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Klettern - Eine Sozial-/Erlebnispädagogische
Intervention in der Kinder- und Jugendarbeit
Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades
Mag.a (FH) für sozialwissenschaftliche Berufe
Eingereicht von:
Birgit Egger
Personenkennzeichen: 0610164037
Fachhochschule Kärnten
Studiengang Soziale Arbeit
Feldkirchen, April 2010
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre hiermit eidesstattlich, dass die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und
ohne fremde Hilfe von meiner Person verfasst wurde. Andere als die angegebenen
Quellen und Hilfsmittel wurden nicht verwendet, die wörtlich oder inhaltlich
entnommenen Stellen der verwendeten Quellen wurden als solche kenntlich gemacht.
Zudem ist diese Diplomarbeit bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen
Prüfungskommission vorgelegt und auch nicht veröffentlicht worden. Außerdem erkläre
ich, dass die Arbeit mit der vom Begutachter beurteilten Arbeit übereinstimmt und dass
Belegexemplar der von mir erstellten Diplomarbeit in den Bestand der Fachhochschul-
bibliothek aufgenommen und benutzbar gemacht wird (= Veröffentlichung gem. § 8
UrhG).
Feldkirchen, April 2010 _______________________
Birgit Egger
Meiner Mutter Martina Egger-Grass
in Liebe und Dankbarkeit gewidmet.
Dankbarkeit vor allem für die Sicherheit
und den Halt den du mir in meinem
Leben gegeben hast.
Vorwort
Vor ungefähr drei Jahren habe ich zu klettern begonnen, nicht ahnend, was es für mein
Leben bedeuten würde. Aus der Interessensgemeinschaft rund um das Klettern haben
sich viele neue Freundschaften entwickelt, neue Grenzen und Ziele wurden für mich
aufgezeigt und erreicht und ein vollkommen neuer Bezug zur Natur und meinem
Heimat-Bundesland ist entstanden. Grundsätzlich waren diese und andere positive
Erlebnisse durch den Sport die Motivationsgrundlage, zu erarbeiten, ob dies auch auf
professioneller Ebene gültig gemacht werden kann.
Gemeinsam mit dem Alpenverein Feldkirchen bekam ich dann im Spätherbst 2009
auch die Chance, ein Projekt zu leiten, bei dem wir Kindern und Jugendlichen aus
einer Wohngemeinschaft in Waiern spielerisch das Klettern (Bouldern) näher brachten.
Die Idee dieser Diplomarbeit hatte ich zwar schon vorher, jedoch kam der fehlende Mut
zu diesem neuartigen und „eigenen“ Thema durch das Projekt und die damit
verbundenen neuen Erfahrungen.
In diesem Sinne möchte ich dem Alpenverein Feldkirchen für die Chance danken, mein
Diplomarbeitsthema und mein eigenes Handeln während des Projekts auszutesten und
für die begleitende Unterstützung.
Herzlicher Dank gilt auch meinem Betreuer Dr. Hubert Höllmüller für die gute Unter-
stützung und Geduld, die er mir bei meinen Fragen entgegengebracht hat. Bei meinem
Freund und Kletterpartner Georg Pichler möchte ich mich bedanken, da er mir in
Bezug auf die sportlichen Aspekte der Diplomarbeit fachlich half und sich mit den
sozialwissenschaftlichen Aspekten kritisch auseinandersetzte. Außerdem möchte ich
ihm auf diesen Wege für die schönen und spannenden gemeinsamen Kletterstunden
danken und hoffe, dass es noch viele mehr werden.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch allen Freunden danken, die mit Fotographien,
Büchern usw. bei der Erstellung dieser Arbeit halfen.
Für die inhaltliche Korrektur meiner Arbeit möchte ich meiner älteren Schwester Anna
und ihrem Partner Michael Pilz und meiner Freundin Marietta Weißofner danken.
Besonderer Dank gilt meinen beiden Eltern, Martina Egger-Grass († 2008) und Kurt
Egger, die mich schulisch und privat immer hervorragend unterstützt haben, und mir
durch ihre offene, verständnis- und liebevolle Erziehung den Weg in einen sozialen
Beruf geebnet haben.
Kurzzusammenfassung
Die vorliegende Diplomarbeit behandelt den Klettersport als ganzheitliche, sportive
Methode, die sowohl die biologische, psychische und auch soziale Ebene des Men-
schen positiv beeinflussen kann und längst Einzug in die Kinder- und Jugendarbeit
diverser Vereine gefunden hat.
Durch methodische/theoretische Fundierung am Konzept der Lebensweltorientierung
und der Erlebnispädagogik als Methode der Sozialen Arbeit liegt der Fokus dieser
Arbeit auf der Einbettung des Klettersports als Intervention in die professionelle Kinder-
und Jugendarbeit der Sozialen Arbeit.
Dies resultiert aus der Bezugnahme auf die Fragestellung „Ergeben sich persönlich-
keitsbildende Vorteile durch das Klettern auf der biologischen, psychischen und
sozialen Ebene?“ mit den ganzheitlichen Aspekten des Kletterns. Resultierend daraus
werden die damit verbundenen pädagogischen und intervenierenden Dimensionen und
Wirkungen dieses Sports am Theoriemodell des Biopsychosozialen Modells be-
schrieben, um danach mit dem Konzept der Lebensweltorientierung und der Erlebnis-
pädagogik als Methode der Sozialen Arbeit mit der Leitfrage „Wirkt Klettern erlebnis-
pädagogisch und ist Klettern lebensweltorientiert?“ in Verbindung gebracht zu werden.
Schlüsselbegriffe:
Klettern, Erlebnispädagogik, Lebensweltorientierung, Intervention, Biopsychosoziales
Modell
Abstract
This diploma thesis deals with rock climbing as a holistic and sportive method, which
can advance the biologically, psychologically and social level of a human and has
already become a part of child-welfare and juvenile labour in various clubs.
The aim of this thesis is to embed the climbing-sport as an intervention in the pro-
fessional child-welfare and youth work of social work through a meth-
odological/theoretical background on two methods of social work: life-world orientation
and adventure education.
This results primarily from the question “Is climbing offering personality forming
aspects advantages on the biological, psychological and social level of a human?”
which describes the holistic of rock climbing. Additionally this work focuses on the
connected aspects and effects of pedagogic and intervention on the biopsychosocial
model. On top of that the consequential results become merged with the concept of
life-world orientation and adventure education based on the central question “Can
climbing cause experiential learning and is climbing “lifeworld-oriented”?”.
Keywords:
rockclimbing, adventure education, life-world orientation, intervention, biopsychosocial
model
Inhaltsverzeichnis
VORWORT .............................................................................................. 5
INHALTSVERZEICHNIS .......................................................................... 8
1 EINLEITUNG ....................................................................................... 12
2 KLETTERN: EINE EINFÜHRUNG ........................................................ 14
2.1 GESCHICHTE ...................................................................................... 14
2.2 DISZIPLINEN INNERHALB DES KLETTERSPORTS .............................................. 16
2.2.1 SPORTKLETTERN .............................................................................................. 17
2.2.2 BOULDERN ..................................................................................................... 17
2.2.3 DAS ALPINE SPORTKLETTERN ............................................................................. 17
2.3 SICHERUNGSTECHNIK / BEGEHUNGSARTEN ................................................... 18
2.3.1 TOPROPE ........................................................................................................ 19
2.3.2 VORSTIEG ...................................................................................................... 20
2.4 WO KANN MAN KLETTERN? ..................................................................... 20
2.4.1 KÜNSTLICHE KLETTERANLAGEN ............................................................................ 21
2.4.2 NATURFELS ..................................................................................................... 21
2.5 KLETTERN UND RECHT .......................................................................... 22
2.6 ZUSAMMENFASSUNG .............................................................................. 24
3 VORTEILE DES KLETTERNS FÜR KINDER UND JUGENDLICHE IN
HINBLICK AUF DAS BIOPSYCHOSOZIALE MODELL ......................... 26
3.1 DAS BIOPSYCHOSOZIALE MODELL ............................................................. 26
3.1.1 DIE ENTWICKLUNG DES BIOPSYCHOSOZIALEN MODELLS ............................................. 27
3.2 DAS BIOPSYCHOSOZIALE MODELL IN DER SOZIALEN ARBEIT ............................ 29
3.3 DAS KLETTERN BEZOGEN AUF DAS BIOPSYCHOSOZIALE MODELL ....................... 31
3.3.1 BIOLOGISCHE FAKTOREN / PHYSISCHE FAKTOREN .................................................... 32
3.3.2 PSYCHISCHE / EMOTIONALE FAKTOREN .................................................................. 33
3.3.3 SOZIALE FAKTOREN .......................................................................................... 38
3.4 ZUSAMMENFASSUNG .............................................................................. 40
4 LEBENSWELTORIENTIERUNG ........................................................... 42
4.1 GESCHICHTE ...................................................................................... 42
4.2 BEGRIFFE UND MERKMALE ...................................................................... 44
4.2.1 DIE LEBENSWELT .............................................................................................. 44
4.2.2 HANDLUNGSMAXIME DER LEBENSWELTORIENTIERTEN SOZIALEN AR BEIT/SOZIALPÄDAGOGIK . . 45
5 ERLEBNISPÄDAGOGIK ....................................................................... 49
5.1 GESCHICHTLICHE ENTWICKLUNG DER ERLEBNISPÄDAGOGIK ............................... 49
5.2 THEORETISCHE EINBETTUNG ................................................................... 51
5.2.1 HUMANISTISCHE PSYCHOLOGIE ............................................................................. 52
5.2.2 ERLEBNISPÄDAGOGIK THEORETISCH FUNDIERT .......................................................... 55
5.3 BEGRIFFE UND MERKMALE ...................................................................... 57
5.3.1 DAS ERLEBNIS ................................................................................................. 57
5.3.2 DER BEGRIFF „ERLEBNISPÄDAGOGIK“ .................................................................... 59
5.3.3 MERKMALE ...................................................................................................... 59
5.4 ERLEBNISPÄDAGOGISCHE LERN-/TRANSFERMODELLE ........................................ 61
5.4.1 LERN-/TRANSFERMODELLE NACH STEPHEN BACON .................................................. 62
5.4.2 LERN-/TRANSFERMODELLE NACH SIMON PRIEST ..................................................... 63
5.5 ANGESTREBTE ZIELE DER ERLEBNISPÄDAGOGIK ............................................ 66
5.6 KRITIK AN DER ERLEBNISPÄDAGOGIK ......................................................... 69
6 KLETTERN ALS INTERVENTION IN DER KINDER UND JUGEND -
ARBEIT – EINE BEGRIFFSBESCHREIBUNG ....................................... 71
6.1 INTERVENTION ..................................................................................... 71
6.2 KLETTERN ALS INTERVENTION ................................................................ 73
6.3 KINDER UND JUGENDARBEIT – EINE EINFÜHRUNG ......................................... 76
7 KLETTERN ALS SOZIAL-/ERLEBNISPÄDAGOGISCHE INTERVENTION
IN DER KINDER- UND JUGENDARBEIT ............................................. 78
7.1 KLETTERN ALS LEBENSWELTORIENTIERTE SOZIALPÄDAGOGISCHE INTERVENTION ........ 78
7.1.1 LEBENSWELTORIENTIERTE SOZIALPÄDAGOGIK/SOZIALE ARBEIT IN DER KINDER- UND
JUGENDARBEIT ................................................................................................. 79
7.1.2 KLETTERN UND DIE HANDLUNGSMAXIMEN DER LEBENSWELTORIENTIERUNG ..................... 80
7.2 KLETTERN ALS ERLEBNISPÄDAGOGISCHE INTERVENTION IN DER KINDER- UND
JUGENDARBEIT .................................................................................. 88
7.2.1 ERLEBNISPÄDAGOGIK IN DER KINDER UND JUGENDARBEIT ........................................... 88
7.2.2 KLETTERN UND DIE HANDLUNGSMAXIMEN DER ERLEBNISPÄDAGOGIK .............................. 89
7.3 KLETTERN ALS SOZIALPÄDAGOGISCHE ODER ERLEBNISPÄDAGOGISCHE INTER VENTION –
RELEVANZ FÜR DIE SOZIALE ARBEIT ........................................................ 97
8 SCHLUSSKAPITEL ........................................................................... 100
8.1 RESÜMEE DER AUTORIN UND PERSÖNLICHE ZUKUNFTSPROGNOSE ...................... 101
9 LITERATURVERZEICHNIS ................................................................ 103
10 ABBILDUNGSVERZEICHNIS .......................................................... 111
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
„Sport ist ein grundlegender Bestandteil jugendlicher Alltagskultur“ (www.webnetwork-
nordwest.de, 26.03.2010, 4). Gerade Trendsportarten werden bei Kindern und Jugend-
lichen schnell aufgenommen, darum wird versucht, diese in die alltägliche Jugendarbeit
zu integrieren. (vgl. ebd.) Klettern als grundlegende Thematik dieser Arbeit ist ein
facettenreicher Sport, indem alle physischen Funktionen des Körpers vollständig zum
Einsatz kommen: Muskuläre Kraft und Ausdauer werden trainiert und gesteigert.
Wolfgang Güllich, einen der besten deutschen Sportkletterer, meint: „Das Gehirn ist
der wichtigste Muskel beim Klettern.“ (Hepp 2004, 8). Es ist anzunehmen, dass Güllich
damit ausdrücken will, dass beim Klettern die Psyche und die damit verbundene
mentale Stärke die physischen Kräfte des Menschen erst mobilisieren können. Denn
ohne Mut, Geduld, Konzentration, etc. können Gipfel nicht bestiegen und Routen nicht
erklettert werden.
Der Mensch als soziales Wesen in der heutigen Gesellschaft besteht aus psychischen,
biologischen und sozialen Prozessen und Systemen, die miteinander verknüpft sind
und sich gegenseitig beeinflussen. (vgl. Egger 1993, 109) Die Soziale Arbeit greift in
diese genannten psychischen und sozialen Prozesse ein, indem sie versucht, den
Menschen zu einem eigenständigen und erfolgreicheren Leben zu verhelfen. Biologi-
sche Prozesse, die durch Bewegung und Sport gefördert werden können, werden
dabei oft vernachlässigt. Diesen Themen wird in der Sozialen Arbeit bzw. Sozial-
forschung eine eher randständige Bedeutung zugesprochen. Projekte und Angebote
aus dieser Richtung kommen eher aus dem „unteren Bereich“ wie zum Beispiel
Jugendsportverbänden bzw. Vereinen oder von „oben“ aus den universitären Sport-
wissenschaften bzw. aus der Sportpädagogik (vgl. www.webnetwork-nordwest.de,
26.03.2010, 4). In der Erlebnispädagogik, sowie Sportpädagogik innerhalb der
Sozialen Arbeit und der Abenteuerpädagogik und deren daraus resultierenden Pro-
jekte, ist eine Tendenz zu erkennen, die auf Bewegung und Sport mit der biologi-
schen/physischen Ebene fokussiert. Klettern könnte als körperorientierte Soziale Arbeit
dabei eine wichtige Rolle in den Sozialwissenschaften einnehmen. In der vorliegenden
Arbeit wird dieser Annahme unter verschiedenen Gesichtspunkten nachgegangen.
Um generell einen Überblick und ein Grundwissen über den Sport zu bekommen, wird
im ersten Kapitel dieser Arbeit der Sport „Klettern“ an sich ausführlich beschrieben.
Das darauffolgende Kapitel geht der Frage „Ergeben sich persönlichkeitsbildende
Vorteile durch das Klettern auf der biologischen, psychischen und sozialen Ebene?“
12
Abbildungsverzeichnis
nach. Dafür wird das Biopsychosoziale Modell beschrieben und aufgezeigt welche
Wirkungen die Aktion „Klettern“ auf das Individuum haben kann und welche Möglich-
keiten der Entwicklung und Förderung, vor allem aus pädagogischer Sicht, sich durch
das Klettern auf allen Ebenen bieten.
Im Sinne der Sozialen Arbeit ist es wichtig, Ziele und Handlungsweisen zu artikulieren,
strukturieren und anzustreben. Diese können sozialwissenschaftlich anhand von
Methoden beschrieben und begründet werden. Die vorliegende Arbeit richtet sich auf
die methodische/theoretische Fundierung des Kletterns am Konzept der lebenswelt-
orientierten Sozialen Arbeit nach Hans Thiersch und der Erlebnispädagogik, welche im
dritten Kapitel beschrieben werden.
Diese Diplomarbeit ist einerseits so konzipiert, dass das Klettern als Methode der
Erlebnispädagogik und am Konzept der Lebensweltorientierung beschrieben wird und
somit der Frage nachgegangen wird „Wirkt Klettern erlebnispädagogisch und ist
Klettern lebensweltorientiert?“. Andererseits richtet sie sich darauf, den Sport als
Intervention in die Kinder- und Jugendarbeit zu integrieren bzw. der Frage nachzuge-
hen, ob dies überhaupt möglich ist. Diese Fragestellungen werden im vorletzten Kapitel
behandelt und beantwortet, in welchem auch ein kurzer Exkurs vorgenommen wird, der
das Klettern als sozialpädagogische und erlebnispädagogische Intervention in Bezug
auf die Relevanz für die Soziale Arbeit darstellt. Das letzte Kapitel der Arbeit beinhaltet
eine kurze Zusammenfassung der Arbeit und ein Resümee der Autorin mit einer
persönlichen Zukunftsprognose.
13
Abbildungsverzeichnis
2 Klettern: Eine Einführung
2.1 Geschichte
Die Eroberungsphase in der Geschichte des Alpinismus liegt unbestritten in der
Begehung des Matterhorns 1865. Das Hauptanliegen der in der damaligen Zeit aus-
schließlich männlichen Bergsteiger lag darin, unbestiegene Gipfel zu erreichen und
diese als Erster zu bezwingen. Dieses Ziel lebt heute im Sportklettern weiter, in dem
der/die ErstbesteigerIn einer Route einen Namen geben kann. Im Unterschied zum
Alpinismus geht es beim Sportklettern aber nicht nur um ein Aneignen eines Gipfels.
