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Kartellgesetzrevision 64. Gewerbliche Winterkonferenz in Klosters, 16. – 18. Januar 2013 Prof. Dr. iur. Dr. rer. pol. h.c. Carl Baudenbacher Präsident des EFTA-Gerichtshofs Ordinarius an der Universität St. Gallen HSG

Kartellgesetzrevision 64. Gewerbliche Winterkonferenz in Klosters, 16. – 18. Januar 2013

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Prof. Dr. iur. Dr. rer. pol. h.c. Carl Baudenbacher Präsident des EFTA- Gerichtshofs Ordinarius an der Universität St. Gallen HSG. Kartellgesetzrevision 64. Gewerbliche Winterkonferenz in Klosters, 16. – 18. Januar 2013. I. Institutionen und Verfahren im geltenden Recht. - PowerPoint PPT Presentation

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Kartellgesetzrevision  

64. Gewerbliche Winterkonferenz in Klosters, 16. – 18. Januar 2013

Prof. Dr. iur. Dr. rer. pol. h.c. Carl BaudenbacherPräsident des EFTA-Gerichtshofs

Ordinarius an der Universität St. Gallen HSG

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1. Allgemeines

Wie fast alle Wettbewerbsbehörden der Welt (und wie die FINMA) hat die WEKO seit 1995 Untersuchungs- und Entscheidungskompetenz mit nachfolgender Kon-trollmöglichkeit durch das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesgericht.

 Die fehlende Möglichkeit der direkten

Sanktionierung unzulässiger Wettbewerbsbeschränkungen wurde 2003 behoben.

Gleichzeitig wurde eine Bonus-Regelung eingeführt.

I. Institutionen und Verfahren im geltenden Recht

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2. Zusammensetzung der WEKO

Nach Art. 18 KG besteht die WEKO aus 11 bis 15 nebenamtlichen Mitgliedern, deren Mehrheit „unabhängige Sachverständige“ sein müssen.

 Der WEKO gehören 7 Hochschullehrer[innen] der

Rechts- und Wirtschaftswissenschaften und je ein Vertreter von economiesuisse, des Bauernverbandes, des Gewerbeverbandes, des Gewerkschaftsbundes und der Konsumentenorganisationen an (12 Mitglieder).

 In der Aufgabenzuteilung WEKO-Sekretariat gibt

es Unzulänglichkeiten.

I. Institutionen und Verfahren im geltenden Recht

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1. Kartelle und Machtmissbrauch

Der Gesetzgeber war nicht bereit, ein Kartellverbot zu erlassen. Es wurde eine Vermutung geschaffen, wonach sog. harte Kartelle (betreffend Preise, Mengen, Kunden und Gebiete) den wirksamen Wettbewerb beseitigten. Die Beteiligten müssen dann beweisen, dass wirksamer Wettbewerb trotzdem weiterbesteht.

Seit 2003 bezieht sich die Vermutung auch auf vertikale Abreden über Mindest- oder Festpreise und über die Errichtung eines absoluten Gebietsschutzes.

In der Praxis kann die Vermutung allerdings praktisch immer widerlegt werden.

II. Materielles geltendes Recht

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1. Kartelle und Machtmissbrauch

Wenn eine Abrede den Wettbewerb in erheblicher Weise beschränkt, was aufgrund qualitativer und quantitativer Kriterien festzustellen ist, so kann sie aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt werden. Unerhebliche Abreden sind zulässig. Das heisst: Die WEKO muss die schädlichen Wirkungen des Kartells beweisen. Das KG fusst auf einem wirkungsbasierten Ansatz (effects-based approach). Nach Art. 7 KG ist der Missbrauch einer markt-beherrschenden Stellung unzulässig. Diesbezüglich hat die Evaluation keinen Revisionsbedarf festgestellt (aber vgl. unten).

