutzmauer des jü-dischen Hauses. Bewahren wir diese Mauer!

Das Verbot, [am Sabbat] gewisse Gegenstände zubewegen, geht auf eine Entscheidung der Weisenzurück... Die Beschäftigung mit diesen Dingen wirdvom Verbot des Gehens und des Sprechens überwerktägliche Dinge am Sabbat hergeleitet. Ein wei-terer Grund ist der, dass jemand, der werktäglicheGegenstände bewegt und sich mit ihnen beschäf-tigt, möglicherweise auch das Gebot der Thoramissachtet, das ihm vorschreibt, am Sabbat zu ruhen … Alle vor allem für den Sabbat untersagtenArbeiten dürfen am Sabbat auf keinen Fall an-gerührt, noch dürfen alltägliche Dinge bewegt wer-den, damit derjenige, der sie anrührt oder bewegt,nicht zu ihrem Gebrauch verführt wird. Beispieledafür sind ... Geld, Kraftwagen ... usw.Israel M. Lau: Wie Juden leben. Glaube, Alltag, Feste. Gü-tersloh: Gütersloher Verlagshaus, 4. Aufl. 1997, S. 77, 152

A 8 Speisegesetze und Sabbatruhe II

Andreas Nachama, Vorsitzender der Jüdischen Ge-meinde Berlin, lebt sein Judentum liberaler. Das Ma-gazin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung befragtihn:

Heute ist Freitag. Gehen Sie am Abend in die Syna-goge?

Ich besuche seit vielen Jahren regelmäßig eine Sy-nagoge der amerikanischen Armee in Berlin-Zehlen-dorf. Der Gottesdienst ist nicht sehr formell, und ichmag die Art des geselligen Beisammenseins. Ich binaber sicher nicht typisch für Juden meiner Genera-tion in Westeuropa und den Vereinigten Staaten. Ty-pisch sind die „Dreitagejuden“, die nur noch zuRosch Ha-Schana, Jom Kippur und Pessach in dieSynagoge gehen.

Essen Sie koscher* und lassen Sie samstags dasAuto zu Hause?

Ich habe dazu ein recht großzügiges Verhältnis.Selbst mein Vater, der Vorbeter in einer Gemeindeist, fährt samstags mit dem Auto zur Synagoge und

führt kein streng koscheres Leben. Es kommt immerdarauf an, woher man stammt: Ich kenne das ko-schere Leben von Freunden, aber es ist nicht mei-nes. Dasselbe wird umgekehrt für einen jungen or-thodoxen Juden gelten, dem meine, liberale,deutsche Tradition nicht vertraut ist. Ich glaube, inden vergangenen dreißig Jahren hat es da auf bei-den Seiten wenig Bewegung gegeben. Die wirklicheRevolution fand schon vor hundert Jahren statt. Da-mals führte man zum Beispiel in deutschen Synago-gen das Orgelspiel ein, obwohl das Betätigen derTasten im streng orthodoxen Sinn Arbeit ist. Ge-nauso ging es später mit dem Autofahren und ande-ren Tätigkeiten.* koscher: den Speisegesetzen entsprechend, rituell rein

Frankfurter Allgemeine Magazin vom 7.2.1992 (Irene Mayer-List)

A 9 Gedenktafel für die Gefallenen

Im Vorraum der Stuttgarter Synagoge erinnert eine Tafel andie deutschen Soldaten jüdischen Glaubens, die im ErstenWeltkrieg gefallen sind.

Bild: Stadtarchiv Stuttgart

32 Die alte Stuttgarter SynagogeA

A 10

Alte StuttgarterSynagoge, außen

A 11 Alte Stuttgarter Synagoge,innen

A 12 Brand der Stuttgarter Synagoge

Die Synagoge in Stuttgartwurde 1859 bis 1861 im mauri-schen Stil erbaut.

Bild: Stadtarchiv Stuttgart

Maurische Elemente prägten auch das Innere der Synagoge.

Bild: Stadtarchiv Stuttgart

In der Reichspogromnacht, am 9. November 1938, wurdeauch die Synagoge in Stuttgart zerstört. Nur 14 von 151 Sy-nagogen oder Betsälen in Baden, Württemberg und Hohen-zollern blieben in jener Nacht unversehrt. In einigen Fällenwar es die Bevölkerung, welche die braunen Horden vonPlünderung und Zerstörung abhielt.

Bild: Stadtarchiv Stuttgart, Daten nach Joachim Hahn

Die neue Stuttgarter Synagoge / Die neue Karlsruher Synagoge 33A

A 14 Überrest der Gesetzestafelnin Stuttgart

A 15

Neue Karlsruher Synagoge,innen

Die Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten wurden aus derzerstörten Synagoge gerettet und im Innenraum der neuenaufgestellt.

Bild: Landesbildstelle Württemberg

Neugründung Karlsruhe. In Karlsruheentstand 1969 bis 1971 in der KnielingerAllee nach Plänen des Architekten WolfBrosinsky eine neue Synagoge mit Ge-meindezentrum. Die Synagoge hat einensechseckigen Grundriss, der sich amDach symbolhaft zum Davidstern ver-jüngt. Am 4. Juli 1971 wurde das Ge-bäude feierlich eingeweiht.

Nach Joachim Hahn (vgl. A 13), S. 51 f.

A 13 Neue Stuttgarter Synagoge,innen

Die Neugründung. In Stuttgart wurde am 10. Juli 1945 in derReinsburgstraße 26 die Israelitische Kultusvereinigung ge-gründet. Sie hatte in diesem Haus ihren Betsaal. Von 1948 anwurde ein Synagogenbau geplant, der 1951/52 am alten Sy-nagogenplatz verwirklicht werden konnte. Die Einweihungfand am 13. Mai 1952 statt. Architekt Ernst Guggenheimerhatte die Baupläne entworfen: Äußerlich ein schlichter, kubi-scher (= würfelförmiger) Baukörper; im Innern überrascht einheller, würdevoller Kultraum. Die Stuttgarter Synagoge ist dieEinzige für die im Gebiet Württemberg und Hohenzollernheute lebenden jüdischen Mitbürger geblieben.

Nach Joachim Hahn: Synagogen in Baden-Württemberg.Stuttgart: Theiss 1987, S. 49 f.

Bild (Blick zum Thoraschrein): Landesbildstelle Württemberg

34 Jüdisches HaigerlochB

B 1 – B 4 Spurensuche am Heimatort

B 1

Jüdisches Haigerloch

B 2

Haigerlochs frühere Synagoge

1930: Die Synagoge der jüdischenGemeinde Haigerloch

Jüdisches Haigerloch / Symbole auf dem jüdischen Friedhof 35B

1998: Das Gebäude wurde nochmals umgebaut (Super-markt) und ist inzwischen ein Lagerhaus.

Levitenkännchen

B 3 Die Mesusa

Die Mesusa ist eine Kapsel aus Metall oder Olivenholz, dieauf einem Pergament einen Abschnitt aus der Thora enthält:das Bekenntnis zum Glauben an den einen Gott. Die Mesusawird beim Betreten des Hauses mit der Hand berührt.

An früheren jüdischen Häusern ist vereinzelt die Stelle, an derdie Mesusa ihren Platz hatte, noch sichtbar.

Bilder: Klaus Schubert

1955: Das Gebäude wird als Kino genützt.

B 4 Symbole auf dem jüdischen Friedhof

Davidstern

Bilder: Leo Baeck Institute, New York (1930, 1955) und Klaus Schubert (1998)

36 Symbole auf dem jüdischen FriedhofB

Einen Stein auf den Grabstein zu legen ist ein Zeichen, dasbeim Besuch eines Grabes hinterlassen wird. Die Herkunftdieses Brauches ist nicht geklärt; eventuell stammt er ausder Zeit, als die Gräber noch mit Steinen abgedeckt wurden(zum Schutz vor wilden Tieren) und so jeder Besuch zum Er-halt des Grabes beigetragen hat.

Segnende Hände

Buch

Beschneidungsmesser

Die Grabsteine sind Zeugen ihrer Epoche. Bei den abgebil-deten Grabsteinen befindet sich eine hebräische Inschrift aufder Vorderseite des Grabsteines, eine deutsche Inschrift aufder Rückseite.