Was zählt sind die Schwierigkeitsskala und die Linie der Route. Das Sportklettern als
anerkannte Disziplin hatte bis zum heutigen Zeitpunkt jedoch noch einen langen
Entwicklungsweg zu bestreiten (vgl. www.alpenverein.at, 06.04.2010, 8).
Die Wurzeln des Sportkletterns liegen nicht, wie beim Bergsteigen vermutet, im Raum
der Alpen, sondern im Elbsandsteingebirge im Südosten von Dresden in Deutschland.
Das Sportklettern war stark an den Alpinismus der damaligen Zeit gebunden, welche
sich einen Grundgedanken teilten: Das Erklimmen von Wänden, Bergen und Felsen.
Am Ende des 18. Jahrhunderts erkletterten die ersten Männer die Felstürme im
Elbsandsteingebirge. Anfangs bediente man sich noch verschiedener Hilfsmitteln, aber
bald stand die Frage des WIE einer Begehung im Vordergrund. Zusätzliche Materi-
alien, jene zur Sicherung ausgenommen, wurden vermieden und die sportliche
Reglementierung nahm zu. Nachdem Ringe in den Fels geschlagen wurden,
entstanden Schwierigkeitsskalen (I bis II), der erste Kletterschuh wurde entwickelt und
um die 20er Jahre wurden die ersten Regeln schriftlich festgehalten. Erstbegehungen
wurden von nun an sogar von einer Kommission überwacht (vgl. www.alpenverein.at,
06.04.2010, 8).
In diesen Jahren erreichte die Idee des Sportkletterns auch die Vereinigten Staaten
von Amerika, während in Deutschland bereits am siebten Schwierigkeitsgrad geklettert
wurde. In Amerika wurde der Gedanke des „Freikletterns1“ weiterentwickelt (vgl.
Hepp/Heidorn/Güllich 1992, 16 ff.). Dort beschrieb John Muir, der als Prophet für das
Klettern in unberührter Natur galt, seine Ideologie mit dem Slogan „leave nothing but
footprints“ („hinterlass nichts als Fußabdrücke“) und John Salathe, ein herausragender
Kletterer und Schmied, entwickelte die Technik für die Umsetzung dieser Idee (vgl.
1 Synonym für Sportklettern, d.h. Klettern ohne Steighilfen; Klettern aus eigener Kraft; (vgl.
Hepp/Heidorn/Güllich 1992, 164)
14
Abbildungsverzeichnis
www.alpenverein.at, 06.04.2010, 8). Während es in Deutschland noch regelkonform
war, sich an jedem Ring auszuruhen, fixierten die Amerikaner dies als Regelbruch und
sagten, eine Route sei nur vollständig geschafft, wenn die gesamte Länge ohne
Hilfsmittel und ohne Ausruhen durchgestiegen worden sei. Der Leistungsstandard
wurde ein weiteres Mal angehoben. In den 70er Jahren erlebt das Sportklettern seine
Blütezeit. Fanatische deutsche Kletterer reisten in das kalifornische Yosemite Valley
und erreichen dort den neunten Schwierigkeitsgrad. Im Westen Deutschlands wurde
das sächsische Regelwerk manifestiert und der amerikanische Grundgedanke („durch-
steigen“ ohne Rast und höhere Schwierigkeitsgrade) übernommen. Natürlich wurden in
Deutschland vorher auch schon einige Routen ohne Rast bewältigt, jedoch „nur“ im
vierten und fünften Grad. Auch außerhalb Deutschlands begann die Weiterentwicklung
der Disziplin und Reinhold Messner wies in seinem Buch „Der 7. Grad“ auf eine Sack-
gasse hin, in der sich der Sport befand. Er forderte eine Rückbesinnung auf das
Freiklettern und angstfreies Klettern mit hohem Schwierigkeitsgrad (vgl.
www.alpenverein.at, 06.04.2010, 8).
Im deutschsprachigem Raum entwickelten sich nach und nach zwei unabhängig
voneinander liegende Kletterregionen: Das Sandsteingebiet in der Pfalz, einer Region
in Südwestdeutschland, und ein Klettergebiet in der Fränkischen Schweiz. Während im
Sandsteingebiet das Durchsteigen einer Route intensiv übernommen wurde, kam in
der Fränkischen Schweiz der Kletterer Kurt Albert Mitte der 70er Jahre auf die Idee,
jede Route die er durchgestiegen hatte, mit einem roten Punkt zu markieren. Die
„Rotpunktbegehung“ war geboren, was so viel bedeutete wie das sturzfreie Durch-
steigen einer Route. Ende der 70er Jahre wurden in Deutschland wie in den Ver-
einigten Staaten Schwierigkeitsskalen oberhalb des sechsten Grad eröffnet. Von 1987
bis 1991 wurde daran gefeilt den der elften Grad zu erreichen, was schlussendlich
auch geschafft wurde.
In den frühen Siebzigern tragen junge Sportkletterer schließlich den Gedanken des
Sportkletterns in die Alpenwände und Mehrseilrouten werden eröffnet. Das alpine
Sportklettern wurde geboren. Viele Sportkletterpioniere versuchen sich in ver-
schiedenen Weltbergen wie im Karakorum des Himalayas und an den Paine-Türmen in
Patagonien. 1985 folgt der erste internationale Wettkampf in Westeuropa und bringt
1989 den ersten Weltcup und 1991 den ersten Weltmeister im Wettkampfklettern an
der Kunstwand (vgl. Hepp/Heidorn/Güllich 1992, 16 ff.). Interessant an dieser Ent-
wicklung war, dass Klettern bisher als alternative Sportart galt. Es ging um die Aus-
einandersetzung mit dem Fels und dabei an seine persönlichen Grenzen zu gelangen.
15
Abbildungsverzeichnis
Freude an der Bewegung, das Naturerlebnis und das Abenteuer spielten ebenfalls eine
essentielle Rolle, genauso wie der Gedanke des Wettbewerbs: sich mit anderen zu
messen in Leistung und Zeit. Zudem waren die ersten Wettkämpfe mit der Erwartung
verknüpft, dass Klettern als olympische Disziplin anerkannt werden könnte, welche
aber bis heute nicht erfüllt wurde. Nachdem Klettern von politischen Stellen als Sport
anerkannt wurde, konnte sich eine Organisationsstruktur entwickeln, die zu einem
Ausbildungssystem, Kaderbildung und gezielter Nachwuchsarbeit führte. Durch den
entwickelten Breitensport wurden künstliche Kletterwände errichtet, die den Sport im
Schulbereich integrierte und neuen Bevölkerungsschichten den Zugang ermöglichte.
Sportklettern galt in den letzten Jahrzehnten als Trendsport. Auf den ersten Blick ist
dies anzunehmen, da immer mehr Menschen diesem Sport beiwohnen, das Alter
immer weiter nach unten geht und der Sport zunehmend im schulischen Bereich
Eingang gefunden hat. Die Kontinuität des Klettersports, seine hundertjährige Tradition
und seine Entwicklung sprechen aber klar gegen eine Zuteilung zu den Trendsport-
arten (vgl. www.alpenverein.at, 06.04.2010, 9).
2.2 Disziplinen innerhalb des Klettersports
Ähnlich wie bei anderen Sportarten gibt es auch beim Klettern verschiedene Diszip-
linen. Generell wird sich die Autorin in der vorliegenden Diplomarbeit nur auf eine
Disziplin, das Sportklettern bezogen auf die Kinder- und Jugendarbeit, beschränken.
Jedoch werden auch zwei weitere Disziplinen beschrieben. Zum einen um den Unter-
schied zum Sportklettern deutlicher zu machen und zum anderen, weil diese Diszip-
linen grundsätzlich ähnliche Auswirkungen auf die Persönlichkeit haben und fast ident
durchgeführt werden können. Würden alle Ausarbeitungen in den folgenden Kapiteln
auf alle Disziplinen bezogen werden, würde dies den Rahmen der Diplomarbeit
sprengen.
Gleich bleibt bei allen Formen der Grundgedanke des freien Kletterns, was bedeutet,
an Höhe zu gewinnen, Passagen aus eigener Kraft zu überwinden bzw. ohne künst-
liche Hilfsmittel zu klettern. Unter künstlichen Hilfsmitteln werden Geräte angesehen,
welche dabei helfen sich hochzuziehen, zum Beispiel Extra-Seile oder Leitern.
Sicherungsseile, Karabiner und Haken dienen ausschließlich der Sicherheit und
werden nicht als Hilfsmittel verstanden (vgl. Güllich/Kubin 1986, 9).
16
Abbildungsverzeichnis
2.2.1 Sportklettern
Sportklettern bezeichnet die Begehung einer Kletterroute ohne Hilfsmittel. Hierbei
werden nur die natürlichen Möglichkeiten genutzt, die der nackte Fels bietet (In der
Halle sind dies gekennzeichnete Griffe und Tritte). Künstliche Haltepunkte wie Haken,
Keile oder Schlingen sind ausschließlich als Sicherung zu nützen. Beim Sportklettern
geht es hauptsächlich um die Schwierigkeit einer Kletterpassage und die Konzentration
darauf, diese durchzusteigen. Risiken wie brüchiger Fels und erschwerte Rückzugs-
möglichkeiten an der Wand werden beim Sportklettern durch kontrollierte Kletter-
gärten/Kletterhallen vermieden oder beinah ausgeschlossen. Die meisten Sportkletter-
gebiete sind außerdem gut zu erreichen und öffentlich zugänglich (vgl. Brandauer
1994, 9ff.).
2.2.2 Bouldern
Der Begriff Bouldern stammt vom amerikanischen Wort „boulder“ was so viel bedeutet
wie Felsblock. Unter dieser Disziplin versteht man das Klettern in Absprunghöhe ohne
Seilsicherung. Diese Form ist äußerst beliebt, da der Erwerb professioneller Aus-
rüstung nicht notwendig ist. Benötigt werden nur Kletterschuhe und Magnesium, um
einen besseren Halt am Fels zu haben. Bouldern eignet sich unter anderem auch
hervorragend zum Trainieren, da die niedrige Höhe eine bessere gegenseitige Unter-
stützung durch TrainingspartnerInnen ermöglicht. Diese Kletterform wird oft als Einstieg
in den Sport praktiziert, da sich ein Gefühl für die Bewegung einstellen kann. Die
körperlichen Anforderungen bei dieser Form sind dennoch sehr hoch, da schwierige
Passagen auf eine kurze Route komprimiert sind (vgl. Hepp/Güllich/Heidorn 1992, 30).
Diese Form des Kletterns kann in freier Natur praktiziert werden, wird aber Großteils in
eigene, dafür vorgesehene Hallen verlagert.
2.2.3 Das Alpine Sportklettern
Unter Alpinem Sportklettern wird das Klettern im alpinen Gelände über mehrere
Seillängen (zwischen 30-35 m) verstanden. Ziel ist in den meisten Fällen die Bestei-
gung einer Gipfelwand oder des Gipfels selbst. Diese Form des Kletterns verlangt
zuverlässige Fähigkeiten im Klettern, mentale Stärke, gute Ausdauer und Regenerati-
onsfähigkeit. Notwendige Voraussetzungen sind außerdem viel Erfahrung, spezielle
17
Abbildungsverzeichnis
Ausrüstung und Kenntnisse der alpinen Gefahren (vgl. Hepp/Güllich/Heidorn 1992, 31).
Im Gegensatz zum Sportklettern können (nach den Regeln) beim Alpinen Klettern
künstlich angebrachte Haken und Schlingen als Haltepunkte verwendet werden (vgl.
Brandauer 1994, 10). Speziell bei dieser Form wird das Klettern mit dem Naturerlebnis
in Verbindung gebracht, da sich die meisten alpinen Routen in hohen Gebirgslagen
befinden und oft einen ein- bis zweistündigen Anstieg oder eine Wanderung bis zum
Routenbeginn erfordern.
2.3 Sicherungstechnik / Begehungsarten
Beim Klettern gibt es verschiedene Begehungsstile und in Folge dessen verschiedene
Möglichkeiten der Sicherung. Für die Arbeit mit Kindern und Jugendliche ist besonders
das Toprope Klettern attraktiv, eine sichere und einfache Art des Sicherns, welche am
wenigsten Vorkenntnisse benötigt. Diese
Begehungsart und Sicherungstechnik wird im
folgenden Kapitel genauer beschrieben.
18
Abbildungsverzeichnis
2.3.1 Toprope
Beim so genannten Toprope Klettern werden die KletterInnen vom Boden aus von
ihren PartnerInnen gesichert. Das Sicherungsseil wird am Ende der Route in einem
Haken (Fixpunkt) umgelenkt. Im Durchschnitt sind Toprope Routen zwischen 5 und 30
Meter lang (vgl. Klein/Schunk 2005, 47). In künstlichen Kletteranlagen gibt es immer
vorbereitete Toprope Routen, welche einen wesentlichen Vorteil für die Arbeit mit
Kindern und Jugendlichen gegenüber den natürlichen
Kletteranlagen darstellen, da in diesen die Toprope
Routen meistens erst eingehängt werden
müssen. Toprope Routen können von den
TeilnehmerInnen direkt angegangen werden, und
jeder/jede KletterIn wählt die individuell passende Route,
während die betreuende Person die ganze Gruppe im
Auge behalten kann. (vgl. Feduik 2008, 224) Vorteil
gegenüber dem „Vorstieg“, welcher nachfolgend
beschrieben wird, ist beim Toprope Klettern, dass mit
relativ wenig Material (man benötigt keine Express-
Schlingen) geklettert werden kann. Außerdem können die
Ausdauer, die taktischen Ruhepausen und die mentale
Stärke besser geschult werden, da bei korrektem
Sicherungsverhalten eine ständige Seilspannung besteht
und somit Stürze unproblematisch sind und ein „Ins-Seil-
setzen2“ zu jeder Zeit möglich ist. Im Training können
schwierige Passagen und verschiedene Lösungen leicht
ausprobiert werden.
Für Kinder und Jugendliche ist diese Begehungs- bzw.
Sicherungsart aus vier Gründen einfach anzuwenden: Sie
stellt vor allem für AnfängerInnen keine große Schwierig-
keit dar, ist für Fortgeschrittene gut, um an ihrer Leis-
tungsgrenze zu üben, bietet für Könner ein stressfreie
Klettervariante und ist mit bestimmten Sicherungsmateri-
alien nahezu ungefährlich (vgl. Winter 2000, 76).
2 Ins-Seil-setzen: sich in den Klettergurt setzen; in der Wand rasten; (vgl. Winter 2000, 76)
19
Abbildung 1: Toprope Sichern (vgl. Winter
2000, 77)
Abbildung 2: Vorstieg Sichern
am Naturfelsen (Foto Georg
Pichler)
Abbildungsverzeichnis
2.3.2 Vorstieg
Beim „Vorstieg“ gibt es keine Seilsicherung von oben. Die KletterInnen starten vom
Boden aus, ohne das Seil vorher in eine Umlenkung3 einzuhängen. Damit sie nicht auf
den Boden stürzen können, hängen sie in unregelmäßigen Abständen
Expressschlingen4 in die Zwischensicherungen (Bohrhaken) und danach das Seil in
eine Expressschlinge ein. Somit können die PartnerInnen vom Boden aus sichern. Je
nach Dichte der Zwischensicherungen kann die Sturzhöhe verringert werden. (Je
weiter die Sicherungen zusammen sind, desto niedriger ist die Sturzhöhe) Stürzt
der/die KletterIn zwischen zwei Sicherungshaken, fällt er/sie solange, bis das Seil sich
spannt und ihn/sie auffängt. Am Ende der Route wird das Seil in einem Fixpunkt
umgelenkt und die KletterInnen werden von den PartnerInnen abgelassen (vgl. Winter
2000, 84 und Klein/Schunk 2005, 47).
Das Vorstiegklettern erfordert hohe Kenntnisse im Bereich der Sicherungstechnik und
eine hohe Anforderung an die KletterInnen und die sichernde Person. Da ein Sturz
einige Meter tief sein kann, erfordert diese Form des Kletterns große mentale Stärke
und Konzentration. Im Unterschied zum Toprope Klettern werden die eigenen mentalen
Grenzen beim Vorstiegklettern stärker gespürt.
2.4 Wo kann man klettern?
In Bezug auf die Diplomarbeit und das Klettern als Sport für Kinder und Jugendliche
muss noch geklärt werden, wo geklettert werden kann und unter welchen Vorausset-
zungen.
Grundsätzlich gibt es in Österreich künstliche Kletteranlagen und Klettergärten am
Naturfels. Alleine beim österreichischen Alpenverein sind insgesamt 115 künstliche
Kletteranlagen (Kletterhallen, -zentren, und -türme, Boulderhallen) in Österreich
registriert, welche sich auf das ganze Land, bis auf das Burgenland, aufteilen (vgl.
www.alpenverein.at, 26.03.2010). Natürliche Kletteranlagen sind grundsätzlich schwie-
rig zu zählen, da ständig neue gebaut oder saniert werden. Im folgenden Teil der Arbeit
wird der Unterschied zwischen künstlichen und natürlichen Kletteranlagen beschrie-
ben.
3 Haken, meist am Ende einer Route, bei dem das Seil durchgeführt wird und an dem man sich wieder
abseilt4 Eine vernähte Schlinge mit zwei Karabinern auf beiden Seiten (vgl. Winter 2000, 68).
20
Abbildungsverzeichnis
2.4.1 Künstliche Kletteranlagen
Private AnbieterInnen, verschiedene Alpenvereinssektionen, Eventfirmen oder Schulen
besitzen Freiluft- oder Hallenanlagen die es ermöglichen, den verschiedenen Kletter-
formen nachzugehen. Ein großer Vorteil dieser künstlichen Anlagen liegt in der ein-
fachen Organisation (vgl. Klein/Schunk 2005, 20 ff.). In den meisten Fällen entfällt eine
lange Anfahrt, Ausrüstung kann in den Hallen gemietet werden und in vielen Hallen
finden regelmäßig Trainingsangebote statt. Künstliche Kletteranlagen besitzen außer-
dem einen hohen Sicherheitsstandard und bieten vielfältige Variationsmöglichkeiten
hinsichtlich Kletterform und Schwierigkeitsgrad.
