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Kapitel I: Prolegomena NB Wegen eines Termins beim Herrn Präsidenten der Friedrich-Alexander-Universität beginnt die erste Sitzung der Vorlesung am . April möglicherweise mit kurzer Verspätung W er über eine so oft behandelte und heiß umstrittene Person wie Je- sus spricht, steht in einer langen und vielfältigen Tradition. Diese möchte ich Ihnen wenigstens in den Grundlinien vorführen. Das ist der Inhalt des ersten Paragraphen, der die Geschichte der Erforschung des historischen Jesus skizziert. Diese Skizze gipfelt in der heutigen Debatte und soll Ihnen ermöglichen, meine in dieser Vorlesung vorzutragende Rekonstruktion des Lebens Jesu in dem Rahmen dieser Debatte zu ver- orten. Dazu kommt im zweiten Paragraphen eine kurze Darstellung der Quel- len, aufgrund derer wir das Leben und die Botschaft Jesu in diesem Se- mester rekonstruieren. Die wichtigste Quelle für die Rekonstruktion des Lebens Jesu sind die sogenannten »synoptischen« Evangelien, d.h. Mar- kus, Matthäus und Lukas, mit denen wir uns daher etwas genauer be- schäftigen werden. Schließlich folgen im dritten Paragraphen methodische Erwägungen: Der Streit dreht sich heute vor allem um die Frage, wie aus den Quellen eine Rekonstruktion des historischen Jesus erfolgen soll. Hier werden die entscheidenden Weichen gestellt. § Die Erforschung des historischen Jesus D ie Leben-Jesu-Forschung ist eine moderne Angelegenheit. Die klas- sische Darstellung ihrer Geschichte stammt von Albert Schweitzer. Albert Schweitzer: Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, Tübingen (das Buch ist häufig nachgedruckt worden, es gibt auch Taschenbuch-Ausgaben; die erste Auflage erschien im Jahr in Tübingen unter dem Titel: Von Reimarus zu Wrede. Die zweite Auflage erschien ebenfalls in Tübingen und trug wie alle folgenden den Titel „Geschichte der Leben-Jesu-Forschung“).

Kapitel I: Prolegomena - Neutestamentliches Repetitorium · sische Darstellung ihrer Geschichte stammt von Albert Schweitzer. 1 1 Albert Schweitzer: Geschichte der Leben-Jesu-Forschung,

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  • Kapitel I: Prolegomena

    NBWegen eines Termins beim Herrn Prsidenten der

    Friedrich-Alexander-Universittbeginnt die erste Sitzung der Vorlesung am . April

    mglicherweise mit kurzer Versptung

    Wer ber eine so oft behandelte und hei umstrittene Person wie Je-sus spricht, steht in einer langen und vielfltigen Tradition. Diesemchte ich Ihnen wenigstens in den Grundlinien vorfhren. Das ist derInhalt des ersten Paragraphen, der die Geschichte der Erforschung deshistorischen Jesus skizziert. Diese Skizze gipfelt in der heutigen Debatteund soll Ihnen ermglichen, meine in dieser Vorlesung vorzutragendeRekonstruktion des Lebens Jesu in dem Rahmen dieser Debatte zu ver-orten.

    Dazu kommt im zweiten Paragraphen eine kurze Darstellung der Quel-len, aufgrund derer wir das Leben und die Botschaft Jesu in diesem Se-mester rekonstruieren. Die wichtigste Quelle fr die Rekonstruktion desLebens Jesu sind die sogenannten synoptischen Evangelien, d.h. Mar-kus, Matthus und Lukas, mit denen wir uns daher etwas genauer be-schftigen werden.

    Schlielich folgen im dritten Paragraphen methodische Erwgungen:Der Streit dreht sich heute vor allem um die Frage, wie aus den Quelleneine Rekonstruktion des historischen Jesus erfolgen soll. Hier werden dieentscheidenden Weichen gestellt.

    Die Erforschung des historischen Jesus

    Die Leben-Jesu-Forschung ist eine moderne Angelegenheit. Die klas-sische Darstellung ihrer Geschichte stammt von Albert Schweitzer. Albert Schweitzer: Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, Tbingen (das

    Buch ist hufig nachgedruckt worden, es gibt auch Taschenbuch-Ausgaben; die ersteAuflage erschien im Jahr in Tbingen unter dem Titel: Von Reimarus zu Wrede.Die zweite Auflage erschien ebenfalls in Tbingen und trug wie alle folgenden denTitel Geschichte der Leben-Jesu-Forschung).

  • Kapitel I: Prolegomena

    Dieser behandelt die Jesusforschung vom . Jahrhundert Reimarus bis zum Beginn des . Jahrhunderts Wrede. Mittlerweile sind wir Jahre weiter, und die Jesusforschung ist seit den Tagen von AlbertSchweitzer um unendlich viele Studien vermehrt worden. Leider gibt esfr die Zeit nach Schweitzer noch keine zusammenfassende Darstellung,die dem Werk Schweitzers entsprche. Wir werden uns daher mit denentscheidenen Weichenstellungen begngen mssen. Bevor wir uns derneueren Entwicklung zuwenden, fragen wir aber zunchst nach den An-fngen der Jesusforschung.

    * * *

    Das Erstaunliche ist: Zunchst interessierte sich niemand fr das,was wir den historischen Jesus nennen. Die frhen christlichen Ge-meinden in Palstina, in Syrien, in Galatien, in Makedonien, in Achaiaund in der Provinz Asi.a besaen kein Buch, in dem das Leben Jesu aufge-zeichnet gewesen wre. (Das lteste der synoptischen Evangelien, dasEvangelium des Markus, stammt aus der Zeit um n.Chr., stand al-so der ersten und zweiten christlichen Generation noch gar nicht zurVerfgung.) Ja, noch mehr: Diese frhen christlichen Gemeinden hat-ten berhaupt nicht den Eindruck, da ihnen deshalb etwas fehle; sievermiten ein solches Buch ganz und gar nicht.

    Wenn wir uns als Beispiel den Apostel Paulus vor Augen fhren, sosehen wir, da er selbst vom Leben Jesu nur wenig wei und offenbarauch gar nicht mehr wissen will. Er war im Unterschied etwa zu Petrus kein Schler Jesu, und er empfindet das ganz und gar nicht als einenMangel. Nur ganz ausnahmsweise nimmt er auf Worte des historischenJesus Bezug, etwa im Zusammenhang mit der Frage nach der Eheschei-dung in Kor . Aber in der Regel bedarf er solcher Worte Jesu fr seineArgumentation nicht.

    [Herrmann Samuel Reimarus:] Von dem Zwecke Jesu und seiner Jnger. Noch einFragment des Wolfenbttelschen Ungenannten. Hg. von Gotthold Ephraim Lessing,Braunschweig . [Das Buch hat in der UB Erlangen damals noch Knigliche Baye-rische Unviversittsbibliothek! die Signatur Thl. X, a.]

    William Wrede: Das Messiasgeheimnis in den Evangelien. Zugleich ein Beitragzum Verstndnis des Markusevangeliums, Gttingen .

    Doch vgl. immerhin die Forschungsberichte von Werner Georg Kmmel und vonHelmut Merkel, die die Zeit von bis zum Beginn dieses Jahrhunderts abdecken; die-se Forschungsberichte sind oben im Literaturverzeichnis auf Seite XIII bibliographiert.