Bilder: Klaus Schubert

Umfrage: Stichwort „Juden“ / Überlebende des Holocaust 37C

Jüdisches LebenC 1 – C 17 in Deutschland heute

C 1 Eine Umfrage

C 2 Displaced persons

Was fällt Menschen auf der Straße beim Stichwort„Juden“ ein? / Antworten aus deutschen Städten

Verkäuferin, 53: „Kann ich schwer was zu sagen.Die Zahl weiß ich nicht, aber auf jeden Fall dochreichlich, reichlich, reichlich. Es sind sehr viele, sa-gen wir vier Millionen.“

Zahnmedizinische Assistentin, 26: „Ich kann es,ehrlich gesagt nicht mehr hören. Ich habe gerademein Abitur nachgemacht, und es gab ewig die glei-chen Diskussionen. Ich schätze, es gibt 2.600.000Juden in Deutschland.“

Arbeitsloser, 21: „Was mir zum Judentum einfällt?Dass es nicht gut ist, oder so. Wieviele es hier gibt,keine Ahnung. Damit beschäftige ich mich nicht.Muss ’ne ganz schöne Menge sein noch.“

Schüler, 19: „Ganz schnell, was mir so als ersteseinfällt? Also erst mal ein paar Synagogen, ein biss-chen Reichskristallnacht und – ja dass sie immerversuchen, einen eigenen Staat zu proklamieren unddass sie ein paar Probleme damit haben. Ichschätze mal, in Deutschland leben zwei Millionen,so in dem Dreh.“

Grundschüler, 9: „Zu Juden fallen mir Judenwitzeein. Außerdem ein Klassenkamerad, der ist Jude.Wieviele? 2.000.“

Akademikerin, 34: „Beim Thema Juden denke ichan die Verfolgung durch die Nazis und unsere Ge-schichte, und dass so etwas nicht mehr passierendarf. Ich glaube, sie machen 15 Prozent der Bevöl-kerung in Deutschland aus.“

Rentnerin, 65: „Den Krieg habe ich nicht mitge-macht, aber ich wundere mich, dass die sich über-haupt trauen, hier zu wohnen. Ich habe nichts dage-gen. Doch was der Bubis hier in Frankfurt mit seinenImmobilien im Westend gemacht hat, ist nicht inOrdnung. Es gibt wohl drei Millionen hier, wahr-scheinlich die meisten aus Russland.“

Bankangestellter, 31: „Judentum ist eine Religionund keine menschliche Eigenschaft. Persönlichkenne ich keinen Juden, schätze aber, dass nochrund 100.000 in Deutschland leben. Menschen sind

unterschiedlich und Juden eben auch. Was ich da-mit sagen will, ist, dass ich allein die Frage, ob icheine Meinung zum Judentum hätte, für diskriminie-rend halte. Unterschwellig wird hier doch angedeu-tet, dass Juden in ihrer Art und Weise anders seinmüssten als andere Menschen.“

Hausfrau, 40: „Ich denke, dass noch etwa 10.000Juden in Deutschland leben, doch ehrlich gesagt,kenne ich keine – da fällt mir sofort der Holocaustein. Eigentlich weiß ich über die Religion gar nichts,dabei gibt es in unserer Stadt eine Synagoge, aberich bin noch nie dort gewesen. Ich habe so eine Kli-schee-Vorstellung von den gläubigen Juden, die ei-nen Hut tragen und Löckchen an den Seiten haben.Aber wahrscheinlich gibt es diese Trachten heuteschon nicht mehr.“Allgemeine Jüdische Wochenzeitung vom 14.11.1996

Daß Juden nach der Massenvernichtung noch oderwieder in Deutschland lebten, wurde und wird auchheute noch in Israel und großen Teilen der jüdischenWelt als Schandfleck betrachtet. Von den 150000vor allem polnischen und russischen Juden, die un-mittelbar nach Kriegsende, sei es, weil sie von denNazis aus den östlichen Lagern ins Reichsinnereverschleppt worden, sei es, weil sie vor den Nach-kriegspogromen in Polen in die westlichen Besat-zungszonen Deutschlands geflüchtet waren – vondiesen 150000 Menschen, die als »Displaced per-sons« bezeichnet wurden, hatten nach der Staats-gründung Israels mehr als 80 Prozent deutschenBoden verlassen und waren mehrheitlich nach Israelund zu einem geringeren Anteil in die USA ausge-wandert. Der verbliebene Rest bestand aus Men-schen, die physisch und psychisch zerstört, ge-schwächt und demoralisiert waren, Menschen, dieim wörtlichen Sinne zu schwach waren, die Be-schwerden des Neuanfangs in einem subtropischenLand auf sich zu nehmen...

»Die Mörder sind unter uns!« Wer 1961 als JudeBrötchen kaufen ging, mit der Straßenbahn fuhroder auf einem Amt etwas erledigen mußte, hatteeine große Chance, im Bäcker, im Schaffner oder im

38 Überlebende des HolocaustC

C 3 Einer der hier blieb

Auszüge aus einem Gespräch mit Isak Wasser-stein

Mit welcher Geschichte auf dem Rücken sind Sienach Deutschland gekommen?

Ich bin 1921 in Warschau geboren. Bei der erstenAussiedlung 1942 aus dem Warschauer Ghetto hatman mich in einen Waggon verfrachtet. Wir warenungefähr tausend relativ junge Menschen. Manbrachte uns nach Russland... Ich bin dort achtzehnMonate geblieben. Während dieser Zeit kamen nochweitere fünfhundert aus dem Warschauer Ghettonach, also theoretisch waren wir fünfzehnhundert.Aber als der zweite Transport kam, waren von unse-rem ersten nur noch fünfhundert übrig geblieben.Und nach den achtzehn Monaten waren nur nocheinundvierzig da...

Es gab nicht genügend zu essen, viele wurden er-schlagen, einfach erschlagen. Es wurden jungeLeute erschossen, es gab keinen Arzt, keine Medi-kamente und kein Lazarett, gar nichts. Wenn jemandkrank geworden ist und nicht mehr zur Arbeit kom-men konnte, selbst wenn der eigentlich gesund war,dann wurde ihm die Nummer abgenommen – wirhatten alle Nummern –, er blieb dann im Lager undwar schon ein Todeskandidat...

... wir einundvierzig, sind wieder zurückgefahren,natürlich unter der Führung der Deutschen, der SS.... dann sind wir nach Polen gekommen. Man hatuns auf verschiedene Lager verteilt. Ich bin von ei-nem Lager ins nächste verlegt worden...

Schließlich ließ man uns mit einem Transport nachDeutschland. Und in Deutschland war ich dann bis1945 in verschiedenen KZs, in Todeslagern. UndEnde des Krieges, Ende April 1945, als wir befreitwurden, waren wir dann in der Nähe von Schongauin einer Kaserne. Dann sind wir nach Garmisch-Par-tenkirchen gebracht worden. Es gab dort große Mi-litärlager von der Wehrmacht, von der SS. Man hatuns dort untergebracht. Das war ein Sammelpunktfür viele ausländische Fremdarbeiter. Und von dorthat man die Leute verteilt ... ein kleiner Teil, ungefährtausend Leute, ist erst mal in Garmisch geblieben.

Haben Sie daran gedacht, nach Polen zurückzuge-hen?

Nein. Das habe ich nicht ein Minute gedacht!

Warum nicht?

Ich hatte verstanden, dass niemand von meiner Fa-milie lebt. Als ich aus dem Warschauer Ghetto de-portiert wurde, war meine Familie noch zu Hause.Ich habe aber keine Spuren mehr von ihr gefunden,habe nie wieder etwas gehört und habe angenom-men, dass niemand mehr lebt. Somit hatte ich dortnichts mehr zu suchen...

Ich bin, mit anderen Worten, als Fünfundzwanzig-jähriger, allein, 1945, in Garmisch-Partenkirchen ste-hengeblieben. Ich konnte die Sprache nicht richtig,es gab keine Zukunft, es gab keine Verwandtschaft,es gab überhaupt keine Bindungen. Es gab nur denSchrecken vor dem Morgen, wie geht es weiter?Und die Angst, dass es nicht mehr weitergehenwürde. Ich bewundere die Leute, die ich aus demLager kannte, die den Mut hatten auszuwandern,vorwiegend nach Israel. Ich muss ehrlich gestehen:den Mut habe ich nicht gehabt.

Als Sie also damals in dem DP-Lager waren, habenSie auch nicht mit dem Gedanken gespielt, nachEngland oder Amerika zu gehen?

Nach Amerika wollte ich eigentlich gehen. Ich habealles versucht, habe auch später eine Gelegenheitgehabt, nach Amerika auszuwandern. Aber ich bindann vom amerikanischen Konsulat zurückgewie-sen worden, weil ich damals – was ich nicht wusste– Flecken auf der Lunge hatte...

Sie wissen ja sicher, dass nach der Schoah, Endedes Zweiten Weltkrieges, Juden in aller Welt davonausgingen, dass sich kein Jude mehr in Deutschlandniederlassen würde. Haben Sie das damals ge-wusst?

Ja. Ich muss Ihnen sagen, dass ich selber ein Geg-ner der Leute war, die in Deutschland gebliebensind. Ich hätte mir auch nicht vorstellen können,dass ich selber in Deutschland bleiben würde. Abermanchmal gibt es so Schicksale, die einen Men-schen dazu bewegen. Meine Frau ist deutscheJüdin, hat alles mitgemacht, KZ usw. Wir haben ’46geheiratet. Da sie die deutsche Sprache be-herrschte und gefühlsmäßig mehr an Deutschlandgebunden war, haben wir es verschoben. Wir woll-ten quasi die Letzten sein. Es hat sich natürlich an-ders ergeben. Aber ich darf Ihnen dazu sagen, Siehaben vollkommen recht, das ist auch unsereSchande heute, die meiner Frau und die meinige,dass uns aus verschiedenen Gründen nicht gelun-gen ist, aus Deutschland herauszukommen. Wirsind bis heute hiergeblieben.Susann Heenen-Wolff (Hrsg): Im Haus des Henkers. Ge-spräch in Deutschland. Frankfurt/M.: Dvorah 1992, S. 180-185

Regierungsrat einen ehemaligen SS-Mann, eineman der »Partisanenbekämpfung« und Deportationenbeteiligten Wehrmachtssoldaten oder einem ehe-maligen Beamten, der Arisierungen legalisiert hatte,zu begegnen. Genaugenommen waren derlei Be-gegnungen sogar unausweichlich, ein Umstand, aufden sich im Bewußtsein der ermordeten Verwandtennur mit schlechtem Gewissen oder massiver Ver-drängung reagieren ließ.Micha Brumlik: Kein Weg als Deutscher und Jude.© 1996 Luchterhand Literaturverlag GmbH, München (Nach-druck in neuer Rechtschreibung nicht genehmigt)

Überlebende des Holocaust 39C

C 5

Seit zehn Generationenim Schwarzwald

Als der österreichische Kaiser Leopold I. in der Mittedes 17. Jahrhunderts den Wiener Stadtbezirk II von„Judenstadt“ in „Leopoldstadt“ umbenannte, ver-trieb er die jüdischen Einwohner in alle Welt. MosesHakohen, einer von ihnen, kam in das schwäbischeDorf Baisingen bei Nagold und siedelte sich dort alsViehhändler an. Aus dem Namen Hakohen wurde imLaufe der Jahre Kahn, und inzwischen ist der 13Jahre alte Samuel die zehnte Generation der Fami-lie, die in dieser Gegend verwurzelt ist.