II. Materielles geltendes Recht

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2. Fusionskontrolle Der Test der Fusionskontrolle ist weitmaschig. Nach Art. 10(2) KG kann die WEKO einen Zusammenschluss untersagen oder ihn mit Bedingungen und Auflagen zulassen, wenn die Prüfung ergibt, dass er: a. eine marktbeherrschende Stellung, durch die wirksamer Wettbewerb beseitigt werden kann, begründet oder verstärkt; und b. keine Verbesserung der Wettbewerbsverhältnisse in einem anderen Markt bewirkt, welche die Nachteile der marktbeherrschenden Stellung überwiegt.

II. Materielles geltendes Recht

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1. Institutionen Die KG-Evaluation der Jahre 2008/2009 gelangte zum Ergebnis, dass die WEKO zu verkleinern und zu professionalisieren sei, wobei die Verbandsvertreter auszuscheiden hätten.  In seinem Bericht vom 25. März 2009 übernahm der Bundesrat diese Schlussfolgerung und wollte Alternativen prüfen, „bei denen die Erfahrungen der Wirtschaft in der Kommission berücksichtigt werden können und gleichzeitig die inhärenten Konflikte in Sachen Unabhängigkeit unter Berücksichtigung der rechtsstaatlichen Prinzipien gelöst werden.” (9.)

III. KG-Evaluation und Schlussfolgerungen des Bundesrates

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2. Vertikalbeschränkungen Der Bundesrat teilte im Grundsatz die Auffassung der Evaluation, wonach vertikale Abreden differenzierter beurteilt werden sollten und schlug in der Folge zwei Varianten zur Behandlung vertikaler Abreden vor, die auf eine Einzelfallbeurteilung oder auf die Einführung sicherer Häfen bei nur geringen Marktanteilen und bei EWR-Kompatibilität einer Abrede abzielten.

Das war für KMU von besonderer Bedeutung.

III. KG-Evaluation und Schlussfolgerungen des Bundesrates

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3. Fusionskontrolle Die Evaluationsgruppe machte einen gewissen Handlungsbedarf aus, und der Bundesrat war von Anfang an gewillt, den Empfehlungen zu folgen (Bericht vom 25. März 2009, 9).  Nach dem Entwurf vom Februar 2012 sollen Zusammenschlüsse, die zumindest die Schweiz und den EWR einschliessen oder noch grössere Märkte betreffen, in der Schweiz stark vereinfacht behandelt werden, da sie ohnehin bereits von den EU-Instanzen beurteilt werden (Art. 9[1]bis E).

III. KG-Evaluation und Schlussfolgerungen des Bundesrates

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3. Fusionskontrolle Beurteilungskriterium soll neu der in der EU und in den meisten modernen Industrienationen angewendete SIEC-Test sein. SIEC steht für „Significant Impediment to Effective Competition.“  Nach Art. 10(2) E kann ist entscheidend, ob die Prüfung ergibt, dass der Zusammenschluss a. den wirksamen Wettbewerb erheblich behindert; und b. Keine Effizienzvorteile für die Nachfrager bewirkt, welche die Nachteile der erheblichen Behinderung des Wettbewerbs ausgleichen.

Das liegt ganz allgemein auch im Interesse der KMU.

III. KG-Evaluation und Schlussfolgerungen des Bundesrates

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4. Private enforcement Die Evaluationsgruppe schlug vor, das Instrumentarium zur zivilrechtlichen Durchsetzung des Kartellrechtes zu verstärken.

Im Bericht vom 25. März 2009 stellte der Bundesrat eine Stärkung des Kartellzivilrechts in Aussicht (12). Der Entwurf vom Februar 2012 enthält allerdings nur wenig, was die private Klagetätigkeit anreizen dürfte.

III. KG-Evaluation und Schlussfolgerungen des Bundesrates

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1. Allgemeines Nach der Evaluation und dem Bericht des Bundesrates vom 25. März 2009 sah es so aus, als seien im KG einige Feinjustierungen angezeigt, aber keine grösseren Veränderungen.  Der Begriff des Justierens kommt vom Schiessen. Das ist den Söhnen und Töchtern Tell’s geläufig.

