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Fragenbeantwortung unter www.falkfoundation.de Falk Gastro-Kolleg Falk Gastro-Kolleg 2/2018 | 1 Titelbild: Paramedianer Horizontalschnitt zwischen Symphyse und Nabel bei einer Patientin mit Colitis ulcerosa in der 32. SSW: Links im Bild erkennt man den Kopf des Kindes, rechts eine Sigmaschlinge ohne Zeichen aktueller Krankheitsaktivität. Die remissionserhaltende Therapie während der Schwangerschaft erfolgte mit Mesalazin, Azathioprin und Infliximab. PD Dr. Niels Teich* Internistische Gemeinschaftspraxis für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten Nordstr. Leipzig Prof. Dr. Andreas Stallmach Klinik für Innere Medizin IV Universitätsklinikum Jena Am Klinikum Jena *Korrespondierender Autor Kinderwunsch, Schwangerschaft und Stillen bei CED – Update 2018 Zusammenfassung Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) manifestieren sich häufig im jungen Erwachsenenalter. In dieser Lebensphase mit wichtigen beruflichen und privaten Entscheidungen stellt die Auseinandersetzung mit einer potenziell langjährigen chroni- schen Erkrankung oft eine schwere Belastung dar. Der in dieser Zeit auch oft bestehende Wunsch nach einer eigenen Familie ist daher häufig mit Unsicherheit verbunden und die Angst vor einem nicht gesunden Kind ist groß. Die mögliche Vererbung der CED, eventuelle angeborene Abnormalitäten des Kindes und die befürchtete medikationsbe- dingte Teratogenität sind die größten Sorgen der Patienten, die einem Kinderwunsch entgegenstehen. Demgegenüber ist die Angst vor negativen Auswirkungen der Schwangerschaft auf die eigene Krankheit deutlich geringer [1]. Unsere Übersicht soll Argumentationshilfen für das Gespräch mit CED-Erkrankten und Kinderwunsch bieten und insbesondere häufig gestellte Fragen über die medikamentösen Therapiemöglich- keiten während der Schwangerschaft beantworten. Dabei konzentrieren wir uns auf Publikationen zu Aspekten, deren Bewertung in den letzten Jahren einen Wandel erfahren hat. Schlüsselwörter Morbus Crohn | Colitis ulcerosa | Schwangerschaft | Stillzeit | Mesalazin | Azathioprin | Biologika PD Dr. Niels Teich Prof. Dr. Andreas Stallmach Falk Gastro-Kolleg Darm

Kinderwunsch, Schwangerschaft und Stillen bei CED – Update ... · funktion nach Rektumamputation (in prospektiver kontrollierter Studie reversibel mit Sildenafil) – Medikation

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Fragenbeantwortung unter

www.falkfoundation.de

Falk Gastro-Kolleg

Falk Gastro-Kolleg 2/2018 | 1

Titelbild: Paramedianer Horizontalschnitt zwischen Symphyse und Nabel bei einer Patientin mit Colitis ulcerosa in der 32. SSW: Links im Bild erkennt man den Kopf des Kindes, rechts eine Sigmaschlinge ohne Zeichen aktueller Krankheitsaktivität. Die remissionserhaltende Therapie während der Schwangerschaft erfolgte mit Mesalazin, Azathioprin und Infliximab.

PD Dr. Niels Teich*Internistische Gemeinschaftspraxis für Verdauungs- und StoffwechselkrankheitenNordstr. Leipzig

Prof. Dr. Andreas StallmachKlinik für Innere Medizin IVUniversitätsklinikum Jena Am Klinikum Jena

*Korrespondierender Autor

Kinderwunsch, Schwangerschaft und Stillen bei CED – Update 2018Zusammenfassung

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) manifestieren sich häufig im jungen Erwachsenenalter. In dieser Lebensphase mit wichtigen beruflichen und privaten Entscheidungen stellt die Auseinandersetzung mit einer potenziell langjährigen chroni-schen Erkrankung oft eine schwere Belastung dar. Der in dieser Zeit auch oft bestehende Wunsch nach einer eigenen Familie ist daher häufig mit Unsicherheit verbunden und die Angst vor einem nicht gesunden Kind ist groß. Die mögliche Vererbung der CED, eventuelle angeborene Abnormalitäten des Kindes und die befürchtete medikationsbe-dingte Teratogenität sind die größten Sorgen der Patienten, die einem Kinderwunsch entgegenstehen. Demgegenüber ist die Angst vor negativen Auswirkungen der Schwangerschaft auf die eigene Krankheit deutlich geringer [1]. Unsere Übersicht soll Argumentationshilfen für das Gespräch mit CED-Erkrankten und Kinderwunsch bieten und insbesondere häufig gestellte Fragen über die medikamentösen Therapiemöglich-keiten während der Schwangerschaft beantworten. Dabei konzentrieren wir uns auf Publikationen zu Aspekten, deren Bewertung in den letzten Jahren einen Wandel erfahren hat.

Schlüsselwörter

Morbus Crohn | Colitis ulcerosa | Schwangerschaft | Stillzeit | Mesalazin | Azathioprin | Biologika

PD Dr. Niels Teich Prof. Dr. Andreas Stallmach

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Darm

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Kinderwunsch, Schwangerschaft und Stillen bei CED – Update 2018

Ist eine Schwangerschaft möglich?

Diese Frage kann fast immer mit „ja“ beantwortet werden. Es gibt nur wenige – und zumeist vorübergehende – Situationen, in denen CED-bedingte oder therapiespezi-fische Komplikationen zur Infertilität führen können bzw. zu einem Abraten bei Schwangerschaftswunsch. Die häufigsten Ursachen sind:– hohe Krankheitsaktivität des Morbus Crohn oder der Colitis ulcerosa– chronische Eisenmangelanämie mit teils jahrelanger Amenorrhö (fast immer rever-

sibel nach ausreichender Eisensubstitution)– ileoanale Pouchanlage (Infertilität in bis zu 60%)– gering erhöhtes Risiko einer ektopen Schwangerschaft bei Patientinnen mit Morbus

Crohn [2]– selten: Sulfasalazin-induzierte Oligospermie– selten: unbehandelte Abszesse/Fisteln im kleinen Becken– selten: Methotrexat-Medikation (relativierende Details siehe unten)

Infertilität ist kein CED-spezifisches Problem. Wichtig erscheint der Hinweis, dass auch bei kinderlosen Paaren ohne chronische Krankheit im Alter zwischen 20 und 30 Jahren in 10–20% und bei Paaren zwischen 30 und 40 Jahren in bis zu 50% eine ungewollte Kinderlosigkeit besteht. Bei CED sind hormonelle Kontrazeptiva möglich. Nur nach ausgedehnten Dünndarmresektionen kann die orale Bioverfügbarkeit vermindert sein. In einer pharmakokinetischen Studie bei Patientinnen mit Colitis ulcerosa, die eine Proktokolektomie mit Ileostomie erhalten hatten, waren die Plasmakonzentratio-nen von Ethinylestradiol und Levonorgestrel nicht signifikant niedriger als bei gesun-den Kontrollen. Wichtig ist die Beachtung eines möglicherweise additiven Thrombo-serisikos bei hoher Krankheitsaktivität UND oraler Antikonzeption [3].