    Vgl. dazu im einzelnen die Studie von Nikolaus Walter: Paulus und die urchristlicheJesustradition, NTS (), S. . (Dieser Aufsatz ist in die gesammelten Studi-

  • Die Erforschung des historischen Jesus

    Doch scheint das Leben Jesu fr die Polemik von Juden wie Heidenvon Anfang an von Bedeutung gewesen zu sein. Spuren dieser Polemikhaben sich aus dem ersten Jahrhundert im Neuen Testament selbst erhal-ten, so beispielsweise im Matthusevangelium, wo auf die BehauptungBezug genommen wird, Jesus sei gar nicht auferstanden, vielmehr seisein Leichnam geraubt worden; hernach htten die Jnger behauptet,das Grab sei leer, Jesus sei von den Toten auferstanden (vgl. die Legendevon den Wchtern am Grab Jesu, Mt ,).

    hnlich verhlt es sich auch mit dem Anfang des Lebens Jesu: JdischePolemik behauptet, keineswegs sei Jesus Sohn einer Jungfrau, vielmehrsei sein Vater ein rmischer Soldat namens Panthe.ra. Es handele sichmithin nicht um einen Sohn Gottes, sondern vielmehr um ein uneheli-ches Kind der Maria, das einen rmischen Soldaten zum Vater habe.

    Die heidnische Polemik wird in grerer Breite erstmals im zweitenJahrhundert bei Kelsos sichtbar. Kelsos ist in die zweite Hlfte des zwei-ten Jahrhunderts einzuordnen. Sein Werk Wahre Lehre ist durch Ori-genes in Teilen berliefert, da dieser um n.Chr. in einem achtbn-digen Werk gegen Kelsos Stellung nahm. Wenn Origenes mehr als zweiGenerationen spter es fr erforderlich hlt, den Kelsos zu widerlegen,kann man daraus auf die Bedeutung dieses Polemikers schlieen. Er war

    en des Verfassers nicht aufgenommen worden, vgl. Nikolaus Walter: Praeparatio Evan-gelica. Studien zur Umwelt, Exegese und Hermeneutik des Neuen Testaments, hg.v.Wolfgang Kraus und Florian Wilk, WUNT , Tbingen .)

    Zur lateinischen Form vgl. P.G.W. Glare [Hg.]: Oxford Latin Dictionary, Oxford (Nachdruck ), S. .

    Kurze Information zu diesem heidnischen Polemiker bietet Ilsetraut Hodot: Art.Celsus, RGG (), Sp. . Ausfhrlichere Informationen bietet Philipp Merlan:Art. Celsus, RAC (), Sp. .

    Zur Datierung des Kelsos vgl. Hans-Udo Rosenbaum: Zur Datierung von Celsus , VigChr (), S. .

    Am einfachsten greifbar in der englischen bersetzung: Henry Chadwick [Hrsg.]:Origen: Contra Celsum, Cambridge .

    Die Sammlung der Fragmente des Kelsos im Original: Robert Bader: Der des Kelsos, Stuttgart/Berlin .

    Eine bersetzung des Kelsos ins Deutsche bietet Theodor Keim: Celsus Wahres Wort.lteste Streitschrift antiker Weltanschauung gegen das Christenthum vom Jahr n.Chr., Zrich . Diese bersetzung wurde unter dem Titel: Celsus: Gegen dieChristen. Aus dem Griechischen von Th. Keim. Mit Beitrgen von F.W. Korff undErnst Fuhrmann. Illustrationen von Carl Apfelschnitt, Debatte , Mnchen nach-gedruckt.

  • Kapitel I: Prolegomena

    auch Mitte des dritten Jahrhunderts noch so aktuell, da Origenes sichzu einer Art Gegendarstellung veranlat sah.

    Dank seiner Methode der Widerlegung Schritt fr Schritt ist unsheute so indirekt das Werk des Kelsos berliefert. Fr die Fragestellungnach dem historischen Jesus sind besonders die Bcher I und II wichtig.

    Nach der Auffassung des Kelsos kann ein Gott nur transzendent sein;der Glaube an ihn ist nur fr eine geistig elitre Gruppe mglich; dieChristen sind auf einem Irrweg und isolieren sich von der ffentlichkeit;und das Christentum ist keine wahre Lehre wegen der mangelndenTradition. Um die Christen zu widerlegen, widmet sich Kelsos ausfhr-lich dem Leben Jesu. Er will den Nachweis fhren, da dieses Leben vonAnfang bis zum Ende eines Gottes unwrdig sei.

    Erwin Preuschen hat in einem Buch die wichtigsten Fragmente zu Je-su Leben und Werk zusammengefasst. Hierbei wird deutlich, da Kelsosauf der erzhlenden Jesustradition fut und ihn hier besonders die Vorge-schichte, Passion und Auferstehung interessierten; aus dem Wirken Jesuhat er einiges ber Jnger und Lehre Jesu. Dabei greift er in den BchernI und II seines Werkes ausdrcklich auf die jdische Polemik gegen dasLeben Jesu zurck. Er lt hier einen Juden auftreten, der die Polemikgegen das Leben Jesu formuliert.

    In diesem Zusammenhang sagt KelsosDie Polemikdes Kelsos

    , die Geburt aus der Jungfrau seierfunden; Jesu Mutter sei weder reich noch aus kniglichem Stamm ge-wesen; niemand kannte sie, selbst keiner der Nachbarn. Joseph habeMaria verstoen: Er sagt, sie sei von ihrem Ehemann, einem Zimmer-mann von Profession, verstoen worden, weil sie des Ehebruchs ber-fhrt war. Kelsos greift hier ersichtlich auf die jdische Polemik zu-rck, derzufolge Jesus ein uneheliches Kind gewesen sei. Die Darstel-

    Dieses System verwendet Origenes ab Mitte des ersten Buches, genauer gesagt abI ; zur nderung der Vorgehensweise vgl. die Begrndung, die Origenes in seinerPraefatio, gibt (in der bersetzung von Chadwick S. f.).

    Erwin Preuschen: Antilegomena. Die Reste der auerkanonischen Evangelien undurchristlichen berlieferungen herausgegeben und bersetzt, Gieen .

    Vgl. dazu Ernst Bammel: Der Jude des Celsus, in: ders.: Judaica, Kleine Schriften I,WUNT , Tbingen , S. .

    Erwin Preuschen, a.a.O., S. . Ebd. Diese jdische Polemik ist ein stehender Zug in den sogenannten Toledoth Je-

    schu, vgl. dazu Samuel Krauss: Das Leben Jesu nach jdischen Quellen, Berlin ;Johann Maier: Jesus von Nazareth in der talmudischen berlieferung, EdF , Darm-

  • Die Erforschung des historischen Jesus

    lung des Neuen Testament sei darauf angelegt, diese Herkunft Jesu zuverschleiern.

    Dann, sagt er, sei sie, nachdem sie von ihrem Manne verstoen war,ehrlos umhergeirrt und habe im Verborgenen Jesus geboren. . . . Erschmht ihn auch deswegen, weil er aus einem jdischen Dorfe gebrtigsei und von einem armen Bauernweib, einer Tagelhnerin, stamme.