Unter den verschiedenen Angeboten muss zwischen zwei Typen unterschiedenen
werden: Boulderanlagen und Topropeanlagen (vgl. ebd.). Boulderanlagen sind mit
Matten ausgelegt, um das Risiko von Verletzungen bei Absprüngen zu vermeiden. Im
Gegensatz zum Bouldern am Naturfels gibt es in der Halle festgelegte markierte
Routen, die am Fels in den meisten Fällen erst „definiert“5 werden müssen.
Topropeanlagen sind Kletterwände mit Tritthöhen über zwei Meter, die ein Klettern mit
Seilsicherung erfordern. Hierbei wird ein Seil am Ende der Route (Fixpunkt) eingehängt
und vom Boden aus gesichert (vgl. Klein/Schunk 2005, 20 ff.). Dies kann durch die
PartnerInnen oder einem/r Angestellten der Halle erfolgen. Vorteil beim Topropesichern
ist ein minimaler Höhenverlust bei einem Sturz, da der/die Sichernde durch ständiges
Nachziehen des Seiles immer für Seilspannung sorgt. Somit entsteht ein sicheres
Gefühl beim Klettern.
2.4.2 Naturfels
Alle Vorteile der künstlichen Kletteranlagen
übertrifft noch der große Vorteil des Naturer-
lebnisses am Naturfels. Verschiedene Ge-
steinsarten, Flora und Fauna kommen dem
Klettererlebnis als Erfahrungsmöglichkeit hinzu
(vgl. Winter 2000, 121). In Österreich gibt es,
wie bereits erwähnt, viele Klettergebiete mit
unterschiedlichen Größen, Schwierigkeitsgra-
den und Anforderungen. In der Regel weisen
5 Definieren – Bestimmen/Erfinden einer Route
21
Abbildung 3: Alpines Klettern am
Naturfelsen (Foto Hannes Thurner)
Abbildungsverzeichnis
diese neben sicheren Zufahrten oder Zustiegen eine zuverlässige Felsqualität und be-
tonierte bzw. geklebte Sicherungsringe auf. Die meisten sind öffentlich zugänglich und
werden regelmäßig von den zuständigen Vereinen oder Personengruppen gewartet.
Populäre Klettergebiete werden in sogenannten „Kletterführern“ beschrieben, welche
Informationen über Routen, Schwierigkeiten, Felsqualität, Hakenabstände und vieles
mehr bieten. Insofern ist von vornherein augenscheinlich, worauf man sich beim
Besuch der gewählten Kletterdestination einlässt. Natürlich ist in jedem Klettergarten
ein Restrisiko vorhanden. Objektive Gefahren wie Steinschlag oder Wetterumstürze
können beim Klettern im Freien kaum vermieden werden (vgl. ebd.). Die
Verantwortlichkeit liegt grundsätzlich beim/bei der Kletterer/in oder der Betreuungsper-
son. Im Gegensatz zu den Kletterhallen ist es unbedingt notwendig, Ausrüstung selbst
mitzubringen und sich im Vorhinein gut zu informieren (Kletterführer, Kletterlehrer, etc.).
2.5 Klettern und Recht
Klettern ist ein Risikosport. Jeder/Jede der diesem Sport nachgeht, muss sich der
Konsequenzen bewusst sein. Bei Kletterprojekten als Intervention in der Kinder- und
Jugendarbeit stellt sich die Frage, wer dieses Risiko trägt: Die KletterlehrwartInnen, die
SozialpädagogInnen bzw. SozialarbeiterInnen oder die Eltern der Kinder- und Jugend-
lichen?
Prinzipiell ist es wie bei anderen Projekten auch. In erster Linie ist für die Projekt-
leiterInnen bei Projekten mit Kindern und Jugendlichen immer die Aufsichtspflicht zu
beachten. Damit ist gemeint, dass die Kinder und Jugendlichen so zu betreuen sind,
dass sie selbst keinen Schaden erleiden und keinen Schaden an anderen Personen
oder Sachgegenständen anrichten. Grundsätzlich obliegt diese Aufsichtspflicht den
Eltern. Diese können sie aber an andere Personen (LehrerInnen, BetreuerInnen, etc.)
bzw. Institutionen weitergeben, welche sich davon überzeugen müssen, dass die
Kinder bzw. Jugendlichen reif genug für die Aktivität sind (vgl. www.kija.at, 26.03.2010).
Zu den Betreuungspflichten gehören die Anwesenheit des/der BetreuerIn für die
gesamte Dauer der Aktivität. Die Kinder und Jugendlichen müssen verständlich auf
Gefahren und falsches Verhalten hingewiesen werden, wobei die Aufsichtsperson
kontrollieren muss, dass sich die zu Betreuenden auch daran halten. Zum Schluss
muss den Eltern außerdem noch Information darüber gegeben werden, was mit den
Kindern und Jugendlichen unternommen wird. Kommt es zu einer Verletzung der
Aufsichtspflicht, kann es zu zivil- und strafrechtlichen Folgen kommen (vgl. ebd.).
22
Abbildungsverzeichnis
Grundsätzlich können Kletterprojekte rechtlich gesehen von jeder Person oder jedem
Verein organisiert und durchgeführt werden. Von großer Bedeutung ist, dass der/die
VeranstalterIn haftpflichtversichert ist und eventuelle AGBs (Allgemeine Geschäfts-
bedingungen) im Vorhinein von den TeilnehmerInnen bzw. deren Erziehungs-
berechtigten unterschreiben lässt (Haftung, Bezahlung, Angebot, etc.) (vgl.
Kölsch/Wagner 2004, 50). „Haftpflichtversicherungen decken finanzielle Forderungen
von Teilnehmern, die sich aus Schadenersatzansprüchen herleiten“ (ebd.). Da eine
Haftpflichtversicherung nur Sachschäden abdeckt, ist es außerdem empfehlenswert für
die VeranstalterInnen eine Unfallversicherung abzuschließen. Rechtlich und päda-
gogisch gesehen ist es jedoch ratsam, externe KletterexpertInnen (geprüfter Kletter-
lehrwart, BergführerInnen, JugendleiterInnen beim Alpenverein, etc.) bzw. einen
fachbezogenen Verein (Alpenverein, Naturfreunde) zum Projekt hinzuzuziehen, da
diese durch ihre Ausbildung über ausreichenden Versicherungsschutz verfügen (vgl.
Kölsch/Wagner 2004, 51). „Institutionen, Verbände oder Vereine haben Versiche-
rungspakete, allerdings sind darin […] die Versicherung der Teilnehmerinnen nicht
immer vorgesehen“ (ebd.). Dies sollte vorher mit den externen Experten besprochen
werden. Grundsätzlich ist es immer notwendig die Versicherungsfrage mit den Auftrag-
geberInnen zu klären (vgl. ebd.). Rechtlich gesehen ergibt sich trotzdem ein Vorteil,
externe ExpertenInnen heranzuziehen, da sie in erster Linie die Haftung übernehmen
können, wie im Folgenden dargestellt wird.
In einem vertraglichen Verhältnis zu einem Dritten (Buchung, bezahlte Arbeit, etc.)
haftet der/die BergführerIn bzw. der/die KletterlehrerIn bei Verletzung seiner/ihrer
Pflichten aus dem Vertrag. Ein vertragswidriges Verhalten ist somit rechtswidrig. Dabei
kommt es zu einer Beweislastumkehr. Dies bedeutet, dass die Person, welche den
Vertrag seiner/ihrer Meinung nach eingehalten hat, den Beweis dafür zu erbringen hat.
„Die übrigen Voraussetzungen für den Schadenersatz müssen vom Kläger bewiesen
werden“ (vgl. Auckenthaler/Hofer 2009, 73). Die/den BergführerInnen bzw. Kletterleh-
rerInnen treffen, wie den SozialarbeiterInnen/SozialpädagogInnen, zusätzlich zu
seinen/ihren vertragsrechtlichen Pflichten Schutz- und Sorgfaltspflichten. Ein Verein als
Veranstalter haftet einerseits für das „Fehlverhalten“ seiner FunktionärInnen, anderer-
seits für das „Fehlverhalten“ der in Vertrag genommenen TrainerInnen oder Kletter-
lehrerInnen. Besteht kein Vertragsverhältnis, muss der Verein im Rahmen der Besor-
gungsgehilfenhaftung einstehen, wenn er sich wissend untüchtig oder ungeeigneter
Personen bedient (vgl. Auckenthaler/Hofer 2009, 74f.).
23
Abbildungsverzeichnis
Der pädagogische Vorteil ergibt sich unter anderem daraus, dass den Sozialpädago-
gInnen/SozialarbeiterInnen mehr Zeit bleibt, Defizite, Probleme, Verhaltensverände-
rungen, der Teilnehmer/innen zu erkennen und darauf einzugehen, da die fach-
spezifischen Aufgaben (Knotenkunde, Sicherungstechniken, etc.) dem/der ExpertIn
zugeschrieben werden und mehr Freiraum für einen sozialarbeiterischen Blick für das
Projekt entsteht. Trotzdem bleibt die Aufsichtspflicht bei beiden Professionen.
Dieser Teil des einführenden Kapitels stellt lediglich eine kurze Einführung in die
rechtlichen Aspekte des Kletterns dar. Eine genauere Darstellung wäre nicht im Sinne
der zu behandelnden Thematik und würde in dieser Arbeit den Rahmen sprengen. Die
Autorin übernimmt für die Angaben keinerlei Haftung.
2.6 Zusammenfassung
Klettern ist für viele Menschen ein undefinierter Sport, der viele neue Begriffe und
Vokabeln mit sich bringt. Deshalb war es unumgänglich, eine weit reichende Erklärung
oder Beschreibung des Sports zu behandeln, um für die LeserInnen ein klares Bild
vom Sport zu schaffen. Denn bevor die Thematik „Klettern in der Kinder- und Jugend-
arbeit“ behandelt werden kann, muss im Vorhinein eine genaue Begriffsdefinition
stattfinden, die es den LeserInnen ermöglicht Gedankengänge, der Autorin zu folgen
und somit die Begründungen der Fragestellungen zu verstehen. Eine geschichtliche
Einführung des Kletterns wurde in dieser Arbeit gewählt, da sie einen lockeren Einstieg
in die Thematik bieten und ein neues Verständnis für die doch viel verbreitete
risikolastige Sportart geben sollte. Besonders bedeutend war es, die verschiedenen
Kletterdisziplinen aufzuzeigen, da diese Arbeit spezifisch auf das Sportklettern gerich-
tet ist und bei vielen „Laien“ keine klare Trennung der Arten (Boulder, Sportklettern,
Alpines Klettern) stattfindet. Alle Kapitel der Arbeit die auf das Klettern gerichtet sind,
sind ausschließlich auf das Sportklettern bezogen. Eine genaue Beschreibung der
örtlichen Möglichkeiten, den Sport zu vollziehen, wurden einerseits deshalb gewählt,
da sich bei der Wahl der Kletteranlagen verschiedene Chancen für den/die Sozial-
pädagogen/in bzw. SozialarbeiterIn ergeben, welcher er/sie sich im Vorhinein bewusst
sein sollte und andererseits, da die Angebote möglichst regional gestaltet werden
sollen und somit auf die geografischen Möglichkeiten bezogen ausgewählt werden
müssen. Zum Schluss des Kapitels wurden die rechtlichen Aspekte des Kletterns
behandelt, die der Autorin besonders wichtig erscheinen, da gerade Risikosportarten
24
Abbildungsverzeichnis
oft Angst vor Verletzungen und darauf folgende Haftungen mit sich bringen. Ein
zumindest einführendes Grundwissen darüber sollte somit vorhanden sein.
25
Abbildungsverzeichnis
3 Vorteile des Kletterns für Kinder und Jugendliche in Hinblick auf das Biopsychosoziale Modell
„Das ist der größte Fehler bei der Behandlung von
Krankheiten, dass es Ärzte für den Körper und
Ärzte für die Seele gibt, wo beides doch nicht
getrennt werden kann.“
(Platon)
Der deutsche Kletterer Franz Nieberl meint „Keine Partie des Körpers kann sagen, sie
werde beim Klettern niemals in Anspruch genommen“ (Klein/Schunk 2005, 11). Dieses
Zitat möchte die Autorin nicht nur auf die physischen Partien des Körpers beschränken,
sondern um psychische und soziale Faktoren erweitern.
Bezogen auf dieses Zitat und die generelle Fragestellung „Ergeben sich
persönlichkeitsbildende Vorteile durch das Klettern auf der biologischen, psychischen
und sozialen Ebene?“, wird im folgenden Kapitel einerseits auf das Biopsychosoziale
Modell eingegangen und im Folgenden die positiven Effekte des Kletterns auf die
Ebenen des genannten Modells aufgeteilt.
3.1 Das Biopsychosoziale Modell
Innerhalb der Medizin gilt das Biopsychosoziale Modell als die bedeutendste Theorie
für die Beziehung zwischen Körper und Geist. Mit ihm lassen sich die Probleme der
Psychosomatik und der Krankheitsentwicklung erklären. Krankheit ist diesbezüglich
„eine auftretende Störung auf beliebiger Ebene des Systems „Mensch“ (www.meduni-
graz.at, 26.03.2010). Das Biopsychosoziale Modell ist keine Theorie, sondern eine weit
verbreitete Grundüberzeugung in der Medizin, Gesundheitspsychologie und der
klinischen Sozialen Arbeit der Mehrdimensionalität von Krankheit und Gesundheit (vgl.
Faltmaier 2005). Der Bericht der Weltgesundheitsorganisation von 2001 zeigt For-
schungsergebnisse auf, die die Notwendigkeit ableiten, die soziale Komponente in der
medizinischen Behandlung zu verstärken und zu einer arbeitsteiligen und inter-
disziplinären Praxis in der Behandlung von Krankheiten führen soll (vgl. Pauls 2004,
20).
26
Abbildungsverzeichnis
Die Annahme, dass somatische oder psychische Krankheiten nur durch „natur-
wissenschaftlich objektivierbare Zustände biologischer Organismen“
(Knoll/Scholz/Rickmann 2005, 18) entstehen, wurde im 20. Jahrhundert abgelöst von
der Vorstellung, dass Krankheiten bzw. „psychische Probleme“ von einem Wechsel-
spiel biologischer, psychologischer und sozialer Faktoren beeinflusst und verursacht
werden (vgl. Egger 2005, 3).
3.1.1 Die Entwicklung des Biopsychosozialen Modells
Das Biopsychosoziale Modell löst vier fundamentale Theorien ab, die eine Erklärung
der Beziehung Physis und Psyche darzustellen versuchen und den Grundstein legen,
sich neu damit auseinanderzusetzen:
Der deutsche Philosoph Gottfried Willhelm Leibnitz war der Ansicht, dass Körper und
Geist zwei unabhängige, voneinander getrennte Existenzen sind, die sich in keinster
Weise gegenseitig beeinflussen. Diese Annahme konnte sich nicht halten, da es eine
offensichtliche Beeinflussbarkeit von physischen und psychischen Ereignissen gibt
(vgl. Egger 1993, 107).
Der französische Philosoph René Descartes formulierte den psychophysischen
Dualismus, welcher besagt, dass die beiden Existenzen, Körper und Geist, interaktiv
sind und sich immer gegenseitig beeinflussen. Diesbezüglich besteht ein ständiger
Austausch in wechselseitiger Beziehung (vgl. ebd. 107f.).
Thomas Hobbes vertrat im Gegensatz zu den beiden ersten Theorien die Annahme,
dass die Wirklichkeit immer eine physische ist und mentale Phänomene nicht
existieren (vgl. ebd. 108). Diese Theorie nannte er Materialismus. Das Mentale wird auf
das Physikalische reduziert und ist durch die physischen Prozesse und deren Effekte
erklärbar. Sozusagen sind alle mentalen bzw. psychischen Prozesse eines Menschen
Folge von physischen Verläufen und Interaktionen.
Die vierte fundamentale Theorie ist die Leib-Seele-Identität von Baruch Spinoza, einem
niederländischen Philosophen. Dieser behauptete, dass Prozesse, die im Gehirn eines
Menschen entstehen, Geisteszuständen gleichen (vgl. ebd.).
Erste ernstzunehmende Hinweise auf das Biopsychosoziale Modell wurden bei ENGEL
(1979) gefunden. Vorlage dazu war das biomedizinische Modell, ein Erklärungsmuster
für das Auftreten von Krankheiten, welches sich aber ausschließlich nach biologischen
Parametern richtete. In den 1970er Jahren erfuhr dieses Modell scharfe Kritik, da es
bei psychischen Störungen oder psychiatrischen Krankheiten nicht angewendet
27
Soziale Faktoren • Sozioökonomisc her
Status
• Arbe itsverhä ltnisse
• Ethnisc he Zugehörigke it
Psychische Faktoren • Verha lten • Einste llungen/ sub jektive
Krankhe itstheorien • Bewältigung
• Stress
• Sc hmerz
Biologische Faktoren • Viren
• Bakterien
• Verletzungen • Genetisc he
Dispositionen
Abbildung 4: Das Biopsychosoziale Modell. Darstellung in Anlehnung an
Engel 1977/1980 (vgl. Knoll/Scholz/Rieckmann 2005, 20)
Abbildungsverzeichnis
werden konnte, die Ganzheitlichkeit des Menschen, die Verbindung Körper und Geist,
wurde außen vor gelassen. Die gesellschaftliche Stellung oder das Lebensumfeld der
PatientInnen wurde beim biomedizinischen Modell nicht berücksichtigt. Engel
erweiterte somit das biomedizinische Modell um zusätzliche Anforderungen. Ihm war
wichtig, bei Krankheit psychische, soziale und kulturelle Faktoren mit einzubeziehen.
Seines Erachtens können somit die Lebensumstände einer Person die Krankheit
negativ aber auch positiv beeinflussen (vgl. Seidel 2007, 9-11).
