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Retina Suisse Journal - Giornale erscheint 3 Mal jährlich Die Selbsthilfeorganisation von Menschen mit Retinitis pigmentosa (RP), Makuladegeneration, Usher-Syndrom und anderen degenerativen Netzhauterkrankungen /2016 2

Journal - Giornale€¦ · Die Selbsthilfeorganisation von Menschen mit Retinitis pigmentosa (RP), Makuladegeneration, Usher-Syndrom und anderen degenerativen Netzhauterkrankungen

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Retina Suisse

Journal - Giornale erscheint 3 Mal jährlich

Die Selbsthilfeorganisation von Menschen mit Retinitis pigmentosa (RP), Makuladegeneration, Usher-Syndrom und anderen degenerativen Netzhauterkrankungen

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Impressum

IBAN CH42 0900 0000 8000 1620 2Wir sind für jede Spende dankbar! Nr

Umschlag-DE.indd 3 3.5.2012 11:56:01 Uhr

tingen 20169O

Redaktion: Christina Fasser, Renata Martinoni, Uta BuhRetina Suisse, Ausstellungsstrasse 36, 8005 Zürich

Tel. 044 444 10 77, Fax 044 444 10 70 E-mail [email protected], www.retina.ch

Satz:

Druck: Roda Fratelli SA, Taverne (TI)

Hörzeitschrift: CAB, Landschlacht

Jahresabo: Der Bezugspreis ist im Mitgliederbeitrag enthalten

Erscheinungsform: Deutsch, Französisch, Italienisch gedruckt und ge-

sprochen

Postkonto 80-1620-2 IBAN CH42 0900 0000 8000 1620 2

Wir sind für jede Spende dankbar!

Nr. 12 ,

Werner Schrumpf AG, 8123 Ebmatingen

9 Oktober 2016

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12.11.2016 Essais cliniques en Suisse dans le domaine des dégénére-scences héréditaires de la rétine-Tagung in französischer Sprache in Fribourg

14.11.2016 Die altersbedingte Makuladegeneration AMD – Öffentlicher Informationsabend in Zürich und Präsentation Kochbuch

22. April 2017 Generalversammlung von Retina Suisse in Freiburg

Selbsthilfegruppen-Treffen für Menschen mit erblichen Netzhautdegenerationen und mit Retinitis pigmentosa (RP)in Zürich

13.03.2017, 03.04.2017, 15.05.2017, 12.06.2017 (18:00 - 20:15 Uhr), Zürich

Gesprächsgruppen für Menschen mit AMD gibt es in ver-schiedenen Ortschaften der Deutschschweiz.

Genauere Angaben unter www.retina.ch (Veranstaltungen, Selbsthilfegruppen) oder telefonisch bei der Geschäftsstelle Nr. 044 444 10 77. Zu gegebener Zeit werden auch persönli-che Einladungen verschickt.

Journal 2/2016

Agenda

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Inhalt

Editorial ..................................................................... 4

Aus Medizin und Forschung ......................... 5 Retinitis pigmentosa - Computer-Training verbessert Orientierungsvermögen .......................... 5Erste Achromatopsie-Gentherapie gestartet ........... 8Choroideremie: Gentherapie-Zwischenergebnisse .. 12 Morbus Stargardt: Erste Patientin mit dem Netzhaut-Implantat Argus II versorgt ....................... 13Optogenetik soll RP-Betroffenen helfen ................... 13 Die genetische Häufigkeit des Usher-Syndroms (H.-J. Krug) .................................................................. 16 Töne mit Licht hören: Eine Idee für Hörprothesen der Zukunft? (S. Weller) ............................................. 19

Sozialpolitik ............................................................ 24Die Sozialversicherungen auf einen Blick ....................... 24 3. Zwischenbericht zum Assistenzbeitrag (S. Leuenberger, AGILE.CH) .............................................. 25 Neues aus der Interessenvertretung ............................. 27

Leben mit.... .................................................................. 32 Die Genanalyse und das Krankenversicherungs-gesetz (S. Hüsler) ........................................................ 32 Youth Meeting Retina International World Congress (RIWC) 2016 (S. und J. Sutter) ................... 35 Blumen auf dem Salat, Wildgemüse in der Suppe? (R. Martinoni) .............................................................. 38

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Brillen mit Blaulichtfilter: Für wen sind sie interessant? ............................................................... 39Spiel mal wieder (N. Müller) ..................................... 43Siri – mein täglicher Begleiter (U. Kaiser) ................ 46Was ideal ist, ist individuell (Ch. Birkenstock) ........ 47 Erneuerung der Begleiterkarte per Ende 2016 (S. Hüsler) ................................................................... 49 Eurokey: Zugang zu sauberen Toiletten (A. Tschudi) ................................................................ 50

Lesetipps .................................................................. 51 Ein neues schönes und sehr nützliches Kochbuch (R. Martinoni) ............................................................ 51 Frauen mit Behinderung in Bildung und Arbeit ..... 53 Ein Tag für Blinde, Lahme und Verrückte ................ 53

Apropos: Die Präsidentin hat das Wort (S. Trudel) ................................................................... 55

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Lieber Leser, liebe Leserin

Leben mit einer Netzhaut Degenration hat viele Facetten: Medizinische Fragen, Forschung, Hilfsmittel und die Be-wältigung des Alltags. Genauso spannungsreich ist der Bogen in diesem Journal: Neues aus Forschung und Tech-nik, aber auch Hinweise für das tägliche Leben.

Wie bei allen Krankheiten, auch bei Netzhautdegenerati-onen gilt der Ratschlag unserer Grossmütter: Iss gesund und viel Gemüse. Dieses soll Antioxidantien und Lutein enthalten und dann auch noch gut schmecken. Wir freu-en uns daher Ihnen in diesem Journal das Kochbuch mit leckeren Speisen für Menschen mit Netzhautdegenerati-onen vorzustellen. Gekocht schauen diese nicht nur gut aus, sondern sie schmecken auch lecker und haben über-haupt keinen Anstrich von «solider Gesundheitskost». Dazu kommt, dass sie einfach nach zu kochen sind. Bitte denken Sie daran, sollte Ihnen der eine oder andere Koch-trick fehlen, melden sie sich bei den Fachpersonen für le-benspraktische Fertigkeiten in der Beratungsstelle in Ihrer Region. Sie hat bestimmt einen guten Rat für alle offenen Fragen.

Mit lieben Grüssen

Christina Fasser, Uta Buhl und Renata Martinoni

Editorial

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Aus Medizin und Forschung

Retinitis pigmentosa - Computer-Training verbessert Orientierungsvermögen

Zwischen 30’000 und 40’000 Menschen in Deutschland leiden an der unheilbaren Netzhauterkrankung Retinitis pigmentosa. Tübinger Augenärzte haben nun ein com-puterbasiertes Training entwickelt, das die Wahrneh-mung und das Orientierungsvermögen der Betroffenen innerhalb von sechs Wochen deutlich verbessert. Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) sieht in der Software eine Chance, die Sicherheit und die Le-bensqualität von Menschen mit Retinitis pigmentosa zu steigern und empfiehlt, das Training in die Behandlung dieser Patienten miteinzubinden.

Bei der angeborenen Erkrankung gehen die Lichtsinnes-zellen der Netzhaut des Auges nach und nach unter. Die-ser Vorgang beginnt meist schon im Jugendalter an den äusseren Rändern des Gesichtsfelds und dringt im Laufe der Zeit weiter nach innen vor. Dadurch entsteht bei den Betroffenen ein «Tunnelblick», der das Orientierungsver-mögen einschränkt. «Die Patienten erkennen Hindernisse zu spät, sie stürzen häufiger, und das Risiko, als Fussgänger im Strassenverkehr zu Schaden zu kommen, ist erhöht», sagt Professor Dr. med. Susanne Trauzettel-Klosinski, die an der Universität Tübingen die Forschungseinheit für visuel-le Rehabilitation leitet. Darunter leidet die Lebensqualität:

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«Viele Menschen mit Tunnelblick trauen sich kaum mehr ihre Wohnung zu verlassen und am öffentlichen Leben teil-zunehmen», berichtet die Expertin.

Tübinger Augenärzte haben nun ein computerbasiertes Trainingsprogramm für Menschen mit Retinitis pigmentosa entwickelt. Dabei sitzt der Patient vor einem Computer, auf dessen Bildschirm zufällige Zahlen erscheinen. Der Patient soll diese mit der Computermaus wegklicken. Einige Zahlen erscheinen auch ausserhalb des Gesichtsfelds – durch ge-zielte Bewegungen der Augäpfel lernt der Betroffene auch diese zu erfassen. Ein ähnliches Training nutzen bereits Schlaganfallpatienten, bei denen der Hirnschaden zu einem Gesichtsfeldausfall geführt hat.

In einer ersten klinischen Studie testeten 25 Patienten mit Retinitis pigmentosa das PC-Programm zu Hause am Lap-top. Sie trainierten an fünf Tagen pro Woche für jeweils 30 Minuten. Die Ergebnisse wurden nun im Fachblatt PLOS One veröffentlicht: Nach sechs Wochen Training hatten die Patienten ihre Reaktionszeiten im PC-Training um 37 Pro-zent gesenkt. Die Patienten konnten danach einen Gehtest mit Hindernissen schneller und mit weniger Fehlern absol-vieren als eine Vergleichsgruppe, die nur an einem Lesetrai-ning teilgenommen hatte. Während des Gehtests trugen alle Teilnehmer ein Gerät, das die Augenbewegungen registrierte.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Probanden vermehrt die Umgebung ihres eingeschränkten Gesichtsfeldes erkunden,

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erklärt Trauzettel-Klosinski: «Durch das Training haben sie gelernt, die Bewegung ihrer Augäpfel bewusst zu steuern – so nehmen sie Hindernisse besser wahr als untrainierte Patienten». Ein solches Training kann die Mobilität auch nach einem bereits erfolgten Orientierungs- und Mobilitäts-training mit dem Langstock verbessern. Die Tübinger Oph-thalmologen arbeiten die Trainingssoftware nun zu einem benutzerfreundlichen Programm aus. Die Kosten dafür schätzt Trauzettel-Klosinski auf etwa 300 Euro und hofft, dass die Krankenkassen sich daran beteiligen.

Aufhalten oder gar heilen kann das Training die Erkran-kung nicht: «Die Übungen helfen den Betroffenen aber ihr verbliebenes Blickfeld effektiver zu nutzen und sich so im Alltag besser zurechtzufinden», sagt Professor Dr. med. Frank G. Holz vom Vorstand der Stiftung Auge, die die Tübinger Studie unterstützt hat. Für die Patienten böte das Training spürbare Vorteile: sie können aktiv etwas gegen die Folgen der Erkrankung unternehmen und gewinnen Lebensqualität.

