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STIFTUN
G BA
UW
ESEN
Kein industrielles Bauen
ohne Handw
erk
VorträgeH
ans Helm
ut SchetterFriedrich LengerH
anns-Eberhard SchleyerM
anfred Nußbaum
er
Kein industrielles B
auenohne H
andwerk
Kein industrielles Bauen
ohne Handw
erk
Vorträge,gehalten am
9. März 2007 in Stuttgart,
Veranstaltung der Stiftung Bauw
esen
Professor Dipl.-Ing. H
ans Helm
ut Schetter,M
annheim
Professor Dr. Friedrich Lenger,
Gießen
Hanns-Eberhard Schleyer,
Berlin
Professor Dr.-Ing. E.h. M
anfred Nußbaum
er M. Sc.,
Stuttgart
Heft 1
„Der B
auingenieurund seine gesellschaftspolitischeA
ufgabe“
Heft 2
„Der B
auherr in der Dem
okratie“
Heft 3
„Bauen in einer globalisierten
Wirtschaft – Stim
men gegen
den Stillstand“
Heft 4
„Bauen für eine m
obile Gesellschaft“
Heft 5
„Die Stunde der B
auingenieure“
Heft 6
„Der B
auingenieurund seine kulturelle Verantw
ortung“
Heft 7
„Die B
auleute und der Jurist“
Heft 8
„Infrastruktur und Wohlstand“
Heft 9
„Energie und Bau“
Heft 10
„Bauen ist Lebensgrundlage –
der Wegfall der Investitionen
ist der falsche Weg“
Heft 11
„Bauen im
Aufbruch ?!“
Heft 12
„Kein industrielles B
auen ohne H
andwerk“
Schriftenreihe der Stiftung Bauw
esen zu „D
er Bauingenieur und die G
esellschaft“
Kein industrielles Bauen
ohne Handw
erk
Vorträge,gehalten am
9. März 2007 in Stuttgart,
Veranstaltung der Stiftung Bauw
esen
Professor Dipl.-Ing. H
ans Helm
ut Schetter,M
annheim
Professor Dr. Friedrich Lenger,
Gießen
Hanns-Eberhard Schleyer,
Berlin
Professor Dr.-Ing. E.h. M
anfred Nußbaum
er M. Sc.,
Stuttgart
Heft 1
„Der B
auingenieurund seine gesellschaftspolitischeA
ufgabe“
Heft 2
„Der B
auherr in der Dem
okratie“
Heft 3
„Bauen in einer globalisierten
Wirtschaft – Stim
men gegen
den Stillstand“
Heft 4
„Bauen für eine m
obile Gesellschaft“
Heft 5
„Die Stunde der B
auingenieure“
Heft 6
„Der B
auingenieurund seine kulturelle Verantw
ortung“
Heft 7
„Die B
auleute und der Jurist“
Heft 8
„Infrastruktur und Wohlstand“
Heft 9
„Energie und Bau“
Heft 10
„Bauen ist Lebensgrundlage –
der Wegfall der Investitionen
ist der falsche Weg“
Heft 11
„Bauen im
Aufbruch ?!“
Heft 12
„Kein industrielles B
auen ohne H
andwerk“
Schriftenreihe der Stiftung Bauw
esen zu „D
er Bauingenieur und die G
esellschaft“
Einführung7
von Professor Dipl.-Ing. H
ans Helm
ut Schetter
Das (deutsche) H
andwerk in der
9N
eueren Geschichte: Q
ualitätssicherung und M
arktzugangsbeschränkungenvon Professor D
r. Friedrich Lenger
Bauen m
it IQ – Innovation durch
23Q
ualifizierung im B
auhandwerk
von Hanns-Eberhard Schleyer
Handw
erk und Ingenieurkunst greifen ineinander35
von Professor Dr.-Ing. E.h.
Manfred N
ußbaumer M
. Sc.
Schlusswort
55
Autoren
56
Inhalt
Impressum
Herausgeber:
Stiftung Bauw
esenA
lbstadtweg 3
70567 StuttgartTelefax 0711 7883-228
711
Inhalt
Einführungvon Professor D
ipl.-Ing. Hans H
elmut Schetter
Qualitätssicherung und M
arktzugangbeschränkungen
von Professor Dr. Friedrich Lenger
Bauen m
it IQ – Innovation durch Q
ualifizierung im
Bauhandw
erkvon H
anns-Eberhard Schleyer
Handw
erk und Ingenieurkunst greifen ineinander von Professor D
r.-Ing. E.h.M
anfred Nußbaum
er M. Sc.
Schlusswort
Autoren
Impressum
Herausgeber:
Stiftung Bauw
esenA
lbstadtweg 3
70567 StuttgartTelefax 0711 7883-228
15
EinführungProfessor D
ipl.-Ing. Hans H
elmut Schetter
Nach dem
letzten Krieg w
ar Bauen in D
eutschland Konjunkturlokom
otive und langeZeit im
Mittelpunkt der G
esellschaft. Bauen w
ar geprägt durch ein enges, handwerklich
solides Zusamm
enwirken zw
ischen Ingenieuren und Facharbeitern.
Die deutsche B
aulandschaft war in diesen Jahrzehnten durch eine Vielzahl großer
Bauunternehm
en gekennzeichnet, die in Deutschland hervorragend funktionierende
Niederlassungsnetze unterhielten und über gut eingespielte und ausgebildete Fach-
arbeiterkolonnen verfügten. D
ie Technik und das baubetriebliche Können w
urde in den Technischen Büros konzi-
piert, entwickelt und zur A
usführungsreife gebracht. Die U
msetzung erfolgte auf den
Baustellen, national und international. D
ie Qualität des deutschen B
aues gab weltw
eitZeugnis von unserer Leistungsfähigkeit.
Einführung7
Tab. 1:G
roße deutsche Bauunternehm
en mit ausgeprägter zentraler Technik
Die tabellarische A
uflistung zeigt die Entwicklung der großen deutschen B
aufirmen,
überwiegend B
auaktiengesellschaften, in der Zeit von 1975 über 1990 bis in die Gegen-
wart. D
er jahrelange ruinöse Wettbew
erb hat zu einer signifikanten Auslichtung geführt.
Mit dem
Großteil der Firm
en sind auch ihre zentralen technischen Abteilungen und
Exportfähigkeiten verschwunden.
Der Schluss liegt nahe, dass dieses auch ein Stück (bau-)technischer Verarm
ung desStandortes D
eutschland bedeutet.
1975
. H
och
tief AG
. B
ilfing
er + B
erger B
auaktien
gesell.
. Ed
. Züb
lin A
G.
Strabag
Bau
-AG
. W
ayss & Freytag
AG
.Philipp H
olzmann A
G.
Dyckerhoff &
Widm
ann AG
.Bosw
au & K
nauer AG
.Thosti Bau-A
G.
Bauunternehmung E. H
eitkamp G
mbH
.H
eilmann &
Littmann Bau-A
G.
Sager & W
oerner KG
Bauunternehmung
.W
iemer &
Trachte AG
.C
. Baresel AG
.H
uta-Hergerfeld-A
G.
Polensky & Zöllner A
G.
Beton- und Monierbau A
G.
Held &
Francke Bau-AG
1990
.H
och
tief AG
.B
ilfing
er + B
erger B
auaktien
gesell.
.Ed
. Züb
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Strabag
Bau
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.Philipp H
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alter Thosti Boswau A
G.
Bauunternehmung E. H
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mbH
.H
eilit + W
oerner Bau AG
.W
iemer &
Trachte AG
.
C. Baresel A
G
.H
uta-Hegerfeld-A
G
2006
.H
och
tief AG
.B
ilfing
er Berg
er AG
.
Ed. Zü
blin
AG
.
Strabag
AG
.
Wayss &
Freytag A
G‘s
.M
ax Bögl Bauservice Gm
bH &
Co. K
G.
Köster-G
ruppe (Wiem
er & Trachte A
G,
Baresel AG
, Köster A
G)
Qualitätssicherung und M
arktzugangsbeschränkungen: D
as deutsche Handw
erk in derN
euerenG
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EinführungProfessor D
ipl.-Ing. Hans H
elmut Schetter
Nach dem
letzten Krieg w
ar Bauen in D
eutschland Konjunkturlokom
otive und langeZeit im
Mittelpunkt der G
esellschaft. Bauen w
ar geprägt durch ein enges, handwerklich
solides Zusamm
enwirken zw
ischen Ingenieuren und Facharbeitern.
Die deutsche B
aulandschaft war in diesen Jahrzehnten durch eine Vielzahl großer
Bauunternehm
en gekennzeichnet, die in Deutschland hervorragend funktionierende
Niederlassungsnetze unterhielten und über gut eingespielte und ausgebildete Fach-
arbeiterkolonnen verfügten. D
ie Technik und das baubetriebliche Können w
urde in den Technischen Büros konzi-
piert, entwickelt und zur A
usführungsreife gebracht. Die U
msetzung erfolgte auf den
Baustellen, national und international. D
ie Qualität des deutschen B
aues gab weltw
eitZeugnis von unserer Leistungsfähigkeit.
Einführung7
Tab. 1:G
roße deutsche Bauunternehm
en mit ausgeprägter zentraler Technik
Die tabellarische A
uflistung zeigt die Entwicklung der großen deutschen B
aufirmen,
überwiegend B
auaktiengesellschaften, in der Zeit von 1975 über 1990 bis in die Gegen-
wart. D
er jahrelange ruinöse Wettbew
erb hat zu einer signifikanten Auslichtung geführt.
Mit dem
Großteil der Firm
en sind auch ihre zentralen technischen Abteilungen und
Exportfähigkeiten verschwunden.
Der Schluss liegt nahe, dass dieses auch ein Stück (bau-)technischer Verarm
ung desStandortes D
eutschland bedeutet.
1975
. H
och
tief AG
. B
ilfing
er + B
erger B
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gesell.
. Ed
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G.
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Bau
-AG
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AG
.Philipp H
olzmann A
G.
Dyckerhoff &
Widm
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.Thosti Bau-A
G.
Bauunternehmung E. H
eitkamp G
mbH
.H
eilmann &
Littmann Bau-A
G.
Sager & W
oerner KG
Bauunternehmung
.W
iemer &
Trachte AG
.C
. Baresel AG
.H
uta-Hergerfeld-A
G.
Polensky & Zöllner A
G.
Beton- und Monierbau A
G.
Held &
Francke Bau-AG
1990
.H
och
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.B
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er + B
erger B
auaktien
gesell.
.Ed
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G.
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-AG
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ayss & Freytag
AG
.Philipp H
olzmann A
G.
Dyckerhoff &
Widm
ann AG
.W
alter Thosti Boswau A
G.
Bauunternehmung E. H
eitkamp G
mbH
.H
eilit + W
oerner Bau AG
.W
iemer &
Trachte AG
.
C. Baresel A
G
.H
uta-Hegerfeld-A
G
2006
.H
och
tief AG
.B
ilfing
er Berg
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.
Ed. Zü
blin
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.
Strabag
AG
.
Wayss &
Freytag A
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.M
ax Bögl Bauservice Gm
bH &
Co. K
G.
Köster-G
ruppe (Wiem
er & Trachte A
G,
Baresel AG
, Köster A
G)
Qualitätssicherung und M
arktzugangsbeschränkungen: D
as deutsche Handw
erk in derN
euerenG
eschichteüüüüü1
Auch die A
usbildung zum M
aurer, Beton- und Stahlbetonbauer oder Zim
merm
ann– B
erufe, die für Konstruktion und Standsicherheit stehen – hat einen besonders starken
Rückgang erlebt.
Einführung9
Neben dem
Rückgang der G
roßfirmen und der H
albierung der Mitarbeiter im
Bau-
hauptgewerbe sind w
ir in den letzten Jahren auch mit einem
drastischen Rückgang der
Bauingenieurstudenten konfrontiert.
Seit drei bis vier Jahren war prognostizierbar, dass in naher Zukunft der B
edarf anB
erufsanfängern die Anzahl an A
bsolventen wieder übersteigen w
ürde. D
ieser Zustand ist jetzt eingetreten.
Hans H
elmut Schetter
8 Abb. 2:
Studierende Bauingenieurw
esen
Aktuell können bereits ca. 4.000 B
auingenieurstellen nicht besetzt werden.
Wir brauchen dringend m
ehr Bauingenieure. A
ber wie kann die R
olle des Bauingenieurs
–für w
elche die Stiftung in besonderem M
aße eintritt – auf Wiederhall stoßen, w
ennunser B
erufsbild nicht bekannt genug ist. Jeder weiß, w
as ein Bauarbeiter und eine
Baustelle ist, aber viele haben keine Vorstellung von dem
faszinierenden Berufsbild
eines Bauingenieurs. W
ir müssen alles tun, unseren B
eruf bekannt zu machen und für ihn
zu werben.
Die Zahl der G
ewerblichen M
itarbeiter im B
auhauptgewerbe ist seit 1995 von 1 M
io. aufjetzt nur noch 475.000 m
assiv zurückgegangen.
Auslöser w
ar ein rezessionsgetriebener, imm
enser Kosten- und W
ettbewerbsdruck.
Heute m
üssen wir uns fragen, ob w
ir mit dem
massiven A
rbeitsplatzabbau unserer Bau-
facharbeiter nicht auch ein Stück handwerkliches K
önnen und handwerkliche Q
ualitätm
it abgeschafft haben.
Abb. 3:
Gew
erbliche Mitarbeiter und A
uszubildende Bauhauptgewerbe
Abb. 4:
Auszubildende in ausgew
ählten Berufen seit 1997
Auch die A
usbildung zum M
aurer, Beton- und Stahlbetonbauer oder Zim
merm
ann–
Berufe, die für K
onstruktion und Standsicherheit stehen – hat einen besonders starkenR
ückgang erlebt.
Einführung9
Neben dem
Rückgang der G
roßfirmen und der H
albierung der Mitarbeiter im
Bau-
hauptgewerbe sind w
ir in den letzten Jahren auch mit einem
drastischen Rückgang der
Bauingenieurstudenten konfrontiert.
Seit drei bis vier Jahren war prognostizierbar, dass in naher Zukunft der B
edarf anB
erufsanfängern die Anzahl an A
bsolventen wieder übersteigen w
ürde. D
ieser Zustand ist jetzt eingetreten.
Hans H
elmut Schetter
8 Abb. 2:
Studierende Bauingenieurw
esen
Aktuell können bereits ca. 4.000 B
auingenieurstellen nicht besetzt werden.
Wir brauchen dringend m
ehr Bauingenieure. A
ber wie kann die R
olle des Bauingenieurs
– für welche die Stiftung in besonderem
Maße eintritt – auf W
iederhall stoßen, wenn
unser Berufsbild nicht bekannt genug ist. Jeder w
eiß, was ein B
auarbeiter und eineB
austelle ist, aber viele haben keine Vorstellung von dem faszinierenden B
erufsbildeines B
auingenieurs. Wir m
üssen alles tun, unseren Beruf bekannt zu m
achen und für ihnzu w
erben.
Die Zahl der G
ewerblichen M
itarbeiter im B
auhauptgewerbe ist seit 1995 von 1 M
io. aufjetzt nur noch 475.000 m
assiv zurückgegangen.
Auslöser w
ar ein rezessionsgetriebener, imm
enser Kosten- und W
ettbewerbsdruck.
Heute m
üssen wir uns fragen, ob w
ir mit dem
massiven A
rbeitsplatzabbau unserer Bau-
facharbeiter nicht auch ein Stück handwerkliches K
önnen und handwerkliche Q
ualitätm
it abgeschafft haben.
Abb. 3:
Gew
erbliche Mitarbeiter und A
uszubildende Bauhauptgewerbe
Abb. 4:
Auszubildende in ausgew
ählten Berufen seit 1997
Handw
erkliche Herausforderung – w
eit gespannte Tragwerke:
Für die Messehalle 3 in Frankfurt w
urde zur Erzielung einer stützenfreien Ausstellungs-
fläche ein 123 m w
eit gespanntes, mehrfach gekrüm
mtes räum
liches Stabtragwerk
errichtet. Schwerste Stahlteile w
aren am B
oden zusamm
enzubauen, hochzuheben undstandsicher zu versetzen, m
ehrfach gekrümm
te Dachflächen einzudecken.
Einführung11
Die entsprechende A
rbeit hat sich mehr und m
ehr auf Subunternehmer aus unterschied-
lichsten europäischen Ländern verlagert. Nicht nur sprachliche Problem
e, sondern auchherkunftsbedingte, m
angelnde Erfahrung im U
mgang m
it unseren Werkstoffen und Vor-
schriften führten zwangsläufig zu Q
ualitätseinbußen bzw. konnten nur durch imm
ensenzusätzlichen B
auleitungsaufwand kom
pensiert werden.
Aktuelle B
auwerke sind aber im
mer noch B
eweis dafür, dass Spitzenleistungen der
Bauingenieure einhergehen m
it hoher handwerklicher H
erausforderung und demzufolge
ohne leistungsfähiges Handw
erk nicht denkbar sind!
Nachfolgende B
eispiele sollen dies veranschaulichen.
Handw
erkliche Herausforderung – H
ochhausbau:
Schalung, hydraulische Selbstklettertechnik, Einhausung, in der Spitze 4 Tage für einG
eschoss!Früher gab es drei A
rbeitsschritte auf einer Decke: Schalung, B
ewehrung und B
eton;heute sind zehn A
rbeitsschritte durchaus üblich, weil um
fangreiche Installationen in derkünftigen B
etondecke integriert werden: z.B
. Brandm
elder, Sprinkler, Heizung, Elektro,
Kühlung usw.
Hans H
elmut Schetter
10 Abb. 5: H
ochhaus Gallileo, Frankfurt
Abb. 6: M
essehalle 3, Frankfurt
Abb. 7: H
auptbahnhof Mannheim
Handw
erkliche Herausforderung – B
auen im B
estand:
Entkernung und Um
bau des 130 Jahre alten Hauptbahnhofs der Stadt M
annheim unter
laufendem B
etrieb hat höchste Anforderungen an handw
erkliches Können und Logistik
gestellt.
Handw
erkliche Herausforderung – w
eit gespannte Tragwerke:
Für die Messehalle 3 in Frankfurt w
urde zur Erzielung einer stützenfreien Ausstellungs-
fläche ein 123 m w
eit gespanntes, mehrfach gekrüm
mtes räum
liches Stabtragwerk
errichtet. Schwerste Stahlteile w
aren am B
oden zusamm
enzubauen, hochzuheben undstandsicher zu versetzen, m
ehrfach gekrümm
te Dachflächen einzudecken.
Einführung11
Die entsprechende A
rbeit hat sich mehr und m
ehr auf Subunternehmer aus unterschied-
lichsten europäischen Ländern verlagert. Nicht nur sprachliche Problem
e, sondern auchherkunftsbedingte, m
angelnde Erfahrung im U
mgang m
it unseren Werkstoffen und Vor-
schriften führten zwangsläufig zu Q
ualitätseinbußen bzw. konnten nur durch imm
ensenzusätzlichen B
auleitungsaufwand kom
pensiert werden.
Aktuelle B
auwerke sind aber im
mer noch B
eweis dafür, dass Spitzenleistungen der
Bauingenieure einhergehen m
it hoher handwerklicher H
erausforderung und demzufolge
ohne leistungsfähiges Handw
erk nicht denkbar sind!
Nachfolgende B
eispiele sollen dies veranschaulichen.
Handw
erkliche Herausforderung – H
ochhausbau:
Schalung, hydraulische Selbstklettertechnik, Einhausung, in der Spitze 4 Tage für einG
eschoss!Früher gab es drei A
rbeitsschritte auf einer Decke: Schalung, B
ewehrung und B
eton;heute sind zehn A
rbeitsschritte durchaus üblich, weil um
fangreiche Installationen in derkünftigen B
etondecke integriert werden: z.B
. Brandm
elder, Sprinkler, Heizung, Elektro,
Kühlung usw.
Hans H
elmut Schetter
10 Abb. 5: H
ochhaus Gallileo, Frankfurt
Abb. 6: M
essehalle 3, Frankfurt
Abb. 7: H
auptbahnhof Mannheim
Handw
erkliche Herausforderung – B
auen im B
estand:
Entkernung und Um
bau des 130 Jahre alten Hauptbahnhofs der Stadt M
annheim unter
laufendem B
etrieb hat höchste Anforderungen an handw
erkliches Können und Logistik
gestellt.
Handw
erkliche Herausforderung – B
rückenbau:
Bei der Svinesundbrücke in Schw
eden gehörte der Freivorbau des Brückenbogens schon
beinahe zum Standard. Eine ganz besondere H
erausforderung war hier das Einschw
im-
men, H
eben und Versetzen des Mittelteils an einem
Stück mit einem
Gew
icht von 1.300 t.Es ist im
mer w
ieder faszinierend, mit w
elch handwerklichem
Feingefühl selbst schwerste
Lasten sicher bewegt und versetzt w
erden.
Einführung13
Handw
erkliche Herausforderung – vielfältige Fassadensystem
e:
Die A
rchitektur der Britischen B
otschaft in Berlin hatte für die Fassade eine K
omposi-
tion aus Glas, N
aturstein und gebogenem A
luminium
vorgesehen.
Die anspruchsvollen D
etails konnten in der Werkstatt und auf der B
austelle nur mit hoher
handwerklicher K
ompetenz fachgerecht ausgeführt w
erden.
Hans H
elmut Schetter
12 Handw
erkliche Herausforderung – Zuschlagsstoffgew
innung und B
etonverarbeitung:
In Algerien entsteht ein D
amm
aus Walzbeton, für den aus gem
ischten Böden stündlich
1.000 to Zuschlagsstoffe gewonnen w
erden und damit eine B
etonierleistung von 400 m3/
Stunde für Herstellung und Einbau gew
ährleistet werden kann. O
hne handwerkliches
Können an G
eräten und Maschinen ist eine solche Spitzenleistung undenkbar.
Abb. 8: B
ritische Botschaft, B
erlinA
bb. 10:Svinesundbrücke, Schw
eden
Abb. 9: Staudam
m K
oudiat Acerdoune, A
lgerien
Handw
erkliche Herausforderung – Tunnelbau:
Bei aller w
issenschaftlicher und theoretischer Ausreifung der G
eotechnik und Fels-m
echanik ist das handwerkliche G
efühl und Können des M
ineures im Tunnel und
insbesondere an der Ortsbrust für Sicherheit und Erfolg der bergm
ännischen Arbeiten
nach wie vor unverzichtbar.
Abb. 11:
Gotthard B
asistunnel, Los Sedrun
Handw
erkliche Herausforderung – B
rückenbau:
Bei der Svinesundbrücke in Schw
eden gehörte der Freivorbau des Brückenbogens schon
beinahe zum Standard. Eine ganz besondere H
erausforderung war hier das Einschw
im-
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eben und Versetzen des Mittelteils an einem
Stück mit einem
Gew
icht von 1.300 t.Es ist im
mer w
ieder faszinierend, mit w
elch handwerklichem
Feingefühl selbst schwerste
Lasten sicher bewegt und versetzt w
erden.
Einführung13
Handw
erkliche Herausforderung – vielfältige Fassadensystem
e:
Die A
rchitektur der Britischen B
otschaft in Berlin hatte für die Fassade eine K
omposi-
tion aus Glas, N
aturstein und gebogenem A
luminium
vorgesehen.
Die anspruchsvollen D
etails konnten in der Werkstatt und auf der B
austelle nur mit hoher
handwerklicher K
ompetenz fachgerecht ausgeführt w
erden.
Hans H
elmut Schetter
12 Handw
erkliche Herausforderung – Zuschlagsstoffgew
innung und B
etonverarbeitung:
In Algerien entsteht ein D
amm
aus Walzbeton, für den aus gem
ischten Böden stündlich
1.000 to Zuschlagsstoffe gewonnen w
erden und damit eine B
etonierleistung von 400 m3/
Stunde für Herstellung und Einbau gew
ährleistet werden kann. O
hne handwerkliches
Können an G
eräten und Maschinen ist eine solche Spitzenleistung undenkbar.
Abb. 8: B
ritische Botschaft, B
erlinA
bb. 10:Svinesundbrücke, Schw
eden
Abb. 9: Staudam
m K
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lgerien
Handw
erkliche Herausforderung – Tunnelbau:
Bei aller w
issenschaftlicher und theoretischer Ausreifung der G
eotechnik und Fels-m
echanik ist das handwerkliche G
efühl und Können des M
ineures im Tunnel und
insbesondere an der Ortsbrust für Sicherheit und Erfolg der bergm
ännischen Arbeiten
nach wie vor unverzichtbar.
Abb. 11:
Gotthard B
asistunnel, Los Sedrun
Qualitätssicherung und M
arktzugangsbeschränkungen: D
as deutsche Handw
erk in derN
eueren Geschichte
1
Friedrich Lenger
Der B
egriff des Handw
erks dürfte zu den Begriffen gehören, die jeder kennt und von
denen jeder meint, ein konkretes Verständnis zu haben, die aber gleichw
ohl kaumjem
and trennscharf zu definieren vermag. D
as dürfte damit zusam
menhängen, dass im
Begriff des H
andwerks höchst unterschiedliche W
esensmerkm
ale zusamm
enfließen, diezudem
noch einem erheblichen zeitlichen W
andel unterworfen sind und für verschiedene
Handw
erkszweige von ganz unterschiedlicher Einschlägigkeit sind. So definiert G
rimm
sD
eutsches Wörterbuch H
andwerk „als ,händew
erk’, das mit der H
and vollbrachte Werk”
und im engern Sinne dann „ein dauernd betriebenes G
ewerbe”, zu dessen A
usführung imU
nterschied zur Kunst und zur niedrigen H
andarbeit vorzüglich manuelle G
eschick-lichkeit erforderlich ist. 2Letztlich sei das H
andwerk aber auch die geschlossene G
esamt-
heit derer, die ein bestimm
tes Gew
erbe treiben, also ein Synonym zu G
ilde, Zunft undInnung. D
agegen wird H
andwerk in der w
irtschaftsgeschichtlichen Literatur meist als
eine gewerbliche Betriebsform
begriffen, in Abgrenzung zu H
eimgew
erbe, Verlag, Manu-
faktur und Fabrik. 3Und A
nnahmen über die Ü
berlegenheit konkurrierender Betriebs-
formen, w
ie namentlich der Fabrik, haben dann seit dem
19. Jahrhundert zu den zahlrei-chen und w
ohl bekannten Beschw
örungen eines Niedergangs des H
andwerks geführt,
wie sie von M
arx bis ins 20. Jahrhundert hinein die Diskussion beherrscht haben.
Systematisiert m
an die hier keineswegs vollständig aufgelisteten D
efinitionsbestand-teile, bleiben vier G
rundelemente, die für ein Verständnis des H
andwerks in den zurück-
liegenden Jahrhunderten wesentlich sind, w
obei erst im Verlauf m
einer Ausführungen
deutlich werden kann, w
arum der R
ückgriff in die oft als Vormoderne bezeichnete Zeit
unverzichtbar ist. Doch betrachten w
ir zunächst die angesprochenen vier Wesens-
merkm
ale. Es sind: –
die kleinbetriebliche Produktion und Dienstleistung in m
eist kleinen, dezentralenBetriebsstätten, die aber für das B
augewerbe von jeher nur eingeschränkt typisch w
ar,–
die Bedeutung des personalen Elem
ents im A
rbeitsprozess, bei dem der arbeitende
Mensch über H
andfertigkeit und individuelle Werkstoffbeherrschung verfügt und
Werkzeuge sow
ie Maschinen zur Ergänzung der H
andarbeit einsetzt. Der w
eitge-henden B
erufsteilung – das ist wichtig – entspricht aber eine geringe A
rbeitsteilung, –
eine Vielzahl von Berufen m
it einem geregelten A
usbildungsgang, der sich imSpätm
ittelalter herausgebildet hat, und als Träger die Lehrlinge, die Gesellen und
schließlich die Meister um
fasst, wobei im
deutschen Sprachraum lange der G
esellen-w
anderung eine besondere Bedeutung zukam
, und schließlich
Qualitätssicherung und M
arktzugangsbeschränkungenH
ans Helm
ut Schetter
1514 B
auen ist durch eine in den 70er und 80er Jahren aufkomm
ende Technikfeindlichkeitund die langjährige R
ezession an den Rand der G
esellschaft gerückt.H
eute begreifen alle, dass die Herausforderungen des K
limaw
andels, erneuerbareEnergien, Schutz gegen N
aturgewalten usw. ohne Technik und Ingenieure nicht zu be-
wältigen sind. W
ir brauchen für unsere Wettbew
erbsfähigkeit eine gut ausgebaute undfunktionierende Infrastruktur.D
azu müssen Investitions- und R
eparaturstau aufgelöst werden. D
ie Zeit ist reif für eineR
ückkehr zu Wertschätzung und Pflege von Ingenieurs- und H
andwerkskunst.
Nach 10 Jahren Rezession bestehen beste Voraussetzungen. W
ir haben im Bau in D
eutsch-land in 2006 eine Leistungssteigerung von 9,2 %
und 5 % m
ehr Auftragseingänge ver-
zeichnet.Es gibt w
ieder positive Schlagzeilen:„B
auwirtschaft stellt w
ieder ein“„B
ausektor stellt deutlich mehr Lehrlinge ein“
„4.000 offene Stellen für Bauingenieure“
usw.
Handw
erk muss w
irtschaftlich leistbar und aus Sicht der Kosten w
ettbewerbsfähig sein.
Dazu bedarf es flexibler Vergütungssystem
e und schlanker Lohnnebenkosten. Können
wir w
irklich auf den Meisterbrief verzichten? Zum
indest in technisch anspruchsvollenG
ewerken m
uss er erhalten bleiben. Ein gut ausgebildeter Handw
erksmeister steht nicht
nur für Fachwissen, D
IN-Treue und Q
ualität, sondern auch für eine solide und guteA
usbildung unserer Lehrlinge.
Ingenieure braucht das Land!D
ie Weichen w
erden nach der Mittelstufe in den G
ymnasien gestellt. W
er Mathem
atik,Physik und naturw
issenschaftliche Fächer abwählt, ist einer Ingenieurlaufbahn m
eistschon verloren gegangen.H
ier müssen unsere B
otschaften greifen.
Ingenieure und Handw
erk Hand in H
and können auch in Zukunft ein Erfolgsfaktor unseresLandes sein. D
ies gilt ganz besonders für uns Bauleute.
Unsere R
eferenten werden das aus verschiedenen B
lickwinkeln vertiefen.
Bildnachw
eis:A
bb. 2H
auptverband der Deutschen B
auindustrie, 01/2007A
bb. 3H
auptverband der Deutschen B
auindustrie, 02/2007A
bb. 4Zentralverband des D
eutschen Handw
erks e.V. (ZDH
), 02/2007
Qualitätssicherung und M
arktzugangsbeschränkungen: D
as deutsche Handw
erk in derN
eueren Geschichte
1
Friedrich Lenger
Der B
egriff des Handw
erks dürfte zu den Begriffen gehören, die jeder kennt und von
denen jeder meint, ein konkretes Verständnis zu haben, die aber gleichw
ohl kaumjem
and trennscharf zu definieren vermag. D
as dürfte damit zusam
menhängen, dass im
Begriff des H
andwerks höchst unterschiedliche W
esensmerkm
ale zusamm
enfließen, diezudem
noch einem erheblichen zeitlichen W
andel unterworfen sind und für verschiedene
Handw
erkszweige von ganz unterschiedlicher Einschlägigkeit sind. So definiert G
rimm
sD
eutsches Wörterbuch H
andwerk „als ,händew
erk’, das mit der H
and vollbrachte Werk”
und im engern Sinne dann „ein dauernd betriebenes G
ewerbe”, zu dessen A
usführung imU
nterschied zur Kunst und zur niedrigen H
andarbeit vorzüglich manuelle G
eschick-lichkeit erforderlich ist. 2Letztlich sei das H
andwerk aber auch die geschlossene G
esamt-
heit derer, die ein bestimm
tes Gew
erbe treiben, also ein Synonym zu G
ilde, Zunft undInnung. D
agegen wird H
andwerk in der w
irtschaftsgeschichtlichen Literatur meist als
eine gewerbliche B
etriebsform begriffen, in A
bgrenzung zu Heim
gewerbe, Verlag, M
anu-faktur und Fabrik. 3U
nd Annahm
en über die Überlegenheit konkurrierender B
etriebs-form
en, wie nam
entlich der Fabrik, haben dann seit dem 19. Jahrhundert zu den zahlrei-
chen und wohl bekannten B
eschwörungen eines N
iedergangs des Handw
erks geführt,w
ie sie von Marx bis ins 20. Jahrhundert hinein die D
iskussion beherrscht haben.
Systematisiert m
an die hier keineswegs vollständig aufgelisteten D
efinitionsbestand-teile, bleiben vier G
rundelemente, die für ein Verständnis des H
andwerks in den zurück-
liegenden Jahrhunderten wesentlich sind, w
obei erst im Verlauf m
einer Ausführungen
deutlich werden kann, w
arum der R
ückgriff in die oft als Vormoderne bezeichnete Zeit
unverzichtbar ist. Doch betrachten w
ir zunächst die angesprochenen vier Wesens-
merkm
ale. Es sind: –
die kleinbetriebliche Produktion und Dienstleistung in m
eist kleinen, dezentralenB
etriebsstätten, die aber für das Baugewerbe von jeher nur eingeschränkt typisch w
ar,–
die Bedeutung des personalen Elem
ents im A
rbeitsprozess, bei dem der arbeitende
Mensch über H
andfertigkeit und individuelle Werkstoffbeherrschung verfügt und
Werkzeuge sow
ie Maschinen zur Ergänzung der H
andarbeit einsetzt. Der w
eitge-henden B
erufsteilung – das ist wichtig – entspricht aber eine geringe A
rbeitsteilung,–
eine Vielzahl von Berufen m
it einem geregelten A
usbildungsgang, der sich imSpätm
ittelalter herausgebildet hat, und als Träger die Lehrlinge, die Gesellen und
schließlich die Meister um
fasst, wobei im
deutschen Sprachraum lange der G
esellen-w
anderung eine besondere Bedeutung zukam
, und schließlich
Qualitätssicherung und M
arktzugangsbeschränkungenH
ans Helm
ut Schetter
1514 B
auen ist durch eine in den 70er und 80er Jahren aufkomm
ende Technikfeindlichkeitund die langjährige R
ezession an den Rand der G
esellschaft gerückt.H
eute begreifen alle, dass die Herausforderungen des K
limaw
andels, erneuerbareEnergien, Schutz gegen N
aturgewalten usw. ohne Technik und Ingenieure nicht zu be-
wältigen sind. W
ir brauchen für unsere Wettbew
erbsfähigkeit eine gut ausgebaute undfunktionierende Infrastruktur.D
azu müssen Investitions- und R
eparaturstau aufgelöst werden. D
ie Zeit ist reif für eineR
ückkehr zu Wertschätzung und Pflege von Ingenieurs- und H
andwerkskunst.
Nach 10 Jahren Rezession bestehen beste Voraussetzungen. W
ir haben im Bau in D
eutsch-land in 2006 eine Leistungssteigerung von 9,2 %
und 5 % m
ehr Auftragseingänge ver-
zeichnet.Es gibt w
ieder positive Schlagzeilen:„B
auwirtschaft stellt w
ieder ein“„B
ausektor stellt deutlich mehr Lehrlinge ein“
„4.000 offene Stellen für Bauingenieure“
usw.
Handw
erk muss w
irtschaftlich leistbar und aus Sicht der Kosten w
ettbewerbsfähig sein.
Dazu bedarf es flexibler Vergütungssystem
e und schlanker Lohnnebenkosten. Können
wir w
irklich auf den Meisterbrief verzichten? Zum
indest in technisch anspruchsvollenG
ewerken m
uss er erhalten bleiben. Ein gut ausgebildeter Handw
erksmeister steht nicht
nur für Fachwissen, D
IN-Treue und Q
ualität, sondern auch für eine solide und guteA
usbildung unserer Lehrlinge.