Nach Ende des zweiten Weltkriegs hat Thore von Uexküll dieses umfassende
Biopsychosoziale Modell aufgenommen und theoretisch veranschaulicht. Auch er
kritisierte das biomedizinische Modell aber ebenso das psychoanalytische, bei dem
davon ausgegangen wird, dass Krankheiten nur durch die geistigen und seelischen
Prozesse eines Menschen entstehen. Dabei wurden somatische Symptome
neurotischer und psychotischer Natur mit psychischen Symptomen gleichsam auf
hirnorganische Prozesse zurückgeführt (vgl. Beise/Heime/Schwarz 2009, 342). Mit
dem Biopsychosozialen Modell wollte er eine Möglichkeit finden, eine seelenlose
Körpermedizin und körperlose Seelenmedizin um den jeweilig fehlenden Faktor zu
erweitern, (vgl. Bräutigam/Christian/Rad v. 1992, 73) um seiner Meinung nach ganz-
heitlicher zu praktizieren, unter Berücksichtigung aller möglichen Faktoren für die
Entstehung von Krankheiten.
28
Abbildungsverzeichnis
Mittlerweile ist das Biopsychosoziale Modell das bedeutendste Theoriegerüst der
heutigen Zeit innerhalb der medizinischen Wissenschaft, der Gesundheitspsychologie
und der klinischen Sozialarbeit. Es ist essentiell, um die Beziehung zwischen Leib und
Seele bzw. Physis und Psyche zu erklären, wonach der Mensch als Gerüst einer
biologischen, psychischen und sozialen Ebene beschrieben wird. Demnach fußt das
Biopsychosoziale Modell unter anderem auch auf verschiedenen Denkmustern der
allgemeinen Systemtheorie und deren Anwendung in der Biologie (vgl. ebd.).
Die menschliche Natur ist auf verschiedene Systeme aufgeteilt und jedes System weist
Qualitäten und Beziehungen zueinander auf. „Kein System ist isoliert, jedes System ist
durch die Konfiguration von Systemen, von dem es wiederum ein Teil ist, beeinlußt
[sic]“ (Egger 1993, 109). Alle Ebenen innerhalb der Systeme sind miteinander
verbunden. Kommt es in einer Ebene zu einer Veränderung, bewirkt dies auch eine
Veränderung auf einer anderen (vgl. ebd.). Kommt es, in diesem Sinne, auf der
biologischen Ebene durch Krankheit oder dem Fehlen von Gliedmaßen etc. zu einem
Wandel, kann dies die soziale oder die psychische Ebene beeinflussen. Umgekehrt
kann ein Verlust von sozialen Ressourcen wie FreundInnen oder Familienmitgliedern
unmittelbar zu psychischen Problemen oder somatischen Erkrankungen kommen.
3.2 Das Biopsychosoziale Modell in der Sozialen Arbeit
Bei der Arbeit als SozialarbeiterIn bzw. SozialpädagogIn wird grundsätzlich nach
psychischer und sozialer Zufriedenheit für den/die KlientIn gestrebt. Hierbei werden
hauptsächlich psychische und soziale Faktoren berücksichtigt. Die biologische Ebene
wird selten berücksichtigt, da sie nicht Hauptbestandteil der Arbeit des/der
SozialarbeiterIn bzw. SozialpädagogIn ist. Umgekehrt wird der Medizin die Notwendig-
keit immer bewusster, die sozialen und psychischen Komponenten in die Klärung einer
Krankheitsursache mit beizuordnen. Die Weltgesundheitsorganisation fordert somit
eine Einbeziehung der sozialen Komponente in der primären Gesundheitsversorgung
durch Fachkräfte in nicht gesundheitsspezifischen Disziplinen (vgl. Pauls 2004, 20).
Damit fühlt sich beispielsweise die Soziale Arbeit angesprochen, welche sich als
Klinische Sozialarbeit „mit psycho-sozialen Störungen und den sozialen Aspekten
psychischer und somatischer Störungen/Krankheiten und Behinderungen unter
Berücksichtigung der Lebenslage der Betroffenen befasst“ (Pauls 2004, 22).
Werden in der Medizin psychosoziale Disziplinen bei der Behandlung mit einbezogen,
und wird davon ausgegangen, dass Gesundheit oder Zufriedenheit nur entstehen
29
Abbildungsverzeichnis
kann, wenn alle Ebenen eines Menschen interaktiv und wechselwirkend
zusammenarbeiten, sollten auch in der Sozialen Arbeit biologische Faktoren
berücksichtigt werden. Methoden, die in der Sozialen Arbeit Einzug gefunden haben,
wie die Erlebnispädagogik, Freizeitpädagogik und sportpädagogische Projekte fördern
sowohl die psychischen und sozialen Ebenen des Menschen, als auch die biologische
Ebene.
In dieser Arbeit geht es nicht darum, die medizinische Determination von Krankheit
bzw. Gesundheit zu beschreiben, sondern die Idee der Zusammenhänge von
psychischen, biologischen und sozialen Ebenen des Biopsychosozialen Modell soweit
zu übernehmen, um aufzuzeigen wie eine Entstehung oder Entwicklung von
emotionalen, psychischen oder sozialen Störungen zu erklären oder nachzuvollziehen
ist. Das Theoriegerüst des Biopsychosozialen Modells wird nur soweit verändert, dass
der Term Gesundheit für emotionale, psychische, soziale und physische Zufrie-
denheit/Gesundheit und das Wort Krankheit für emotionale, psychische, soziale und
physische Unzufriedenheit/Störung verwendet wird.
Im Biopsychosozialen Modell erklärt sich Gesundheit und Krankheit wie folgt:
• Gesundheit ist die ausreichende Kompetenz eines Menschen, verschiedene
Störungen aus eigener Kraft bzw. mit eigenen Ressourcen zu bewältigen. Ge-
sundheit ist demnach die Fähigkeit, pathogene Faktoren zu kontrollieren.
• Krankheit bzw. ein „Problem“ tritt auf, wenn dem Mensch die Kompetenzen zur
Bewältigung von Störungen nicht ausreichend zur Verfügung stehen bzw. er in
seiner Funktionstüchtigkeit überfordert ist. Die Störung kann auf der bio-
logischen, psychischen oder sozialen Ebene auftreten.
(vgl. www.meduni-graz.at, 26.03.2010)
Wird der Versuch unternommen, beide Definitionen in die Sozialwissenschaft
einzubetten, kommt man zu dem Schluss, dass Menschen, welche ausreichende
Kompetenzen und Ressourcen im biologischen, sozialen und psychischen Bereich
aufweisen, mit eigener Kraft Probleme bewältigen können. Gesundheit ist demzufolge
die Fähigkeit, mit Problemen umzugehen, sie zu kontrollieren und, wenn möglich, diese
zu lösen. Fehlen einer Person die Kompetenzen auf einer Ebene, zum Beispiel
Ressourcen im sozialen Bereich wie etwa Familie, Arbeit oder Schule oder Kontakt zu
Freunden/innen bzw. Peers, kann dies zu Überforderung und somit Störungen führen.
30
Abbildungsverzeichnis
Diese Störungen müssen aber nicht zwingend auf derselben Ebene stattfinden,
sondern können Auswirkungen auf die biologische Ebene (somatische Krankheiten,
etc.) oder auf die psychische Ebene (Depression, Antriebslosigkeit, Wut, etc.) haben.
Kommt es aufgrund von fehlenden Ressourcen zu einer Störung, kann dies
häufig zu Verhaltensänderungen führen. Die Personen versuchen Sozusagen durch
deviantes Verhalten, Gewalt oder Suchtproblematiken die Lücken der fehlenden
Ressourcen zu füllen um, unbewusst Störungen zu vermeiden. Dies kann zur Folge
haben, dass Menschen ihre sozialen Kontakte verlieren, ausgeschlossen werden oder
sogar vollständig exkludiert werden. Somit verlieren die Personen in der Folge auch
bestehende Ressourcen auf der sozialen Ebene und ein Kreislauf entsteht.
Gesundheit und Störungen erscheinen diesbezüglich nicht als anhaltender Zustand
sondern als dynamisches Geschehen. Gesundheit ist also ebenfalls kein dauerhafter
Zustand und muss zu jedem Zeitpunkt im Leben neu geschaffen werden (vgl.
www.meduni-graz.at, 26.03.2010).
Durch Stärken der einzelnen Ebenen bzw. Erweitern der charakteristischen Res-
sourcen kann der Zustand Gesundheit immer wieder neu erarbeitet werden.
3.3 Das Klettern bezogen auf das Biopsychosoziale Modell
Sport und Bewegung, wenn sie entsprechend pädagogisch gestaltet werden und in
einen pädagogischen Rahmen eingebettet werden, können außer der physischen
Förderung psychische und soziale Unterstützungsleistungen bringen. Bezogen auf die
Soziale Arbeit birgt dies ein enormes professionelles Potential (www.webnetwork-
nordwest.de, 26.03.2010, 4).
Dieser Teil der Diplomarbeit widmet sich der Fragestellung „Welche persönlich-
keitsbildenden Vorteile bezogen auf das Biopsychosoziales Modell ergeben sich durch
das Klettern?“. Beim Klettern als sozialpädagogische Intervention mit KlientInnen
entstehen Effekte und Faktoren, die förderlich für das gesamte System Mensch sind.
Mit Hilfe des Biopsychosozialen Modells und dessen unterschiedlichen divergenten
Ebenen (biologisch, psychisch und sozial) werden positive Aspekte des Kletterns
formuliert. Dabei wird gut sichtbar, dass sich das Klettern als hervorragende
Möglichkeit anbietet, um alle Systeme des Menschen anzuregen.
31
Abbildungsverzeichnis
3.3.1 Biologische Faktoren / Physische Faktoren
Respektive der motorischen Elementen, welche sich aus dem Klettersport ergeben,
sind die taktilen und kinästhetischen Erfahrungen hervorzuheben (vgl. Klein/Schunk
2005, 11). Die taktilen Erfahrungen werden über den Tastsinn gewonnen. Durch
Ergreifen der Griffe und Stehen auf Tritten wirken Berührungsreize auf die Kinder und
Jugendliche, welche durch festes Halten, Weitersteigen oder Rasten reagieren. Die
kinästhetischen Erfahrungen, bei denen man „die Lage und die Bewegungsrichtung
von Körperteilen zueinander und in bezug [sic] zur Umwelt unbewußt [sic] [...]“ (Meyers
großes Taschenlexikon 1983, 329) kontrolliert
und steuert, führen dazu, die eigene Bewe-
gungsfolge mit allen vier Extremitäten zu
spüren und schulen den Gleichgewichtssinn.
Beim Klettern kann gelernt werden, Arme und
Beine mit Händen und Füßen in eine Position
zu bringen, so dass ein festes und sicheres
Stehen in der Wand möglich ist und der/die
KletterIn im besten Falle noch „weitergreifen“
bzw. weitersteigen kann. Diese Zusammenar-
beit der Extremitäten sollte insofern bestens
ausgeprägt sein, dass auch in schrägem
Gelände (Überhängen6) geklettert werden
kann, obwohl dies gegen das physikalische
Gesetz der Gravitation wirkt. „Hierfür ist ein Hineinhorchen und Fühlen der inneren
Prozesse erforderlich. Durch diese intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen
Körper, kann ein neues bzw. verändertes Körperbild aufgebaut und Defizite
kompensiert werden“ (www.fh-frankfurt.de, 29.03.2010).
Ein kletterspezifisches Körpergefühl bzw. die Positionierung des Körpers entwickelt
sich in Folge noch weiter, wenn die Ästhetik und die Leistung in den Sport Einzug
halten. Beim Versuch, sich möglichst elegant an der Kletterwand zu bewegen be-
kommen Kinder und Jugendliche ein gutes Gefühl, ihren eigenen Körper zu bewegen
und beginnen diese Bewegungen zu reflektieren und zu wiederholen. Die Leistung
findet Ausdruck, wenn das Bestreben entsteht, verschiedene Kletterstellen zu über-
winden, höhere Schwierigkeitsgrade zu klettern oder sein eigenes Können
6 Gelände beim Klettern über 90°
32
Abbildung 5: Gleichmäßige Reizausübung auf
Hände und Füße (vgl. Winter 2000, 53)
Abbildungsverzeichnis
auszuwerten, zu messen und anzuerkennen. Diesbezüglich besteht ein Nahverhältnis
zwischen dem eigenen Selbstbild und der persönlichen Leistungssteigerung (vgl.
Winter 2000, 22). Um die eigene Leistung zu steigern, ist es zwingend notwendig, zu
wissen, wo sich der individuelle Leistungsstand befindet und wo das eigene Können
und die eigenen Grenzen liegen.
Im Gegensatz zu anderen Sportarten, welche durch vorgegebene Bewegungsmuster
eingegrenzt sind, steht beim Klettern die offene Bewegungssituation im Vordergrund.
Der/die KletterIn steht immer vor der Bewegungsaufgabe, eine Bewegungslösung zu
finden. Dies geschieht unter Berücksichtigung seiner/ihrer eigenen physischen und
psychischen Kräften, seinen/ihren koordinativen und konditionellen Möglichkeiten und
der objektiven Sicherungsmöglichkeiten (vgl. Klein/Schunk 2005, 11). Kinder stehen
vor der Aufgabe, das eigene Können und die eigenen Grenzen zu reflektieren und zu
lernen, sich selbst einzuschätzen.
Vorgegebene Bewegungen können zwar nachgeahmt werden, wenn man jemanden
beim Durchsteigen einer Route beobachtet, jedoch sind die eigenen Kräfte und die
persönlichen Möglichkeiten immer unterschiedlich zu denen der anderen und somit
müssen meist eigene Bewegungslösungen gefunden werden, um eine Route zu
bewältigen.
In Hinsicht auf den sportlichen Aspekt entsteht beim Klettern, im Gegensatz zu
anderen Sportarten, ein relativ schnelles Erfolgsgefühl, weil es leichte Routen gibt und
der/die Sichernde durch Nachziehen des Seils helfen kann, eine hohe Spannung im
Seil entstehen zu lassen und der kletternden Person Eigengewicht zu „nehmen“.
Dadurch können bereits die ersten Versuch zum Erfolg führen.
3.3.2 Psychische / Emotionale Faktoren
Wie bereits oben erwähnt, bietet das Klettern emotionale bzw. psychische Elemente,
die Kindern und Jugendlichen in ihrer Entwicklung helfen können. Diese Bestandteile
des Kletterns können bei guter pädagogischer Leitung positive Aspekte für das
alltägliche Leben bringen und dort angewendet werden.
33
Abbildungsverzeichnis
Grenzerfahrungen
„Entwicklung braucht das Überwinden der Verharrungstendenz. Es braucht die Grenz-
sprengung, weil nur so die Handlungsspielräume und die eigenen Persönlichkeits-
dimensionen erfahrbar werden“ (Warwitz, 2001).
Eine Überwindung dieser Grenzen kann dazu führen, neue Handlungsmöglichkeiten zu
erfahren und diese zu benutzen. Eine Auseinandersetzung mit diesen neuen
Möglichkeiten kann hilfreich sein, die eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Um Grenzen
zu überwinden, muss zuerst eine Auseinandersetzung mit den eigenen psychischen
und physischen Grenzen stattfinden. Ein Bewusstsein über die eigenen Grenzen ist
von Vorteil, um diese überschreiten zu können. Beim Klettern spielt die Erfahrung mit
verschiedenen Grenzen (psychisch und physisch) eine zentrale Rolle. Hierbei ist
entscheidend, dass diese Grenzen relativ sind und vom Individuum immer selbst
gesetzt werden können (vgl. Brandauer 1994, 20).
Mit dem Wählen des Schwierigkeitsgrades oder der Sicherungstechnik bzw. der
Begehungsart (siehe Kapitel 2.3) können individuelle Grenzen gesetzt werden und an
die momentane Verfassung angepasst werden, ohne sich ein Erfolgserlebnis zu
nehmen. Am besten sollten keine schweren Routen gewählt werden, wenn die
emotionale oder physische Belastbarkeit nicht vorhanden ist, ansonsten könnte das
Erfolgserlebnis ausbleiben. Das positive Gefühl des Erfolgs wird ausgeprägter sein,
wenn die Grenzen hoch angesetzt werden und die Route bestiegen wird.
Kinder und Jugendliche sollen bei der Routenwahl unterstützt werden, um negative
Stimmungen zu vermeiden, falls zu schwere Routen gewählt werden und diese nicht
zu schaffen sind. Essentiell ist jedoch, nur einen Routenvorschlag zu machen, um den
Kindern und Jugendlichen nicht die Freiheit zu nehmen, eigenständig zu entscheiden.
Konzentration und Flow-Erlebnis
CSIKSZENTMIHALYI (1996 in: Brandauer 1994, 20) beschreibt das „Flow-Erlebnis“ als
das im eigenen Handeln vollkommene Aufgehen und das intensive Erleben einer
Situation, in der das individuelle Bewusstsein und das Handeln fusionieren.
Klettern erfordert zwingend eine erhöhte Konzentration und erfüllt somit die
Vorrausetzungen für ein Flow-Erlebnis in idealer Weise (vgl. Brandauer 1994, 20).
Geplante und reflektierte Bewegungen an der Wand lassen Bewusstsein und Handeln
miteinander verschmelzen. Konzentration beim Klettern ist im Weiteren auch noch
34
Abbildungsverzeichnis
essentiell, da sich dadurch kaum Angstgefühle einstellen. Von der anderen Seite
betrachtet heißt das, wenn ein ängstliches Gefühl besteht, wird sich die Konzentration
nicht auf die Route richten (vgl. Hepp/Heidorn/Güllich 1992, 144).
Bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sollen diese regelmäßig daran erinnert
werden, sich auf die aktuelle Kletterbewegung zu konzentrieren und Gedanken an
andere Dinge oder an einen möglichen Sturz zu vermeiden. In weiterer Folge kann es
durch das Klettern gelingen, Probleme oder Gedanken aus dem alltäglichen Leben für
eine kurze Zeit zu vergessen und zu lernen, auf den eigenen Körper und die eigene
Psyche zu hören.