Literatur:Ivanov IV, Mackeben M, Vollmer A, Martus P, Nguyen NX, Trauzettel-Klosinski S. Eye Movement Training and Suggested Gaze Strategies in Tunnel Vision - A Rando-mized and Controlled Pilot Study.PLoS One 2016; 11(6): e0157825

Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Ophthalmologi-schen Gesellschaft DOG

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Naturwissenschaftler und Mediziner aus Tübingen, München und New York haben zusammen eine gen-therapeutische Behandlung von Patienten mit komplet-ter Farbenblindheit (Achromatopsie) entwickelt. Diese Behandlung, die im Rahmen einer sogenannten Phase I/II - Sicherheitsstudie durchgeführt wird, ist die weltweit erste Gentherapiebehandlung für Patienten mit kom-pletter Farbenblindheit.

Ursachen und Auswirkungen von FarbenblindheitPatienten mit kompletter Farbenblindheit leiden von Geburt an nicht nur unter dem Unvermögen Farben zu unterscheiden, sondern auch unter einer hohen Blen-dungsempfindlichkeit verbunden mit einer stark redu-zierten Sehschärfe. Die Ursache dieser auch als Achro-matopsie bezeichneten Erkrankung ist ein Defekt der Zapfen-Photorezeptoren der Netzhaut, welche für das Tages- und Farbensehen zuständig sind. In Deutschland sind rund 3’000 Menschen von diesem Krankheitsbild betroffen.

Internationales Konsortium RD-CureBei etwa einem Drittel der Patienten liegt die Ursache in einem Defekt des CNGA3-Gens, des allerersten von Tübinger Forschern entdeckten Gens für Achromatop-sie. Ein Team von rund 20 Ärzten und Wissenschaftlern des Departments für Augenheilkunde am Universitäts-klinikum Tübingen, des Departements für Pharmazie

Erste Achromatopsie-Gentherapie gestartet

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der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Columbia University in New York arbeiten seit 3 Jahren innerhalb eines internationalen Konsortiums mit dem Namen RD-CURE an der Entwicklung einer genthera-peutischen Behandlung der CNGA3-vermittelten Achro-matopsie.

Ansatz und Ablauf der TherapieBei der Behandlung wird eine gesunde Version des defekten CNGA3-Gens in die Zellen der Netzhaut ge-schleust. Ins Auge eingebracht wird sie mit einem ope-rativen Eingriff: Der Chirurg spritzt das therapeutische Virus direkt unter die Netzhaut, genau dorthin, wo die Zellen mit dem Gendefekt sitzen, die das Virus auch aufnehmen können. Als Träger werden sogenannte adeno-assoziierte Viren (AAV) verwendet, die am Lehr-stuhl von Prof. Martin Biel der Ludwig-Maximilians-Universität München in der Arbeitsgruppe von PD Dr. Stylianos Michalakis entwickelt wurden. Prof. Biel, der Ko-Koordinator des RD-Cure Konsortiums betont: «Diese Viren verursachen selbst keine Krank-heit und können sich auch nicht eigenständig vermeh-ren, weshalb sie als sehr sicher gelten und weltweit in Gentherapiestudien eingesetzt werden». Nach einigen Wochen sind die Zellen in der Lage, die eingeschleuste Information zu nutzen: Sie können dann ein korrektes Protein bilden, die Funktion der Zelle ist dadurch wie-derhergestellt. «Das ist ungefähr so, als würde man einem Buch, in dem ein Druckfehler ist, einen Zettel beilegen mit den korrekten Worten», beschreibt Prof.

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Bernd Wissinger vom Tübinger Forschungsinstitut für Augenheilkunde und wissenschaftlicher Leiter des Kon-sortiums, den Vorgang. «Zwar können wir den eigent-lichen Fehler nicht beheben, wir haben sozusagen kein Tipp-Ex, aber wir können die korrekten, fehlerfreien Informationen hinzufügen».

Studienstart im November 2015Der erste Patient mit Achromatopsie wurde im Novem-ber 2015 an der Universitäts-Augenklinik Tübingen behandelt. Acht weitere sollen im Laufe dieses Jahres ebenfalls in Tübingen behandelt werden. Eine Aussa-ge über den Erfolg der Behandlung wird sich erst nach der Beendigung der gesamten Studie treffen lassen, so Prof. Bartz-Schmidt, Ärztlicher Direktor der Universitäts-Augenklinik. «Für die Patienten erhoffen wir uns vor al-lem eine Verbesserung ihrer Blendungsempfindlichkeit und ihrer Sehschärfe.»

Kompetenzzentrum TübingenDer Standort Tübingen mit der Universitäts-Augenklinik und dem Forschungsinstitut für Augenheilkunde gilt schon seit rund 30 Jahren als eines der wichtigsten deutschen Zentren für erbliche Netzhauterkrankun-gen. Die Achromatopsie steht stellvertretend für eine Vielzahl von seltenen Gendefekten, die derzeit unheil-bar sind und für die eine Gentherapie erstmals eine Behandlungsperspektive bieten könnte. Das RD-Cure Konsortium arbeitet deswegen auch schon an einer

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Gentherapie für eine andere Form einer erblichen Netz-hauterkrankung, die Retinitis pigmentosa (RP).

Information für Patienten oder Angehörige,die sich über klinische Studien informieren möchten,können dies unter ClinicalTrials.gov [1] tun. Dieses von den US-National Institutes of Health betrie-bene Portal ist eine Datenbank für klinische Studien einschliesslich Gentherapiestudien. Betroffene sollten ihren Augenarzt um eine Überweisung an eine Augen-klinik mit speziellem Schwerpunkt für erbliche Netzhau-terkrankungen bitten. Auf der Homepage der Ludwig-Maximilians-Universität München ist ein sehr interessantes und informatives Interview zu diesem Thema mit Prof. Dr. Martin Biel und Dr. Stylianos Michalakis zu lesen: Farbenblindheit - Seh-hilfe aus dem Erbgut [2]

Quellen: Universitätsklinikum Tübingen [3], Ludwig-Ma-ximilians-Universität München [4], Ophthalmologische Nachrichten onlineLinks aus diesem Beitrag: [1] https://clinicaltrials.gov [2] https://www.uni-muenchen.de/forschung/news/2016/biel_michalakis_rd_cure1.html [3] http://www.medizin.uni-tuebingen.de/Presse_Aktu-ell/Pressemeldungen/2016_06_30-port-80-p- 191415.html#top [4] https://www.uni-muenchen.de/forschung/news/2016/biel_michalakis_rd_cure1.html Mit

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Chorioideremie: Gentherapie-Zwischenergebnisse

Wir berichteten verschiedentlich schon über die Genthe-rapiestudie zur Chorioideremie, die derzeit unter der Lei-tung von Prof. Robert McLaren an der University of Oxford in Grossbritannien durchgeführt wird. In einer aktuellen Ausgabe des New England Journal of Medicine [1] wird nun über weiteren Zwischenergebnissen der Studie mit 6 Patienten berichtet. Demnach ist nun in den ersten drei bis fünf Jahren nach Studienbeginn bei 5 Patienten festgestellt worden, dass sich das Sehvermögen am behandelten Auge verbessert hat oder zumindest unverändert geblieben ist, während sich das unbehandelte Auge verschlechtert habe. Nach Ansicht von Prof. Robert McLaren hätte sich damit mittlerweile die Langzeitwirkung des verwendeten Vektors und der Behandlungsmethode im allgemeinen bestätigt. Die Ergebnisse wurden auch auf der diesjährigen ARVO (Association for Research in Vision and Ophthalmology), dem weltweit grössten Kongress der Forscher im Augen-bereich, vorgestellt. In der Veröffentlichung wird erwähnt, dass sich bei einigen Patienten der Effekt einer seherhal-tenden Gentherapie wohl erst in einigen Jahren bemerkbar machen könnte.

Links aus diesem Beitrag: [1] http://www.nejm.org/doi/full/10.1056NEJMc1509501#t =article

Quelle: Pro Retina News, 2016

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Zum ersten Mal wurde eine Patientin laut einer aktuel-len Meldung mit dem Netzhautimplantat Argus II ver-sorgt. Durchgeführt wurde die erfolgreiche Implantati-on, wie es in der Meldung heisst, in Florenz vom Team um Professor Stanislao Rizzo, einem der Pioniere bei der Nutzung des Argus II- Systems, das er vor vier Jah-ren in Italien einführte. Die 67-jährige Lucia ist bereits die 27. Patientin, der Prof. Rizzo eine Netzhautprothese implantierte.

Quelle: Pro Retina News 2016

Morbus Stargardt: Erste Patientin mit dem Netz-haut-Implantat Argus II versorgt

Optogenetik soll RP-Betroffenen helfen

In den USA startet eine klinische Studie, in der erstmals mit Patienten getestet werden soll, ob optogenetische Verfahren genutzt werden können, um erblindeten Menschen mit Retinitis pigmentosa (RP) eine besse-re Wahrnehmungsmöglichkeit zu ermöglichen. Dabei sollen Retroviren, Algen-DNA in retinale Ganglienzellen bringen, um diese lichtempfindlich zu machen.

Die Optogenetik kombiniert optische und genetische Methoden. Mit ihr lassen sich ausgewählte Nervenzellen gezielt ein- und ausschalten - wie mit einem Lichtschalter.

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Seit rund zehn Jahren forschen Neurowissenschaftler an dieser neuen Methode. Dabei wird ein bestimmtes Gen mittels eines Trägervirus (Vektor) in eine Nerven-zelle geschleust. Das Gen ist die Bauanleitung für ein bestimmtes Protein, das sogenannte Kanalrhodopsin. Es kommt vor in Grünalgen und bildet in der Zellwand einen Kanal, der sich bei Lichteinfall öffnet und die Nervenzelle aktiviert: Die Zelle lässt sich mittels Licht ein- und ausschalten. Bisherige Tierversuche mit Opto-genetik sind vielversprechend: Patienten mit Augener-krankungen könnten nun die ersten sein, die von der Optogenetik profitieren.

Erste klinische Studie mit RP-PatientenDie geplante klinische Studie soll in der Retina Founda-tion of the Southwest in Texas an 15 Patienten mit der degenerativen Netzhauterkrankung Retinitis pigmen-tosa durchgeführt werden. Die Krankheit lässt die Re-zeptorzellen in der Netzhaut nach und nach absterben, wodurch ein Patient nach und nach erblindet. In der Testreihe sollen die speziell mit dem Erbgut von Blaual-gen ausgestatteten Retroviren direkt in die obere Netz-haut injiziert werden, schreibt MIT Technology Review. Dort sorgen die Viren dann dafür, dass die Ganglienzel-len Licht aus dem bläulichen Spektrum wahrnehmen können — in der Hoffnung, dass das Hirn diese Infor-mationen dann verarbeiten kann.