Ingenieure braucht das Land!D
ie Weichen w
erden nach der Mittelstufe in den G
ymnasien gestellt. W
er Mathem
atik,Physik und naturw
issenschaftliche Fächer abwählt, ist einer Ingenieurlaufbahn m
eistschon verloren gegangen.H
ier müssen unsere B
otschaften greifen.
Ingenieure und Handw
erk Hand in H
and können auch in Zukunft ein Erfolgsfaktor unseresLandes sein. D
ies gilt ganz besonders für uns Bauleute.
Unsere R
eferenten werden das aus verschiedenen B
lickwinkeln vertiefen.
Bildnachw
eis:A
bb. 2H
auptverband der Deutschen B
auindustrie, 01/2007A
bb. 3H
auptverband der Deutschen B
auindustrie, 02/2007A
bb. 4Zentralverband des D
eutschen Handw
erks e.V. (ZDH
), 02/2007
–die korporative O
rganisation, die regional differierend und abhängig von politischenR
ahmenbedingungen verschiedene Funktionen w
ahrnehmen kann und die sich aus-
gehend von der politischen Zunft des Spätmittelalters über die A
ufhebung des Zunft-zw
anges hinweg in veränderter Form
bis in die Gegenw
art erhalten hat. 4
1.Schon im Spätm
ittelalter treten die hier an den Anfang gestellten W
esensmerkm
ale undder von ihnen gebildete Spannungsbogen zw
ischen Qualitätssicherung auf der einen,
Marktzugangsbeschränkungen auf der anderen Seite deutlich hervor: D
ie Zunft (oder dasA
mt) als Zusam
menschluss aller selbständigen H
andwerksm
eister eines Gew
erbes suchtedie sog. N
ahrung ihrer Mitglieder durch die M
onopolisierung ihres genau definiertenA
rbeits- bzw. Produktionsbereiches sicherzustellen, wobei die A
bgrenzung der Zustän-digkeiten häufig A
nlass zu Streit unter den Zünften bot. Wenn m
an liest, dass in Nürn-
berg das mit der H
erstellung von Harnischen befasste Plattnerhandw
erk in 12 Unter-
handwerke ausdifferenziert w
ar, „die jeweils ein Teil oder m
ehrere Teile der Platten-harnische fertigten“, überrascht das nicht. 5D
ie Zünfte wachten aber nicht nur eifersüch-
tig über die ihnen jeweils vorbehaltenen A
rbeits- und Fertigungsbereiche, sondern ver-folgten auch rigoros jede außerzünftische Produktion, sei es durch das Landhandw
erk,sei es durch die sog. Pfuscher innerhalb der Stadt. U
nd schließlich limitierten sie die Zahl
der zu beschäftigenden Lehrlinge und Gesellen je B
etrieb, um U
ngleichheiten innerhalbder Zunft vorzubeugen. N
eben solchen Mechanism
en der Marktbegrenzung w
ar unterw
irtschaftlichen Gesichtspunkten die Q
ualitätssicherung – nicht zuletzt im B
ereich derA
usbildung – die wichtigste Funktion der Zunft. M
it Blick auf die A
usbildung sind ihreLeistungen nur schw
er einzuschätzen: Zum einen ist die B
lüte der Handw
erkskunst desausgehenden M
ittelalters – etwa im
Bereich der G
oldschmiedekunst – unübersehbar.
Und dazu trug das hier und in m
anch anderem G
ewerbe entw
ickelte und weite Teile
Europas umspannende, allerdings konfessionelle G
renzen beachtende, System der G
e-sellenw
anderung maßgeblich bei, brachte es doch zahlreiche G
esellen vorübergehend inw
ohlbekannte Zentren einer hoch entwickelten H
andwerkskultur, w
ie etwa N
ürnberg.Zum
anderen aber ist gleichfalls unübersehbar, dass das Gesellenw
andern in vielenBerufen und über w
eite Zeiträume hinw
eg lediglich verbreitete Arbeitslosigkeit kaschierte.
Qualitätssicherung w
ar aber nicht nur im A
usbildungsbereich wichtig: D
ie Versamm
lungder Zunftm
eister, die eine eigene Jurisdiktion beanspruchte, ahndete Verstöße und kon-trollierte m
it dem abzulegenden M
eisterstück zugleich die berufliche Qualifikation neuer
Zunftmitglieder. D
ass sie damit ein w
eiteres Mittel zur K
onkurrenzbegrenzung in Händen
hielt, liegt auf der Hand, zum
al nach Ausw
eis zahlloser Prozesse das Meisterstück auch eine
hohe finanzielle Hürde bedeutete, w
enn etwa von einem
Möbelschreiner die A
nfertigungeiner äußerst kunstvollen, aber später unverkäuflichen K
omm
ode gefordert wurde.
Friedrich Lenger
16
Nun deutet der H
inweis auf Prozesse – gem
eint sind hier vor allem solche vor den
Reichsgerichten – bereits darauf hin, dass die Zünfte keinesw
egs so autonom operieren
konnten, wie sie dies selbst beanspruchten. 6Zur A
ufnahme m
issliebiger Bew
erber in dieZunft konnten sie von städtischer oder staatlicher Seite durchaus gezw
ungen werden. U
nddoch bot die enge Verbindung von M
eisterprüfung und Aufnahm
e in die Zunft, Ehe-schließung und A
ufnahme ins B
ürgerrecht den auf komm
unaler Ebene einflussreichenH
andwerkern einer Stadt viele M
öglichkeiten, Konkurrenz abzuw
ehren. Die M
eister-prüfung w
ar eben bis ins 19. Jahrhundert hinein weit m
ehr als der Abschluss einer gere-
gelten Berufsausbildung und zugleich Voraussetzung der Eheschließung und des Erwerbs
des Bürgerrechts. Und die A
ufnahme in die Zunft w
urde dementsprechend nicht allein aus
wirtschaftlichen M
otiven heraus abgelehnt. Mindestens ebenso w
ichtig war die Ehrbar-
keit des Bewerbers, w
orunter vor allem seine eheliche G
eburt, sein Ledigsein während der
Gesellenzeit und nicht zuletzt seine K
onfession verstanden wurden. 7
Zwischen A
nspruch und Wirklichkeit zünftisch organisierten H
andwerks klaffte nicht
erst im 17. oder 18. Jahrhundert eine tiefe K
luft, auch wenn die G
eschichtsschreibungdes 19. Jahrhunderts gerne das B
ild einer blühenden Handw
erkswelt des Spätm
ittelaltersund eines sich daran anschließenden Verfalls gezeichnet hat. 8Zu den Verfallssym
ptomen
ist dabei zum einen die sog. Schließung der Zünfte gezählt w
orden. Eine solche Abschot-
tung, wie sie etw
a an der ausschließlichen Aufnahm
e der meist privilegierten örtlichen
Meistersöhne ablesbar w
äre, lässt sich aber für kaum eine m
itteleuropäische Zunft derZeit nachw
eisen. Zum anderen ist gerne die innovationsfeindliche H
altung der Zünfte,ihre gleichsam
maschinenstürm
erische Qualität betont w
orden. Auch hier handelt es sich
um recht einseitige Zuspitzungen. Zw
ar lehnten viele Zünfte von außen komm
ende Inno-vationen ab, entw
ickelten aber nicht selten innerhalb ihres eigenen Kosm
os wichtige
Neuerungen. Strukturell begrenzten aber die Vorschriften über die einem
Gew
erbe zu-gehörigen Endprodukte und die zu verw
endenden Werkstoffe das Innovationspotential.
Wichtige den W
ettbewerb hem
mende M
aßnahmen, w
ie die eingangs angesprochene Be-
grenzung der Lehrlings- und der Gesellenzahl, griffen dagegen in der R
egel nicht. 9
2.Den gew
ichtigsten Grund aber, die w
irtschaftlichen Konsequenzen zünftischer B
e-schränkungen der G
ewerbefreiheit nicht zu überschätzen, liefert der Vergleich von R
e-gionen, die die G
ewerbefreiheit einführten, und solchen, die an der zünftischen O
rgani-sation des H
andwerks festhielten. B
ekanntlich hatte ja Preußen 1810 die Gew
erbefreiheiteingeführt, w
ährend dies in den meisten übrigen deutschen Staaten erst in den 1860er
Jahren erfolgte. Und dennoch gibt es in den vorliegenden Strukturdaten zur Entw
icklungdes H
andwerks kaum
Hinw
eise darauf, dass diese ordnungspolitische Differenz von grö-
Qualitätssicherung und M
arktzugangsbeschränkungen17
–die korporative O
rganisation, die regional differierend und abhängig von politischenR
ahmenbedingungen verschiedene Funktionen w
ahrnehmen kann und die sich aus-
gehend von der politischen Zunft des Spätmittelalters über die A
ufhebung des Zunft-zw
anges hinweg in veränderter Form
bis in die Gegenw
art erhalten hat. 4
1.Schon im Spätm
ittelalter treten die hier an den Anfang gestellten W
esensmerkm
ale undder von ihnen gebildete Spannungsbogen zw
ischen Qualitätssicherung auf der einen,
Marktzugangsbeschränkungen auf der anderen Seite deutlich hervor: D
ie Zunft (oder dasA
mt) als Zusam
menschluss aller selbständigen H
andwerksm
eister eines Gew
erbes suchtedie sog. N
ahrung ihrer Mitglieder durch die M
onopolisierung ihres genau definiertenA
rbeits- bzw. Produktionsbereiches sicherzustellen, wobei die A
bgrenzung der Zustän-digkeiten häufig A
nlass zu Streit unter den Zünften bot. Wenn m
an liest, dass in Nürn-
berg das mit der H
erstellung von Harnischen befasste Plattnerhandw
erk in 12 Unter-
handwerke ausdifferenziert w
ar, „die jeweils ein Teil oder m
ehrere Teile der Platten-harnische fertigten“, überrascht das nicht. 5D
ie Zünfte wachten aber nicht nur eifersüch-
tig über die ihnen jeweils vorbehaltenen A
rbeits- und Fertigungsbereiche, sondern ver-folgten auch rigoros jede außerzünftische Produktion, sei es durch das Landhandw
erk,sei es durch die sog. Pfuscher innerhalb der Stadt. U
nd schließlich limitierten sie die Zahl
der zu beschäftigenden Lehrlinge und Gesellen je B
etrieb, um U
ngleichheiten innerhalbder Zunft vorzubeugen. N
eben solchen Mechanism
en der Marktbegrenzung w
ar unterw
irtschaftlichen Gesichtspunkten die Q
ualitätssicherung – nicht zuletzt im B
ereich derA
usbildung – die wichtigste Funktion der Zunft. M
it Blick auf die A
usbildung sind ihreLeistungen nur schw
er einzuschätzen: Zum einen ist die B
lüte der Handw
erkskunst desausgehenden M
ittelalters – etwa im
Bereich der G
oldschmiedekunst – unübersehbar.
Und dazu trug das hier und in m
anch anderem G
ewerbe entw
ickelte und weite Teile
Europas umspannende, allerdings konfessionelle G
renzen beachtende, System der G
e-sellenw
anderung maßgeblich bei, brachte es doch zahlreiche G
esellen vorübergehend inw
ohlbekannte Zentren einer hoch entwickelten H
andwerkskultur, w
ie etwa N
ürnberg.Zum
anderen aber ist gleichfalls unübersehbar, dass das Gesellenw
andern in vielenBerufen und über w
eite Zeiträume hinw
eg lediglich verbreitete Arbeitslosigkeit kaschierte.
Qualitätssicherung w
ar aber nicht nur im A
usbildungsbereich wichtig: D
ie Versamm
lungder Zunftm
eister, die eine eigene Jurisdiktion beanspruchte, ahndete Verstöße und kon-trollierte m
it dem abzulegenden M
eisterstück zugleich die berufliche Qualifikation neuer
Zunftmitglieder. D
ass sie damit ein w
eiteres Mittel zur K
onkurrenzbegrenzung in Händen
hielt, liegt auf der Hand, zum
al nach Ausw
eis zahlloser Prozesse das Meisterstück auch eine
hohe finanzielle Hürde bedeutete, w
enn etwa von einem
Möbelschreiner die A
nfertigungeiner äußerst kunstvollen, aber später unverkäuflichen K
omm
ode gefordert wurde.
Friedrich Lenger
16
Nun deutet der H
inweis auf Prozesse – gem
eint sind hier vor allem solche vor den
Reichsgerichten – bereits darauf hin, dass die Zünfte keinesw
egs so autonom operieren
konnten, wie sie dies selbst beanspruchten. 6Zur A
ufnahme m
issliebiger Bew
erber in dieZunft konnten sie von städtischer oder staatlicher Seite durchaus gezw
ungen werden. U
nddoch bot die enge Verbindung von M
eisterprüfung und Aufnahm
e in die Zunft, Ehe-schließung und A
ufnahme ins B
ürgerrecht den auf komm
unaler Ebene einflussreichenH
andwerkern einer Stadt viele M
öglichkeiten, Konkurrenz abzuw
ehren. Die M
eister-prüfung w
ar eben bis ins 19. Jahrhundert hinein weit m
ehr als der Abschluss einer gere-
gelten Berufsausbildung und zugleich Voraussetzung der Eheschließung und des Erw
erbsdes B
ürgerrechts. Und die A
ufnahme in die Zunft w
urde dementsprechend nicht allein aus
wirtschaftlichen M
otiven heraus abgelehnt. Mindestens ebenso w
ichtig war die Ehrbar-
keit des Bew
erbers, worunter vor allem
seine eheliche Geburt, sein Ledigsein w
ährend derG
esellenzeit und nicht zuletzt seine Konfession verstanden w
urden. 7
Zwischen A
nspruch und Wirklichkeit zünftisch organisierten H
andwerks klaffte nicht
erst im 17. oder 18. Jahrhundert eine tiefe K
luft, auch wenn die G
eschichtsschreibungdes 19. Jahrhunderts gerne das B
ild einer blühenden Handw
erkswelt des Spätm
ittelaltersund eines sich daran anschließenden Verfalls gezeichnet hat. 8Zu den Verfallssym
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ist dabei zum einen die sog. Schließung der Zünfte gezählt w
orden. Eine solche Abschot-
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a an der ausschließlichen Aufnahm
e der meist privilegierten örtlichen
Meistersöhne ablesbar w
äre, lässt sich aber für kaum eine m
itteleuropäische Zunft derZeit nachw
eisen. Zum anderen ist gerne die innovationsfeindliche H
altung der Zünfte,ihre gleichsam
maschinenstürm
erische Qualität betont w
orden. Auch hier handelt es sich
um recht einseitige Zuspitzungen. Zw
ar lehnten viele Zünfte von außen komm
ende Inno-vationen ab, entw
ickelten aber nicht selten innerhalb ihres eigenen Kosm
os wichtige
Neuerungen. Strukturell begrenzten aber die Vorschriften über die einem
Gew
erbe zu-gehörigen Endprodukte und die zu verw
endenden Werkstoffe das Innovationspotential.
Wichtige den W
ettbewerb hem
mende M
aßnahmen, w
ie die eingangs angesprochene Be-
grenzung der Lehrlings- und der Gesellenzahl, griffen dagegen in der R
egel nicht. 9
2.Den gew
ichtigsten Grund aber, die w
irtschaftlichen Konsequenzen zünftischer B
e-schränkungen der G
ewerbefreiheit nicht zu überschätzen, liefert der Vergleich von R
e-gionen, die die G
ewerbefreiheit einführten, und solchen, die an der zünftischen O
rgani-sation des H
andwerks festhielten. B
ekanntlich hatte ja Preußen 1810 die Gew
erbefreiheiteingeführt, w
ährend dies in den meisten übrigen deutschen Staaten erst in den 1860er
Jahren erfolgte. Und dennoch gibt es in den vorliegenden Strukturdaten zur Entw
icklungdes H
andwerks kaum
Hinw
eise darauf, dass diese ordnungspolitische Differenz von grö-
Qualitätssicherung und M
arktzugangsbeschränkungen17
ßerer Bedeutung gew
esen wäre. H
ellsichtigen Zeitgenossen war das – w
ie auch dieG
ründe dafür – nur zu bewusst: „W
ir wissen alle“, so konnte m
an z.B. 1844 in der H
ol-steinischen Ständeversam
mlung hören, „daß factisch bei uns eine G
ewerbefreiheit besteht,
dieselbe ist aber durchaus principlos, hunderte von Handw
erkern sind concessioniert undebenso viele treiben sich herum
, ohne Concessionen zu haben.“
10Von daher sollte auchnicht überraschen, dass der im
18. und frühen 19. Jahrhundert gewerblich am
stärkstenentw
ickelte deutsche Staat, das Königreich Sachsen, noch lange an der Zunftverfassung
festhielt. Der industriellen Entw
icklung Sachsens und seit den 1830er/1840er Jahrenauch anderer deutscher R
egionen stand die im A
lltag wenig w
irksame Zunftverfassung
also nicht im W
ege.
Gleichw
ohl blieb die zünftische Denkw
eise dominant, w
ie sich vor allem in der R
evolu-tion von 1848/49 überdeutlich zeigte. Eine R
eihe überregionaler Handw
erkerkongresseforderte einm
ütig die Abschaffung der G
ewerbefreiheit sow
ie eine Gew
erbeordnung, dieeine nur leicht reform
ierte Variante der oben skizzierten Zunftverfassung bedeutet hätte.Von rund 1200 Petitionen, die H
andwerkerorganisationen an die Frankfurter N
ational-versam
mlung schickten, stim
mten die allerm
eisten diesen in einem Entw
urf einer Hand-
werks- und G
ewerbeordnung form
ulierten Forderungen zu. Bezeichnend für die Präge-
kraft der handwerklichen Vorstellungsw
elt ist auch, dass die Forderungen der entstehen-den A
rbeiterbewegung und insbesondere einiger früher G
ewerkschaften deren Logik
widerspiegelten. So w
ollten die überwiegend heim
gewerblich oder in M
anufakturen ar-beitenden Zigarrenm
acher ihre Situation durch den Ausschluss von Frauen und durch die
Begrenzung der Lehrlingszahlen verbessern. 11
Für breite Bevölkerungsschichten w
ar also bis weit ins 19. Jahrhundert hinein das M
o-dell der spätm
ittelalterlichen Handw
erkszunft bestimm
end für ihre Vorstellungen voneiner gerechten G
esellschaft, ohne dass in der Regel über die H
ärten, die das Mittel
des Marktausschlusses für die B
etroffenen nach sich gezogen hätte, intensiver nachge-dacht w
orden wäre. D
urchsetzbar waren derlei Vorstellungen in den R
evolutionsjahren1848/49 nicht, und so standen die auch nach 1849 vor allem
in Süddeutschland nochfortbestehenden B
eschränkungen der Gew
erbefreiheit der industriellen Entwicklung
nicht wirklich im
Wege. Vielm
ehr wird m
an umgekehrt festhalten m
üssen, dass das Hand-
werk über seine A
usbildungsleistung einen wichtigen B
eitrag zur Industriellen Revo-
lution in Mitteleuropa geleistet hat. D
as gilt weniger für die in D
eutschland entschei-denden Führungssektoren w
ie Eisenbahnbau, Bergbau und Eisen- und Stahlindustrie,
die ganz überwiegend m
it unqualifizierten Arbeitskräften arbeiteten, die zum
Teil ausItalien und Polen rekrutiert w
urden. Es gilt aber umso m
ehr für den Maschinenbau, der
auf lange Zeit eine Schlüsselbranche blieb, und ganz maßgeblich von U
nternehmern
mit handw
erklichem H
intergrund aufgebaut wurde. H
ier mochten auch die staatlichen
Gew
erbeschulen einen Beitrag leisten, aber w
enn man liest, dass sie einen A
ugust Borsig
Friedrich Lenger
18
als „technisch unbegabt“ exmatrikulierten, w
ird man diesen B
eitrag vielleicht nicht allzuhoch veranschlagen w
ollen. 12
Die B
edeutung der handwerklichen Tradition als R
ahmenvoraussetzung für die indus-
trielle Entwicklung D
eutschlands ist also hoch zu veranschlagen. Um
gekehrt gilt es auchdie K
onsequenzen der Industrialisierung für das Handw
erk kurz zu skizzieren, da sie oftfalsch und allzu negativ eingeschätzt w
urden. Die die D
ebatten dominierende Verdrän-
gung handwerklicher Produktion durch fabrikindustrielle führte näm
lich nur in wenigen
Fällen zum Verschw
inden einzelner Handw
erkszweige. D
ie Nagelschm
iede wären ein
solcher Fall. Sehr viel typischer waren zw
ei andere Muster. Zum
einen gab es eine ganzeR
eihe von Handw
erkszweigen, deren Tätigkeitsfeld sich in R
ichtung Installation, Repa-
ratur und Handel verschob, w
eil sie in der Neuanfertigung nicht länger konkurrenzfähig
waren. H
ier wären etw
a Schlosser und Klem
pner zu nennen, für das späte 19. und das20. Jahrhundert aber auch N
ähmaschinen- und Fahrradm
echaniker oder Elektrohand-w
erker, Berufszw
eige also, die ihre Existenz überhaupt erst der industriellen Ent-w
icklung verdankten. Zum anderen – und aufgrund der zahlenm
äßigen Dom
inanz vonSchneidern, Schuhm
achern, Tischlern, Zimm
erleuten und Maurern w
ichtiger – gab eseine schon in der ersten H
älfte des 19. Jahrhunderts sichtbare Tendenz, dass zuvor selb-ständige H
andwerker den direkten Zugang zum
Kunden verloren. A
uf Bestellung w
urdezunehm
end seltener gearbeitet, und Schneider, Schuhmacher und M
öbeltischler konntenoft kein eigenes Ladenlokal finanzieren, um
so den Zugang zum M
arkt zu behaupten.Stattdessen gerieten sie häufig in A
bhängigkeit von Verlegern, Kaufleuten also, die ihnen
die Arbeitsm
aterialien vorstreckten und später ihre Arbeitsprodukte in M
agazinen ver-trieben. D
ie Kapitalkraft des H
andels, nicht die Überlegenheit der fabrikindustriellen
Produktion, die bei Kleidung, Schuhen und M
öbeln bis ins frühe 20. Jahrhundert hineinkaum
eine Rolle spielte, bedrohte hier die handw
erkliche Existenz. Und w
ie in diesenM
assenhandwerken kam
auch im B
augewerbe die lange übliche Produktion auf B
estel-lung zunehm
end außer Übung. H
erkömm
licherweise übernahm
ein Baum
eister den Bau
eines Hauses auf B
estellung und bekam die dazu nötigen B
aumaterialien vom
Bauherrn
gestellt. Nun aber gew
annen der Bau auf eigene R
echnung und die Bauspekulation an
Gew
icht. 13Häuser zu errichten, für die m
an noch keine Käufer hatte, w
ar aber ungleichkapitalintensiver als das herköm
mliche B
auen auf Bestellung. D
as führte zu einer Pola-risierung zw
ischen einigen Groß- und einer Vielzahl kleinerer B
etriebe. Letztere arbei-teten häufig im
Auftrag einiger G
roßfirmen, w
urden aber auch nicht selten Opfer m
ittel-loser Zw
ischenunternehmer, deren Insolvenz sie in den R
uin trieb. Klagen über ein Preis
und Qualität drückendes Subm
issionswesen begleiten das B
auhandwerk gleichfalls seit
dem späten 19. Jahrhundert.
Auch w
enn also bei den zahlenmäßig w
ichtigsten Handw
erken der Schneider, Schuh-m
acher, Schreiner, Maurer und Zim
merleute nicht die produktionstechnische U
nter-
Qualitätssicherung und M
arktzugangsbeschränkungen19
ßerer Bedeutung gew
esen wäre. H
ellsichtigen Zeitgenossen war das – w
ie auch dieG
ründe dafür – nur zu bewusst: „W
ir wissen alle“, so konnte m
an z.B. 1844 in der H
ol-steinischen Ständeversam
mlung hören, „daß factisch bei uns eine G
ewerbefreiheit besteht,
dieselbe ist aber durchaus principlos, hunderte von Handw
erkern sind concessioniert undebenso viele treiben sich herum
, ohne Concessionen zu haben.“
10Von daher sollte auchnicht überraschen, dass der im
18. und frühen 19. Jahrhundert gewerblich am
stärkstenentw
ickelte deutsche Staat, das Königreich Sachsen, noch lange an der Zunftverfassung
festhielt. Der industriellen Entw
icklung Sachsens und seit den 1830er/1840er Jahrenauch anderer deutscher R
egionen stand die im A
lltag wenig w
irksame Zunftverfassung
also nicht im W
ege.
Gleichw
ohl blieb die zünftische Denkw
eise dominant, w
ie sich vor allem in der R
evolu-tion von 1848/49 überdeutlich zeigte. Eine R
eihe überregionaler Handw
erkerkongresseforderte einm
ütig die Abschaffung der G
ewerbefreiheit sow
ie eine Gew
erbeordnung, dieeine nur leicht reform
ierte Variante der oben skizzierten Zunftverfassung bedeutet hätte.Von rund 1200 Petitionen, die H
andwerkerorganisationen an die Frankfurter N
ational-versam
mlung schickten, stim
mten die allerm
eisten diesen in einem Entw
urf einer Hand-
werks- und G
ewerbeordnung form
ulierten Forderungen zu. Bezeichnend für die Präge-
kraft der handwerklichen Vorstellungsw
elt ist auch, dass die Forderungen der entstehen-den A
rbeiterbewegung und insbesondere einiger früher G
ewerkschaften deren Logik
widerspiegelten. So w
ollten die überwiegend heim
gewerblich oder in M
anufakturen ar-beitenden Zigarrenm
acher ihre Situation durch den Ausschluss von Frauen und durch die
Begrenzung der Lehrlingszahlen verbessern. 11
Für breite Bevölkerungsschichten w
ar also bis weit ins 19. Jahrhundert hinein das M
o-dell der spätm
ittelalterlichen Handw
erkszunft bestimm
end für ihre Vorstellungen voneiner gerechten G
esellschaft, ohne dass in der Regel über die H
ärten, die das Mittel
des Marktausschlusses für die B
etroffenen nach sich gezogen hätte, intensiver nachge-dacht w
orden wäre. D
urchsetzbar waren derlei Vorstellungen in den R
evolutionsjahren1848/49 nicht, und so standen die auch nach 1849 vor allem
in Süddeutschland nochfortbestehenden B
eschränkungen der Gew
erbefreiheit der industriellen Entwicklung
nicht wirklich im
Wege. Vielm
ehr wird m
an umgekehrt festhalten m
üssen, dass das Hand-
werk über seine A
usbildungsleistung einen wichtigen B
eitrag zur Industriellen Revo-
lution in Mitteleuropa geleistet hat. D
as gilt weniger für die in D
eutschland entschei-denden Führungssektoren w
ie Eisenbahnbau, Bergbau und Eisen- und Stahlindustrie,
die ganz überwiegend m
it unqualifizierten Arbeitskräften arbeiteten, die zum
Teil ausItalien und Polen rekrutiert w
urden. Es gilt aber umso m
ehr für den Maschinenbau, der
auf lange Zeit eine Schlüsselbranche blieb, und ganz maßgeblich von U
nternehmern
mit handw
erklichem H
intergrund aufgebaut wurde. H
ier mochten auch die staatlichen
Gew
erbeschulen einen Beitrag leisten, aber w
enn man liest, dass sie einen A
ugust Borsig
Friedrich Lenger
18
als „technisch unbegabt“ exmatrikulierten, w
ird man diesen B
eitrag vielleicht nicht allzuhoch veranschlagen w
ollen. 12
Die B
edeutung der handwerklichen Tradition als R
ahmenvoraussetzung für die indus-
trielle Entwicklung D
eutschlands ist also hoch zu veranschlagen. Um
gekehrt gilt es auchdie K
onsequenzen der Industrialisierung für das Handw
erk kurz zu skizzieren, da sie oftfalsch und allzu negativ eingeschätzt w
urden. Die die D
ebatten dominierende Verdrän-
gung handwerklicher Produktion durch fabrikindustrielle führte näm
lich nur in wenigen
Fällen zum Verschw
inden einzelner Handw
erkszweige. D
ie Nagelschm
iede wären ein
solcher Fall. Sehr viel typischer waren zw
ei andere Muster. Zum
einen gab es eine ganzeR
eihe von Handw
erkszweigen, deren Tätigkeitsfeld sich in R
ichtung Installation, Repa-
ratur und Handel verschob, w
eil sie in der Neuanfertigung nicht länger konkurrenzfähig
waren. H
ier wären etw
a Schlosser und Klem
pner zu nennen, für das späte 19. und das20.Jahrhundert aber auch N
ähmaschinen- und Fahrradm
echaniker oder Elektrohand-w
erker, Berufszw
eige also, die ihre Existenz überhaupt erst der industriellen Ent-w
icklung verdankten. Zum anderen – und aufgrund der zahlenm
äßigen Dom
inanz vonSchneidern, Schuhm
achern, Tischlern, Zimm
erleuten und Maurern w
ichtiger – gab eseine schon in der ersten H
älfte des 19. Jahrhunderts sichtbare Tendenz, dass zuvor selb-ständige H
andwerker den direkten Zugang zum
Kunden verloren. A
uf Bestellung w
urdezunehm
end seltener gearbeitet, und Schneider, Schuhmacher und M
öbeltischler konntenoft kein eigenes Ladenlokal finanzieren, um
so den Zugang zum M
arkt zu behaupten.Stattdessen gerieten sie häufig in A
bhängigkeit von Verlegern, Kaufleuten also, die ihnen
die Arbeitsm
aterialien vorstreckten und später ihre Arbeitsprodukte in M
agazinen ver-trieben. D
ie Kapitalkraft des H
andels, nicht die Überlegenheit der fabrikindustriellen
Produktion, die bei Kleidung, Schuhen und M
öbeln bis ins frühe 20. Jahrhundert hineinkaum
eine Rolle spielte, bedrohte hier die handw
erkliche Existenz. Und w
ie in diesenM
assenhandwerken kam
auch im B
augewerbe die lange übliche Produktion auf B
estel-lung zunehm
end außer Übung. H
erkömm
licherweise übernahm
ein Baum
eister den Bau
eines Hauses auf B
estellung und bekam die dazu nötigen B
aumaterialien vom
Bauherrn
gestellt. Nun aber gew
annen der Bau auf eigene R
echnung und die Bauspekulation an
Gew
icht. 13Häuser zu errichten, für die m
an noch keine Käufer hatte, w
ar aber ungleichkapitalintensiver als das herköm
mliche B
auen auf Bestellung. D
as führte zu einer Pola-risierung zw
ischen einigen Groß- und einer Vielzahl kleinerer B
etriebe. Letztere arbei-teten häufig im
Auftrag einiger G
roßfirmen, w
urden aber auch nicht selten Opfer m
ittel-loser Zw
ischenunternehmer, deren Insolvenz sie in den R
uin trieb. Klagen über ein Preis
und Qualität drückendes Subm
issionswesen begleiten das B
auhandwerk gleichfalls seit
dem späten 19. Jahrhundert.