Angstüberwindung
Angst ist ein Warnsignal, welches auf eine gefährliche Situation hinweist und das
Individuum bemerken lässt, dass eine Situation für die eigene Gesundheit (physisch
und psychisch) riskant werden könnte (vgl. Hepp/Heidorn/Güllich 1992, 142). „Angst ist
eine zukunftsorientierte Emotion, gekennzeichnet durch Befürchtungen und das
Gefühl, zukünftige, möglicherweise bedrohliche
Situationen nicht kontrollieren zu können“
(Essau 2005, 17). Angst kann essentiell sinnvoll
sein, aber auch pathologisch werden. „Die
normale Angst ist ein Alarmzeichen für den
Organismus, das ihn in die Lage versetzt, einer
tatsächlichen oder vermuteten Bedrohung
gegenüberzutreten und sie zu bewältigen bzw.
zu beseitigen“ (ebd.). Viele Situationen im
Leben von Kindern und Jugendlichen lösen ein
solches Gefühl aus: Die Angst vor Neuem
(Schule, Berufsausbildung, etc.), neuen Per-
sonen, neuen Erfahrungen oder unbekannten
Entwicklungen. Diese Angst kann oft hemmend
wirken und Menschen davon abhalten, diesem
Neuen bzw. Unbekannten gegenüberzutreten.
Lernt die Person mit dieser umzugehen, kann die Angst neue Möglichkeiten und Wege
eröffnen, da sie fordert Situationen zu kontrollieren und befähigt diesen „Bedrohungen“
gegenüberzutreten (vgl. ebd.).
35
Abbildung 6: Höhenüberwindung als
Angstüberwindung (Foto Birgit Egger)
Abbildungsverzeichnis
Ein/Eine KletterIn muss ein gewisses Maß an Mut aufbringen, um eine Wand hoch zu
klettern. Schritt für Schritt kann an Höhe gewonnen werden und man wird mit neuen
Strukturen an der Wand und Ungewissheit konfrontiert. Dafür sind Flexibilität und
Angstüberwindung wichtig (vgl. Brück/Boecker 2004, 116). Beim Klettern kann das
Risiko zu stürzen nie völlig ausgeschaltet werden, welches aber ein hohes Maß an
Kalkulierbarkeit darstellt, da der Sturz beim Sportklettern und Bouldern keine Lebens-
gefahr darstellt (vgl. Brandauer 1994, 19).
Hinsichtlich des Kletterns kann angenommen werden, dass nach wiederholten Stürzen
ein Umgang mit Angst erlernt werden kann, da ein Vertrauen zum Seil und dem
Sichernden entsteht. Entwickelt sich beim Klettern eine ausgeprägte Angstbewältigung
und mentale Stärke, eröffnen sich neue Klettermöglichkeiten und verschiedene Routen
oder neue Techniken können erlernt werden. „Trotz objektiver Sicherheit kann die
subjektive Begegnung mit Angstgefühlen und persönlichen Grenzen für tief greifende
Erfahrungen bei den einzelnen Teilnehmern und der Gruppe sorgen, was zu einer
gesteigerten oder veränderten Eigenwahrnehmung und Selbsterfahrung anregen und
zu bewussten Erfahrungen bisher verdrängter oder unbewusster Seiten der Persön-
lichkeit führen kann“ (Brück/Boecker 117).
Wird der neu erlernte Umgang mit Angst bzw. Angstüberwindung mit Kindern und
Jugendlichen gut reflektiert, kann eine Übertragung des Erlernten ins alltägliche Leben
erfolgen, und die AdressatInnen lernen, das scheinbar gefahrvolle und bedrohliche
Situationen nicht immer sein müssen, wie sie erscheinen.
Selbständiges Handeln
Grundsätzlich erkennen ForscherInnen Kinder heute als aktiv und kompetent an, was
ihre Entwicklung betrifft. Diese sind fähig, sich eigenständig zu entwickeln und trauma-
tischen Problemen und Krisen widerstandsfähig zu begegnen, ohne dabei langfristig
darunter zu leiden. Trotzdem ist eine fördernde Umgebung, die vor allem den Kindern
den Freiraum lässt, sich zu Entwickeln, von Nöten, um diese bei der selbstständigen
Entwicklung zu unterstützen. Dieses rechte Maß an Selbstständigkeitsgewährung,
Selbstständgkeitszumutung und Selbstbeschränkung muss von den Erziehenden
gefunden werden, was wahrlich nicht einfach ist, um letztendlich förderlich zu sein.
(vgl. Göppl 2007, 113ff.) Vielen Kindern und in späterer Folge Jugendlichen kommt
diese Förderung nicht zu Teil und sie haben folglich Probleme, eigenständig zu ent-
scheiden und zu handeln.
36
Abbildungsverzeichnis
Klettern fordert von seinen TeilnehmerInnen Eigeninitiative und Eigenständigkeit. Der
Sport beinhaltet Prozesse mit offenen Bewegungsabläufen und permanent neue
Gestaltungsräume, die keine vereinheitlichten Bewegungsmuster festschreiben.
KletterInnen müssen situativ entscheiden und die Kletterbewegung individuell an den
Gestaltungsraum anpassen. Sie müssen für sich eine bestmögliche Lösung finden.
Somit wird die Eigeninitiative und Eigenständigkeit in den Vordergrund jeder Bewegung
gestellt (vgl. www.fh-frankfurt.de, 60ff. 29.03.2010) und gefördert.
Leistungsbereitschaft
Beim Klettern erfordert die Bewältigung von Routen psychische und physische
Höchstleistungen. Hierbei geht es einerseits um die eigene Auseinandersetzung mit
dem Fels bzw. der Route und andererseits auch um den Leistungsvergleich mit
anderen SportlerInnen, (vgl. Brandauer 1994, 19) denn Leistung bedeutet in einer
Dimension der Selbstwahrnehmung, sich zu messen, auszuwerten und die eigene
Leistungsgrenze und die der anderen zu erfahren, sie zu akzeptieren und zu
respektieren. „Diesbezüglich steht die Kletterleistung in engem Zusammenhang mit
dem Selbstbild der persönlichen Leistungsfähigkeit, welches das Selbstwertgefühl und
die Stellung in der Gemeinschaft in Abhängigkeit vom persönlichen Können definiert“
(Winter 2000, 22). Dies bedeutet, dass eine Person sich über sein/ihr Können bzw.
seine/ihre Leistungen definiert. („Ich bin, was ich kann“). Dies wird dann in die Gemein-
schaft eingebracht und das Individuum findet somit seinen/ihren Platz. Viele Kinder und
Jugendliche benötigen den Wettkampf, denn sie finden ihre eigenen Leistungsgrenzen
heraus, indem sie diese mit anderen messen. Bei verschiedenen Spielen oder Wett-
bewerben können diese Grenzen ausgetestet werden. Andere wiederum erfahren ihre
Selbstwahrnehmung über die individuellen Erfahrungen, ohne sich mit anderen zu
messen. Gerade in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sollte reflektiert gearbeitet
werden, um das Selbstwertgefühl der KlientInnen nicht zu verschlechtern („Ich bin
nichts, weil ich nichts kann“.) (vgl. Winter 2000, 22).
Diesbezüglich sollte die erbrachte Leistung bei den meisten Kindern und Jugendlichen
mit der zeitlichen Komponente verglichen werden. Etwa so; „Was habe ich letztes Mal
geschafft, was schaffe ich heute“. Hierbei sollte jeder kleinste Fortschritt aufgezeigt
werden. (Ein Griff mehr, ein Tritt mehr, eine gute, ästhetische Bewegung, etc.) Die
eigenen Grenzen sollen ausgetestet und Ziele gesetzt werden, welche durch
37
Abbildungsverzeichnis
wiederholtes Üben erreicht werden können. Werden diese Ziele selbst gesetzt, ist die
eigene Leistung einfacher zu erkennen.
Gegensätze
Beim Klettern lernen KletterInnen sich mit Gegensätzen in Situationen auseinanderzu-
setzen (vgl. stud.paedak-krems.ac.at, 26.03.2010, 3). Klettern als Erleben von Gegen-
sätzen ist geprägt durch Anstrengung und Erholung, Misserfolg und Erfolg, Angst und
Freude, leichten und schweren Passagen, Vertrauen erleben und Vertrauen schenken,
flachem und steilem Gelände, etc. (vgl. Klein/Schunk 2005, 17). Diese Gegensätze
müssen akzeptiert und angenommen werden um die eigene Position darin zu finden.
Die Gegensätze dürfen nicht als ausschließlich negativ oder positiv bewertet werden.
Kinder und Jugendliche lernen beim Klettern den Dualismus zu erkennen, dass die
eine Seite ohne die andere nicht funktionieren bzw. existieren kann. Man kann beim
Klettern keine Freude erleben, wenn nicht zwischenzeitlich ein klein wenig Angst
vorhanden ist, die man akzeptiert und überwindet.
3.3.3 Soziale Faktoren
Neben den psychischen und biologischen Aspekten des Kletterns, welche eben
beschrieben wurden, nehmen die sozialen Faktoren eine wichtige Rolle bei den
positiven Aspekten des Kletterns ein. Diese werden in folgendem Teil dieser
Diplomarbeit exemplarisch am Gemeinschaftserleben und der wichtigen Thematik des
Vertrauens beschrieben.
a. Gemeinschaftserleben
Der sportliche Akt Klettern stellt grundsätzlich eine individuelle Tätigkeit dar. Bei der
Betätigung sind die KletterInnen generell auf sich alleine gestellt und müssen selbst
entscheiden, wie am bestmöglichsten gehandelt werden soll. (vgl. Brandauer 1994 19).
Im Gegensatz dazu ist man beim Klettern im Gesamten in einer Seilschaft7 nie auf sich
allein gestellt. Die Sichernden stehen den Kletternden in vielerlei Hinsicht als Unter-
stützung zur Seite. In erster Linie sichern sie die Kletternden und sorgen für ihren
Schutz. Außerdem geben sie den Kletternden Rat und Hilfe bei komplexen Kletter-
stellen, wenn diese nicht mehr weiter wissen. Vom Boden aus werden oft andere
7 Zwei Leute, ein Kletterer und ein Sicherer, bilden eine Seilschaft
38
Abbildungsverzeichnis
Lösungswege gesehen, als wenn man sich direkt in der Wand befindet. Durch An-
feuern oder Motivieren stehen die Sichernden den Kletternden auch als moralische
Unterstützung zur Seite. Häufig wird erst durch die Zusammenarbeit der Einzelnen der
Erfolg an der Kletterwand möglich (vgl. Winter 2000, 24).
Klettern als Sport wird von Außenstehenden oft als riskant und „als abstrus“ betrachtet.
Die KletterInnen erzeugen in der Folge häufig Verständnislosigkeit. In der Gruppe
(„Szene“) wird das Individuum verstanden und motiviert (vgl. Brandauer 1994, 19).
Innerhalb dieser „Szenen“ bildet sich häufig ein eigener Kletter-Jargon, der das
Zusammengehörigkeitsgefühl der Gruppe verstärkt. Kinder und Jugendliche können
sich dieser Gruppe zugehörig fühlen und wichtige soziale Spielregeln bzw. Verhalten-
sweisen für den Umgang mit Kameraden lernen. (Verantwortung übernehmen und
übergeben, verantwortungsbewusster Umgang mit dem Material, freundlicher Umgang
mit Kameraden, gegenseitiges Motivieren, Zusammenarbeit bei Planung oder
Problemlösungen, etc.)
Im Gegensatz zu anderen Sportarten entstehen beim Klettern häufige Ruhephasen,
die interpersonelle Kommunikation fördern können.
Ein weiterer zentraler Punkt beim Gemeinschaftserleben ist das Abenteuer bzw. die
Grenzerfahrung. Situationen, die Menschen an ihre Grenzen bringen und die quasi zu
zweit durchgestanden werden, fördern eine feste Bindung. Beim Klettern entstehen
häufig solche Situationen, etwa bei einem Sturz oder einem „gefährlichen“ Zug8.
Werden solche Situationen in der Seilschaft gemeistert, entspringt solchen Situationen
meist ein starkes Gefühl der Zusammengehörigkeit.
Bei Gruppen mit Kindern und Jugendlichen kann das Gemeinschaftsgefühl mit koope-
rativen Kletterspielen zusätzlich gefördert werden. Kletterprobleme sollten immer
gemeinsam gelöst und Ausflüge oder Kletterprojekte wenn möglich gemeinsam geplant
werden. Ergibt sich die Möglichkeit, so können Kinder und Jugendliche im Team
Routen an künstlichen Kletterwänden bauen9 und bewältigen.
Verantwortung geben und annehmen
Während des Kletterns ist in erster Linie jede Person für sich selbst verantwortlich.
Sollte es zu einem Sturz kommen, ist die Abschiebung dieser Verantwortung unmög-
lich.8 Einen Zug machen – sich an einem Griff hinaufziehen; das eigene Körpergewicht über den Griff
bringen9 Eine Route bauen – eine Route entwickeln und Griffe und Tritte an die Wand schrauben
39
Abbildungsverzeichnis
Ein großer Teil der Verantwortung liegt jedoch auch, im wahrsten Sinne des Wortes, „in
den Händen der Sichernden“. Wie bereits erwähnt wurde, sind diese verantwortlich für
die Gesundheit der Kletternden und wirken nebenbei als Unterstützung und Motivation.
Beim gegenseitigen Sichern lernen Kletternde, sich auf ihre PartnerInnen zu verlassen
und im Gegenzug dazu Verantwortung für andere zu tragen (vgl. Winter 2000, 24).
In dieser Hinsicht wird beim Klettern Verantwortung übernommen und Verantwortung
übergeben. Übernommen wird diese über die körperliche Unversehrtheit des/der
PartnerIn durch konsequentes und konzentriertes Sichern und langsames und kontrol-
liertes Ablassen. Bevor der/die PartnerIn losklettert, wird außerdem immer ein Partner-
check10 gemacht, bei dem die Knoten und das Sicherungsgerät kontrolliert werden.
Übernommen wird außerdem die Verantwortung für sich selbst durch konzentriertes
Klettern, ausreichende Vorbereitung und entsprechendes adäquates Einschätzen der
eigenen Fähigkeiten bezüglich der Schwierigkeitsgrade der Route. Bei der Übergabe
der Verantwortung vertraut man den Fähigkeiten der Sichernden (vgl. Winter 2000,
24f.). Bei dieser Übergabe werden die eigenen Fähigkeiten trainiert, Menschen einzu-
schätzen und den sichernden Personen zu vertrauen. Ohne dieses Vertrauen kann es
zu keinem „guten Gefühl“ beim Klettern kommen, denn es könnten sich Angstgefühle
oder Emotionen des Unwohlseins einstellen. Wie kann auch angstfrei geklettert, wenn
man seinem/seiner PartnerIn oder dem eigenen Können nicht vertraut?
3.4 Zusammenfassung
Folgt man der Annahme des Biopsychosozialen Modells und geht davon aus, dass das
menschliche Verhalten durch divergente Faktoren beeinflusst wird, die Beziehungen
zueinander haben, welche in Wechselwirkung treten und miteinander verbunden sind,
und setzt diese in Verbindung mit den verschiedenen positiven Aspekten des Kletterns,
welche im vorigen Kapitel beschrieben wurden, kann die Fragestellung, ob durch das
Klettern persönlichkeitsbildende Vorteile auf der biologischen, psychischen und
sozialen Ebene entstehen, subsumierend als positiv bewertet werden. Folglich können
diese positiven Aspekte auf das Individuum zurückgeführt werden, was bedeutet, dass
sie somit eine pädagogische, präventive bzw. intervenierende Möglichkeit für die
Soziale Arbeit bringen.
10 Am Beginn jeder Route kontrollieren sich der Kletterer und der Sicherer gegenseitig; Gurt, Knoten,
Karabiner, Sicherungsmaterial;
40
Abbildungsverzeichnis
Weitere bedeutende positive Gesichtspunkte beim Klettern wie „das Selbstver-
trauen/Selbstbewusstsein/Selbstwertgefühl“ wurden nicht speziell angeführt, da sich
diese Punkte aus der Summe der angeführten Aspekte ergeben. Beispielhaft erklärt
bedeutet dies, wenn die kletternde Person zuerst auf sich alleine gestellt ist, Verant-
wortung für ihr Handeln übernimmt, Grenzerfahrungen macht und ihre Angst überwin-
det, tritt ein individuelles Erfolgserlebnis ein. In nächster Folge öffnet sie sich der
Gruppe bzw. dem/der SicherungspartnerIn und wird im besten Fall angenommen.
Der/die Kletterer/in kann somit an Selbstsicherheit und folglich an Selbstwertgefühl
wachsen (vgl. www.fh-frankfurt.de, 29.03.2010).
Inwieweit die biologischen, psychischen und sozialen Effekte des Kletterns
sozialarbeiterisch genützt werden können, wird in den folgenden Kapiteln erarbeitet.
Hierfür kommt es zu einer methodischen/theoretischen Einbettung des Sports in das
Konzept bzw. der Methode der lebensweltorientierten Sozialen Arbeit nach Hans
Thiersch und der Erlebnispädagogik als Methode der Sozialen Arbeit. Vorher wird die
Lebensweltorientierung und die Erlebnispädagogik ausführlich beschrieben und das
Klettern als Intervention dargelegt.
41
Abbildungsverzeichnis
4 Lebensweltorientierung
„Eine Krise kann jeder Idiot haben. Was uns zu
schaffen macht, ist der Alltag.“
(Anton Pawlowitsch Tschechow)
4.1 Geschichte
Das Konzept bzw. die Methode, wie sie oft in verschiedener Literatur bezeichnet wird,
der lebensweltorientierten Sozialen Arbeit beschäftigt sich mit dem Alltag und der
Lebenswelt der AdressatInnen. „Lebensweltorientierte Soziale Arbeit ist nur im Kontext
ihrer theoretischen Annahmen und Konzepte zu verstehen“ (Grunwald/Thiersch 2004,
17). Damit ist gemeint, dass die lebensweltorientierte Soziale Arbeit sich mit Fragen
des Alltagslebens ihrer AdressatInnen beschäftigt und die darauf bezogenen
Hilfeleistungen, was oft dazu führt, dieses Konzept in ihrer Komplexität abzuwerten, da
eine Alltagsbeschreibung ohnehin im „gesunden Menschenverstand“ vorhanden ist.