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Volle Sehleistung mittels Optogenetik nicht erreichbar Die volle Sehfähigkeit werden die Patienten mit dieser Methode nicht wiedererlangen: Etwa 100’000 licht-empfindliche Ganglienzellen erhoffen sich die Forscher pro Netzhaut – eine geringe Auflösung im Vergleich zum gesunden Auge und mutmasslich nur in einer Farbschattierung funktionsfähig. Anstatt nur hell und dunkel sollten die Probanden aber künftig Möbelstücke erkennen und eventuell sogar grosse Buchstaben lesen können, hoffen die Forscher. Was genau die Patienten nachher sehen, lässt sich allerdings bisher nur erraten.

Die Studie ist die erste Versuchsreihe mit Optogenetik an Menschen. Bei Mäusen liessen sich mit der Metho-de neurologische Prozesse wie etwa der Angstreflex steuern – und vorher erblindete Tiere konnten Bildern folgen und versteckten sich vor hellem Licht. Die Er-kenntnisse des Teams aus Texas dürften auch für For-schungsfelder wie die Parkinsontherapie und andere Gebiete der Neurologie äusserst interessant werden. Quellen: wired.de vom 19.02.2016; www.welt.de; clinicaltrials.gov

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Die genetische Häufigkeit des Usher-Syndroms

Dr. Hans-Jürgen Krug, Deutschland

Das Usher-Syndrom ist eine seit Mitte des 19. Jahrhun-derts bekannte syndromale Form der Netzhautdegenera-tion (RP) und tritt nach klinischen Statistiken mit einem Wert von zirka 1 : 25’000 relativ selten auf. Bei diesem Syndrom wird eine angeborene oder frühkindlich einset-zende Gehörlosigkeit bzw. Innenohrschwerhörigkeit von einer späteren RP begleitet.

Seit etwa 30 Jahren gibt es Studien zur Verbreitung des Usher Syndroms aus den USA, Grossbritannien, Skandi-navien und Deutschland, die jedoch jeweils vom Grad der Erfassung und auch von regionalen Besonderheiten bestimmt sind. Hinzu kommt, dass eine klinische Erfas-sung des Usher-Syndroms erst mit sich ausprägender RP - also meist erst im zweiten oder dritten Lebensjahr-zehnt - erfolgt, wodurch jüngere Patienten mit noch unauffälliger RP aus der Statistik herausfallen. Auch bleiben Menschen mit leichten Usher-Symptomen oft lebenslang klinisch unerkannt.

Die Kimberling-StudieIn einer Studie aus dem Jahre 2010 hat der bereits seit vielen Jahren auf diesem Gebiet wirkende klinische Genetiker William J. Kimberling erstmals ein geneti-sches Screening von jungen Hörbehinderten in den USA durchgeführt. Dieses war als Pilotstudie für ein späteres

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Neugeborenen-Screening auf das Usher-Syndrom an-gelegt. Dabei ermittelte er nach Hochrechnung auf die Gesamtbevölkerung der USA eine überraschend grosse Häufigkeit von 1: 6’000, also eine gut viermal höhere Wahrscheinlichkeit als bei den bislang durchgeführten klinischen Erhebungen.

Kimberling konnte in seiner Studie 133 Blutproben von Schülern aus Schwerhörigenschulen im Staate Oregon sowie von Kindern eines CI-Programmes der Universität Utah auswerten (CI = Cochlea-Implantat, eine Hörpro-these für Gehörlose, deren Hörnerv nicht funktionsge-stört ist. Anm. der Red.). Patienten mit einem bekannten Taubheitsgen (GJB2) waren bereits erfasst worden. Zur Genanalyse wurde der «Asper-Chip» verwendet, der für acht Usher-Gene und für das Taubheitsgen eingerich-tet war. Bei den Schülern aus Oregon war nur in einem einzigen Fall das Usher-Syndrom bereits vor der Studie festgestellt worden. Die jungen Patienten galten bislang als rein schwerhörig oder als rein gehörlos.

Die Bandbreite des Usher-SyndromsDie phänotypische Vielfalt des Usher-Syndroms ist durch die drei nach Grad der Hörbehinderung gestaffelten Usher-Typen bedingt. Diese beruhen auf den inzwischen entdeckten zehn und evtl. auf noch unbekannten Usher-Genen. Der Verlauf und die Schwere der Erkrankung hängen stark von der konkreten Mutation innerhalb des jeweiligen Gens ab. Dazu kommen noch bigenische Formen der Erkrankung. Je nach Mutation kann das Usher-Syndrom als reine RP ohne Schwerhörigkeit oder

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als stabile Innenohrschwerhörigkeit bzw. Taubheit ohne spätere RP in Erscheinung treten. Genetische Modifika-toren können auch dafür sorgen, dass eine auf beiden DNA-Strängen gleichermassen angelegte (homozygote) Usher-Mutation nicht zur klinischen Ausprägung kommt. Ein Beispiel dafür ist James D. Watson, der nach seinem veröffentlichten Genom homozygote Usher 1B Mutatio-nen trägt, ohne jedoch jemals daran erkrankt zu sein.

AusblickNach 2010 haben in der klinischen Genetik moderne Se-quenziermethoden (Next Generation Sequenzing NSG) in den dafür spezialisierten Instituten Fuss gefasst. Diese haben eine weitaus höhere Ansprechgenauigkeit und Treffersicherheit als die zwischenzeitlich verwendeten Genchips. Ein Neugeborenen-Screening auf verschiedene Erbkrankheiten einschliesslich des Usher-Syndroms liegt deshalb in Reichweite. Der Nutzen einer genetischen Früherkennung des Usher-Syndroms ist schon heute gegeben: Er liegt im Ausschluss anderer schwerwiegen-der Syndrome sowie in der rechtzeitigen Berufs- und Familienplanung. Bei Gehörlosen wird der Einsatz eines CI stärker motiviert. Selbst bei der nicht behandelbaren RP können bestimmte Risikofaktoren, wie beispielsweise der Einfluss von UV-Licht, vermieden werden.

Nach den bislang vorliegenden Erkenntnissen tritt das Usher-Syndrom offenbar nur in einem Teil aller genetisch angelegten Fälle tatsächlich als schwere doppelte Sin-nesbehinderung auf. Die Notwendigkeit einer Verlaufs-

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kontrolle der unlängst genetisch erfassten Patienten liegt auf der Hand. Nicht in allen Fällen muss sich eine schwere RP entwickeln. Wie der Unterschied der beiden oben angegebenen Häufigkeiten (1 : 6’000 gegen 1 : 25’000) ausweist. Zu suchen ist nach den Faktoren, die eine RP verzögern bzw. ganz verhindern - oder umge-kehrt trotz Usher-Gen nur eine RP ohne Hörbehinderung entstehen lassen. Die Komplexität des Usher-Syndroms eröffnet damit ein Feld mit vielen - auch therapeutischen - Freiheitsgraden.

Quelle:William Kimberling et al: »Frequency of Usher Syndro-me in two Pediatric Populations: Implication for Genetic Screening of Deaf and Hard of HearingChildren«, in: Ge-netics in Medicine Vol. 12 , No. 8 (August 2010), 512-516.

Töne mit Licht hören: Eine Idee für Hörprothesen der Zukunft?

Wie liesse sich das Hören mit Cochlea-Implantaten wei-ter verbessern? Ein internationales Forscherteam unter Leitung von Wissenschaftlern der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) hat einen neuen Weg ausgelotet. Die Idee: Licht statt – wie bisher – Strom als Stimulans zum Hören. Den Forschern ist es erstmals gelungen, das Hör-system im Tiermodell durch optogenetische Stimulation mit Licht zu aktivieren.

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Licht als Stimulans zum HörenDie Forschungen wurden unter der Leitung von Prof. Dr. Tobias Moser, Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde der UMG, in einem Projekt innerhalb des Göttinger Fokus für Neurotechnologie durchgeführt. Gefördert haben das Projekt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und das Exzellenzcluster und DFG-Forschungszentrum für Mikroskopie im Nanometerbe-reich und Molekularphysiologie des Gehirns (CNMPB) der UMG. Die Ergebnisse aus der translationalen Hör-forschung wurden am 10. Februar 2014 online in dem renommierten amerikanischen Medizin-Fachjournal »Journal of Clinical Investigation« vorab veröffentlicht.

Wenn Hörgeräte nicht mehr helfen, können Cochlea-Im-plantate die Nervenzellen der Hörschnecke direkt elek-trisch stimulieren. Cochlea-Implantate ermöglichen so den meisten der weltweit inzwischen mehr als 200’000 Nutzern ein Sprachverstehen. Doch Tonhöhen und Laut-stärke beim Hören zu unterscheiden, gelingt mit bishe-rigen Cochlea-Implantaten nur sehr begrenzt. Warum es dazu kommt, ist bekannt: Der Effekt ergibt sich aus der massiven Ausbreitung des elektrischen Stroms von jedem Elektroden-Kontakt. Dadurch werden stets sehr viele Hörnervenzellen gleichzeitig stimuliert.

Untersuchungen an NagetierenWürde Licht anstelle von Strom zur Stimulation ver-wendet, kann dieses grundsätzliche Problem wahr-scheinlich gelöst werden. Diese Erwartung wird durch

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die ersten Erkenntnisse bestätigt, die das Forscherteam mit Licht als Stimulans zum Hören in Untersuchungen an Nagetieren gewonnen hat. Für ihre Untersuchun-gen setzten die Forscher erstmals ein in Deutschland entwickeltes Verfahren, die sogenannte Optogenetik, erfolgreich für die Stimulation des Hörnervs ein. Bei die-sem Verfahren werden lichtempfindliche Signalproteine als «Lichtschalter» genetisch in Zellen eingebaut. «Weil Licht besser fokussierbar ist, könnten dann entlang der Hörschnecke viele unabhängige Stimulationskanäle genutzt werden. Diese Innovation verspricht eine fun-damentale Verbesserung bei der Unterscheidung von Tonhöhe und Lautstärke», sagt Senior-Autor der Pub-likation und Leiter des Projekts, Prof. Dr. Tobias Moser von der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde der Uni-versitätsmedizin Göttingen. Um die Nervenzellen der Hörschnecke mit Licht aktivieren zu können, wurden zunächst die lichtgesteuerte Ionenpore Kanalrhodopsin in die Nervenzellen der Hörschnecke von Mäusen und Ratten eingebaut. Dabei kommen auch virale Genfäh-ren zum Einsatz, die in der Gentherapie beim Menschen eingesetzt werden. Zusätzlich müssen Mikro-Leuchtdio-den oder laser-gekoppelte Mikro-Glasfasern mikrochir-urgisch in die Hörschnecke implantiert werden.