„Wissen Sie, was das für Nüsse sind?“ Fredy Kahn,1947 geboren, praktischer Arzt in Nagold und Vatervon Samuel, schaut seinen alten Patienten ratlos an.„Die Nüsse von diesem Baum habe ich schon IhremUrgroßvater geschenkt, jeden Herbst!“

Vor dem Nazi-Regime fand in dem wenige hundertEinwohner zählenden Dörflein Baisingen ein intaktesjüdisches Leben statt. Die rund 100 Juden dort hat-ten eine eigene Volksschule, seit 1778 einen eige-nen Friedhof und seit 1782 sogar ihren eigenen Ver-sammlungsort, eine Synagoge. Als am 10.November 1938, einen Tag nach den Prognomendann die Nazihorden auch in die Baisinger Land-idylle einbrachen, zerstörten sie neben den Woh-nungen der Juden auch die Inneneinrichtung derSynagoge und verbrannten die Thorarollen, Gebets-bücher und alles andere Tragbare auf dem Feld hin-ter dem Versammlungshaus.

Die Baisinger Synagoge wurde nur deshalb nicht inBrand gesteckt, weil mehrere Wohnhäuser, auf diedas Feuer hätte übergreifen können, kaum einenhalben Meter entfernt von dem Versammlungshausstanden. Manchen der Juden gelang noch dieFlucht aus dem Dorf, so auch Siegfried Kahn, demOnkel von Fredy, der 1939 mit einem Kindertrans-port nach England emigrierte. Seinem Bruder Harry,dem Vater Fredy Kahns, gelang die Flucht aus Bai-singen nicht mehr; 1941 wurde er aus dem schwä-bischen Dorf deportiert. Dass Harry Kahn die insge-samt 11 Konzentrationslager, darunter Riga undTheresienstadt, überlebt hat, verdankte er allein sei-ner guten Konstitution, die er als dreißig Jahre alterMann gehabt hat, schildert sein Sohn Fredy heute.Als Harry Kahn dann im Juni 1945 zum Skelett ab-gemagert nach Baisingen zurückkehrte, war er einervon fünf Juden aus diesem Ort, die die Vernich-tungslager überlebten, indes der einzige, der in sei-ner schwäbischen Heimat blieb ...

Für die Baisinger Bevölkerung begann nun einelange Zeit der Spekulation, der Mutmaßungen unddes Zurechtrückens ihrer eigenen Geschichte. Vielebiedern sich bei Fredy Kahns Vater an, er solle be-stätigen, dass sie „mit dem Ganzen“ nichts zu tungehabt hätten. Dass Harry Kahns Mutter, seine erste

C 4

Josef Warscher wurde 1908 im damals öster-reichisch-ungarischen Krosno geboren und wuchsin Stuttgart auf. Nach seiner Verhaftung 1939 ver-brachte er fünfeinhalb Jahre im KZ Buchenwald. Erkehrte im Mai 1945 nach Stuttgart zurück. JosefWarscher war maßgeblich am Wiederaufbau der Is-raelitischen Religionsgemeinschaft Württembergsbeteiligt und war Mitbegründer der Stuttgarter Ge-sellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.

Also von wegen Empfangskomitee und so – null. Esgab Städte, da ist der Oberbürgermeister selber ge-kommen, um seine Häftlinge abzuholen. Der Bushat uns im Osten der Stadt abgesetzt – und da warich eben. Es ist schon komisch, Sie steigen in ir-gendeinem Stadtteil aus, stehen mitten auf derStraße und fragen sich, was jetzt? Ich kam heim undes gab kein Heim mehr...

In der Reinsburgstraße haben die Amerikaner einHaus für die jüdische Gemeinde beschlagnahmt.Die alte Synagoge war ja zerstört. Erhalten warennur noch die Gesetzestafeln und eine große Wand-tafel mit den Namen der Gefallenen des Ersten Welt-kriegs...

Wir hatten in den ersten Jahren in ganz Württem-berg etwa 700 Mitglieder in der jüdischen Ge-meinde, davon ca. 500 in Stuttgart. Von denenmachten Alteingesessene oder auch nur in Deutsch-land Geborene höchstens 5 % aus.

Im KZ hatte ich mir gedacht, du gehst erst einmalnach Stuttgart und siehst, was dort los ist. Einmal,es war glaube ich 1947, habe ich mir ernsthaft über-legt, nach Amerika auszuwandern. Es wäre keinProblem gewesen, ein Visum nach Amerika zu be-kommen. Doch ich betrachtete es immer als meinePflicht, die jüdische Gemeinde in Stuttgart wiederaufzubauen, und diese Arbeit war so interessant,hat mich so gefesselt, dass ich dann doch geblie-ben bin...

Ich habe ungefähr zwei Jahre gebraucht, bis ichfähig war, wieder in ein Café oder Restaurant hin-einzugehen. Es gab da eine unsichtbare Wand. Eshat lange gedauert, bis ich wieder Kontakt mit dernichtjüdischen Bevölkerung aufnehmen konnte. Daswar nicht aus Absicht, nein, ich konnte es einfachnicht. Es waren natürlich auch nicht viele Juden da,mit denen man Kontakt hatte. Dafür hat man vielZeit für die Arbeit gehabt. Vor allem die Wiedergut-machungsangelegenheiten haben viel Zeit in An-spruch genommen. Auch auf den Friedhöfen hattenwir viel zu tun – die Nazis hatten ja sogar die Bron-zeplatten von den Grabsteinen geraubt.

Michael Brenner: Nach dem Holocaust, Juden in Deutsch-land 1945-1950 München: Beck’sche Reihe Nr. 1139,C.H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung, München

„Es gab kein Heim mehr“

40 Überlebende des Holocaust / Die zweite GenerationC

Frau sowie sein 92 Jahre alter Großvater von denNazis ermordet worden sind, versuchen sie – teil-weise bis zum heutigen Tage – zu verdrängen.

Warum ist Harry Kahn in ein Land, in ein Dorfzurückgekehrt, das ihm soviel Leid angetan hat?Sein Vater habe nicht viel über seine eigene Ge-schichte erzählt, sagt Fredy Kahn nachdenklich. „Erhat nur von morgens früh bis spät abends geschuf-tet, er wollte wohl die viereinhalb verlorenen KZ-Jahre wettmachen“, vermutet sein Sohn. „Das warseine Art, seine Geschichte aufzuarbeiten.“ Die Ant-wort auf diese Frage gab Harry Kahn einmal selbstin einem Brief im Jahre 1948. „Nach reiflicher Über-legung blieb ich an dem Ort, an dem meine Familieseit Generationen ansässig war.“

Die Tatsache, dass „einer zurückgekehrt ist“, machtden Baisingern heute noch zu schaffen; kaum einerkann mit der Geschichte des Dorfes umgehen. Manscheint sich aufs Totschweigen und Verdrängen zubeschränken. Bis vor einigen Jahren erinnerte ledig-lich ein Mahnmal auf dem jüdischen Friedhof an dieErmordeten; bezeichnenderweise wurde dieses vonHarry Kahn im Jahre 1953 gestiftet.

„Hier liegen alle meine Vorfahren begraben undauch ich werde vielleicht einmal hier liegen“, sagtFredy Kahn, als er Fotografien von den Grabstättenseiner Ahnen zeigt.Matthias Schweizer, in: Allgemeine Jüdische Wochenzeitungvom 6. April 1995

C 6 Deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens

C 7 Kein deutscher Jude mehr

C 8 Brücken über den Abgrund

Ignatz Bubis, geboren 1927 in Breslau, überlebteden Naziterror, Vorsitzender des Zentralrats der Ju-den in Deutschland

»Ich bin ein deutscher Staatsbürger jüdischen Glau-bens«, habe ich noch vor einigen Jahren geantwor-tet, wenn mir jemand die Frage nach meiner natio-nalen Identität stellte – eine Frage übrigens, die mirselbst nur von einigermaßen begrenzter Bedeutungzu sein scheint in einer Zeit, in der die Welt immerenger zusammenwächst, in der nationale Grenzenund nationale Begrenztheiten zum Glück immer un-wichtiger werden. Ich lebe in Deutschland. Frankfurtam Main ist seit langen Jahren meine Heimatstadt,hier wohne und arbeite ich, hier mische ich michein ...