Sozusagen sei alltagsorientiertes sozialpädagogisches Handeln bezogen auf die
Alltagserfahrungen das, was einem in der Situation einfällt. Um die lebensweltorien-
tierte Soziale Arbeit als Arbeitsansatz, Methode bzw. Konzept zu etablieren, greift sie
auf verschiedene Wissenschaftskonzepte zurück, aus welchen sich die Kriterien zur
Unterscheidung von Alltagserfahrungen und gelungener Sozialen Arbeit ergeben (vgl.
ebd. 17).
Zum einen orientiert sich die lebensweltorientierte Soziale Arbeit an der hermeneu-
tisch-pragmatischen Pädagogik, bei der die Frage nach dem Alltag und der jeweils
individuellen Welt der Menschen bestimmend ist. Sie ist interessiert an der alltäglichen
Praxis des Verstehens und dem Handeln, das daraus entsteht. Die hermeneutisch-
pragmatische Pädagogik rekonstruiert dieses Praxis- und Alltagswissen und entwickelt
daraus die Methode „des höheren Verstehens“, das eine Entlastung des Handlungs-
drucks ermöglichen soll. Dies bringt eine kritische Distanz zur „laienhaften“
Alltagspraxis, ohne dabei die Perspektive des Alltags und das darin liegende Handeln
abzuwerten (vgl. Grunwald/Thiersch 2004, 17).
Zum Zweiten ist Lebensweltorientierung geprägt durch das phänomologisch-interaktio-
nistische Paradigma das beschreibt, dass die Lebenswirklichkeit der Menschen und
42
Abbildungsverzeichnis
deren Handlungsmuster unter dem Gesichtspunkt der Alltäglichkeit rekonstruiert
werden. Dies bedeutet unter anderem, dass der Alltag die ausgezeichnete Wirklichkeit
der Menschen ist. „Die alltägliche Lebenswelt ist strukturiert durch die erlebte Zeit, den
erlebten Raum und die erlebten sozialen Bezüge; in ihr wird pragmatisch Relevantes
von Nicht-Relevantem unterschieden; Interpretationen und Handlungen gerinnen zu
Alltagswissen und Routinen“ (Grunwald/Thiersch 2004, 18). Der Mensch sieht die
Rekonstruktion seiner alltäglichen Lebenswelt in den alltäglichen Verhältnissen, die er
auch aktiv mitgestalten kann.
Das dritte Wissenschaftskonzept, an dem sich die lebensweltorientierte Soziale Arbeit
orientiert, ist die kritische Variante der Alltagstheorie bei der „die Doppelbödigkeit von
Gegebenem und Aufgegebenem, von Realität und Möglichkeit in den Vordergrund“
(ebd.) rückt. Alltag kennzeichnet sich durch Routinen, die eine entlastende Funktion
haben können. Dies bringt Sicherheiten und Produktivität für die Menschen in ihrem
Handeln mit sich. Andererseits können Routinen auch eine gewisse Enge und Unbe-
weglichkeit erzeugen, die den Menschen in seinen individuellen Wünsche und Grund-
bedürfnisse einschränken können. Die Intention der kritischen Alltagstheorie liegt darin,
einerseits die Ressourcen zu sehen, die Enge einzuschränken und zu destruieren und
andererseits verborgene Möglichkeiten aufzuzeigen und eine Möglichkeit eines
gelingenderen Alltags hervorzurufen (vgl. ebd.).
Zum Vierten bezieht sich das Konzept der Lebensweltorientierung auf die Analyse
gesellschaftlicher Strukturen. Diese meint, dass Wirklichkeit immer durch die gesell-
schaftlichen Strukturen und Ressourcen bestimmt ist. Die Lebenswelt ist somit eine
Schnittstelle zwischen dem Objektiven und dem Subjektivem. Grunwald und Thiersch
(2004) beschreiben dies auf einer fiktiven Bühne, auf der jeder Mensch eine Rolle hat
in der er mit anderen Figuren (Menschen) nach bühnenspezifischen Regeln
miteinander agiert. Das Konzept der Lebensweltorientierung stützt sich auf die Veran-
schaulichung der gesellschaftlich-sozialen Ressourcen (finanzielle, materielle, ideolo-
gische und soziale Ressourcen) der Lebenswelt und auf die Untersuchung zur Be-
stimmung von gesellschaftlichen und sozialen Lebensmustern, wie zum Beispiel die
Geschlechterrollen, diverse kulturelle Unterschiede, etc.
Zusammenfassend kann die lebensweltorientierte Soziale Arbeit als theoretisches
Konzept der Sozialen Arbeit verstanden werden, „das seinen Ausgang nimmt in der
Verbindung der Traditionen der hermeneutisch-pragmatischen Erziehungswissenschaft
mit dem interaktionistischen Paradigma, reformuliert im Kontext der kritischen Alltags-
43
Abbildungsverzeichnis
theorie und bezogen auf die Gesellschaftsanalyse zu Ungleichheiten und Offenheiten
in der reflexiven Moderne“ (ebd. 19).
4.2 Begriffe und Merkmale
4.2.1 Die Lebenswelt
Die Rekonstruktion der Lebenswelt lässt sich wieder in vier verschiedenen Aspekten
darstellen:
(1) Der Mensch wird grundsätzlich nicht als abstraktes Individuum verstanden, son-
dern als Person, die eingebettet ist in ihre Erfahrungen einer Wirklichkeit in der
sie sich befindet. Die Ressourcen (materiell und symbolisch) sind gegliedert in
die zeitlichen, räumlichen und sozialen Erfahrungen (vgl. Schütz 1974 in:
Grunwald/Thiersch 2004, 20). „Menschen werden gesehen in der pragma-
tischen Anstrengung, die Vielfältigkeit der in der Lebenswelt ineinander ver-
quickten Aufgaben zu bewältigen; Routinen […] entlasten, bestimmen aber in
der Selbstverständlichkeit ihrer Pragmatik auch, was gleichsam unhinterfragt
selbstverständlich ist oder als verhandlungsfähig/bedürftig gilt“
(Grundwald/Thiersch 2004, 20). Schwierigkeiten ergeben sich darin, sich jen-
seits von den gesellschaftlichen Prinzipien zu arrangieren und sich trotzdem zu
behaupten. Defizitäres Verhalten erscheint in diesem Konzept immer als Er-
gebnis einer Anstrengung am Rande der gesellschaftlichen Prinzipien zu
agieren, das aber für das Individuum in seiner Wirklichkeit in Ordnung ist (vgl.
Grundwald/Thiersch 2004, 20).
(2) Die Lebenswelt ist immer gegliedert in unterschiedliche Lebensräume oder Le-
bensfelder und deren Funktionen. Damit sind Familie, Arbeit, Peer-Groups etc.
gemeint. Indem Menschen mit verschiedenen Lebensfeldern der verschiedenen
Personen konfrontiert werden, steigern und ergänzen sich diese Lebenswelten
gegenseitig. Andererseits können sie sich auch blockieren. Das Konzept der
Lebenswelt beschäftigt sich damit, die lebensweltlichen Verhältnisse in den
verschiedenen Lebenswelten der Menschen, deren Spannungen und Konflikte
mit den zugehörigen Bewältigungsaufgaben zu vermitteln und neu erworbene
lebensweltliche Ressourcen aufzuzeigen (vgl. Grunwald/Thiersch 2004, 20f.).
44
Abbildungsverzeichnis
(3) Der dritte Zugang zum Konzept der Lebenswelt ist normativ-kritisch. Dies
bedeutet, dass Ressourcen, Handlungsmuster und Deutungen im Alltag der
Menschen immer als widersprüchlich erfahren werden, da sie einerseits Ent-
lastung schaffen durch soziale Sicherheit, Phantasie und Kreativität, anderer-
seits engen sie ein, grenzen aus und blockieren. (vgl. Grunwald/Thiersch 2004,
21).
(4) Zum Vierten ist das Konzept der Lebenswelt ein historisch und sozial konkretes
Konzept. Lebenswelt befindet sich in einem Doppelspiel zwischen gesellschaft-
lichen Hintergrund und lebensweltlichen Vordergrund. Die allgemeinen Muster
der Lebensbewältigung sind geformt und bestimmt durch die heutigen Gesell-
schaftsstrukturen, betreffend soziale Ungleichheiten und Offenheiten (vgl.
Grundwald/Thiersch 2004, 22). Als historisch und sozial konkretes Konzept
verfolgt die Lebensweltorientierung die Brüchigkeit der eigensinnigen Lebens-
gestaltung der Menschen, ihrer sozialen Bezüge und gesellschaftlichen Ver-
bindlichkeiten (vgl. ebd.).
4.2.2 Handlungsmaxime der lebensweltorientierten Sozialen Ar-beit/Sozialpädagogik
Die lebensweltorientierte Soziale Arbeit ist in fünf Strukturmaximen bzw.
Handlungsmaximen organisiert. Die Bezeichnung variiert in verschiedenen
Publikationen, in dieser Arbeit wird von Handlungsmaximen gesprochen. Die Präven-
tion, Regionalisierung und die Alltagsnähe deuten dabei als Bezugspunkte auf die
lebensweltliche Erfahrung, wobei die Integration und Partizipation auf kritische und
sozialethische Dimensionen im Zeichen sozialer Gerechtigkeit verweisen. Im Folgen-
den möchte die Autorin die einzelnen Handlungsmaximen genauer erklären.
(1) Prävention zielt auf die Stabilisierung von belastbaren und unterstützenden
Infrastrukturen bei einem Menschen. Durch die Ausbildung allgemeiner Kom-
petenzen zur Lebensbewältigung versucht Prävention nicht erst zu helfen,
wenn sich Probleme und Schwierigkeiten im Leben eines Menschen verhärten,
sondern rechtzeitig einzugreifen wenn zu erwarten ist, dass Überforderung und
Belastung sich zu Krisen auswachsen (vgl. Grunwald/Thiersch 2004, 26-28).
45
Abbildungsverzeichnis
Im achten deutschen Jugendbericht von 1990 (Schilling/Zeller 2007, 169) setzte
sich eine präventive Orientierung durch. Primäre Prävention versteht sich, dafür
zu sorgen, dass Kinder und Jugendliche in lebenswerten und stabilen Verhält-
nissen leben, die nicht zu Konflikten oder Krisen führen. Sekundäre Prävention
wird als vorbeugende Hilfe in Situationen beschrieben, „die erfahrungsgemäß
belastend sind und sich zu Krisen auswachsen können“ (vgl. www.aba-
fachverband.org, 16.03.2010). Hilfe in akuten Situationen, im Sinne der Prä-
vention, ist im Aufgabenspektrum der Jugendhilfe anzusiedeln, und bezogen
auf die gesamte Soziale Arbeit und deren Handlungsfeldern nicht als
unwichtiger hinzunehmen (vgl. Schilling/Zeller 2007, 169). Prävention verführt
häufig dazu, immer vom schlimmsten Fall auszugehen, dass heißt nur durch
Kontrolle zu helfen. Prävention soll aber keinesfalls zu einem Instrument der
frühzeitigen Kontrolle werden.
(2) Alltagsnähe ist zunächst die präsente Hilfe in der Lebenswelt von KlientInnen.
Damit ist in der Sozialen Arbeit/Sozialpädagogik auch gemeint, Angebote so
niederschwellig und erreichbar als möglich für ihre AdressatInnen zu gestalten.
Im Weiteren meint Alltagsnähe eine ganzheitliche Hilfe, die den Lebenserfah-
rungen und Lebensdeutungen der individuellen Lebenswelt gerecht wird (vgl.
Grunwald/Thiersch 2004, 26-28). Ausgehend von der tendenziellen Distanzie-
rung vom Alltag in der institutionalisierten Sozialen Arbeit, versucht eine le-
bensweltorientierte Jugendhilfe organisatorische, institutionelle und temporäre
Zugangsbarrieren abzubauen, um im Erfahrungsraum der Jugendlichen
unmittelbar anwesend zu sein (vgl. www.aba-fachverband.org, 16.03.2010).
Wie bereits Anfang des Kapitels beschrieben worden ist, wird Alltagsorientie-
rung häufig mit unprofessionellem Handeln verwechselt. Dem soll auch durch
das Konzept der Lebensweltorientierung entgegen gewirkt werden.
(3) Dezentralisierung/Regionalisierung meint wie in der Alltagsnähe die Präsenz
der Hilfen soweit in die Lebenswelten der KlientInnen zu integrieren, damit
diese an die regionalen/lokalen Strukturen der Menschen angepasst werden
können (vgl. Grunwald/Thiersch 2004, 26-28). Das zentrale Ziel hierbei ist, An-
gebote und Organisationsstrukturen so zu verlagern, damit die
Zugangsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche erleichtert werden. Zentrale
Voraussetzung hierfür ist eine gute regionale Erreichbarkeit und
46
Abbildungsverzeichnis
niederschwellige Angebote (vgl. Bassarak 2006, 216). Im Weiteren ist eine
„Verlagerung von Zuständigkeiten an die Basis und die daraus resultierende
Planung und Kooperation der beteiligten Personen“ (Schilling/Zeller 2007, 170)
notwendig. Dies bedeutet, dass es zu einer Übertragung beruflicher Handlungs-
und Entscheidungsmöglichkeiten von den jeweiligen Führungskräften und
deren Ebene auf die Ebene der Beratungs- und Arbeitsebene in der Sozialen
Arbeit kommt. Somit erlangen Fachkräfte in Einrichtungen eine freie Entschei-
dungskompetenz, tragen aber im Gegenzug mehr Macht und Verantwortung für
ihr eigenes Handeln (vgl. Bassarak 2006, 216). Gerade für die Arbeit als So-
zialarbeiterIn/SozialpädagogIn ist es bedeutsam, eigenständig arbeiten zu
können, da in professionellen Situationen meist akuter Handlungsbedarf be-
steht, und oft keine Zeit besteht, höhere Instanzen in den Führungsebenen zu
kontaktieren.
(4) Integration zielt, einfach formuliert, auf eine Nicht-Ausgrenzung und eine Grund-
gleichheit der Ansprüche für jeden. Thiersch möchte in seinem Ansatz das
sozialpädagogische Konzept der lebensweltorientierten Sozialen Ar-
beit/Sozialpädagogik so gestalten, dass das Leistungsangebot für Menschen
ohne bestimmte Problemlagen gilt, also präventiv, aber auch für Menschen die
diverse Problemstellungen aufweisen bzw. sich in belastenden
Lebensumständen befinden (vgl. Schilling/Zeller 2007, 1970). Integration ist
aber keinesfalls mit einer Anpassung an die gesellschaftlichen Normal-
vorstellungen zu verwechseln um etwa soziale Hintergründe zu verdrängen. Die
Lebenswelten bzw. das Verhalten der AdressatInnen soll dabei nicht verändert
werden, um sich an die Gesellschaft gänzlich anzupassen (vgl.
Grunwald/Thiersch 2004, 27).
(5) Partizipation realisiert sich in Mitbestimmung und Beteiligung seitens der
AdressatInnen. „Wenn lebensweltorientierte Jugendhilfe darauf hinzielt, dass
Menschen sich als Subjekte ihres eigenen Lebens erfahren, ist Partizipation
eines ihrer konstitutiven Momente“ (www.aba-fachverband.org, 16.03.2010).
Dafür müssen Voraussetzungen im Setting geschaffen werden, die eine Par-
tizipation der AdressatInnen ermöglichen. Die Partizipation muss aber un-
bedingt auch als Teilhabe der Sozialen Arbeit an den anderen Bezugs-
47
Abbildungsverzeichnis
disziplinen und institutionalisierte Zusammenschlüsse gelten (vgl.
Grunwald/Thiersch 2004, 26-28).
Diese Handlungsmaximen sollten als zentrale Orientierung und Versuch zur
Strukturierung des Konzepts der lebensweltorientierten Sozialen
Arbeit/Sozialpädagogik gesehen werden, die bestehend sind für weitere Ent-
wicklungen. Zusammenfassend kann jedoch gesagt werden, dass die
Sozialpädagogik nach Hans Thiersch bzw. die lebensweltorientierte Soziale
Arbeit/Sozialpädagogik sich an die jeweilige Lebenswelt ihrer AdressatInnen richtet.
Diese gibt Hilfe zur Bearbeitung in sozialen Krisen bzw. Konflikten. Nach den fünf
Handlungsmaximen handelt sie präventiv, dezentralisierend bzw. regionalisierend
und gilt als Normalangebot für ihre AdressatInnen. Die lebensweltorientierte
Soziale Arbeit/Sozialpädagogik arbeitet im Alltag der KlientInnen und fordert bzw.
setzt Partizipation der Individuen voraus. Thiersch beschreibt seinen Ansatz noch
als „offensive Einmischung im Sinne der Adressaten“ (vgl. Schilling/Zeller 2007,
171).
48
Abbildungsverzeichnis
5 Erlebnispädagogik
„Ich erlebe also bin ich.“
(Jean-Jacque Rousseau)
5.1 Geschichtliche Entwicklung der Erlebnispädagogik
Seit Mitte der 80er Jahr gilt die Erlebnispädagogik als handlungsorientierte Methode
der Erziehungswissenschaft und der Sozialpädagogik. Nach Auffassung von
HECKMAIR/MICHL (1994) wird als einer der „Urväter“ der Erlebnispädagogik der
Pädagoge und Philosoph Jean-Jacques Rousseau bezeichnet, der sich gegen eine
belehrende Form von Erziehung wandte. Rousseau entwickelte in seiner Auffassung
von Pädagogik ein Prinzip, das gemeinhin als „negative Erziehung“ bekannt ist. Bei
diesem Prinzip hält sich der/die ErzieherIn zurück, belehrt und bestraft nicht. Er/Sie
respektiert die Handlungen der Heranwachsenden und fördert diese, indem er/sie sie
eigene Erfahrungen machen lässt und sie ihr eigenes Urteil bilden können. Dies
passiert in abgesteckten Rahmenbedingungen (vgl. Raithel/Dollinger/Hörmann 2007,
106f.). Der/die ErzieherIn ist dazu da, pädagogische Situationen herzustellen und
aufzubauen. Die Auseinandersetzung und die darauf folgenden Handlungen des
Kindes bzw. der KlientInnen geschehen auf natürlichem Wege, ohne Eingriff seitens
der ErzieherInnen, und werden respektiert.