«Die optogenetische Aktivierung ist uns gelungen. Im Versuch registrieren wir sie als Nervenimpulse einzel-ner Hörnervenzellen oder als Summenpotenziale der Hörbahn«, sagt Anna Gehrt, eine der Erst-Autoren der Publikation und forschende Ärztin der Klinik für Hals-

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Nasen-Ohrenheilkunde der UMG: «Mittels optogene-tisch-evozierter Potenziale können wir eine Aktivierung der Hörbahn auch in Mausmodellen der menschlichen Schwerhörigkeit nachweisen». Schliesslich gelang den Forschern auch eine erste Abschätzung der Frequenzse-lektivität von optogenetischer Stimulation im Vergleich mit elektrischer Anregung. Das Ergebnis entspricht den Vorhersagen aus mathematischen Modellen: Bei der Stimulation mit Licht zeigte sich eine feinere Frequenz-auflösung, das heisst der aktivierte Bereich der Hör-schnecke war bei Reizung mit Licht kleiner als bei der Stimulation mit elektrischem Strom.

Feinere Auflösung der Schalleigenschaften«Das Hörsystem kann also durch optogenetische Stimu-lation aktiviert werden. Aber bis zu einer Anwendung in der klinischen Rehabilitation der Schwerhörigkeit bleibt viel zu tun», sagt Prof. Moser. Daran arbeiten be-reits die Kooperationspartner vom Freiburger Fraunho-fer Institut für Angewandte Physik und der Universität Freiburg. Sie entwickeln im BMBF-Projekt «Lichthören» optische Multikanal-Implantate mit mehr als hundert Mikroleuchtdioden. Prof. Moser sieht noch weitere Hür-den, die zu bewältigen sind: Schnellere «Lichtschalter» müssen entwickelt werden, um den Ansprüchen der Signalverarbeitung im Hörsystem gerecht zu werden. Schliesslich braucht die Forschung für die Entwicklung einer optogenetischen Hörprothese effiziente und si-chere Genfähren. Und auch die Frage, ob es durch das Stimulationslicht möglicherweise zu Schäden kommt,

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muss zuvor geklärt sein. Cochlea-Implantate ermögli-chen schwersthörigen Menschen ein begrenztes Hör-vermögen. Die Nachteile der elektrischen Reizung sind eine geringe Auflösung von Tonhöhen und Lautstärken. Eine räumlich präzisere optogenetische Reizung ver-spricht eine feinere Auflösung beider Schalleigenschaf-ten und damit ein verbessertes Sprachverstehen und mehr Musikgenuss.

Weitere Informationen:Arbeitsgruppen von Prof. Dr. T. Moser und Dr. N. Strenz-ke an der UMG; www.innerearlab.uni-goettingen.de Universitätsmedizin Göttingen Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde InnenOhr-Labor Prof. Dr. Tobias Moser, Tel. (05 51) 39 89 68; [email protected] www.universitaetsmedizin-goet-tingen.de

Quelle: Stefan Weller Stabsstelle Unternehmenskom-munikation, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Univer-sitätsmedizin Göttingen – Georg-August-Universität http://idw-online.de/de/news575810

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Um den einzelnen vor wirtschaftlichen Risiken wie Krankheit, Unfall, Arbeitsplatzverlust, Alter, Tod oder auch Mutterschaft zu schützen, begann die Schweiz in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ein sozia-les Sicherheitssystem zu errichten. Wichtigster Pfeiler sind die mittlerweile fast ein Dutzend Sozialversiche-rungen. Diese wurden auf nationaler Ebene zu ganz unterschiedlichen Zeiten eingeführt. Dies ist mit ein Grund, warum das ganze System kaum mehr durch-schaubar und schlecht koordiniert ist (zur Zeit debat-tiert das Eidgenössische Parlament wichtige Reformen der AHV, der IV und der Ergänzungsleistungen. Nach-folgend die Versicherungen und der Zeitpunkt ihrer Einführung auf nationaler Ebene.

1874: Militärversicherung1914: Krankenversicherung (heutiges KVG: 1996)1918: Unfallversicherung (heutiges UVG: 1984)1940: Erwerbsersatzordung (EO) für Militärdienstleistende1940er Jahre: Familienzulagen kantonal, national einheitlich seit 20061948: Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) 1961: Invalidenversicherung (IV)1965: Ergänzungsleistungen (EL) zur AHV und IV1976: Arbeitslosenversicherung (ALV)

Die Sozialversicherungen auf einen Blick

Sozialpolitik

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Weitere Versicherungen1985: obligatorische berufliche Vorsorge (BVG/2.Säule)2004: Mutterschaftsversicherung

Die spannende Geschichte der sozialen Sicherheit in der Schweiz kann auf der Webseite des Bundes nach-gelesen werden: www.geschichtedersozialensicher-heit.ch

Weitere Informationen zur sozialen Sicherheit: www.bsv.admin.ch/themen

Quelle: Imago 2/2016 (Zeitschrift von visoparents.ch)

3. Zwischenbericht zum Assistenzbeitrag

Simone Leuenberger, AGILE.CH

Im Juni 2016 hat die Schweizer Regierung in ihrem Initialstaatenbericht zur Umsetzung der UNO-Behinder-tenrechtskonvention festgehalten, dass sie den Assis-tenzbeitrag als einen beträchtlichen Fortschritt für Men-schen mit Behinderungen erachte. Die Ergebnisse der Evaluation 2015 dieser Leistung, die 2012 eingeführt worden war, bestätigen das: Eine grosse Mehrheit der Bezüger/-innen ist damit sehr zufrieden. Ende 2015 be-zogen 1677 Erwachsene und 361 Minderjährige einen Assistenzbeitrag. Die Zahlen steigen seit 2012 stetig,

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zeigen jetzt aber, dass die Anzahl der Bezüger/-innen unter den Erwartungen liegt. Mehr als drei Viertel der Befragten geben zwar an, dass sie dank des Assistenz-beitrags an Autonomie gewonnen hätten, da dieser ihre Chancen verbessere, zuhause zu wohnen, und da er ihre soziale Integration erleichtere. Wenn es um die Entlastung ihrer Umgebung geht, äussern die Bezüger/-innen aber gleichzeitig auch, dass ihre Angehörigen immer noch beträchtliche Hilfeleistungen erbrächten. Zu schwere administrative Belastung Eine Mehrheit der Befragten hält die Zeit, die sie für die Anstellung einer oder mehrerer Assistentinnen/ Assistenten (von denen 80% Frauen sind) und für die Abrechnungen mit der IV aufbringen muss, für eine beträchtliche Belastung. Der Assistenzbeitrag lässt nicht zu, Familienmitglieder anzustellen, was eine grosse Mehrheit der Befragten bedauerlich findet. Eine par-lamentarische Initiative, die Nationalrat Christian Lohr 2012 eingereicht hat, geht in diese Richtung. AGILE.CH bedauert, dass die Initiative immer noch hängig ist. Erklären diese Schwierigkeiten den Umstand, dass die Bezüger/-innen im Schnitt nur drei Viertel des Betrags beziehen, auf den sie ein Anrecht hätten? AGILE.CH schlägt deshalb vor, dass der Assistenzbeitrag auch für andere Dienstleister/-innen verwendet werden kann.

Verbesserungen erwünscht Die maximale Anzahl anrechenbarer Stunden pro Mo-nat ist für Personen mit einem schweren Grad von Hilf-

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losigkeit ungenügend. Das erschwert ihnen bzw. macht es ihnen unmöglich, ein selbstbestimmtes Leben zuhau-se zu führen. AGILE.CH fordert deshalb die rasche Über-prüfung dieser Mittelwerte. Zudem müssen die Bedin-gungen für die Zusprache eines Assistenzbeitrags für Minderjährige gelockert werden, um ihnen den Zugang zu erleichtern.

Kontakt: Simone Leuenberger, wissenschaftliche Mit-arbeiterin AGILE.CH Die Organisationen von Menschen mit Behinderung Effingerstrasse 55, 3008 Bern, Tel.: 079 311 32 44, [email protected]

Quelle: AGILE.CH 2016

Neues aus der Interessenvertretung

Retina Suisse hat mit dem Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverband SBV eine Arbeitsteilung vereinbart. So ist die generelle Interessenvertretung von blinden und sehbehinderten Menschen Sache des SBV und wir unterstützen ihn wo immer möglich. Hier nachfolgend einige Neuigkeiten aus der Interessenver-tretung des SBV.

Bahnhof Löwenstrasse (HB Zürich)Die taktil-visuellen Markierungen beim Bahnhof Lö-wenstrasse bleiben allesamt bestehen. Die Anliegen des SBV und weiterer Behindertenorganisationen werden

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vom Bundesamt für Verkehr (BAV) ernst genommen. In Zukunft werden bei Plangenehmigungen im verein-fachten Verfahren die Pläne für jeden Bahnhof Inclusion Handicap vorgängig zugestellt.

Audiodeskription in der Filmförderung Künftig gibt's für die Produktion von Schweizer Filmen nur dann Bundesgelder, wenn es auch eine Hörfilmfas-sung gibt. Die Audiodeskription muss in mindestens ei-ner Landessprache vorliegen. Das Bundesamt für Kultur hat auf den 1. Juli 2016 die Filmförderungsverordnung entsprechend angepasst, unter anderem auch nach Ge-sprächen mit dem SBV.

Audiodeskription im Schweizer Fernsehen Die SRG-SSR hat erkannt, dass blinde und sehbehinder-te Menschen mit den manuellen Einstellungen an ihren Geräten zum Empfang der Audiodeskription Schwierig-keiten haben. Auf Anregung des SBV wurde geprüft, wie sich das Umschalten des Tonkanals automatisieren lässt. Die SRG-SSR hat in Aussicht gestellt, dies bald-möglich für die Schweiz einzurichten. Eine Vereinba-rung zwischen den Sinnesbehindertenorganisationen und der SRG-SSR regelt die Bedingungen, wie und in welchem Umfang Sendungen und Filme am Schweizer Fernsehen audiodeskribiert werden. Die Vereinbarung wird per 1. Januar 2018 erneuert und die SBV-Interes-senvertretung engagiert sich, dass zur Hauptsendezeit durchgehend deskribiert wird.

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(UNO-Behindertenrechtskonvention Erstmals hat die Schweizer Regierung Rechenschaft zum Stand der Umsetzung der UNO-Behindertenrechts-konvention in unserem Land abgelegt. Leider liefert der Bericht kaum Erkenntnisse darüber, wie sich die Kon-vention auf den Alltag der Menschen mit Behinderun-gen auswirkt. Er beschränkt sich im Wesentlichen auf die Rechtsgrundlagen. Von daher war es sehr wichtig, dass unsere Dachorganisation Inclusion Handicap in ei-nem Anhang zum Bericht ungeschminkt zum Ausdruck brachte, welche grossen Hürden etwa in Arbeit und Be-schäftigung, Bildung, Zugänglichkeit und persönlicher Mobilität für Menschen mit Einschränkungen existieren.