Aber während man in der Schweiz normalerweise die Stellungen liegend, kniend und stehend kennt, setzte der Gesetzgeber, wie im Wilden Westen, auf die Technik des Hüftschusses.

IV. Zeitalter des Aktivismus

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IV. Zeitalter des Aktivismus

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2. Motion Schweiger Schon vor der Evaluation wurde ein Vorstoss gemacht, der mit der Schweiz gar nichts zu tun hatten (Hintergrund: Kartellbusse von EURO 144 Mio durch die Europäische Kommission an einen schweizerischen Aufzugshersteller vom 21. Februar 2007).

Motion von 20. Dezember 2007: Unternehmen, welche ein hohen Anforderungen genügendes Compliance-programm betreiben, können mit einer reduzierten bzw. mit keiner Verwaltungssanktion belegt werden.

Gleichzeitig sollten Strafsanktionen für natürliche Personen im Fall ihrer aktiven Beteiligung an Kartellabsprachen im KG verankert werden.

IV. Zeitalter des Aktivismus

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2. Motion Schweiger Art. 49a(2) E lautet:  „Vorkehrungen zur Verhinderung von Verstössen gegen das Kartellgesetz, die das Unternehmen getroffen hat und die seiner Grösse, Geschäftstätigkeit und der Branche angemessen sind, sind sanktionsmindernd zu berücksichtigen, wenn sie vom Unternehmen nach-gewiesen werden.“ Nach der Botschaft ist die Kartellrente in jedem Fall, soweit bestimmbar, abzuschöpfen. Von der Einführung von Strafsanktionen für natürliche Personen will der Bundesrat absehen.

IV. Zeitalter des Aktivismus

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3. Systemwechsel bei den Institutionen Bundesrat im Frühjahr 2010: Revolutionärer Wechsel hin zu einem Klage- oder Antragssystem.

Verbandsvertreter waren nicht bereit, das Feld zu räumen. Bundesverwaltung setzte Dreiergremium ein, bestehend aus dem federführenden Direktor im SECO, dem Direktor des Sekretariats der WEKO und einem Hochschullehrer.

Das Gremium tagte hinter verschlossenen Türen. Im Herbst 2009 schlug es den Systemwechsel vor.

Die Idee war in einem Papier von economiesuisse vom 16. März 2009 ins Spiel gebracht worden.

IV. Zeitalter ders Aktivismus

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3. Systemwechsel bei den Institutionen Trotz massiver Kritik von Wissenschaft und politischen Parteien schlug der Bundesrat in seinem Entwurf vom Februar 2012 den radikalen Systemwechsel vor.

Das bisherige Sekretariat soll in eine Wettbe-werbsbehörde umgewandelt werden, welche Kartell- und Missbrauchsfälle untersucht und Antrag an das Bundesverwaltungsgericht stellt, das entscheidet.

BverwG als Wettbewerbsgericht des Bundes.  

Rechtsvergleichenden Analyse wurde nicht gemacht.

IV. Zeitalter des Aktivismus

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4. Teilkartellverbot

Im Zug der Debatte um die Folgen der Frankenstärke kündigte der Bundesrat am 17. August 2011 an, ein Teilkartellverbot im Gesetz verankern zu wollen.

Horizontale Abreden über die Festsetzung von Preisen, die Einschränkung von Produktions-, Bezugs- oder Liefermengen, und die Aufteilung von Märkten sollen vorbehaltlich der Rechtfertigung aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz unzulässig sein. Dasselbe soll für vertikale Abreden über Mindest- oder Festpreise und die Zuweisung von Gebieten gelten, soweit Verkäufe in diese durch gebietsfremde Vertriebspartner ausgeschlossen werden (Art. 5[2] E).