Kann meine Partnerin schwanger werden?

Fragen zur männlichen Fertilität wurden bislang weit seltener untersucht als Fragen zur weiblichen Fertilität, dabei haben auch viele Männer Fragen zum Thema CED und dem Wunsch nach einer Vaterschaft. Männer mit Morbus Crohn haben seltener einen Kinderwunsch und neigen eher zu einer Verzögerung bei der Realisierung als Männer mit Colitis ulcerosa.

Für folgende Faktoren bestehen Hinweise auf eine negative Beeinflussung der Fertilität: – Chirurgie – v. a. Ejakulationsstörungen nach Proktokolektomie oder erektile Dys-

funktion nach Rektumamputation (in prospektiver kontrollierter Studie reversibel mit Sildenafil)

– Medikation – riskant ist allein Sulfasalazin (siehe unten)– aktive CED – proinflammatorische Zytokine reduzieren die Spermienqualität– Ernährung – Untergewicht reduziert (allein oder aufgrund einer aktiven CED) die

Spermienqualität– Alkohol – reduziert Spermienqualität und Fertilität– Rauchen – reduziert die mitochondriale Aktivität der Spermien und stört die Sper-

mien-Chromatinstruktur – psychologische Faktoren – v. a. Angst davor, die CED an die Kinder zu vererben

Wann ist ein günstiger Zeitpunkt gekommen, um schwanger zu werden?

Günstig ist eine Krankheitsphase, in der schon seit längerer Zeit eine Remission besteht. Mehrere Studien belegen, dass eine hohe Krankheitsaktivität zu Beginn der Schwan-gerschaft mit einem unerwünschten Ausgang bzw. perinatalen Komplikationen ver-bunden ist. Dieses Risiko ist bei Patienten mit Morbus Crohn höher als bei Patienten mit Colitis ulcerosa. Weitere Konstellationen, die mit einem erhöhten Risiko für einen unerwünschten Ausgang der Schwangerschaft verbunden sind, sind z. B. die Erstma-

P Nur in wenigen Fällen besteht eine krankheits- oder therapiebedingte Sub- oder Infertilität.

P Eine stabile Remissionsphase der CED ist ein günstiger Zeitraum für eine erfolgreiche Konzeption und einen günstigen Schwangerschaftsverlauf.

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nifestation der CED in der Schwangerschaft oder der fortgesetzte Nikotinabusus von Morbus-Crohn-Patientinnen nach der Konzeption. Eine Hospitalisierung in der Schwan-gerschaft ist mit dem Risiko für eine Frühgeburt verbunden. Eine aktuell publizierte Kohortenstudie zu 219 Schwangerschaften berichtet, dass bei 66% Frauen mit präkon-zeptionell mäßig bis schwer verlaufender CED ein akuter Schub oder ein chronisch aktiver Verlauf während der Schwangerschaft bestand. Bei denjenigen mit der höch-sten Krankheitsaktivität war das Risiko einer Frühgeburt 3,6-fach erhöht [4].

Im Allgemeinen ist von einem unkomplizierten Schwangerschaftsverlauf auszugehen, wenn präkonzeptionell eine Remission bestand. Komplikationen treten nicht häufiger als außerhalb der Schwangerschaft auf. Eine Untersuchung mit 140 Patientinnen weist aus, dass in über 50% der Fälle alle krankheitsspezifischen Charakteristika unverändert bleiben und nur 10% der Patientinnen eine Verschlechterung des Morbus Crohn oder der Colitis ulcerosa erfahren [5].

Sicherheit der medikamentösen Therapie in der Schwangerschaft

Wie schon in der Einleitung angesprochen, nehmen Fragen zur medikamentösen The-rapie bei weiblichen, aber auch männlichen CED-Patienten mit Kinderwunsch oder bereits eingetretener Schwangerschaft einen großen Raum ein. Wahrscheinlich liegt dies auch daran, dass in den Packungsbeilagen fast aller Medikamente vor der Einnah-me in der Schwangerschaft gewarnt wird. Weiterhin ist die Ansicht weit verbreitet, dass chemisch definierte Arzneimittel in der Schwangerschaft ungünstig sind. Bei je-der dritten CED-Patientin führte daher allein der Wunsch nach einer Schwangerschaft zu einer Änderung der Medikation. Eine frühzeitige strukturierte Beratung von CED-Patienten mit Schwangerschaftswunsch kann dazu beitragen, dass die Adhärenz zur sinnvollen Medikation größer ist und unerwünschte Folgen ausbleiben [6].

Für die Beratung schwangerer Patientinnen liefern große Fallserien und Registerstudien wichtige Grundlagen. Bis vor wenigen Jahren wurden gemäß der US-amerikanischen „Food and Drug Administration“ (FDA) alle Medikamente in pharmazeutische Schwan-gerschaftskategorien (A bis X) eingeteilt, die jedoch vorwiegend auf Tierversuchsdaten beruhten. Diese Auflistung war in der Patientenberatung wenig hilfreich und wird daher aktuell überarbeitet. Hintergrund ist, dass laut dem „FDA Office of New Drugs“ – die meisten Frauen mindestens 1 Medikament während der Schwangerschaft nehmen,– sich die Verwendung von ≥ 4 Medikamenten während der Schwangerschaft in den

letzten 30 Jahren mehr als verdoppelt hat und– viele schwangere Frauen vorbestehende chronische Erkrankungen haben [7].

In der täglichen Praxis haben sich die über www.embryotox.de abrufbaren aktuellen Informationen zur Arzneimittelsicherheit in Schwangerschaft und Stillzeit bewährt. Dieses Internetportal wird durch das Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité - Universitätsmedizin Berlin betreut. Hierbei han-delt es sich um ein öffentlich gefördertes Institut, welches unabhängige Informatio-nen zur Verträglichkeit der wichtigsten Arzneimittel und zur Behandlung häufig vor-kommender Krankheiten in Schwangerschaft und Stillzeit anbietet.