AHV/IV-Renten bleiben auf dem heutigen Stand Der Bundesrat hat beschlossen, den heutigen Stand der AHV/IV-Renten per 1. Januar 2017 beizubehalten. Die Renten der 1. Säule werden angepasst, wenn die Lohn- und Preisentwicklung dies rechtfertigen. Für 2017 ist das nicht der Fall. Die minimale AHV- beziehungsweise IV-Rente beträgt 1175 Franken im Monat (bei vollstän-diger Beitragsdauer), die maximale Rente 2350 Franken im Monat. Der Bundesrat prüft in der Regel alle zwei Jahre, ob eine Anpassung der AHV/IV-Renten angezeigt ist.

Immer mehr IV-Bezügerinnen und -bezüger benötigen EL Dies geht aus den aktuellen IV- und EL-Statistiken des

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Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) hervor. Über 45 Prozent der IV-Rentnerinnen und -Rentner be-zogen im vergangen Jahr Ergänzungsleistungen. Fünf Jahre zuvor waren es 40 Prozent. Die Vermutung liegt nahe, dass Personen mit einer Teilrente verstärkt Mühe haben, eine Stelle zu finden. Der Bundesrat ist beauf-tragt, eine Nationale Konferenz zur Arbeitsmarktinteg-ration von Menschen mit Behinderungen durchzufüh-ren. Das verlangt ein Postulat von Ständerätin Pascale Bruderer Wyss, Inclusion Handicap-Präsidentin. Das erste Treffen mit Sozialpartner und einer Vertretung der Behindertenorganisationen findet im Januar 2017 statt. An der folgenden Konferenz im Mai 2017 sollen auch Direktbetroffene dabei sein.

Job CoachingDie berufliche Eingliederung gehört seit Verbandsgrün-dung 1911 zum Engagement des SBV. Nach der Studie zum Arbeitsleben von Menschen mit Sehbehinderung (SAMS) vom Schweizerischem Zentralverein für das Blindenwesen SZB und dem Engagement von Inclusion Handicap startete der SBV im Juli 2016 das Projekt «Job Coaching». Ziel ist die Begleitung und Unterstützung blinder und sehbehinderter Menschen in ihrer Arbeits-marktintegration.

Kritik am Begriff «invalid» Bei kommenden IV-Revisionen müsse der Ausdruck In-validität verschwinden, fordert Nationalrätin Marianne Streiff-Feller, EVP Kanton Bern. Die IV könnte VMB heis-

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sen – Versicherung für Menschen mit Beeinträchtigung. AGILE.CH, Dachverband der Behinderten-Selbsthilfeor-ganisationen in der Schweiz, präsentiert die Broschüre «Sprache ist verräterisch». Wir wollen die diskriminie-rungsfreie Sprache. Initiiert vom SBV beantworten Stu-dierende der Universität Freiburg die Frage, inwiefern sich blinde und sehbehinderte Menschen in der Kom-munikation und im Umgang benachteiligt fühlen. Die Resultate werden veröffentlicht.

Tausend Blinde und Sehbehinderte am Tag des weissen Stocks 2016 in Bern Bekanntlich begeben wir uns am kommenden 15. Ok-tober 2016 nach Bern zu einer Manifestation anlässlich des Tags des Weissen Stocks (TWS). Toll wäre es, wenn wir mit 1000 betroffenen Menschen in der Bundes-hauptstadt eintreffen. Gemeinsam marschieren wir ab 13.30 Uhr vom Hauptbahnhof zum Bundesplatz. Gast-rednerin ist Frau Nationalrätin Marianne Streiff-Feller. Lasst Euch überraschen!

Quelle: Newsletter Nr. 2 SBV, Juli 2016

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Leben mit ...

Stephan Hüsler, Geschäftsleiter Retina Suisse

Die grosse Zahl laufender klinischer Therapieversuche lässt die Frage der Genmutation wichtiger werden. Viele Klienten erkundigen sich bei uns, wie sie eine Ge-nanalyse erhalten und wer diese bezahlt. Leider hören wir auch oft, dass die Krankenkasse die Kostengutspra-che abgelehnt habe. Gemäss Artikel 25 des Bundesge-setzes über die obligatorische Krankenversicherung KVG ist die Genanalyse zur Feststellung der Diagnose und Festlegung der Therapie grundsätzlich kosten-pflichtig. Der Bundesrat legt in einer Analysenliste fest, welche Krankheiten von den Krankenkassen gedeckt werden. Einleitend hält die Analysenliste fest:«Die als Pflichtleistung zu vergütenden Analysen müs-sen nach Artikel 25 Absatz 1 KVG der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen. Die Diagnostik hat mit einer akzeptablen Wahrschein-lichkeit die Konsequenz, dass sie• einen Entscheid über Notwendigkeit und Art einer medizinischen Behandlung oder• eine richtungsgebende Änderung der bisher ange- wendeten medizinischen Behandlung oder• eine richtungsgebende Änderung der notwendigen

Die Genanalyse und das Krankenversicherungs-gesetz

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Untersuchungen (z.B. zur rechtzeitigen Verhütung, Erkennung oder Behandlung von typischerweise zu erwartenden Komplikationen) oder• einen Verzicht auf weitere Untersuchungen von typischerweise zu erwartenden Krankheitssympto- men, Folgeerkrankungen oder Beschwerden zur Folge hat.Analysen, bei denen schon zum Zeitpunkt der An-ordnung feststeht, dass das Resultat keine der oben erwähnten Konsequenzen hat, sind von der Kosten-übernahme ausgeschlossen. Zudem hat sich der Leis-tungserbringer in seinen Leistungen nach Artikel 56 Absatz 1 KVG auf das Mass zu beschränken, das im Interesse der Versicherten liegt und für den Behand-lungszweck erforderlich ist.»

Zu beachten ist, dass die Genanalyse nur aus den ge-nannten Gründen von der Krankenversicherung vergü-tet wird. Die Teilnahme an einen Therapieversuch oder die Frage der Familienplanung sind keine Gründe für die Kostengutsprache.Oftmals wird die Kostengutsprache mit dem Verweis auf die fehlende Therapierelevanz abgelehnt. Die Ge-nanalyse bei einer Netzhautdegeneration ist jedoch durchaus therapierelevant:• Patienten mit Netzhautdegenerationen, verursacht durch Mutationen im Gen ABCA4, sollten kein zu- sätzliches Vitamin A einnehmen. Ausserdem sollten sie den Genuss stark Vitamin A-haltiger Nahrungs- mittel (Leber) reduzieren oder ganz darauf verzichten. • Verschiedene andere Netzhautdegenerationen wer-

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den durch die Einnahme gewisser Lebensmittel ge- fördert. Das Refsum-Syndrom wird durch phytansäure- haltige Nahrungsmittel beschleunigt. Patienten mit Atrophia girata sollten eine eiweissarme Diät einhalten und die Sensitivität auf das Vitamin B6 prüfen. Patienten mit der Leberschen hereditären Opticus Atrophie sollten keinen Alkohol einnehmen und nicht rauchen.• Andere Formen der Netzhautdegenerationen profi- tieren wiederum von der Einnahme von 15’000 iE Vitamin A Palmitat.

Die Liste der Krankheiten ist selbstverständlich unvoll-ständig. Wichtig ist der letzte Punkt des Zitats aus der Analysenliste. Viele Patienten lassen sich immer wieder von anderen Augenärzten untersuchen und hoffen, endlich die Ursache für ihre Krankheit zu erfahren. Die Genanalyse kann darauf oft eine abschliessende Ant-wort geben.

Das Labor braucht für die Gen-Analyse eine Blutprobe. Diese kann auch Ihr Augenarzt entnehmen. Vor der Analyse muss jedoch eine Kostengutsprache der Kran-kenkasse vorliegen. Der Antrag kann von jedem Arzt gestellt werden.

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Youth Meeting Retina International World Congress (RIWC) 2016

Sebastian und Jeannine Sutter

Während sich die offiziellen Delegierten am RIWC mit Organisations- und Forschungsfragen beschäftigen, ist es die Aufgabe des Youth Meetings in lockerer At-mosphäre erste internationale Kontakte unter jungen Betroffenen zu knüpfen. Dieses Ziel ist am diesjährigen Kongress in Taipeh definitiv erreicht worden. Da die meisten Nationalverbände kommunikations- und fi-nanztechnisch den Draht zu den Jungen offenbar noch finden müssen, glänzte die Schweiz in Fernost mit einer beeindruckend grossen Vertretung.

Als kleine Gruppe waren wir dafür aber sehr beweglich und konnten mit der nötigen Spontanität so manche Sehenswürdigkeit der Hauptstadt des Inselstaates be-sichtigen. Begleitet wurden wir dabei von Chen Yi und seiner Gruppe von Gymnasiasten und Gymnasiastin-nen, die sich als offizielle freiwillige Helfende gemeldet hatten. Mit typisch asiatisch zurückhaltender, aber sehr ortskundiger Hilfsbereitschaft erleichterten sie uns das Auffinden so mancher Lokalität.

Ein erstes Highlight war sicher der Besuch des Taipei Zoo, der vor allem für seine grossen Pandas bekannt ist. So sind wir dann auch schnurstracks den Bärenfigu-

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ren gefolgt, bis wir die pelzigen Geschöpfe fanden. Die Pandabären waren wirklich niedlich, jedoch leider nur durch eine Glasscheibe zu betrachten und das Gehege wirkte für uns eher bescheiden.Natürlich war auch das Taipei 101, der stadtbildprägen-de Wolkenkratzer von Taipeh und fünfthöchstes Gebäu-de der Welt, ein fixer Bestandteil unserer Sightseeing-Tour. Der Aufstieg ging überraschend schnell. In den für Touristen vorgesehenen Hochgeschwindigkeitsaufzü-gen wird einem fast ein wenig mulmig.

Natürlich haben wir auch einige der Kernveranstaltun-gen des Kongresses besucht. Besonders beeindruckend fanden wir vor allem den Erfahrungsbericht von Fran-ces Fulton über Argus II, das neuste Modell im Bereich der bionischen Augen. Das Hilfsmittel kann abhängig vom Lerneifer für Blinde offenbar einiges zur Orientie-rung beitragen.

Auch kulinarisch war der Ausflug definitiv ein Erlebnis. Als Europäer fällt einem vor allem die weit verbreitete Street-Food Kultur auf. Ganze Blocks sind erdgeschos-sig komplett von kleinen Läden und Theken durchzo-gen. Diese erfüllen die Strassen mit einer lebhaften Geräuschkulisse und teilweise fremdartigen Gerüchen. Typisch auch der sogenannte «Bubble-Tea»: diverse Tee-sorten angereichert mit Aromakugeln auf Gelatinebasis. Etwas gewöhnungsbedürftig, aber bei 34 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von 80% ist einem jede noch so schleimige Erfrischung willkommen.

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Der etwas spontanen Organisation hatten wir es zu verdanken, dass wir die erste Hälfte unseres Aufent-halts in einem mit WLAN ausgestatteten (das ist wichtig für die Tagesplanung!) und angenehm gekühlten Hotel verbringen konnten. Die zweite Hälfte übernachteten wir dann an der National Taiwan University (NTU). Die Räumlichkeiten dort waren für uns verwöhnte Erstwelt-ler anfangs eine Herausforderung. Wenn man jedoch reist um etwas zu erleben, dann nimmt man solche Überraschungen in Kauf.