    Fragment fhrt ein klassisches Versatzstck zeitgenssischer anti-christlicher Polemik an und bezieht sich auf Mt . Es greift Inhalte auf,die ebenfalls in den Toledoth Jeschu zu finden sind. Demnach wurde Je-sus in gypten, welches fr seine Magier bekannt war, zum Zaubererausgebildet, was im brigen auch den eigentlichen Grund seines Aufent-haltes dort darstellte. Zauberei in jeglicher Form war nach kaiserlichenGesetzgebung strafbar. Im folgenden sagt der Jude bei Celsus gegenJesus: Warum mutest du in deiner Kindheit nach gypten gebrachtwerden, damit du nicht umgebracht wrdest? Denn fr einen Gott wares nicht passend, den Tod zu frchten. Sondern ein Engel kam vomHimmel und befahl dir und den Deinen, damit ihr nicht strbet, wennihr im Lande bliebet. Konnte der groe Gott dich, seinen eigenen Sohn,damals nicht schtzen, der deinetwegen schon zwei Engel gesandt hat-te? Und Jesus mute in gypten aus Armut tagelhnern und dortlernte er einige Zauberkunststcke, in denen die gypter gro sind, undso kam er wieder zurck, eingebildet wegen seiner Zauberei und nanntesich deswegen einen Gott.

    Auf diese Weise wird auch gleich Jesus als Wundertter erledigt: Kei-neswegs hat Jesus Wunder gewirkt; vielmehr handelt es sich um Zauber-kunststcke, die sich Jesus in jungen Jahren in gypten angeeignet hatte.

    stadt sowie Ernst Bammel: Der Tod Jesu in einer Toledoth Jeschu-berlieferung,in: ders.: Judaica. Kleine Schriften I, WUNT , Tbingen , S. .

    Ebd. Bei Erwin Preuschen, a.a.O., S. . Vgl. dazu Ernst Bammel: Jesus der Zauberer, in: ders.: Judaica et Paulina. Kleine

    Schriften II, WUNT , Tbingen , S. .Erstaunlicherweise feierte der Aufenthalt Jesu in gypten an Weihnachten des ver-

    gangenen Jahres (also ) in den deutschen Medien frhliche Urstnd: Der Bischofder Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, in Personalunion Ratsvorsitzender derEKD, war sich nicht zu schade, diese Legende aus dem Matthusevangelium in die aktu-elle Debatte zum Thema Asylanten einzubringen. In der Regel ist das Neue Testamentden kirchenleitenden Funktionren ja herzlich egal; aber wenn es einem guten Zweckdient ...

  • Kapitel I: Prolegomena

    Ich breche hier ab.Zwischen-ergebnis

    Es ist deutlich geworden: Das Leben Jesu ist nichtnur innerkirchlich von Anfang an diskutiert worden die unterschied-lichen Schwerpunkte der Evangelien zeigen dies , sondern auch zwi-schen Christen und Juden und Christen und Heiden. Die Polemik desKelsos aus dem zweiten Jahrhundert erlaubt einen Einblick in diese kon-troverse Diskussion ber Leben und Werk Jesu.

    * * *

    Von Kelsos machen wir nun einen groen Sprung in die Neuzeitund wenden uns Reimarus zu, von dem die moderne Leben-Jesu-Forschung ausgeht. Beachtung verdienen gewisse Gemeinsamkeiten zwi-schen Kelsos und Reimarus, auf die wir gleich noch zu sprechen kom-men. Reimarus lebte von bis .

    Er stammte aus einem pommerschen Pfarrersgeschlecht. Reimarusstudierte in Jena und Wittenberg Theologie, Philologie und Philosophie.Er war anschlieend Rektor der Wismarer Stadtschule und wirkte ab in Hamburg als Professor fr orientalische Sprachen. Jahre warer hier ttig. Am . Februar gab er ein Abschiedsessen und starbwenige Tage spter am . Mrz .

    Reimarus selbst hat seine Studien zum historischen Jesus nicht publi-ziert, obwohl er mehr als dreiig Jahre daran gearbeitet hat. Diese Dop-pelexistenz verbitterte den Mann, der sein Lebenswerk nur anonym undprivat verbreiten konnte, weil er sonst seine brgerliche Existenz gefhr-det htte. Auf Grund seiner kritischen Haltung stand er ein Leben langin Spannung zur Kirche.

    Reimarus verffentlichte zu seinen Lebzeiten eine Reihe von Werkenzur klassischen Literatur und zur Theologie, so beispielsweise eine Aus-gabe des rmischen Historikers Cassius Dio, die lange Zeit als Vorbildeiner Klassikerausgabe galt.

    Die Pommern gelten als wortkarg und mavoll gesellig. [Als einer, der sechs Jahreseines Lebens in Pommern zugebracht hat, knnte ich das auch anders formulieren.]

    Verwendete Literatur zu Reimarus: Harald Schultze: Art. Reimarus, TRE (),S. .

    In eigentmlichem Gegensatz zu diesen Daten eines erfolgreichen, brgerlich in-tegrierten Gelehrtenlebens steht die Tatsache, da Reimarus sich gescheut hat, seineSchutzschrift fr die vernnftigen Verehrer Gottes, an der er Jahre lang heimlich gear-beitet hatte, zu verffentlichen: die Publikation htte ihn um seine Professur, sicherlichauch um seine brgerliche Sicherheit gebracht. Aus solcher Doppelexistenz resultiertdie Verbitterung, die die Auseinandersetzung mit der Staatskirche und ihrer Orthodo-xie prgt. (Harald Schultze, a.a.O., S. , Z. .)

    Harald Schultze, a.a.O., S. , Z. .

  • Die Erforschung des historischen Jesus

    Abbildung : Hermann Samuel Reimarus

  • Kapitel I: Prolegomena

    Seine uns in dieser Vorlesung interessierende Schrift hingegen wurdeunter dem Titel: Von dem Zwecke Jesu und seiner Jnger. Noch einFragment des Wolfenbttelschen Ungenannten erst zehn Jahre nach sei-nem Tod von Gotthold Ephraim Lessing herausgegeben (Braunschweig). erschien der Anhang zu dem Fragment vom Zweck Jesu undseiner Jnger.

    Die Breitenwirkung, welche die Edition seiner Werke durch Lessinghervorbrachte, zwang die Theologie, sich mit ihm auseinander zu set-zen, wenn sie den Anspruch der Wissenschaftlichkeit aufrechterhaltenwollte.

    In bezug auf die Kirche und die Theologie vertrat Reimarus grund-stzlich die Meinung, da die Theologen zu Jesus zurckkehren sollten eine Forderung, die immer und immer wieder erhoben worden ist, inunseren Tagen etwa durch Gerd Ldemann. Es solle nicht darum gehen,sich mit den eigenen dogmatischen Schriften zu befassen und die LehreJesu wieder aus den kirchlichen Traktaten zu filtern, schlielich sei Jesusdie entscheidende Autoritt, und die Prediger sollten eine dem entspre-chende vernnftige Religion vertreten.

    Was nun das Leben Jesu angeht,Das Leben Jesunach Reimarus

    werfen wir einen Blick in die berhm-te Schrift Vom Zwecke Jesu und seiner Jnger. Hier wird das Wort Zweckanders verwendet, als wir es heute gewohnt sind; Zweck heit bei Rei-marus so viel wie Absicht. Die Absicht Jesu nun ging dahin, ein messia-nisches Reich auf Erden zu errichten. Ganz anders aber war die Absichtder Apostel: Sie wollen in einer Gemeinschaft (Kirche) ihre eigenen Leh-ren verbreiten, keineswegs aber die Lehre Jesu.

    Die neutestamentliche Bibliothek dieser Fakultt weist dergleichen ketzerischeSchriften nicht auf. Einen Eindruck immerhin vermitteln die Auszge, die sich beiManfred Baumotte [Hrsg.]: Die Frage nach dem historischen Jesus. Texte aus drei Jahr-hunderten, Gtersloh in der NT-Bibliothek die Signatur O, , S. ,finden.