Insgesamt gilt der Grundsatz: Das höhere Risiko für Mutter und Kind ist die Krankheits-aktivität der CED, nicht die medikamentöse Therapie. Ziel ist daher eine Remission oder eine niedrige Krankheitsaktivität vor und während der Schwangerschaft. Es ist sinn-voll, dass sich nach dem Wissen um die Schwangerschaft Gynäkologe und Gastro-enterologe absprechen, um einen Konsens bezüglich der medikamentösen Therapie zu erzielen. Sehr praktikabel ist aber auch ein „Dreizeiler“ des Gastroenterologen, dass aus Sicht der CED-Therapie eine Fortsetzung der Medikation auch in der Schwanger-schaft erforderlich ist, um einen akuten Schub mit ggf. negativem Schwangerschafts-ausgang zu verhindern.

Im Folgenden soll zu aktuellen Aspekten wichtiger CED-spezifischer Medikamente während der Schwangerschaft Stellung genommen werden.

P Bei Patientinnen mit CED ist der Schwangerschaftsverlauf meist unkompliziert.

P Es liegen nur sehr wenige prospektive Untersuchungen zur Arzneimittelsicher-heit für schwangere CED-Patientinnen vor. Die Beratung basiert daher v. a. auf Fallserien und Registerstudien. Daher ist mit jeder Patientin eine individuelle Diskussion nötig.

P Das höhere Risiko für Mutter und Kind ist die Krankheitsaktivität der CED, nicht die medikamentöse Therapie.

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Mesalazin und Sulfasalazin

Mesalazin ist in der Schwangerschaft sicher; lediglich vor 23 Jahren wurde einmalig ein Fall eines unerwünschten Ereignisses berichtet: Bei einer Tagesdosis von 4 g im 2. Trimenon (dann findet die Nierenentwicklung statt) kam es zur neonatalen intersti-tiellen Nephritis [8]. Auch Sulfasalazin wurde bei schwangeren CED-Patientinnen sehr gut untersucht und ist sicher einsetzbar [9]. Die Substitution mit 1 mg Folsäure täglich sollte bei Therapie mit dem Folsäureantagonisten Sulfasalazin während der gesamten Schwangerschaft erfolgen.

Budesonid

Auch topische Steroide scheinen in der Schwangerschaft sicher zu sein. In einer aktu-ellen retrospektiven Datensammlung wurde der Verlauf bei 8 Patientinnen mit aus-schließlichem Morbus Crohn des Dünndarms dargestellt. Die Dosis betrug 6–9 mg pro Tag über 1–8 Schwangerschaftsmonate hinweg. Die Autoren fanden keine mütter-lichen Nebenwirkungen wie Nebennierenrindensuppression, gestörte Glukosetoleranz oder arterielle Hypertension und alle Kinder waren gesund [10]. Umfassendere Daten liegen jedoch nicht vor.

Systemische Glukokortikoide

Prednisolon ist plazentagängig, wird von der plazentaren 11β-Hydroxylase jedoch weit-gehend inaktiviert. Daher ist die Therapie mit Prednisolon in der Schwangerschaft weit-gehend sicher. Im 1. Trimenon zeigte sich bei > 15 mg Prednisolon pro Tag ein erhöhtes Risiko einer Lippen-Gaumenspalte, bei > 20 mg steigt das Risiko einer Frühgeburt. Es ist bislang nicht geklärt, ob dabei das Frühgeburtsrisiko nicht schon allein durch die therapiebedingende hohe Krankheitsaktivität anstieg. Bei hoher Krankheitsaktivität ist auch eine kurzzeitige Therapie mit bis zu 2 mg/kg KG möglich. Für Dexamethason liegen unzureichende Daten vor; prinzipiell ist von einem ähnlich guten Sicherheits-profil wie bei Prednisolon auszugehen.

Azathioprin und 6-Mercaptopurin

Tierversuche zeigten bei der Gabe von Azathioprin in hohen Dosen chromosomale Schäden und Malformationen bei Mäusen. In den in der CED-Therapie üblichen ge-wichtsadaptierten Dosierungen zwischen 1,5 und 2,5 mg/kg KG bestanden diese Schädigungen nicht, es war lediglich das Geburtsgewicht der Mäuse erniedrigt. Eine Vielzahl von Studien unterschiedlicher Qualität erbrachte keinen Beweis für eine Te-ratogenität beim Menschen (z. B. [11]), wenngleich eine geringe transplazentale Über-tragung von Thiopurin-Metaboliten gut belegt ist.

Im Praxisalltag kann dem Wunsch vieler Patientinnen folgend überlegt werden, Aza-thioprin nach ausreichender Therapiedauer und lang anhaltender Remission vor ei-ner geplanten Schwangerschaft abzusetzen. Meist tritt die Schwangerschaft jedoch ungeplant ein. In diesem Fall sollte Azathioprin während der gesamten Schwanger-schaft in unveränderter Dosis weiterverordnet werden. Dieses Vorgehen findet sich gegenüber der früheren restriktiveren Sicht mittlerweile auch in Fachinformationen und Packungsbeilagen wieder.

Methotrexat

Die erwiesene Teratogenität von Methotrexat (MTX) kann v. a. dann zum Wirken kom-men, wenn die Patientin noch nichts von ihrer Schwangerschaft weiß: Typische Schä-den wie Neuralrohrdefekte, Schädel- und Skelettanomalien manifestieren sich in der 6. bis 8. Schwangerschaftswoche (SSW). Daher wird angestrebt, MTX bei jungen Frauen nicht einzusetzen. Wenn die klinische Situation die Verwendung von MTX unumgäng-lich macht, muss auf eine 2-fache Kontrazeption (z. B. hormonfreisetzender Vaginal-

P 5-Aminosalicylate (5-ASA) sind in der Schwangerschaft sicher.

P Niedrig dosierte Glukokortikoide in der Schwangerschaft sind sicher, der Einsatz sollte aber wie bei allen CED-Patienten zeitlich begrenzt bleiben.

P Eine Vielzahl von Studien erbrachte keinen Beweis einer Azathioprin- induzierten Teratogenität beim Menschen.

P Methotrexat (MTX) sollte weiterhin bei prämenopausalen Frauen vermie-den werden. Bei einer Konzeption unter MTX ist die früher generell propagierte Interruptio kein Dogma mehr, sondern muss in Abhängigkeit vom fetalen Ultraschallbefund und der psycho-sozialen Situation der Patientin diskutiert werden.