Auch w
enn also bei den zahlenmäßig w
ichtigsten Handw
erken der Schneider, Schuh-m
acher, Schreiner, Maurer und Zim
merleute nicht die produktionstechnische U
nter-
Qualitätssicherung und M
arktzugangsbeschränkungen19
legenheit, sondern allein die relative Kapitalknappheit zum
entscheidenden Wettbew
erbs-nachteil w
urde, unterschied sich das Baugew
erbe ansonsten doch in wichtigen Punkten
von den genannten Massenhandw
erken. Anders als bei diesen w
ar die selbständigeExistenz schon in vorm
odernen Zeiten nicht der erwartbare Schlusspunkt handw
erkli-cher A
usbildung. Dafür w
aren die Beschäftigtenzahlen pro B
etrieb schon imm
er zu groß.W
enn Berliner M
aurermeister in den 1840er Jahren durchschnittlich 20 G
esellen undLehrlinge beschäftigten, ihre Zim
mererkollegen im
merhin noch 15, dann m
achen dieseaus heutiger Sicht niedrigen Zahlen doch einsichtig, dass nicht jeder G
eselle zumM
eister aufsteigen konnte. Nur im
Baugew
erbe gab es deshalb lange vor 1800 verheira-tete G
esellen, für die der Gesellenstatus eben kein vorübergehender m
ehr war. 14D
a sichtechnisch im
Baugew
erbe während der Industriellen R
evolution zunächst nur wenig
änderte, blieb auch die Ausbildungsw
eise weitgehend konstant. D
abei lässt sich nach-w
eisen, dass Bauhandw
erker besonders häufig die nach der Jahrhundertmitte zunehm
enderrichteten H
andwerkerfortbildungsschulen besuchten. B
ei einer Gesam
tschülerzahl die-ser Einrichtungen in Preußen von knapp 30000 M
itte der 1860er Jahre war dies aber
auch im B
auhandwerk keinesw
egs die Regel. 15W
ährend also im B
augewerbe A
usbil-dung und Q
ualitätssicherung in der Industriellen Revolution im
Kern unverändert blie-
ben, spielten sich in der Schneiderei, der Schuhmacherei und der M
öbeltischlerei massive
Dequalifizierungsprozesse ab, da die Verleger die A
rbeitsteilung vorantrieben und bei-spielsw
eise Schneider zu Ärm
eleinsetzern, Möbeltischler zu Stuhlm
achern spezialisier-ten. H
andwerkliche Q
ualität wurde etw
a bei der Möbelherstellung am
ehesten noch inder Fabrik sichergestellt. D
enn während die Produkte der zu H
eimarbeitern degradierten
Kleinhandw
erker erst im M
öbelmagazin nach G
utdünken zu kompletten Einrichtungen
zusamm
engestellt wurden, stellten in der Fabrik hoch qualifizierte H
andwerker Einzel-
stücke ohne größeren Maschineneinsatz nach einem
zuvor festgelegten Gesam
tplan auseinheitlichen M
aterialien her. 16
Vor dem H
intergrund der damit nur für einige H
andwerkszw
eige angedeuteten Struk-turw
andlungsprozesse scheint es durchaus nachvollziehbar, dass Nationalökonom
en wie
Karl B
ücher im ausgehenden 19. Jahrhundert das H
andwerk in G
efahr sahen zwischen
Heim
gewerbe und Fabrik zerrieben zu w
erden. Der Verein für Socialpolitik, dem
Bücher
wie die m
eisten seiner Kollegen angehörte, veranstaltete deshalb in den späten 1890er
Jahren eine umfassende Enquete zur Lage des H
andwerks. A
us ihr zogen viele Zeitge-nossen den Schluss, dem
Handw
erk könne allein mit der W
iedereinführung von Markt-
zugangsbeschränkungen geholfen werden, die m
it der vom D
eutschen Reich 1871 über-
nomm
enen Gew
erbeordnung des Norddeutschen B
undes endgültig abgeschafft zu seinschienen. D
abei fallen die Forderungen nach Handw
erkerschutz zeitlich im W
esent-lichen zusam
men m
it der noch grundsätzlicheren Debatte um
die Frage, ob Deutschland
ein exportorientierter Industriestaat werden oder agrarisch autark bleiben solle. A
nge-sichts der hohen w
eltwirtschaftlichen Verflechtung D
eutschlands war die Frage realiter
Friedrich Lenger
20
längst entschieden, und doch ist die heute befremdlich anm
utende Debatte w
ichtig, umverstehen zu können, w
arum es die Interessenvertreter des H
andwerks in den späten
1890er Jahren vermochten, einen erheblichen Teil ihrer traditionellen Forderungen
durchzusetzen. 17Konkret ging es um
die seit den frühen 1880er Jahren wieder vehem
entvon der im
Allgem
einen Deutschen H
andwerkerbund zusam
mengeschlossenen H
and-w
erkerbewegung geforderten Ziele der Zw
angsinnung und des Befähigungsnachw
eises,zum
einen also um die Zw
angsmitgliedschaft aller selbständigen H
andwerker in Innungen
und zum anderen um
die Bindung der B
erechtigung zum selbständigen G
ewerbebetrieb
an die Meisterprüfung. So sehr sich also das H
andwerk auch strukturell gew
andelt hatte,lagen seine Forderungen doch ganz in der Fluchtlinie einer bis ins Spätm
ittelalterzurückreichenden Tradition. Verw
irklicht wurden sie im
Kaiserreich nur zum
Teil, 1897m
it der fakultativen Zwangsinnung, die den Innungszw
ang an einen vorherigen Mehr-
heitsentscheid der betroffenen Handw
erker band, und 1908 mit dem
sog. kleinen Befähi-
gungsnachweis, der zw
ar nicht den selbständigen Gew
erbebetrieb, aber die Lehrlings-ausbildung den geprüften M
eistern vorbehielt. 18
Nun ist es nahe liegend den kleinen B
efähigungsnachweis nicht allein als M
arkteingriff,sondern auch und vor allem
als Verbesserung der Qualitätssicherung zu verstehen. H
ierist indessen vor allzu großem
Optim
ismus zu w
arnen: Der Vorw
urf der Lehrlingszüch-terei, also der B
eschäftigung von zahlreichen billigen Lehrlingen anstelle von Gesellen,
war im
Kaiserreich w
ie auch in der Weim
arer Republik ein w
iederkehrendes Motiv der
Kritik am
Handw
erk. Die Zeiten eines Theodor H
ermann Leifeld, der als K
orbflech-term
eister das Protokoll einer Gesellenprüfung noch in den späten 1850er Jahren m
itdrei K
reuzen unterzeichnet hatte, mochten vorüber sein. 19A
ber da „der Lehrherr nach§ 127 G
O den Lehrling nur ,in den bei seinem
Betriebe vorkom
menden A
rbeiten des Ge-
werbes’zu unterw
eisen hatte“, änderte die Beschränkung der A
usbildung auf Meister-
betriebe nichts an dem im
mer deutlicher hervortretenden H
auptproblem, dass näm
lichaufgrund der bereits angesprochenen, zunehm
enden Spezialisierung der Betriebe gerade
auch in Richtung R
eparatur und Installation hier eine Vollqualifizierung in einemH
andwerk nicht m
ehr erworben w
erden konnte. 20B
ei den Gesellenprüfungen w
arensolche engen betrieblichen Profile ausdrücklich zu berücksichtigen. Ein deutlicherIndikator für die M
isere der Handw
erksausbildung in vielen Branchen w
ar, dass dieIndustrie – verstärkt seit dem
Ersten Weltkrieg – dazu überging, ihren Facharbeiter-
nachwuchs selbst auszubilden. U
nd obwohl es in den 1920er Jahren vereinzelt zur
Zusamm
enarbeit zwischen Industrie- und H
andwerkskam
mern auf dem
Gebiete des
Prüfungswesens kam
, lag doch das Schwergew
icht handwerkspolitischen Engagem
entsauf der Verhinderung der G
leichstellung von Facharbeiter- und Gesellenprüfung. „Erst
1936 wurden die von der Industrie- und H
andelskamm
er geprüften Facharbeiter bei derZulassung zur M
eisterprüfung den Handw
erksgesellen gleichgestellt“. 21Die handw
erk-liche Skepsis blieb w
ährend der Weim
arer Republik aber nicht auf die von der Industrie
Qualitätssicherung und M
arktzugangsbeschränkungen21
legenheit, sondern allein die relative Kapitalknappheit zum
entscheidenden Wettbew
erbs-nachteil w
urde, unterschied sich das Baugew
erbe ansonsten doch in wichtigen Punkten
von den genannten Massenhandw
erken. Anders als bei diesen w
ar die selbständigeExistenz schon in vorm
odernen Zeiten nicht der erwartbare Schlusspunkt handw
erkli-cher A
usbildung. Dafür w
aren die Beschäftigtenzahlen pro B
etrieb schon imm
er zu groß.W
enn Berliner M
aurermeister in den 1840er Jahren durchschnittlich 20 G
esellen undLehrlinge beschäftigten, ihre Zim
mererkollegen im
merhin noch 15, dann m
achen dieseaus heutiger Sicht niedrigen Zahlen doch einsichtig, dass nicht jeder G
eselle zumM
eister aufsteigen konnte. Nur im
Baugew
erbe gab es deshalb lange vor 1800 verheira-tete G
esellen, für die der Gesellenstatus eben kein vorübergehender m
ehr war. 14D
a sichtechnisch im
Baugew
erbe während der Industriellen R
evolution zunächst nur wenig
änderte, blieb auch die Ausbildungsw
eise weitgehend konstant. D
abei lässt sich nach-w
eisen, dass Bauhandw
erker besonders häufig die nach der Jahrhundertmitte zunehm
enderrichteten H
andwerkerfortbildungsschulen besuchten. B
ei einer Gesam
tschülerzahl die-ser Einrichtungen in Preußen von knapp 30000 M
itte der 1860er Jahre war dies aber
auch im B
auhandwerk keinesw
egs die Regel. 15W
ährend also im B
augewerbe A
usbil-dung und Q
ualitätssicherung in der Industriellen Revolution im
Kern unverändert blie-
ben, spielten sich in der Schneiderei, der Schuhmacherei und der M
öbeltischlerei massive
Dequalifizierungsprozesse ab, da die Verleger die A
rbeitsteilung vorantrieben und bei-spielsw
eise Schneider zu Ärm
eleinsetzern, Möbeltischler zu Stuhlm
achern spezialisier-ten. H
andwerkliche Q
ualität wurde etw
a bei der Möbelherstellung am
ehesten noch inder Fabrik sichergestellt. D
enn während die Produkte der zu H
eimarbeitern degradierten
Kleinhandw
erker erst im M
öbelmagazin nach G
utdünken zu kompletten Einrichtungen
zusamm
engestellt wurden, stellten in der Fabrik hoch qualifizierte H
andwerker Einzel-
stücke ohne größeren Maschineneinsatz nach einem
zuvor festgelegten Gesam
tplan auseinheitlichen M
aterialien her. 16
Vor dem H
intergrund der damit nur für einige H
andwerkszw
eige angedeuteten Struk-turw
andlungsprozesse scheint es durchaus nachvollziehbar, dass Nationalökonom
en wie
Karl B
ücher im ausgehenden 19. Jahrhundert das H
andwerk in G
efahr sahen zwischen
Heim
gewerbe und Fabrik zerrieben zu w
erden. Der Verein für Socialpolitik, dem
Bücher
wie die m
eisten seiner Kollegen angehörte, veranstaltete deshalb in den späten 1890er
Jahren eine umfassende Enquete zur Lage des H
andwerks. A
us ihr zogen viele Zeitge-nossen den Schluss, dem
Handw
erk könne allein mit der W
iedereinführung von Markt-
zugangsbeschränkungen geholfen werden, die m
it der vom D
eutschen Reich 1871 über-
nomm
enen Gew
erbeordnung des Norddeutschen B
undes endgültig abgeschafft zu seinschienen. D
abei fallen die Forderungen nach Handw
erkerschutz zeitlich im W
esent-lichen zusam
men m
it der noch grundsätzlicheren Debatte um
die Frage, ob Deutschland
ein exportorientierter Industriestaat werden oder agrarisch autark bleiben solle. A
nge-sichts der hohen w
eltwirtschaftlichen Verflechtung D
eutschlands war die Frage realiter
Friedrich Lenger
20
längst entschieden, und doch ist die heute befremdlich anm
utende Debatte w
ichtig, umverstehen zu können, w
arum es die Interessenvertreter des H
andwerks in den späten
1890er Jahren vermochten, einen erheblichen Teil ihrer traditionellen Forderungen
durchzusetzen. 17Konkret ging es um
die seit den frühen 1880er Jahren wieder vehem
entvon der im
Allgem
einen Deutschen H
andwerkerbund zusam
mengeschlossenen H
and-w
erkerbewegung geforderten Ziele der Zw
angsinnung und des Befähigungsnachw
eises,zum
einen also um die Zw
angsmitgliedschaft aller selbständigen H
andwerker in Innungen
und zum anderen um
die Bindung der B
erechtigung zum selbständigen G
ewerbebetrieb
an die Meisterprüfung. So sehr sich also das H
andwerk auch strukturell gew
andelt hatte,lagen seine Forderungen doch ganz in der Fluchtlinie einer bis ins Spätm
ittelalterzurückreichenden Tradition. Verw
irklicht wurden sie im
Kaiserreich nur zum
Teil, 1897m
it der fakultativen Zwangsinnung, die den Innungszw
ang an einen vorherigen Mehr-
heitsentscheid der betroffenen Handw
erker band, und 1908 mit dem
sog. kleinen Befähi-
gungsnachweis, der zw
ar nicht den selbständigen Gew
erbebetrieb, aber die Lehrlings-ausbildung den geprüften M
eistern vorbehielt. 18
Nun ist es nahe liegend den kleinen B
efähigungsnachweis nicht allein als M
arkteingriff,sondern auch und vor allem
als Verbesserung der Qualitätssicherung zu verstehen. H
ierist indessen vor allzu großem
Optim
ismus zu w
arnen: Der Vorw
urf der Lehrlingszüch-terei, also der B
eschäftigung von zahlreichen billigen Lehrlingen anstelle von Gesellen,
war im
Kaiserreich w
ie auch in der Weim
arer Republik ein w
iederkehrendes Motiv der
Kritik am
Handw
erk. Die Zeiten eines Theodor H
ermann Leifeld, der als K
orbflech-term
eister das Protokoll einer Gesellenprüfung noch in den späten 1850er Jahren m
itdrei K
reuzen unterzeichnet hatte, mochten vorüber sein. 19A
ber da „der Lehrherr nach§
127 GO
den Lehrling nur ,in den bei seinem B
etriebe vorkomm
enden Arbeiten des G
e-w
erbes’zu unterweisen hatte“, änderte die B
eschränkung der Ausbildung auf M
eister-betriebe nichts an dem
imm
er deutlicher hervortretenden Hauptproblem
, dass nämlich
aufgrund der bereits angesprochenen, zunehmenden Spezialisierung der B
etriebe geradeauch in R
ichtung Reparatur und Installation hier eine Vollqualifizierung in einem
Handw
erk nicht mehr erw
orben werden konnte. 20
Bei den G
esellenprüfungen waren
solche engen betrieblichen Profile ausdrücklich zu berücksichtigen. Ein deutlicherIndikator für die M
isere der Handw
erksausbildung in vielen Branchen w
ar, dass dieIndustrie – verstärkt seit dem
Ersten Weltkrieg – dazu überging, ihren Facharbeiter-
nachwuchs selbst auszubilden. U
nd obwohl es in den 1920er Jahren vereinzelt zur
Zusamm
enarbeit zwischen Industrie- und H
andwerkskam
mern auf dem
Gebiete des
Prüfungswesens kam
, lag doch das Schwergew
icht handwerkspolitischen Engagem
entsauf der Verhinderung der G
leichstellung von Facharbeiter- und Gesellenprüfung. „Erst
1936 wurden die von der Industrie- und H
andelskamm
er geprüften Facharbeiter bei derZulassung zur M
eisterprüfung den Handw
erksgesellen gleichgestellt“. 21Die handw
erk-liche Skepsis blieb w
ährend der Weim
arer Republik aber nicht auf die von der Industrie
Qualitätssicherung und M
arktzugangsbeschränkungen21
betriebenen Lehrwerkstätten und W
erkschulen beschränkt, sondern zog die seit 1918verstärkt gegründeten B
erufsschulen mit ein, deren B
esuch keinesfalls in die Arbeitszeit
fallen sollte. Zukunftsweisend w
ar eine solche Haltung nicht, auch w
enn einzuräumen
ist, dass die berufsfachliche Profilierung des Berufsschulunterrichts zu w
ünschen übrigließ. A
uch hier fiel ein vorläufiger Abschluss der Entw
icklung in die Zeit des National-
sozialismus, denn erst das R
eichsschulpflichtgesetz vom 6. Juli 1938 verpflichtete „alle
Jugendlichen, die keine weiterführenden Schulen besuchten, zum
Berufsschulbesuch“. 22
Die G
esetzgebung der NS-Zeit fügte sich also keinesw
egs imm
er handwerklichen
Wünschen. Sie stand vielm
ehr oft genug in weit zurück reichenden Traditionen. D
as giltauch für die R
egelungen, in denen gelegentlich ein Triumph der H
andwerkerbew
egungim
„III. Reich“ gesehen w
orden ist. Diese Sicht ist zw
ar insofern zutreffend, als dass mit
dem G
roßen Befähigungsnachw
eis und der Zwangsinnung 1935 die beiden zentralen
Forderungen der Handw
erkerbewegung erfüllt w
urden, doch handelte es sich eben nichtum
genuin nationalsozialistische Errungenschaften, sondern um die U
msetzung hand-
werklicher Vorstellungen einer gebundenen W
irtschaft, die in ganz ähnlicher Form seit
fast 100 Jahren imm
er wieder vertreten w
orden waren und letztlich noch sehr viel ältere
Wurzeln besaßen. 23A
uch darf man die W
irkung der angeführten Maßnahm
en nicht über-schätzen: „D
ie Einführung des Großen B
efähigungsnachweises bedeutete“ näm
lich kei-nesw
egs, „daß die handwerklichen B
etriebsinhaber ohne Meistertitel – 1936 noch 70%
aller selbständigen Handw
erker – ihrer Berufsstellung verlustig gingen. N
ur soweit sie
nach dem 31. D
ezember 1931 in die [w
enige Jahre zuvor eingeführte] Handw
erksrolleeingetragen w
orden waren, w
urden sie zur Nachholung der M
eisterprüfung bis zum31.D
ezember 1939 verpflichtet.“
24Und auch die endlich obligatorische Innungsm
itglied-schaft w
ird man angesichts der G
leichschaltung von Innungen und Kam
mern schw
erlichals Vollendung handw
erklicher Selbstverwaltungstraditionen verstehen w
ollen.N
ur zubald w
aren diese Körperschaften zudem
einbezogen in die „Auskäm
maktionen“ von
1939 und 1943, bei denen Kleingew
erbetreibende entschädigungslos zur Aufgabe ihrer
Betriebe gezw
ungen werden konnten. 25
Dem
entsprechend konnte neue Betriebe nur
gegründet werden, w
enn eine Bedürfnisprüfung ihre „,volksw
irtschaftliche Notw
en-digkeit’(…
) im R
ahmen der K
riegswirtschaft“ erw
iesen hatte. 26Wie schon im
ErstenW
eltkrieg nahm das H
andwerk in der K
riegswirtschaft nur einen nachrangigen Platz ein.
3.Die H
andwerksordnung des „III. R
eichs“ in weiter zurückreichende H
andwerkstra-
ditionen einzuordnen, heißt nicht, die Interessenorganisationen des Handw
erks von einerM
itverantwortung am
Scheitern der Weim
arer Republik und dam
it an der Ermöglichung
der NS-D
iktatur zu exkulpieren. Denn ohne jeden Zw
eifel war die Verbandspolitik des
Friedrich Lenger
22
Handw
erks ganz überwiegend republikfeindlich. 27D
agegen hat sich die schon zeitge-nössische und bis in die 1960er und 1970er Jahre hinein populäre These vom
National-
sozialismus als einer M
ittelstandsbewegung von H
andwerkern, K
leinhändlern undA
ngestellten nicht halten lassen. Handw
erker, wenngleich beileibe nicht alle, w
ählten inder W
eimarer R
epublik rechts und in deren Schlussphase auch häufig die NSD
AP, aber
eben kaum häufiger als andere B
evölkerungsgruppen, die katholische Bevölkerung und
den Kern der organisierten A
rbeiterbewegung ausgenom
men. G
leichwohl w
aren Vor-stellungen etw
a vom G
roßen Befähigungsnachw
eis als „Nazi-R
elikt“ in der unmittelba-
ren Nachkriegszeit durchaus präsent, nicht zuletzt in den K
reisen der amerikanischen
Besatzungsbehörden. D
iese waren es auch, die besonders energisch auf die D
urchset-zung offener M
arktstrukturen auch im B
ereich des Handw
erks drängten. Das w
ar bis indie W
erbefilme des Econom
ic Recovery Program
hinein spürbar. 28
Marktzugangsbeschränkungen w
aren in der Nachkriegszeit ohnehin ein ungem
ein aktu-elles Them
a, weil die von der K
ontrolle durch die NS-B
ehörden befreiten Innungen vie-lerorts darangingen, den Zugang zu ihren G
ewerben zu beschränken. „C
harakteristischist in diesem
Zusamm
enhang, daß die Innungen, ebenso wie die eingesessenen H
and-w
erker, nicht selten unbefangen mit der A
nciennität, der moralischen Verw
erflichkeit,überm
äßiger’Konkurrenz und dem
Prinzip der Nahrung argum
entierten, wonach jedem
Handw
erker ein sicheres Auskom
men quasi als R
echtsanspruch zustehe.“29So gelang es
z.B. den fünf Schm
ieden eines oberbayrischen Dorfes eine N
eugründung zu verhindern,obw
ohl mehr als fünfzig B
auern den dringenden Bedarf eines w
eiteren Betriebs schrift-
lich bestätigten. Besonders häufig trafen solche D
iskriminierungen Flüchtlinge und
Vertriebene. 30A
uf den energischsten Widerstand stießen solche A
usgrenzungen, wie
bereits angedeutet, in der amerikanischen B
esatzungszone, für die die amerikanische
Militärregierung Ende 1948 die G
ewerbelizensierung aufhob und die G
ewerbefreiheit
einführte. Aber auch in den anderen B
esatzungszonen, inklusive der sowjetischen, kam
es in der Nachkriegszeit zu einer regelrechten G
ründungswelle von H
andwerksbetrieben,
waren also die Versuche der Innungen, den Zugang zum
Markt zu beschränken, nur teil-
weise erfolgreich.
Rückblickend ist verblüffend, w
ie wenig Spuren insbesondere die am
erikanische Be-
satzungspolitik in der Organisation des H
andwerks hinterlassen hat. D
enn schon 1953verankerte der B
undestag den Großen B
efähigungsnachweis in einer B
undeshand-w
erksordnung. Wenn der C
DU
-Abgeordnete G
ünther in einer ersten Debatte ausführte,
dass der Entwurf für die britische und französische Besatzungszone kaum
Neues brächte,
hatte er Recht. 31D
ass er allerdings als Intention zu Protokoll gab, „das Chaos [zu] besei-
tigen, das sich seit der amerikanischen A
nordnung aus dem Jahre 1949 in der U
S-Zone“breit gem
acht habe, verblüfft sowohl als B
rüskierung der USA
als auch als Karikatur der
Verhältnisse in der amerikanischen B
esatzungszone. 32G
leichwohl stim
mten m
it Aus-
Qualitätssicherung und M
arktzugangsbeschränkungen23
betriebenen Lehrwerkstätten und W
erkschulen beschränkt, sondern zog die seit 1918verstärkt gegründeten B
erufsschulen mit ein, deren B
esuch keinesfalls in die Arbeitszeit
fallen sollte. Zukunftsweisend w
ar eine solche Haltung nicht, auch w
enn einzuräumen
ist, dass die berufsfachliche Profilierung des Berufsschulunterrichts zu w
ünschen übrigließ. A
uch hier fiel ein vorläufiger Abschluss der Entw
icklung in die Zeit des National-
sozialismus, denn erst das R
eichsschulpflichtgesetz vom 6. Juli 1938 verpflichtete „alle
Jugendlichen, die keine weiterführenden Schulen besuchten, zum
Berufsschulbesuch“. 22
Die G
esetzgebung der NS-Zeit fügte sich also keinesw
egs imm
er handwerklichen
Wünschen. Sie stand vielm
ehr oft genug in weit zurück reichenden Traditionen. D
as giltauch für die R
egelungen, in denen gelegentlich ein Triumph der H
andwerkerbew
egungim
„III. Reich“ gesehen w
orden ist. Diese Sicht ist zw
ar insofern zutreffend, als dass mit
dem G
roßen Befähigungsnachw
eis und der Zwangsinnung 1935 die beiden zentralen
Forderungen der Handw
erkerbewegung erfüllt w
urden, doch handelte es sich eben nichtum
genuin nationalsozialistische Errungenschaften, sondern um die U
msetzung hand-
werklicher Vorstellungen einer gebundenen W
irtschaft, die in ganz ähnlicher Form seit
fast 100 Jahren imm
er wieder vertreten w
orden waren und letztlich noch sehr viel ältere
Wurzeln besaßen. 23A
uch darf man die W
irkung der angeführten Maßnahm
en nicht über-schätzen: „D
ie Einführung des Großen B
efähigungsnachweises bedeutete“ näm
lich kei-nesw
egs, „daß die handwerklichen B
etriebsinhaber ohne Meistertitel – 1936 noch 70%
aller selbständigen Handw
erker – ihrer Berufsstellung verlustig gingen. N
ur soweit sie
nach dem 31. D
ezember 1931 in die [w
enige Jahre zuvor eingeführte] Handw
erksrolleeingetragen w
orden waren, w
urden sie zur Nachholung der M
eisterprüfung bis zum31. D
ezember 1939 verpflichtet.“
24Und auch die endlich obligatorische Innungsm
itglied-schaft w
ird man angesichts der G
leichschaltung von Innungen und Kam
mern schw
erlichals Vollendung handw
erklicher Selbstverwaltungstraditionen verstehen w
ollen.N
ur zubald w
aren diese Körperschaften zudem
einbezogen in die „Auskäm
maktionen“ von
1939 und 1943, bei denen Kleingew
erbetreibende entschädigungslos zur Aufgabe ihrer
Betriebe gezw
ungen werden konnten. 25
Dem
entsprechend konnte neue Betriebe nur
gegründet werden, w
enn eine Bedürfnisprüfung ihre „,volksw
irtschaftliche Notw
en-digkeit’(…
) im R
ahmen der K
riegswirtschaft“ erw
iesen hatte. 26Wie schon im
ErstenW
eltkrieg nahm das H
andwerk in der K
riegswirtschaft nur einen nachrangigen Platz ein.
3.Die H
andwerksordnung des „III. R
eichs“ in weiter zurückreichende H
andwerkstra-
ditionen einzuordnen, heißt nicht, die Interessenorganisationen des Handw
erks von einerM
itverantwortung am
Scheitern der Weim
arer Republik und dam
it an der Ermöglichung
der NS-D
iktatur zu exkulpieren. Denn ohne jeden Zw
eifel war die Verbandspolitik des
Friedrich Lenger
22
Handw
erks ganz überwiegend republikfeindlich. 27D
agegen hat sich die schon zeitge-nössische und bis in die 1960er und 1970er Jahre hinein populäre These vom
National-
sozialismus als einer M
ittelstandsbewegung von H
andwerkern, K
leinhändlern undA
ngestellten nicht halten lassen. Handw
erker, wenngleich beileibe nicht alle, w
ählten inder W
eimarer R
epublik rechts und in deren Schlussphase auch häufig die NSD
AP, aber
eben kaum häufiger als andere B
evölkerungsgruppen, die katholische Bevölkerung und
den Kern der organisierten A
rbeiterbewegung ausgenom
men. G
leichwohl w
aren Vor-stellungen etw
a vom G
roßen Befähigungsnachw
eis als „Nazi-R
elikt“ in der unmittelba-
ren Nachkriegszeit durchaus präsent, nicht zuletzt in den K
reisen der amerikanischen
Besatzungsbehörden. D
iese waren es auch, die besonders energisch auf die D
urchset-zung offener M
arktstrukturen auch im B
ereich des Handw
erks drängten. Das w
ar bis indie W
erbefilme des Econom
ic Recovery Program
hinein spürbar. 28
Marktzugangsbeschränkungen w
aren in der Nachkriegszeit ohnehin ein ungem
ein aktu-elles Them
a, weil die von der K
ontrolle durch die NS-B
ehörden befreiten Innungen vie-lerorts darangingen, den Zugang zu ihren G
ewerben zu beschränken. „C
harakteristischist in diesem
Zusamm
enhang, daß die Innungen, ebenso wie die eingesessenen H
and-w
erker, nicht selten unbefangen mit der A
nciennität, der moralischen Verw
erflichkeit,überm
äßiger’Konkurrenz und dem
Prinzip der Nahrung argum
entierten, wonach jedem
Handw
erker ein sicheres Auskom
men quasi als R
echtsanspruch zustehe.“29So gelang es
z.B. den fünf Schm
ieden eines oberbayrischen Dorfes eine N
eugründung zu verhindern,obw
ohl mehr als fünfzig B
auern den dringenden Bedarf eines w
eiteren Betriebs schrift-
lich bestätigten. Besonders häufig trafen solche D
iskriminierungen Flüchtlinge und
Vertriebene. 30A
uf den energischsten Widerstand stießen solche A
usgrenzungen, wie
bereits angedeutet, in der amerikanischen B
esatzungszone, für die die amerikanische
Militärregierung Ende 1948 die G
ewerbelizensierung aufhob und die G
ewerbefreiheit
einführte. Aber auch in den anderen B
esatzungszonen, inklusive der sowjetischen, kam
es in der Nachkriegszeit zu einer regelrechten G
ründungswelle von H
andwerksbetrieben,
waren also die Versuche der Innungen, den Zugang zum
Markt zu beschränken, nur teil-
weise erfolgreich.
Rückblickend ist verblüffend, w
ie wenig Spuren insbesondere die am
erikanische Be-
satzungspolitik in der Organisation des H
andwerks hinterlassen hat. D
enn schon 1953verankerte der B
undestag den Großen B
efähigungsnachweis in einer B
undeshand-w
erksordnung. Wenn der C
DU
-Abgeordnete G
ünther in einer ersten Debatte ausführte,
dass der Entwurf für die britische und französische Besatzungszone kaum
Neues brächte,
hatte er Recht. 31D
ass er allerdings als Intention zu Protokoll gab, „das Chaos [zu] besei-
tigen, das sich seit der amerikanischen A
nordnung aus dem Jahre 1949 in der U
S-Zone“breit gem
acht habe, verblüfft sowohl als B
rüskierung der USA
als auch als Karikatur der
Verhältnisse in der amerikanischen B
esatzungszone. 32G
leichwohl stim
mten m
it Aus-
Qualitätssicherung und M
arktzugangsbeschränkungen23
nahme der K
PD auch die übrigen Parteien der H
andwerksordnung zu und m
achten dabeiin begründenden W
endungen wie der R
ede von der beseelten Arbeit des H
andwerks
deutlich, dass sie gegenüber einer modernen Industriegesellschaft durchaus Vorbehalte
hatten. 33Dam
it waren sie in den frühen 1950er Jahren keinesw
egs allein. Der oft als geis-
tiger Vater der sozialen Marktw
irtschaft gerühmte W
ilhelm R
öpke wäre hier ebenso zu
nennen wie deren populärster Vertreter Ludw
ig Erhard. 34Und dennoch bedeutete die
Festschreibung des Großen B
efähigungsnachweises nicht nur eine bis in die G
egenwart
wirksam
e Weichenstellung, sondern auch das Festhalten an einem
Handw
erksverständ-nis, das m
it Ausnahm
e Österreichs und Luxem
burgs unseren europäischen Nachbarn
meist frem
d ist, um erst gar nicht in andere W
eltregionen zu schauen. Im Prozess der
Europäischen Integration erwachsen hieraus bis in die G
egenwart hinein erhebliche
Probleme, obw
ohl die Novellierung der H
andwerksordnung vom
28. Dezem
ber 1965 dieW
irkungen des Großen B
efähigungsnachweises als M
arktzugangsbeschränkung abge-schw
ächt hat. Handw
erksähnliche Gew
erbe können seither ohne Meisterprüfung ausge-
übt werden, w
enn ausreichende Kenntnisse nachgew
iesen werden. 35D
adurch wurde vor
allem das Problem
der Kom
bination verschiedener handwerklicher Tätigkeiten in einem
Betrieb entschärft. 36Zugleich w
eist das Anw
achsen der Zahl der handwerksähnlichen
Betriebe bei gleichzeitigem
Rückgang der vollhandw
erklichen Betriebe darauf hin, dass
hier erheblicher Reform
bedarf bestand. 37
Ohnehin darf der beim
Blick auf die H
andwerksordnung rasch entstehende Eindruck
hoher Kontinuität nicht als B
eleg für Stagnation genomm
en werden. Vielm
ehr hat esw
ährend der letzten fünfzig Jahren sowohl im
Bereich der A
rbeits- und Produktions-technik – und hier nicht zuletzt im
Baugew
erbe – als auch im A
usbildungsbereich Grund
für stürzende Veränderungen gegeben. Nur von Letzterem
soll abschließend noch kurzdie R
ede sein. Wie bereits deutlich gew
orden sein dürfte, liegen die Wurzeln des dualen
Systems, um
das Deutschland bekanntlich von vielen Ländern beneidet w
ird, nicht erstin der B
undesrepublik. Und doch w
urde es erst seit den 1950er Jahren in vollem U
mfang
ausgebaut. Grundsätzlich hat es sich dabei sicherlich bew
ährt. Dazu trug m
aßgeblich bei,dass das H
andwerk und seine Interessenvertretungen zunehm
end aus der Frontstellunggegen die Industrie- und H
andelskamm
ern herausfanden, wozu der seit 1953 m
öglicheEintrag von H
andwerksbetrieben ins H
andelsregister beigetragen haben mag, der ver-
hinderte, dass größere und expandierende Betriebe zw
angsläufig aus dem H
andwerk
heraus fielen. 38Die neue Flexibilität zeigte sich etw
a in der Bereitschaft m
ancher Innung,schon in den 1960er Jahren den oben skizzierten Problem
en der Lehrlingsausbildungdurch gem
einsame Ü
bungswerkstätten zu begegnen. 39Seither sind solche A
nsätze zurüberbetrieblichen A
usbildung systematisch ausgew
eitet worden, w
obei sich die Hand-
werkskam
mern große Verdienste erw
orben haben. Mitte der 1980er Jahre bestanden
bereits 340 auch als „Eliteschulen des Handw
erks“ bezeichnete Bildungszentren m
it2500 W
erkstätten. 40Ob dieses bem
erkenswerte Engagem
ent ausreicht, vermag nur der
Friedrich Lenger
24
Blick auf einzelne B
erufsfelder zu sagen. Klar ist jedenfalls, dass handw
erkliche Quali-
fikation längst nicht mehr nur in em
pirischer Technik besteht, die man sich gleichsam
abschauen und antrainieren kann, sondern imm
er mehr Elem
ente wissenschaftlicher
Technik umfasst, die andere Lehr- und Verm
ittlungsmethoden verlangt.
Hier nun aber scheint das H
andwerk seit den 1960er und 1970er Jahren O
pfer gesell-schaftlicher Entw
icklungen geworden zu sein, die m
an aus dem K
ontext der wirtschaft-
lichen Blüte der 1950er und 1960er Jahre heraus verstehen kann, die aber längst zu
strukturellen Belastungen der K
onkurrenzfähigkeit des deutschen Handw
erks und derdeutschen W
irtschaft insgesamt gew
orden sind. Gem
eint sind die in den Bildungsrefor-
men der 1960er und 1970er Jahre aufscheinenden Prioritätensetzungen. N
un ist zunächsteinm
al die in dieser Zeit einsetzende Bildungsexpansion inklusive der sozialen Ö
ffnungder höheren B
ildungsanstalten uneingeschränkt zu begrüßen. Sie wurde indessen im
Zeichen zweier Tendenzen vollzogen, die bis heute schädliche W
irkungen entfalten.Zum
einen ging die verstärkte Durchlässigkeit einher m
it einer kontinuierlichen Ab-
senkung der Standards. Die zurzeit stattfindende Einführung von B.A
.- und M.A
.-Studien-gängen ist nur der Schlusspunkt einer Entw
icklung, die ein Anw
achsen der Akade-
mikerquote feiert, ohne sich um
die erlangten Qualifikationen zu scheren. Zum
anderenbelebte sie einen B
ildungsdünkel, der jeden noch so leicht zu erlangenden akademischen
Abschluss turm
hoch über jede praktische Tätigkeit stellte und innerhalb des schulischenFächerspektrum
s die Literatur- und Sozialwissenschaften gegenüber der M
athematik
und den Naturw
issenschaften privilegierte. An den K
onsequenzen dieser von Technik-feindschaft genährten G
rundhaltung leiden unsere Schulen bis heute. Im Ergebnis haben
wir deshalb eine beträchtliche Zahl von Studienanfängern, die nie eine Lehrstelle erhal-
tenw
ürden, Lehrstellenbewerber, die ungerührt am
lokal vielleicht unerreichbarenB
erufsziel der Arzthelferin festhalten, obw
ohl ihnen im A
usstellungsbau eine sehr vielanspruchsvollere und einträglichere, aber w
ohl auch anstrengendere Ausbildung ange-
boten wird, und H
andwerksbetriebe, die bei ihren Lehrlingen elem
entare Fähigkeitenw
ie Rechnen und Schreiben nicht voraussetzen können. D
afür ist gewiss nicht das
Handw
erk verantwortlich und auch nicht die in diesem
Vortrag in den Mittelpunkt
gestellte Tradition, Qualitätssicherung m
it Marktzugangsbeschränkungen zu verbinden.
Zu überlegen wäre aber, ob diese K
opplung im Prozess der europäischen Integration w
ieder G
lobalisierung überhaupt noch zeitgemäß und der G
roße Befähigungsnachw
eisw
irklich unverzichtbar ist. Aus der Perspektive der in diesem
Vortrag mit breitem
Strichgezogenen langen Linien schiene es vielversprechender, sich ganz auf den Pol der Q
uali-tätssicherung zu konzentrieren und im
Zusamm
enspiel mit der Industrie A
usbildungs-form
en zu entwickeln, die auch das A
usbildungspotential der aus Ostm
itteleuropa (undanderen R
egionen) zuwandernden jungen M
enschen zur Stärkung des deutschen Hand-
werks nutzt. A
uf das staatliche Bildungsw
esen wird m
an kaum zählen dürfen.
Qualitätssicherung und M
arktzugangsbeschränkungen25
nahme der K
PD auch die übrigen Parteien der H
andwerksordnung zu und m
achten dabeiin begründenden W
endungen wie der R
ede von der beseelten Arbeit des H
andwerks
deutlich, dass sie gegenüber einer modernen Industriegesellschaft durchaus Vorbehalte
hatten. 33Dam
it waren sie in den frühen 1950er Jahren keinesw
egs allein. Der oft als geis-
tiger Vater der sozialen Marktw
irtschaft gerühmte W
ilhelm R
öpke wäre hier ebenso zu
nennen wie deren populärster Vertreter Ludw
ig Erhard. 34Und dennoch bedeutete die
Festschreibung des Großen B
efähigungsnachweises nicht nur eine bis in die G
egenwart
wirksam
e Weichenstellung, sondern auch das Festhalten an einem
Handw
erksverständ-nis, das m
it Ausnahm
e Österreichs und Luxem
burgs unseren europäischen Nachbarn
meist frem
d ist, um erst gar nicht in andere W
eltregionen zu schauen. Im Prozess der
Europäischen Integration erwachsen hieraus bis in die G
egenwart hinein erhebliche
Probleme, obw
ohl die Novellierung der H
andwerksordnung vom
28. Dezem
ber 1965 dieW
irkungen des Großen B
efähigungsnachweises als M
arktzugangsbeschränkung abge-schw
ächt hat. Handw
erksähnliche Gew
erbe können seither ohne Meisterprüfung ausge-
übt werden, w
enn ausreichende Kenntnisse nachgew
iesen werden. 35D
adurch wurde vor
allem das Problem
der Kom
bination verschiedener handwerklicher Tätigkeiten in einem
Betrieb entschärft. 36Zugleich w
eist das Anw
achsen der Zahl der handwerksähnlichen
Betriebe bei gleichzeitigem
Rückgang der vollhandw
erklichen Betriebe darauf hin, dass
hier erheblicher Reform
bedarf bestand. 37
Ohnehin darf der beim
Blick auf die H
andwerksordnung rasch entstehende Eindruck
hoher Kontinuität nicht als B
eleg für Stagnation genomm
en werden. Vielm
ehr hat esw
ährend der letzten fünfzig Jahren sowohl im
Bereich der A
rbeits- und Produktions-technik – und hier nicht zuletzt im
Baugew
erbe – als auch im A
usbildungsbereich Grund
für stürzende Veränderungen gegeben. Nur von Letzterem
soll abschließend noch kurzdie R
ede sein. Wie bereits deutlich gew
orden sein dürfte, liegen die Wurzeln des dualen
Systems, um
das Deutschland bekanntlich von vielen Ländern beneidet w
ird, nicht erstin der B
undesrepublik. Und doch w
urde es erst seit den 1950er Jahren in vollem U
mfang
ausgebaut. Grundsätzlich hat es sich dabei sicherlich bew
ährt. Dazu trug m
aßgeblich bei,dass das H
andwerk und seine Interessenvertretungen zunehm
end aus der Frontstellunggegen die Industrie- und H
andelskamm
ern herausfanden, wozu der seit 1953 m
öglicheEintrag von H
andwerksbetrieben ins H
andelsregister beigetragen haben mag, der ver-
hinderte, dass größere und expandierende Betriebe zw
angsläufig aus dem H
andwerk
heraus fielen. 38Die neue Flexibilität zeigte sich etw
a in der Bereitschaft m
ancher Innung,schon in den 1960er Jahren den oben skizzierten Problem
en der Lehrlingsausbildungdurch gem
einsame Ü
bungswerkstätten zu begegnen. 39Seither sind solche A
nsätze zurüberbetrieblichen A
usbildung systematisch ausgew
eitet worden, w
obei sich die Hand-
werkskam
mern große Verdienste erw
orben haben. Mitte der 1980er Jahre bestanden
bereits 340 auch als „Eliteschulen des Handw
erks“ bezeichnete Bildungszentren m
it2500 W
erkstätten. 40Ob dieses bem
erkenswerte Engagem
ent ausreicht, vermag nur der
Friedrich Lenger
24
Blick auf einzelne B
erufsfelder zu sagen. Klar ist jedenfalls, dass handw
erkliche Quali-
fikation längst nicht mehr nur in em
pirischer Technik besteht, die man sich gleichsam
abschauen und antrainieren kann, sondern imm
er mehr Elem
ente wissenschaftlicher
Technik umfasst, die andere Lehr- und Verm
ittlungsmethoden verlangt.