    Da auch die Pilhofersche Bibliothek das Werk nicht aufweist, kursiert wenigstens dasOriginal der Schrift: Fragmente des Wolfenbttelschen Ungenannten. Ein Anhang zudem Fragment vom Zweck Jesu und seiner Jnger. Bekanntgemacht von G. E. Leing[sic!], Berlin , damit man einen Eindruck erhalte, wie sich ein Buch dieser Zeitanfhlt.

    Damit man auch einen Eindruck von dem Inhalt gewinne, verweise ich auf den cha-rakteristischen Satz, der sich hier auf Seite findet:Haben die Herren Theologi darinn ret, da sie die Vernunft und vernnftige Religion dur den Glaubenverdrengen und erien? Da Beyspiel ihre groen Lehrer Jesu i darinn nit auf ihrer Seite. Denn der hatnit al eine vernnftige praktise Religion geprediget.

    Harald Schultze, a.a.O., S. , Z. .

  • Die Erforschung des historischen Jesus

    Reimarus geht von der Feststellung aus ( ), da Jesus selbst nichtsSchriftliches hinterlassen hat, und da wir daher auf die Schriften sei-ner Jnger angewiesen sind. Doch ist es nun keineswegs so, da alleSchriften des Neuen Testaments fr die Rekonstruktion des Lebens Jesuin gleicher Weise in Frage kommen. Reimarus fhrt hier eine wichtigeUnterscheidung ein: Auf der einen Seite stehen die Evangelien, auf derandern Seite die Schriften der Apostel.

    Es ist charakteristisch fr Reimarus, Jesus ausschlielich nach den Be-richten der Evangelien fr ihn die einzige historisch verwertbare ber-lieferung zu beurteilen, denn die Evangelisten stehen auf der Seite Jesuund seiner Lehre gegen die Apostel: Wa nun seine Lehre besonder betrift, so ha-ben zwar unter seinen Jngern nit allein die Evangelien, sondern au die Apoel, ihre

    Meier Lehre vorzutragen unternommen: allein i finde groe Ursae, dajenige, wa die

    Apoel in ihren eignen Sriften vorbringen, von dem, wa Jesu in seinem Leben wrkli

    selb augesproen und gelehret hat, gnzli abzusondern. Denn die Apoel sind selb Lehrer

    gewesen, und tragen also da ihrige vor, haben au nimmer behauptet, da Jesu ihr Meier

    selb in seinem Leben alle dajenige gesagt und gelehret, wa sie sreiben. Dagegen fhren

    si die vier Evangelien blo al Gesitsreiber auf, wele da hauptslie, wa Jesu

    sowohl geredet al gethan, zur Narit aufgezeinet haben. Wenn wir nun wien wollen, wa

    eigentli Jesu Lehre gewesen, wa er gesagt und geprediget habe, so i da res facti, so frgtsi na etwa da gesehen i; und daher i diese au den Nariten der Gesitsreiber

    zu holen.

    Die Evangelisten sind nach Reimarus also Geschichtsschreiber gewe-sen, daher objektiv in ihrem Urteil. Sie haben zwar auch einzelne Worteberliefert, die von Aposteln stammen also nicht auf Jesus selbst zu-rckgehen ; das taten sie aber sozusagen in gutem Glauben. Sie sindhier gleichsam von den Aposteln ber den Tisch gezogen worden ( ).

    Man mu also klar unterscheiden zwischen den Evangelisten einerseits ihnen verdanken wir unsere Quellen fr das Leben Jesu , und denAposteln andrerseits: Diese haben die Lehre Jesu verflscht und sind in-soweit vllig abzulehnen. Als erstes Zwischenergebnis halten wir daherfest: Erstes Zwischen-

    ergebnisDas Neue an Reimarus ist die gezielte Frage nach dem, was wir den

    historischen Jesus nennen; das unterscheidet ihn von allen Vorgngernseit Kelsos. Nur auf Jesu Lehre kommt es an, diese will Reimarus rekon-

    Ich beziehe mich auf die originale Zhlung der Schrift von (vgl. oben Anm.) und beschrnke mich auf solche Paragraphen, die in die Sammlung von Baumotte(vgl. oben Anm. ) aufgenommen worden sind.

    Ebd. (bei Baumotte auf S. ).

  • Kapitel I: Prolegomena

    struieren. Als Quelle fr das Leben Jesu kommen ausschlielich die vierEvangelisten in Frage, die Reimarus als Geschichtsschreiber sieht.

    Die Apostel hingegen sind nach Reimarus selbst Lehrer gewesen, ihnenliegt nicht die Lehre Jesu, sondern ihre eigene Lehre am Herzen, die siezu ihrer eigenen Bequemlichkeit erfanden. Reimarus hat also gute Grn-de, sich auf die Evangelien zu beschrnken; und dajenige, wa die Apoel frsi gelehret oder zum Zwe gehabt, will er daher nit mit hinein misen; indem die Apoelselb keine Gesitsreiber von der Lehre ihre Meier, sondern fr si Lehrer abgeben wollen

    . . . Das ist eine grundlegender Maxime, die fr die Rekonstruktiondes Lebens und der Lehre Jesu beraus wichtig ist.

    Das zweite Zwischenergebnis lautet also:Zweites Zwi-schenergebnis

    Die Lehre Jesu und die Lehreder Apostel (da neue Syema der Apoel) sind strikt voneinander zu unter-scheiden. Der Zwe Jesu und der Zwe der Apostel sind grundverschieden!

    Ganz wie ein heutiger Historiker versucht Reimarus, Jesus in seinemjdischen Rahmen zu verstehen. Seine diesbezgliche Maxime lautet: Ue-brigen war er ein gebohrner Jude und wollte e au bleiben: er bezeuget er sey nit kommen

    da Gese abzusaen, sondern zu erfllen: er weiset nur, da da hauptslie im Gesee

    nit auf die uerlien Dinge ankme. Hier beruft sich Reimarus auf die Berg-predigt, die er als kennzeichnend fr Jesus und sein Gesetzesverstndnisbetrachtet. In bezug auf das Gesetzesverstndnis Jesu bezieht sich Rei-marus auf Mt ,. Fr ihn gilt: Die Bergpredigt ist von Jesus, wh-rend wir heute etwas vorsichtiger urteilen und zunchst feststellen: DieBergpredigt ist von Matthus.

    Jesus verkndigt nach Reimarus, das Himmelreich sei nahe herbeige-kommen; fr die Menschen komme es darauf an, darauf vorbereitet zusein. Wenn e demna heiet, da Himmelrei i nahe herbeygekommen, so hat e den Ver-and: der Meia wird si bald oenbahren und sein Rei anfangen. Wenn e heiet: glubet

    an da Evangelium, so i e eben so viel gesagt, al: glubet an die frhlige Bothsaft von

    der nahen Zukunft de Meia und seine Reie. Zu diesem jet nahen Reie de Meia

    sollten si die Leute vorbereiten und gesit maen, dur die Bekehrung, da i, dur eine

    Aenderung de Sinne und Gemthe, da sie vom Bsen und von der Neigung dazu ablieen,

    und si von Herzen zum Guten und zur Frmmigkeit lenkten.