Wenn ich von meiner deutschen Identität spreche,so liegt sie vor allem hier, in der deutschen Sprache,in der deutschen Literatur, in der deutschen Kultur.Nation, das ist für mich Kulturnation. Nur in dieserForm ist für mich die nationale Identität von Bedeu-tung ...

Egon M. Kornblum, 1918 in Rathenow/Brandenburggeboren, Auswanderung nach Shanghai; weitereExilstationen: Seattle, Israel; 1958 Rückkehr in dieBundesrepublik

Ich betrachte mich heute nicht mehr als deutschenJuden, sondern als »Juden in Deutschland«: Mankann nicht einem Menschen sagen: »Du bist keinDeutscher, du bist ein Dreckjude, du bist Ungezie-fer!«, und morgen heißt es: »Nun ja, das ist mal ge-sagt worden!«Franz J. Jürgens: „Wir waren ja eigentlich Deutsche“, Judenberichten von Emigration und Rückkehr, Berlin 1997: Aufbau,S. 169

Michael Wolffsohn, geboren 1947 in Tel Aviv alsSohn deutsch-jüdischer Emigranten, lebt seit 1954in der Bundesrepublik

Obwohl in Israel geboren, habe auch ich mich ent-schieden, in Deutschland zu leben. Ich identifizieremich mit dieser bundesdeutschen Demokratie undnenne mich deshalb einen »deutsch-jüdischen Pa-trioten«. Jüdisches Leben an sich ist heute politischfast überall in der Diaspora möglich, auch und erstrecht in Deutschland ...

Ohne Erinnerung kein moralischer Alltag. Der Ab-grund, der Holocaust, wird zwischen Deutschen undJuden immer bleiben. Doch über diesen Abgrundkann man viele Brücken bauen. Brücken bedeutenKommunikation miteinander, Verständnis füreinan-der. Wenn es viele Brücken gibt, wird der Abgrundvielleicht einer Tages sogar unsichtbar sein, aber erbleibt trotzdem.Michael Wolffsohn: Meine Juden, eure Juden, München: Piper 1997, S. 208 f, S. 226

Die Richter und Henker haben dann ja sehr gründ-lich versucht, diese Kultur zu zerstören. Aber trotzdes Holocaust ist es auch und vor allem diese deut-sche Kultur, präziser: diese deutsch-jüdische Kultur,die mir das Leben in der deutschen Sprache, dasLeben in Deutschland lebenswert macht.Ignatz Bubis: Juden in Deutschland, Berlin 1996: Aufbau,S. 13, S. 34 f

Die zweite Generation 41C

C 10 „Hauptsache, die Antipathienführen nicht ins Gas“

Thomas Rothschild, Jahrgang 1942, Professor amInstitut für Literaturwissenschaft der UniversitätStuttgart.

Als ich sechs Jahre alt war, rief mir ein Junge aufdem Heimweg von der Schule nach: »Jud, Jud,spuck in’n Hut, sagt die Mama, das ist gut!« Ich kamnach Hause und fragte meine Eltern, was ein Jud ist.Sie sind, glaube ich, sehr viel mehr erschrocken alsich.

Meine Eltern waren nach dem Krieg aus Schottland,wo ich geboren wurde, in ihre österreichische Hei-mat zurückgekehrt in der Meinung, nach allem, waspassiert sei, wäre kein Antisemitismus mehr mög-lich. Schon sie waren ohne Religion aufgewachsen,sie hielten die Assimilation für notwendig und rich-tig. Drei meiner Großeltern waren im Konzentra-tionslager umgekommen. Was eine Großmutter ist,habe ich nie emotional erfahren...

Und nun mussten sie ihrem sechsjährigen Sohn er-klären, dass er Jude sei. Er war dem Antisemitismusbegegnet.

Jahre später. Ein jüdisches Mädchen in unseremGymnasium wird von einem Klassenkameraden»Saujüdin« genannt. Es kommt zu einer Elternver-sammlung. Der »Klassenvorstand« – der für unsereKlasse zuständige Mathematik- und Physik-Lehrer –verpflichtet sich, mit uns zu sprechen. Er war imKrieg Offizier, hat wirklich gelernt, ist ehrlicher Geg-ner von Krieg und Nationalsozialismus. Er sagt: »Esdarf nicht mehr vorkommen, dass hier jüdische Mit-schüler wegen ihrer Herkunft beschimpft werden.Schließlich kann sich niemand seine Eltern aussu-chen.« Er hat es – ich schwör es – gut gemeint...

Als ich 1968 in die Bundesrepublik Deutschlandkam, fühlte ich mich erleichtert. Erstmals lebte ich ineiner Gesellschaft, in der ich unter jungen, zumal in-tellektuellen Menschen – anders als in Wien – keinenAntisemitismus verspürte...

Bei älteren Leuten kam bisweilen das unverdauteVorurteils-Gemisch der Hitler-Zeit eher unwillkürlichzum Vorschein. Ein Nachbar beschimpfte mich ein-mal im Suff als dreckiger Jude. Das lässt sich ertra-gen. Sympathien kann man nicht erzwingen. Haupt-sache, die Antipathien führen nicht ins Gas...

Als ich vor einiger Zeit mal wieder einen Haarschnittbrauchte, streifte ich beim Einparken mit meinemAuto die Stoßstange eines Lieferwagens. Der Fah-rer, ein Gastarbeiter, war gleich zur Stelle und be-fand, die Stoßstange sei gelockert. Es gelang ihm,mir eine größere Geldsumme abzuverlangen, als ichihm eigentlich nach Begutachtung des Schadensgeben wollte. Aber was tut man nicht, um nicht beider Versicherung zurückgestuft zu werden. Mein Fri-seur war Augenzeuge.

Als ich ein paar Wochen später wieder zum Haar-schnitt kam, meinte er, ich hätte wohl etwas vielzahlen müssen, um seine Reflexionen in der Aus-sage gipfeln zu lassen: »Die Ausländer sind ja alleJuden.«

Da kam denn alles zusammen. Die Juden mag ernicht, mein Friseur. (Es ist zu erwähnen, dass er imDritten Reich ein Kind gewesen sein musste.) DieJuden, das weiß man ja, betrügen einen und han-deln einem alles Geld ab. Die Ausländer mag erauch nicht, mein Friseur. Die Gleichung ist schnellhergestellt: die einen mag er nicht, die andern mager nicht, und alle betrügen sie uns. Also: »Die Aus-länder sind ja alle Juden.«Henryk M. Broder/Michel R. Land (Hrsg.): Fremd im eigenenLand, Juden in der Bundesrepublik, Frankfurt/M: Fischer1979, S. 351-357

C 9 „Wie kannst du hier leben?“

Jutta Oesterle-Schwerin, 1941 in Jerusalem gebo-ren, lebt seit 1962 in Deutschland.

Es passiert öfter, dass jemand zu mir sagt: „Wiekannst du hier leben, nach all dem, was man euchangetan hat.“ Ich spüre dabei den Hintergedanken:Warum seid ihr überhaupt zurückgekommen. Auchdie große Israel-Freundlichkeit, die zeitweise inDeutschland geherrscht hat, hatte den Tenor: „DieJuden gehören in ihr Land.“ Mensch, denke ichdann, das hätte euch gerade so gepasst, dass vonuns keiner mehr zurückkommt, und ich sage dann:„Wie könnt ihr hier leben – habt ihr denn den Nazisihre Verbrechen verziehen?“

Für die Kinder mit jüdischen Vorfahren ist die Situa-tion besonders problematisch. Als mein Sohn etwaacht Jahre alt war, habe ich zum ersten Mal ver-sucht, ihm davon zu erzählen, dass es Juden gab inDeutschland und was mit ihnen passiert ist. Auf ein-mal schaut er mich ganz ernst an und sagt: „Aberwir sind doch keine Juden, oder?“

Er wusste natürlich genau, dass sein GroßvaterJude war und dass ich aus Israel bin, dass insofernauch er etwas damit zu tun hat. Da wurde mir klar,dass es für Kinder schrecklich ist, sich mit den Op-fern zu identifizieren.Jessica Jacoby u.a. (Hrsg.): Nach der Shoa geboren, Jüdi-sche Frauen in Deutschland, Berlin: Elefanten Press 1994,S. 111 f.

42 Die zweite Generation / Enkel der ÜberlebendenC

C 13 Ein Mensch wie alle anderen

C 14 Deutsche, Israelin, oder was?