Hier nun aber scheint das H
andwerk seit den 1960er und 1970er Jahren O
pfer gesell-schaftlicher Entw
icklungen geworden zu sein, die m
an aus dem K
ontext der wirtschaft-
lichen Blüte der 1950er und 1960er Jahre heraus verstehen kann, die aber längst zu
strukturellen Belastungen der K
onkurrenzfähigkeit des deutschen Handw
erks und derdeutschen W
irtschaft insgesamt gew
orden sind. Gem
eint sind die in den Bildungsrefor-
men der 1960er und 1970er Jahre aufscheinenden Prioritätensetzungen. N
un ist zunächsteinm
al die in dieser Zeit einsetzende Bildungsexpansion inklusive der sozialen Ö
ffnungder höheren B
ildungsanstalten uneingeschränkt zu begrüßen. Sie wurde indessen im
Zeichen zweier Tendenzen vollzogen, die bis heute schädliche W
irkungen entfalten.Zum
einen ging die verstärkte Durchlässigkeit einher m
it einer kontinuierlichen Ab-
senkung der Standards. Die zurzeit stattfindende Einführung von B.A
.- und M.A
.-Studien-gängen ist nur der Schlusspunkt einer Entw
icklung, die ein Anw
achsen der Akade-
mikerquote feiert, ohne sich um
die erlangten Qualifikationen zu scheren. Zum
anderenbelebte sie einen B
ildungsdünkel, der jeden noch so leicht zu erlangenden akademischen
Abschluss turm
hoch über jede praktische Tätigkeit stellte und innerhalb des schulischenFächerspektrum
s die Literatur- und Sozialwissenschaften gegenüber der M
athematik
und den Naturw
issenschaften privilegierte. An den K
onsequenzen dieser von Technik-feindschaft genährten G
rundhaltung leiden unsere Schulen bis heute. Im Ergebnis haben
wir deshalb eine beträchtliche Zahl von Studienanfängern, die nie eine Lehrstelle erhal-
tenw
ürden, Lehrstellenbewerber, die ungerührt am
lokal vielleicht unerreichbarenB
erufsziel der Arzthelferin festhalten, obw
ohl ihnen im A
usstellungsbau eine sehr vielanspruchsvollere und einträglichere, aber w
ohl auch anstrengendere Ausbildung ange-
boten wird, und H
andwerksbetriebe, die bei ihren Lehrlingen elem
entare Fähigkeitenw
ie Rechnen und Schreiben nicht voraussetzen können. D
afür ist gewiss nicht das
Handw
erk verantwortlich und auch nicht die in diesem
Vortrag in den Mittelpunkt
gestellte Tradition, Qualitätssicherung m
it Marktzugangsbeschränkungen zu verbinden.
Zu überlegen wäre aber, ob diese K
opplung im Prozess der europäischen Integration w
ieder G
lobalisierung überhaupt noch zeitgemäß und der G
roße Befähigungsnachw
eisw
irklich unverzichtbar ist. Aus der Perspektive der in diesem
Vortrag mit breitem
Strichgezogenen langen Linien schiene es vielversprechender, sich ganz auf den Pol der Q
uali-tätssicherung zu konzentrieren und im
Zusamm
enspiel mit der Industrie A
usbildungs-form
en zu entwickeln, die auch das A
usbildungspotential der aus Ostm
itteleuropa (undanderen R
egionen) zuwandernden jungen M
enschen zur Stärkung des deutschen Hand-
werks nutzt. A
uf das staatliche Bildungsw
esen wird m
an kaum zählen dürfen.
Qualitätssicherung und M
arktzugangsbeschränkungen25
Textnachweis:
1)U
m einige N
achweise ergänzter Text m
eines Vortrags vom 9.3.07.
2)B
d. 10 (1877), Sp. 424, hier und im Folgenden zitiert nach R
einhold Reith, A
rtikel Handw
erk, in:Enzyklopädie der N
euzeit, Bd. 5, Stuttgart 2007 (im
Druck); vgl. ebd. auch zum
Folgenden.3)
Vgl. etw
a Karl H
einrich Kaufhold, U
mfang und G
liederung des deutschen Handw
erks um 1800,
in: Wilhelm
Abel (H
g.), Handw
erksgeschichte in neuer Sicht, Göttingen 1978, 27–63, bes. 28ff.
4)D
as Vorstehende lehnt sich eng an Reith, A
rtikel Handw
erk (wie A
nm. 2) an.
5)Patrick Schm
idt, Zunfttraditionen – zünftische Erinnerungskulturen und soziokulturelle Dynam
ikin der frühneuzeitlichen Stadt, phil. D
iss. masch. G
ießen 2006, 147.6)
Eine aktuelle Kontrastierung des hier gezeichneten Idealbildes und neuerer Forschungsergebnisse
und –perspektiven bieten Josef Ehmer, Traditionelles D
enken und neue Fragestellungen zur Ge-
schichte von Handw
erk und Zunft, in: Friedrich Lenger (Hg.), H
andwerk, H
ausindustrie und dieH
istorische Schule der Nationalökonom
ie. Wissenschafts- und gew
erbegeschichtliche Perspek-tiven, B
ielefeld 1998, 19–77 sowie R
obert Brandt/Thom
as Buchner (H
g.), Nahrung, M
arkt oderG
emeinnutz. W
erner Sombart und das vorindustrielle H
andwerk, B
ielefeld 2004.7) A
nschaulich dazu etwa Jürgen Bergm
ann, Das Berliner H
andwerk in den Frühphasen der Industriali-
sierung, Berlin 1973, 5–70.
8)V
gl. dazu Friedrich Lenger, Die G
ewerbegeschichtsschreibung der H
istorischen Schule. Einigezentrale K
onzepte und ihr sozialpolitischer Kontext, in: ders. (H
g.), Handw
erk (wie A
nm. 6), 9–18.
9)V
gl. neben Ehmer, Traditionelles D
enken (wie A
nm. 6) auch H
einz-Gerhard H
aupt (Hg.), D
asEnde der Zünfte. Ein europäischer Vergleich, G
öttingen 2002.10)
Hier zitiert nach Friedrich Lenger, Sozialgeschichte der deutschen H
andwerker seit 1800,
Frankfurt a.M. 1988, 37; vgl. ebd., 36–44 auch zum
Folgenden.11) V
gl. ebd., 75 f. u. 83 sowie H
einz-Gerhard H
aupt/Friedrich Lenger, Bürger – Kleinbürger – A
rbeiter.K
lassenbildung/Gesellschaftsreform
in Deutschland und Frankreich, in: D
ieter Dow
e/Heinz-
Gerhard H
aupt/Dieter Langew
iesche (Hg.), Europa 1848. R
evolution und Reform
, Bonn 1998,
815–840, bes. 821–832.12)
Vgl. dazu Friedrich Lenger, Industrielle R
evolution und Nationalstaatsgründung (1849–1870er
Jahre), Stuttgart 2003, 57; vgl. ebd., 31–123 zur Industriellen Revolution in Deutschland insgesam
t.13)
Vgl. Lenger, Sozialgeschichte (w
ie Anm
. 10), 57 sowie ebd., 88-162 zum
Gesam
tzusamm
enhang.14)
Vgl. ebd., 57 zur B
etriebsgröße sowie Josef Ehm
er, „Weiberknechte“ versus ledige G
esellen.H
eirat und Familiengründung im
mitteleuropäischen H
andwerk, in: ders., Soziale Traditionen in
Zeiten des Wandels. A
rbeiter und Handw
erker im 19. Jahrhundert, Frankfurt a.M
. 1994, 24–51.15)
Vgl. Lenger, Sozialgeschichte (w
ie Anm
. 10), 101.16)
Vgl. ebd., 128–142.
17)V
gl. zu dieser Debatte K
enneth D. B
arkin, The controversy over Germ
an industrialization,1890–1902, C
hicago, IL1970.
18)V
gl. dazu Lenger, Sozialgeschichte (wie A
nm. 10), 156f. sow
ie zur Handw
erkerbewegung D
irkG
eorges, 1810/11-1993: Handw
erk und Interessenpolitik. Von der Zunft zur modernen Interessen-
organisation, Frankfurt a.M. 1993.
Friedrich Lenger
26
19)V
gl. Lenger, Industrielle Revolution (w
ie Anm
. 12), 183.20)
Hier zitiert nach G
ünter Pätzold, Handw
erkliche, industrielle und schulische Berufserziehung, in:
Dieter Langew
iesche/Heinz-Elm
ar Tenorth (Hg.), H
andbuch der deutschen Bildungsgeschichte,
Bd. V: D
ie Weim
arer Republik und die nationalsozialistische D
iktatur, München 1989, 259–288,
hier 265.21)
Ebd., 276.22)
Ebd., 283f.23)
Vgl. etw
a Christoph Boyer, „Deutsche H
andwerksordnung“ oder „zügellose G
ewerbefreiheit“. D
asH
andwerk zw
ischen Kriegsw
irtschaft und Wirtschaftsw
under, in: Martin B
roszat/Klaus-D
ietmar
Henke/H
ans Woller (H
g.), Von Stalingrad zur Währungsreform
. Zur Sozialgeschichte des Um
bruchsin D
eutschland, München 1989, 427–467, hier 429.
24)H
einrich August W
inkler, Mittelstand, D
emokratie und N
ationalsozialismus. D
ie politische Ent-w
icklung von Handw
erk und Kleinhandel in der W
eimarer R
epublik, Köln 1972, 185.
25)V
gl. Lenger, Sozialgeschichte (wie A
nm. 10), 200.
26)B
oyer, „Deutsche H
andwerksordnung“ (w
ie Anm
. 23), 429.27)
Vgl. hierzu und zum
Folgenden Friedrich Lenger, Mittelstand und N
ationalsozialismus? Zur poli-
tischen Orientierung von H
andwerkern und A
ngestellten in der Endphase der Weim
arer Republik,
Archiv für Sozialgeschichte X
XIX
(1989), 173–198.28)
Vgl. B
oyer, „Deutsche H
andwerksordnung“ (w
ie Anm
. 23), 457.29)
Ebd., 442; vgl. ebd., 442ff. auch zum Folgenden.
30)D
azu jetzt auch Thomas G
rosser, Die Integration der H
eimatvertriebenen in W
ürttemberg-B
aden(1945–1961), Stuttgart 2006, 178ff.
31)V
gl. Bernd H
oltwick, D
er zerstrittene Berufsstand. H
andwerker und ihre O
rganisationen in Ost-
westfalen-Lippe (1929–1953), Paderborn 2000, 319.
32)Zitiert nach dem
Abdruck in: H
einz-Gerhard H
aupt (Hg.), D
ie radikale Mitte. Lebensw
eise undPolitik von H
andwerkern und K
leinhändlern in Deutschland seit 1848, M
ünchen 1985, 230ff.33)
Vgl. ebd., 234.
34)V
gl. Josef Mooser, Liberalism
us und Gesellschaft nach 1945. Soziale M
arktwirtschaft und N
eolibe-ralism
us am Beispiel von W
ilhelm Röpke, in: M
anfred Hettling/Bernd U
lrich (Hg.), Bürgertum
nach1945, H
amburg 2005, 134-163 sow
ie Boyer, „D
eutsche Handw
erksordnung“ (wie A
nm. 23), 467.
35)V
gl. z.B. R
ainer S. Elkar/Werner M
ayer, Handw
erk – eine Karriere. H
andwerk an R
hein undR
uhr im 20. Jahrhundert, D
üsseldorf 2000, 67.36)
Vgl. dazu A
bdolreza Scheybani, Handw
erk und Kleinhandel in der B
undesrepublik Deutschland.
Sozialökonomischer W
andel und Mittelstandspolitik 1949-1961, M
ünchen 1996, 513.37)
Vgl. etw
a Hans-Jürgen Teuteberg, A
uf steter Suche nach der Neuen M
itte. Handw
erk im zw
an-zigsten Jahrhundert, B
ramsche 2000, 220f.
38)V
gl. Holtw
ick, Berufsstand ( w
ie Anm
. 31), 322.39)
Vgl. z.B
. Elkar/Mayer, H
andwerk (w
ie Anm
. 35), 128.40)
Vgl. Teuteberg, Suche (w
ie Anm
. 37), 248. Qualitätssicherung und M
arktzugangsbeschränkungen27
Textnachweis:
1) Um
einige Nachw
eise ergänzter Text meines Vortrags vom
9.3.07.2) B
d. 10 (1877), Sp. 424, hier und im Folgenden zitiert nach R
einhold Reith, A
rtikel Handw
erk, in:Enzyklopädie der N
euzeit, Bd. 5, Stuttgart 2007 (im
Druck); vgl. ebd. auch zum
Folgenden.3) V
gl. etwa K
arl Heinrich K
aufhold, Um
fang und Gliederung des deutschen H
andwerks um
1800,in: W
ilhelm A
bel (Hg.), H
andwerksgeschichte in neuer Sicht, G
öttingen 1978, 27–63, bes. 28ff.4) D
as Vorstehende lehnt sich eng an Reith, A
rtikel Handw
erk (wie A
nm. 2) an.
5) Patrick Schmidt, Zunfttraditionen – zünftische Erinnerungskulturen und soziokulturelle D
ynamik
in der frühneuzeitlichen Stadt, phil. Diss. m
asch. Gießen 2006, 147.
6) Eine aktuelle Kontrastierung des hier gezeichneten Idealbildes und neuerer Forschungsergebnisse
und –perspektiven bieten Josef Ehmer, Traditionelles D
enken und neue Fragestellungen zur Ge-
schichte von Handw
erk und Zunft, in: Friedrich Lenger (Hg.), H
andwerk, H
ausindustrie und dieH
istorische Schule der Nationalökonom
ie. Wissenschafts- und gew
erbegeschichtliche Perspek-tiven, B
ielefeld 1998, 19–77 sowie R
obert Brandt/Thom
as Buchner (H
g.), Nahrung, M
arkt oderG
emeinnutz. W
erner Sombart und das vorindustrielle H
andwerk, B
ielefeld 2004.7) A
nschaulich dazu etwa Jürgen Bergm
ann, Das Berliner H
andwerk in den Frühphasen der Industriali-
sierung, Berlin 1973, 5–70.
8)V
gl. dazu Friedrich Lenger, Die G
ewerbegeschichtsschreibung der H
istorischen Schule. Einigezentrale K
onzepte und ihr sozialpolitischer Kontext, in: ders. (H
g.), Handw
erk (wie A
nm. 6), 9–18.
9) Vgl. neben Ehm
er, Traditionelles Denken (w
ie Anm
. 6) auch Heinz-G
erhard Haupt (H
g.), Das
Ende der Zünfte. Ein europäischer Vergleich, Göttingen 2002.
10)H
ier zitiert nach Friedrich Lenger, Sozialgeschichte der deutschen Handw
erker seit 1800, Frankfurt a.M
. 1988, 37; vgl. ebd., 36–44 auch zum Folgenden.
11) Vgl. ebd., 75 f. u. 83 sow
ie Heinz-G
erhard Haupt/Friedrich Lenger, Bürger – K
leinbürger – Arbeiter.
Klassenbildung/G
esellschaftsreform in D
eutschland und Frankreich, in: Dieter D
owe/H
einz-G
erhard Haupt/D
ieter Langewiesche (H
g.), Europa 1848. Revolution und R
eform, B
onn 1998,815–840, bes. 821–832.
12) Vgl. dazu Friedrich Lenger, Industrielle R
evolution und Nationalstaatsgründung (1849–1870er
Jahre), Stuttgart 2003, 57; vgl. ebd., 31–123 zur Industriellen Revolution in Deutschland insgesam
t.13)
Vgl. Lenger, Sozialgeschichte (w
ie Anm
. 10), 57 sowie ebd., 88-162 zum
Gesam
tzusamm
enhang.14) V
gl. ebd., 57 zur Betriebsgröße sow
ie Josef Ehmer, „W
eiberknechte“ versus ledige Gesellen.
Heirat und Fam
iliengründung im m
itteleuropäischen Handw
erk, in: ders., Soziale Traditionen inZeiten des W
andels. Arbeiter und H
andwerker im
19. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 1994, 24–51.
15)V
gl. Lenger, Sozialgeschichte (wie A
nm. 10), 101.
16)V
gl. ebd., 128–142.17)
Vgl. zu dieser D
ebatte Kenneth D
. Barkin, The controversy over G
erman industrialization,
1890–1902, Chicago, IL
1970.18)
Vgl. dazu Lenger, Sozialgeschichte (w
ie Anm
. 10), 156f. sowie zur H
andwerkerbew
egung Dirk
Georges, 1810/11-1993: H
andwerk und Interessenpolitik. Von der Zunft zur m
odernen Interessen-organisation, Frankfurt a.M
. 1993.
Friedrich Lenger
26
19)V
gl. Lenger, Industrielle Revolution (w
ie Anm
. 12), 183.20)
Hier zitiert nach G
ünter Pätzold, Handw
erkliche, industrielle und schulische Berufserziehung, in:
Dieter Langew
iesche/Heinz-Elm
ar Tenorth (Hg.), H
andbuch der deutschen Bildungsgeschichte,
Bd. V: D
ie Weim
arer Republik und die nationalsozialistische D
iktatur, München 1989, 259–288,
hier 265.21)
Ebd., 276.22)
Ebd., 283f.23)
Vgl. etw
a Christoph Boyer, „Deutsche H
andwerksordnung“ oder „zügellose G
ewerbefreiheit“. D
asH
andwerk zw
ischen Kriegsw
irtschaft und Wirtschaftsw
under, in: Martin B
roszat/Klaus-D
ietmar
Henke/H
ans Woller (H
g.), Von Stalingrad zur Währungsreform
. Zur Sozialgeschichte des Um
bruchsin D
eutschland, München 1989, 427–467, hier 429.
24)H
einrich August W
inkler, Mittelstand, D
emokratie und N
ationalsozialismus. D
ie politische Ent-w
icklung von Handw
erk und Kleinhandel in der W
eimarer R
epublik, Köln 1972, 185.
25)V
gl. Lenger, Sozialgeschichte (wie A
nm. 10), 200.
26)B
oyer, „Deutsche H
andwerksordnung“ (w
ie Anm
. 23), 429.27)
Vgl. hierzu und zum
Folgenden Friedrich Lenger, Mittelstand und N
ationalsozialismus? Zur poli-
tischen Orientierung von H
andwerkern und A
ngestellten in der Endphase der Weim
arer Republik,
Archiv für Sozialgeschichte X
XIX
(1989), 173–198.28)
Vgl. B
oyer, „Deutsche H
andwerksordnung“ (w
ie Anm
. 23), 457.29)
Ebd., 442; vgl. ebd., 442ff. auch zum Folgenden.
30)D
azu jetzt auch Thomas G
rosser, Die Integration der H
eimatvertriebenen in W
ürttemberg-B
aden(1945–1961), Stuttgart 2006, 178ff.
31)V
gl. Bernd H
oltwick, D
er zerstrittene Berufsstand. H
andwerker und ihre O
rganisationen in Ost-
westfalen-Lippe (1929–1953), Paderborn 2000, 319.
32)Zitiert nach dem
Abdruck in: H
einz-Gerhard H
aupt (Hg.), D
ie radikale Mitte. Lebensw
eise undPolitik von H
andwerkern und K
leinhändlern in Deutschland seit 1848, M
ünchen 1985, 230ff.33)
Vgl. ebd., 234.
34)V
gl. Josef Mooser, Liberalism
us und Gesellschaft nach 1945. Soziale M
arktwirtschaft und N
eolibe-ralism
us am Beispiel von W
ilhelm Röpke, in: M
anfred Hettling/Bernd U
lrich (Hg.), Bürgertum
nach1945, H
amburg 2005, 134-163 sow
ie Boyer, „D
eutsche Handw
erksordnung“ (wie A
nm. 23), 467.
35)V
gl. z.B. R
ainer S. Elkar/Werner M
ayer, Handw
erk – eine Karriere. H
andwerk an R
hein undR
uhr im 20. Jahrhundert, D
üsseldorf 2000, 67.36)
Vgl. dazu A
bdolreza Scheybani, Handw
erk und Kleinhandel in der B
undesrepublik Deutschland.
Sozialökonomischer W
andel und Mittelstandspolitik 1949-1961, M
ünchen 1996, 513.37)
Vgl. etw
a Hans-Jürgen Teuteberg, A
uf steter Suche nach der Neuen M
itte. Handw
erk im zw
an-zigsten Jahrhundert, B
ramsche 2000, 220f.
38)V
gl. Holtw
ick, Berufsstand ( w
ie Anm
. 31), 322.39)
Vgl. z.B
. Elkar/Mayer, H
andwerk (w
ie Anm
. 35), 128.40)
Vgl. Teuteberg, Suche (w
ie Anm
. 37), 248. Qualitätssicherung und M
arktzugangsbeschränkungen27
Bauen m
it IQ – Innovation durch Q
ualifizierung im B
auhandwerk29
Bauen mit IQ
– Innovation durch Qualifizierung im
Bauhandwerk
Hanns-Eberhard Schleyer
„Kein industrieller B
au ohne Handw
erk” – das ist ein wahrhaft einladender Titel für einen
Generalsekretär dieser großen W
irtschaftsgruppe. Und ich erlaube m
ir, gleich zu Beginn
meiner A
usführungen ein gedankliches Ausrufungszeichen an diesen Titel anzufügen
und damit eine klare B
otschaft zu setzen. Eine klare Botschaft will ich auch m
it dem Titel
meines Vortrages verbinden. Bauen m
it IQ – intelligentes B
auen mit individuellen D
ienst-leistungen und innovativen Lösungen – das nehm
en wir im
Handw
erk für uns in Anspruch.
„Der N
achteil von Intelligenz” – so hat es George Bernard Shaw
einmal form
uliert – „be-steht darin, dass m
an gezwungen ist, unablässig dazuzulernen.” W
er etwas kann, der darf
nicht stehen bleiben. Er muss seine Potentiale ständig w
eiterentwickeln. U
nser Potenzialim
Handw
erk sind die Menschen. U
nd weil das H
andwerk m
it seinen kleinen und mittleren
Betrieben heute im M
ittelpunkt steht, sage ich ganz bewusst nicht: „H
umankapital”! U
nserPotenzial sind die Fähigkeiten jedes Einzelnen, seine K
reativität, seine Liebe zum B
eruf.
Von daher ist die Aus- und W
eiterbildung seit jeher Kern des handw
erklichen Selbst-verständnisses. A
usdruck unserer Verantwortung für Q
ualität und Qualifikation ist unser
Meisterbrief. H
inter ihm steht nicht nur hohes fachliches K
önnen, dahinter steht aucheine profunde pädagogische und betriebsw
irtschaftliche Ausbildung.
Fachmann im
Handw
erk, Lehrer und Unternehm
er. Das ist unser D
reisprung, mit dem
esdas H
andwerk w
eit gebracht hat. Es wird Sie nicht w
undern, wenn ich diese um
fassendeA
usbildung nach Kräften verteidige: N
icht aus Halsstarrigkeit, nicht aus unverbesser-
lichem Traditionalism
us, sondern aus fester Überzeugung. A
us der gleichen Überzeu-
gung, wie Ludw
ig Erhard, der sich 1953 erfolgreich für die Wiedereinführung des
Großen B
efähigungsnachweises einsetzte m
it der Begründung: „W
ir brauchen einenW
ettbewerb der K
önner!” Die Praxis hat seitdem
bewiesen: Es sind eben gerade die
Meisterbetriebe, die sich im
Wettbew
erb robust behaupten können, wenn die W
ett-bew
erbsbedingungen gerecht und fair sind. Die M
eisterbetriebe bringen das unterneh-m
erische Know
-how und die betriebsw
irtschaftlichen Kenntnisse m
it, die für eine stabile,langfristige U
nternehmensführung benötigt w
erden.
Die Entw
icklung der Betriebszahlen nach der letzten N
ovelle der Handw
erksordnung imJahr 2004 zeigt uns, dass es nach der A
ushöhlung der Meisterpflicht zw
ar eine hohe Zahlvon Existenzgründungen gegeben hat, dass es sich dabei allerdings in der R
egel umK
leinstbetriebe von geringer „Überlebensdauer” handelt. Vielfach ohne eigene Q
uali-fikation, ohne M
itarbeiter, ohne Lehrlinge und damit letzten Endes ohne Perspektive für
eine wirklich tragfähige unternehm
erische Entwicklung.
Die m
it der letzten Novelle erfolgte A
bkehr von der Meisterpflicht in vielen B
erufen fälltnach unserer festen Ü
berzeugung in die gleiche Kategorie, die bereits der Vorredner,
Herr Prof. Lenger, für die Einführung der B
achelor- und Masterstudiengänge, aber auch
für den Trend in der schulischen Ausbildung ausgem
acht hat: Die Senkung des
Anspruchsniveaus. D
as ist ein fataler Irrweg in einer Zeit, in der die technische Ent-
wicklung im
mer rasanter voranschreitet, in der sich die G
esellschaft – und damit die
Märkte – im
mer schneller verändern und in der die zunehm
ende internationale Kon-
kurrenz uns herausfordert. Diesen H
erausforderungen können wir auf dem
Bausektor nur
begegnen, wenn sich die B
auindustrie und das Bauhandw
erk ihre gemeinsam
en Stärkenzu N
utze machen; und zw
ar in enger Partnerschaft. Die Stärke des H
andwerks sind indi-
viduelle Lösungen. Und Individualität steht bei den K
unden hoch im K
urs, in derG
estaltung wie in der G
ebäudetechnik. „Wohnst D
u noch oder lebst Du schon?“ – auf
diesen griffigen Werbeslogan ist leider nicht das B
auhandwerk gekom
men. Schade.
Denn treffender kann m
an wohl kaum
auf den Punkt bringen, worin H
andwerker ihre
Leistung sehen. Und w
ie sie ihre Leistung – die individuelle Problemlösung – abheben
von der Bauindustrie.
1.D
ie Bauindustrie
Die besondere Stärke der B
auindustrie sind standardisierte und damit hoch effiziente
Verfahren und Produkte: Ein wirkungsvolle A
ntwort auf M
argenverfall, auf wachsenden
Wettbew
erb im M
ontage- und Renovierungsbereich, auf die do-it-yourself-B
ewegung;
aber auch auf die zunehmende ausländische K
onkurrenz durch die EU-O
sterweiterung.
Die Vorteile liegen auf der H
and: –
Kostenersparnis durch standardisierte Prozessschritte,
–Fertigung der B
auteile inklusive der Versorgungsinstallationen,–
Einsatz neuer Materialien,
–Einsatz standardisierter und geprüfter B
auprodukte,–
Verbesserung des Arbeits-, G
esundheits- und Um
weltschutzes,
–U
nabhängigkeit in der Produktion von Wettereinflüssen,
–höherer Technik- und M
aschineneinsatz.
Auch Prozessinnovationen, w
ie wir sie aus der A
utomobilindustrie oder dem
Schiffbaukennen, haben dam
it Eingang in die Bauw
irtschaft gefunden: just-in-time-Produktion
und Modulbauw
eise. So werden A
bläufe, etwa in der B
auplanung, Projektsteuerung undin der B
austellenlogistik, beschleunigt. Sie verringern die für den Bau typischen Schnitt-
stellenprobleme. Forciert w
ird die Verwendung industriell vorgefertigter Teile auch durch
zunehmende europäische Vorgaben. Etw
a die Bauproduktrichtlinie m
it entsprechendenA
nforderungen an mechanische Festigkeit, B
rand- und Schallschutz, Um
weltschutz und
Hanns-Eberhard Schleyer
30
nicht zuletzt Energieeinsparung und Wärm
edämm
ung. Hier können große H
ersteller mit
standardisierten Verfahren ihre Stärken voll ausspielen, während individuelle handw
erk-liche Lösungen dadurch tendenziell ausgebrem
st werden. Ich w
ill mit diesem
Hinw
eisandeuten: So w
ünschenswert einheitliche europäische R
egelungen und damit Standardi-
sierungen für einen funktionierenden Binnenm
arkt sein mögen, sie setzen dam
it vielfachnicht nur nationale R
egelungen und Traditionen außer Kraft, sondern untergraben dam
itauch ein Stück gew
achsene Innovationskultur in unserem Land. Es m
uss deshalb – som
eine ich – im w
ohlverstandenen Interesse des Standortes Deutschlands
liegen (letztenEndes auch im
Interesse Europas, das eine starke deutsche Wirtschaftskraft braucht), die
erfolgreichen Mechanism
en unserer Innovationskultur in einem zusam
menw
achsendenEuropa zur G
eltung zu bringen.
2.D
as Bauhandw
erk – im Vergleich zur B
auindustrie – und im K
ontextzum
Handw
erk
Unterschiedlichste M
echanismen hat das H
andwerk in seiner G
eschichte entwickelt und
systematisiert; nicht nur am
Bau, sondern für das gesam
te Spektrum der H
andwerks-
berufe. Was ist dieses „gesam
te Handw
erk”? Um
Ihnen einen kurzen Überblick zu geben:
Handw
erk – das sind derzeit rund 930.000 Betriebe m
it etwa 5 M
illionen Beschäftigten
und einer Bruttow
ertschöpfung von 450 Mrd. Euro im
Jahr und zwar in den B
ereichen:–
Bau und A
usbau–
Elektro und Metall
–H
olz und Kunststoff
–Textil
–Lebensm
ittel–
Gesundheit
Eine besonders wichtige K
ennziffer sind die rund 500.000 Lehrlinge, die in Handw
erks-betrieben ausgebildet w
erden. Jeder 10. Beschäftigte im
Handw
erk ist ein Lehrling.R
und 30 Prozent des beruflichen Nachw
uchses werden im
Handw
erk qualifiziert. Diese
Qualifizierungsleistung ist ein ganz entscheidender Erfolgsfaktor für das H
andwerk und
weit darüber hinaus. M
it fast 52 Prozent der Betriebe stellt das B
au- und Ausbaugew
erbedie größte G
ruppe aller Handw
erksunternehmen dar. 480.000 B
au- und Ausbaubetriebe
des Handw
erks geben fast 2 Mio. M
enschen eine Beschäftigung. Sie erlauben m
it bitteden G
rößenvergleich zur Bauindustrie, die etw
a 25.000 Betriebe m
it knapp 200.000B
eschäftigten zählt. (Selbst wenn Sie das H
andwerk auf das engere B
auhauptgewerbe
reduzieren, dann sind es dort imm
er noch gut 50.000 Betriebe m
it mehr als einer halben
Million Beschäftigten.) Ich bin m
ir bewusst, dass ein solcher Vergleich zw
ischen Betriebs-und B
eschäftigtenzahlen von Industrie und Handw
erk nur begrenzte Aussagekraft hat.
Bauen m
it IQ – Innovation durch Q
ualifizierung im B
auhandwerk31
Die m
it der letzten Novelle erfolgte A
bkehr von der Meisterpflicht in vielen B
erufen fälltnach unserer festen Ü
berzeugung in die gleiche Kategorie, die bereits der Vorredner,
Herr Prof. Lenger, für die Einführung der B
achelor- und Masterstudiengänge, aber auch
für den Trend in der schulischen Ausbildung ausgem
acht hat: Die Senkung des
Anspruchsniveaus. D
as ist ein fataler Irrweg in einer Zeit, in der die technische Ent-
wicklung im
mer rasanter voranschreitet, in der sich die G
esellschaft – und damit die
Märkte – im
mer schneller verändern und in der die zunehm
ende internationale Kon-
kurrenz uns herausfordert. Diesen H
erausforderungen können wir auf dem
Bausektor nur
begegnen, wenn sich die B
auindustrie und das Bauhandw
erk ihre gemeinsam
en Stärkenzu N
utze machen; und zw
ar in enger Partnerschaft. Die Stärke des H
andwerks sind indi-
viduelle Lösungen. Und Individualität steht bei den K
unden hoch im K
urs, in derG
estaltung wie in der G
ebäudetechnik. „Wohnst D
u noch oder lebst Du schon?“ – auf
diesen griffigen Werbeslogan ist leider nicht das B
auhandwerk gekom
men. Schade.
Denn treffender kann m
an wohl kaum
auf den Punkt bringen, worin H
andwerker ihre
Leistung sehen. Und w
ie sie ihre Leistung – die individuelle Problemlösung – abheben
von der Bauindustrie.
1.D
ie Bauindustrie
Die besondere Stärke der B
auindustrie sind standardisierte und damit hoch effiziente
Verfahren und Produkte: Ein wirkungsvolle A
ntwort auf M
argenverfall, auf wachsenden
Wettbew
erb im M
ontage- und Renovierungsbereich, auf die do-it-yourself-B
ewegung;
aber auch auf die zunehmende ausländische K
onkurrenz durch die EU-O
sterweiterung.
Die Vorteile liegen auf der H
and: –
Kostenersparnis durch standardisierte Prozessschritte,
–Fertigung der B
auteile inklusive der Versorgungsinstallationen,–
Einsatz neuer Materialien,
–Einsatz standardisierter und geprüfter B
auprodukte,–
Verbesserung des Arbeits-, G
esundheits- und Um
weltschutzes,
–U
nabhängigkeit in der Produktion von Wettereinflüssen,
–höherer Technik- und M
aschineneinsatz.