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ring + Kondom) hingewiesen werden. Früher wurde bei dennoch erfolgter Konzeption generell ein induzierter Abort angeraten. Diese Empfehlung kann jedoch nicht mehr aufrechterhalten werden: Schon im Jahr 1990 wurde eine erste Fallserie mit 10 schwan-geren Patien tinnen mit rheumatoider Arthritis (RA) publiziert, die trotz MTX in der Früh-schwangerschaft gesunde Kinder bekamen [12]. Eine größere Übersichtsarbeit aus der Rheumatologie bestätigt diese Befunde und sah bei 101 RA-Patientinnen (5–25 mg MTX wöchentlich in der Frühschwangerschaft) gegenüber der nicht-exponierten Nor-malbevölkerung kein erhöhtes Risiko einer Malformation oder Fehlgeburt. Dennoch entschieden sich 18 Patientinnen für einen Schwangerschaftsabbruch [13]. Auch Un-tersuchungen des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikolo-gie in Berlin haben bei wöchentlichen Dosen zwischen 10 und 25 mg keine Hinweise auf teratogene Effekte gesehen. Selbst unter Beachtung von Daten aus der onkologi-schen Therapie mit deutlich höheren MTX-Dosen liegt das Risiko einer Fehlbildung nur bei etwa 10%. Auf www.embryotox.de wird daher aktuell eingeschätzt: „Metho-trexat sollte möglichst bei Planung einer Schwangerschaft [...] umgesetzt werden. Die gelegentlich empfohlene 3-monatige Therapiepause vor der Konzeption kann mit den bisher vorliegenden Daten nicht begründet werden.“ (letzter Aufruf 29.10.2017)

Invasive Untersuchungen wie Amniozentese, Chorionzottenbiopsie oder Nabelvenen-punktion sind bei Verdacht auf eine Medikamenten-assoziierte Embryo-/Fetopathie generell nicht sinnvoll. Die beste Sensitivität hat der hochauflösende Ultraschall durch einen erfahrenen Pränatalmediziner.

Tumor-Nekrose-Faktor-Blocker

Die Tumor-Nekrose-Faktor (TNF)-Antagonisten Adalimumab, Infliximab und Golimumab werden in der Gastroenterologie häufig bei jüngeren CED-Patienten eingesetzt. Im Mausversuch erwiesen sie sich als nicht embryotoxisch oder teratogen: Selbst Dosen bis 40 mg Infliximab/kg KG zeigten keine Nebenwirkungen, die übliche Erhaltungsdo-sis bei CED-Patienten liegt hingegen nur bei 5–10 mg/kg KG alle 8 Wochen. Die Rate an Fehlgeburten, Missbildungen und Frühgeburten entspricht nach bisherigen Er-kenntnissen den Raten von CED-Patientinnen ohne Anti-TNF-Therapie [14].

In einer ersten prospektiven Studie wurde untersucht, ob hohe Konzentrationen der Anti-TNF-Präparate Infliximab und Adalimumab im Nabelschnurblut mit einer erhöh-ten Rate von Entwicklungsstörungen und insbesondere Infektionen im Säuglingsalter assoziiert sind [15]. An der Studie nahmen 80 Frauen teil, die diese Medikation im Me-dian seit 2,5 Jahren erhielten. 39 Patientinnen nahmen während ihrer Schwanger-schaft neben dem TNF-Blocker zusätzlich die Thiopurine Azathioprin oder 6-Mercap-topurin (6-MP) ein. Im Nabelschnurblut fanden sich bei 78% bzw. 100% der exponierten Neugeborenen nachweisbare Adalimumab- bzw. Infliximab-Medikamentenspiegel. Postpartal erfolgte alle 3 Monate neben einer klinischen Untersuchung und Befra-gung der Mütter eine Messung der Anti-TNF-Spiegel. Der Zeitraum bis zum fehlenden Nachweis im Säuglingsblut betrug 4 bzw. 7,3 Monate für Adalimumab bzw. Infliximab. Im Vergleich zu den mütterlichen Serumkonzentrationen ließ sich aus diesen Daten errechnen, dass die Halbwertszeit der untersuchten TNF-Blocker bei Neugeborenen und Säuglingen doppelt (Adalimumab) bzw. 3,7-fach (Infliximab) so lang wie bei ihren Müttern war (Abb. 1).

Vergleich des Nabelschnurblut-Nachweises und des Abbaus der bei CED am häufigsten eingesetzten TNF-Blocker Adalimumab (ADA) und Infliximab (IFX) sowie Vergleich der Halbwertszeiten von Mutter und Kind [15].

43210

76420

100%

50%

0%

ADAADAADA IFXIFXIFX

Nachweis imNabelschnurblut

Vollständiger AbbauMedian in Monaten

Halbwertszeit in Monatenneugeboren:erwachsen

2,04,078% 3,77,3100%

P Die bisherigen Erfahrungen zum Einsatz von TNF-Antagonisten in der Schwangerschaft ergaben keinen Anhalt für ein substanzspezifisches Risiko.

Abb. 1

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Trotz dieser deutlich verlängerten neonatalen Antikörper-Clearance zeigte sich zum ersten Geburtstag der Kinder eine völlig unbeeinträchtigte Entwicklung von Grob- und Feinmotorik, Sehen, Sprache/Sprechen, Hören, Kommunikation und sozialer Ent-wicklung. Ein besonderes Augenmerk galt dem Risiko viraler und bakterieller Infek-tionen. Bei 5% bzw. 20% der Kinder kam es binnen des ersten Lebensjahres zu einer bakteriellen bzw. viralen Infektion. Alle Infektionen waren von einer restitutio ad inte-grum gefolgt. Die Anti-TNF-Konzentration im Nabelschnurblut wie auch eine mütter-liche Anti-TNF-Antikörper-Applikation jenseits der 30. SSW hatten keinen Einfluss auf dieses Risiko. Die weitere Analyse zeigte jedoch, dass eine Komedikation des TNF-Blo-ckers mit einem Thiopurin das eben genannte Risiko etwa 1,5-fach erhöht (relatives Risiko = 2,7; 95% Konfidenzintervall: 1,09–6,78) [15].