Evelyne, 16 Jahre

Früher hatte ich mich geschämt, jüdisch zu sein.Dies kam besonders vor, als ich noch in der Grund-schule mit lauter Kindern zusammen war, die Chri-sten waren. Diese wussten, dass ich Jüdin bin, aberüber meinen Glauben hatten sie keine Ahnung. Be-sonders in den Zeiten vor christlichen Feiertagenkam ich mir etwas komisch vor, aber trotzdem wollteich nicht Christ sein, und jetzt sage ich mir, wenn dieChristen Weihnachten feiern, feiere ich sowiesoChanukka. Im Laufe der Jahre hat sich mein GefühlJüdin zu sein, sogar verändert, und ich bin stolz,dass ich diesen Glauben habe. Als ich dann insGymnasium kam, erzählte ich niemandem, dass ichJüdin bin, weil ich die meisten meiner Mitschülernoch nicht kannte, aber jetzt ist es so, dass allemeine Freunde über meinen Glauben Bescheid wis-sen, und ich habe auch gar nichts dagegen. Trotz-dem hatte ich schon mal Unannehmlichkeiten, Jüdinzu sein. Früher war ich im Handball, und da gab eszwischen zwei Gruppen einen großen Streit, übereine Meinungsverschiedenheit. Da sagte dann einMädchen meiner Gegengruppe: »Ach, lasst dochdiese Gruppe sein, die sind doch alle mit einer Jüdinbefreundet. Wenn es irgendwo Juden gibt, kommtes doch immer zum Streit!« Ein weiteres Beispielwar, als mich ein Junge fragte, ob ich überhauptmeinen Geburtstag feiere, ob ich abends ausgehendürfte und ob ich überhaupt in Urlaub fahren würde.Meine Antwort war, dass ich doch genau wie er undalle anderen ein Mensch sei. Mir ist aufgefallen,dass alle Leute, die irgendwelche Vorurteile gegenJuden und das Judentum haben, entweder keineAhnung über die Religion haben und/oder keinenJuden kennen.Alexa Brum u.a. (Hrsg.): Ich bin was ich bin, ein Jude, Jüdi-sche Kinder in Deutschland erzählen, Köln: Kiepenheuer &Witsch 1995, S. 45 f

Lalenia Kedi, 17 Jahre

Mein Vater ist Israeli und Jude – meine Mutter istDeutsche und konfessionslos. Zur Zeit besitze ichbeide Pässe, ich fühle mich eigentlich als Jüdin,auch wenn ich offiziell keine bin. Denn es ist nichtso, wie viele Leute denken: eine Israelin ist nicht au-tomatisch eine Jüdin oder umgekehrt.

Früher dachte ich, eines nahen Tages müsste dieEntscheidung kommen: Bin ich Deutsche, Israelin,oder was? Für meine Familie in Israel war es immersicher, dass ich nach Israel ziehe – und dann die Sa-che sowieso geklärt ist. Sogar meine Einberufung indie israelische Armee habe ich bereits. Und meine

C 11 „Sonderbehandlung“

C 12 „Ich habe als Jude Angst“

Von Richard Chaim Schneider

Ich hatte am Gymnasium einen Musikreferendarzum Lehrer, der mich ganz offensichtlich bevor-zugte. Nachdem die Klasse anfing, mich deswegenzu hänseln, stellte ich ihn zur Rede. Er bat mich, mitihm ins Café zu gehen. Dort erzählte er mir mithochrotem Kopf und Schweißperlen auf der Stirn,dass sein Vater ein Nazi war und Hunderte von Ju-den umgebracht hatte. Er wollte dies nun an mirwiedergutmachen. Schockiert schrie ich ihn an, ersei genauso wie sein Vater, da er mir auch eine„Sonderbehandlung“ zuteil werden lasse, und liefdavon.„Die Zeit“ vom 20. Februar 1987

David, 9. Klasse

Ich heiße David, bin elf Jahre alt und gehe in die Jü-dische Grundschule. Man hat mich schon öfters inmeiner Straße (auch außerhalb) gefragt, was ich bin,und ich habe immer wieder das gleiche geantwortet,nämlich dass ich ein Christ bin, das ist natürlich ge-logen, aber ich hatte Angst, dass wenn ich dieWahrheit sage, dass sie mich verhauen oder sonstirgendwas mit mir machen.

In unserem Haus wissen eigentlich sowieso fast alle,dass ich ein Jude bin und sie behandeln mich ei-gentlich wie einen normalen Menschen, wie alle an-deren auch. Das finde ich gut, weil ich nicht andersbin als andere Menschen, ich habe ja bloß nur eineandere Religion. Ansonsten habe ich auch gutechristliche Freunde, die wissen natürlich, dass ichein Jude bin und sie interessieren sich auch dafür,das finde ich toll, und es gab noch nie Streitereien,wo sie zu mir gesagt haben, dass ich ein »Scheiß-jude« sei und ich glaube auch nicht, dass alle Neo-nazis, die man im Fernsehen sieht, so schlimm sind.Die meisten werden ja leider auch von den Elternbeeinflusst. Ich glaube, dass fast alle Deutschen gutsind und nicht so denken wie die Neonazis. Trotz-dem habe ich Angst, warum, weiß ich selbst manch-mal nicht.Alexa Brum u.a. (Hrsg.): Ich bin was ich bin, ein Jude, Jüdi-sche Kinder in Deutschland erzählen, Köln: Kiepenheuer &Witsch 1995, S. 32 f

Enkel der Überlebenden 43

Saupe
Rechte Text beige
Saupe
Bildrechte beige

44 Enkel der Überlebenden / Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion

Saupe
Rechte Text beige
Saupe
Bildrechte beige

Begegnungen der Jugendlichen / Die Gegenwart der Vergangenheit 45D

D 1 – D 9 Deutsch-israelischer Schüler-austausch–Ein Projektbericht

D 1 Aus israelischer Sicht

D 2 Aus deutscher Sicht

D 3 Vom Umgang mit Gefühlen

Berichte über den Austausch zwischen der EinotYarden High School im Oberen Galiläa und dem El-lental-Gymnasium Bietigheim (Übersetzung ausdem Englischen)

Noa: Im Jahre 1994 fuhr unsere Gruppe zum zwei-ten Teil des Schüleraustauschs nach Deutschland.Diese Reise haben wir zwei Jahre lang vorbereitet:wir wurden zu Experten auf dem Gebiet des Holo-caust, in deutscher Politik und ihren Problemen,auch dem der Neo-Nazis. In Deutschland erfuhrenwir Genaueres über die verschiedenen Schultypen,über die „deutschen“ ökologischen Probleme unddas Recycling. Am wichtigsten jedoch war der per-sönliche Kontakt zu unseren Gastgebern. Die Gast-freundschaft in den Familien unserer Austausch-partner war unglaublich und wir kamen dendeutschen Teilnehmern menschlich sehr nahe. Ei-nige unserer deutschen Freunde haben uns seitherin Israel wieder besucht. Zu Beginn unserer Reise –im Flugzeug – hörten wir mit Beklemmungen diedeutsche Sprache und hatten große Befürchtungendavor, auf ältere Leute zu treffen, die möglicher-weise am Zweiten Weltkrieg teilgenommen habenkönnten. Doch diese Gefühle verschwanden, sobalduns unsere Gastgeber in Empfang genommen hat-ten. Eine unserer herausragenden Erfahrungen desAufenthaltes war eine Diskussionsrunde in derSchule mit interessierten Schülern, die nicht amAustauschprogramm teilnahmen, und Eltern. Wirsprachen in der Öffentlichkeit über die israelischePolitik, und die deutschen Schüler diskutierten überdie Art und Weise, wie sie sich mit der Vergangen-heit auseinandersetzen sollten. In anderen interes-santen Gesprächen fragten wir Zeitzeugen nachihren Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg und ei-nen Sozialarbeiter, der mit jungen Neo-Nazis gear-beitet hatte. Aber wir hatten auch viel Spaß zusam-men, z.B. abends in den Discos, und wirverbrachten viel Zeit bei endlosen Gesprächen ...Wir alle betrachten dieses Austauschprogramm alseine unserer wichtigsten Aktivitäten während unse-rer High-School-Zeit.

Itai: Ich wollte gerne junge Leute aus dem Auslandtreffen und hoffte auf lohnende Erfahrungen auchbei der Behandlung ernsterer Themen. Die Woche,die wir mit den deutschen Schülern verbracht ha-ben, erfüllte meine Erwartungen vollkommen. Wirbeschäftigten uns mit sehr ernsten Themen in derSchule und hatten eine Menge Spaß am Abend. Fürmich war es wichtig, dass der Holocaust einbezo-

gen wurde, weil dieser immer noch einen Schattenüber die Juden wirft. Ich war froh, dass diese Dis-kussionen zum offiziellen Programm gehörten, dennes ist fast unmöglich, Themen dieser Art bei infor-mellen Treffen mit Leuten anzusprechen, die mangerade erst kennengelernt hat. Letztendlich mach-ten wir die Beobachtung, dass die deutschenSchüler, was Ansichten und Interessen betrifft, unssehr ähnlich sind.

Bericht einer deutschen Schülerin über den Aus-tausch mit der Einot Yarden High School

Andrea: Es ist interessant, mit Menschen zu spre-chen, deren Vorfahren von unseren Vorfahren ver-folgt und vertrieben wurden. Wenn man die Ge-schichte aus einer anderen Perspektive erzähltbekommt, ist dies zunächst äußerst erschütternd.Jedoch ist es schön, dass man versuchen kann, denheutigen Jugendlichen in Israel zu vermitteln, dassDeutschland sich gewandelt hat und dass für Judenheute keine Gefahr mehr besteht, nach Deutschlandzu kommen. Auch das Land selbst mit seiner Kulturist interessant: auf der einen Seite recht europäisch,auf der anderen jedoch total arabisch. Wenn mandas Land besucht hat, kann man langsam anfangenzu begreifen, warum es zu innenpolitischen Span-nungen kommt und warum keiner von seinemStandpunkt abweicht. Für mich hat der Israelaus-tausch viel an Erfahrungen und Lebenseindrückengebracht.