Auch Prozessinnovationen, w
ie wir sie aus der A
utomobilindustrie oder dem
Schiffbaukennen, haben dam
it Eingang in die Bauw
irtschaft gefunden: just-in-time-Produktion
und Modulbauw
eise. So werden A
bläufe, etwa in der B
auplanung, Projektsteuerung undin der B
austellenlogistik, beschleunigt. Sie verringern die für den Bau typischen Schnitt-
stellenprobleme. Forciert w
ird die Verwendung industriell vorgefertigter Teile auch durch
zunehmende europäische Vorgaben. Etw
a die Bauproduktrichtlinie m
it entsprechendenA
nforderungen an mechanische Festigkeit, B
rand- und Schallschutz, Um
weltschutz und
Hanns-Eberhard Schleyer
30
nicht zuletzt Energieeinsparung und Wärm
edämm
ung. Hier können große H
ersteller mit
standardisierten Verfahren ihre Stärken voll ausspielen, während individuelle handw
erk-liche Lösungen dadurch tendenziell ausgebrem
st werden. Ich w
ill mit diesem
Hinw
eisandeuten: So w
ünschenswert einheitliche europäische R
egelungen und damit Standardi-
sierungen für einen funktionierenden Binnenm
arkt sein mögen, sie setzen dam
it vielfachnicht nur nationale R
egelungen und Traditionen außer Kraft, sondern untergraben dam
itauch ein Stück gew
achsene Innovationskultur in unserem Land. Es m
uss deshalb – som
eine ich – im w
ohlverstandenen Interesse des Standortes Deutschlands
liegen (letztenEndes auch im
Interesse Europas, das eine starke deutsche Wirtschaftskraft braucht), die
erfolgreichen Mechanism
en unserer Innovationskultur in einem zusam
menw
achsendenEuropa zur G
eltung zu bringen.
2.D
as Bauhandw
erk – im Vergleich zur B
auindustrie – und im K
ontextzum
Handw
erk
Unterschiedlichste M
echanismen hat das H
andwerk in seiner G
eschichte entwickelt und
systematisiert; nicht nur am
Bau, sondern für das gesam
te Spektrum der H
andwerks-
berufe. Was ist dieses „gesam
te Handw
erk”? Um
Ihnen einen kurzen Überblick zu geben:
Handw
erk – das sind derzeit rund 930.000 Betriebe m
it etwa 5 M
illionen Beschäftigten
und einer Bruttow
ertschöpfung von 450 Mrd. Euro im
Jahr und zwar in den B
ereichen:–
Bau und A
usbau–
Elektro und Metall
–H
olz und Kunststoff
–Textil
–Lebensm
ittel–
Gesundheit
Eine besonders wichtige K
ennziffer sind die rund 500.000 Lehrlinge, die in Handw
erks-betrieben ausgebildet w
erden. Jeder 10. Beschäftigte im
Handw
erk ist ein Lehrling.R
und 30 Prozent des beruflichen Nachw
uchses werden im
Handw
erk qualifiziert. Diese
Qualifizierungsleistung ist ein ganz entscheidender Erfolgsfaktor für das H
andwerk und
weit darüber hinaus. M
it fast 52 Prozent der Betriebe stellt das B
au- und Ausbaugew
erbedie größte G
ruppe aller Handw
erksunternehmen dar. 480.000 B
au- und Ausbaubetriebe
des Handw
erks geben fast 2 Mio. M
enschen eine Beschäftigung. Sie erlauben m
it bitteden G
rößenvergleich zur Bauindustrie, die etw
a 25.000 Betriebe m
it knapp 200.000B
eschäftigten zählt. (Selbst wenn Sie das H
andwerk auf das engere B
auhauptgewerbe
reduzieren, dann sind es dort imm
er noch gut 50.000 Betriebe m
it mehr als einer halben
Million Beschäftigten.) Ich bin m
ir bewusst, dass ein solcher Vergleich zw
ischen Betriebs-und B
eschäftigtenzahlen von Industrie und Handw
erk nur begrenzte Aussagekraft hat.
Bauen m
it IQ – Innovation durch Q
ualifizierung im B
auhandwerk31
Besser zum
Ausdruck gebracht w
erden die Vorteile des Handw
erks gegenüber der In-dustrie durch die Vielfalt an B
erufsbildern, die das Handw
erk auf den Bau bringt und die
damit die B
reite qualifizierter handwerklicher Leistungen um
schreiben. 17 Berufsbilder
zählt der engere Bereich der B
au- und Ausbauhandw
erke. Neben den M
aurern, Beton-
bauern, Dachdeckern, Estrichlegern, Fliesenlegern, M
alern, Zimm
erern sind es auchN
ischenberufe wie der Terrazzohersteller, B
runnen- oder Ofenbauer. M
it 20 weiteren
Berufen aus dem
Baunebengew
erbe – beispielsweise SH
K, Elektro, H
olz – sind rund einD
rittel aller Handw
erksberufe mit dem
Bau verbunden.
3.W
irtschaftliche Situation am B
au
Entsprechend groß ist der Einfluss der Baukonjunktur auf die w
irtschaftliche Lage desH
andwerks insgesam
t. Wir erleben es im
aktuellen Aufschw
ung. Er schlägt auf der posi-tiven Seite ebenso durch w
ie in den Jahren zuvor der dramatische R
ückgang am B
au. Sohat die B
auwirtschaft im
vergangenen Jahr 2006 entscheidend zur positiven Um
satzent-w
icklung im G
esamthandw
erk – ein Plus von 2,5 Prozent – und zur Entspannung amA
rbeitsmarkt beigetragen. A
uch wenn w
ir noch einmal 30.000 A
rbeitsplätze im H
andwerk
eingebüßt haben. Das ist jedoch eine deutliche Verbesserung im
Vergleich zu den Vorjahrenm
it regelmäßigen A
rbeitsplatzverlusten von 150.000 bis 250.000. Mehr als zw
ei Drittel
davon am Bau (2005: M
inus 140.000 Beschäftigte, davon 105.000 in den Bau- und Ausbau-
bereichen). Wir sind froh, dass die gute A
uslastung unserer Betriebe auch zu Beginn diesesJahre anhält. Ein Teil der guten A
uftragslage ist allerdings den – im K
ern negativen – Ent-scheidungen des vergangenen Jahres geschuldet: der Erhöhung der M
ehrwertsteuer und der
Streichung der Eigenheimzulage. N
och eilig zum Jahresschluss erteilte Baugenehm
igungenw
erden zur Zeit abgearbeitet und sorgen noch für eine gute Auslastung der B
etriebe.
Wichtigste Säule des neuen A
ufschwungs ist der W
irtschaftsbau. Unternehm
en des ver-arbeitenden G
ewerbes, aber auch H
andels- und Logistikunternehmen, haben D
eutschlandals W
irtschaftsstandort wieder entdeckt. Sie investieren in Infrastruktur und neue B
e-triebsstätten. D
er Wirtschaftsbau ist allerdings eher die D
omäne der B
auindustrie. Die
Kleinbetriebe des H
andwerks sind schw
erpunktmäßig im
Wohnungsbau tätig. A
uch vondort kom
men W
achstumsim
pulse, allerdings auf niedrigerem N
iveau. Für Nachfrage
gesorgt haben hier nicht zuletzt die Wachstum
sgesetze der Bundesregierung: D
er Steuer-bonus auf Bauleistungen und das energetische G
ebäudesanierungsprogramm
. Der Zentral-
verband des Deutschen H
andwerks hat sich nicht nur für diese M
aßnahmen eingesetzt,
sondern auch versucht, die Nachfrage zu beflügeln, indem
den Betrieben zur K
unden-inform
ation Werbem
aterial über diese Förderinstrumente zur Verfügung gestellt w
urde.Im
kleinteiligen Privatbereich hat das erkennbare Erfolge gebracht. Auch M
arketinggehört nun einm
al zur intelligenten Handw
erksleistung, zum „B
auen mit IQ
”.
Hanns-Eberhard Schleyer
32
Zu den aktuellen Themen unserer Lobbyarbeit gehört, die B
undesregierung von einerErgänzung der Förderinstrum
ente zu überzeugen:1.
Die A
usweitung der energetischen G
ebäudesanierung auf Gew
erbeimm
obilien, nichtzuletzt vor dem
Hintergrund der N
otwendigkeit zur nachhaltigen R
eduzierung vonEm
issionen.2.
Die A
npassung des Steuerbonus auf Handw
erksleistungen, dessen Attraktivität und
Wirksam
keit mit der Erhöhung der M
ehrwertsteuer deutlich verloren hat.
Ich bin mir bew
usst, dass diese Maßnahm
en nicht der reinen Lehre entsprechen. Aber sie
haben sich in der Praxis bewährt und – unterm
Strich nahezu ohne Belastungen für die
öffentlichen Haushalte – einen B
eitrag zur Trendwende im
Bau- und A
usbauhandwerk
geleistet. Wir hoffen, dass jetzt der W
achstumsfaden nicht abreißt. D
as wird auch von
politischen Entscheidungen abhängen, nicht nur hinsichtlich der Förderinstrumente, sondern
mehr noch von der verlässlichen U
msetzung angekündigter R
eformen, beispielsw
eise inder U
nternehmensbesteuerung.
4.Strukturveränderungen am
Bau
Doch auch w
enn die wirtschaftliche Entw
icklung – was w
ir alle hoffen – weiter aufw
ärtsgeht, so m
ache ich mir dennoch keine Illusionen, dass dadurch die Schleifspuren der ver-
gangenen Jahre in der Bauw
irtschaft wieder rückgängig gem
acht werden können. Zu tief
greifend waren diese Strukturveränderungen, um
kurz- oder mittelfristig gew
endet wer-
den zu können. Sie sind vielfach auch nicht allein durch die Rezession verursacht, sonderndurch sie nur besonders verschärft w
orden. Handw
erk und Industrie sind von diesenStrukturveränderungen gem
einsam betroffen, allerdings vielfach in unterschiedlicher
Rollenverteilung. Ich w
ill dies aus der Sicht des Handw
erks nur mit einigen Stichw
ortenum
reißen:–
Da ist der dram
atische Beschäftigungsabbau: Fast alle Betriebe haben ihre Mannschaft
auf der Baustelle auf das absolute M
inimum
an qualifizierten Fachleuten reduziert.–
Ein Großteil der eigentlichen B
au-Arbeits-Leistung w
ird inzwischen über externe
Trupps abgewickelt, seien es Zeitarbeiter oder K
olonnen aus Osteuropa.
–Viele B
auunternehmen haben sich auf diesem
Wege von der produktiven Leistung
weitgehend abgekoppelt, reduziert auf die Tätigkeit als Projektentw
ickler.–
Entstanden sind regelrechte Subunternehmerketten, bei denen von oben nach unten
die Margen im
mer dünner w
erden. Oder w
eniger zurückhaltend formuliert: B
ei denendie A
uftragnehmer von oben nach unten ausgepresst w
erden. Sie werden nachvollzie-
hen,dass mittelständische B
auhandwerker am
unteren Ende der Subunternehmer-
kette das nicht als partnerschaftlichen Um
gang verstehen.
Bauen m
it IQ – Innovation durch Q
ualifizierung im B
auhandwerk33
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erden die Vorteile des Handw
erks gegenüber der In-dustrie durch die Vielfalt an B
erufsbildern, die das Handw
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damit die B
reite qualifizierter handwerklicher Leistungen um
schreiben. 17 Berufsbilder
zählt der engere Bereich der B
au- und Ausbauhandw
erke. Neben den M
aurern, Beton-
bauern, Dachdeckern, Estrichlegern, Fliesenlegern, M
alern, Zimm
erern sind es auchN
ischenberufe wie der Terrazzohersteller, B
runnen- oder Ofenbauer. M
it 20 weiteren
Berufen aus dem
Baunebengew
erbe – beispielsweise SH
K, Elektro, H
olz – sind rund einD
rittel aller Handw
erksberufe mit dem
Bau verbunden.
3.W
irtschaftliche Situation am B
au
Entsprechend groß ist der Einfluss der Baukonjunktur auf die w
irtschaftliche Lage desH
andwerks insgesam
t. Wir erleben es im
aktuellen Aufschw
ung. Er schlägt auf der posi-tiven Seite ebenso durch w
ie in den Jahren zuvor der dramatische R
ückgang am B
au. Sohat die B
auwirtschaft im
vergangenen Jahr 2006 entscheidend zur positiven Um
satzent-w
icklung im G
esamthandw
erk – ein Plus von 2,5 Prozent – und zur Entspannung amA
rbeitsmarkt beigetragen. A
uch wenn w
ir noch einmal 30.000 A
rbeitsplätze im H
andwerk
eingebüßt haben. Das ist jedoch eine deutliche Verbesserung im
Vergleich zu den Vorjahrenm
it regelmäßigen A
rbeitsplatzverlusten von 150.000 bis 250.000. Mehr als zw
ei Drittel
davon am Bau (2005: M
inus 140.000 Beschäftigte, davon 105.000 in den Bau- und Ausbau-
bereichen). Wir sind froh, dass die gute A
uslastung unserer Betriebe auch zu Beginn diesesJahre anhält. Ein Teil der guten A
uftragslage ist allerdings den – im K
ern negativen – Ent-scheidungen des vergangenen Jahres geschuldet: der Erhöhung der M
ehrwertsteuer und der
Streichung der Eigenheimzulage. N
och eilig zum Jahresschluss erteilte Baugenehm
igungenw
erden zur Zeit abgearbeitet und sorgen noch für eine gute Auslastung der B
etriebe.
Wichtigste Säule des neuen A
ufschwungs ist der W
irtschaftsbau. Unternehm
en des ver-arbeitenden G
ewerbes, aber auch H
andels- und Logistikunternehmen, haben D
eutschlandals W
irtschaftsstandort wieder entdeckt. Sie investieren in Infrastruktur und neue B
e-triebsstätten. D
er Wirtschaftsbau ist allerdings eher die D
omäne der B
auindustrie. Die
Kleinbetriebe des H
andwerks sind schw
erpunktmäßig im
Wohnungsbau tätig. A
uch vondort kom
men W
achstumsim
pulse, allerdings auf niedrigerem N
iveau. Für Nachfrage
gesorgt haben hier nicht zuletzt die Wachstum
sgesetze der Bundesregierung: D
er Steuer-bonus auf Bauleistungen und das energetische G
ebäudesanierungsprogramm
. Der Zentral-
verband des Deutschen H
andwerks hat sich nicht nur für diese M
aßnahmen eingesetzt,
sondern auch versucht, die Nachfrage zu beflügeln, indem
den Betrieben zur K
unden-inform
ation Werbem
aterial über diese Förderinstrumente zur Verfügung gestellt w
urde.Im
kleinteiligen Privatbereich hat das erkennbare Erfolge gebracht. Auch M
arketinggehört nun einm
al zur intelligenten Handw
erksleistung, zum „B
auen mit IQ
”.
Hanns-Eberhard Schleyer
32
Zu den aktuellen Themen unserer Lobbyarbeit gehört, die B
undesregierung von einerErgänzung der Förderinstrum
ente zu überzeugen:1.
Die A
usweitung der energetischen G
ebäudesanierung auf Gew
erbeimm
obilien, nichtzuletzt vor dem
Hintergrund der N
otwendigkeit zur nachhaltigen R
eduzierung vonEm
issionen.2.
Die A
npassung des Steuerbonus auf Handw
erksleistungen, dessen Attraktivität und
Wirksam
keit mit der Erhöhung der M
ehrwertsteuer deutlich verloren hat.
Ich bin mir bew
usst, dass diese Maßnahm
en nicht der reinen Lehre entsprechen. Aber sie
haben sich in der Praxis bewährt und – unterm
Strich nahezu ohne Belastungen für die
öffentlichen Haushalte – einen B
eitrag zur Trendwende im
Bau- und A
usbauhandwerk
geleistet. Wir hoffen, dass jetzt der W
achstumsfaden nicht abreißt. D
as wird auch von
politischen Entscheidungen abhängen, nicht nur hinsichtlich der Förderinstrumente, sondern
mehr noch von der verlässlichen U
msetzung angekündigter R
eformen, beispielsw
eise inder U
nternehmensbesteuerung.
4.Strukturveränderungen am
Bau
Doch auch w
enn die wirtschaftliche Entw
icklung – was w
ir alle hoffen – weiter aufw
ärtsgeht, so m
ache ich mir dennoch keine Illusionen, dass dadurch die Schleifspuren der ver-
gangenen Jahre in der Bauw
irtschaft wieder rückgängig gem
acht werden können. Zu tief
greifend waren diese Strukturveränderungen, um
kurz- oder mittelfristig gew
endet wer-
den zu können. Sie sind vielfach auch nicht allein durch die Rezession verursacht, sonderndurch sie nur besonders verschärft w
orden. Handw
erk und Industrie sind von diesenStrukturveränderungen gem
einsam betroffen, allerdings vielfach in unterschiedlicher
Rollenverteilung. Ich w
ill dies aus der Sicht des Handw
erks nur mit einigen Stichw
ortenum
reißen:–
Da ist der dram
atische Beschäftigungsabbau: Fast alle Betriebe haben ihre Mannschaft
auf der Baustelle auf das absolute M
inimum
an qualifizierten Fachleuten reduziert.–
Ein Großteil der eigentlichen B
au-Arbeits-Leistung w
ird inzwischen über externe
Trupps abgewickelt, seien es Zeitarbeiter oder K
olonnen aus Osteuropa.
–Viele B
auunternehmen haben sich auf diesem
Wege von der produktiven Leistung
weitgehend abgekoppelt, reduziert auf die Tätigkeit als Projektentw
ickler.–
Entstanden sind regelrechte Subunternehmerketten, bei denen von oben nach unten
die Margen im
mer dünner w
erden. Oder w
eniger zurückhaltend formuliert: Bei denen
die Auftragnehm
er von oben nach unten ausgepresst werden. Sie w
erden nachvollzie-hen,dass m
ittelständische Bauhandw
erker am unteren Ende der Subunternehm
er-kette das nicht als partnerschaftlichen U
mgang verstehen.
Bauen m
it IQ – Innovation durch Q
ualifizierung im B
auhandwerk33
–Viele A
uftragnehmer des H
andwerks haben einen solchen D
ruck nicht überstanden,das ist für sie selber und deren B
eschäftigte eine dramatische Entw
icklung; aber esist auch ein erheblicher volksw
irtschaftlicher Substanzverlust.–
Und es ist in der langfristigen Perspektive nicht zuletzt eine G
efahr für die Bau-
industrie, auf die ich mit allem
Nachdruck hinw
eisen will, nur am
Rande auf die
Gew
ährleistungsrisiken, die natürlich entstehen, wenn A
uftraggeber ihre Auftrag-
nehmer am
Ende aus dem M
arkt werfen.
–A
ber vor allem läuft die B
auindustrie natürlich Gefahr, einen Partner zu schw
ächen.Einen Partner, auf den sie w
eiterhin angewiesen sein w
ird, weil dieser Partner w
eitm
ehr als die Bauindustrie selber B
auleistungen in der kompletten B
reite ausführenkann. Ferner, w
eil er die Fachkräfte dafür qualifiziert und somit die B
asis für denw
eiteren Innovationsprozess am B
au legt.
Es wird Sie nicht w
undern, dass sich im Zuge der geschilderten und Ihnen verm
utlichbekannten Entw
icklung die Größenstruktur der handw
erklichen Baubetriebe erheblich
verschoben hat, zulasten der größeren und zugunsten der kleineren Einheiten. Wenn
90 % der B
etriebe heute weniger als 20 Personen beschäftigen, dann verbirgt sich dahin-
ter aber nicht nur eine sukzessive Verkleinerung der Unternehm
enseinheiten. Hinter sol-
chen Durchschnittszahlen steht auch eine – positiv form
uliert – erhebliche „Gründungs-
dynamik”. Im
Klartext ist das beispielsw
eise eine Verdreifachung der Fliesenleger-Betriebeseit 2004 auf heute über 30.000. Viele davon sind bei Lichte betrachtet aber keine w
irk-lichen B
etriebe, sondern beispielsweise tatkräftige M
änner aus den EU-B
eitrittländern,die – völlig legal – eine Lücke in den Beitrittsverträgen im
„unseligen“ Zusamm
enwirken
mit der novellierten H
andwerksordnung nutzen, einen B
etrieb anmelden und ganz „selb-
ständig” eine Baukolonne bilden.
5.A
usbildung
Es ist nahe liegend, dass im Zuge einer solchen Entw
icklung natürlich auch die Ausbil-
dungszahlen am B
au deutlich zurückgegangen sind. So hat sich etwa – um
das nur mit
einer Zahl zu belegen – der Lehrlingsbestand des Beton- und Stahlbetonbauers in B
au-handw
erk und Bauindustrie von 3.180 A
uszubildenden im Jahr 2000 auf 1.763 Lehrlinge
in 2005 fast halbiert. Wo keine B
eschäftigung stattfindet, kann auch nicht ausgebildetw
erden. Es wird beim
Anstieg der B
eschäftigtenzahlen nicht leicht sein, die weggebro-
chenen Ausbildungsstrukturen w
ieder zu beleben, aber es ist nötig, um für die langfris-
tige Perspektive die erforderliche Qualifikation am
Bau zu sichern. O
b allerdings dieJugendlichen bei einem
anhaltenden Anziehen der B
aukonjunktur den Bau w
irklich alsB
erufsziel wieder entdecken? Ich habe da m
eine Zweifel und glaube, dass w
ir zunächstkräftige A
nstrengungen zur Imageverbesserung der B
auberufe unternehmen m
üssen.
Hanns-Eberhard Schleyer
34
Denn natürlich hat m
it den Einbrüchen der vergangenen Jahre der Ruf der B
au-berufe erheblich gelitten. A
uch die Standardisierungen in den zurückliegenden Jahr-zehnten haben
sich, was das R
enomm
ee der Bauberufe betrifft, zum
indest ambivalent
ausgewirkt.
Einerseits hat der zunehmende M
aschineneinsatz die körperlichen Belastungen reduziert.A
ndererseits hat die Arbeitsteilung m
ehr und mehr das breit angelegte generalistische
Wissen und den B
lick für die Wechselw
irkungen von Material, Technik und M
ensch amB
au verdrängt. Eine wichtige A
ufgabe wird es deshalb sein, über Inhalte, Perspektiven
und Entwicklungsm
öglichkeiten der Bauberufe zu inform
ieren. Unter anderem
offensivherauszustellen, dass gerade durch den Einsatz neuer Technik die B
erufe vielseitiger undanspruchsvoller gew
orden sind. Trotz aller Spezialisierungen dürfen wir bei der w
eite-ren K
onzeption unserer Berufe deren G
anzheitlichkeit nicht aus dem B
lick verlieren.H
andwerksberufe sollen auch in Zukunft eine universelle A
usbildung mit vielfältigen
Qualifizierungs- und W
eiterbildungsmöglichkeiten darstellen. Ein breites Fundam
entm
uss die Basis für Spezialisierungen geben. N
icht nur – aber auch – im H
inblick darauf,dass in den M
arktnischen große Chancen liegen.
6.M
odernisierung der Ausbildung
Um
diese beiden Anforderungen – breite B
asis und flexible Spezialisierung – besser mit-
einander zu verbinden, erarbeiten wir zur Zeit ein neues A
usbildungskonzept. Aufbauend
auf umfassenden G
rundqualifikationen entwickeln w
ir ein Baukastensystem
von Mo-
dulen, das das Duale System
offener und flexibler gestaltet. Dam
it können wir neue
Inhalte schneller integrieren, Berufsbilder anpassen und den im
mer breiter gefächerten
Anforderungen der betrieblichen Praxis gerecht w
erden. Die Stufenausbildung am
Bau
ist dafür eine gute Blaupause. Sie hat sich im
Handw
erk und in der Industrie bewährt,
verbindet solide Grundausbildung m
it aufbauender Spezialisierung.
Um
so mehr bedauern w
ir in dieser Sache einen aktuellen Dissens m
it der Industrie, dieeher eine M
odularisierung der Ausbildung favorisiert, bei der das B
erufskonzept verlas-sen w
ird und die Ausbildung in eine R
eihe unabhängiger Einzelqualifikationen mit
jeweils erreichbaren Teilabschlüssen zerlegt w
erden soll. Ich halte das für keinen klugenW
eg. Ich glaube vielmehr, dass w
ir den Wettbew
erb in einer globalisierten Welt nur dann
bestehen können, wenn w
ir „um so vieles besser sind, w
ie wir teurer sind”, um
es mit
den Worten der B
undeskanzlerin zu formulieren. D
as erfordert Fachkräfte, die sich aufder G
rundlage einer umfassenden Q
ualifikation imm
er wieder neu an Veränderungen des
Marktes und der Technik anpassen können, ja die solche Veränderungen selber voran-
treiben. Bauen m
it IQ geht nicht ohne IQ
. Nur so kann der B
au die Herausforderungen
Bauen m
it IQ – Innovation durch Q
ualifizierung im B
auhandwerk35
–Viele A
uftragnehmer des H
andwerks haben einen solchen D
ruck nicht überstanden,das ist für sie selber und deren B
eschäftigte eine dramatische Entw
icklung; aber esist auch ein erheblicher volksw
irtschaftlicher Substanzverlust.–
Und es ist in der langfristigen Perspektive nicht zuletzt eine G
efahr für die Bau-
industrie, auf die ich mit allem
Nachdruck hinw
eisen will, nur am
Rande auf die
Gew
ährleistungsrisiken, die natürlich entstehen, wenn A
uftraggeber ihre Auftrag-
nehmer am
Ende aus dem M
arkt werfen.
–A
ber vor allem läuft die B
auindustrie natürlich Gefahr, einen Partner zu schw
ächen.Einen Partner, auf den sie w
eiterhin angewiesen sein w
ird, weil dieser Partner w
eitm
ehr als die Bauindustrie selber B
auleistungen in der kompletten B
reite ausführenkann. Ferner, w
eil er die Fachkräfte dafür qualifiziert und somit die B
asis für denw
eiteren Innovationsprozess am B
au legt.
Es wird Sie nicht w
undern, dass sich im Zuge der geschilderten und Ihnen verm
utlichbekannten Entw
icklung die Größenstruktur der handw
erklichen Baubetriebe erheblich
verschoben hat, zulasten der größeren und zugunsten der kleineren Einheiten. Wenn
90 % der B
etriebe heute weniger als 20 Personen beschäftigen, dann verbirgt sich dahin-
ter aber nicht nur eine sukzessive Verkleinerung der Unternehm
enseinheiten. Hinter sol-
chen Durchschnittszahlen steht auch eine – positiv form
uliert – erhebliche „Gründungs-
dynamik”. Im
Klartext ist das beispielsw
eise eine Verdreifachung der Fliesenleger-Betriebeseit 2004 auf heute über 30.000. Viele davon sind bei Lichte betrachtet aber keine w
irk-lichen B
etriebe, sondern beispielsweise tatkräftige M
änner aus den EU-B
eitrittländern,die – völlig legal – eine Lücke in den Beitrittsverträgen im
„unseligen“ Zusamm
enwirken
mit der novellierten H
andwerksordnung nutzen, einen B
etrieb anmelden und ganz „selb-
ständig” eine Baukolonne bilden.
5.A
usbildung
Es ist nahe liegend, dass im Zuge einer solchen Entw
icklung natürlich auch die Ausbil-
dungszahlen am B
au deutlich zurückgegangen sind. So hat sich etwa – um
das nur mit
einer Zahl zu belegen – der Lehrlingsbestand des Beton- und Stahlbetonbauers in B
au-handw
erk und Bauindustrie von 3.180 A
uszubildenden im Jahr 2000 auf 1.763 Lehrlinge
in 2005 fast halbiert. Wo keine B
eschäftigung stattfindet, kann auch nicht ausgebildetw
erden. Es wird beim
Anstieg der B
eschäftigtenzahlen nicht leicht sein, die weggebro-
chenen Ausbildungsstrukturen w
ieder zu beleben, aber es ist nötig, um für die langfris-
tige Perspektive die erforderliche Qualifikation am
Bau zu sichern. O
b allerdings dieJugendlichen bei einem
anhaltenden Anziehen der B
aukonjunktur den Bau w
irklich alsB
erufsziel wieder entdecken? Ich habe da m
eine Zweifel und glaube, dass w
ir zunächstkräftige A
nstrengungen zur Imageverbesserung der B
auberufe unternehmen m
üssen.
Hanns-Eberhard Schleyer
34
Denn natürlich hat m
it den Einbrüchen der vergangenen Jahre der Ruf der B
au-berufe erheblich gelitten. A
uch die Standardisierungen in den zurückliegenden Jahr-zehnten haben
sich, was das R
enomm
ee der Bauberufe betrifft, zum
indest ambivalent
ausgewirkt.
Einerseits hat der zunehmende M
aschineneinsatz die körperlichen Belastungen reduziert.A
ndererseits hat die Arbeitsteilung m
ehr und mehr das breit angelegte generalistische
Wissen und den B
lick für die Wechselw
irkungen von Material, Technik und M
ensch amB
au verdrängt. Eine wichtige A
ufgabe wird es deshalb sein, über Inhalte, Perspektiven
und Entwicklungsm
öglichkeiten der Bauberufe zu inform
ieren. Unter anderem
offensivherauszustellen, dass gerade durch den Einsatz neuer Technik die B
erufe vielseitiger undanspruchsvoller gew
orden sind. Trotz aller Spezialisierungen dürfen wir bei der w
eite-ren K
onzeption unserer Berufe deren G
anzheitlichkeit nicht aus dem B
lick verlieren.H
andwerksberufe sollen auch in Zukunft eine universelle A
usbildung mit vielfältigen
Qualifizierungs- und W
eiterbildungsmöglichkeiten darstellen. Ein breites Fundam
entm
uss die Basis für Spezialisierungen geben. N
icht nur – aber auch – im H
inblick darauf,dass in den M
arktnischen große Chancen liegen.
6.M
odernisierung der Ausbildung
Um
diese beiden Anforderungen – breite B
asis und flexible Spezialisierung – besser mit-
einander zu verbinden, erarbeiten wir zur Zeit ein neues A
usbildungskonzept. Aufbauend
auf umfassenden G
rundqualifikationen entwickeln w
ir ein Baukastensystem
von Mo-
dulen, das das Duale System
offener und flexibler gestaltet. Dam
it können wir neue
Inhalte schneller integrieren, Berufsbilder anpassen und den im
mer breiter gefächerten
Anforderungen der betrieblichen Praxis gerecht w
erden. Die Stufenausbildung am
Bau
ist dafür eine gute Blaupause. Sie hat sich im
Handw
erk und in der Industrie bewährt,
verbindet solide Grundausbildung m
it aufbauender Spezialisierung.
Um
so mehr bedauern w
ir in dieser Sache einen aktuellen Dissens m
it der Industrie, dieeher eine M
odularisierung der Ausbildung favorisiert, bei der das B
erufskonzept verlas-sen w
ird und die Ausbildung in eine R
eihe unabhängiger Einzelqualifikationen mit
jeweils erreichbaren Teilabschlüssen zerlegt w
erden soll. Ich halte das für keinen klugenW
eg. Ich glaube vielmehr, dass w
ir den Wettbew
erb in einer globalisierten Welt nur dann
bestehen können, wenn w
ir „um so vieles besser sind, w
ie wir teurer sind”, um
es mit
den Worten der B
undeskanzlerin zu formulieren. D
as erfordert Fachkräfte, die sich aufder G
rundlage einer umfassenden Q
ualifikation imm
er wieder neu an Veränderungen des
Marktes und der Technik anpassen können, ja die solche Veränderungen selber voran-
treiben. Bauen m
it IQ geht nicht ohne IQ
. Nur so kann der B
au die Herausforderungen
Bauen m
it IQ – Innovation durch Q
ualifizierung im B
auhandwerk35
und Chancen nutzen, die sich durch gesellschaftliche und technische Prozesse ergeben
und die sich zum Teil heute bereits abzeichnen. Ich w
ill das an einigen Beispielen auf-
zeigen.
7.D
as energieautarke Haus
Einfamilienhäuser, Schulen und öffentliche G
ebäude stellen ihre Energieversorgungs-system
e um und nutzen dazu Sonne, W
ind, Holz und G
eothermie. M
ittlerweile gibt es
1-Liter-Häuser (1 l Ö
l pro m2und Jahr), die eine vierm
al bessere Energiebilanz als einPassivhaus aufw
eisen. Der Einsatz geotherm
ischer Anlagen in solchen H
äusern ermög-
licht eine Kühlung im
Somm
er. Im W
inter dient die Anlage zur W
armw
asseraufbereitungund als H
eizung. Etliche dieser Anlagen w
erden gerade in unseren Berufsbildungs-
zentren installiert, z.B. in Halle und in K
arlsruhe. Darüber hinaus ist ein G
eoinformations-
System (G
IS) für das Handw
erk im A
ufbau. Dam
it können Brunnenbauer vor der ersten
Bohrung feststellen, auf w
elche Gesteinsschichten und W
asserzonen sie treffen und vorallem
, welche A
nlagen mit w
elchen Erdsonden überhaupt möglich sind.
Die Techniken für solche K
onzepte stehen bereit. Die Verbraucher sind angesichts im
mer
höherer Preise für Strom, H
eizung und Warm
wasser bereit zu investieren und zu m
oder-nisieren. H
ier erschließt sich gerade den Bauhandw
erken in Verbindung mit den A
us-baugew
erken ein riesiger Markt für die Zukunft. M
it einer Basisqualifikation lassen sich
solche anspruchsvollen Konzepte allerdings nicht verw
irklichen. Deshalb haben w
ir eineR
eihe von Berufsbildern novelliert oder neue geschaffen. Seit dem
Jahr 2000 haben wir
die „Fachkraft für Solartechnik“, bekannter als „Solarteur“, und seit 2002 die „Fachkraftfür regenerative Energietechnik“. D
iese Zusatzqualifikationen sind eine Antw
ort auf dietechnischen H
erausforderungen.
8.D
er demographische W
andel
Die große gesellschaftliche H
erausforderung der Zukunft ist der demografische W
andel.Prof. R
ürup hat vor diesem Forum
die These vertreten, dass die Bevölkerung in D
eutsch-land bis zum
Jahr 2040 auf ca. 70 Mio. Einw
ohner schrumpfen w
ird. Bis 2040 w
ird dieA
nzahl der über 65jährigen von jetzt 25 auf 50 Prozent ansteigen. Eine solche Ent-w
icklung ist historisch ohne Beispiel. Stadtplanung, Infrastruktur-, Wohn- und W
irtschafts-bau w
erden von der Bevölkerungsentw
icklung nachhaltig beeinflusst. Es gilt Fragen des„R
ückbaus der Städte“, der Versorgungsinfrastruktur sowie der D
imensionierung von
Wohnraum
zu beantworten. W
ie können wir etw
a das Wohnen in den eigenen vier
Wänden bis ins hohe A
lter hinein durch intelligente Gebäudetechnik erleichtern?
Bauen m
it IQ – Innovation durch Q
ualifizierung im B
auhandwerk
Hanns-Eberhard Schleyer
3736
9.G
ebäudeleittechnik (Smart H
ouse)
Senioren brauchen imm
er öfter die Unterstützung elektronischer H
elfer in der Wohnung
und im H
aushalt. Sensoren erfassen die Raum
temperatur, steuern die Sonnenjalousie,
verständigen das Pflegepersonal. Angehörige können über B
ewegungsm
elder feststellen,ob Fenster bei Sturm
geschlossen sind. Viele sinnvolle Anw
endungsszenarien werden
möglich, dank neuer B
US-Technologie in der G
ebäudeautomation. G
ebäudetechnik istm
ittlerweile zu einer Zukunftsbranche für die Elektrohandw
erke und den Sanitär-H
eizung-Klim
a-Bereich gew
orden. Bereits 2003 ist im
Rahm
en der Neuordnung der
Elektro-Handw
erksberufe der Beruf „Elektroniker/in, Fachrichtung Energie- und G
e-bäudetechnik,“ entstanden. A
us dem Elektriker ist der Elektroniker gew
orden. Allein das
zeigt schon den Wandel und w
ie sich Berufe und Q
ualifikationen verändern.
Heutzutage m
üssen Elektroniker eben nicht nur Installationen ausführen. Nein, sie m
üssen…–
Anlagen und -kom
ponenten zur Gebäudeautom
atisierung planen, berechnen, pro-gram
mieren, param
etrisieren, errichten, prüfen; –
sich in verschiedenen BU
S-Technologien auskennen, die Signalübertragungstechnikbeherrschen und Techniken zur rationellen Energieanw
endung sowie deren elektro-
nische Betriebsm
ittel anwenden, installieren und in B
etrieb nehmen können;
–sich m
it moderner,m
eist mit elektronischen Steuerungen ausgestatteter Energie- und
Gebäudetechnik auskennen. K
raft-Wärm
e-Kopplungsanlagen, geotherm
ischen Anlagen,
Solartechnik, Erdungs-, Blitzschutz-, Ü
berspannungsschutz, Wärm
e-, Kälte- und
Klim
aanlagen zählen zu ihren neuen Aufgabengebieten.