Hierzulande war es in den Nachrichten, dass genau zum Zeitpunkt des Kongresses der Taifun Nepartak die Gegend um Taipeh heimsuchte. So erhielt unser Aufent-halt unerwartet noch einen zusätzlichen Nervenkitzel. Zwar führte das stetige Wachstum des Sturms zu einer offiziellen Ausgangssperre am Donnerstagabend, dafür war es äusserst beeindruckend am anderen Morgen die leergefegten, autofreien Strassen entlangzugehen. Das war vor allem praktisch, da man in Taipeh normalerwei-se keine schweizerische Korrektheit beim Beachten der Verkehrsregeln erwarten kann.

Die Tatsache, dass wir eine sehr kleine agile Gruppe waren, erwies sich aber auch in anderer Hinsicht als vorteilhaft. Wir sind als Gruppe definitiv zusammen-gewachsen. Mehr als dies bei einer gewöhnlichen Tou-ristengruppe der Fall sein könnte und das ist ja genau der Zweck dieser Unternehmung. Wir sind daher zuver-sichtlich, auch am nächsten Kongress 2018 in Neusee-

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Blumen auf dem Salat, Wildgemüse in der Suppe?

land teilzunehmen. Zumal wir das unserem diesjährigen Tourguide Zane Bartlett, der selbst aus Neuseeland stammt, schon beinahe versprochen haben...

Wir bedanken uns herzlich bei der Retina Suisse, die uns dieses Abenteuer ermöglicht hat, aber natürlich auch bei allen anderen an der Organisation beteiligten Personen und empfehlen den Kongress gerne weiter.

Renata Martinoni, Zürich

Blumen als Dekoration auf Gerichten sind gross in Mode: Grüner Salat mit Gänseblümchen, Fruchtsalat mit Tagetes sollen keine Angst vor Giftigem wecken, kandierte Veilchen auf den Marronglacés ergeben eine edle Farbkombination. Und schon unsere Grossmütter haben Wildgemüse geschätzt, Sauerampfer-Suppe und Brennesseln als Gemüse saisongerecht gekocht und dies nicht nur in Armuts- oder Kriegszeiten.

Gänseblümchen, Kornblumen oder Löwenzahnblüten finden wir auf Wiesen, am Waldrand wartet der blü-hende Holunder. In Gärten finden sich ebenso essbare Blüten: Bekanntere wie Rosen- und Zucchini-Blüten oder auch Kapuziner. Weniger als essbar bekannte sind die Blüten von Borretsch, Thymian, Salbei, Schnittlauch

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Brillen mit Blaulichtfilter: Für wen sind sie interessant?

oder auch Ringelblumen, Lavendel, Taglilie, Stiefmütter-chen und Hornveilchen.

Aus dem sehr reichhaltigen Infoangebot im Internet hier nur zwei Angaben:http://www.nachhaltigleben.ch/themen/garten/ess-bare-blumen-und-blueten-so-wird-es-bunt-auf-ihrem-teller-3320; www.bettybossi.ch

Biken, wandern, golfen, segeln: Unternehmungen im Freien stehen gerade in den Sommermonaten hoch im Kurs. Besonders schön ist es, wenn die Sonne scheint - allerdings nicht für unsere Augen. Denn helles Tages- oder Sonnenlicht kann nicht nur stark blenden, son-dern enthält auch hohe Anteile gefährlicher UV- und Blaulichtstrahlung, die die Sehorgane schädigen kön-nen. Eine Blaulichtfilter Brille kann vor diesen Strahlen schützen und auch den Seheindruck durch schärfere Kontraste und weniger Blendung deutlich verbessern.

Blaues Licht: Das sollte jeder wissenDazu muss man wissen: Das sichtbare, «weisse» Tages- oder Sonnenlicht liegt im Wellenlängenbereich von zirka 400 bis 780 Nanometern (nm) und setzt sich aus den Spektralfarben zusammen, die wir in einem Regen-bogen sehen können. Am oberen Ende des sichtbaren

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Wellenlängenbereichs liegt das langwellige, energieär-mere Rotlicht, am unteren Ende das Blaulicht mit Wel-lenlängen zwischen etwa 400 und 500 nm. Es ist nicht nur deutlich energiereicher, sondern wird auch stärker gebrochen und gestreut als Rot.

Blaulichtfilter Brille reduziert störendes StreulichtGesunde Augen können damit umgehen und aus den verschiedenen Strahlen ein scharfes, kontrastreiches Bild produzieren. Liegen aber altersbedingte Trübungen oder krankhafte Ablagerungen in der Netzhaut vor, wird das blaue Licht zum Problem: Da seine kurzwel-ligen Strahlen dann besonders stark gestreut werden, können sie das Bild auf der Netzhaut überlagern und zur Blendung und einem schlechten Kontrastsehen führen. Besonders bei Sport und Aktivitäten im Freien fühlen sich Betroffene dadurch oft sehr eingeschränkt. Brillen mit Blaulichtfilter reduzieren dieses Streulicht und können somit bei Sehproblemen hilfreich sein. Darüber hinaus können Brillen mit Blaulichtfilter die Augen auch vor weiterer Schädigung schützen. Ver-schiedene Studien weisen darauf hin, dass nicht nur die UV-Strahlung, sondern auch das kurzwellige blaue Licht die Netzhaut schädigen kann. Ausserdem wird das Entstehen der Augenkrankheit, die am häufigsten zur schweren Sehbehinderung führt, der altersbedingten Makuladegeneration (AMD), mit der Langzeiteinwir-kung von Blaulicht in Verbindung gebracht.

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Blaulichtfilter-Brillen schärfen die KontrasteEs gibt also gute Gründe, seine Augen vor den blauen Strahlen zu schützen - auch für Menschen, die noch keine Sehprobleme haben. Eine normale Sonnenbrille leistet das aber nicht oder nur teilweise, da sie das Licht mehr oder weniger gleichmässig über das gesamte Spektrum dämpft. Besser sind sogenannte Kantenfil-ter (Blaublocker), die das Blaulicht unterhalb einer be-stimmten Wellenlänge komplett abblocken.

Kantenfilter sorgen im Alltag, beim Sport und in der Freizeit für:• stärkere Kontraste und ein besseres Erkennen von Konturen• Reduzierung der Blendung und dadurch bessere Sehschärfe• eine erleichterte Hell-Dunkel-Adaptation• ein höheres Sicherheitsgefühl• Schutz der Netzhaut vor Langzeitschäden.

Welche Blaulichtfilter-Brillen sind für Autofahrer geeignet?Kantenfilter verursachen allerdings durch dieses voll-ständige Ausfiltern bestimmter Wellenlängen eine Farbverschiebung. Deshalb sind nicht alle Modelle ver-kehrstauglich. Während man mit Kanten bei 400 und 450 Nanometer (nm) noch uneingeschränkt Auto fahren darf, gelten 511 nm nur noch als tageslichttauglich, und ab 527 nm darf man kein Fahrzeug mehr führen.

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Eine Lösung für das Problem der Farbverschiebung bie-ten sogenannte Comfortfilter (Blaudämpfer): Sie hal-ten zwar ebenfalls den grössten Teil des kurzwelligen Lichtes ab, lassen aber gerade genug Blau hindurch für einen natürlichen Farbeindruck.

Komplettmodelle oder Übersetzbrillen stehen zur WahlEin wichtiges Merkmal aller Modelle ist auch der Schutz vor Lichteinfall von der Seite und von oben, den «nor-male» Brillengestelle oft nicht bieten. Denn auf diesen Wegen kann trotz schützender Gläser noch viel schädli-che Strahlung ans Auge gelangen. Blaulichtfilter-Brillen gibt es als elegante Komplettmodelle, aber auch als Übersetzbrillen zum Tragen über der alltäglichen Seh-hilfe (in der Schweiz auch «Vorhänger» genannt. Anm. der Red.). Zusätzlich können Kanten- und Comfortfilter auch mit Polarisationsfiltern kombiniert werden. Diese bewirken eine starke Reflexminderung - etwa auf dem Wasser, auf Schnee oder nasser Fahrbahn - und somit eine weitere Steigerung des Kontrasts.

Zum Testen und Anprobieren sollte man einen qualifi-zierten Low Vision-Augenoptiker aufsuchen (eine Liste ist bei Retina Suisse erhältlich. Anm. der Redaktion).

Quelle: Ratgeberzentrale (RGZ) [1] Links aus diesem Beitrag: [1] http://www.ratgeberzentrale.de/gesund-heit/vorsorge/blaulichtfilter-brille.html

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Spiel mal wieder

Norbert Müller

Spielen ist nicht nur etwas für Kinder. Im Gegenteil: Es ermöglicht dem Erwachsenen, wieder Kind zu sein; es vermittelt Spannung, Kurzweil und Lebensfreude. Viele handelsübliche Spiele können einfach für Menschen mit Sehbehinderung «umgebaut» werden.

«Spielen ist eine Tätigkeit, die man gar nicht ernst ge-nug nehmen kann», sagt Jacques Cousteau. Ein Erlebnis mit einem frisch erblindeten Familienvater bestätigt das. Der Autor erzählte ihm von Umschulungsmöglichkeiten, Brailleschrift und Mobilitätstraining, und erwähnte zu-fällig auch Spiele für blinde Menschen. Der 34-Jährige schreckte förmlich auf: «Gibt es auch 'Mensch-ärgere-dich-nicht' für Blinde?» Die Antwort war ja, er konnte das Spiel gleich ertasten und sagte dann mit neuer Be-geisterung in der Stimme: «Ich werde wieder mit meinen Kindern spielen können!»

Gemeinsames Spielen hilft auch, Hemmungen abzubau-en. Das erlebte der Autor in Saarbrücken in einem «in-tegrativen Spieleclub». Auch Sehende, die vorher noch nichts mit blinden Menschen zu tun hatten, fühlten sich schnell wohl und kamen immer wieder. Er selber spielt auch leidenschaftlich und hat letztes Jahr in Basel einen Spiel-Treff initiiert. Fehlen nur noch barrierefreie Spiele. Die gibt es beim SZB sowie bei spezialisierten Ludothe-

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ken und Hilfsmittelfirmen oder man rüstet handelsübli-che Spiele selber um.