Das Theaterstück „Schuldig geboren“ war Anlass füreine heftige Diskussion zwischen deutschen und is-raelischen Schülern. Aus dem Protokoll von Angela:

Eine israelische Schauspielerin hatte uns im Ge-spräch nach den Szenen aus „Schuldig geboren“persönlich angegriffen und uns mit der in Israel im-mer noch verbreiteten Meinung konfrontiert, inDeutschland habe sich nichts verändert. Das ver-letzte uns sehr. Wir lebten schließlich dort und emp-fänden das anders. Gilad war der Meinung, viele Is-raelis fühlten sich wohl in der Rolle des Opfers und

46 Die Gegenwart der VergangenheitD

weigerten sich zu glauben, dass sich „die Deut-schen“ jemals ändern könnten. Sie wollten Deut-sche weder sehen noch mit ihnen sprechen undbrauchten einfach einen Sündenbock. Des Weiterenhätten sie Angst zu erkennen, dass nicht jeder Deut-sche schuld sei.

Orit räumte ein, sie sei zuerst gegen solche Treffenmit Deutschen gewesen, auch habe sie Bedenkengehabt, selbst an dem Austausch teilzunehmen. Ge-fühle seien eben nicht rational erklärbar. Außerdemsollten nicht nur oberflächlich freundliche Treffen mituns zu Stande kommen, eine Auseinandersetzungmüsse stattfinden. Petra hakte ein und sagte, dieseTreffen seien ihrer Meinung nach ein Teil der Lösung,sofern es eine gäbe. Orit entgegnete, sie wolle unsja nicht angreifen, aber wir hätten die Bürde zu tra-gen, und bei diesen Treffen mit Israelis müssten wirzeigen, dass sich etwas getan hätte und wir andersseien. Yella widersprach. Sie erwarte von unserenTreffen nicht, dass wir etwas bewiesen, sondern siewolle uns als Menschen kennenlernen. Dann warvon der „humiliation of loosing the war“ die Rede,der Demütigung, den Krieg verloren zu haben. Aberwir seien jetzt die Generation, die in Deutschland et-was bewegen könne, zum Guten wie zum Schlech-ten. Auf jeden Fall müssten wir wachsam sein. DieFrage nach einem „German Feeling“ kam auf. Damitwaren wir wieder bei dem Schock, den wir alle emp-fanden, als die Schauspielerin uns gesagt hatte, essei eben „in uns“. Was immer „es“ auch sein möge,das „Faschistische an sich“ vielleicht. Wir dachten,dass „es“ nicht mehr oder weniger in uns sei als inanderen Menschen auch.

Manche von uns waren ziemlich verunsichert. Wirfragten die Israelis, was sie darüber dächten. Doritantwortete: „Ihr müsst aufpassen und alarmiertsein.“ Yella meinte, die Menschen seien überallgleich, und so etwas könne überall passieren. Druckund Unterdrückung änderten das Denken der Men-schen, und jeder Mensch besitze, so meinte sie, eingewisses faschistisches Potential. Es gelte zu ver-hindern, dass daraus etwas Schlimmes entstehe.Die Vorstellung, „die Deutschen“ seien so geboren,beruhe auf Vorurteilen, genau wie die damalige Ein-stellung der Deutschen zu den Juden. Amir warf ein,dass geschichtlich gesehen die Deutschen sich niegegen ihre Führer aufgelehnt hätten und dies somitwohl der deutschen Natur entspräche. Ist dies eineFrage der Erziehung oder sogar der Gene? Die Erör-terung dieser Frage erschien uns als zu schwierig.Aber wir fragten uns: Inwieweit sind mein Denkenoder meine Handlungen faschistisch? Lena meinte,ihre Familie sei Opfer geworden, und sie halte dasThema jetzt nicht mehr für gut. Wenn man sich wirk-lich damit beschäftigen wolle, solle man sich mitPersonen treffen, die alles miterlebt haben. Hier dar-über zu sprechen, halte sie für sinnlos. Yella emp-fand das anders. Für sie sei der Holocaust Teil derjüdischen Kultur. Sie träume sogar nachts davon,und man müsse (mit uns) darüber sprechen. – Spä-ter in den Kibbuzim sprachen wir noch lange überdie Themen und Gefühle des Tages.

D 4 Kinder von Tätern und Opfern

Diskussion in Israel zum Thema „Das Komplott desSchweigens“. Parallelen im Leben von Kindern derTäter und Kindern der Opfer in der zweiten Genera-tion (Protokoll von Annika)

Die Täterseite: N. war ursprünglich deutscheStaatsbürgerin, 1944 in H. geboren, ihr Vater bliebin Russland vermisst. Sie wuchs in Deutschland auf,zu einer Zeit, als hier überall große Armut herrschte.Jeder war nur darauf bedacht, irgendwie sein Über-leben zu sichern. Bis zu den sechziger Jahren habesie niemals etwas über den Holocaust gehört - biszu dem Tag, an dem ihr Geschichtslehrer nicht zumUnterricht kam. Ein Vertretungslehrer zeigte ihnenden Film „Mein Kampf“. Dieser Film begann in derZeit der Weimarer Republik und endete mit denKonzentrationslagern im Dritten Reich. N. war aufdiese Bilder gänzlich unvorbereitet: „Es war ein trau-matisches Erlebnis, das mein Leben völlig verän-derte“. Sie begann, Fragen zu stellen, z.B. denNachbarn, die angeblich von den Deportationen ge-wusst hatten, nicht aber von den Lagern. Sie fragte,warum niemand etwas dagegen getan hatte. N. er-kannte für sich selbst, dass sie „Teil eines Landeswar, in dem jeder ein potentieller Mörder war“. Mit21 ging N. zum ersten Mal für drei Monate nach Is-rael. Sie dachte, dass die Verbindung mit den Op-fern etwas in ihr heilen würde. Niemals zuvor war sieeinem Juden gegenübergestanden: „Ich hatte dasGefühl, dass jeder das Recht hatte, mir ins Gesichtzu spucken.“ Aber niemand tat es, und sie fand end-lich das Verständnis, das sie so dringend brauchte -bei den Juden. Zurück in Deutschland schloss siesich den Linken an, weniger aus politischen Grün-den, sondern aus Protest gegen die ältere Genera-tion. Denn man sprach noch immer nicht über dieGeschehnisse des Dritten Reiches. Für sie war klar,dass sie nach Beendigung ihres Studiums nicht inDeutschland bleiben würde. Als in Israel der Sechs-Tage-Krieg tobte, hatte sie das Gefühl, in diesesLand kommen zu müssen, da ihr dieser Krieg wieein zweiter Holocaust erschien. Sie wollte nicht nurzuschauen, wie andere mordeten. Als sie in Israelankam, war der Krieg vorbei, aber N. blieb. Mit 25konvertierte sie zum Judentum und ihr Leben verän-derte sich völlig. Nun war es ihr möglich, für sichselbst die Seite zu wählen, auf der sie stehen wollte.Sie fühlte sich bei den „Opfern” sehr viel wohler alsbei den „Mördern“. Sie nutzte die Gelegenheit, umihre Fragen an die deutschen Jugendlichen zu stel-len: Wie ist es heute in Deutschland ? Bekommt Ihrheute Antworten von euren Großeltern? Ich fragenicht, was ihr damals getan hättet, sondern was Ihrheute tun würdet, wenn Ihr seht, wie z.B. ein Türkeauf der Straße zusammengeschlagen wird ?

Die Opferseite: P.s Vater überlebte die Konzentrati-onslager und wanderte nach Israel aus. Doch hierwurden die Flüchtlinge aus Europa mit Worten emp-

Die Gegenwart der Vergangenheit / Eindrücke und Auswertung 47D

fangen wie: „Die Juden haben sich wie Schafe zurSchlachtbank führen lassen.“ Das neue Israel warstark und brauchte Helden. Von physisch und psy-chisch gequälten und traumatisierten Menschen wieP.s Vater wollte man da nichts wissen. Der Holo-caust wurde benutzt, um unter Menschen derartverschiedener Herkunft eine Einheit zu erzeugen.Die Juden als Opfer: historisch richtig, aber auchRechtfertigung für vieles, was noch kommen sollte.P. hat mit seinem Vater nie über den Holocaust ge-sprochen. Als Kind war die Situation für ihn trauma-tisch: die Bilder, die er sah, wenn er sich den Vaterim KZ vorstellte, oder wenn er den Vater scheinbargrundlos weinen hörte. In Tischgesprächen fielenimmer wieder die Namen der Lager, und wie das Le-ben an den verschiedenen Orten war. Aber es warenimmer nur kurze Einwürfe, eigentlich herrschte Stillezum Thema Holocaust, doch lag die ganze Zeit et-was in der Luft. Außerhalb der Familie waren die Er-fahrungen nicht weniger belastend. In der Öffent-lichkeit herrschte die Meinung, dass man dieKZ-Hölle nur überleben konnte, wenn man kollabo-rierte; das bedeutete, für den Tod von Mitgefange-nen verantwortlich zu sein. P. begann sich selbst zufragen, warum sein Vater überlebt hatte, und er be-gann ihn zu hassen. Er hasste und liebte ihn. Die Si-tuation wurde für ihn unerträglich und er zog aus.Erst jetzt kann er darüber reden.

D 5 Auseinandersetzung mit demHolocaust

D 6 Tagebuchnotizen

Übersicht über das Projekt Holocaust im Kibbuz Afi-kim; Schreiben des Projektleiters Nir Atir (Überset-zung aus dem Englischen).

Inhaltsübersicht über die Lektionen, die für die isra-elischen Jugendlichen in der Klassenstufe 11 desKibbuz den ersten Teil des Projekts ausmachen.(Den zweiten Projektteil bildet die Polenfahrt und derJugendaustausch.) Die Eltern werden zu allen Akti-vitäten mit eingeladen. Für bestimmte Veranstaltun-gen wird die Teilnahme der Eltern ausdrücklichempfohlen.