    Jesus ist ein Jude und als solcher trgt er eine jdische Lehre vor: DerMessias wird sein Reich bald aufrichten, und darauf heit es vorbereitet

    Ebd. In der originalen Ausgabe (vgl. oben Anm. ) , bei Baumotte (vgl. Anm. ) auf

    S. f. Vgl. dazu die , bei Baumotte auf den Seiten . , bei Baumotte S. .

  • Die Erforschung des historischen Jesus

    sein. Am Gesetz hlt er im wesentlichen fest. Was er ber das messia-nische Reich sagt, bewegt sich voll und ganz in den Anschauungen deszeitgenssischen Judentums.

    So weit ist alles klar und einfach; aber nach dem Tod Jesu treten dieApostel auf den Plan und erfinden die Auferstehung, die Himmelfahrtund die Erwartung der erneuten Ankunft des erhhten Jesus auf Erden.Als erstes stehlen sie den Leichnam Jesu (ein festes Element der jdischenund heidnischen Polemik seit alter Zeit), dann behaupten sie, Jesus seiauferstanden: Die beiden Facta und Se, Chriu i von den Todten auferanden: undwird in den Wolken de Himmel binnen geseter Zeit wiederkommen zu seinem Reie, sind

    auer Streit die Grundsulen, worauf da Chrienthum und da neue Syema der Apoel

    gebauet i. I Chriu nit auferanden, so i unser Glaube eitel, wie Paulu selber sagt:

    und i oder wird er nit wiederkommen zur Vergeltung der Glubigen in seinem Reie, wie

    un versproen worden, so i der Glaube eben so unne al er fals i.

    * * *

    Wir machen einen weiteren Sprung und kommen von Reimarus zuAlbert Schweitzer (), von dessen wichtigem Buch zurGeschichte der Leben-Jesu-Forschung vorhin schon mehrfach die Redewar. In diesem Buch stellt er auch seinen eigenen Entwurf des LebensJesu vor. Dieser ist in seiner Habilitationsschrift von begrndet wor-den. Schweitzer kennzeichnet seine eigene Auffassung mit Die Lsungder konsequenten Eschatologie. Was ist damit nun gemeint?

    Im Gegensatz DiekonsequenteEschatologieAlbertSchweitzers

    zu der auf protestantischer Seite zu Beginn des . Jahr-hunderts herrschenden liberalen Theologie, reprsentiert etwa durchAdolf von Harnack, und ihrem Jesusbild zeichnet Albert Schweitzer ei-nen vllig andern Jesus, der durch und durch eschatologisch geprgt ist und das von Anfang an: Jesus ist durchdrungen von der Gewiheit, dadas Reich Gottes nahe ist, unmittelbar bevorsteht. Das Erlebnis bei derTaufe bedeutet den Anfangspunkt des Messianittsbewusstseins Jesu. Inder Gegend von Casarea Philippi offenbart er den Jngern sein Geheim-nis. Oeffentlich bekennt er sich erst vor dem Hohenpriester zu seiner

    , bei Baumotte S. . Albert Schweitzer: Das Messianitts- und Leidensgeheimnis. Eine Skizze des Le-

    bens Jesu, Das Abendmahl im Zusammenhang mit dem Leben Jesu und der Geschich-te des Urchristentums, Zweites Heft, Tbingen und Leipzig (Nachdr. Hildes-heim/Zrich/New York ).

    So die berschrift des einschlgigen Kapitels in der Geschichte der Leben-Jesu-Forschung seit der . Auflage von .

  • Kapitel I: Prolegomena

    Abbildung : Albert Schweitzer an der Orgel

  • Die Erforschung des historischen Jesus

    messianischen Wrde. Seiner Predigt vom Reiche Gottes liegt also dasMessianittsbewusstsein zwar zu Grunde. Bei den Zuhrern setzt er aberdie Kenntnis der Stellung, welche ihm zukommt, nicht voraus. Wirhaben also ein dreistufiges Schema: Zunchst wei nur Jesus selbst umseine Messianitt, und zwar seit seiner Taufe (Jesu Taufe durch Johannes:Mk ,). Sodann weiht er seine Jnger ein (Caesarea Philippi: Mk,; die berschrift: Petrusbekenntnis bei Caesarea Philippi patnicht zu der Interpretation der Perikope durch Albert Schweitzer!). AmSchlu steht das ffentliche Bekenntnis vor dem Hohen Rat (Mk ,).

    Freilich ist es eine sehr eigenartige Messiaswrde, die Albert Schweit-zer Jesus zuschreibt. Geht seine Auffassung doch dahin, dass niemanddurch Jesu Auftreten oder durch seine Reden jemals auf den Gedankenkommen konnte, er halte sich fr den Messias. Die Frage dreht sich nichtdarum, wie die Leute seine Messianitt ignorieren konnten, sondern wo-her Petrus zu Csarea Philippi und der Hohepriester in der Gerichtssceneim Besitz des Geheimnisses Jesu sind.

    Noch komplizierter wird das Bild, wenn wir uns klarmachen, da Je-sus noch gar nicht der Messias ist: Jesu Messianitt war ein Geheimnisnicht nur, weil er davon zu sprechen verboten hatte, sondern auch we-gen ihrer besonderen Art, sofern sie erst in einem bestimmten Zeitraum realwurde. Es handelt sich um eine nur in seinem Selbstbewusstsein vollzieh-bare Vorstellung. Darum konnte und brauchte das Volk nicht darum zuwissen. Es gengte, dass sein Wort und seine Zeichen sie zum Glaubenan die Nhe des Reiches bekehrten, denn mit dem Anbruch des Reicheswurde ihnen auch seine Messianitt offenbar. Seine Messianitt ist al-so, in der Sprache unserer Tage formuliert, vorerst eine virtuelle realwird sie erst mit dem Anbruch des Reiches Gottes, der aber eben nochaussteht. Schweitzer selbst spricht diesbezglich von dem futurische[n]Charakter der Messianitt Jesu.

    Bezeichnenderweise findet sich diese modern anmutende Charakteri-sierung virtuell schon bei Schweitzer selbst: Es ist fast unmglich, dasMessianittsbewusstsein, wie es Jesus seinen Jngern als Geheimnis of-fenbarte, in moderne Begriffe zu fassen. Mag man es als eine Identitt

    Albert Schweitzer, a.[Anm. ]a.O., S. . Albert Schweitzer, a.a.O., S. . Albert Schweitzer, a.a.O., S. ; die kursiv gesetzte Passage im Original gesperrt

    gedruckt. Ebd.

  • Kapitel I: Prolegomena

    zwischen ihm und dem erscheinenden Menschensohn beschreiben, magman es als eine Kontinuitt, die beide Persnlichkeiten verbindet, auf-fassen, oder mag man es sich als ein virtuelles Vorhandensein der Mes-sianitt denken: keine von diesen modernen Anschauungen kann dasmessianische Selbstbewusstsein Jesu, wie es die Jnger verstanden, wieder-geben.

    Dieser Rekonstruktion fgen sich auch die sogenannten Leidensweis-sagungen Jesu (Mk ,; ,; ,) ein. Nach Schweitzer ist hiernicht vom Osterereignis die Rede, sondern von der allgemeinen Auf-erstehung zu Beginn des messianischen Zeitalters. Bei dieser allgemei-nen Totenauferstehung wird Jesus als Menschensohn eingesetzt, der aufden Wolken des Himmels kommt, um die messianische Zeit einzuluten.Das Drama in seinem Leben beruht nicht darin, dass seine Messianittder gewhnlichen Erwartung entgegenlief und daraus sich nun Konflikteergaben, die seinen Tod herbeifhrten. Das ist erst die Anschauung desvierten Evangeliums. Der historische Jesus beanspruchte die Messianitt erstvom Augenblick der Totenauferstehung an.