«Tastbar dank Stift und Loch»Für blinde Spielerinnen und Spieler müssen die Felder eines Spielbrettes tastbar sein, zum Beispiel erhöht, vertieft oder mit einer Punktelinie umrandet. Durch Punktelinien lässt sich auch die Richtung anzeigen, in die gezogen werden darf. Die Spielfiguren müssen auf dem Spielfeld fest verankert werden können; zum Bei-spiel durch einen Holzstift unter der Figur und ein Loch im Spielfeld. Tastet man nun über das Spielfeld, um herauszufinden, wer wo steht, verschieben sich die Fi-guren nicht. Ferner sind die Köpfe der Spielfiguren un-terschiedlich geformt, damit man die Farben auseinan-derhalten kann. Beim Schach haben z.B. die schwarzen Spielfiguren einen Nagel im Kopf. Für die Würfel gilt: Wenn die Augen deutlich genug fühlbar sind, können handelsübliche Würfel genutzt werden. Als Alternative gibt es Würfel mit Nägelchen statt Augen.

«Do-it-yourself»Spiele könnten auch selber zugänglich gemacht werden. Für das Umrüsten von Brettspielen haben sich Klettver-schlüsse und Magnete bewährt. Beim Klettverschluss markiert man die Spielfelder mit der Unterseite und klebt die Oberseite unter die Spielsteine, beim Auf-kleben der Magnete die Polung beachten. Eine riesige Auswahl an Magneten gibt es bei www.supermagnete.ch. Karten werden mit Braille-Zeichen barrierefrei. Aus Platzgründen verwendet man Abkürzungen: KG kann

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für Kreuz-7 stehen und jeder Herzkönig HK ist sicher froh, wenn er seine Herz-Dame HD findet. Man kann die Karten direkt beschriften oder mit Etiketten aus Dymo-band oder Klebefolie. Mit Etiketten werden die Punkte nicht so leicht verdrückt und es entstehen keine Löcher, anhand derer ein Mitspieler erkennen könnte, um wel-che Karte es sich handelt. Nachteil: Das Spiel wird we-sentlich dicker und die Etiketten können beim Mischen der Karten stören.

Mit einem Zitat von Friedrich Schiller wünscht der Autor eine schöne Spielzeit: «Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt».

«Tipps zum barrierefreien Spielen» Im Webshop des SZB können die verbreitetsten Brett-spiele wie Eile mit Weile, Schach und Jass- und Rommé-Karten gekauft werden. www.szb.ch Spiele können ausgeliehen werden bei: Bibliothek für Blinde, Seh- und Lesebehinderte, Zürich, www.sbs.ch/spiele Ludothek für Blinde und Sehbehinderte, Zollikofen, www.blinden-schule.ch.Tipps zu barrierefreien Spielen auf VoiceNet 031 390 88 88, Rubrik 3 42. In dieser Rubrik ist auch Austausch mög-lich, dafür Taste 9 drücken. Daten der nächsten Spiel-Treffs auf VoiceNet 031 390 88 88, Rubrik 111.

Quelle: der Weg, Mitgliedermagazin des SBV, Nr. 2/2016

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Siri – mein täglicher Begleiter

Urs Kaiser, Leiter Apfelschule

Nachdem ich in jungen Jahren erblindet war, dachte ich oft: «Wie praktisch wäre es doch, einen Diener zur Seite zu haben, der all das erledigt, was ich wegen des feh-lenden Sehvermögens nicht mehr oder nur noch müh-sam selber tun kann.» Zum Beispiel «Lies mir bitte vor, was auf diesem Zettel steht» oder «Suche bitte für mich den runter gefallenen Gegenstand» oder «Führe mich bitte zur Post». Dieser Traum hat sich nun in grossem Masse erfüllt: Seit rund vier Jahren ist das iPhone mein persönlicher Butler. Er steht mir von morgens früh bis spät in die Nacht zur Verfügung und unterstützt mich bei unzähligen Verrichtungen des täglichen Lebens. Ich brauche nur zu sagen: «Hey Siri» und schon ist mein persönlicher Assistent bereit, meine Aufträge zu er-ledigen. Und er kann bereits erstaunlich viel! Er stellt den Wecker, verschickt eine SMS und zeigt mir den Weg zum Bahnhof. Und Siri lernt ständig dazu. Seit der neusten Version kann er sogar würfeln und ich brauche beim «Eile mit Weile» mit meinen Enkeln nicht mehr nach dem weggerollten Würfel zu suchen. Zugegeben: Manchmal ist Siri etwas störrisch und will nicht so recht verstehen, was ich will. Doch je länger er für mich arbei-tet, desto besser habe ich gelernt, wie ich mit ihm spre-chen muss, damit er mir gehorcht fast ein wenig so wie bei einem richtigen Menschen.

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Gluschtig geworden auf einen solchen Assistenten, der auch macht, was man will? Ein Handbuch mit detaillier-ten Anweisungen für einen zielführenden Umgang mit Siri findet sich auf www.apfelschule.ch/index.php/anlei-tungen-fuer-das-selbstaendige-lernen/8-was-kann-siri.

Die Apfelschule bietet verschiedene Kurse an. Basiskurs: Der ideale Start für alle, die sich neu ein iPhone zuge-legt haben und auf eine Sprachunterstützung angewie-sen sind. Aufbaukurs: Um mehr aus dem iPhone heraus zu holen und neue Anwendungsbereiche zu lernen. Kombinationskurs: Für sehbehinderte AnwenderInnen von iPhone und iPad, um die ideale Kombination von Sehen und Hören zu erlernen, die Augen zu entlasten und die Effizienz zu steigern. Alle Angaben auf www.apfelschule.ch/index.php/kurse !END_TEXT 0

Quelle: der Weg, Mitgliedermagazin des SBV, Nr. 2/2016

Was ideal ist, ist individuell

2. Teil des Artikels von Christian Birkenstock erschienen im Retina Journal Nr. 1-2016

Lupe, Lesegerät oder Tablet: Welches Hilfsmittel ideal ist, hängt stark vom Wunsch der Nutzer ab. Die Low Vision-Fachleute helfen, die richtige Kombination zu finden.

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Lupe Die Handlupe ist der ideale Begleiter für das Lesen von ein paar Worten oder wenigen Sätzen. Moderne Lupen haben eine gute LED Beleuchtung, sind mehrere unter-schiedlich starke Lupen zu haben, je nach Schriftgrösse und Situation.

LupenbrilleSie ist leicht, unabhängig von Strom, unauffällig und beide Hände bleiben frei. Sie eignet sich zum lesen, nä-hen, stricken und vielem mehr. Immer empfehlenswert ist eine ausreichende Beleuchtung.

Lesegerät Es gibt stationäre und mobile Geräte. Sie unterschei-den sich in Grösse und Komfort beim Lesen. Alle Geräte können den Kontrast der Schrift verstärken, umkehren oder die Schrift in sogenannten Falschfarben – z.B. gelb auf blau – darstellen. Sie werden gewählt, wenn eine optische Hilfe nicht genügend Unterstützung bietet.

MonokularMonokulare sind einäugige Feldstecher. Sie sind beson-ders klein und handlich und in verschiedenen Vergrös-serungen zu bekommen. Bei der Auswahl gilt: So stark wie nötig, aber so schwach wie möglich. Denn eine stärkere Vergrösserung verkleinert das Sehfeld und schmälert den Überblick. Es eignet sich zum Lesen von Anzeigen im Bahnhof, Nummern auf der Selbstbedie-nungswaage, und Anzeigen im Museum.

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Erneuerung der Begleiterkarte per Ende 2016

Tablet Beim Lesen können Schriftart und -grösse ausgewählt und der Kontrast verändert werden. Doch die Bedie-nung will gelernt sein: Ein Touchscreen erfordert geziel-te Berührungen.

Quelle: Der Weg, Mitgliedermagazin des SBV, Nr. 1/2016

Ab dem 15. Oktober 2016 kann die Begleiterkarte er-neuert werden. Die neue Karte wird bis 2020 gültig sein.Wer in den vergangenen vier Jahren immer im gleichen Kanton bzw. im gleichen Bezirk gewohnt hat, kann der Bezugsstelle eine Fotokopie der bisherigen Begleiter-karte einsenden. Wer Kanton oder Bezirk gewechselt hat, sollte der neuen Bezugsstelle ein neues ärztliches Attest zusenden. Dieses kann auf der Internetseite der SBB (www.sbb.ch) unter dem Link «Reisende mit Handi-cap» heruntergeladen werden.

Auch die neue Begleiterkarte wird auf Papier gedruckt. Deshalb benötigen die zuständigen kantonalen Stellen ein aktuelles Passfoto auf Papier.Auf der SBB-Webseite gibt es auch eine Liste mit den Bezugsstellen. Selbstverständlich unterstützen wir Sie bei der Erneuerung der Begleiterkarte gerne. Bitte wen-den Sie sich an unser Sekretariat unter 044 444 10 77.

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Was ist eine sogenannte Begleiterkarte?Die «Ausweiskarte für Reisende mit einer Behinderung» berechtigt Personen mit einer Beeinträchtigung, eine Begleitperson und/oder einen Blindenführhund gratis mitzunehmen. Es braucht demnach für zwei Personen nur ein Billett. Die Begleiterkarte ist auf allen öffentli-chen Verkehrsmitteln in der Schweiz gültig, also überall dort, wo auch das Generalabonnement akzeptiert wird.Sie ist auch im Ausland gültig, sofern die Reise von der Schweiz aus gebucht worden ist. Ausserdem braucht es dazu auf der Begleiterkarte einen roten Kleber (Tarifkle-ber 710). Ausnahmen bestätigen die Regel, bitte erkun-digen Sie sich am Bahnhof.

Wer erhält eine Begleiterkarte?In der Schweiz wohnende Menschen mit einer Mobili-tätsbehinderung erhalten eine Begleiterkarte. Es gelten ähnliche Bestimmungen wie für den Bezug der Hilflo-senentschädigung.

Haben Sie noch keine Begleiterkarte? Für Auskünfte und Beratung wenden Sie sich an unsere Beratungsstellen in Lausanne oder Zürich.

Eurokey: Zugang zu sauberen Toiletten

Arno Tschudi

Eurokey heisst der Schlüssel für Menschen mit Behin-derungen zu einem zugänglichen, sauberen WC in

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der Schweiz und in anderen Ländern Europas. Neben Toilettenanlagen sind auch Aufzüge, Treppenlifte und Garderoben mit demselben Schlüssel zugänglich. Es gibt in der Schweiz ca. 2000 Anlagen, die mit dem ei-nen Schlüssel benutzt werden können, in Bahnhöfen, Einkaufszentren und Autobahnraststätten. Finden kann man die Standorte über die Apps «Eurokey» oder «WC-Guide». Der Eurokey kann bei den lokalen Geschäfts-stellen von Pro Infirmis bezogen oder online bestellt werden. Es muss ein Depot von 25 Franken respektive 30 Franken bei online-Bestellung bezahlt werden.

Weitere Informationen auf www.eurokey.ch, bei Pro Infirmis oder Ihrer SBV-Beratungsstelle.