1. Antisemitismus (Videofilm: Hate of Israel, Moder-ner Antisemitismus, Stereotypen)

2. Die Geburt des Nationalsozialismus (Zwischenden beiden Weltkriegen, Videofilm: „The Para-dise“, Augenzeugenbericht: Das Leben inDeutschland in der Zeit vor dem Zweiten Welt-krieg)

3. Die Gettos (Die Propaganda der Nazis, Augen-zeugenbericht: Leben im Getto, Organisationsfor-men und Aufstände in verschiedenen Gettos, Er-ziehung und Jugendbewegung in den Gettos)

4. Die Endlösung (Augenzeugenbericht: Leben imVernichtungslager, Videofilm: Die Endlösung, Au-genzeugenbericht: Überleben im Vernichtungsla-ger)

5. Kriegsende (Die Reaktion der Weltöffentlichkeitauf den Holocaust, Augenzeugenbericht: Be-richte vom Überleben, Der Holocaust in der isra-elischen Presse, Die zweite Generation, Zusam-menfassung. Vorbereitung der Reise nach Polen)

Die Teilnahme an allen Aktivitäten ist verpflichtend.Falls Probleme dabei auftreten, sollten diese derProjektleitung mitgeteilt werden.

Tagesprotokolle deutscher Schülerinnen aus Lud-wigsburg während des Aufenthalts in Israel

Verena, 8.7.1996: Schon um fünf Uhr morgens klin-gelte der Wecker. Widerwillig machten wir uns auf,fanden uns am Wasserturm ein und wurden zu denBananenplantagen gefahren. Dort wurden wir ange-leitet, an junge Bananenstauden gehäckseltes Holzhinzukicken, um das Unkraut auf natürliche Weisezu bekämpfen. Langsam stand die Sonne immerhöher und obwohl die Arbeit nicht hart war, kamman ins Schwitzen. Nach einer Stunde wurden wirerlöst. Darüber waren wir froh, denn eigentlich hät-ten wir bis neun Uhr arbeiten sollen. Wir fuhrenzurück zum Kibbuz, gingen erst mal frühstückenund duschen, um uns für einen Ausflug nach Tibe-rias frisch zu machen. Nachdem der Bus ausblieb,nahmen wir Taxis. Langsam schlenderten wir durchdie vollen Gassen von Tiberias... Abends trafen wiruns wieder zu einem Vortrag über Ideologie undStruktur der Kibbuzbewegung. Zum Abschluss desTages gab es noch eine „Party“ am Pool. Man saßzusammen und lernte sich kennen, spielte Fußballoder nahm ein Nachtbad im Pool.

Bettina, 14.7.1996: Nach einem ausgiebigen Früh-stück erwartete uns ein weiterer Eindruck über dieGeschichte des jüdischen Volkes. Das erste Treffenmit Zeitzeugen stand uns bevor. Margit und Oskarhaben uns ausführlich und mit erschreckenden Bil-dern ihr Leben unter dem Nationalsozialismus be-schrieben und obwohl wir schon alle über die Greu-eltaten in diesen Jahren viel gehört hatten, war esdoch aus dem Mund eines Überlebenden viel er-greifender als alles zuvor Erfahrene. Fast alle muss-ten die Tränen unterdrücken und einige ließen die-sen auch freien Lauf. Die Betroffenheit stand allenregelrecht ins Gesicht geschrieben. Was ich abergut fand war, dass beide am Anfang ihrer Erzählungerst einmal betont hatten, dass sie nichts gegen unsals Deutsche hätten und wir als Jugend die Trägerder Zukunft seien.

48 Eindrücke und AuswertungD

D 9 Gedenken in Dachau

D 8 Auswertung

Nir Atir, der israelische Projektleiter, befragte zumAbschluss des Austausches mit Ludwigsburg diedeutschen und israelischen Schüler schriftlich überihre Eindrücke. Die wichtigsten Ergebnisse sind hiervon ihm zusammengefasst (Übersetzung aus demEnglischen).

Antworten der israelischen Gruppe

Programm in Israel. Die Organisation wurde über-durchschnittlich gut beurteilt. Die Besuche im Dias-pora-Museum und in Massuah bekamen eine relativschlechte Wertung („langweilig“ bis „überflüssig“).Der Besuch in Yad Vashem erhielt eine sehr hoheBewertung. Bemerkt wurde, dass dieses der wich-tigste Programmteil war.

Programm in Polen. Fünfzehn der Jugendlichen sindfür eine gemeinsame Reise nach Polen, einer dage-gen. Es wurde die Trennung der Gruppen bei denBesuchen der ehemaligen Konzentrationslager ge-fordert. Ebenso sollten die Gespräche nach denRundgängen getrennt erfolgen.

Die Mehrheit der israelischen Schüler hielt gemein-same Veranstaltungen für sehr wichtig und möchte,dass die deutschen Jugendlichen einen großen undaktiven Part dabei übernehmen.

Programm in Deutschland. Die Unterbringung unddie Kommunikation mit den Deutschen bekam einegute Bewertung. Die Organisation auf Seiten der

Deutschen bekam eine niedrige Wertung. Hierkommt es darauf an, den deutschen Gastgebern dieBotschaft zu übermitteln, im nächsten Jahr ein bes-seres und ausgefeilteres Programm zu organisieren.Die Frage der Unterbringung in Gastfamilien oder inder Jugendherberge bleibt offen, weil sich Gegnerund Befürworter die Waage halten.

Antworten der deutschen Gruppe

Programm in Israel. Es bestand der Wunsch, sichstärker mit dem heutigen Israel auseinanderzuset-zen (israelisch-arabischer Konflikt, Armee, Politik,Treffen mit Palästinensern). Tief beeindruckt und er-schüttert waren die deutschen Jugendlichen vomBesuch in Yad Vashem. Die Vorträge über das Kib-buz wurden als interessant eingestuft. Die Ge-spräche mit Überlebenden bekamen eine hohe Noteund wurden als interessant und bewegend bezeich-net. Die Gespräche hätten das Wissen über den Ho-locaust vermehrt und seien in ihrer Anzahl gut aus-gewählt. Der Aufenthalt im Kibbuz bekam hoheNoten bezüglich der Unterbringung, der Kommuni-kation mit den Israelis und der Organisation vor Ort.

Programm in Polen. Die Diskussionen nach denRundgängen erhielten schlechte Noten. Gefordertwurde die Aufteilung in Kleingruppen. Unentschie-den wurde die Frage beantwortet, ob der Besuch inPolen die Beziehungen zwischen beiden Gruppeneher gestört oder gefördert hätte. Mit einer hohenWertung sprachen sich die Deutschen für gemein-same Veranstaltungen aus.

Programm in Deutschland. Die Mehrheit der Befrag-ten ist für die Unterbringung in Familien.

Gemeinsame Gedenkzeremonie der israelischen und deut-schen Gruppe auf dem Gelände des ehemaligen Konzentra-tionslagers Dachau

Bild: privat

D 7 Yitzhak Rabins Grab

Eine deutsche Schülerin legt einen Stein auf das Grab vonYitzhak Rabin, dem ermordeten israelischen Ministerpräsi-denten.

Bild: privat

Shalom

ST: MoskitoVideo, 44 Min., f, 1995Adressaten: S10

Der Beitrag der ZDF-Sendereihe „Mos-kito“ setzt sich realistisch mit der Situa-tion der meisten deutschen Jugendli-chen auseinander, die entweder ein„Nicht“-Verhältnis zum Judentum habenoder Klischeevorstellungen. Der Filmfordert zur Auseinandersetzung auf.

42 60665

Das Scheunenviertel

ST: AproposVideo, 9 Min., f, 1996Adressaten: E

Die Dokumentation lädt zu einem Spa-ziergang durch das heutige Scheunen-viertel in Berlin ein. Straßen, Plätze undGebäude werden gezeigt und mit histo-rischen Bildern verbunden. Ein Völker-und Religionsgemisch belebte einst dasScheunenviertel, bis die Nationalsozia-listen die jüdischen Bewohner vertrie-ben. . 42 63288

Schalom und guten Tag, Tatjana

ST: KarfunkelVideo, 30 Min., f, 1992Adressaten: S5, J10

Tatjanas Eltern, russische Juden, kom-men nach Deutschland und wollen in diejüdische Gemeinde aufgenommen wer-den. Zum ersten Mal wird Tatjana richtigdamit konfrontiert, was es heißt, Jüdinzu sein. 42 01506

Abrahams Großstadtkinder

Toleranzübungen junger Christen, Judenund MuslimeVideo, 20 Min., f, 1992Adressaten: S9, S11, J14

Kölner Jugendliche, die drei verschiede-nen Religionsgemeinschaften (Christen-tum, Islam, Judentum) angehören,sprechen miteinander über den gemein-samen Ursprung ihres Glaubens, überviele Glaubensunterschiede und überviele Missverständnisse zwischen ihrenReligionen. 42 01515

Lehrerinnen der Thora, Frauen wer-den Rabbinerinnen

Video, 18 Min., f, 1991Adressaten: S8, S11, J14, E

Die religiöse Gleichberechtigung vonFrauen hat im liberalen Judentum zu ei-nem neuen Beruf geführt – der Rabbine-rin. Der Film geht auf die Stellung derFrau in den verschiedenen Gruppierun-gen des heutigen Judentums ein. Erzeigt die Vorbereitung junger Frauen aufdas Amt einer Rabbinerin am Leo-Baeck-College in London. 42 01561

Simchat Thora, Gedanken zum Tagder jüdischen Gesetzesfreude

Video, 15 Min., f, 1994Adressaten: S6, S11, J14, E

Mit dem Festtag „Simchat Thora“ endetdas sieben Tage währende „Laubhütten-fest“. Feierlich wird in der Synagoge derAbschluss und der Neubeginn der jährli-chen Thoralesung gefeiert. Denn dieThora, das 1. bis 5. Buch Mose, ist nachjüdischem Glauben die dem Volk Israelvon Gott gegebene „Weisung“.