    Was den Proze Jesu vor dem Hohen Rat angeht, den Markus in Ka-pitel schildert, so kommt dem Verrter Judas in der RekonstruktionAlbert Schweitzers eine zentrale Rolle zu: Der Hohepriester hat keinenGrund, Jesus zu verurteilen, denn Jesus hat ihm, so Schweitzer, Zeit sei-nes Lebens einen solchen nicht geliefert. Nur weil Judas verraten hatte,da Jesus sich fr den Messias hielt, konnte der Hohepriester ttig werden.Dafr Zeugen zu benennen und zu verhren, war der Hohepriester aller-dings nicht in der Lage, da die Messianitt Jesu vor den Auenstehendenja stets geheimgehalten worden war. Daher blieb ihm nichts anderes b-rig, als Jesus direkt zu fragen: Bist Du der Christos (= Messias), derSohn des Hochgelobten? Nur Jesus selbst ist in der Lage, darauf ei-ne besttigende Antwort zu geben: Ich bin es, und ihr werdet sehenden Menschensohn sitzen zur Rechten der Kraft und kommen auf denWolken des Himmels.

    Albert Schweitzer, a.[Anm. ]a.O., S. ; die kursiv gesetzte Passage im Originalgesperrt gedruckt; die Kursivierung des Wortes virtuelles stammt von mir.

    Albert Schweitzer, a.a.O., S. ; die kursiv gesetzte Passage im Original gesperrtgedruckt.

    Vgl. Albert Schweitzer, a.a.O., S. . Mk ,c: , ; Mk ,: ,

    .

  • Die Erforschung des historischen Jesus

    Zusammenfassend sagt Schweitzer: Wir haben also drei Offenbarun-gen des Messianittsgeheimnisses, die unter sich eng zusammenhngen,so, dass jede folgende die vorhergehende voraussetzt. Auf dem Berg beiBethsaida [gemeint ist Mk ,] wird den drei Intimen das Geheimnisoffenbart, welches Jesus in der Taufe [Mk ,] aufgegangen war. Daswar nach der Erntezeit. Einige Wochen spter wird es den Zwlfen be-kannt, indem Petrus zu Csarea Philippi die Frage Jesu aus dem, was ervom Verklrungsberg her weiss, beantwortet [Mk ,]. Von denZwlfen verrt einer das Geheimnis an den Hohenpriester. Diese letzteOffenbarung des Geheimnisses war verhngnisvoll, denn sie fhrte denTod Jesu herbei. Er wurde als Messias verurteilt, obwohl er nie als solcheraufgetreten war.

    Mit dem Entwurf Schweitzers schliet Von Reimarusbis Schweitzer:Die erste Phaseder Leben-Jesu-Forschung

    die erste Phase der Erforschungdes Lebens Jesu. Wir korrigieren den Untertitel seines bemhmten Wer-kes und lassen diese nicht von Reimarus bis Wrede, sondern von Reima-rus bis Schweitzer reichen.

    * * *

    Vom Anfang bis in die Mitte des . Jahrhunderts trat dann minde-stens in Deutschland eine lngere Pause in der Jesusforschung ein,da weder die dialektische Theologie noch die Schule Rudolf Bultmannsan der Person Jesu interessiert war. Insbesondere fr die Theologie seiJesus ohne Bedeutung, wie in klassischer Weise Rudolf Bultmann for-muliert hat. Er beginnt seine Theologie des Neuen Testaments mitVorbemerkungen, deren erster Satz Berhmtheit erlangt hat: Die Ver-kndigung Jesu gehrt zu den Voraussetzungen der Theologie des NTund ist nicht ein Teil dieser selbst.

    Dieser Bultmannschen These wurde in den fnfziger Jahren Die zweitePhase der Leben-Jesu-Forschung

    insbeson-dere von seinen eigenen Schlern widersprochen, die die zweite Phaseder Leben-Jesu-Forschung einleiteten. In dieser Phase erschien dann

    Schweitzer ordnet die Reihenfolge der historischen Ereignisse derart um, da Mk, nach Mk , geschehen sei, vgl. a.[Anm. ]a.O., S. .

    Albert Schweitzer, a.a.O., S. . Rudolf Bultmann: Theologie des Neuen Testaments, ., durchgesehene, um Vor-

    wort und Nachtrge erweiterte Auflage, hg.v. Otto Merk, UTB , Tbingen ,S. .

    Zu nennen sind hier verschiedene Aufstze von Ernst Ksemann, die zum groenTeil in seiner Aufsatzsammlung Exegetische Versuche und Besinnungen wieder abge-druckt sind; ich nenne als Beispiel: Ernst Ksemann: Das Problem des historischen Jesus,

  • Kapitel I: Prolegomena

    eine wahre Flut von Jesusbchern, die ich hier nicht einmal ausschnitts-weise nennen kann. Ich weise Sie nur hin auf einen letzten Hhepunktin den er Jahren, das Jesus-Buch von Jrgen Becker.

    Darauf folgt dann schlielich die dritte PhaseDie dritte Phaseder Leben-Jesu-

    Forschung

    , die vor allem im an-gelschsischen Sprachraum zuhause ist, insbesondere in den USA, wieman schon an dem auch bei uns gngigen Etikett third quest erkennenkann, ein dritter Anlauf, dem historischen Jesus auf die Spur zu kom-men.

    Ich nahm in den er Jahren diese neue Richtung erstmals wahr, alsich ein Buch von Birger A. Pearson zu rezensieren hatte. Darin fandsich ein Aufsatz ber das sogenannte Jesus Seminar in den USA. Die-se Studie Pearsons befate sich sehr kritisch mit dem amerikanischenSammelwerk The Five Gospels, das zu einer Art Bestseller wurde unddas Sie in unserer Bibliothek in all seiner Farbenpracht bewundern kn-nen. In Deutschland wandelte Gerd Ldemann auf diesen Spuren.

    Bei ihm findet sich dieselbe mathematische Sicherheit, die auch die ge-nannten amerikanischen Kollegen auszeichnet. Besonders liebenswert istdie immer wieder zur Schau gestellte Attitde, allen, insbesondere na-trlich den Zunftgenossen, zu zeigen, wos langgeht (bisher haben sichanscheinend nur Ignoranten auf diesem Feld getummelt . . . ): Was Jesuswirklich sagte und tat, das hat nach nahezu Jahren eben erstmalsGerd Ldemann herausgefunden.

    * * *

    ZThK (), S. , jetzt in EVB I sowie das zu einem Klassiker gewor-dene Jesusbuch von Gnther Bornkamm (Gnther Bornkamm: Jesus von Nazareth, UB, Stuttgart ; . Aufl. ; die Zahl der Auflagen weist auf die weite Verbreitungdieses Buches im deutschen Sprachraum).

    Jrgen Becker: Jesus von Nazaret, Berlin/New York . Birger A. Pearson: The Gospel according to the Jesus Seminar. On Some Recent

    Trends in Gospel Research, ein Aufsatz, der in dem Sammelband Pearsons mit demTitel The Emergence of the Christian Religion. Essays on Early Christianity, Harris-burg (S. ) enthalten war, den ich damals in Greifswald fr die TheologischeLiteraturzeitung rezensierte (Peter Pilhofer: Rez. Birger A. Pearson: The Emergence ofChristian Religion, ThLZ [], Sp. ).