Fazit dieser sehr wichtigen Studie ist, dass der Nachweis von TNF-Blocker-Spiegeln im Nabelschnurblut ohne Konsequenz für die Entwicklung im ersten Lebensjahr ist und insbesondere nicht in Korrelation zum Risiko viraler oder bakterieller Infektionen steht. Wenngleich alle in dieser Untersuchung aufgetretenen Infektionen von einer restitutio ad integrum gefolgt waren, erhöht die Kombination von Anti-TNF und Thiopurinen das Infektionsrisiko. Darauf sollten die betroffenen Eltern hingewiesen werden. Die Ergebnisse dieser Studie unterstützen aber das zuvor publizierte „Toronto Consensus Statement“, dass TNF-Blocker bei Schwangerschaftswunsch nicht abgesetzt werden müssen und eine Weiterführung in der Schwangerschaft (und Stillzeit) möglich und zur Vermeidung akuter Krankheitsschübe während der Schwangerschaft sinnvoll ist [16].

Neue Biologika: Vedolizumab und Ustekinumab

Vedolizumab ist ein darmselektiver Integrin-Antagonist und wurde 2014 zur Behand-lung des Morbus Crohn und der Colitis ulcerosa zugelassen. Ustekinumab ist ein Anti-Interleukin (IL)12- und Anti-IL23-Antikörper und wurde 2016 zur Behandlung des Morbus Crohn zugelassen, wird aber schon seit 2013 für die Psoriasis-Arthritis eingesetzt. Für beide Substanzen gibt es bislang nur limitierte Berichte über schwanger gewordene Patientinnen. Bei 27 Schwangerschaften bei Müttern mit Vedolizumab-Therapie und 19 Schwangerschaften bei Vätern mit Vedolizumab-Therapie fanden sich u. a. 4 bzw. 2 spontane Aborte [17].

In einer bisher nicht als Vollpublikation vorliegenden Registerstudie, die 2016 auf dem amerikanischen Dermatologenkongress vorgestellt wurde, wurde zu 87 Schwanger-schaftsverläufen unter Ustekinumab außer 5 Frühgeburten kein weiteres Risiko für Mutter und Kind beschrieben; die Fachinformation empfiehlt jedoch eine 15-wöchige Pause zwischen letzter Gabe und Konzeption. Eine ausreichende Einschätzung der Sicherheit von Vedolizumab bzw. Ustekinumab in der Schwangerschaft ist aufgrund dieser bislang sehr kleinen Fallserien noch nicht möglich [18].

Sicherheit der Schwangeren unter immunsuppressiver Medikation

Die meisten Studien zur immunmodulierenden Arzneimitteltherapie in der Schwanger-schaft fokussieren auf die Sicherheit des ungeborenen Kindes. Weniger gut untersucht ist, ob die werdenden Mütter durch die – zum CED-Remissionserhalt notwendige – Therapie gefährdet sind. Diese Frage adressiert eine aktuell publizierte Kohortenstu-die mit 4961 schwangeren Frauen mit aktiver Immunsuppression gegen rheumatoide Arthritis, systemischen Lupus erythematodes, Spondylitis ankylosans, Psoriasis-Arthritis, Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. 71 (0,2%) der untersuchten Patientinnen entwickel-ten eine schwere Infektion. Dieses Risiko unterschied sich nicht zwischen den korti-koidhaltigen, biologischen und nicht-biologischen Therapien; mit steigendem tägli-chem Prednisolon-Äquivalent kam es jedoch zu einem deutlichen Anstieg [19].

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Antazida, H2-Blocker, Protonenpumpeninhibitoren, Metoclopramid und Butylscopolamin

Während der Schwangerschaft treten häufig nicht eindeutig der CED zuzuordnen-de abdominale Symptome auf, die eine Therapie mit Protonenpumpeninhibitoren, H2-Blockern oder Metoclopramid bedingen. Auch neuere Untersuchungen belegen an sehr großen Patientenkollektiven, dass diese Medikamente wohl nicht mit einem erhöhten Risiko für die Schwangere und ihr Kind verbunden sind. Kalzium- und Mag-nesiumkarbonat können problemlos eingesetzt werden. Magaldrat, Almasilat und Hydrotalcid enthalten Aluminium und sollten generell nur kurzfristig eingesetzt werden, schwangerschaftsspezifische Nebenwirkungen sind jedoch nicht bekannt. Auch für das vielen Patientinnen bekannte Butylscopolamin liegen bislang bis auf ein-zelne Fallberichte keine Daten über relevante schwangerschaftsassoziierten Neben-wirkungen vor.

Paracetamol und nicht-steroidale Antirheumatika

Klassische nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen, Naproxen und Diclo-fenac sollten wegen der möglichen Auslösung eines akuten Schubs generell nicht bei CED-Patientinnen eingesetzt werden. Dennoch gibt es in der Schwangerschaft Situa-tionen, die eine wirkungsvolle Analgesie erfordern. Beispiele sind Schmerzen im Be-reich der Ileosakralgelenke oder auch die akute Analfissur. Wenn in solchen Fällen eine orale Schmerztherapie nötig ist, sollte immer ein Therapieversuch mit 1–4 g Paraceta-mol pro Tag erfolgen. Paracetamol kann bis zur Geburt verabreicht werden. Opiate zeigten eine Reihe eher seltener teratogener Effekte und sollten insbesondere im 3. Trimenon mit großer Vorsicht eingesetzt werden.

Therapieintensivierung in der Schwangerschaft – Was ist sinnvoll und notwendig?

Für die Bewertung von Symptomen, die während der Schwangerschaft neu auftreten, aber nicht eindeutig einer erhöhten Krankheitsaktivität zuzuordnen sind, ist eine be-sondere Erfahrung notwendig. Beispiele hierfür sind der rechtsseitige Unterbauch-schmerz bei Morbus-Crohn-Patientinnen (hier muss differenzialdiagnostisch an den Zug des wachsenden Uterus am Ligamentum latum gedacht werden) oder die Hä-morrhoidalblutung bei Colitis-ulcerosa-Patientinnen. Die Entscheidungsfindung er-gibt sich meist aus einer genauen Anamnese der Beschwerden. Eine symptombezo-gene körperliche Untersuchung und die hochauflösende Sonografie durch den Gynä-kologen und den Gastroenterologen sind die nächsten Schritte. Nur im Einzelfall einer schweren Symptomatik und therapeutischer Unsicherheit sollten andere bildgeben-de Verfahren oder eine endoskopische Untersuchung erfolgen.

Wenngleich eine Reihe an Medikamenten auch in der Schwangerschaft neu einge-setzt werden kann (Tab. 1), können seltenere Nebenwirkungen im Einzelfall zu einem ungünstigen Ausgang der Schwangerschaft beitragen. Vor dem Neubeginn mit ei-nem bislang nicht verwendeten Medikament sollten zunächst die Dosierungen be-reits eingesetzter Medikamente an das zunehmende Körpergewicht bzw. die erhöhte Krankheitsaktivität angepasst werden. In zweiter Linie können Glukokortikoide ver-ordnet werden. Im schwer verlaufenden Einzelfall kann aber auch eine rasche Eska-lation der immunsuppressiven Therapie oder eine Operation notwendig sein. Über Fälle einer in der Schwangerschaft aufgetretenen Azathioprin-induzierten akuten Pan-kreatitis wurde bislang nicht berichtet; es liegen allerdings auch keine Daten über die Neuverordnungshäufigkeit von Azathioprin in der Schwangerschaft vor.

P Antazida, H2-Blocker, Protonen-pumpeninhibitoren, Metoclopramid und Butylscopolamin können in der Schwangerschaft eingesetzt werden.

P Paracetamol ist für schwangere CED-Patientinnen das Analgetikum der ersten Wahl.

P Im schwerwiegenden Einzelfall können fast alle CED-Medikamente auch in der Schwangerschaft eingesetzt werden. Mesalazin, Budesonid und Prednisolon haben dabei das geringste kurzfristige Nebenwirkungspotenzial.

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Möglichkeiten der Therapieintensivierung in der Schwangerschaft (fett: unsere Präferenz)

Möglich Nicht gefahrlos Unzureichend geprüft

Mesalazin MTX im 1. Trimenon Vedolizumab

Budesonid Azathioprin, 6-MP (Risiko einer akuten Pankreatitis v. a. bei Raucherinnen)

Ustekinumab

Prednisolon (sehr sicher: < 20 mg pro Tag)

TNF-Antagonisten

Calcineurininhibitoren (keine Zulassung bei CED)

Ist die Medikation bei Männern mit CED zum Zeitpunkt der Konzeption der Partnerin von Bedeutung?

Männer werden seitens ihrer Gastroenterologen deutlich seltener auf potenziell nega-tive Auswirkungen ihrer Medikation auf die Fertilität hingewiesen als Frauen. Dieser Umstand wird in der Literatur mehrheitlich kritisiert, doch bestehen tatsächlich rele-vante Risiken?

Sulfasalazin führt bei 80% der Männer zu einer reversiblen, dosisunabhängigen, quan-titativen und qualitativen Einschränkung der Spermienproduktion. Das Medikament wird jedoch in der Gastroenterologie nur noch sehr selten verordnet. Eine Umstellung auf Mesalazin kann zu einer Verbesserung der Spermienqualität führen, es wurde je-doch auch von einer reproduzierbaren Oligozoospermie unter 5-ASA berichtet.

MTX ist erst seit wenigen Jahren zur Behandlung des Morbus Crohn zugelassen. Daten zur männlichen Fertilität müssen daher v. a. aus der Rheumatologie extrapoliert wer-den. Theoretischen Erwägungen der letzten Jahrzehnte zum Trotz zeigten mehrere systematische Untersuchungen der letzten Jahre, dass um den Zeitpunkt der Konzep-tion der Partnerin väterlicherseits eingenommenes MTX keinen negativen Einfluss auf die Fertilität hat. Noch wichtiger ist die Erkenntnis, dass das Medikament bislang nicht zu unerwünschten Schwangerschaftsausgängen beitrug [20]. Diese Erkenntnisse fin-den sich noch nicht in den Packungsbeilagen und müssen im individuellen Arzt-Pa-tienten-Gespräch erörtert werden.

Auch alle anderen bei CED häufig eingesetzten Medikamente (Kortikosteroide, Thio-purine Azathioprin und 6-Mercaptopurin, Biologika) haben keinen gesicherten Effekt auf die Spermatogenese, und es gibt keine gesicherten Hinweise auf unerwünschte Schwangerschaftsausgänge.

An CED erkrankte Männer sollten daher aktiv auf einen möglichen Kinderwunsch an-gesprochen werden, um (unbegründete?) Ängste zu erfahren und diesen eventuell argumentativ zu begegnen [21, 22].

Medikation in der Stillzeit

Laut Leitlinie der „European Crohn’s and Colitis Organisation“ (ECCO) gelten alle 5-ASA-Derivate, Kortikosteroide, Thiopurine und Anti-TNF für den Säugling als sehr sicher [14]. Die aktuellen Empfehlungen zeigt Abbildung 2.

Tab. 1

P Die medikamentöse Therapie von Männern mit CED kann (mit Ausnahme von Sulfasalazin) unabhängig von einem potenziellen Kinderwunsch erfolgen. Die Fertilität ist in chirurgisch und/oder medikamentös induzierter Remission besser als in aktiven Krankheitsphasen.

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Bislang existieren nur wenige Publikationen über Messungen von Infliximab- und Adalimumab-Konzentrationen in der Muttermilch. Die Serum-Milch-Ratio beträgt etwa 200:1. Daher ist davon auszugehen, dass die relevante kindliche Anti-TNF-Exposition ante partum erfolgt (siehe oben). Eine Therapieänderung ist daher durch den Wunsch zu Stillen nicht erforderlich [23].

Fazit

Das Bekanntwerden einer Schwangerschaft bei einer Patientin mit Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa bzw. bei der Partnerin eines CED-Patienten sollte von den betei-ligten Ärzten positiv reflektiert werden, weil sowohl das krankheitsspezifische als auch das therapieassoziierte Schwangerschaftsrisiko gering ist. Ziel ist daher eine Remis-sion oder eine niedrige Krankheitsaktivität vor und während der Schwangerschaft.

AnmerkungDieser Artikel ist eine Aktualisierung und Erweiterung des Artikels Teich N, Stallmach A. Pharmakotherapie chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen bei Schwangeren. Frauenheilkd up2date. 2017;11(4):319-29, DOI: 10.1055/s-0043-105126, Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York.

InteressenkonflikteNT erhielt Vortragshonorare der Firmen AbbVie, Falk Foundation, Ferring, MSD, Recordati, Shield Therapeu-tics und Vifor. Er war als wissenschaftlicher Berater für die Firmen Janssen, MSD und Takeda tätig. AS erhielt Vortragshonorare der Firmen AbbVie, Astellas, Falk Foundation, Medical Tribune, Mundipharma, MSD, Shield Therapeutics und Takeda. Er war als wissenschaftlicher Berater für die Firmen Astellas, Biogen, Consal, Hospira, Janssen, Mundipharma MSD, Pfizer, Summit Therapeutics und Takeda tätig.

5-ASA Kein Problemgeringe Sekretion ➔↓ Milch-Serum-Ratio

Kortikosteroide 4 Stunden wartengeringe Sekretion ➔ ↑ Milch-Serum-Ratio

Azathioprin, 6-MP Kein Problem

↓↓ Sekretion ➔ 15 Babies

4,7 Jahre Follow-up ➔ gesund

Abb. 2

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Zu empfehlende Literatur

1 Mountifield R, Bampton P, Prosser R, Muller K, Andrews JM. Fear and fertility in inflammatory bowel disease: a mismatch of perception and reality affects family planning decisions. Inflamm Bowel Dis. 2009;15(5):720–5.

2 de Silva PS, Hansen HH, Wehberg S, Friedman S, Nørgård BM. Risk of ectopic pregnancy in women with inflammatory bowel disease: a 22-year nationwide cohort study. Clin Gastroenterol Hepatol. 2017. [Epub ahead of print]

3 Böttcher B, Wildt L. Autoimmunerkrankungen und orale Kontrazeption. Gynäkol Endokrinol. 2017;15(3):225–34.

4 Kammerlander H, Nielsen J, Kjeldsen J, Knudsen T, Friedman S, Nørgård B. The effect of disease activity on birth outcomes in a nationwide cohort of women with moderate to severe inflammatory bowel disease. Inflamm Bowel Dis. 2017;23(6):1011–8.

5 Mahadevan U, Sandborn WJ, Li DK, Hakimian S, Kane S, Corley DA. Pregnancy outcomes in women with inflammatory bowel disease: a large community-based study from Northern California. Gastroenterology. 2007;133(4):1106–12.

6 de Lima A, Zelinkova Z, Mulders AG, van der Woude CJ. Preconception care reduces relapse of inflammatory bowel disease during pregnancy. Clin Gastroenterol Hepatol. 2016;14(9):1285–92.e1.

7 https://www.drugs.com/fda-consumer/pregnant-breastfeeding-better-drug-information-is-coming-334.html

8 Colombel JF, Brabant G, Gubler MC, Locquet A, Comes MC, Dehennault M, et al. Renal insufficiency in infant: side-effect of prenatal exposure to mesalazine? Lancet. 1994;344(8922):620–1.

9 Nørgård B, Czeizel AE, Rockenbauer M, Olsen J, Sørensen HT. Population-based case control study of the safety of sulfasalazine use during pregnancy. Aliment Pharmacol Ther. 2001;15(4):483–6.

10 Beaulieu DB, Ananthakrishnan AN, Issa M, Rosenbaum L, Skaros S, Newcomer JR, et al. Budesonide induction and maintenance therapy for Crohn’s disease during pregnancy. Inflamm Bowel Dis. 2009;15(1):25–8.

11 de Meij TG, Jharap B, Kneepkens CM, van Bodegraven AA, de Boer NK; Dutch Initiative on Crohn and Colitis. Long-term follow-up of children exposed intrauterine to maternal thiopurine therapy during pregnancy in females with inflammatory bowel disease. Aliment Pharmacol Ther. 2013;38(1):38–43.

12 Kozlowski RD, Steinbrunner JV, MacKenzie AH, Clough JD, Wilke WS, Segal AM. Outcome of first-trimester exposure to low-dose methotrexate in eight patients with rheumatic disease. Am J Med. 1990;88(6):589–92.

Literatur

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13 Martínez Lopez JA, Loza E, Carmona L. Systematic review on the safety of methotrexate in rheumatoid arthritis regarding the reproductive system (fertility, pregnancy, and breastfeeding). Clin Exp Rheumatol. 2009;27(4):678–84.

14 van der Woude CJ, Ardizzone S, Bengtson MB, Fiorino G, Fraser G, Katsanos K, et al. The second European evidenced-based consensus on reproduction and pregnancy in inflammatory bowel disease. J Crohns Colitis. 2015;9(2):107–24.

15 Julsgaard M, Christensen LA, Gibson PR, Gearry RB, Fallingborg J, Hvas CL, et al. Concentrations of adalimumab and infliximab in mothers and newborns, and effects on infection. Gastroenterology. 2016;151(1):110–9.

16 Nguyen GC, Seow CH, Maxwell C, Huang V, Leung Y, Jones J, et al. The Toronto Consensus Statements for the Management of Inflammatory Bowel Disease in Pregnancy. Gastroenterology. 2016;150(3):734–57.e1.

17 Mahadevan U, Vermeire S, Lasch K, Abhyankar B, Bhayat F, Blake A, et al. Vedolizumab exposure in pregnancy: outcomes from clinical studies in inflammatory bowel disease. Aliment Pharmacol Ther. 2017;45(7):941–50.

18 Cortes X, Borrás-Blasco J, Antequera B, Fernandez-Martinez S, Casterá E, Martin S, et al. Ustekinumab therapy for Crohn’s disease during pregnancy: a case report and review of the literature. J Clin Pharm Ther. 2017;42(2):234–6.

19 Desai RJ, Bateman BT, Huybrechts KF, Patorno E, Hernandez-Diaz S, Park Y, et al. Risk of serious infections associated with use of immunosuppressive agents in pregnant women with autoimmune inflammatory conditions: cohort study. BMJ. 2017;356:j895.

20 Grosen A, Kelsen J, Hvas CL, Bellaguarda E, Hanauer SB. The influence of methotrexate treatment on male fertility and pregnancy outcome after paternal exposure. Inflamm Bowel Dis. 2017;23(4):561–9.

21 Sato A, Naganuma M, Asakura K, Nishiwaki Y, Yajima T, Hisamatsu T, et al. Conception outcomes and opinions about pregnancy for men with inflammatory bowel disease. J Crohns Colitis. 2010;4(2):183–8.

22 Shin T, Okada H. Infertility in men with inflammatory bowel disease. World J Gastrointest Pharmacol Ther. 2016;7(3):361–9.

23 Grosen A, Julsgaard M, Kelsen J, Christensen LA. Infliximab concentrations in the milk of nursing mothers with inflammatory bowel disease. J Crohns Colitis. 2014;8(2):175–6.

Literatur

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Darm

Fragen zu Kinderwunsch, Schwangerschaft und Stillen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED)

Frage 1:Welche Aussage zur Prednisolon-Therapie in der Schwangerschaft ist richtig?

EE Prednisolon führt zu erhöhten Testosteronspiegeln beim männlichen FetusEE Prednisolon führt schon in niedriger Dosierung zu einem deutlich erhöhten

FrühgeburtsrisikoEE Prednisolon ist plazentagängig, wird hier jedoch rasch abgebautEE Bei einer Tagesdosis > 15 mg findet sich fast immer eine Nebennierenrinden-

insuffizienz des NeugeborenenEE Prednisolon ist Budesonid während der Schwangerschaft in jedem Fall vorzuziehen

Frage 2:Bitte werten Sie die folgenden Aussagen zur medikamentösen Therapie in der Schwangerschaft!1. Es gibt bislang nur für Methylprednisolon prospektive

rando misierte klinische Prüfungen bei Schwangeren2. Eine neonatale interstitielle Nephritis durch den Einsatz

von Mesalazin in der Schwangerschaft ist in etwa 30% der Fälle nachweisbar

3. Sulfasalazin kann in 10% zur Knorpelschädigung des Kindes führen

EE Alle Aussagen sind falschEE Nur 2 ist richtigEE Nur 3 ist richtigEE 2 und 3 sind richtigEE 1–3 – Alle sind richtig

Frage 3:Welche Aussage zu Methotrexat (MTX) in der Schwangerschaft ist richtig?

EE Sollte MTX während der frühen Schwangerschaft eingenommen worden sein, ist in jedem Fall ein induzierter Abort erforderlich

EE Das Risiko einer MTX-induzierten kindlichen Fehlbildung liegt bei ca. 10%EE Zur Erkennung einer MTX-induzierten kindlichen Fehlbildung hat der

hoch auflösende Ultraschall eine schlechte SensitivitätEE Amniozentese, Chorionzottenbiopsie oder Nabelvenenpunktion sollten

bei Verdacht auf Medikamenten-assoziierte Embryo-/Fetopathie generell empfohlen werden

EE Eine Amenorrhö unter MTX ist häufig und teils irreversibel

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Darm

Frage 4:Welche Medikamentengruppe erhöht das Infektionsrisiko der schwangeren CED-Patientin am deutlichsten?

EE Protonenpumpeninhibitoren EE KortikosteroideEE Tumor-Nekrose-Faktor (TNF)-Blocker EE AzathioprinEE Mesalazin

Frage 5:Welche Aussage zur Schmerztherapie in der Schwangerschaft einer CED-Patientin ist richtig?

EE Paracetamol erhöht das Risiko eines KrankheitsschubsEE Generell sollte bei akutem CED-Schub 1 mg Prednisolon/kg KG verordnet werdenEE Cyclooxygenase-2-Inhibitoren sollen in der Schwangerschaft den klassischen

nicht-steroidalen Antirheumatika vorgezogen werdenEE Opiate gelten in der Schwangerschaft generell als sicherEE Ibuprofen und Diclofenac sollten in allen Phasen der Schwangerschaft vermieden

werden, wenn alternative Schmerzmittel wirksam sind

Frage 6:Welche Aussagen zur Verordnung von Azathioprin in der Schwangerschaft sind richtig?1. Azathioprin muss 3 Monate vor der Schwangerschaft abgesetzt

werden2. Bei ungeplanter Schwangerschaft sollte eine Fruchtwasser-

untersuchung erfolgen3. Bei Notwendigkeit der Weiterverordnung in der Schwangerschaft

darf die tägliche Dosis 50 mg nicht übersteigen4. Eine Erhöhung der Azathioprin-Dosis während der Schwanger-

schaft ist möglich5. Bei gleichzeitiger Gabe eines TNF-Blockers muss der Patientin

eine Interruptio nahegelegt werden

EE Nur 2 ist richtigEE Nur 4 ist richtigEE 2 und 4 sind richtigEE 1, 2 und 3 sind richtigEE 1, 2, 3 und 5 sind richtig

Frage 7:Welche Aussage zur Therapieintensivierung in der Schwangerschaft ist falsch?

EE Paracetamol sollte im 1. Trimenon in der niedrigstmöglichen Dosierung eingesetzt werden

EE Budesonid kann auch im 3. Trimenon begonnen werdenEE Prednisolon bis 20 mg pro Tag kann in allen Phasen der Schwangerschaft sicher

eingesetzt werdenEE Die Mesalazin-Dosis kann während der Schwangerschaft deutlich gesteigert

werdenEE Das Risiko einer Azathioprin-induzierten akuten Pankreatitis in der Schwangerschaft

ist unbekannt

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Frage 8:Welche Aussage zur CED-bedingten Medikation des Vaters ist richtig?

EE Sollte eine Schwangerschaft unter MTX-Therapie des Mannes auftreten, muss ein Schwangerschaftsabbruch erwogen werden

EE Nach eingetretener Schwangerschaft sollte ein TNF-Blocker sofort abgesetzt werdenEE Sulfasalazin kann zu einer reversiblen Oligospermie führenEE Vor der Konzeption der Partnerin muss Azathioprin mindestens 6 Monate

pausiert werdenEE Die Fertilität ist unabhängig von der Krankheitsaktivität

Frage 9:Welche Aussage zur Therapie mit TNF-Blockern bei schwangeren CED-Patienten ist richtig?

EE TNF-Blocker sollten 6 Monate vor einer gewünschten Schwangerschaft abgesetzt werden

EE Neugeborene, deren Mütter zusätzlich zu TNF-Blockern auch Azathioprin einnahmen, haben ein erhöhtes Risiko viraler und bakterieller Infektionen

EE Säuglinge, deren Mütter während der Schwangerschaft TNF-Blocker erhielten, haben bis zum ersten Lebensjahr Defizite in der motorischen Entwicklung

EE Messungen der TNF-Blocker-Medikamentenspiegel im Nabelschnurblut werden generell empfohlen, um das Infektionsrisiko der Kinder vorherzusagen

EE Wenn eine Schwangerschaft unter TNF-Blockern blande verlief, sollte von weiteren Schwangerschaften abgeraten werden

Frage 10:Welche Aussage ist richtig?

EE Das Risiko von Kindern mit an CED erkrankter Mutter, selbst an einer CED zu erkranken, ist gegenüber der Normalbevölkerung bis zu 20-fach erhöht

EE Es gibt bereits bekannte Risikomutationen, die das spätere Auftreten eines Morbus Crohn bei Neugeborenen voraussagen können

EE Bei Schwangeren mit CED besteht meist ein unkomplizierter Schwangerschafts-verlauf

EE Im akuten Schub besteht eine unveränderte EmpfängniswahrscheinlichkeitEE Kinder von Patientinnen mit Morbus Crohn haben ein deutlich höheres Risiko

von Fehlbildungen als Kinder von Patientinnen mit Colitis ulcerosa