Quelle: Der Weg, Mitgliedermagazin des SBV, Nr. 2/2016

Lesetipps

Ein neues schönes und sehr nützliches Kochbuch

Renata Martinoni, Zürich

«Kochen für die Augen. Raffinierte Rezepte mit Lutein» handelt nicht nur von leckeren Speisen für das ganze Jahr sondern ist auch eine echte Augenweide – also im doppelten Sinne «für die Augen». Darin enthalten ist ebenfalls ein Wissenschaftsteil (Vitamine, Fette, usw.)

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und Tipps für eine farbenfrohe und augengeeignete Er-nährung (besonders angezeigt bei altersbedingter Ma-kuladegeneration und anderen Augenerkrankungen). Das übersichtliche Inhaltsverzeichnis und die praktischen Hinweise (Vorbereitung, Schweregrad, Zeitaufwand, sai-sonale Eignung) sollten auch weniger geübte Köchinnen und Köche nicht vor dem Nach-Kochen zögern lassen.

Bekanntlich ist Lutein sehr wichtig für das Sehen. Vor allem im Alter sollte für eine genügende Zufuhr gesorgt werden. Man kann Lutein auch in Form von Nahrungs-ergänzung, z.B. in Kombination mit für die Augen geeig-neten Vitaminen, zu sich nehmen. Lutein kann allerdings auch über die Ernährung aufgenommen werden da es in vielen Gemüsearten vorkommt, z.B. in dunkelgrünem Blattgemüse wir Spinat oder Krautstiele, in gelben und roten Peperoni, in Früchten wie Aprikosen und Mango. Und – wie wir im Retina Journal 1-2016 lesen konnten – auch im Dinkel-Brot.

Das von PD Dr. med. Ute Wolf-Schnurrbusch und von Marc Aeberhard verfasste Kochbuch ist von der Firma Bayer (Schweiz) AG herausgegeben. Es ist in deutscher und französischer Sprache, unentgeltlich bei Retina Su-isse erhältlich (Bestellungen unter [email protected] oder Tel. 044 444 10 77). Eine Buchvernissage findet an-lässlich der AMD-Veranstaltung vom 14. November 2016 in der Augenklinik des Universitäts-Spital Zürich, statt.

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Frauen mit Behinderung in Bildung und Arbeit

Anlässlich des diesjährigen Internationalen Tages der Frau erschien eine neue Studie von Olga Manfredi und Helen Zimmermann zur Gleichstellung von Frauen mit Behinderung in Bildung und Erwerb.«Frauen mit Behinderung in Bildung und Arbeit - einen Steinwurf von der Gleichstellung entfernt? Eine Studie über die aktuelle Situation in der Deutschschweiz»

Das Werk ist beim Verlag an der Reuss zu beziehen.

Quelle: Tactuel

Ein Tag für Blinde, Lahme und Verrückte

Ein Buch von Dieter Kleffner, rezensiert von Theo Flossdorf

Ich möchte ein aussergewöhnliches Buch mit einem aussergewöhnlichen Titel vorstellen: Ein Tag für Blinde, Lahme und Verrückte. Wer über diesen Titel stolpert, dem sei versichert, dass dieser Titel kein bisschen ver-rückt ist, sondern dass er im Gegenteil sogar sehr tref-fend ist, was dem Leser während der Lektüre deutlich wird.

Ich habe mir das Buch bei der Westdeutschen Blinden-hörbücherei in Münster ausgeliehen und möchte, nach-

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dem ich die etwas über neun Stunden gehört habe, unbedingt diese Buchbesprechung für Euch machen und Euch dieses Buch ausdrücklich empfehlen. Den Autor Dieter Kleffner kennt ihr vielleicht bereits als ideenreiches BLAutor-Mitglied, der in der Redaktion der Zeitschrift «Litera» engagiert mitarbeitet. Dieter gibt als Genre «Gesellschaftsroman» an und tatsächlich erzählt sein Buch mitten aus der Gesellschaft. Diesem Roman ist nichts Menschliches fremd. Es wird nicht ohne ange-nehmen Humor die Lebensgeschichte von Frauen und Männern erzählt, die jede/jeder für sich mit einer Be-hinderung beziehungsweise einer Krankheit leben. Der Buchtitel deutet schon etwas die Verschiedenartigkeit der Schicksale an.

Es ist kein Betroffenheitsbuch, kein Tränendrüsenbuch, kein Problembewältigungsbuch oder dergleichen, schon gar kein Egotrip-Buch. Im Gegenteil: Hier liegt ein äusserst kurzweiliger, lebendiger, lebensnaher Roman vor, der von ganz normalen Menschen erzählt – und dabei erstaunlich kundig über Probleme verschiedener Behinderungen und Erkrankungen spricht, ohne sich in Details zu verlieren oder den Leser zu überfordern. Alle diese Menschen begegnen sich, werden im positi-ven Sinne zu einer Schicksalsgemeinschaft, verknüpfen ihre Lebenswege miteinander. Im Klappentext heisst es unter anderem: Dieser spannende Gesellschaftsroman zeigt, dass Menschen, die gelernt haben ihre Krankheit oder Behinderung anzunehmen, tiefe Zufriedenheit und Glück erfahren können. Manchmal entwickeln sie

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Apropos: Die Präsidentin hat das Wort

sogar aus ihrer gesundheitlichen Schwäche eine Kraft, die selbst auf Gesunde mitreissend wirkt. Ein ange-nehm zu lesendes Buch, das nichts offenlässt und des-sen Schluss ich als Happy End bezeichne.

Ein Tag für Blinde, Lahme und Verrückte, Gesellschafts-roman von Dieter Kleffner, erschienen im Verlag Books on Demand Norderstedt, aufgesprochen wird die 1. Auflage aus dem Jahr 2015. Die Buchvorlage umfasst 243 Seiten, ISBN 9783734769740.

Die Autoren: Theo Flossdorf schreibt und komponiert. Sein Reper-toire umfasst sämtliche Genres, von Karnevals- und Kirchenliedern bis hin zu Sachbüchern und Gedichten.Dieter Kleffner lebt in Hattingen. Der Titel seines aktu-ellen Buches lautet: «Schlaflose Kissen und schlechte Gewissen: Drei Kriminalromane». Beide sind Mitglieder bei BLAutor, dem Arbeitskreis blinder und sehbehinder-ter Autoren.

Wer die Vorträge nach der Generalversammlung von Retina Suisse verfolgt hat, ist vielleicht auch am Begriff «Peer» hängen geblieben. Dieser Begriff ist Bestandteil der Methode «Peer-Arbeit», die von Sandro Lüthi in seinem Vortrag «Karriere mit Handicap – sehbehindert nach oben» erwähnt wurde. Die Methode steht für einen von mehreren möglichen Lösungsansätzen, um im

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beruflichen Weiterkommen erfolgreich zu sein. Ich ver-folge den von Sandro Lüthi erwähnten Ansatz in seiner Umsetzung und Etablierung im Bereich des Sozial- und Gesundheitswesens seit einiger Zeit mit Interesse. Die Methode ist in einem breiten Themenfeld einsetzbar. Im Sehbehindertenbereich sehe ich ebenfalls Potential der Methode.

Was ist denn eigentlich ein «Peer» und «Peer-Arbeit»? «Peer-Arbeit» wird als Erstes in Verbindung mit einer Methode im ambulanten psychiatrischen Bereich ge-bracht. Der Grund ist naheliegend. Ist doch die «Peer-Arbeit» aus der Recovery-Bewegung entstanden und professionell weiter entwickelt worden. Heute wenden auch andere Bereiche den Grundgedanken dieser Me-thode an und haben ihn entsprechend ihren Bedürfnis-sen angepasst. Das sind zum Beispiel Organisationen aus dem Sozial- und Gesundheitswesen. Aber auch Fach-hochschulen wenden erfolgreich das «Peer-Tutoring» an. Auch in der Selbsthilfe hat sich die Methode etabliert und als wirksam und gesundheitsfördernd erwiesen.

Zu Fragen in Bezug auf seine spezielle Behinderung, sucht sich eine betroffene Person in der Regel als Erstes die Unterstützung bei einer Beratungsstelle. Der Wis-sens- und Erfahrungsaustausch kann ebenfalls in Selbst-hilfegruppen oder digitalen Foren stattfinden. Das bereits vorhandene Unterstützungsangebot ist sehr hilfreich und trägt wesentlich zur Bewältigung im Umgang mit der Behinderung bei.

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In der «Peer-Arbeit» wird der Schwerpunkt verstärkt auf das gemeinsame Lernen und den persönlichen Kontakt gesetzt. Ziel der Methode ist es, Menschen bei der Be-wältigung von persönlichen und sozialen Problemlagen zu coachen und zu begleiten. Personen, die eine gleiche oder ähnliche Situation durchlebt haben und diese er-folgreich bewältigten, beraten und begleiten im «face to face»-Kontakt. Peers sind somit «Expertinnen und Exper-ten aus Erfahrung». Sie setzen ihr reflektiertes und per-sönliches Wissen zur Unterstützung von Betroffenen ein. Mit einer erfolgreich abgeschlossenen Weiterbildung erlangen sie die Qualifikation zu dieser Aufgabe.

Wie eingangs erwähnt, ist diese Methode vor allem im psychiatrischen Kontext stark verbreitet. Von Fachorga-nisationen und Kliniken, welche in diesem Wirkungsfeld tätig sind, werden Weiterbildungen initiiert und durch-geführt.

Immer mehr soziale Institutionen aus verschiedenen Bereichen bedienen sich dieser Methode und passen sie ihrem Umfeld und Fragestellungen an. Sandro Lüthi erwähnt in seiner Masterarbeit ein mögliches Themen-feld, in dem «Peer-Arbeit» im Sehbehindertenwesen wirkungsvoll eingesetzt werden könnte. Neben berufli-cher Integration sowie Aus- und Weiterbildung gibt es ein breites Einsatzgebiet, in welchem die Ressourcen von «Peers» eingesetzt werden können. Ist doch der allei-nige Umgang mit einer Verschlechterung der Sehkraft und die damit verbundenen Schwierigkeiten im Alltag,

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Beruf, sozialem Umfeld und Familie eine grosse Heraus-forderung. Die Suche nach geeigneten Hilfsmitteln ist nur eine zu bewältigende Aufgabe. Der psychosoziale Aspekt darf nicht unterschätzt werden. Die Sicherheit, dass Ressourcen und persönliche Erfahrungswerte zur Verfügung stehen um eine Herausforderung bewältigen zu können, wirken sich positiv auf das Selbstwertgefühl und die Zuversicht aus.

Fazit: Der Mensch ist ein soziales Wesen, welches in Interaktion mit anderen Menschen lernt und sich wei-terentwickelt. Mit der «Peer-Arbeit» kann am Modell gelernt werden und man wird selber Expertin und Ex-perte in eigener Sache. Die Methode ist eine von vielen, um Lösungen zu erarbeiten. Sie ersetzt jedoch nicht die fachliche und psychologische Beratung im Bewälti-gungsprozess.

Susanne Trudel, Präsidentin Retina Suisse

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