Diese Tätigkeiten, gerade w
enn es um Planung und Program
mierung derartiger A
nlagenm
it Hilfe rechnergestützter System
e geht, weisen schon heute eine große Ü
bereinstim-
mung m
it der Ausbildung an Fachhochschulen einschlägiger Fachrichtungen auf.
10.K
ompetenzzentren
Aber eben die U
msetzung im
handwerklichen B
ereich erfordert ebenso umfassende
Qualifikationen und dafür zunächst entsprechende m
odernste Ausbildungsstätten.
Jährlich investiert das Handw
erk etwa 80 M
io. Euro in den Ausbau und in die M
oderni-sierung seiner 570 B
erufsbildungszentren. Ein wesentlicher B
austein ist dabei dieW
eiterentwicklung dieser B
ildungsstätten zu Kom
petenzzentren. Derzeit haben w
ir etwa
20 solcher Zentren, die sich mit bautechnischen Them
en befassen wie:
–Ö
kologisches und energiesparendes Bauen,
–B
rennstoffzellen,
und Chancen nutzen, die sich durch gesellschaftliche und technische Prozesse ergeben
und die sich zum Teil heute bereits abzeichnen. Ich w
ill das an einigen Beispielen auf-
zeigen.
7.D
as energieautarke Haus
Einfamilienhäuser, Schulen und öffentliche G
ebäude stellen ihre Energieversorgungs-system
e um und nutzen dazu Sonne, W
ind, Holz und G
eothermie. M
ittlerweile gibt es
1-Liter-Häuser (1 l Ö
l pro m2und Jahr), die eine vierm
al bessere Energiebilanz als einPassivhaus aufw
eisen. Der Einsatz geotherm
ischer Anlagen in solchen H
äusern ermög-
licht eine Kühlung im
Somm
er. Im W
inter dient die Anlage zur W
armw
asseraufbereitungund als H
eizung. Etliche dieser Anlagen w
erden gerade in unseren Berufsbildungs-
zentren installiert, z.B. in Halle und in K
arlsruhe. Darüber hinaus ist ein G
eoinformations-
System (G
IS) für das Handw
erk im A
ufbau. Dam
it können Brunnenbauer vor der ersten
Bohrung feststellen, auf w
elche Gesteinsschichten und W
asserzonen sie treffen und vorallem
, welche A
nlagen mit w
elchen Erdsonden überhaupt möglich sind.
Die Techniken für solche K
onzepte stehen bereit. Die Verbraucher sind angesichts im
mer
höherer Preise für Strom, H
eizung und Warm
wasser bereit zu investieren und zu m
oder-nisieren. H
ier erschließt sich gerade den Bauhandw
erken in Verbindung mit den A
us-baugew
erken ein riesiger Markt für die Zukunft. M
it einer Basisqualifikation lassen sich
solche anspruchsvollen Konzepte allerdings nicht verw
irklichen. Deshalb haben w
ir eineR
eihe von Berufsbildern novelliert oder neue geschaffen. Seit dem
Jahr 2000 haben wir
die „Fachkraft für Solartechnik“, bekannter als „Solarteur“, und seit 2002 die „Fachkraftfür regenerative Energietechnik“. D
iese Zusatzqualifikationen sind eine Antw
ort auf dietechnischen H
erausforderungen.
8.D
er demographische W
andel
Die große gesellschaftliche H
erausforderung der Zukunft ist der demografische W
andel.Prof. R
ürup hat vor diesem Forum
die These vertreten, dass die Bevölkerung in D
eutsch-land bis zum
Jahr 2040 auf ca. 70 Mio. Einw
ohner schrumpfen w
ird. Bis 2040 w
ird dieA
nzahl der über 65jährigen von jetzt 25 auf 50 Prozent ansteigen. Eine solche Ent-w
icklung ist historisch ohne Beispiel. Stadtplanung, Infrastruktur-, Wohn- und W
irtschafts-bau w
erden von der Bevölkerungsentw
icklung nachhaltig beeinflusst. Es gilt Fragen des„R
ückbaus der Städte“, der Versorgungsinfrastruktur sowie der D
imensionierung von
Wohnraum
zu beantworten. W
ie können wir etw
a das Wohnen in den eigenen vier
Wänden bis ins hohe A
lter hinein durch intelligente Gebäudetechnik erleichtern?
Bauen m
it IQ – Innovation durch Q
ualifizierung im B
auhandwerk
Hanns-Eberhard Schleyer
3736
9.G
ebäudeleittechnik (Smart H
ouse)
Senioren brauchen imm
er öfter die Unterstützung elektronischer H
elfer in der Wohnung
und im H
aushalt. Sensoren erfassen die Raum
temperatur, steuern die Sonnenjalousie,
verständigen das Pflegepersonal. Angehörige können über B
ewegungsm
elder feststellen,ob Fenster bei Sturm
geschlossen sind. Viele sinnvolle Anw
endungsszenarien werden
möglich, dank neuer B
US-Technologie in der G
ebäudeautomation. G
ebäudetechnik istm
ittlerweile zu einer Zukunftsbranche für die Elektrohandw
erke und den Sanitär-H
eizung-Klim
a-Bereich gew
orden. Bereits 2003 ist im
Rahm
en der Neuordnung der
Elektro-Handw
erksberufe der Beruf „Elektroniker/in, Fachrichtung Energie- und G
e-bäudetechnik,“ entstanden. A
us dem Elektriker ist der Elektroniker gew
orden. Allein das
zeigt schon den Wandel und w
ie sich Berufe und Q
ualifikationen verändern.
Heutzutage m
üssen Elektroniker eben nicht nur Installationen ausführen. Nein, sie m
üssen…–
Anlagen und -kom
ponenten zur Gebäudeautom
atisierung planen, berechnen, pro-gram
mieren, param
etrisieren, errichten, prüfen;–
sich in verschiedenen BU
S-Technologien auskennen, die Signalübertragungstechnikbeherrschen und Techniken zur rationellen Energieanw
endung sowie deren elektro-
nische Betriebsm
ittel anwenden, installieren und in Betrieb nehm
en können;–
sich mit m
oderner,meist m
it elektronischen Steuerungen ausgestatteter Energie- undG
ebäudetechnik auskennen. Kraft-W
ärme-K
opplungsanlagen, geothermischen A
nlagen,Solartechnik, Erdungs-, B
litzschutz-, Überspannungsschutz, W
ärme-, K
älte- undK
limaanlagen zählen zu ihren neuen A
ufgabengebieten.
Diese Tätigkeiten, gerade w
enn es um Planung und Program
mierung derartiger A
nlagenm
it Hilfe rechnergestützter System
e geht, weisen schon heute eine große Ü
bereinstim-
mung m
it der Ausbildung an Fachhochschulen einschlägiger Fachrichtungen auf.
10.K
ompetenzzentren
Aber eben die U
msetzung im
handwerklichen B
ereich erfordert ebenso umfassende
Qualifikationen und dafür zunächst entsprechende m
odernste Ausbildungsstätten.
Jährlich investiert das Handw
erk etwa 80 M
io. Euro in den Ausbau und in die M
oderni-sierung seiner 570 B
erufsbildungszentren. Ein wesentlicher B
austein ist dabei dieW
eiterentwicklung dieser B
ildungsstätten zu Kom
petenzzentren. Derzeit haben w
ir etwa
20 solcher Zentren, die sich mit bautechnischen Them
en befassen wie:
–Ö
kologisches und energiesparendes Bauen,
–B
rennstoffzellen,
–Sicherheitstechnik,
–B
io-Energietechnik,–
Solartechnik,–
Haus- und G
ebäudetechnik,–
C-Techniken.
Hier nähert sich im
Grunde die handw
erkliche Ausbildung einem
Studium an den Fach-
hochschulen an. Ich meine sogar behaupten zu können, dass m
ancher Absolvent m
itB
achelor-Abschluss von Fachhochschulen w
eniger Know
-how und praktische K
ennt-nisse aufw
eist als etwa unsere M
eister in den elektrotechnischen Berufen.
11.G
leichwertigkeit beruflicher, allgem
einer und hochschulischer Bildung
Eine qualitative Gleichw
ertigkeit beruflicher, allgemeiner und hochschulischer B
ildungsollte auch im
Rahm
en unseres Bildungssystem
s noch mehr A
nerkennung finden. Zumal
in der verstärkten Zusamm
enarbeit von Handw
erk und Hochschule, von betrieblicher
Praxis und Wissenschaft noch erhebliche Innovationspotenziale stecken. H
ier gilt esB
erührungsängste beider Seiten abzubauen. Und w
ie könnte das besser gelingen als mit
dem generellen H
ochschulzugang für Meister. M
eister und Wissenschaftler – Theorie
und Praxis – in Personalunion, damit neue Erkenntnisse aus der W
issenschaft in markt-
reife Produkte und Dienstleistungen um
gesetzt werden.
Welchen hohen Stellenw
ert gerade das Handw
erk für den Innovationsprozess in Deutsch-
land hat, das hat erst kürzlich das Prognos-Institut in einer Studie eindrucksvoll nachge-w
iesen. Bem
erkenswert ist vor allem
die Erkenntnis, dass kein Wirtschaftsbereich, w
iedas H
andwerk, an allen Phasen der Innovationskette beteiligt ist. Einerseits w
erden imH
andwerk neue Produkte und D
ienstleistungen entwickelt, andererseits ist das H
andwerk
Anw
ender innovativer Lösungen. Es sorgt für die Um
setzung bei einem breiten K
unden-stam
m. U
nd diese Anw
endung wird zugleich in der A
usbildung vermittelt; nicht zuletzt
als Grundlage für die erneute W
eiterentwicklung. H
ier schließt sich der Innovations-kreislauf.
12.K
ooperationen
Die D
urchdringung des Marktes m
it innovativen Produkten gelingt dabei umso besser,
je enger Unternehm
en aus Industrie, Handel und H
andwerk untereinander – auch m
it derW
issenschaft – kooperieren. Hier gibt es noch einiges zu tun für das H
andwerk und die
Industrie. Was das H
andwerk betrifft, so m
uss ich leider konstatieren, dass die strategi-
Bauen m
it IQ – Innovation durch Q
ualifizierung im B
auhandwerk
Hanns-Eberhard Schleyer
3938
schen Vorteile von Kooperationen von H
andwerksunternehm
en noch zu wenig erkannt
werden. D
ie Chance, größenbedingte N
achteile im N
etzwerk zu kom
pensieren: Kapital-
und Mitarbeiterausstattung, A
kquise, Planung, Vertrieb. Dabei zeigen Erfolge aus der
Vergangenheit die großen Potenziale solcher Kooperationen. D
ie Expo in Hannover im
Jahre 2000 führte 21 Handw
erksunternehmen zusam
men, um
als Bietergem
einschaft desD
eutschen Handw
erks den kompletten Them
enpark aufzubauen. Imm
erhin ein Um
satz-volum
en von seinerzeit 250 Mio. D
M.
Auch im
Facility-Managem
ent bieten sich dem H
andwerk faszinierende M
öglichkeiten.Es gibt im
mer w
ieder hochinteressante Anläufe aus dem
Handw
erk, unterschiedlicheG
ewerke zu System
anbietern zu bündeln und sie als bundesweit tätiges N
etzwerk zu
etablieren. Erhebliche Entwicklungspotenziale sehe ich im
Miteinander von B
auindus-trie und B
auhandwerk. D
ie Bauindustrie w
ird ohne das Bauhandw
erk wohl kaum
seineam
bitionierten Ziele verwirklichen können: ökologisch nachhaltig zu bauen, neue Tech-
niken, wie etw
a regenerative Energieerzeugungssysteme, in neue G
ebäude einzubauenoder aber die G
ebäudeautomation voranzutreiben. U
mgekehrt kann auch das B
auhand-w
erk von der Bauindustrie lernen. G
erade was die K
oordinierung aller Beteiligten am
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ompetenzen in Planung, Logistik und B
auausführung und nicht zuletztdie intensive N
utzung moderner Inform
ations- und Kom
munikationstechnologie zur Ver-
knüpfung aller Beteiligten sind in der B
auindustrie ausgeprägter und professionalisiert.
Eine gute Partnerschaft zwischen B
auindustrie und Bauhandw
erk kann ich mir insbe-
sondere auch vorstellen, wenn es um
die Erschließung internationaler Märkte geht. D
ieIndustrie ist hier dem
Handw
erk naturgemäß um
Einiges voraus. Andererseits bew
eisenauch im
mer m
ehr handwerkliche B
aubetriebe – vor allem Spezialisten –, dass sie sich
erfolgreich über die Grenzen hinaus behaupten können, in Europa und w
eltweit. Eine
partnerschaftliche Zusamm
enarbeit auf den Baustellen der W
elt könnte – wie es zu einer
Partnerschaft gehört – beiden Seiten einen Zugewinn geben: D
em H
andwerk den Schritt
über die Grenze und der Industrie qualitativ hochw
ertige Leistungen, die auch in Zukunftden guten R
uf von „made in G
ermany” unterfüttern. B
eide Seiten können voneinanderprofitieren. D
eshalb sollte im gegenseitigen Interesse die echte Partnerschaft im
Vorder-grund stehen, die die spezifischen Stärken des anderen anerkennt. D
amit w
ir gemeinsam
noch intelligenter bauen können.
Mit m
ehr IQ – m
ehr Innovation – mehr Q
ualifizierung.
–Sicherheitstechnik,
–B
io-Energietechnik,–
Solartechnik,–
Haus- und G
ebäudetechnik,–
C-Techniken.
Hier nähert sich im
Grunde die handw
erkliche Ausbildung einem
Studium an den Fach-
hochschulen an. Ich meine sogar behaupten zu können, dass m
ancher Absolvent m
itB
achelor-Abschluss von Fachhochschulen w
eniger Know
-how und praktische K
ennt-nisse aufw
eist als etwa unsere M
eister in den elektrotechnischen Berufen.
11.G
leichwertigkeit beruflicher, allgem
einer und hochschulischer Bildung
Eine qualitative Gleichw
ertigkeit beruflicher, allgemeiner und hochschulischer B
ildungsollte auch im
Rahm
en unseres Bildungssystem
s noch mehr A
nerkennung finden. Zumal
in der verstärkten Zusamm
enarbeit von Handw
erk und Hochschule, von betrieblicher
Praxis und Wissenschaft noch erhebliche Innovationspotenziale stecken. H
ier gilt esB
erührungsängste beider Seiten abzubauen. Und w
ie könnte das besser gelingen als mit
dem generellen H
ochschulzugang für Meister. M
eister und Wissenschaftler – Theorie
und Praxis – in Personalunion, damit neue Erkenntnisse aus der W
issenschaft in markt-
reife Produkte und Dienstleistungen um
gesetzt werden.
Welchen hohen Stellenw
ert gerade das Handw
erk für den Innovationsprozess in Deutsch-
land hat, das hat erst kürzlich das Prognos-Institut in einer Studie eindrucksvoll nachge-w
iesen. Bem
erkenswert ist vor allem
die Erkenntnis, dass kein Wirtschaftsbereich, w
iedas H
andwerk, an allen Phasen der Innovationskette beteiligt ist. Einerseits w
erden imH
andwerk neue Produkte und D
ienstleistungen entwickelt, andererseits ist das H
andwerk
Anw
ender innovativer Lösungen. Es sorgt für die Um
setzung bei einem breiten K
unden-stam
m. U
nd diese Anw
endung wird zugleich in der A
usbildung vermittelt; nicht zuletzt
als Grundlage für die erneute W
eiterentwicklung. H
ier schließt sich der Innovations-kreislauf.
12.K
ooperationen
Die D
urchdringung des Marktes m
it innovativen Produkten gelingt dabei umso besser,
je enger Unternehm
en aus Industrie, Handel und H
andwerk untereinander – auch m
it derW
issenschaft – kooperieren. Hier gibt es noch einiges zu tun für das H
andwerk und die
Industrie. Was das H
andwerk betrifft, so m
uss ich leider konstatieren, dass die strategi-
Bauen m
it IQ – Innovation durch Q
ualifizierung im B
auhandwerk
Hanns-Eberhard Schleyer
3938
schen Vorteile von Kooperationen von H
andwerksunternehm
en noch zu wenig erkannt
werden. D
ie Chance, größenbedingte N
achteile im N
etzwerk zu kom
pensieren: Kapital-
und Mitarbeiterausstattung, A
kquise, Planung, Vertrieb. Dabei zeigen Erfolge aus der
Vergangenheit die großen Potenziale solcher Kooperationen. D
ie Expo in Hannover im
Jahre 2000 führte 21 Handw
erksunternehmen zusam
men, um
als Bietergem
einschaft desD
eutschen Handw
erks den kompletten Them
enpark aufzubauen. Imm
erhin ein Um
satz-volum
en von seinerzeit 250 Mio. D
M.
Auch im
Facility-Managem
ent bieten sich dem H
andwerk faszinierende M
öglichkeiten.Es gibt im
mer w
ieder hochinteressante Anläufe aus dem
Handw
erk, unterschiedlicheG
ewerke zu System
anbietern zu bündeln und sie als bundesweit tätiges N
etzwerk zu
etablieren. Erhebliche Entwicklungspotenziale sehe ich im
Miteinander von B
auindus-trie und B
auhandwerk. D
ie Bauindustrie w
ird ohne das Bauhandw
erk wohl kaum
seineam
bitionierten Ziele verwirklichen können: ökologisch nachhaltig zu bauen, neue Tech-
niken, wie etw
a regenerative Energieerzeugungssysteme, in neue G
ebäude einzubauenoder aber die G
ebäudeautomation voranzutreiben. U
mgekehrt kann auch das B
auhand-w
erk von der Bauindustrie lernen. G
erade was die K
oordinierung aller Beteiligten am
Bau betrifft. D
ie Kom
petenzen in Planung, Logistik und Bauausführung und nicht zuletzt
die intensive Nutzung m
oderner Informations- und K
omm
unikationstechnologie zur Ver-knüpfung aller B
eteiligten sind in der Bauindustrie ausgeprägter und professionalisiert.
Eine gute Partnerschaft zwischen B
auindustrie und Bauhandw
erk kann ich mir insbe-
sondere auch vorstellen, wenn es um
die Erschließung internationaler Märkte geht. D
ieIndustrie ist hier dem
Handw
erk naturgemäß um
Einiges voraus. Andererseits bew
eisenauch im
mer m
ehr handwerkliche B
aubetriebe – vor allem Spezialisten –, dass sie sich
erfolgreich über die Grenzen hinaus behaupten können, in Europa und w
eltweit. Eine
partnerschaftliche Zusamm
enarbeit auf den Baustellen der W
elt könnte – wie es zu einer
Partnerschaft gehört – beiden Seiten einen Zugewinn geben: D
em H
andwerk den Schritt
über die Grenze und der Industrie qualitativ hochw
ertige Leistungen, die auch in Zukunftden guten R
uf von „made in G
ermany” unterfüttern. B
eide Seiten können voneinanderprofitieren. D
eshalb sollte im gegenseitigen Interesse die echte Partnerschaft im
Vorder-grund stehen, die die spezifischen Stärken des anderen anerkennt. D
amit w
ir gemeinsam
noch intelligenter bauen können.
Mit m
ehr IQ – m
ehr Innovation – mehr Q
ualifizierung.
Handw
erk und Ingenieurkunst greifen ineinanderProfessor D
r.-Ing. E.h. Manfred N
ußbaumer M
. Sc.
1.Einleitung
These 1: keine Ingenieurwissenschaften – ohne H
andwerk
These 2: keine Ingenieurwissenschaften – ohne N
aturwissenschaften w
ie Mathem
atik,Physik, C
hemie
Die Ingenieurw
issenschaften der Bau-, M
aschinenbau- und Elektroingenieure entwickel-
ten sich im Zw
ischenbereich von Handw
erk und den Naturw
issenschaften Mathem
atik,Physik und C
hemie. Von beiden haben die Ingenieurw
issenschaften profitiert. Die histo-
rische Entwicklung und die gegenseitige B
efruchtung von Ingenieurkunst und Handw
erksind auch heute noch nicht aus dieser Verbindung w
egzudenken. Auf sie w
ird im W
eite-ren vertieft eingegangen.
2.G
eschichtliche Entwicklung
2.1H
andwerk
Das professionelle H
andwerk entstand im
frühen Mittelalter m
it der Stadtentwicklung
und insbesondere unter dem Einfluss der Zünfte.
Die Zünfte sorgten:
–für die berufliche A
usbildung–
für die Einhaltung von Qualität und Fertigungsverfahren
–für die Fortbildung der G
esellen ––>W
anderschaft–
für garantierte, ausreichende und gesicherte Einkomm
en–
für die Einbindung in das politische und soziale Leben der Stadt.
Der m
ehrere Jahrhunderte erfolgreiche Zunftzwang des H
andwerks stand aber bald in
krassem G
egensatz zum Fortschritt des beginnenden M
erkantilismus des ausgehenden
18.Jahrhunderts. M
it der französischen Revolution begann die Gew
erbefreiheit, d.h. dieA
bschaffung des Zunftwesens in Frankreich.
Im Zunftw
esen hatte am Ende des 18. Jahrhunderts das entstehende M
anufakturwesen
keinen Platz, die revolutionären Aktivitäten spülten deshalb das Zunftw
esen hinweg.
Handw
erk und Ingenieurkunst greifen ineinander
41
Handw
erk und Ingenieurkunst greifen ineinanderProfessor D
r.-Ing. E.h. Manfred N
ußbaumer M
. Sc.
1.Einleitung
These 1: keine Ingenieurwissenschaften – ohne H
andwerk
These 2: keine Ingenieurwissenschaften – ohne N
aturwissenschaften w
ie Mathem
atik,Physik, C
hemie
Die Ingenieurw
issenschaften der Bau-, M
aschinenbau- und Elektroingenieure entwickel-
ten sich im Zw
ischenbereich von Handw
erk und den Naturw
issenschaften Mathem
atik,Physik und C
hemie. Von beiden haben die Ingenieurw
issenschaften profitiert. Die histo-
rische Entwicklung und die gegenseitige B
efruchtung von Ingenieurkunst und Handw
erksind auch heute noch nicht aus dieser Verbindung w
egzudenken. Auf sie w
ird im W
eite-ren vertieft eingegangen.
2.G
eschichtliche Entwicklung
2.1H
andwerk
Das professionelle H
andwerk entstand im
frühen Mittelalter m
it der Stadtentwicklung
und insbesondere unter dem Einfluss der Zünfte.
Die Zünfte sorgten:
–für die berufliche A
usbildung–
für die Einhaltung von Qualität und Fertigungsverfahren
–für die Fortbildung der G
esellen ––>W
anderschaft–
für garantierte, ausreichende und gesicherte Einkomm
en–
für die Einbindung in das politische und soziale Leben der Stadt.
Der m
ehrere Jahrhunderte erfolgreiche Zunftzwang des H
andwerks stand aber bald in
krassem G
egensatz zum Fortschritt des beginnenden M
erkantilismus des ausgehenden
18.Jahrhunderts. M
it der französischen Revolution begann die Gew
erbefreiheit, d.h. dieA
bschaffung des Zunftwesens in Frankreich.
Im Zunftw
esen hatte am Ende des 18. Jahrhunderts das entstehende M
anufakturwesen
keinen Platz, die revolutionären Aktivitäten spülten deshalb das Zunftw
esen hinweg.
Handw
erk und Ingenieurkunst greifen ineinander
41
–M
ariotte (1620–1684), Hydro- und A
erostatik–
Huygens (1629–1695), M
athematiker, Physiker, u.a. Statik, H
ydrostatik–
Hooke (1635–1703), Elastizitätsgesetze
–N
ewton (1643–1727), G
ravitationsgesetze, Bew
egungsgleichungen–
Leibnitz (1646–1716), Mathem
atiker, Physiker, technischer Erfinder–
Jakob Bernoulli (1655–1705), M
athematiker, Infinitesim
alrechnung, Kettenlinie
–Euler (1707–1783), M
athematiker, Physiker, M
echanik, Strömungs- und
Biegelehre,
Veröffentlichungen: „Neue G
rundsätze der Artillerie” (1745), „Theorie des Schiff-
baus” (1749), „ Knickgleichung”
In weiteren 100 Jahren, also von 1750 bis 1850 w
urden diese Theorien zur Anw
endungin den Ingenieurw
issenschaften weiterentw
ickelt.–
Coulomb (1736–1806), Physiker, Ingenieuroffizier, „Theorie der einfachen M
aschi-nen” (1779), Torsion, Festigkeit, B
austatik, Reibungsgesetz, Erddruck-Theorie,
Elektrizitätsmenge C
(As).
–N
avier (1785 – 1836), Professor für Mechanik (1819), ab 1831 an der Ecole Poly-
technique, Elastomechanik, B
alken- und Plattenbiegung, Schwingung elastischer
Körper, B
austatik, Theorie der Hängebrücken, Ström
ungstheorie, Navier-Stokes-
Gleichung. N
avier schrieb sein erstes Vorlesungsskript (1826) als Buch, das 1851 ins
Deutsche übersetzt w
urde mit dem
Titel „Mechanik der B
aukunst oder Anw
endungder M
echanik auf das Gleichgew
icht von Bau-K
onstruktionen”.
3.3D
ie Kuppel des Petersdom
s, Beauftragung eines Sanierungsgutachtens(1740) und Einbeziehung von W
issenschaftlern für deren Sanierung
Die nach M
ichelangelos Entwurf errichtete K
uppel (1590) wurde von B
aumeistern nach
den Erfahrungen an anderen Bauten, jedoch m
it einer Steigerung in den geometrischen
Abm
essungen, errichtet. Statisch konnte man sie 1590 noch nicht berechnen. 150 Jahre
nach deren Errichtung zeigte die Kuppel an ihrer B
asis Risse. Papst B
enedikt XIV
gabdeshalb zw
ei Gutachten in A
uftrag, und zwar eines an drei M
athematiker, es w
arennaturw
issenschaftlich gebildete Mönche in R
om, sow
ie eines an Giovanni Poleni,
Professor für Mathem
atik, Physik und Astronom
ie in Padua. Beide G
utachten kamen
unabhängig voneinander zur Erkenntnis, dass die Kuppel an ihrer B
asis eiserner Zug-ringe zu ihrer Verstärkung bedürfte.
Aus diesem
Beispiel lässt sich erkennen, dass neben den B
aumeistern das B
erufsbildeines analytisch arbeitenden B
aumeisters oder Fachm
annes, des späteren Ingenieurs, zurdam
aligen Zeit fehlte.
Handw
erk und Ingenieurkunst greifen ineinander
43
2.2N
aturwissenschaften
Im M
ittelalter betrieben fast ausschließlich die Klöster W
issenschaft. Der Schw
erpunktlag auf Them
en wie M
athematik, A
stronomie, Jurisprudenz, M
edizin, Religion und die
Schönen Künste.
Außerhalb der K
löster entwickelten sich ab dem
11. und 12. Jahrhundert die ersten Uni-
versitäten in Norditalien, später in O
xford. Im 13. und 14. Jahrhundert kam
en Paris, Prag,W
ien, Heidelberg und K
öln dazu. Diese U
niversitäten lehrten zunächst ähnlich wie die
Klöster. Es gab Fakultäten für Theologie, R
echt, Medizin und die so genannte „A
rtisten-fakultät”. D
iese umfasste sieben Fachgebiete, näm
lich Gram
matik, R
hetorik, Dialektik
und Arithm
etik, Geom
etrie, Musik und A
stronomie. D
iese Basisstudien w
aren vor derA
ufnahme in die erstgenannten Fächer zu absolvieren. Sie sehen hier noch durchaus
Parallelen zum heutigen Ingenieurstudium
, bei dem auch vor und m
it dem Studium
Grundlagenfächer zu belegen sind.
3.N
aturwissenschaften als G
rundlagen der Ingenieurwissenschaften
3.1Leonardo da Vinci (1452 - 1519)
Der große B
aumeister, K
ünstler und Wissenschaftler befasste sich bereits – w
ie schonvor ihm
und nach ihm viele B
aumeister – m
it dem K
räfteverlauf in Bauteilen, w
ie inK
uppeln und Bögen, und m
it der Biegefestigkeit von B
alken. Aber eine w
issenschaftlichfundierte Lösung konnte von ihm
noch nicht entwickelt w
erden.
3.2G
alileo Galilei (1564 – 1642)
Einer der ersten, der sich mit ingenieurw
issenschaftlichen Themen erfolgreich befasste,
war G
alileo Galilei. Seine A
usbildung erhielt er in einer Klosterschule, kam
mit 17 Jahren
an die Universität von Pisa, w
o er Medizin, M
athematik und Physik studierte und w
urdem
it 25 Jahren dort Professor für Mathem
atik. Er wechselte 3
Jahre später wegen eines
höheren Gehaltes an die U
niversität Padua, beschäftigte sich mit Pendelschw
ingungen.D
ie Fallversuche am Schiefen Turm
von Pisa sind wohl Legende. D
och die Fallgesetzekonnte er m
ittels theoretischer Überlegungen 1609 herleiten. Interessant ist, dass sich
Galileo G
alilei bereits mit der B
iegetragfähigkeit eines Kragbalkens befasste.
In den folgenden 100 Jahren, also von 1650 bis 1750 wurde von vielen W
issenschaftlerndie theoretische B
asis für die Ingenieurwissenschaften gelegt, so von
Manfred N
ußbaumer
42
–M
ariotte (1620–1684), Hydro- und A
erostatik–
Huygens (1629–1695), M
athematiker, Physiker, u.a. Statik, H
ydrostatik–
Hooke (1635–1703), Elastizitätsgesetze
–N
ewton (1643–1727), G
ravitationsgesetze, Bew
egungsgleichungen–
Leibnitz (1646–1716), Mathem
atiker, Physiker, technischer Erfinder–
Jakob Bernoulli (1655–1705), M
athematiker, Infinitesim
alrechnung, Kettenlinie
–Euler (1707–1783), M
athematiker, Physiker, M
echanik, Strömungs- und
Biegelehre,
Veröffentlichungen: „Neue G
rundsätze der Artillerie” (1745), „Theorie des Schiff-
baus” (1749), „ Knickgleichung”
In weiteren 100 Jahren, also von 1750 bis 1850 w
urden diese Theorien zur Anw
endungin den Ingenieurw
issenschaften weiterentw
ickelt.–
Coulomb (1736–1806), Physiker, Ingenieuroffizier, „Theorie der einfachen M
aschi-nen” (1779), Torsion, Festigkeit, B
austatik, Reibungsgesetz, Erddruck-Theorie,
Elektrizitätsmenge C
(As).
–N
avier (1785 – 1836), Professor für Mechanik (1819), ab 1831 an der Ecole Poly-
technique, Elastomechanik, B
alken- und Plattenbiegung, Schwingung elastischer
Körper, B
austatik, Theorie der Hängebrücken, Ström
ungstheorie, Navier-Stokes-
Gleichung. N
avier schrieb sein erstes Vorlesungsskript (1826) als Buch, das 1851 ins
Deutsche übersetzt w
urde mit dem
Titel „Mechanik der B
aukunst oder Anw
endungder M
echanik auf das Gleichgew
icht von Bau-K
onstruktionen”.
3.3D
ie Kuppel des Petersdom
s, Beauftragung eines Sanierungsgutachtens(1740) und Einbeziehung von W
issenschaftlern für deren Sanierung
Die nach M
ichelangelos Entwurf errichtete K
uppel (1590) wurde von B
aumeistern nach
den Erfahrungen an anderen Bauten, jedoch m
it einer Steigerung in den geometrischen
Abm
essungen, errichtet. Statisch konnte man sie 1590 noch nicht berechnen. 150 Jahre
nach deren Errichtung zeigte die Kuppel an ihrer B
asis Risse. Papst B
enedikt XIV
gabdeshalb zw
ei Gutachten in A
uftrag, und zwar eines an drei M
athematiker, es w
arennaturw
issenschaftlich gebildete Mönche in R
om, sow
ie eines an Giovanni Poleni,
Professor für Mathem
atik, Physik und Astronom
ie in Padua. Beide G
utachten kamen
unabhängig voneinander zur Erkenntnis, dass die Kuppel an ihrer B
asis eiserner Zug-ringe zu ihrer Verstärkung bedürfte.
Aus diesem
Beispiel lässt sich erkennen, dass neben den B
aumeistern das B
erufsbildeines analytisch arbeitenden B
aumeisters oder Fachm
annes, des späteren Ingenieurs, zurdam
aligen Zeit fehlte.
Handw
erk und Ingenieurkunst greifen ineinander
43
2.2N
aturwissenschaften
Im M
ittelalter betrieben fast ausschließlich die Klöster W
issenschaft. Der Schw
erpunktlag auf Them
en wie M
athematik, A
stronomie, Jurisprudenz, M
edizin, Religion und die
Schönen Künste.
Außerhalb der K
löster entwickelten sich ab dem
11. und 12. Jahrhundert die ersten Uni-
versitäten in Norditalien, später in O
xford. Im 13. und 14. Jahrhundert kam
en Paris, Prag,W
ien, Heidelberg und K
öln dazu. Diese U
niversitäten lehrten zunächst ähnlich wie die
Klöster. Es gab Fakultäten für Theologie, R
echt, Medizin und die so genannte „A
rtisten-fakultät”. D
iese umfasste sieben Fachgebiete, näm
lich Gram
matik, R
hetorik, Dialektik
und Arithm
etik, Geom
etrie, Musik und A
stronomie. D
iese Basisstudien w
aren vor derA
ufnahme in die erstgenannten Fächer zu absolvieren. Sie sehen hier noch durchaus
Parallelen zum heutigen Ingenieurstudium
, bei dem auch vor und m
it dem Studium
Grundlagenfächer zu belegen sind.
3.N
aturwissenschaften als G
rundlagen der Ingenieurwissenschaften
3.1Leonardo da Vinci (1452 - 1519)
Der große B
aumeister, K
ünstler und Wissenschaftler befasste sich bereits – w
ie schonvor ihm
und nach ihm viele B
aumeister – m
it dem K
räfteverlauf in Bauteilen, w
ie inK
uppeln und Bögen, und m
it der Biegefestigkeit von B
alken. Aber eine w
issenschaftlichfundierte Lösung konnte von ihm
noch nicht entwickelt w
erden.
3.2G
alileo Galilei (1564 – 1642)
Einer der ersten, der sich mit ingenieurw
issenschaftlichen Themen erfolgreich befasste,
war G
alileo Galilei. Seine A
usbildung erhielt er in einer Klosterschule, kam
mit 17 Jahren
an die Universität von Pisa, w
o er Medizin, M
athematik und Physik studierte und w
urdem
it 25 Jahren dort Professor für Mathem
atik. Er wechselte 3
Jahre später wegen eines
höheren Gehaltes an die U
niversität Padua, beschäftigte sich mit Pendelschw
ingungen.D
ie Fallversuche am Schiefen Turm
von Pisa sind wohl Legende. D
och die Fallgesetzekonnte er m
ittels theoretischer Überlegungen 1609 herleiten. Interessant ist, dass sich
Galileo G
alilei bereits mit der B
iegetragfähigkeit eines Kragbalkens befasste.
In den folgenden 100 Jahren, also von 1650 bis 1750 wurde von vielen W
issenschaftlerndie theoretische B
asis für die Ingenieurwissenschaften gelegt, so von
Manfred N
ußbaumer
42
4.1Entw
icklung neuer Baustoffe
Die aus der Frühzeit und dem
Mittelalter bekannten B
austoffe, die das Handw
erk imM
ittelalter verwendete, w
aren Holz, N
aturstein, Ziegel und in begrenztem M
aße Metalle
wie Eisen und B
lei.
Mit der Industrialisierung kam
en neue Baustoffe dazu. Zunächst G
usseisen, Eisen undspäter Stahl, die vorher nicht in größeren M
engen zur Verfügung gestellt werden konn-
ten. Diese M
aterialien erlaubten die Konstruktion von leichteren und w
eit gespannterenB
auwerken w
ie z.B. B
rücken, Glaspaläste und filigranen D
achkonstruktionen.