Rousseau geht außerdem davon aus, dass der Mensch von Natur aus gut ist. Erst
verschiedene Einflüsse, Institutionen oder die Kultur lassen ihn böse werden. Geht
man von diesem Gedanken aus und hält man sich an die „negative Erziehung“
Rousseaus, dann geht die Erziehung den Gang der Natur (vgl. Gudjons 2008, 84ff.).
Diesbezüglich ist „das unmittelbare Lernen über die Sinne und nicht belehren und
unterrichten die Lebenswelt des Kindes“ (Heckmair/Michl 1994, 8). Die Logik
Rousseaus besagt somit: „Wer handelt lernt besser und mehr, und wer gut handelt,
wird ein guter Mensch […]“ (ebd.). Mit dieser Logik legte er den Grundstein für die
heute handlungsorientierte Erlebnispädagogik.
Im Weiteren sollte der Umgang mit und in der Natur einen Bestandteil erzieherischen
Handelns darstellen (vgl. Galuske 2009, 241), denn für ihn bietet sie Raum um Fähig-
49
Abbildungsverzeichnis
keiten und Kräfte zu entwickeln. Der Mensch als Erzieher lehrt uns den Gebrauch
dieser Fähigkeiten (vgl. Raithel/Dollinger/Hörmann 2007, 106f.).
Die „Natur und der Mensch“ als Erzieher werden in der Erlebnispädagogik wieder-
gefunden. Die Gegebenheiten bzw. Möglichkeiten, die die Natur bietet, ermöglichen
KlientInnen neue Fähigkeiten zu lernen und Kräfte zu entwickeln.
SozialarbeiterInnen/SozialpädagogInnen bzw. ErlebnispädagogInnen stehen als
Unterstützung zur Verfügung, um zu lehren, mit neuen Fähigkeiten umzugehen. Zuletzt
verhelfen verschiedene neue Situationen, die erlebt werden, zu neuen Erfahrungen,
aus denen KlientInnen lernen können.
Als Begründer der „modernen Erlebnispädagogik“ kann der Reformpädagoge Kurt
Hahn angesehen werden. Seiner Ansicht nach wurde die Gesellschaft gekennzeichnet
von vier Verfallserscheinungen, welche FATKE (1993) wie folgt beschreibt: „den
Mangel an menschlicher Anteilnahme; den Mangel an Sorgsamkeit; den Verfall der
körperlichen Leistungsfähigkeit und Tauglichkeit; den Mangel an Initiative und
Spontaneität“ (vgl. Fatke 1993, Ziegenspeck 1992, Heckmair/Michl 1994 in: Galuske
2009, 242).
Bezogen auf Verfallserscheinungen der Gesellschaft, entwickelte Kurt Hahn eine
Erlebnistherapie, die eine Lösung des Problems bringen sollte. Er verwendete den
Begriff „Erlebnistherapie“ da die Angebote therapeutische Wirkung auf die Heran-
wachsenden besitzen sollten (vgl. Brück/Boecker 2004, 90). Seine Erlebnistherapie
beruht auf zwei Prinzipien: Erleben ist besser als belehren und Erziehung durch
Gemeinschaft, wo ein Bezug zu Rousseau wieder hergestellt werden kann (vgl.
Sommerfeld 1993, 32 f. in: Galuske 2009, 242). Des Weiteren sollte sie den oben-
genannten Erscheinungen entgegenwirken, indem sie sich auf vier Bereiche stützt:
Jugendliche werden angehalten, sozial nützliche Dienste zu leisten die das
Individuum vor ernsthafte Aufgaben stellt. Diese Aufgaben sollten erlebnisreiche
Erfahrungen bringen (vgl. Galuske 2009, 242). Möglich werde dies in engen
Lebensgemeinschaften, in denen Nächstenliebe und Nächstenhilfe praktiziert
werden können, mit dem Ziel, dem Frieden zu dienen (vgl. Brück/Boecker 2004,
91).
Körperliches Training in Form von naturbezogenen Übungen wie Bergsteigen,
Klettern, Segeln etc. fördern die Bewegung und körperliche Tauglichkeit der
Jugendlichen (vgl. Galuske 2009, 242).
50
Abbildungsverzeichnis
Mehrtägige Expeditionen in Naturlandschaften werden selbst geplant und
realisiert (vgl. ebd.).
Planung und Umsetzung eines Projekts, bei dem es um ein zeitlich befristetes
handwerkliches und künstlerisches Vorhaben geht, mit dem Ziel, ein im
Vorhinein definiertes Produkt herzustellen (vgl. ebd.).
Nach Hahn hängt die Wirksamkeit seiner Erlebnistherapie von der Qualität des
Erlebnisses ab, also der Qualität der Aktion. Je mehr Erlebnis die TeilnehmerInnen aus
der Aktion wahrnehmen können, desto größer ist, laut Kurt Hahn, die „heilende Wir-
kung“ (vgl. ebd.).
Die moderne Erlebnispädagogik hatte 1930 mit der Dissertation von Waltraud Neubert,
einer Schülerin des Pädagogen Hermann Nohl, ihren Höhepunkt. Neubert entwarf ein
Konzept, worin ein Erlebnisunterricht in verschiedenen Fächern an der Schule ange-
wendet werden sollte. In der Zeit des Dritten Reiches wurde der ursprünglich geistes-
wissenschaftliche Gedanke der Erlebnispädagogik durch die Hitlerjugend, Bund
deutscher Mädchen und durch die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
verfälscht und Elemente der Erlebnispädagogik wurden für parteipolitische Zwecke
ausgenutzt. Nach 1945 und der Verdrängung von reformpädagogischen Ideologien
durch das Dritte Reich wurde die Erlebnispädagogik mit Vorsicht und Zurückhaltung
angewendet. Mit dem Wiederaufbau entstand ein Wettlauf der Systeme innerhalb
Europas und der Welt, bei dem die Optimierung der Lernleistung zentrales Ziel wurde.
Die Ganzheitlichkeit, in der die Erlebnispädagogik verankert ist, war nicht mehr wichtig
(vgl. Brück/Boecker 2004, 91f.). Heute kann die Erlebnispädagogik wieder einen neuen
Höhepunkt erleben, was auch an der in den letzten Jahren angestiegenen Anzahl an
Fachliteratur und Vielzahl an TrägerInnen und AnbieterInnen erlebnispädagogischer
Maßnahmen zu beobachten ist (vgl. Galuske 2009, 243). Jedoch ist sie hauptsächlich
in außerschulischen Bereichen angesiedelt und ihr wird zunehmend eine
sozialtherapeutische Rolle zugeschrieben (vgl. Brück/Boecker 2004, 91f.).
5.2 Theoretische Einbettung
Bis heute gibt es für die Erlebnispädagogik noch keine einschlägige theoretische
Fundierung. STAHLMANN (1994, 22 in: Otto/Thiersch 2005, 396) drückt dies wie folgt
aus: „Definitionsversuche und theoretische Fundierungen stecken bislang noch in den
Kinderschuhen. […] So entsteht der Eindruck, als würde der Begriff Erlebnispädagogik
51
Abbildungsverzeichnis
allzu oft als Metapher gebraucht“. SOMMERFELD (2001 in: Raithel/Dollinger/Hörmann
2007, 212) benennt für die „theoretische Fundierung“ verschiedene Stränge; zum einen
die erziehungswissenschaftliche und die sozialwissenschaftliche Herkunft und zum
anderen die Forschung. Wobei es sich bei der Forschung im engeren Sinne eigentlich
um eine wissenschaftliche Methode handelt und diese in dieser Arbeit nicht näher
erläutert wird. Die erziehungswissenschaftliche Herkunft bezieht sich hauptsächlich auf
die reformpädagogischen Klassiker mit Begriffen und deren zusammenhängende
Konzeptionen wie „(Mit-)Verantwortung, Gemeinschaft, soziales Lernen durch Handeln,
pädagogische Provinz, die bei diesen Klassikern in unterschiedlicher Gewichtung und
methodischer Umsetzung eine Rolle spielen“ (Raithel/Dollinger/Hörmann 2007, 212).
„Die hauptsächliche Form erziehungswissenschaftlicher Fundierung der
Erlebnispädagogik […] ist die begrifflich-systematische oder phänomenologische
Ausdeutung von Begriffen oder von als relevant vermuteten Strukturelementen der
erlebnispädagogischen Handlungsfelder und die argumentative Herstellung von
möglichen Zusammenhängen der Deutungen mit den verfolgten Erziehungszielen“
(Sommerfeld 2001, 397 in: Raithel/Dollinger/Hörmann 2007, 213).
Bei der sozialwissenschaftlichen Fundierung werden Theorien angegeben, wie
exemplarisch gezeigt die Sozialisationstheorie, die psychologische Tätigkeits- und
Handlungstheorie, die Theorie der Selbstwirksamkeit oder die humanistische Psycho-
logie. Grundsätzlich ist der zentrale Begriff das Handeln „als aktive Auseinander-
setzung mit der Umwelt zum Zwecke der Problemlösung bzw. Bewältigung von Um-
weltanforderungen, die den Lern- und Entwicklungsprozess vorantreiben“
(Raithel/Dollinger/Hörmann 2007, 213). Da zusammenfassend nicht der Mangel an
theoretischen Ansätzen und Konzepten zur Fundierung der Erlebnispädagogik das
Problem ist, sondern eher die Vielfalt an nicht strukturierten, unverbundenen Ansätzen,
erweckt dies eine Beliebigkeit, die die Erlebnispädagogik in mancher Hinsicht
unprofessionell erscheinen lässt (vgl. Sommerfeld 2005, 396). Um wenigstens einen
theoretischen Hintergrund der Erlebnispädagogik darzustellen, welcher der Autorin am
passendsten für diese Arbeit erscheint, wird im folgenden Kapitel die Erlebnis-
pädagogik theoretisch mit Hilfe der Humanistischen Psychologie fundiert.
5.2.1 Humanistische Psychologie
VÖLKER (1980, 5) meint in seinem Sammelband „Humanistische Psychologie“: „Das
Hauptanliegen der Humanistischen Psychologie besteht für mich darin, durch wissen-
52
Abbildungsverzeichnis
schaftliches und praktisches Handeln ihren Beitrag zur Entwicklung einer menschen-
gerechten und menschenwürdigen Umwelt zu leisten und Lebensverhältnisse zu
schaffen, welche sowohl die persönliche Entfaltung des einzelnen als auch seine
Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft fördern“.
Grundsätzlich entstand die Strömung der Humanistischen Psychologie daraus, ein
triebgesteuertes und mechanistisches Menschenbild zu überwinden, wie es in der
Psychoanalyse und dem Behaviorismus existiert. Die Humanistische Psychologie ist
davon überzeugt, dass besonders der Behaviorismus an Problemen der sozialen
Wirklichkeit vorbei geht bzw. ging. Ihre Anhänger gehen davon aus, dass sich die
Gesellschaft in einer kulturellen Krise befindet (Entfernung zur Natur, Entfremdung von
der Arbeit, Entfremdung vom Menschen zu seinen Mitmenschen und sich selbst,
Verlust der Traditionen, psychosoziale Probleme, etc.). Die Humanistische Psychologie
geht der Frage nach dem Sinn des Lebens bzw. der Daseinserfüllung nach (vgl. Völker
1980, 14). Wie bereits erwähnt, möchte sich die Humanistische Psychologie von den
Menschenbildern der Psychoanalyse und des Behaviorismus entfernen und ein
eigenes Menschenbild setzen, das der Natur des Menschen gerecht wird. Folgende
vier Postulate für ein Menschenbild der Humanistischen Psychologie entwickelten sich:
a. Autonomie
„Jeder Mensch ist zu Beginn seines Lebens biologisch und emotional von seiner
Umwelt abhängig“ (Völker 1980, 16). Babys und Kinder brauchen andere Menschen
um zu überleben. Dies rechtfertigt aber nicht, den Menschen, dessen Handeln nur aus
Reaktionen auf Umweltreize besteht, als vollständig triebgesteuert anzusehen. Wächst
der Mensch und wird älter, entwickelt er Beherrschung über seinen Körper und ist
fähig, Anforderungen des Lebens zu bewältigen. Der Organismus strebt dann nach
Unabhängigkeit von der äußeren Kontrolle durch die Umwelt. Dieses aktive Selbst
kann, trotz determinierender Einflüsse in die eigene Entwicklung eingreifen. Nach
Völker (1980, 16) bedeutet Autonomie, „daß [sic] es ein stark ausgeprägtes Streben
des Organismus gibt, sich selbst und die Umwelt zu beherrschen und dadurch un-
abhängig von äußerer Kontrolle zu werden“. Mit dieser Autonomie bekommt der
Mensch Verantwortlichkeit über sein Leben. Nur Individuen, die für sich selbst verant-
wortlich sein können, können Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen. Bemerkt
eine Person, dass sie sich selbst ändern kann, wird es ihr möglich sein, notwendige
Veränderungen an der Umwelt vorzunehmen (vgl. ebd.).
53
Abbildungsverzeichnis
Selbstverwirklichung
Nach der humanistischen Psychologie zeigt der Mensch „die Tendenz, sich selbst und
seine Umwelt zu erforschen, nach Wissen zu streben und schöpferische Fähigkeiten
zu entfalten“ (Völker 1980, 17). Humanistische Forscher sehen dieses Streben nach
Selbstverwirklichung als Antriebskraft. Diese zielgerichtete Kraft bzw. Tendenz des
Menschen strebt danach, sich selbst zu erhalten, zu entfalten und Unabhängigkeit von
der äußeren Kontrolle zu entwickeln. „Auf biologischer Ebene ist damit die Tendenz
des Organismus zur Entwicklung und Differenzierung vorhandener Anlagen gemeint.
Auf der psychischen und sozialen Ebene sind Selbstverwirklichungstendenzen durch
die Entfaltung von Fähigkeiten, durch das Streben nach Wissen und die Freisetzung
des menschlichen Potentials an konstruktiven Kräften gekennzeichnet“ (Völker 1980,
18). Der Begriff Selbstverwirklichung wurde oft missverstanden. Die Selbstver-
wirklichungstendenz entfaltet sich bei einem Menschen nicht automatisch, sondern
kann von seiner Umwelt und dessen Bedingungen gefördert oder beeinträchtigt
werden. Sie kann sich nur in einem Austausch mit der sozialen Umgebung bzw.
Umwelt vollziehen (vgl. ebd.). Die deutsch-amerikanische Psychoanalytikerin Karen
Clementine Theodore HORNEY (1950 in: Völker 1980, 17) betont, „daß [sic] sich erst
der gesunde Mensch, der zu seinen Mitmenschen in einem Verhältnis echter Gegen-
seitigkeit steht, auf die Entfaltung seiner psychischen Kräfte konzentrieren kann“.
Wenn der Mensch also in einem guten Verhältnis zu seiner sozialen Umgebung steht,
kann er sich auf seine Entwicklung konzentrieren und somit in späterer Folge wieder
Veränderung auf seine Umwelt bewirken, die rückwirkend wieder positiv auf ihn wirkt.
Somit entsteht ein Kreislauf.
Ziel- und Sinnorientierung
Die Humanistische Psychologie geht davon aus, dass psychische Geschehen immer
zielgerichtet und bedeutungsvoll sind. Der Mensch strebt nach einem sinnvollen und
erfüllten Dasein (vgl. Völker 1980, 18f.). Dies kann jedoch nur funktionieren, wenn
Werte und Standards der Umwelt anerkannt werden und der Mensch als Wesen
gesehen wird, das bestimmte Werte bewusst oder unbewusst auf sein Leben wirken
lässt. Humanistische PsychologInnen nehmen an, dass es bei Verlust von Ziel-
und/oder Sinnorientierung zu psychischen Störungen kommen kann. Eigene Alltags-
erfahrungen führen zur Annahme, dass, wenn es einem Menschen nicht gut geht,
54
Abbildungsverzeichnis
dieser deprimiert ist oder an psychischen Störungen leidet, es helfen kann, ihm ein Ziel
zu geben. Mit dem Streben nach etwas „Bedeutendes“ bzw. „Wertvollem“, kann er
seinem Leben wieder „Sinn“ verleihen (vgl. ebd.).
Ganzheit
„Aus humanistischer Sicht läßt [sic] sich ein volles Verständnis der menschlichen
Existenz nur dann erreichen, wenn der ganze Mensch als handelndes Subjekt
betrachtet wird, als biologisches, psychisches und soziales Wesen“ (Völker 1980, 20).
Es besteht also eine wechselseitige Beziehung zwischen psychischen, biologischen
und sozialen Vorgängen, die den Menschen ganzheitlich ausmachen und beeinflussen.
Diese Sichtweise erinnert an das Biopsychosoziale Modell, das bereits behandelt
wurde (siehe Kapitel 3.1).
5.2.2 Erlebnispädagogik theoretisch fundiert
Die Humanistische Psychologie hat sich zur Aufgabe gemacht, menschliche Eigen-
schaften wahrzunehmen und anzuerkennen und Möglichkeiten zu fördern, durch die
der Mensch seine Fähigkeiten voll entfalten kann (vgl. Knohl 1980, 274). „Ein wesent-
liches Merkmal der Humanistischen Bewegung ist ihr anwendungsorientiertes, auf
Veränderung der Praxis gerichtetes Interesse und die Absicht, menschenwürdige
Bedingungen in den verschiedenen Lebensbereichen zu schaffen“ (Völker 1980, 30).
Diese Anwendungsorientierung wird unter anderem anhand der Erlebnispädagogik
deutlich. Grundsätzlich fußt die Erlebnispädagogik zum Teil auf der Humanistischen
Psychologie. Da die Erlebnispädagogik aber, wie bereits schon erwähnt, ihre Wurzeln
in verschiedenen Theorien und Ansätze hat, ist eine genaue Anführung der theore-
tischen Fundierung in der Humanistischen Psychologie literarisch nicht auffindbar. Die
Autorin möchte in diesem Unterkapitel den Bezug der Erlebnispädagogik zur Humanis-
tischen Psychologie komprimiert anhand von verschiedenen Beispielen darlegen.