    Robert W. Funk/Roy W. Hoover/The Jesus Seminar: The Five Gospels: The Searchfor the Authentic Words of Jesus, New York .

    Vgl. etwa Gerd Ldemann: Jesus nach Jahren: Was er wirklich sagte und tat,mit Beitrgen von Frank Schleritt und Martina Janssen, Lneburg (brigens einBand mit Seiten wer mag den lesen?).

  • Die Erforschung des historischen Jesus

    Wir beschlieen unsern Durchgang durch die Geschichte Gerd Theien:Der Schattendes Galilers

    der Leben-Jesu-Forschung mit Gerd Theien, dessen einschlgige Studien

    Ende des . Jahrhunderts fast so etwas wie eine Monopolstellung er-reicht hatten. Besondere Berhmtheit erlangte sein Jesus-Roman, denwir uns etwas genauer ansehen wollen. Es handelt sich hier um einenBestseller, von dem allein in der deutschen Fassung in Jahren mehr als Exemplare verkauft worden sind. Das ist fr ein theologischesBuch ziemlich einmalig. Bereits im ersten Jahr wurden in drei Anlufen Exemplare dieses Buches gedruckt. In der . Auflage von heit es dann: .. T[au]s[en]d. Dabei gilt es zu bedenken, da seiteinigen Jahren eine als Sonderausgabe firmierende Taschenbuchausga-be noch zustzlich verkauft wird.

    Es wird schwerlich einen Neutestamentler geben, der mehr Exemplareeines Buches abgesetzt hat als Theien. Er wurde promoviert undhabilitierte sich ; von bis war er an der Universitt BonnPrivatdozent. wurde er Professor fr Neues Testament in Kopenha-gen (was auch in unserm Roman seine Spuren hinterlassen hat, vgl. etwadie Bemerkungen auf S. ). Seit ist Theien Professor fr NeuesTestament in Heidelberg. Allein seine Bcher vorzustellen, wrde denzeitlichen Rahmen dieser Sitzung bei weitem sprengen.

    Wer das Buch Theiens von vorn bis hinten durchliest, wird zunchstber Herrn Kratzinger stolpern. Der sehr geehrte Herr Kollege Kratz-inger ist der fiktive Empfnger von nicht weniger als Briefen, dieeine Art Rckgrat dieses Buches bilden. Der erste Brief ersetzt ein Vor-wort (S. ), der letzte Brief steht fr ein Nachwort (S. ); da-zwischen wird jedes der Kapitel mit einem dieser Kratzinger-Briefebeendet. Dieses Verfahren bietet dem Verfasser die Mglichkeit, die Er-zhlebene zu verlassen, um einen Standpunkt auerhalb bzw. oberhalbeinzunehmen. Gemeinsam mit seinem Freund Kratzinger, dessen Ein-wnde die Briefe aufnehmen, ohne sie im einzelnen zu zitieren, kannder Autor so seine Darstellung diskutieren und begrnden. Damit istTheien als Schriftsteller in einer wesentlich komfortableren Lage als dieneutestamentlichen Evangelisten, die eine solche Mglichkeit nicht hat-ten.

    Gerd Theien: Der Schatten des Galilers. Historische Jesusforschung in erzhlen-der Form, Mnchen .

    Eine Bibliographie existiert unter www.theologie.uni-hd.de/personalpages/theissen.html im pdf-Format.

  • Kapitel I: Prolegomena

    Allerdings lt die fiktive Figur des Herrn Kratzinger an Kohrenz zuwnschen brig: Zunchst und auch spter erscheint Kratzinger als Kol-lege Theiens, d.h. ein Hochschullehrer schreibt hier an einen andern.Da fingiert wird, da Kratzinger gerade ein Seminar ber Johannes denTufer gehalten hat (S. ), mu er entweder Althistoriker oder was n-her liegt selbst auch Neutestamentler sein. Letzterer Eindruck verstrktsich, wenn eines Treffens auf der jngsten Neutestamentlertagung ge-dacht wird (S. ). An andern Stellen jedoch erscheint Kratzinger ganzund gar nicht als Profi, sondern er wird von Theien wie ein Laie be-lehrt; Kratzinger erweckt dann den Eindruck, als wre er ein bodenloserIgnorant (vgl. etwa S. oder S. ). So lt Theien ihn etwasagen: Jesus hat keine christliche Gemeinde grnden wollen, er wollteIsrael erneuern. Wer seine Worte nur auf die Kirche bezieht, verkennt,da sie einmal an die gesamte jdisch-palstinische Gesellschaft gerich-tet waren. Das ist nun wirklich ein Ladenhter, den Theien keinemrealen Kollegen zuschreiben knnte, sei er aus der Philosophischen oderTheologischen Fakultt. Darber gibt es in den letzten beiden Genera-tionen unter den Sachkennern keinerlei Differenz mehr, das versteht sichvon selbst. D.h.: So knnte Theien nicht an einen heutigen Kollegenschreiben. Der gute Kratzinger wre ein unvorstellbarer Ignorant. DieseUnstimmigkeit im Bild Kratzingers htte sich ohne groe Mhe vermei-den lassen.

    Neben den Kratzinger-Briefen nutzt Theien noch eine weitere Mg-lichkeit, um seine Erzhlung zu verlassen und seine Geschichte abzu-sichern: die Anmerkungen. Eine Erzhlung weist normalerweise ja garkeine Anmerkungen auf, von wissenschaftlichen Belegen ganz zu schwei-gen. Diese Anmerkungen bieten eine Flle von interessanten und wei-terfhrenden Belegen, die all denen, die sich genauer mit den Sachfragenauseinandersetzen wollen, einen leichten Einstieg ermglichen.

    Gerd Theien, a.a.O., S. . Ein zweites Beispiel dafr findet sich in dem zwlften Brief an Kratzinger in der

    sehr allgemein gehaltenen Belehrung ber die Phariser (S. ); diese richtet sichersichtlich an unwissende Leser, ist im Falle des Kollegen aber ganz und gar unvorstell-bar.

    Vgl. dazu die uerungen Theiens in dem Kratzinger-Brief Nummer auf S. . Theien charakterisiert die Funktion der Anmerkungen in dem . Kratzinger-

    Brief dahingehend, da sein fiktiver Andreas kein Wissenschaftler [ist]. Dazu mteer Rechenschaft ber sein methodisches Vorgehen ablegen (was ich in diesen Briefentue); ferner mte er Behauptungen durch Angaben ffentlich zugnglicher Quellenberprfbar machen (was in den Anmerkungen geschieht).

  • Die Erforschung des historischen Jesus

    Die wichtigste Figur auf der Erzhlebene ist Andreas, der Ich-Erzhler,eine der Theienschen Phantasie entsprungene fiktive Gestalt. Andreasist Obst- und Getreidehndler und stammt aus der Stadt Sepphoris ganzin der Nhe von Nazareth. Er ist der wichtigste Mann in TheiensBuch, ist er doch der Ich-Erzhler, der die gesamte Geschichte erzhlt.D.h. wenn wir von den Kratzinger-Stcken absehen, haben wir durch-weg mit Andreas zu tun, dem wir die gesamte Geschichte verdanken.Meist tritt er zusammen mit seinen beiden Gehilfen Timon und Mal-chos auf.

    Bei einer Demonstration in Jerusalem hier fhrt Theien auch gleichden aus der Passionsgeschichte bekannten Barabbas ein wird er ver-haftet und von den Rmern erpret, einen Bericht ber die religiseStimmung im Volke zu liefern. Dieser Bericht ist fr Pilatus persn-lich bestimmt ihn kennen wir ebenfalls aus der Passionsgeschichte.