Aus der industriellen Produktion von Zem
ent um 1850 entw
ickelte sich in den folgenden20 Jahren durch M
onier, Hennebique u.a. der Eisenbeton, der um
die Jahrhundertwende
um 1900 seinen vollen Eingang in die B
autechnik fand.
Mit der A
nwendung von Eisenkonstruktionen entw
ickelten sich in den Manufakturen
und in Industriebetrieben neue Berufe w
ie der Eisen- und spätere Stahlbauschlosser, derStahlschm
elzer, der ungelernte Fabrikarbeiter.
4.2G
usseisen, Eisen
Zunächst verwendete m
an Gusseisenkonstruktionen. D
ie Anordnung einzelner G
uss-eisenelem
ente erfolgte so, dass diese fast ausschließlich auf Druck beansprucht w
urden.Erst um
1820 war Eisen in den erforderlichen M
engen verfügbar, dieses konnte ins-
Handw
erk und Ingenieurkunst greifen ineinander
45
4.H
andwerk in der Zeit der technischen R
evolution
Die Strukturen der Zünfte, die im
Mittelalter aus vielen G
ründen ihre Berechtigung hat-
ten, waren, w
ie bereits ausgeführt, mit der Französischen R
evolution auch Ziel derB
eseitigung. Die Zünfte standen auch anderen O
rts der Industriellen Revolution w
egenihrer starren Strukturen im
Wege. Preußen schaffte sie 1810 ab.
Während die Zünfte für die H
andwerker viele Einzelheiten und genau die G
renzen ihrerTätigkeit festlegten, entstanden m
it der Technischen Revolution völlig neue B
erufsbil-der, und zw
ar insbesondere im M
aschinenbau. So z.B. entstand der M
aschinenschlosser,der D
ampfm
aschinen, mechanische W
ebstühle oder Pumpen für den B
ergbau zu kon-struieren und zu bauen hatte. D
iese Berufsgruppen aus dem
Metallbereich hatten m
it denbestehenden B
erufsgruppen der Schmiede nur noch w
enig gemeinsam
.
Mit der A
bschaffung der Zünfte wurden auch die G
renzen zwischen den einzelnen Berufs-
gruppen imm
er mehr durchlässig. D
adurch wuchs Potential für N
eu- und Weiterent-
wicklungen. Im
Bauw
esen waren w
ichtige Handw
erksberufe der Zimm
ermann, der
Maurer, der D
achdecker, der Schreiner, der Spengler, der Brunnenbauer, der Ziegelbren-
ner, der Steinmetz.
Manfred N
ußbaumer
44 Abb. 1: D
ie Kuppel des Petersdom
s: Beauftra-
gung eines Sanierungsgutachtens (1740)unter Einbeziehung von W
issenschaftlern
Abb. 2:
Zugversuche und Ausführungs-
vorschläge für die Zugringe in der Peterskuppel
Abb. 3:
Kettenbrücke über den Avon (1840)
4.1Entw
icklung neuer Baustoffe
Die aus der Frühzeit und dem
Mittelalter bekannten B
austoffe, die das Handw
erk imM
ittelalter verwendete, w
aren Holz, N
aturstein, Ziegel und in begrenztem M
aße Metalle
wie Eisen und B
lei.
Mit der Industrialisierung kam
en neue Baustoffe dazu. Zunächst G
usseisen, Eisen undspäter Stahl, die vorher nicht in größeren M
engen zur Verfügung gestellt werden konn-
ten. Diese M
aterialien erlaubten die Konstruktion von leichteren und w
eit gespannterenB
auwerken w
ie z.B. B
rücken, Glaspaläste und filigranen D
achkonstruktionen.
Aus der industriellen Produktion von Zem
ent um 1850 entw
ickelte sich in den folgenden20 Jahren durch M
onier, Hennebique u.a. der Eisenbeton, der um
die Jahrhundertwende
um 1900 seinen vollen Eingang in die B
autechnik fand.
Mit der A
nwendung von Eisenkonstruktionen entw
ickelten sich in den Manufakturen
und in Industriebetrieben neue Berufe w
ie der Eisen- und spätere Stahlbauschlosser, derStahlschm
elzer, der ungelernte Fabrikarbeiter.
4.2G
usseisen, Eisen
Zunächst verwendete m
an Gusseisenkonstruktionen. D
ie Anordnung einzelner G
uss-eisenelem
ente erfolgte so, dass diese fast ausschließlich auf Druck beansprucht w
urden.Erst um
1820 war Eisen in den erforderlichen M
engen verfügbar, dieses konnte ins-
Handw
erk und Ingenieurkunst greifen ineinander
45
4.H
andwerk in der Zeit der technischen R
evolution
Die Strukturen der Zünfte, die im
Mittelalter aus vielen G
ründen ihre Berechtigung hat-
ten, waren, w
ie bereits ausgeführt, mit der Französischen R
evolution auch Ziel derB
eseitigung. Die Zünfte standen auch anderen O
rts der Industriellen Revolution w
egenihrer starren Strukturen im
Wege. Preußen schaffte sie 1810 ab.
Während die Zünfte für die H
andwerker viele Einzelheiten und genau die G
renzen ihrerTätigkeit festlegten, entstanden m
it der Technischen Revolution völlig neue B
erufsbil-der, und zw
ar insbesondere im M
aschinenbau. So z.B. entstand der M
aschinenschlosser,der D
ampfm
aschinen, mechanische W
ebstühle oder Pumpen für den B
ergbau zu kon-struieren und zu bauen hatte. D
iese Berufsgruppen aus dem
Metallbereich hatten m
it denbestehenden B
erufsgruppen der Schmiede nur noch w
enig gemeinsam
.
Mit der A
bschaffung der Zünfte wurden auch die G
renzen zwischen den einzelnen Berufs-
gruppen imm
er mehr durchlässig. D
adurch wuchs Potential für N
eu- und Weiterent-
wicklungen. Im
Bauw
esen waren w
ichtige Handw
erksberufe der Zimm
ermann, der
Maurer, der D
achdecker, der Schreiner, der Spengler, der Brunnenbauer, der Ziegelbren-
ner, der Steinmetz.
Manfred N
ußbaumer
44 Abb. 1: D
ie Kuppel des Petersdom
s: Beauftra-
gung eines Sanierungsgutachtens (1740)unter Einbeziehung von W
issenschaftlern
Abb. 2:
Zugversuche und Ausführungs-
vorschläge für die Zugringe in der Peterskuppel
Abb. 3:
Kettenbrücke über den Avon (1840)
Untertunnelungen, Sprengungen. U
m 1700 gründete der M
arquis de Bauban aus der
italienischen Tradition der „Architectura M
ilitaris” das „Corps des ingénieurs du génie
militaire”.
Um
1720 führten in Frankreich die wachsenden B
auaufgaben, und zwar auch w
egen derErrichtung von vielerlei M
anufakturen, zu einer Trennung in einen Zivil- und in einenM
ilitäringenieur.
Die Zivilingenieure vereinigten sich im
„Corps des ingénieurs des ponts et chaussées”.
Zur Ausbildung des N
achwuchses erfolgte 1747 die G
ründung der „Ecole des ponts etchaussées” als erste Ingenieurschule w
eltweit.
Wie bereits ausgeführt, ging N
avier (1785 – 1836) aus dieser Schule hervor und wurde
an der Ecole Polytechnique einer der bedeutendsten Lehrer seiner Zeit. Seine Vor-lesungen fanden europaw
eite Verbreitung und befruchteten das Ingenieurwesens
wesentlich.
Mit dem
Eisenbahnbau-Boom
zwischen 1850 und 1910 w
urden in Deutschland nicht nur
über 50.000km
Eisenbahnstrecken gebaut, sondern auch eine große Zahl von Brücken,
Tunneln und Bahnhofsgebäuden.
Diese Zeit w
ar in Deutschland auch die G
eburtsstunde von polytechnischen Schulen zurA
usbildung von Technikern und Ingenieuren. Die erste G
ründung erfolgte wohl in K
arls-ruhe 1825. Einige dieser polytechnischen Schulen w
urden bis Ende des 19. Jahrhundertszu Technischen H
ochschulen ernannt. In diesen Schulen erfolgte eine systematische und
breite Ingenieurausbildung.
Handw
erk und Ingenieurkunst greifen ineinander
47
besondere auch Zugbeanspruchungen aufnehmen. Es ist beeindruckend, dass bereits
kurz nach 1800 damit die ersten H
ängebrücken gebaut wurden.
4.3Eisenbeton
Die „alten” Berufsgruppen hatten zunächst ihren H
alt in den aus den Zünften überliefertenR
egeln und Fertigkeiten. Da diese R
egeln aber auf empirischer B
asis beruhten, taten sichdie B
aumeister und H
andwerker in der A
nwendung neuer M
aterialien zunächst schwer.
Meist verw
endeten selbst die Baum
eister und die ab 1850 in Ingenieurschulen ausgebil-deten Ingenieure herköm
mliche K
onstruktionsformen. Selbst die Stahlbauten und Stahl-
betonbauten konnten bis in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts den Einfluss desH
olzbaus oft nicht verleugnen!
Manfred N
ußbaumer
46 Abb. 4: Stegbew
ehrung nach Coignet
Abb. 5:
Übliche B
alkenanschlüsse mittels
Vouten, Hennebique
Abb. 6: Eisenbahnstreckennetz von 1850 ...
... und 1885
Interessant sind die ersten monolithischen Stahlbetonbauten für die Industrie, die ausge-
sprochen filigran mit schm
alen Trägern und Unterzügen und dünnen D
eckenplattenerstellt w
urden. Häufig w
urden die Träger in Auflagernähe m
it Vouten versehen, dieStützen w
urden mit A
ufweitungen unter den H
auptträgern hergestellt.
5.B
erufsgruppe des Ingenieurs
Die B
ezeichnung Ingenieur tauchte das erste Mal vereinzelt in Frankreich in Verbindung
mit dem
Militär um
1500 auf. Um
etwa 1700 w
ar diese Bezeichnung auch in D
eutsch-land zu finden, und zw
ar zuerst in Dresden.
Männer m
it der Berufsbezeichnung Ingenieur befassten sich zur dam
aligen Zeit mit
Festungsbau, Straßenbau, Ballistik der G
eschütze, festungsbrechenden Techniken wie
Untertunnelungen, Sprengungen. U
m 1700 gründete der M
arquis de Bauban aus der
italienischen Tradition der „Architectura M
ilitaris” das „Corps des ingénieurs du génie
militaire”.
Um
1720 führten in Frankreich die wachsenden B
auaufgaben, und zwar auch w
egen derErrichtung von vielerlei M
anufakturen, zu einer Trennung in einen Zivil- und in einenM
ilitäringenieur.
Die Zivilingenieure vereinigten sich im
„Corps des ingénieurs des ponts et chaussées”.
Zur Ausbildung des N
achwuchses erfolgte 1747 die G
ründung der „Ecole des ponts etchaussées” als erste Ingenieurschule w
eltweit.
Wie bereits ausgeführt, ging N
avier (1785 – 1836) aus dieser Schule hervor und wurde
an der Ecole Polytechnique einer der bedeutendsten Lehrer seiner Zeit. Seine Vor-lesungen fanden europaw
eite Verbreitung und befruchteten das Ingenieurwesens
wesentlich.
Mit dem
Eisenbahnbau-Boom
zwischen 1850 und 1910 w
urden in Deutschland nicht nur
über 50.000km
Eisenbahnstrecken gebaut, sondern auch eine große Zahl von Brücken,
Tunneln und Bahnhofsgebäuden.
Diese Zeit w
ar in Deutschland auch die G
eburtsstunde von polytechnischen Schulen zurA
usbildung von Technikern und Ingenieuren. Die erste G
ründung erfolgte wohl in K
arls-ruhe 1825. Einige dieser polytechnischen Schulen w
urden bis Ende des 19. Jahrhundertszu Technischen H
ochschulen ernannt. In diesen Schulen erfolgte eine systematische und
breite Ingenieurausbildung.
Handw
erk und Ingenieurkunst greifen ineinander
47
besondere auch Zugbeanspruchungen aufnehmen. Es ist beeindruckend, dass bereits
kurz nach 1800 damit die ersten H
ängebrücken gebaut wurden.
4.3Eisenbeton
Die „alten” Berufsgruppen hatten zunächst ihren H
alt in den aus den Zünften überliefertenR
egeln und Fertigkeiten. Da diese R
egeln aber auf empirischer B
asis beruhten, taten sichdie B
aumeister und H
andwerker in der A
nwendung neuer M
aterialien zunächst schwer.
Meist verw
endeten selbst die Baum
eister und die ab 1850 in Ingenieurschulen ausgebil-deten Ingenieure herköm
mliche K
onstruktionsformen. Selbst die Stahlbauten und Stahl-
betonbauten konnten bis in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts den Einfluss desH
olzbaus oft nicht verleugnen!
Manfred N
ußbaumer
46 Abb. 4: Stegbew
ehrung nach Coignet
Abb. 5:
Übliche B
alkenanschlüsse mittels
Vouten, Hennebique
Abb. 6: Eisenbahnstreckennetz von 1850 ...
... und 1885
Interessant sind die ersten monolithischen Stahlbetonbauten für die Industrie, die ausge-
sprochen filigran mit schm
alen Trägern und Unterzügen und dünnen D
eckenplattenerstellt w
urden. Häufig w
urden die Träger in Auflagernähe m
it Vouten versehen, dieStützen w
urden mit A
ufweitungen unter den H
auptträgern hergestellt.
5.B
erufsgruppe des Ingenieurs
Die B
ezeichnung Ingenieur tauchte das erste Mal vereinzelt in Frankreich in Verbindung
mit dem
Militär um
1500 auf. Um
etwa 1700 w
ar diese Bezeichnung auch in D
eutsch-land zu finden, und zw
ar zuerst in Dresden.
Männer m
it der Berufsbezeichnung Ingenieur befassten sich zur dam
aligen Zeit mit
Festungsbau, Straßenbau, Ballistik der G
eschütze, festungsbrechenden Techniken wie
Der unbew
ehrte Beton w
urde noch bis 1950 als Stampfbeton für Fundam
ente undSchw
ergewichtsm
auern eingebracht. Mit dem
Einzug des Innenrüttlers in den 50erJahren verschw
anden die Stampfbetonkonstruktionen. Ein w
esentlich homogenerer Beton
war herstellbar.
Der Eisenbeton/Stahlbeton w
ar im B
auwesen eine R
evolution, die in Deutschland im
Jahre 1884 mit dem
Erwerb der M
onier-Patente durch Conrad Freytag begann.
Mit dem
Erwerb der H
ennebique-Lizenz durch Eduard Züblin wurde die Stahlbetonan-
wendung w
eiter beschleunigt. Der Plattenbalken, die B
ügel und die Schubbewehrung
wurden erfunden.
Diese neue B
auweise erforderte für die H
erstellung der Schalungen den Einsatz einesbestehenden H
andwerksberufes, den des Zim
merm
anns. Es entwickelte sich daraus der
Schalungszimm
ermann. A
m B
eginn des Stahlbetons waren die Schalungen w
egen derfiligranen K
onstruktionen richtige Meisterstücke. D
ie hohe Qualität der Zim
merm
anns-leistung kann m
an noch heute an Stahlbetonbauten erkennen, die um die Jahrhundert-
wende errichtet w
urden.
Die B
ewehrung w
urde anfangs ebenfalls von Zimm
erleuten und von Maurern eingelegt,
letztere brachten auch den Beton ein und verdichteten durch Stochern und K
lopfen gegendie Schalungen. Für die Schalungsherstellung, das Bew
ehren und Betonieren entwickelte
sich nach 1950 die Berufsgruppe des B
etonbauers.
Handw
erk und Ingenieurkunst greifen ineinander
49
Die B
auten, insbesondere der Bahn, aus dieser Zeit zeugen von großem
Ingenieurmut
und großer Ingenieurkunst, aber auch von den großen Leistungen des Handw
erks.
6.Ingenieur und H
andwerk im
19. Jahrhundert
Die Ingenieure im
19. Jahrhundert waren durch ihre physikorientierte, theoretische A
us-bildung gegenüber den B
aumeistern von früher in der Lage, ihre K
onstruktionen zuberechnen. B
ei den Details hielten sie sich aber sehr an dam
als bekannte handwerkliche
Fertigkeiten.
Im Stahlbau w
aren Nieten das w
esentliche Verbindungsmittel, im
Holzbau die bekannten
Abbundtechniken der Zim
merleute. Im
Mauerw
erksbau änderte sich wenig.
Mit dem
Beton und Eisenbeton kam
en zwei neue B
austoffe, die zunächst sowohl von
den Ingenieuren als auch von den Handw
erkern wie M
auerwerksbau bzw. H
olzbaubehandelt w
urden.
Manfred N
ußbaumer
48 Abb. 7: Schw
albenschwanz-Verblattung
um 1600
Abb. 8: G
ußeiserne Säule im großen Lesesaal
der Bibliothèque N
ationale, Paris, 1861-1869, H
enri Labrouste
Abb. 10:C
hur-Arosa B
ahn, Lehrgerüst (1912), von Ed. Züblin
Abb. 9:
Moniers österreichisches „Privilegium
“(1879): B
eschreibung der Erfindung von C
onstructionen aus Eisen und Cem
ent für Schwellen, Canäle, Brücken,
Treppen und andere ähnliche Artikel
Der unbew
ehrte Beton w
urde noch bis 1950 als Stampfbeton für Fundam
ente undSchw
ergewichtsm
auern eingebracht. Mit dem
Einzug des Innenrüttlers in den 50erJahren verschw
anden die Stampfbetonkonstruktionen. Ein w
esentlich homogenerer Beton
war herstellbar.
Der Eisenbeton/Stahlbeton w
ar im B
auwesen eine R
evolution, die in Deutschland im
Jahre 1884 mit dem
Erwerb der M
onier-Patente durch Conrad Freytag begann.
Mit dem
Erwerb der H
ennebique-Lizenz durch Eduard Züblin wurde die Stahlbetonan-
wendung w
eiter beschleunigt. Der Plattenbalken, die B
ügel und die Schubbewehrung
wurden erfunden.
Diese neue B
auweise erforderte für die H
erstellung der Schalungen den Einsatz einesbestehenden H
andwerksberufes, den des Zim
merm
anns. Es entwickelte sich daraus der
Schalungszimm
ermann. A
m B
eginn des Stahlbetons waren die Schalungen w
egen derfiligranen K
onstruktionen richtige Meisterstücke. D
ie hohe Qualität der Zim
merm
anns-leistung kann m
an noch heute an Stahlbetonbauten erkennen, die um die Jahrhundert-
wende errichtet w
urden.
Die B
ewehrung w
urde anfangs ebenfalls von Zimm
erleuten und von Maurern eingelegt,
letztere brachten auch den Beton ein und verdichteten durch Stochern und K
lopfen gegendie Schalungen. Für die Schalungsherstellung, das Bew
ehren und Betonieren entwickelte
sich nach 1950 die Berufsgruppe des B
etonbauers.
Handw
erk und Ingenieurkunst greifen ineinander
49
Die B
auten, insbesondere der Bahn, aus dieser Zeit zeugen von großem
Ingenieurmut
und großer Ingenieurkunst, aber auch von den großen Leistungen des Handw
erks.
6.Ingenieur und H
andwerk im
19. Jahrhundert
Die Ingenieure im
19. Jahrhundert waren durch ihre physikorientierte, theoretische A
us-bildung gegenüber den B
aumeistern von früher in der Lage, ihre K
onstruktionen zuberechnen. B
ei den Details hielten sie sich aber sehr an dam
als bekannte handwerkliche
Fertigkeiten.
Im Stahlbau w
aren Nieten das w
esentliche Verbindungsmittel, im
Holzbau die bekannten
Abbundtechniken der Zim
merleute. Im
Mauerw
erksbau änderte sich wenig.
Mit dem
Beton und Eisenbeton kam
en zwei neue B
austoffe, die zunächst sowohl von
den Ingenieuren als auch von den Handw
erkern wie M
auerwerksbau bzw. H
olzbaubehandelt w
urden.
Manfred N
ußbaumer
48 Abb. 7: Schw
albenschwanz-Verblattung
um 1600
Abb. 8: G
ußeiserne Säule im großen Lesesaal
der Bibliothèque N
ationale, Paris, 1861-1869, H
enri Labrouste
Abb. 10:C
hur-Arosa B
ahn, Lehrgerüst (1912), von Ed. Züblin
Abb. 9:
Moniers österreichisches „Privilegium
“(1879): B
eschreibung der Erfindung von C
onstructionen aus Eisen und Cem
ent für Schwellen, Canäle, Brücken,
Treppen und andere ähnliche Artikel
Gleichzeitig entw
ickelten sich die so genannten Drahtkabelbrücken, von denen 1834 die
damals größte über das Saanetal in Fribourg/Schw
eiz mit einer Spannw
eite von 273M
eter in Betrieb genom
men w
urde. Nur m
it bestem Puddeleisen w
ar die gleichmäßige
und hohe Qualität solcher D
rahtkabel zu erreichen.
Die erste große B
alkenbrücke aus Stahl, die Britannia-B
rücke, entstand 1850 mit bereits
140 m Stützw
eite wieder über die M
enai-Street im N
ordwales für eine Eisenbahnverbin-
dung zur Insel/Anglesey. D
ie Brücke bestand aus einem
vom Zug befahrbaren K
asten-querschnitt m
it Ober- und U
ntergurt aus Walzprofilen, die kurz zuvor ebenfalls herstell-
bar waren. D
en Kastenquerschnitt bildeten die seitlichen Stegbleche. D
iese waren m
itO
ber- und Untergurt kraftschlüssig m
it Nieten verbunden und gegen B
eulen ausgesteift.A
ls Verbindungsmittel all dieser Elem
ente kamen zehntausende von N
ieten zum Einsatz.
Handw
erk und Ingenieurkunst greifen ineinander
51
7.Zusam
menw
irken von Ingenieur und Handw
erker bei technischenEntw
icklungen im B
auwesen
Die größten technischen Entw
icklungen im B
auwesen erfolgten zum
einen auf demG
ebiet von neuartigen Konstruktionen und B
austoffen und zum anderen durch die A
n-w
endung von Bauverfahren und durch den Einsatz von M
aschinen. Lassen Sie mich dies
an Entwicklungen im
Brückenbau beispielhaft darstellen. Ingenieure und H
andwerker
hatten dabei gleichermaßen ihre Verdienste.
8.Eisen- und Stahlbrücken, Stahlkonstruktionen
Folgender Abschnitt ist zum
großen Teil aus Veröffentlichungen von Prof. Wieland Ram
mentnom
men, dem
ich dafür meinen D
ank aussprechen möchte.
Ab 1780 entstanden zunächst in England gusseiserne B
rücken. Mit der industriellen
Eisenproduktion ab 1820 waren ausreichend schm
iedbare Eisenmengen verfügbar, um
Kettenglieder für so genannte K
ettenbrücken herzustellen. Die K
ettenglieder bestandenaus geschm
iedeten Augenstäben, bei denen die B
olzenlöcher und die Verbreiterung andiesen von Schm
ieden herausgehämm
ert werden m
ussten. Die Berechnung solcher K
etten-brücken stellte dam
als wohl kein unlösbares Problem
mehr dar.
Im Jahr 1826 w
urde die damals größte K
ettenbrücke, die Brücke über die M
enai Streetim
Westen Englands, m
it einer Spannweite von bereits 176 M
eter dem Verkehr übergeben.
Manfred N
ußbaumer
50 Abb. 11:
Coalbrookdale bridge (1779)
Abb. 13:Spannbett zur Ü
berprüfung der Kettentragfähigkeit beim
Bau der Panteleimon-K
ettenbrückein St. Petersburg von 1824 (nach einem
Stich)
Abb. 12:C
oalbrookdale bridge, D
etail A
bb. 14:Kettenbrücke von 1826 über die M
enai Strait im W
esten Englands, m
it einer Spannweite von bereits 176 M
eter (nach einer Lithographie)
Gleichzeitig entw
ickelten sich die so genannten Drahtkabelbrücken, von denen 1834 die
damals größte über das Saanetal in Fribourg/Schw
eiz mit einer Spannw
eite von 273M
eter in Betrieb genom
men w
urde. Nur m
it bestem Puddeleisen w
ar die gleichmäßige
und hohe Qualität solcher D
rahtkabel zu erreichen.
Die erste große B
alkenbrücke aus Stahl, die Britannia-B
rücke, entstand 1850 mit bereits
140 m Stützw
eite wieder über die M
enai-Street im N
ordwales für eine Eisenbahnverbin-
dung zur Insel/Anglesey. D
ie Brücke bestand aus einem
vom Zug befahrbaren K
asten-querschnitt m
it Ober- und U
ntergurt aus Walzprofilen, die kurz zuvor ebenfalls herstell-
bar waren. D
en Kastenquerschnitt bildeten die seitlichen Stegbleche. D
iese waren m
itO
ber- und Untergurt kraftschlüssig m
it Nieten verbunden und gegen B
eulen ausgesteift.A
ls Verbindungsmittel all dieser Elem
ente kamen zehntausende von N
ieten zum Einsatz.
Handw
erk und Ingenieurkunst greifen ineinander
51
7.Zusam
menw
irken von Ingenieur und Handw
erker bei technischenEntw
icklungen im B
auwesen
Die größten technischen Entw
icklungen im B
auwesen erfolgten zum
einen auf demG
ebiet von neuartigen Konstruktionen und B
austoffen und zum anderen durch die A
n-w
endung von Bauverfahren und durch den Einsatz von M
aschinen. Lassen Sie mich dies
an Entwicklungen im
Brückenbau beispielhaft darstellen. Ingenieure und H
andwerker
hatten dabei gleichermaßen ihre Verdienste.
8.Eisen- und Stahlbrücken, Stahlkonstruktionen
Folgender Abschnitt ist zum
großen Teil aus Veröffentlichungen von Prof. Wieland R
amm
entnomm
en, dem ich dafür m
einen Dank aussprechen m
öchte.
Ab 1780 entstanden zunächst in England gusseiserne B
rücken. Mit der industriellen
Eisenproduktion ab 1820 waren ausreichend schm
iedbare Eisenmengen verfügbar, um
Kettenglieder für so genannte K
ettenbrücken herzustellen. Die K
ettenglieder bestandenaus geschm
iedeten Augenstäben, bei denen die B
olzenlöcher und die Verbreiterung andiesen von Schm
ieden herausgehämm
ert werden m
ussten. Die Berechnung solcher K
etten-brücken stellte dam
als wohl kein unlösbares Problem
mehr dar.
Im Jahr 1826 w
urde die damals größte K
ettenbrücke, die Brücke über die M
enai Streetim
Westen Englands, m
it einer Spannweite von bereits 176 M
eter dem Verkehr übergeben.
Manfred N
ußbaumer
50 Abb. 11:
Coalbrookdale bridge (1779)
Abb. 13:Spannbett zur Ü
berprüfung der Kettentragfähigkeit beim
Bau der Panteleim
on-Kettenbrücke
in St. Petersburg von 1824 (nach einem Stich)
Abb. 12:C
oalbrookdale bridge, D
etail A
bb. 14:Kettenbrücke von 1826 über die M
enai Strait im W
esten Englands, m
it einer Spannweite von bereits 176 M
eter (nach einer Lithographie)
In der zweiten H
älfte des 19. Jahrhunderts kamen zu den H
ängebrücken und BalkenbrückenStahlfachw
erkkonstruktionen. Diese w
urden im großen Stil für die Eisenbahn gebaut
und zwar für B
rücken, aber auch in sehr filigraner Bauw
eise für die großen Bahnhofs-
hallen. Viele dieser Bauten erfüllen noch heute ihren D
ienst.
Zur Herstellung all dieser Stahlkonstruktionen entw
ickelten sich Stahlwalzw
erke undStahlbaubetriebe m
it Fachpersonal für diese Produktionen und für die Montagen. D
ieschw
ierigen und oft waghalsigen K
onstruktionen dieser Zeit wären ohne die großen
handwerklichen Fähigkeiten dieses Fachpersonals nicht um
setzbar gewesen.
Handw
erk und Ingenieurkunst greifen ineinander
53
Eine Weiterentw
icklung des vollwandigen K
artenquerschnitts stellt die Gitterbrücke
über die Weichsel bei D
irschau dar.
Der B
au der Ketten-, der D
rahtseil- und der Balkenbrücken in Stahl erforderten großes
handwerkliches G
eschick. Vieles an diesen Konstruktionen w
ar neu, wie das Zusam
-m
enfügen von großen Stahlelementen und das Einbringen von Tausenden von N
ietenund insbesondere auch deren kraftschlüssige H
erstellung. Das H
erstellen der Drahtseile,
deren Verankerung und die Montage dieser Brücken w
aren Neuland, das ohne eine solide
Handw
erksausbildung nicht erfolgreich begangen hätte werden können.
Manfred N
ußbaumer
52 Abb. 15:D
rahtkabelbrücke von 1834 über das Saanetal in Fribourg/Schweiz m
it einer Spannweite
von 273 Meter (nach einer Federzeichnung von K
arl Friedrich Schinkel)
Abb. 16:Einschw
imm
en eines fertigen Überbaus der B
ritannia-B
rücke (nach einer Lithographie aus der Bauzeit)
Abb.17:
Britannia B
ridge, O
riginalstück aus der abgebrochenenB
rücke
Abb. 18:D
ie alte Weichselbrücke D
irschau entstand von 1850 bis 1857 als 6-feldrige G
itterbrücke mit einer Spannw
eite von insgesam
t 131 Meter (Stich nach einer Lithographie)
Abb. 19:H
eutiger Zustand
Abb. 20:Palm
enhaus, Botanischen G
ärten, Kew, Surrey, U
K, von
1844–1848
In der zweiten H
älfte des 19. Jahrhunderts kamen zu den H
ängebrücken und BalkenbrückenStahlfachw
erkkonstruktionen. Diese w
urden im großen Stil für die Eisenbahn gebaut
und zwar für B
rücken, aber auch in sehr filigraner Bauw
eise für die großen Bahnhofs-
hallen. Viele dieser Bauten erfüllen noch heute ihren D
ienst.
Zur Herstellung all dieser Stahlkonstruktionen entw
ickelten sich Stahlwalzw
erke undStahlbaubetriebe m
it Fachpersonal für diese Produktionen und für die Montagen. D
ieschw
ierigen und oft waghalsigen K
onstruktionen dieser Zeit wären ohne die großen
handwerklichen Fähigkeiten dieses Fachpersonals nicht um
setzbar gewesen.
Handw
erk und Ingenieurkunst greifen ineinander
53
Eine Weiterentw
icklung des vollwandigen K
artenquerschnitts stellt die Gitterbrücke
über die Weichsel bei D
irschau dar.
Der B
au der Ketten-, der D
rahtseil- und der Balkenbrücken in Stahl erforderten großes
handwerkliches G
eschick. Vieles an diesen Konstruktionen w
ar neu, wie das Zusam
-m
enfügen von großen Stahlelementen und das Einbringen von Tausenden von N
ietenund insbesondere auch deren kraftschlüssige H
erstellung. Das H
erstellen der Drahtseile,
deren Verankerung und die Montage dieser Brücken w
aren Neuland, das ohne eine solide
Handw
erksausbildung nicht erfolgreich begangen hätte werden können.
Manfred N
ußbaumer
52 Abb. 15:D
rahtkabelbrücke von 1834 über das Saanetal in Fribourg/Schweiz m
it einer Spannweite
von 273 Meter (nach einer Federzeichnung von K
arl Friedrich Schinkel)
Abb. 16:Einschw
imm
en eines fertigen Überbaus der B
ritannia-B
rücke (nach einer Lithographie aus der Bauzeit)
Abb.17:
Britannia B
ridge, O
riginalstück aus der abgebrochenenB
rücke
Abb. 18:D
ie alte Weichselbrücke D
irschau entstand von 1850 bis 1857 als 6-feldrige G
itterbrücke mit einer Spannw
eite von insgesam
t 131 Meter (Stich nach einer Lithographie)
Abb. 19:H
eutiger Zustand
Abb. 20:Palm
enhaus, Botanischen G
ärten, Kew, Surrey, U
K, von
1844–1848
letzten Jahrhunderts Verfahrensverbesserungen erforderlich, um die steigenden Lohn-
kosten für diese Betonbrückenbauten zu kom
pensieren.
So entstanden im B
rückenbau insbesondere Verbesserungen an den Lehrgerüsten. Es ent-w
ickelten sich Vorschubrüstungen, mittels denen die gesam
te Schalung auf großen Stahl-trägern, die sich von Pfeiler zu Pfeiler fortbew
egten, feldweise verschoben w
erden konnte.
Es entstand eine weitere Variante der Freivorbau von B
rücken. Des W
eiteren begannm
an mit dem
Einschieben von ganzen Brückenkonstruktionen oder aber auch von Teil-
konstruktionen von einer Fertigungsstelle aus, dem so genannten Taktschieben.
Zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit von Stahlbetonkonstruktionen im
Hoch-, G
e-w
erbe- und Industriebau wurden ab den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts verm
ehrtB
etonfertigteile eingesetzt. Es entstanden Fertigteilwerke, bei denen m
it Systemschalun-
gen Stahl- und Spannbetonelemente hergestellt w
erden konnten. Trotz der Entwicklung
von Systembauten blieb die H
erstellung von Stahlbetonfertigteilen meist einer indivi-
Handw
erk und Ingenieurkunst greifen ineinander
55
Ab der M
itte des 20. Jahrhunderts lösten Schweißkonstruktionen die N
ietkonstruktionenab. Es entw
ickelte sich der Beruf des Schw
eißers, der erhebliche Fachkompetenzen
benötigte.
9.B
eton-, Eisenbeton-, Stahlbeton- und Spannbetonkonstruktionen
Mit Ende des 19. Jahrhunderts begann der Siegeszug des B
etons und Stahlbetons. Zu-nächst w
urden Eisenstäbe oder Eisengitter als Bew
ehrung des Betons eingelegt. D
urchVerbesserung der Technologie zur Eisenerzeugung standen im
beginnenden 20.Jahr-
hundert Stahlstäbe mit höheren Festigkeiten als B
ewehrung zur Verfügung.
Neben der handw
erklichen Um
setzung dieser Bauart galt es, eine Theorie für die B
e-m
essung von Eisen- und Stahlbetonkonstruktionen zu entwickeln. D
er Ingenieur Koenen,
ausgebildet an der Berliner B
auakademie, der Vorläuferin der Technischen H
ochschulein B
erlin, entwickelte bereits 1886 eine B
iegetheorie für Balken und Platten, m
it der eineD
imensionierung solcher B
auteile möglich w
urde. Mit der G
ründung des Betonvereins
im Jahr 1898 w
urde der Baustoff Eisen-/Stahlbeton zum
Allgem
eingut und trat seinenSiegeszug in allen Sektoren des B
auwesens an. D
er Betonverein förderte die B
auart„B
eton und Stahlbeton”, brachte Bem
essungsregeln heraus und war im
Norm
enwesen
tätig. Diese A
ufgaben hat er bis heute inne.
Bereits 1904 stellte m
an mit dem
neuen Baustoff Stahlbeton die Isarbrücke bei G
rünwald
mit zw
ei 70 m w
eit gespannten Bögen und einer aufgeständerten Fahrbahn her. Unzählige
weitere B
rückenbauten in Stahlbeton folgten. Viele der Fabrikanlagen, Wasserbauten,
Silos und Gründungen w
urden ab 1900 in Stahlbetonbauweise hergestellt.
Ab den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts folgten Spannbetonkonstruktionen für
Brücken, aber auch für w
eit gespannte Decken und D
achkonstruktionen. Parallel zurW
eiterentwicklung von K
onstruktionen und Materialien w
aren ab den 60er Jahren des
Manfred N
ußbaumer
54 Abb. 21:Eingespannte Voutenplatte für D
ecken, Brücken o. dgl.