42 01817

Rosh Hashana

ST: AproposVideo, 9 Min., f. 1995Adressaten: S7, J12, E

Sharon ist eine 16jährige Jüdin aus Ber-lin. Die Kamera begleitet sie und ihre Fa-milie beim Begehen des jüdischen Neu-jahrsfestes „Rosh Hashana“. Ergänztwird die Darstellung durch Erläuterun-gen des Berliner Rabbiners. 42 62682

Yom Kippur

ST: AproposVideo, 10 Min., f, 1995Adressaten: S7, S11, J12, E

Wie begehen orthodoxe Juden das FestYom Kippur? Welche Verhaltensregelnschreibt der Ritus vor und wozu dienensie? Die Kamera begleitet den jungenJuden Adi aus Berlin durch diesen Feier-tag. 42 62683

Sukkot (deutsch)

ST: AproposVideo, 8 Min., f, 1995Adressaten: S9, S11, E

Die 16-jährige Mirna ist Jüdin und lebt inBerlin. Sie freut sich auf Sukkot, das jü-dische Laubhüttenfest, denn es istschön, eine Woche lang mit der Familie,mit Freunden und Nachbarn zu feiern.Das gemeinsame Fest und die traditio-nellen Bräuche bestärken Mirna in ihremjüdischen Glauben. 42 63282

Begegnungen

Jüdische Identität heuteVideo, 44 Min., f, 1994Adressaten: S9

50 Jahre nach Kriegsende widmet sichdie Dokumentation dem deutsch-jüdi-schen Verhältnis, fünf Jahrzehnte nachdem Holocaust. Der Film gibt Einblickein das Leben verschiedener jüdischerMenschen in Israel und Deutschlandund macht ihr Selbstverständnis imSpannungsfeld zwischen Geschichte,Religion, Kunst und Kultur deutlich.

42 58983

Makkabi, jüdischer Sport in Deutsch-land

ST: Makkabi, jüdischer Sport inDeutschlandVideo, 30 Min., f, 1998Adressaten: S5, S11

Robert lebt in Frankfurt, spielt Fußball.Eine normale Jugend in Deutschland, soscheint es. Doch Robert ist ein Deut-scher jüdischen Glaubens und dahertäglich mit unterschiedlichen Rollenzu-weisungen konfrontiert. In dem jüdi-schen Sportverband Makkabi findetRobert eine geistige und soziale Heimat.

42 83450

Eine jüdische Hochzeit

ST: AproposVideo, 10 Min., f, 1996Adressaten: S11, J16, E

Viele junge Paare in Israel heiraten heutenicht mehr nach der Vorgabe der altenreligiösen Riten. Die der Reformhoch-zeit, wie sie der Film beschreibt, kombi-niert Tradition und Moderne und skiz-ziert das Verhältnis junger Leute in Israelzu ihrer religiösen Tradition. 42 63624

AV-Medien zum ThemaZusammengestellt von Hanns-Georg Helwerth,

Landesbildstelle Württemberg

NECKAR-VERLAG GmbH · 78008 VILLINGEN-SCHWENNINGEN

Stafflenbergstraße 38, 70184 StuttgartTel. (07 11) 2371 30Fax (07 11) 2371 496Internet http://www.lpb.bwue.de

Telefon (0711) 2371-30

Durchwahlnummern

Direktor: Siegfried Schiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -385Referentin des Direktors: Sabine Keitel . . . . . . . . . . . . . . . . -387Öffentlichkeitsarbeit: Joachim Lauk . . . . . . . . . . . . . . . . . . -484

Abteilung I Verwaltung (Günter Georgi)FachreferateI/1 Grundsatzfragen: Günter Georgi . . . . . . . . . . . . . . -379I/2 Haushalt und Organisation: Jörg Harms . . . . . . . . . -383I/3 Personal: Gudrun Gebauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . .480I/4 Information und Kommunikation: Wolfgang Herterich -492I/5** Haus auf der Alb: Erika Höhne . . . . . . (07125) 152-109

Abteilung II Adressaten (Karl-Ulrich Templ, stellv. Direktor)FachreferateII/1 Medien: Karl-Ulrich Templ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -390II/2** Frieden und Sicherheit: Wolfgang Hesse (07125) 152-140II/3 Lehrerfortbildung: Karl-Ulrich Templ . . . . . . . . . . . . -390II/4* Schule, Hochschule, Schülerwettbewerb:

Reinhard Gaßmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .-373Monika Greiner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -394

II/5 Außerschulische Jugendbildung: Wolfgang Berger . . -369II/6** Öffentlicher Dienst: Eugen Baacke . . . . (07125) 152-136

Abteilung III Schwerpunkte (Konrad Pflug)FachreferateIII/1* Landeskunde/Landespolitik:

Dr. Angelika Hauser-Hauswirth . . . . . . . . . . . . . . . -392III/2 Frauenbildung: Christine Herfel . . . . . . . . . . . . . . . -487III/3** Zukunft und Entwicklung:

Gottfried Böttger . . . . . . . . . . . . . . . . (07125) 152-139III/4** Ökologie: Dr. Markus Hug . . . . . . . . . (07125) 152-146III/5* Freiwilliges Ökologisches Jahr: Konrad Pflug . . . . . . -495III/6 Deutschland und Europa:

Dr. Angelika Hauser-Hauswirth (Komm.) . . . . . . . . . -392III/7* Gedenkstättenarbeit: Konrad Pflug . . . . . . . . . . . . . -501

Abteilung IV Publikationen (Prof. Dr. Hans-Georg Wehling)FachreferateIV/1 Wissenschaftliche Publikationen

Redaktion „Der Bürger im Staat“:Prof. Dr. Hans-Georg Wehling . . . . . . . . . . . . . . . . .-371

IV/2 Redaktion „Politik und Unterricht“: Otto Bauschert . . . -388IV/3 Redaktion „Deutschland und Europa“:

Dr. Walter-Siegfried Kircher . . . . . . . . . . . . . . . . . -391IV/4 Didaktik politischer Bildung: Siegfried Frech . . . . . . -482IV/6** Arbeitshilfen: Werner Fichter . . . . . . . . (07125) 152-147

Abteilung V Regionale Arbeit (Hans-Joachim Mann)Fachreferate/AußenstellenV/1 Freiburg: Dr. Michael Wehner . . . . . . . (0761) 2077377V/2 Heidelberg: Dr. Ernst Lüdemann . . . . . . (06221) 607814V/3* Stuttgart: Hans-Joachim Mann . . . . . . . (0711) 2371374V/4 Tübingen: Rolf Müller . . . . . . . . . . . . (07071) 2002996

AnschriftenHauptsitz in Stuttgart (s. links)* 70178 Stuttgart, Sophienstraße 28–30,

Fax (0711) 2371498** Haus auf der Alb

72574 Bad Urach, Hanner Steige 1,Tel. (07125) 152-0, Fax (07125) 152100

Außenstelle FreiburgFriedrichring 29, 79098 Freiburg,Tel. (0761) 207730, Fax (0761) 2077399

Außenstelle HeidelbergFriedrich-Ebert-Anlage 22–24, 69117 Heidelberg,Tel. (06221) 6078-0, Fax (06221) 607822

Außenstelle StuttgartSophienstraße 28–30, 70178 Stuttgart,Tel. (0711) 2371375, Fax (0711) 2371498

Außenstelle TübingenHerrenberger Straße 36, 72070 Tübingen,Tel. (07071) 2002996, Fax (07071) 2002993

Bibliothek Bad UrachBibliothek/Mediothek Haus auf der Alb, Bad UrachGordana Schumann, Tel. (07125) 152-121Dienstag 13.00–17.30 UhrMittwoch 13.00–16.00 Uhr

Publikationsausgabe StuttgartStafflenbergstraße 38Ulrike Weber, Tel. (0711) 2371384Montag 9.00–12.00 Uhr

14.00–17.00 UhrDienstag 9.00–12.00 UhrDonnerstag 9.00–12.00 Uhr

14.00–17.00 Uhr

Nachfragen

„Der Bürger im Staat“Ulrike Hirsch, Tel. (0711) 2371371

„Deutschland und Europa“Sylvia Rösch, Tel. (0711) 2371378

„Politik und Unterricht“Sylvia Rösch, Tel. (0711) 2371378

Publikationen (außer Zeitschriften)Ulrike Weber, Tel. (0711) 2371384

Bestellungenbitte schriftlich an die o.g. Sachbearbeiterinnen:Stafflenbergstr. 38, 70184 Stuttgart, Fax (0711) 2371496

Thema des nächsten Hefts:

Diesechziger Jahre

Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg