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„ Kleine Urkundenkunde“
Eine Einführung zu
mittelalterlichen Herrscherurkunden
Christiane Schlegel
Nadja Neumann
Kleine Urkundenkunde
1 Der Begriff „Urkunde“: Etymologie
2 Der Begriff „Urkunde“: Definition
3 Urkunden als Quellen des Mittelalters
4 Wichtige Urkundenarten
5 Urkunden- eine kurze Geschichte
I. BASICS
I. BASICS
Kleine Urkundenkunde
• Althochdeutsch: urchundan=bezeugen;
urcundo=Zeuge, Zeugnis
• Im Mittelalter:
deutscher Begriff: urkundt, brief, breve
lateinischer Begriff: instrumentum, diploma,
documentum, charta, litera
1 Der Begriff „Urkunde“: Etymologie
I. BASICS
1 „Urkunde“: Etymologie
I. BASICS
2 „Urkunde“: Definition
Kleine Urkundenkunde
2 Der Begriff „Urkunde“: Definition
Urkunde = ein in bestimmten Formen
abgefasstes, beglaubigtes und daher
verbindliches Schriftstück, das ein Rechtsgeschäft
dokumentiert.
Wert der Urkunde: Beweis eines Rechtsaktes
I. BASICS
3 Urkunden als Quellen des Mittelalters
Kleine Urkundenkunde
3 Urkunden als Quellen des Mittelalters
• Neben Hagiographie und Historiographie
wichtigste mittelalterliche Quellen ( Einblicke in
Recht, Verfassung, Gesellschaft und Wirtschaft)
Mittelalter = „Urkundenzeitalter“
• angebliche „Tendenzlosigkeit“ widerlegt: Auch
Urkunden verfolgen Ziele, meist die Anerkennung
bestimmter Rechtsansprüche
Vorsicht vor Fälschungen !
I. BASICS
4 Wichtige Urkunden-arten
Kleine Urkundenkunde
4 Wichtige Urkundenarten
• Kaiser-, Königs-, und PapsturkundenAlle anderen: Privaturkunden
• Beweisurkunden= schriftliche Zeugnisse bereits
rechtsgültig vollzogener Handlungen
• dispositive Urkunden/ Verfügungsurkunden =
Urkunden zur Eigentumsübertragung, die erst
Recht setzen
5 Urkunden – eine kurze Geschichte
Kleine Urkundenkunde
I. BASICS 5 Urkunden- eine kurze Geschichte
• Notitia (= Beweisurkunde): bestätigt den Vollzug eines Rechtsaktes (Rom, Antike)
• Carta (= dispositive Urkunde): schafft neues Recht durch die traditio cartae, die Übergabe der Handschrift (Frühmittelalter)
• 9.-11. Jh.: geringe Schriftlichkeit
• 11. Jh.: neues Urkundenwesen mit besiegelten Urkunden (Könige, geistliche und weltliche Reichsfürsten)
• 13.-16. Jh.: Verbreitung der Siegelurkunde (Bürgertum, freie Bauern)
Kleine Urkundenkunde
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION
I. BASICS1 Überlieferungsformen
2 Erschließungsformen
3 Urkundeneditionen
4 Datierung: Jahr, Monat, und Tag
II. ÜBERLIEFERUNG UND
EDITION
Kleine Urkundenkunde
1 Überlieferungsformen
I. BASICS
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION1
Überliefer-
ungsformen
• Original ( selten: Entwurf =„Konzept“)
• einzelne beglaubigte Abschrift mit Rechtskraft:
Vidimus = vollständiger Text der Vorgängerurkunde von anderem Aussteller beglaubigt
Transumpt = Inserierung des ursprünglichen Urkundeninhalts in eine Urkunde des Rechtsnachfolgers
Kleine Urkundenkunde
1 Überlieferungsformen
I. BASICS
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION1
Überliefer-
ungsformen
• buchmäßige Zusammenstellungen von
Urkundenabschriften:
Kopiar / Kopialbuch/ Chartular = Abschriften
der einlaufenden Urkunden eines bestimmten
Empfängers
Register = Abschrift der auslaufenden
Urkunden eines bestimmten Ausstellers
Kleine Urkundenkunde
2 Erschließungsformen
I. BASICS
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION2 Erschlie-
ßungsformen
Volltextedition
Kopfregest (= Angabe zu Inhalt, Aussteller,
Empfänger, Datum, Ort)+
Lateinischer Volltext
+
Beschreibung äußerer Merkmale,
Echtheitsdiskussion, Überlieferungsweg
Regesten der Urkunde
• Vollregest = aller Rechtsinhalt und Namen (evtl. inklusive Literaturangaben, Echtheits-diskussion)
• ausstellerbezogene Regesten ( Itinerarforschung)
• Regesten mit allen Personennamen inkl. Zeugen ( prosopographische Forschungen)
Kleine Urkundenkunde
3 Urkundeneditionen
I. BASICS
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION3
Urkunden-
editionen
• uneinheitlich (Aussteller – oder Empfängerprinzip;
regionale Urkundenbücher oder Regesten)
• noch keine vollständige Zusammenstellung aller
Urkundeneditionen
• wichtigste Editionen:
Königsurkunden : MGH DD Papsturkunden: Jaffé Löwenfeld + Potthast
Kleine Urkundenkunde
4 Datierung: Jahr, Monat und
TagI. BASICS
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION4
Datierung:
Jahr, Monat
und Tag
Jahr
• Inkarnationsjahre: seit Christi Geburt ( Jahr 0)
• Indiktion (= spätantiker Steuerzyklus von 15 Jahren):
(Jahr + 3) : 15 = Zahl + Rest ( 1 - 14) =„Indiktionsjahr“
• Herrscherjahre und Pontifikatsjahre
anni regni : Jahre seit Königskrönung
anni imperii : Jahre seit Kaiserkrönung
anni pontificatus : Jahre seit Erhebung eines Papstes
Kleine Urkundenkunde
4 Datierung: Jahr, Monat und
TagI. BASICS Jahresanfänge (regional verschieden)
• Nativitätsstil = Jahreswechsel an Geburt Christi (25. 12.)
• Annunciationsstil = Jahreswechsel an Mariae Verkündigung (25.3.)
• Circumcisionsstil = Jahreswechsel an Beschneidung des Herrn (01.01.)
• Osterstil = Jahreswechsel zwischen 22.3. Und 25.4.
Vorsicht bei allen Daten zwischen 25. 12. und 25.4 (= frühest und
spätmöglichster Jahreswechsel)
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION4
Datierung:
Jahr, Monat
und Tag
Kleine Urkundenkunde
I. BASICS
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION4
Datierung:
Jahr,Monat
und Tag
4 Datierung: Jahr, Monat und
TagMonat
• Anzahl und Namen der mittelalterlichen Monate entspricht dem julianischen Kalender, somit also den heutigen Bezeichnungen
Tag
• frühes Mittelalter (römische Zählung):
Kalenden = 1. eines Monats
Nonen = 5./7. eines Monats
Iden = 13./15. eines Monats
März,Mai, Juli und Oktober:Spätere Termine
Kleine Urkundenkunde
I. BASICS
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION4
Datierung:
Jahr,Monat
und Tag
4 Datierung: Jahr, Monat und
Tag Tage vom mitgezählten Stichtag aus rückwärts
berechnetd.h.: II. Id. Mart. = 14. März
XIV. Kal. Nov. = 19. Oktober
Heiligen- und Festkalender• größere lebenspraktische Bedeutung häufig in
Privaturkunden• Tage durch Wochentag, Oktav ( 8 Tage) und Vigil
(Vorabend) auf bekannte Heiligentage und Hochfeste
(Osterkreis, Weihnachtskreis) bezogen
Tag
Kleine UrkundenkundeKleine Urkundenkunde
III. IDEALTYPISCHER AUFBAU
1 Protokoll
2 Text / Kontext
3 Eschatokoll
I. BASICS
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION
III. IDEALTYPISCHER AUFBAU
Kleine Urkundenkunde
I. BASICS
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION
III. IDEALTYPISCHER AUFBAU
1 Protokoll
1 Protokoll
Invocatio = Anrufung Gottes ( mit Chrismon)
„Im Namen Gottes“
Intitulatio = Name und Titel des Ausstellers ( mit Devotionsformel, die der
Legitimation dient, indem sie auf das Gottesgnaden tum verweist)
„XY Rex Francorum“
Inscriptio = Nennung des Empfängers ( fehlt häufig)
„den Bürgern von Z-Stadt“
Arenga = allgemeine, v.a. religiöse Begründung der Handlung
„wenn wir aus Freigebigkeit gottgeweihten Orten etwas übertragen“
Kleine Urkundenkunde
I. BASICS
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION
III. IDEALTYPISCHER AUFBAU
2 Text / Kontext
2 Text / Kontext
Promulgatio = Verkündigungsformel (Publicatio) „es mögen alle erfahren“
Narratio = Entstehungsumstände der Urkunde; Nennung der Petenten ( potentielle Empfänger) und Intervenienten ( Fürsprecher)
Dispositio = eigentlicher Rechtsinhalt ( häufig mit Pertinenzformel)
Sanctio = Poenformel ( Strafe bei Zuwiderhandlung)
Corroboratio = Beglaubigungsmittel und Siegelbefehl u.U. Zeugenlisten
Kleine Urkundenkunde
I. BASICS
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION
III. IDEALTYPISCHER AUFBAU
3 Eschatokoll
3 Eschatokoll
Signumzeile = Monogramm des Königs (evtl.
Vollziehungsstrich)
Recognitionszeile = Name des Notars / Kanzlers;
endet mit korbähnlichem
Recognitionszeichen
Datierung = Zeit und Ort der Beurkundung
( actum et datum)
Apprecatio = abschließender Segenswunsch
Kleine Urkundenkunde
I. BASICS
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION
III. IDEALTYPISCHER AUFBAU
IV. LITERATUR
IV. LITERATUR
• Harry Breslau, Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland
und Italien, 2 Bde, 1912-1915 ( ND Berlin 1969)
• Wilhelm Erben, Die Kaiser-und Königsurkunden des
Mittelalters in Deutschland, Frankreich und Italien ( Handbuch
der mittleren und neueren Geschichte 4,1) München-Berlin
1907( ND 1971)
• Georges Tessiers, Diplomatique royale française, Paris 1962
Kleine Urkundenkunde
I. BASICS
II. ÜBERLIEF
ERUNG
UNDEDITION
III. IDEALTYPISCHER AUFBAU
IV. LITERATUR
IV. LITERATUR
• Zugang zu Urkunden im WWW: IBM-Pilot-Projekt (1994): Archivo General de Indias,
Sevilla
– Digitalisierung (50.000 Urkunden, Kopiar- und Registereinträge)– Standleitung zwischen dem Archiv in Spanien und der Huntington Library in Pasadena (Kalifornien)
VW-Projekt (1999): Stadtarchiv–„Digitales Archiv“ mit 78.000 digitalisierten Urkunden und Amtsbüchern ab 1266– Datenbanksystem KLEIO (MPG Göttingen)
Duderstadt
- Ende -
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unserer Beispielseite.
Hier haben wir eine Urkunde nach allen Regeln der Kunst analysiert! Aber es lohnt sich, sich auch die anderen Seiten noch anzusehen.
Viel Spass!
Urkunde Heinrich II