IV. Zeitalter des Aktivismus

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4. Teilkartellverbot Von der Absicht, die Behandlung von Vertikal-beschränkungen zu liberalisieren, ist damit nicht viel übrig geblieben.

Die Botschaft weist lediglich darauf hin, dass ökonomische Überlegungen nach wie vor im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung berücksichtigt werden sollen, vorausgesetzt die Abrede steigert die wirtschaftliche Effizienz (15).

IV. Zeitalter des Aktivismus

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5. Motion Birrer-Heimo vom 30. September 2011  In das KG soll ein Artikel zu unzulässigen Preisdifferenzierungen aufgenommen werden. Unter-nehmen, die ihre Markenprodukte im Ausland zu tieferen Preisen vertreiben als in der Schweiz, sollen sich unzulässig verhalten, „wenn sie sich weigern, Unternehmen oder Konsumentinnen und Konsumenten aus der Schweiz über die im Ausland gelegenen Vertriebsstellen zu den dort geltenden Preisen und Geschäftsbedingungen zu beliefern, oder wenn sie Massnahmen treffen, um zu verhindern, dass Dritte auf Nachfrage hin in die Schweiz liefern können.“

WAK S hat sich am 15.1.2013 dagegen ausgesprochen.

IV. Zeitalter des Aktivismus

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V . Zurück zum ruhigen Zielen

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1. Organische Fortentwicklung der Institutionen a. Vorbemerkungen Die institutionelle Ausgestaltung des KG ist mindestens so wichtig wie das materielle Recht, wahrscheinlich noch wichtiger.

Die WAK S hat das Departement beauftragt, andere Lösungen zu prüfen und eine Gegenüberstellung der meist diskutierten Modelle vorzunehmen.

V . Zurück zum ruhigen Zielen

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1. Organische Fortentwicklung der Institutionen b. Negative Folgen eines Systemwechsels Der Systemwechsel bei den Instititutionen hätte

eine Schwächung der Kartellrechtsdurchsetzung zur Folge, mit 3 Konsequenzen: (1) Reputationsverlust in EU und EWR, den USA, den BRIC-Staaten und im ICN. (2) Gefahr, dass – materielles Recht hin oder her – nur unzulänglich gegen Kartellabsprachen vorgegangen werden kann, welche Schweizer Konsumenten schädigen. (3) Abschöpfung des Löwenanteils der Bussen bei Beteiligung von Schweizer Unternehmen an europäischen und internationalen Kartellen durch ausländische Kartellbehörden.

V. Zurück zum ruhigen Zielen

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1. Organische Fortentwicklung der Institutionen c. Argumente für Systemwechsel sind unhaltbar (1) Die Behauptung, der Wechsel sei wegen der

EMRK erforderlich, wurde in den Urteilen des EuMRGH Menarini (2011), des EFTA-Gerichtshofs Norwegische Post (2012) und des Bundesgerichts PubliGroupe (2012) widerlegt. Ein Administrativmodell ist mit der EMRK vereinbar, sofern das Recht auf ein faires Verfahren dadurch gewährleistet ist, dass ein unabhängiges Gericht in der Lage ist, die Entscheidung der Wettbewerbsbehörde hinsichtlich Tatsachen- und Rechtsfragen in jeder Beziehung zu überprüfen.

V. Zurück zum ruhigen Zielen

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1. Organische Fortentwicklung der Institutionen c. Argumente für Systemwechsel sind unhaltbar (2) Behauptung, Wechsel führe zur

Beschleunigung der Verfahren und damit zu grösserer Effizienz, entbehrt jeder empirischen Grundlage.

Verfahren in den europäischen Rechtsordungen mit Gerichtslösung sind ineffizient und dauern übermässig lange. In Österreich und in Belgien, die in der Botschaft zitiert werden, gibt es deswegen Überlegungen, zu einem Administrativsystem über-zugehen.

V. Zurück zum ruhigen Zielen

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1. Organische Fortentwicklung der Institutionen c. Argumente für Systemwechsel sind unhaltbar Jahresbericht AT Bundeswettbewerbsbehörde

2011:  „Zu konstatieren ist allerdings, dass die durch

Anträge der BWB ausgelösten Verfahren vor dem Kartellgericht sich oft über Jahre hinziehen, ohne dass für die überlange Verfahrensdauer in jedem Fall nach-vollziehbare Gründe auszumachen wären.“ (9.)

 Der Bericht nennt Fälle, die 2004, 2007 und 2009

anhängig gemacht wurden und in denen das Urteil im relevanten Zeitpunkt (Ende 2011) ausstand.  

V. Zurück zum ruhigen Zielen

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1. Organische Fortentwicklung der Institutionen c. Argumente für Systemwechsel sind unhaltbar Das geltende belgische Recht zum Vorbild zu

nehmen, ist schwer verständlich.

Das dortige System der Rechtsdurchsetzung wird derzeit revidiert.

Der Leistungsausweis ist schlecht. 

V. Zurück zum ruhigen Zielen

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1. Organische Fortentwicklung der Institutionen c. Argumente für Systemwechsel sind unhaltbar In Schweden nennt der Jahresbericht der

Wettbewerbsbehörde für das Jahr 2011 ein einziges Gerichtsurteil, den Missbrauchsfall TeliaSonera.

Antrag der Behörde am 21. Dezember 2004; Urteil des Stockholmer Stadtgerichts am 2. Dezember 2011; Dauer des Gerichtsverfahrens in Schweden 5 Jahre (plus 2 Jahre Verfahrensdauer beim EuGH).

Hinzu kommt die Zeit, welche die Wettbewerbsbehörde für ihre Untersuchung benötigt.

V. Zurück zum ruhigen Zielen

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1. Organische Fortentwicklung der Institutionen c. Argumente für Systemwechsel sind unhaltbar Übergang zu Antrags- oder Klagesystem

(prosecutorial system) wurde bei der Institutionenreform im Vereinigten Königreich verworfen.

Prosecutorial model funktioniert nur in den USA. Besondere Rolle eines amerikanischen Richters. Prozess wird in viel stärkerem Mass von den Parteien betrieben und Rahmenbedingungen sind ganz andere.

Bundesrichter und frühere Bundesgerichtspräsident Heinz Aemisegger: Richter trauen sich die neue Rolle gar nicht zu.

V. Zurück zum ruhigen Zielen

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1. Organische Fortentwicklung der Institutionen d. Wahlrecht für Unternehmen ist nicht gangbar StR Martin Schmid: Antragsrecht der

Unternehmen auf ein direktes gerichtliches Verfahren (Sekretariat ./. Unternehmen). 

Wahlrecht „zwischen dem vermeintlich schnelleren Weg über die Weko und dem vermeintlich rechtssichereren Weg über das Bundesgericht“. „Checks and Balances.“

Rechtsvergleichung; „cherry picking“ ist systemfremd; zwei Geschwindigkeiten; Gericht bleibt ungeeignet

Was, wenn sich die Parteien nicht einig sind?

V. Zurück zum ruhigen Zielen

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1. Organische Fortentwicklung der Institutionen e. Strafbefehlsmodell ist unbehelflich StR Peter Föhn zufolge soll das Verfahren vor der

Wettbewerbsbehörde mit einem „Strafbefehl“ enden, der mangels Erhebung einer Beschwerde an das BVerwG rechtskräftig würde. Der Strafbefehl, ein Instrument des Strafrechts, stammt von einem Staatsanwalt, stützt sich auf einen Polizeibericht und ist sehr kurz gehalten. Damit kann man die komplexe Arbeit einer Wettbewerbsbehörde nicht erfassen. Der Befehl würde regelmässig angefochten und damit zum Leerlauf.

V. Zurück zum ruhigen Zielen

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1. Organische Fortentwicklung der Institutionen f. Lösung: Professionalisierte WEKO mit

Praktikern Professionalisierte WEKO mit 5 oder 3 Mitgliedern

(innerer Zirkel). Präsidium als Hauptamt.

Praktiker (nicht Verbandsvertreter) in äusserem Zirkel Modelle: Frankreich, NL, Vereinigtes Königreich.

WEKO sollte als zweistufige Behörde strukturiert sein, wobei eine klarere Trennung zwischen untersuchendem Sekretariat und entscheidender Kommission i.e.S. erforderlich ist.

WAK S ist auf dem richtigen Weg (15.1.2013).

V. Zurück zum ruhigen Zielen

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2. Teilkartellverbot Teilkartellverbot ist nur auf den ersten Blick ein Hüftschuss, es steckt mehr dahinter. Verfassungs-konformität dürfte kein Problem sein.

Kritik:

(1)Wechsel von einem wirkungsbasierten (effects based) System zu einem formalistischen;

(2)Auch unerhebliche Beeinträchtigungen des Wettbe-werbs werden erfasst;

(3) Beweislast wird den Unternehmen aufgebürdet.

V. Zurück zum ruhigen Zielen

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2. Teilkartellverbot Gegenkritik:

Festsetzung von Preisen, Einschränkung von Produktions-, Bezugs- oder Liefermengen und Aufteilung von Märkten nach Gebieten oder Geschäftspartnern sind nun einmal Verhaltensweisen, die in praktisch allen modernen Rechtsordnungen als schädlich angesehen werden. Diese Einstufung beruht auch auf der Lebenserfahrung.

V. Zurück zum ruhigen Zielen

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2. Teilkartellverbot

Vorschlag CB:

Der dritte Satz von Art. 49a(1) KG sollte folgendermassen ergänzt werden:

”Der Betrag bemisst sich nach der Dauer und der Schwere des unzulässigen Verhaltens sowie nach dem Ausmass der Beeinträchtigung des Wettbewerbs.“

Der Satz, wonach die Unternehmen die Beweislast für das Bestehen von Rechtfertigungsgründen tragen, könnte ersetzt werden durch:

„.... tragen die Folgen der Beweislosigkeit.“

V. Zurück zum ruhigen Zielen

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2. Teilkartellverbot Es würde sich – um den EU-Jargon zu verwenden – um ein Teilverbot mit Legalausnahme handeln und nicht um ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Denn Ausnahmen werden nicht durch behördlichen Akt (Erlaubnis) gewährt, sie wirken ex lege, und es gibt weder ein Notifikationserfordernis noch eine Notifikations-möglichkeit.

Unternehmen und Berater müssen selbst beurteilen, ob ihre Verträge mit dem KG vereinbar sind. Das müssen sie auch tun, wenn sie in EU oder EWR tätig sind, und das ist ihnen zumutbar.

WAK S ist auf dem richtigen Weg.

V. Zurück zum ruhigen Zielen

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3. Motion Birrer-Heimo Vorstoss ist vom Ziel her verständlich, aber

ökonomisch problematisch, Schweiz würde sich damit in Europa noch mehr isolieren. Teilkartellverbot ist besser.

 Erhöhung der Transparenz als systemkonforme

Massnahme. Rechtsvergleichend ist auf die neue deutsche Markttransparenzstelle für Benzinpreise hinzuweisen.

 Zur Zeit sind drei wichtige Fälle betr. Abschottung

des Schweizer Marktes vor dem BverwG hängig, Elmex, BMW und Nikon. Es wäre falsch, wenn der Gesetzgeber der WEKO und den Gerichten in den Arm fiele.

V. Zurück zum ruhigen Zielen

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4. Projekt Artikel 7a KG 1 Unternehmen verhalten sich vorbehaltlich Absatz 3 unzulässig,

wenn sie Nachfrager aus der Schweiz mit Waren oder Leistungen in einem Nachbarland zu den dort geltenden Preisen und Geschäftsbedingungen nicht bedienen, soweit:

a. diese Waren oder Leistungen [in vergleichbarer Ausprägung] auch in der Schweiz angeboten werden; und

b. diese Unternehmen dort einen Verkaufspreis öffentlich bekannt geben oder die Nachfrager aufgrund der Erwartungen ihrer Kunden oder eines langfristigen Systementscheids auf diese Waren oder Leistungen angewiesen sind; und

c. den Nachfragern andere Versorgungsquellen zu vergleichbaren Preisen und Geschäftsbedingungen und ohne erheblichen Aufwand nicht offen stehen.

2 Unternehmen verhalten sich vorbehaltlich Absatz 3 unzulässig, wenn sie hinsichtlich Waren oder Leistungen, die auch in der Schweiz angeboten werden, Massnahmen treffen, um zu verhindern, dass Dritte unaufgefordert an sie herangetragenen Bestellungen aus der Schweiz nachkommen können.

3 Eine Verweigerung ist aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen in Artikel 5 Absatz 3 (E-KG) erfüllt sind. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn andere Preise oder Geschäftsbedingungen in Nachbarländern notwendig sind, um diese als neue Exportmärkte zu erschliessen.

IV. Zurück zum ruhigen Zielen

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4. Projekt Artikel 7a KG

Monströse Vorschrift.

Da sie potenziell auf unilaterales Verhalten jedes Unternehmens ohne Marktmacht anwendbar ist, stellt sich die Frage der Verfassungsmässigkeit (Art. 96 BV).

Im Ausland kaum durchsetzbar. Schweizer Unternehmen könnten Zeche zahlen.

Rechtsstaatlich ist fraglich, ob gestützt auf eine derart komplizierte Vorschrift hohe Bussgelder ausgefällt werden dürfen.

WAK S ist auf dem richtigen Weg.

V. Zurück zum ruhigen Zielen

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5. Strafsanktionen für natürliche Personen Dafür ist die Zeit nicht reif.

(1) Der Vergleich mit den USA hinkt: Vollkommen verschiedene Rahmenbedingungen. (2) Gutachten der Professoren Heine und Roth: Strafsanktionen sind kontraproduktiv. (3) In den wenigen europäischen Ländern mit Strafsanktionen seltene Anwendung. (4) Tendenz, Unternehmen freizusprechen und Mitarbeiter-Innen zu belangen, hat Beigeschmack und ist sachlich verfehlt. KMU werden diskriminiert. (5) Strafrechtler, die sich nie mit Kartellrecht befasst haben, argumentieren neuerdings für Kriminalstrafen.

V. Zurück zum ruhigen Zielen

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Carl Baudenbacher wurde nach Promotion in Bern und Habilitation in Zürich 1986 Professor für Privat-, Handels- Arbeits- und Wirtschafts-recht an der Universität Kaiserslautern. 1987 folgte er Bundesrat Arnold Koller auf dem Lehrstuhl für Privat-, Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität St. Gallen HSG nach. Seit 1990 ist Baudenbacher Geschäftsführender Direktor des Instituts für Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht der HSG und seit 1994 Chairman des St. Gallen International Competition Law Forum ICF. 2008 erstellte er ein Expertengutachten im Rahmen der Evaluation des KG zu den Themen Institutionelles, Vertikal-beschränkungen, Strafsanktionen und private enforcement.

1995 wurde Baudenbacher auf Vorschlag des Fürstentums Liechtenstein zum Richter am EFTA-Gerichtshof ernannt. 2003 wurde er zu dessen Präsidenten bestellt und seither drei Mal wiedergewählt. Der EFTA-Gerichtshof ist im EWR-Kartellrecht v.a. zuständig zur Entscheidung von Nichtigkeitsklagen Privater gegen Entscheidungen der EFTA-Überwachungsbehörde und zum Erlass von Vorabent-scheidungen auf Vorlage eines nationalen Gerichts.

[email protected]