    Ein ebenfalls fiktiver Mitarbeiter des Pilatus spezifiziert den Auftrag da-hingehend, da Andreas zunchst Informationen ber die Essener sam-meln soll. Das folgende Objekt seiner Forschung soll dann Johannesder Tufer sein; speziell die Anhnger des Tufers sind zu untersuchen.Damit nhern wir uns langsam unserm Ziel Jesus.

    Andreas wendet sich erst den Essenern zu. Die Hinrichtung des Tu-fers durch Herodes Antipas bringt dann etwas Bewegung in seine Ge-schichte. Andreas besucht in Jericho einen Mann namens Chuza, den wiraus Luk , kennen: Hier nmlich begegnet eine Dame namens Johan-na, die Frau des Chuza, des Verwalters des Herodes Antipas; mit diesenbeiden aus Lukas bekannten Figuren also trifft sich Andreas in Jericho.Dieses Ehepaar spielt fr die folgende Geschichte eine zentrale Rolle:Viele Informationen, die Andreas ber Jesus sammelt, stammen nmlichvon diesen beiden, insbesondere natrlich von Johanna, der Sympathi-santin Jesu, die ihn regelmig materiell untersttzt. Im Gesprch mitdiesem Paar fllt dann auch erstmals der Name Jesus von Nazareth.

    Gerd Theien, a.a.O., S. . Vgl. erstmals S. . Ebd. S. . S. . Mit den Essenern werden wir uns im zweiten Kapitel dieser Vorlesung be-

    fassen. S. .

  • Kapitel I: Prolegomena

    Im folgenden Kapitel wird der Auftrag des Andreas seitens der R-mer przisiert bzw. erweitert: Du sollst herausbringen, ob dieser Jesusein Sicherheitsrisiko fr den Staat ist und ob er Verbindung zu den Wi-derstandskmpfern hat. Damit ist der weitere Gang der Dinge vor-gezeichnet: Andreas macht sich ab sofort auf, um den Spuren Jesu zufolgen. Dabei bekommt er ihn selbst nie zu Gesicht. Er hrt nur, wasandere ber ihn erzhlen. Erst den Gekreuzigten wird Andreas von fernesehen: Ich schaute von fern auf das Kreuz, an dem Jesus hing. Es wardas Kreuz in der Mitte. Links und rechts von ihm hingen die beiden ver-urteilten Zeloten. Vielleicht waren es zwei der jungen Leute, die wir inden Hhlen von Arbela getroffen hatten? . . . Wir standen im Schattendes Galilers. Wir sprten: Diese Menschen waren keine Verbrecher.

    Das Bild, das Andreas von Jesus in den Kapiteln bis Schritt frSchritt zusammenfgt, ergibt dann den Theienschen Jesus; diesen wol-len wir abschlieend kurz skizzieren. Zunchst noch eine Bemerkung zuder Frage der Methode. Wir werden in dieser Vorlesung diese Frage derMethodeTheien lehnt

    das sogenannteUnableitbarkeits-

    kriterium ab

    erst in dem dritten Paragraphen in der nchsten oder bernch-sten Woche diskutieren. Dennoch sei schon an dieser Stelle notiert, daTheien das Differenz- bzw. Unableitbarkeitskriterium aus zwei Grn-den ablehnt; dieses Kriterium war fr die zweite Phase der Leben-Jesu-Forschung von zentraler Bedeutung. Theien jedoch lehnt es ab, zumeinen wegen der Verleugnung der jdischen Wurzeln Jesu, zum anderenwegen der verkappten Dogmatik. Diese Ablehnung erstreckt sich beiGerd Theien jedoch nicht auf das Kohrenzkriterium. Wir werdendarauf im des genaueren zurckkommen.

    Was nun die Lehre Jesu angeht, so zitiert Johanna, die wir vorhin ken-nengelernt haben, aus Jesu Mund den Ausspruch Mk ,:

    Wer seine Frau entlt und eine andere heiratet,begeht Ehebruch gegen seine Frau.Und ebenso begeht eine Frau,die ihren Mann entlt und einen anderen heiratet,Ehebruch.

    S. . S. . Hier erscheint der Titel des Buches im Mund des Ich-Erzhlers: Wir stan-

    den im Schatten des Galilers. Ganz trifft das nicht zu, denn Andreas steht auf derStadtmauer, da kann das mit dem Schatten allenfalls im bertragenen Sinn klappen.

    S. . S. .

  • Die Erforschung des historischen Jesus

    Das ist insofern berraschend, als der zweite Teil dieser Aussage in derRegel Jesus abgesprochen wird, da er nicht auf dem Hintergrund des j-dischen Rechts denkbar ist das einer Frau das Recht der Ehescheidungverweigert , sondern nur auf dem des rmischen Rechts.

    In der sich anschlieenden Diskussion zwischen Andreas, Johanna undChuza wird diese Position Jesu als noch radikaler als die des Johan-nes des Tufers charakterisiert. Der bestand nur auf der Einhaltung derberkommenen Gesetze. Sein Schler aber will die Gesetze ndern, dazunoch in unrealistischer Weise. Denn das geht ja ganz an der Wirklichkeitvorbei, Ehescheidungen zu verbieten.

    Man kann bezweifeln, da die Botschaft des Tufers von der Haltunggeprgt war, auf die Einhaltung der berkommenen Gesetze zu drin-gen; nach meinem Urteil wird die Position des Tufers damit in groberWeise verzeichnet. Ob Jesus daran liegt, die Gesetze zu ndern, werdenwir in dem einschlgigen Paragraphen diskutieren, der die Stellung Jesuzum Gesetz behandelt.

    Als zweites Beispiel betrachten wir die Haltung Jesu zu der Frage nachder Reinheit, die fr die jdischen Zeitgenossen von grundlegender Be-deutung war. Hier wird die Auffassung Jesu aus Mk , zitiert:

    Nichts was von auen in den Menschen hereinkommt,kann den Menschen verunreinigen.Sondern was aus dem Menschen herauskommt,das verunreinigt den Menschen.

    Im folgenden Gesprch wird diese Auffassung Jesu dahingehend inter-pretiert, da es keinen Unterschied zwischen rein und unrein gibt.

    Einer der Gespchspartner przisiert das wie folgt: Wenn er recht htte,gbe es keine unreinen Speisen mehr, keine unreinen Menschen, keineunreinen Orte. Alles wre rein. Man knnte alles von Heiden kaufenund alles an Heiden verkaufen.

    S. . Vgl. dazu einstweilen meine Skizze in: Peter Pilhofer: Das Neue Testament und

    seine Welt. Eine Einfhrung, UTB , Tbingen , S. . Eine Quelle fr dieTheiensche Behauptung, der Tufer htte nur auf der Einhaltung der berkommenenGesetze bestanden, kenne ich nicht.

    S. . Ebd. Fr die Interpretation dieses Jesuswortes ist grundlegend: Helmut Merkel:

    Markus , das Jesuswort ber die innere Verunreinigung, ZRGG (), S. .

    Ebd.

  • Kapitel I: Prolegomena

    Hier wird ein wichtiger Punkt der Lehre Jesu interpretiert: Jesus hatdie Unterscheidung von Rein und Unrein kategorisch abgelehnt. Wirwerden darauf im Verlauf dieser Vorlesung noch genauer zu sprechenkommen.

    (. Auflage, erweitert und korrigiert, . IV. um . Uhr)