Patent von Matthias K
oenen, 1897
Abb. 22:Illbrücke bei Sand, 1908, von
Ed. Züblin A
bb. 23:Vorschubrüstung Hochstraße über den
Main, H
ochheim, 1963–1966
Abb. 24:K
rungthep Brücke, B
angkok Bauzeit
1996–1999A
bb. 25:Seidewitztalbrücke bei D
ohna Bauzeit
2004–2006
letzten Jahrhunderts Verfahrensverbesserungen erforderlich, um die steigenden Lohn-
kosten für diese Betonbrückenbauten zu kom
pensieren.
So entstanden im B
rückenbau insbesondere Verbesserungen an den Lehrgerüsten. Es ent-w
ickelten sich Vorschubrüstungen, mittels denen die gesam
te Schalung auf großen Stahl-trägern, die sich von Pfeiler zu Pfeiler fortbew
egten, feldweise verschoben w
erden konnte.
Es entstand eine weitere Variante der Freivorbau von B
rücken. Des W
eiteren begannm
an mit dem
Einschieben von ganzen Brückenkonstruktionen oder aber auch von Teil-
konstruktionen von einer Fertigungsstelle aus, dem so genannten Taktschieben.
Zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit von Stahlbetonkonstruktionen im
Hoch-, G
e-w
erbe- und Industriebau wurden ab den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts verm
ehrtB
etonfertigteile eingesetzt. Es entstanden Fertigteilwerke, bei denen m
it Systemschalun-
gen Stahl- und Spannbetonelemente hergestellt w
erden konnten. Trotz der Entwicklung
von Systembauten blieb die H
erstellung von Stahlbetonfertigteilen meist einer indivi-
Handw
erk und Ingenieurkunst greifen ineinander
55
Ab der M
itte des 20. Jahrhunderts lösten Schweißkonstruktionen die N
ietkonstruktionenab. Es entw
ickelte sich der Beruf des Schw
eißers, der erhebliche Fachkompetenzen
benötigte.
9.B
eton-, Eisenbeton-, Stahlbeton- und Spannbetonkonstruktionen
Mit Ende des 19. Jahrhunderts begann der Siegeszug des B
etons und Stahlbetons. Zu-nächst w
urden Eisenstäbe oder Eisengitter als Bew
ehrung des Betons eingelegt. D
urchVerbesserung der Technologie zur Eisenerzeugung standen im
beginnenden 20.Jahr-
hundert Stahlstäbe mit höheren Festigkeiten als B
ewehrung zur Verfügung.
Neben der handw
erklichen Um
setzung dieser Bauart galt es, eine Theorie für die B
e-m
essung von Eisen- und Stahlbetonkonstruktionen zu entwickeln. D
er Ingenieur Koenen,
ausgebildet an der Berliner B
auakademie, der Vorläuferin der Technischen H
ochschulein B
erlin, entwickelte bereits 1886 eine B
iegetheorie für Balken und Platten, m
it der eineD
imensionierung solcher B
auteile möglich w
urde. Mit der G
ründung des Betonvereins
im Jahr 1898 w
urde der Baustoff Eisen-/Stahlbeton zum
Allgem
eingut und trat seinenSiegeszug in allen Sektoren des B
auwesens an. D
er Betonverein förderte die B
auart„B
eton und Stahlbeton”, brachte Bem
essungsregeln heraus und war im
Norm
enwesen
tätig. Diese A
ufgaben hat er bis heute inne.
Bereits 1904 stellte m
an mit dem
neuen Baustoff Stahlbeton die Isarbrücke bei G
rünwald
mit zw
ei 70 m w
eit gespannten Bögen und einer aufgeständerten Fahrbahn her. Unzählige
weitere B
rückenbauten in Stahlbeton folgten. Viele der Fabrikanlagen, Wasserbauten,
Silos und Gründungen w
urden ab 1900 in Stahlbetonbauweise hergestellt.
Ab den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts folgten Spannbetonkonstruktionen für
Brücken, aber auch für w
eit gespannte Decken und D
achkonstruktionen. Parallel zurW
eiterentwicklung von K
onstruktionen und Materialien w
aren ab den 60er Jahren des
Manfred N
ußbaumer
54 Abb. 21:Eingespannte Voutenplatte für D
ecken, Brücken o. dgl.
Patent von Matthias K
oenen, 1897
Abb. 22:Illbrücke bei Sand, 1908, von
Ed. Züblin A
bb. 23:Vorschubrüstung Hochstraße über den
Main, H
ochheim, 1963–1966
Abb. 24:K
rungthep Brücke, B
angkok Bauzeit
1996–1999A
bb. 25:Seidewitztalbrücke bei D
ohna Bauzeit
2004–2006
Nunm
ehr gilt es das in den Hintergrund getretene H
andwerk hervorzuheben. H
and-w
erkliche Fähigkeiten wurden und w
erden gebraucht. Um
diese zu erhalten und sicherzu stellen, ist eine qualifizierte A
usbildung Grundvoraussetzung.
11.H
andwerkliche Fertigkeiten – B
erufsausbildung heute
Die B
erufsausbildung im B
auhandwerk erfolgt nach dem
sogenannten Dualen A
usbil-dungssystem
. Die B
erufsausbildung gliedert sich in sogenannte Blöcke, und zw
ar inA
usbildungsblöcke im B
etrieb, in Blöcke in überbetrieblichen A
usbildungszentren undin den B
erufsschulbesuch.
Mit jedem
Ausbildungsjahr nim
mt der betriebliche A
usbildungsteil zu. Der A
bschlusserfolgt nach 2 Jahren m
it der Baufacharbeiterprüfung, nach einer insgesam
t 3-jährigenA
usbildung mit der Spezial-B
aufacharbeiterprüfung.
12.H
andwerksberufe im
Hoch- und A
usbau am B
eispiel desTrockenbaum
onteurs
Für den Hochbau brauchen w
ir spezialisierte Handw
erke. Seit 1974 gibt es z.B. den
Ausbildungsberuf des Trockenbaum
onteurs. Dieser verw
endet Gipskartonplatten und
metallene Profile als Tragelem
ente. Die m
etallenen Tragsysteme w
urden sicherlich inZusam
menarbeit m
it Ingenieuren, Architekten und erfahrenen H
andwerkern entw
ickelt.
Handw
erk und Ingenieurkunst greifen ineinander
57
duellen Fertigung vorbehalten. Lediglich für die Plattenbauten im dam
aligen Ostblock
waren die B
auelemente so standardisiert, dass teilw
eise eine projektunabhängige Pro-duktion von Einzelelem
enten möglich w
ar.
Die w
eitere Entwicklung in der H
erstellung von Betonkonstruktionen konzentrierte sich
insbesondere auf einfach zu handhabende Schalungen. Diese Schalungen verfügen zu-
dem über hohe Q
ualitäten im B
ezug auf Formtreue und D
ichtheit.
10.Fazit zum
Brückenbau
Detailliert und nuanciert w
urde die technische Innovationskraft im Ingenieurbau und die
Entwicklung von der Technik zum
Verfahren am B
eispiel des Brückenbaus dargestellt.
Manfred N
ußbaumer
56 Abb. 26:Einschieben der W
aldshuter Brücke als ganze B
rücken-konstruktion, vor 1876
Abb. 27:Einschieben von ganzen B
rückenkon-struktionen: B
rücke über den Rio
Caroni, Venezuela B
auzeit 1962–1964
Abb. 28:B
etonfertigteilkonstruktion: Brücke
über den Sungai Prai, Butterw
orth B
auzeit 2003–2005
Abb. 29:System
schalungen: Selbstkletternde Schalung, Wand- und
Deckenschalung
Nunm
ehr gilt es das in den Hintergrund getretene H
andwerk hervorzuheben. H
and-w
erkliche Fähigkeiten wurden und w
erden gebraucht. Um
diese zu erhalten und sicherzu stellen, ist eine qualifizierte A
usbildung Grundvoraussetzung.
11.H
andwerkliche Fertigkeiten – B
erufsausbildung heute
Die B
erufsausbildung im B
auhandwerk erfolgt nach dem
sogenannten Dualen A
usbil-dungssystem
. Die B
erufsausbildung gliedert sich in sogenannte Blöcke, und zw
ar inA
usbildungsblöcke im B
etrieb, in Blöcke in überbetrieblichen A
usbildungszentren undin den B
erufsschulbesuch.
Mit jedem
Ausbildungsjahr nim
mt der betriebliche A
usbildungsteil zu. Der A
bschlusserfolgt nach 2 Jahren m
it der Baufacharbeiterprüfung, nach einer insgesam
t 3-jährigenA
usbildung mit der Spezial-B
aufacharbeiterprüfung.
12.H
andwerksberufe im
Hoch- und A
usbau am B
eispiel desTrockenbaum
onteurs
Für den Hochbau brauchen w
ir spezialisierte Handw
erke. Seit 1974 gibt es z.B. den
Ausbildungsberuf des Trockenbaum
onteurs. Dieser verw
endet Gipskartonplatten und
metallene Profile als Tragelem
ente. Die m
etallenen Tragsysteme w
urden sicherlich inZusam
menarbeit m
it Ingenieuren, Architekten und erfahrenen H
andwerkern entw
ickelt.
Handw
erk und Ingenieurkunst greifen ineinander
57
duellen Fertigung vorbehalten. Lediglich für die Plattenbauten im dam
aligen Ostblock
waren die B
auelemente so standardisiert, dass teilw
eise eine projektunabhängige Pro-duktion von Einzelelem
enten möglich w
ar.
Die w
eitere Entwicklung in der H
erstellung von Betonkonstruktionen konzentrierte sich
insbesondere auf einfach zu handhabende Schalungen. Diese Schalungen verfügen zu-
dem über hohe Q
ualitäten im B
ezug auf Formtreue und D
ichtheit.
10.Fazit zum
Brückenbau
Detailliert und nuanciert w
urde die technische Innovationskraft im Ingenieurbau und die
Entwicklung von der Technik zum
Verfahren am B
eispiel des Brückenbaus dargestellt.
Manfred N
ußbaumer
56 Abb. 26:Einschieben der W
aldshuter Brücke als ganze B
rücken-konstruktion, vor 1876
Abb. 27:Einschieben von ganzen B
rückenkon-struktionen: B
rücke über den Rio
Caroni, Venezuela B
auzeit 1962–1964
Abb. 28:B
etonfertigteilkonstruktion: Brücke
über den Sungai Prai, Butterw
orth B
auzeit 2003–2005
Abb. 29:System
schalungen: Selbstkletternde Schalung, Wand- und
Deckenschalung
Das Schw
ergewicht liegt im
Gegensatz zum
Brückenbau, der zum
Ingenieurbau zählt,aber m
ehr im handw
erklichen Bereich. So dom
iniert bei einer ganzen Reihe von B
au-handw
erksberufen die handwerkliche K
omponente, w
obei die Mitw
irkung von Inge-nieuren aus der B
au- und Produktionstechnik bei der eigentlichen Produktentwicklung
unerlässlich ist.
13.Fazit
All die vorgenannten Entw
icklungen im B
auwesen erfolgten in C
o-Produktion zwischen
Ingenieuren, Polieren und Facharbeitern. Dank der im
mer noch guten B
erufsausbildungunserer Poliere/M
eister sowie der Facharbeiter standen und stehen den Ingenieuren
kompetente G
esprächspartner und Ausführende bei der D
iskussion ihrer Entwicklungs-
ideen zur Verfügung. Ohne diese guten Fachkräfte w
äre zu all den Zeiten kaum der der-
zeitige Stand der Technik erreicht worden. Treten w
ir alle mit Ü
berzeugung und bei allenG
elegenheiten dafür ein, dass sich wieder verm
ehrt Nachw
uchs für den interessantenB
erufszweig B
auwesen auf allen Ebenen findet, um
den Trend der letzten 2 Jahrzehnteum
zukehren.
Bildnachw
eis:A
bb.1M
islin, M.: G
eschichte der Baukonstruktion und B
autechnik, Bd. 1: A
ntike bis Renaissance,
Werner Verlag, S. 286
Abb. 2
Poleni, Giovanni: M
emorie istoriche della G
ran Cupola del Tempio Vaticano. Padua: Stam
periadel sem
inario 1748A
bb. 3R
amm
, W.: eigene A
ufnahme
Abb. 4
Pauser A.: Eisenbeton 1850–1950, W
ien 1994, S. 18A
bb. 5Pauser A
.: Eisenbeton 1850–1950, Wien 1994, S. 18
Abb. 6
Kunz, A
., Moeschl. J. R
. u. Haack, M
., ©IEG
/ A. K
unz 2002, ww
w.ieg-maps.uni-m
ainz.deA
bb. 7Erler, K
.: Alte H
olzbauwerke, Fruchtkaten von Schloss H
ellenstein. VB
, S. 16A
bb. 8R
icken, H.: D
er Bauingenieur, Verlag für B
auwesen Foto: M
arburg, S. 152A
bb. 9Pauser, A
.: Eisenbeton 1850–1950, Manz Verlag, W
ien 1994, S. 15A
bb. 10Züblin-A
rchivA
bb. 11R
amm
, W.: Eigene A
ufnahme
Abb. 12
Ram
m, W
.: Eigene Aufnahm
eA
bb. 13R
amm
, W.: Ü
ber die Geschichte des Eisenbaus und das Entstehen des K
onstruktiven Inge-nieurbaus, Stahlbau 70 (2001), H
eft 9A
bb. 14Provis, W
. A.: A
n Historical and D
escriptive Account of the Suspension B
ridge Constructed
over the Menai Strait, in N
orth Wales. London 1828
Manfred N
ußbaumer
5859
Abb. 16
Ram
m, W
.: Über die G
eschichte des Eisenbaus und das Entstehen des Konstruktiven Inge-
nieurbaus, Stahlbau 70 (2001), Heft 9
Abb. 17
Ram
m, W
.: Eigene Aufnahm
eA
bb. 18Lentze, C
.: Die im
Bau begriffenen B
rücken über die Weichsel bei D
irschau und über dieN
ogat bei Marienburg. B
erlin: Verlag Ernst & K
orn 1855A
bb. 19R
amm
, W.: Eigene A
ufnahme
Abb. 20
Gössel, P.: Leuthhäuser, G
: Architektur des 20. Jh., Benedikt Taschen Verlag, 1990, S. 18 u. 19
Abb. 21
Abbildung aus der zugehörigen Patentschrift von Ingenieur M
atthias Koenen, B
erlin.D
eutsches Reichspatent N
r. 141745, Klasse 37a, vom
23. Januar 1897 ab (ausgegeben den2. M
ai 1903)A
bb. 22Züblin-A
rchiv A
bb. 23Züblin-A
rchiv A
bb. 24Züblin-A
rchivA
bb. 25Züblin-A
rchivA
bb. 26B
auernfeind, C.M
.: „Vorlegeblätter zur Brückenbaukunde, 1876. Entnom
men aus: R
amm
,W
.: Ausstellung „A
lte Weichselbrücke D
irschau“, TU K
aiserslautern – Fachgebiet Massivbau
und Baukonstruktion, 2000
Abb. 27
Züblin-Archiv
Abb. 28
Züblin-Archiv
Abb. 29
Züblin-Archiv
Das Schw
ergewicht liegt im
Gegensatz zum
Brückenbau, der zum
Ingenieurbau zählt,aber m
ehr im handw
erklichen Bereich. So dom
iniert bei einer ganzen Reihe von B
au-handw
erksberufen die handwerkliche K
omponente, w
obei die Mitw
irkung von Inge-nieuren aus der B
au- und Produktionstechnik bei der eigentlichen Produktentwicklung
unerlässlich ist.
13.Fazit
All die vorgenannten Entw
icklungen im B
auwesen erfolgten in C
o-Produktion zwischen
Ingenieuren, Polieren und Facharbeitern. Dank der im
mer noch guten B
erufsausbildungunserer Poliere/M
eister sowie der Facharbeiter standen und stehen den Ingenieuren
kompetente G
esprächspartner und Ausführende bei der D
iskussion ihrer Entwicklungs-
ideen zur Verfügung. Ohne diese guten Fachkräfte w
äre zu all den Zeiten kaum der der-
zeitige Stand der Technik erreicht worden. Treten w
ir alle mit Ü
berzeugung und bei allenG
elegenheiten dafür ein, dass sich wieder verm
ehrt Nachw
uchs für den interessantenB
erufszweig B
auwesen auf allen Ebenen findet, um
den Trend der letzten 2 Jahrzehnteum
zukehren.
Bildnachw
eis:A
bb.1M
islin, M.: G
eschichte der Baukonstruktion und B
autechnik, Bd. 1: A
ntike bis Renaissance,
Werner Verlag, S. 286
Abb. 2
Poleni, Giovanni: M
emorie istoriche della G
ran Cupola del Tempio Vaticano. Padua: Stam
periadel sem
inario 1748A
bb. 3R
amm
, W.: eigene A
ufnahme
Abb. 4
Pauser A.: Eisenbeton 1850–1950, W
ien 1994, S. 18A
bb. 5Pauser A
.: Eisenbeton 1850–1950, Wien 1994, S. 18
Abb. 6
Kunz, A
., Moeschl. J. R
. u. Haack, M
., ©IEG
/ A. K
unz 2002, ww
w.ieg-maps.uni-m
ainz.deA
bb. 7Erler, K
.: Alte H
olzbauwerke, Fruchtkaten von Schloss H
ellenstein. VB
, S. 16A
bb. 8R
icken, H.: D
er Bauingenieur, Verlag für B
auwesen Foto: M
arburg, S. 152A
bb. 9Pauser, A
.: Eisenbeton 1850–1950, Manz Verlag, W
ien 1994, S. 15A
bb. 10Züblin-A
rchivA
bb. 11R
amm
, W.: Eigene A
ufnahme
Abb. 12
Ram
m, W
.: Eigene Aufnahm
eA
bb. 13R
amm
, W.: Ü
ber die Geschichte des Eisenbaus und das Entstehen des K
onstruktiven Inge-nieurbaus, Stahlbau 70 (2001), H
eft 9A
bb. 14Provis, W
. A.: A
n Historical and D
escriptive Account of the Suspension B
ridge Constructed
over the Menai Strait, in N
orth Wales. London 1828
Manfred N
ußbaumer
5859
Abb. 16
Ram
m, W
.: Über die G
eschichte des Eisenbaus und das Entstehen des Konstruktiven Inge-
nieurbaus, Stahlbau 70 (2001), Heft 9
Abb. 17
Ram
m, W
.: Eigene Aufnahm
eA
bb. 18Lentze, C
.: Die im
Bau begriffenen B
rücken über die Weichsel bei D
irschau und über dieN
ogat bei Marienburg. B
erlin: Verlag Ernst & K
orn 1855A
bb. 19R
amm
, W.: Eigene A
ufnahme
Abb. 20
Gössel, P.: Leuthhäuser, G
: Architektur des 20. Jh., Benedikt Taschen Verlag, 1990, S. 18 u. 19
Abb. 21
Abbildung aus der zugehörigen Patentschrift von Ingenieur M
atthias Koenen, B
erlin.D
eutsches Reichspatent N
r. 141745, Klasse 37a, vom
23. Januar 1897 ab (ausgegeben den2.M
ai 1903)A
bb. 22Züblin-A
rchiv A
bb. 23Züblin-A
rchiv A
bb. 24Züblin-A
rchivA
bb. 25Züblin-A
rchivA
bb. 26B
auernfeind, C.M
.: „Vorlegeblätter zur Brückenbaukunde, 1876. Entnom
men aus: R
amm
,W
.: Ausstellung „A
lte Weichselbrücke D
irschau“, TU K
aiserslautern – Fachgebiet Massivbau
und Baukonstruktion, 2000
Abb. 27
Züblin-Archiv
Abb. 28
Züblin-Archiv
Abb. 29
Züblin-Archiv
Schlusswort
61
Schlusswort
„Kein industrielles B
auen ohne Handw
erk“ war das heutige Them
a. Ein hochpolitisches,w
ie ich meine. Q
ualität des Handw
erks hat in allen Vorträgen mitgeschw
ungen und ichbin sicher, es ist deutlich gew
orden, dass wir ohne handw
erkliches Können trotz oder
gerade wegen der industriellen Fertigung im
Bauen die Q
ualität nicht sichern können. ImProzess der europäischen Integration und der G
lobalisierung ist handwerkliches K
önnenunverzichtbar. D
abei ist handwerkliches K
önnen eines der wichtigsten W
ettbewerbsvor-
teile, den wir in D
eutschland noch haben, aber zum Teil auch schon verloren haben. W
ennw
ir diesen Wettbew
erbsvorteil weiter erhalten w
ollen, müssen w
ir etwas dafür tun.
Die B
ildungsexpansion hat den Bildungsdünkel – den w
ir Deutschen so gerne pflegen –
noch verstärkt und handwerklich praktische Tätigkeit als w
eniger erstrebenswert abqua-
lifiziert. Natürlich brauchen w
ir exzellente akademische B
erufe, die hochwertige techni-
sche Produkte und technische Prozesse entwickeln, m
it denen ein Hochlohnland w
ieD
eutschland nur noch wettbew
erbsfähig ist. Aber w
as nützen industrialisierte Prozessegerade vor O
rt am B
au, wenn sie nicht durch handw
erkliches Können begleitet w
erden.W
ir dürfen nicht nachlassen, den Techniknachwuchs zu fordern und zu fördern, aber
dabei nicht nur an den Ingenieur denken, sondern auch an den Handw
erker. Gleichzeitig
müssen w
ir den jungen Menschen, die einen handw
erklichen Beruf anstreben, auch die
gesellschaftliche Anerkennung ihrer Tätigkeit zukom
men lassen. D
er gute Meister – Spitze
des Handw
erks – bewirkt am
Bau – und sicher nicht nur am
Bau – im
mer noch m
ehr alsein m
ittelmäßiger oder gar schlechter Ingenieur. U
m gute M
eister zu bekomm
en brau-chen w
ir die handwerkliche A
usbildung auf breiter Basis.
Ich möchte m
ich bei allen Redner für ihre ausgezeichneten B
eiträge recht herzlich be-danken und bei Ihnen, m
eine Dam
en und Herren, dass Sie m
it Ihrem Erscheinen an unse-
rer Arbeit Interesse bekundet haben. M
ögen diese Vorträge über „Handw
erk und Bauen“
Ihnen Anregungen gegeben haben.
Professor Dr.-Ing. K
. Bökeler
6263
Autoren
die Universität Stuttgart, 1993 H
onorarprofessor der Universität K
arlsruhe, 2004 Honorar-
konsul der Republik B
ulgarien in Baden W
ürttemberg. Er ist in zahlreichen G
remien
ehrenamtlich tätig.
Autoren
Autoren
Friedrich Lenger,geb. 1957, ist seit 1999 Inhaber des Lehrstuhls für Mittlere und
Neuere G
eschichte an der Justus-Liebig-Universität, G
ießen. Nach dem
Studium in D
üs-seldorf, B
ielefeld und Ann A
rbor/Michigan von 1985–1993 w
issenschaftlicher Mitar-
beiter und Hochschulassistent an der U
niversität Tübingen; 1994/95 Lehrstuhlvertre-tungen an den U
niversitäten Bielefeld und Tübingen; von 1995 bis 1999 Professor für
Neuere und N
eueste Geschichte in Erlangen; G
astprofessuren am St. A
ntony’s College
in Oxford und an der G
eorgetown U
niversity in Washington, D
C; Vorsitzender des wissen-
schaftlichen Beirats des D
eutschen Historischen Instituts W
ashington. Wichtigste B
uch-veröffentlichungen: Zw
ischen Kleinbürgertum
und Proletariat. Studien zur Sozialge-schichte der D
üsseldorfer Handw
erker, 1816–1878, Göttingen 1986; Sozialgeschichte
der deutschen Handw
erker seit 1800, Frankfurt a. M. 1988; W
erner Sombart. Eine B
io-graphie, M
ünchen 1994; Industrielle Revolution und Nationalstaatsbildung (1849–1870er
Jahre), Stuttgart 2003; Die europäische Stadt im
20. Jahrhundert. Wahrnehm
ung – Ent-w
icklung – Erosion (als Mithg.), K
öln 2006.
Hanns-Eberhard Schleyer,
geb. 1944 in Prag, Generalsekretär des Zentralver-
bandes des Deutschen H
andwerks, m
achte das Abitur 1964 in Stuttgart und studierte von
1964–1968 Rechtsw
issenschaften an den Universitäten H
eidelberg und München. N
achdem
Ersten juristischen Staatsexamen folgte eine einjährige Tätigkeit in der N
ew Yorker
Anw
altskanzlei Mudge, Rose, G
uthrie & A
lexander. Nach dem
Zweiten juristisches Staats-
examen 1973 arbeitete Schleyer bis 1978 in der A
nwaltskanzlei H
aver & M
ailänder,Stuttgart. Von 1978–1981 w
ar er Bevollmächtigter des Landes Rheinland-Pfalz beim
Bundund von 1981–1989 C
hef der Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz. 1989 W
ahl zumG
eneralsekretär.
Manfred N
ußbaumer,
geb. 1940 in Würzburg, von 1954–1957 M
aurerlehre,1958–1962 Staatsbauschule M
ünchen, Abschluss Ingenieur der Fachrichtung B
au-ingenieurw
esen; 1962–1966 als Bauleiter im
Spezialtiefbau und Industriebau in ver-schiedenen B
auunternehmen tätig. A
nschließend Studium an der TH
München und M
ITC
ambridge, U
SA, 1968 A
ufnahme in die Studienstiftung des D
eutschen Volkes, 1972A
bschluss Master of Science. Von 1972–1975 w
ar Nußbaum
er wissenschaftlicher A
ssistentan der R
uhruniversität Bochum
. 1975 Eintritt in die Ed. Züblin AG
, Stuttgart, Abtei-
lungsleiter für Tiefbau mit vielen interessanten Tief- und W
asserbauaufgaben in zahlrei-chen Ländern. Von 1986–2005 M
itglied des Vorstandes der Ed. Züblin AG
, seit 1997Vorsitzender des Vorstandes. Seit 2006 ist er stellv. Vorsitzender des Vorstandes derSTR
AB
AG
SE. 1992 Verleihung der Würde eines D
oktor-Ingenieur Ehren halber durch
6263
Autoren
die Universität Stuttgart, 1993 H
onorarprofessor der Universität K
arlsruhe, 2004 Honorar-
konsul der Republik B
ulgarien in Baden W
ürttemberg. Er ist in zahlreichen G
remien
ehrenamtlich tätig.
Autoren
Autoren
Friedrich Lenger,geb. 1957, ist seit 1999 Inhaber des Lehrstuhls für Mittlere und
Neuere G
eschichte an der Justus-Liebig-Universität, G
ießen. Nach dem
Studium in D
üs-seldorf, B
ielefeld und Ann A
rbor/Michigan von 1985–1993 w
issenschaftlicher Mitar-
beiter und Hochschulassistent an der U
niversität Tübingen; 1994/95 Lehrstuhlvertre-tungen an den U
niversitäten Bielefeld und Tübingen; von 1995 bis 1999 Professor für
Neuere und N
eueste Geschichte in Erlangen; G
astprofessuren am St. A
ntony’s College
in Oxford und an der G
eorgetown U
niversity in Washington, D
C; Vorsitzender des wissen-
schaftlichen Beirats des D
eutschen Historischen Instituts W
ashington. Wichtigste B
uch-veröffentlichungen: Zw
ischen Kleinbürgertum
und Proletariat. Studien zur Sozialge-schichte der D
üsseldorfer Handw
erker, 1816–1878, Göttingen 1986; Sozialgeschichte
der deutschen Handw
erker seit 1800, Frankfurt a. M. 1988; W
erner Sombart. Eine B
io-graphie, M
ünchen 1994; Industrielle Revolution und Nationalstaatsbildung (1849–1870er
Jahre), Stuttgart 2003; Die europäische Stadt im
20. Jahrhundert. Wahrnehm
ung – Ent-w
icklung – Erosion (als Mithg.), K
öln 2006.
Hanns-Eberhard Schleyer,
geb. 1944 in Prag, Generalsekretär des Zentralver-
bandes des Deutschen H
andwerks, m
achte das Abitur 1964 in Stuttgart und studierte von
1964–1968 Rechtsw
issenschaften an den Universitäten H
eidelberg und München. N
achdem
Ersten juristischen Staatsexamen folgte eine einjährige Tätigkeit in der N
ew Yorker
Anw
altskanzlei Mudge, Rose, G
uthrie & A
lexander. Nach dem
Zweiten juristisches Staats-
examen 1973 arbeitete Schleyer bis 1978 in der A
nwaltskanzlei H
aver & M
ailänder,Stuttgart. Von 1978–1981 w
ar er Bevollmächtigter des Landes Rheinland-Pfalz beim
Bundund von 1981–1989 C
hef der Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz. 1989 W
ahl zumG
eneralsekretär.
Manfred N
ußbaumer,
geb. 1940 in Würzburg, von 1954–1957 M
aurerlehre,1958–1962 Staatsbauschule M
ünchen, Abschluss Ingenieur der Fachrichtung B
au-ingenieurw
esen; 1962–1966 als Bauleiter im
Spezialtiefbau und Industriebau in ver-schiedenen B
auunternehmen tätig. A
nschließend Studium an der TH
München und M
ITC
ambridge, U
SA, 1968 A
ufnahme in die Studienstiftung des D
eutschen Volkes, 1972A
bschluss Master of Science. Von 1972–1975 w
ar Nußbaum
er wissenschaftlicher A
ssistentan der R
uhruniversität Bochum
. 1975 Eintritt in die Ed. Züblin AG
, Stuttgart, Abtei-
lungsleiter für Tiefbau mit vielen interessanten Tief- und W
asserbauaufgaben in zahlrei-chen Ländern. Von 1986–2005 M
itglied des Vorstandes der Ed. Züblin AG
, seit 1997Vorsitzender des Vorstandes. Seit 2006 ist er stellv. Vorsitzender des Vorstandes derSTR
AB
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SE. 1992 Verleihung der Würde eines D
oktor-Ingenieur Ehren halber durch
Bauen m
it IQ – Innovation durch Q
ualifizierung im B
auhandwerk29
Bauen mit IQ
– Innovation durch Qualifizierung im
Bauhandwerk
Hanns-Eberhard Schleyer
„Kein industrieller Bau ohne H
andwerk” – das ist ein w
ahrhaft einladender Titel für einenG
eneralsekretär dieser großen Wirtschaftsgruppe. U
nd ich erlaube mir, gleich zu B
eginnm
einer Ausführungen ein gedankliches A
usrufungszeichen an diesen Titel anzufügenund dam
it eine klare Botschaft zu setzen. Eine klare Botschaft will ich auch m
it dem Titel
meines Vortrages verbinden. B
auen mit IQ
– intelligentes Bauen m
it individuellen Dienst-
leistungen und innovativen Lösungen – das nehmen w
ir im H
andwerk für uns in A
nspruch.„D
er Nachteil von Intelligenz” – so hat es G
eorge Bernard Shaw
einmal form
uliert – „be-steht darin, dass m
an gezwungen ist, unablässig dazuzulernen.” W
er etwas kann, der darf
nicht stehen bleiben. Er muss seine Potentiale ständig w
eiterentwickeln. U
nser Potenzialim
Handw
erk sind die Menschen. U
nd weil das H
andwerk m
it seinen kleinen und mittleren
Betrieben heute im M
ittelpunkt steht, sage ich ganz bewusst nicht: „H
umankapital”! U
nserPotenzial sind die Fähigkeiten jedes Einzelnen, seine K
reativität, seine Liebe zum B
eruf.
Von daher ist die Aus- und W
eiterbildung seit jeher Kern des handw
erklichen Selbst-verständnisses. A
usdruck unserer Verantwortung für Q
ualität und Qualifikation ist unser
Meisterbrief. H
inter ihm steht nicht nur hohes fachliches K
önnen, dahinter steht aucheine profunde pädagogische und betriebsw
irtschaftliche Ausbildung.
Fachmann im
Handw
erk, Lehrer und Unternehm
er. Das ist unser D
reisprung, mit dem
esdas H
andwerk w
eit gebracht hat. Es wird Sie nicht w
undern, wenn ich diese um
fassendeA
usbildung nach Kräften verteidige: N
icht aus Halsstarrigkeit, nicht aus unverbesser-
lichem Traditionalism
us, sondern aus fester Überzeugung. A
us der gleichen Überzeu-
gung, wie Ludw
ig Erhard, der sich 1953 erfolgreich für die Wiedereinführung des
Großen B
efähigungsnachweises einsetzte m
it der Begründung: „W
ir brauchen einenW
ettbewerb der K
önner!” Die Praxis hat seitdem
bewiesen: Es sind eben gerade die
Meisterbetriebe, die sich im
Wettbew
erb robust behaupten können, wenn die W
ett-bew
erbsbedingungen gerecht und fair sind. Die M
eisterbetriebe bringen das unterneh-m
erische Know
-how und die betriebsw
irtschaftlichen Kenntnisse m
it, die für eine stabile,langfristige U
nternehmensführung benötigt w
erden.
Die Entw
icklung der Betriebszahlen nach der letzten N
ovelle der Handw
erksordnung imJahr 2004 zeigt uns, dass es nach der A
ushöhlung der Meisterpflicht zw
ar eine hohe Zahlvon Existenzgründungen gegeben hat, dass es sich dabei allerdings in der R
egel umK
leinstbetriebe von geringer „Überlebensdauer” handelt. Vielfach ohne eigene Q
uali-fikation, ohne M
itarbeiter, ohne Lehrlinge und damit letzten Endes ohne Perspektive für
eine wirklich tragfähige unternehm
erische Entwicklung.
Schlusswort
61
Schlusswort
„Kein industrielles B
auen ohne Handw
erk“ war das heutige Them
a. Ein hochpolitisches,w
ie ich meine. Q
ualität des Handw
erks hat in allen Vorträgen mitgeschw
ungen und ichbin sicher, es ist deutlich gew
orden, dass wir ohne handw
erkliches Können trotz oder
gerade wegen der industriellen Fertigung im
Bauen die Q
ualität nicht sichern können. ImProzess der europäischen Integration und der G
lobalisierung ist handwerkliches K
önnenunverzichtbar. D
abei ist handwerkliches K
önnen eines der wichtigsten W
ettbewerbsvor-
teile, den wir in D
eutschland noch haben, aber zum Teil auch schon verloren haben. W
ennw
ir diesen Wettbew
erbsvorteil weiter erhalten w
ollen, müssen w
ir etwas dafür tun.
Die B
ildungsexpansion hat den Bildungsdünkel – den w
ir Deutschen so gerne pflegen –
noch verstärkt und handwerklich praktische Tätigkeit als w
eniger erstrebenswert abqua-
lifiziert. Natürlich brauchen w
ir exzellente akademische B
erufe, die hochwertige techni-
sche Produkte und technische Prozesse entwickeln, m
it denen ein Hochlohnland w
ieD
eutschland nur noch wettbew
erbsfähig ist. Aber w
as nützen industrialisierte Prozessegerade vor O
rt am B
au, wenn sie nicht durch handw
erkliches Können begleitet w
erden.W
ir dürfen nicht nachlassen, den Techniknachwuchs zu fordern und zu fördern, aber
dabei nicht nur an den Ingenieur denken, sondern auch an den Handw
erker. Gleichzeitig
müssen w
ir den jungen Menschen, die einen handw
erklichen Beruf anstreben, auch die
gesellschaftliche Anerkennung ihrer Tätigkeit zukom
men lassen. D
er gute Meister – Spitze
des Handw
erks – bewirkt am
Bau – und sicher nicht nur am
Bau – im
mer noch m
ehr alsein m
ittelmäßiger oder gar schlechter Ingenieur. U
m gute M
eister zu bekomm
en brau-chen w
ir die handwerkliche A
usbildung auf breiter Basis.
Ich möchte m
ich bei allen Redner für ihre ausgezeichneten B
eiträge recht herzlich be-danken und bei Ihnen, m
eine Dam
en und Herren, dass Sie m
it Ihrem Erscheinen an unse-
rer Arbeit Interesse bekundet haben. M
ögen diese Vorträge über „Handw
erk und Bauen“
Ihnen Anregungen gegeben haben.
Professor Dr.-Ing. K
. Bökeler