Wie aus der Definition und den folgenden Kapiteln (siehe Kapitel 5.3) hervorgeht, ist
die Erlebnispädagogik handlungs- und erlebnisorientiert. Der österreichisch-
amerikanische Arzt und Begründer der humanistischen Therapieform Psychodrama,
Jacob Levy Moreno, war der Meinung, dass „erlebnismäßige und handlungs-
gebundene Auseinandersetzungen mit psychischen Konflikten“ (Völker 1980, 30) die
Fähigkeiten eines Menschen, zukünftige psychische Probleme selbst zu lösen, fördern.
55
Abbildungsverzeichnis
Erlebnispädagogik zielt ebenfalls auf die Entwicklung individueller Persönlichkeits-
merkmale wie die Problemlösungsstrategien und die Förderung der sozialen
Kompetenzen, (siehe Kapitel 5.5) um den AdressatInnen zu ermöglichen, zukünftig
eigene Lösungen für Probleme zu finden und sich mit seinen psychischen Konflikten
auseinanderzusetzen.
Humanistische Psychologie ist wie die Erlebnispädagogik klientInnenzentriert. Betont
werden die Eigenverantwortung des Menschen und dessen Fähigkeiten. Der Mensch
muss aus sich selbst heraus aktiv werden, worin die Ursachen seines Handelns liegen
(vgl. Portele 1980, 55). Bei einem erlebnispädagogischen Setting ist das Individuum
aufgefordert, eigenständig und verantwortungsbewusst zu handeln. Nur aus der
eigenen Aktion und eigenen Fähigkeiten heraus kann es handeln und Ziele erfüllen.
Ihm wird nicht gesagt, was zu tun ist und wie zu handeln ist. Gemeinsam mit der
Gruppe versucht es eigenständig, Aufgaben zu lösen. Durch diese Eigenständigkeit
kommt es zu einer allseitigen Entfaltung der Persönlichkeit (vgl. ebd.).
Wie bereits oben beschrieben, ist eines der vier Postulate des Menschenbildes in der
Humanistischen Psychologie die Ganzheit. Dies bedeutet, dass der Mensch in seiner
Ganzheitlichkeit gesehen werden soll, und er somit als das verstanden werden kann,
wie er/sie sich selbst erlebt. Die Trennung zwischen Psyche und Körper soll
diesbezüglich aufgehoben werden und der Mensch soll in Beziehung zu seiner Umwelt
gesehen werden (vgl. Clemens-Lodde/Schäuble 1980, 133). Die Erlebnispädagogik
zielt darauf, den Menschen ganzheitlich zu erkennen und ihn darauf hin zu fördern.
Sowohl Körper, Seele als auch der Geist werden bei erlebnispädagogischen Settings
gleich angesprochen (vgl. Hufenus 1993, 86 in: Galuske 2009, 244). Durch die
gruppenorientierten Angebote der Erlebnispädagogik lernt der Mensch, sich mit seiner
Umwelt auseinanderzusetzen. Umgekehrt wird es den TherapeutInnen,
SozialarbeiterInnen, PsychologInnen etc. ermöglicht, die Person im Umgang mit ihrer
Umwelt zu sehen und sie so möglicherweise zu verstehen.
Erlebnispädagogik ist zielgerichtet. Genauso wie nach der Humanistischen Psychologi-
e das Leben eines Menschen ziel-/sinnorientiert ist. Diese Ziele lassen sich in
Erziehungsziele und Handlungsziele teilen. (siehe Kapitel 5.5) Wie bereits erwähnt
wurde, kann es einer Person helfen, Aktionen mit Zielen zu formulieren, um ihnen
einen Sinn zu geben. Gewissermaßen macht es Sinn, einen Fluss hinunterzufahren mit
einem zielgerichteten Anlegeplatz, oder einen Berg zu besteigen mit dem Gipfel als
Ziel. Erlebnispädagogische Settings können Menschen das Gefühl geben, etwas
Sinnvolles und Wertvolles zu machen.
56
Abbildungsverzeichnis
Wie bereits erwähnt, zeigt der Mensch „die Tendenz, sich selbst und seine Umwelt zu
erforschen, nach Wissen zu streben und schöpferische Fähigkeiten zu entfalten“
(Völker 1980, 17). Dies gelingt ihm aber nur, wenn er die nötigen persönlichen,
sozialen oder biologischen Ressourcen dafür hat, die nach der Humanistischen
Psychologie jeder Mensch in sich trägt. Ein übergeordnetes Ziel der Erlebnispädagogik
ist es, Selbstwirksamkeit zu erfahren. Dies bedeutet, dass der Mensch sich bewusst
ist, dass er die nötigen Ressourcen besitzt um individuelle Ziele zu erreichen (vgl.
Brücker/Boecker 2004, 97f.). Erkennt ein Mensch durch erlebnispädagogische Settings
seine Ressourcen, kann er seiner Tendenz nach Selbstverwirklichung nachgehen.
Dies sind nur Beispiele dafür, dass es Ansätze gibt, die die theoretische Fundierung
der Erlebnispädagogik auf der Humanistischen Psychologie zeigen. Zusammen-
fassend wird deutlich, dass eindeutig ein Konsens zwischen der modernen Methode
der Erlebnispädagogik und der Strömung der Humanistischen Psychologie besteht.
Dies hier jedoch noch weiter zu vertiefen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen
und liegt nicht im eigentlichen Themenbereich.
5.3 Begriffe und Merkmale
5.3.1 Das Erlebnis
„Erlebnis wird als innerer, mentaler Vorgang gesehen, bei dem äußere Reize aufgrund
von Wahrnehmung, Vorwissen und Stimmung subjektiv zu einem Eindruck verarbeitet
werden“ (Raithel/Dollinger/Hörmann 2007, 211). Der gewonnene Eindruck wird mit der
menschlichen Sprache als Erlebnis geschildert. Parallel zur äußeren Erlebniswelt (der
äußere Reiz und Stimulus) existiert auch eine innere Erlebniswelt, mit der der Mensch
träumt, fantasiert oder fühlt. (vgl. Seeger 2003, 10)
Gewöhnlich verbindet man Erlebnisse mit etwas Neuem und Ungewöhnlichem weshalb
es sich vom Alltag abhebt (vgl. Heckmair/Michl 1993, 65f.). Waltraud Neubert fasste in
ihrer Dissertation mit dem Titel „Das Erlebnis in der Pädagogik“ den Begriff auf sieben
entscheidende Merkmale zusammen:
1. Das Erlebnis als unmittelbare Realität. Es ist nicht vorgestellt, wahrgenommen
oder gegeben, sondern erst durch das Denken und Erklären wird es zu etwas
Gegenständlichem.
2. Das Erlebnis als gegliederte Einheit ist von anderen Erlebnissen abgrenzbar.
3. Das Erlebnis ist ein Spannungsgefüge mit drei Komponenten
57
Abbildungsverzeichnis
a. Totalitätscharakter: Der Mensch als Ganzes wird vom Erlebnis erfasst.
b. Subjekt-Objekt-Bezug: Durch ein Erlebnis nimmt das Subjekt
besonderen Bezug zu sich, durch steigernde Intensität des eigenen
Bewusstseins, und zu seiner umgebenen Welt.
c. Allgemeingültigkeit und Individualität: Es gibt individuelle Erlebnisse,
abhängig von jeder Person, und Grunderlebnisse aller Menschen wie
Liebe, Tod, Schicksal, etc.
4. Erlebnisse haben einen historischen Charakter. Individuelle Erlebnisse sind
abhängig vom Subjekt und treiben die Entwicklung eines Menschen an. Alles
Erlebte wirk in den folgenden Erlebnissen mit.
5. Erlebnisse sind entwicklungsfähig und Ereignis einer Folge von verschiedenen
Seelenzuständen. Jedes Erlebnis entsteht durch das Zusammenspiel vergan-
gener Erlebnisse.
6. Das Erlebnis erweckt einen Willensimpuls/Objektivitätsdrang, der durch Reize
und Empfindungen entstanden ist. Dieser entlädt sich in Folge in einer Hand-
lung. Erleben wird zu Ausdruck, welches danach zu Verstehen wird.
7. Durch die Objektivierung der subjektiven Erlebnisse können andere Menschen
diese nacherleben und somit ein besseres Verständnis über andere Personen
bekommen bzw. lernt man andere Menschen über deren Erlebnisse besser zu
verstehen.
(vgl. Neubert 1990, 20-24 in: Berthold/Ziegenspeck 2002, 7f.)
Aus diesen Merkmalen von Neubert lassen sich entsprechende pädagogische Prinzi-
pien ableiten. Das Erlebnis ist Grundlage für das menschliche Verstehen. Die Päda-
gogik muss sich zur Aufgabe machen, Erlebnisse zu arrangieren, denn sie können
nicht erzwungen werden (vgl. Berthold/Ziegenspeck 2002, 8). Für die Pädagogik, und
in Folge dessen die Soziale Arbeit/Sozialpädagogik, wird das Erlebnis nur dann
wichtig, wenn daraus gelernt werden kann. Somit kann das Erlebnis als Instrument
dienen, um Lernerfahrungen für die AdressatInnen zu ermöglichen. „Das aus
Erlebnissen gelernt werden kann steht mittlerweile außer Zweifel, nur ob es als Instru-
ment für eine zielgerichtete erzieherische Pädagogik geeignet ist, ist noch sehr um-
stritten“ (Haier 2006, 33). Die Erlebnispädagogik kann nicht durch Erlebnisse
automatisch wirken, sondern trägt die Verantwortung, in ihrem Setting Erlebnisse so zu
gestalten bzw. künstlich herzustellen, um Lernerfahrungen für die AdressatInnen
herzustellen.
58
Abbildungsverzeichnis
5.3.2 Der Begriff „Erlebnispädagogik“
Eine genaue Begriffsdefinition der Erlebnispädagogik ist in Folge des erlebnis-
pädagogischen Booms nicht einfacher geworden. Zum einen existieren einige Begriffe,
die synonym und/oder konkurrierend verwendet werden, wie etwa die Aktions-
pädagogik, Abenteuerpädagogik oder Reisepädagogik (vgl. Heckmair/Michl 1994, 65
in: Galuske 2009, 243). Zum anderen ist in der gängigen Diskussion eine
entgrenzende Tendenz zu beobachten, „wonach jedes Lernen in Lebens-
zusammenhängen bzw. jedes handlungsorientiertes Lernarrangement als Erlebnis-
pädagogik bezeichnet“ (Galuske 2009, 243) werden könnte. Heckmair und Michl (1994
in: Galuske 2009, 244) betonen, dass Erlebnispädagogik trotz allem nur eine weitere
handlungsorientierte Methode ist. Als dritter Punkt für eine erschwerte Begriffsdefinition
kommt hinzu, dass sich die Angebotspalette der Erlebnispädagogik in den
vergangenen Jahren erweitert und ausdifferenziert hat. So finden sowohl Kurzzeit-
projekte als auch langfristige Maßnahmen statt und die Aktionsräume haben sich auf
naturbezogenen als auch auf die städtischen Gebiete verlagert (vgl. Galuske 2009,
244).
HUFENUS (1993) versucht das genannte Problem zu berücksichtigen und beschreibt
folgende Definition für die Erlebnispädagogik:
„Erlebnispädagogik ist eine Methode, die Personen und Gruppen zum Handeln bringt
mit allen Implikationen und Konsequenzen bei möglichst hoher Echtheit von Aufgaben
und Situationen in einem Umfeld, das experimentierendes Handeln erlaubt, sicher ist
und den notwendigen Ernstcharakter besitzt“ (Hufenus 1993, 86 in: Galuske 2009,
244).
5.3.3 Merkmale
Aus der Definition nach Hufenus lassen sich einige Merkmale (Handlungsmaximen) für
die Erlebnispädagogik ableiten:
a. Gruppe als Lerngemeinschaft
Überwiegend konkretisiert sich Erlebnispädagogik anhand von gruppenorientierten
Angeboten. Zurückzuführen ist dies auch auf die Präferenz der Erlebnispädagogik,
59
Abbildungsverzeichnis
soziale Kompetenzen und Kooperationsfähigkeit zu fördern (vgl. Galuske 2009, 245).
Mit einem Zitat von Heckmair und Michl formuliert: „Die Gruppe ist Mittelpunkt und
Zentrifuge der alltäglichen Probleme: Sie bietet Geborgenheit und Diskussionsstoff, sie
verteilt Rollen und Positionen, sie ist Ort der Reflexion und Planung. Aufwühlende
Erlebnisse können hier aufgearbeitet oder ausgeglichen werden“ (Heckmair/Michl
1993, 147 in: Galuske 2009, 245). Auch Rousseau forderte die freiwillige Unterordnung
des Einzelwillens unter den gemeinsamen Willen (vgl. Gudjons 2008, 84ff.).
Erlebnischarakter
Die anderen Merkmale die angeführt werden bzw. wurden, können auch in einer
alltäglichen Situation konstruiert werden. Bei der Erlebnispädagogik kommt durch die
Distanz zum Alltag die Grenzerfahrung als außergewöhnlicher Charakter in einer
Lernsituation hinzu. Erlebnispädagogische Angebote und Aktionen müssen immer nicht
alltägliche, vielfältige aber auch reale und ernsthafte Situationen beinhalten, die
Möglichkeiten zur Grenzerfahrung haben Mit einer solchen Situation kann ermöglicht
werden, dass ein Ereignis zu einem Erlebnis wird, welches bewegend und nachhaltig
sein kann (vgl. Galuske 2009, 245).
Pädagogisches Arrangement
Auch im alltäglichen Leben gibt es Situationen, die erlebnisträchtig sind. Erst durch
eine pädagogische Instrumentalisierung wird ein erlebnispädagogisches Arrangement
gebildet. „Dazu gehört einerseits die gezielte und absichtsvolle Planung und
Realisierung von Angeboten, andererseits aber auch die Beteiligung von erlebnis-
pädagogisch geschultem Personal“ (Galuske 2009, 245).
Handlungsorientierung und Ganzheitlichkeit
In der Mitte des Lernprozesses in der Erlebnispädagogik steht immer die Auseinander-
setzung mit Raum und einer Aufgabe bzw. mit dem Handeln, das bei erlebnis-
pädagogischen Aktionen erfordert wird. Akzente werden hier bewusst auf das Handeln
gelegt, da eine Abgrenzung von eher theoretischen Lernzugängen besteht (vgl.
Galuske 2009, 244). Der Begriff der Ganzheitlichkeit ist in diesem Zusammenhang so
zu verstehen, dass im Rahmen eines erlebnispädagogischen Lernarrangements alle
Sinne, „d.h. „Körper, Seele und Geist“ (Hufenus 1993, 86 in: Galuske 2009, 244)
60
Abbildungsverzeichnis
angesprochen werden und „neben kognitiven auch sensomotorische und affektive
Lerndimensionen zu berücksichtigen sind“ (Galuske 2009, 244).
Lernen in Situationen mit Ernstcharakter
Im Setting erlebnispädagogischer Angebote spielt der Ernstcharakter der Situation eine
besonders wichtige Rolle. Dies bedeutet, dass Lernsituationen gefunden und
produziert werden, die für sich selbst sprechen und Aufgaben und Anforderungen sich
als Sachzwang der Situation selbst ergeben. (vgl. ebd.) „Zur Charakteristik von
erlebnispädagogischen Aktivitäten gehört neben dem Verbund von Aktion, Spiel,
Übung, Projekt, u.a. die physische, psychische und kognitive Auseinandersetzung mit
der Natur, die Erschließung von Erlebnis- und Lernräumen, und damit ist eine gewisse
Ernstsituation verbunden, in der spielerische Ansätze und Übungen vorübergehend
keinen Platz haben“ (Heckmair/Michl 1994, 166 in: Galuske 2009, 244). Hufenus
beschreibt die ideale erlebnispädagogische Lernsituation als jene, in der sich Lern-
prozesse aus den Gegebenheiten zwangsläufig entwickeln und diese Prozesse
unmittelbar Feedback und ein Sicht- und Spürbarkeit der Wirkung befördern. (vgl.
Hufenus 1993, 86 in: Galuske 2009, 244f.) BRENNER folgert daraus, dass erlebnis-
pädagogische Handlungsarrangements sozusagen eine apersonale Erziehung
darbieten, in der sich Verhaltensänderung zeigt, ohne dass ein/eine PädagogIn
persönlich involviert ist (vgl. Brenner 1993, 433 in: Galuske 2009, 245).
5.4 Erlebnispädagogische Lern-/Transfermodelle
Erlebnispädagogik hat unter anderem als anerkannte Methode der Sozialen Arbeit
Einzug in die gängige Soziale Arbeit gefunden. Trotzdem werden die Ziele in vielen
Debatten und Diskussionen rund um die Methode kritisch betrachtet, da ein Transfer
des neu Erlernten bzw. Erlebten in den Alltag kaum bis nicht stattfindet. WAGNER
(2000, 94 in: Seeger 2003, 44) meint in einem Aufsatz: „Den Transfer machen das
während des Trainings erworbene Wissen, die Fähigkeiten, Einstellungen und Verhal-
tensweisen aus, die vom Teilnehmer nach dem Training angewendet werden“.
REINERS (1995, 59 in: Seeger 2003, 44) definiert: „Als Transfer wird das Fortschreiten
des Lernenden vom Konkreten zum Abstrakten verstanden, indem er neue Verhal-
tensweisen in der konkreten (Kurs-) Situation entdeckt, diese Lernerfahrungen
generalisiert und auf andere (Alltags-) Situationen überträgt“. Die Frage nach dem
61
Abbildungsverzeichnis
Transfer in der Erlebnispädagogik ist also von essentieller Bedeutung, da er für die
pädagogische Zielsetzung, langfristige Veränderung zu erreichen, wirksam sein muss.
Im folgenden Teil des Kapitels wird zum Teil dieser Transfer durch die
Lern-/Transfermodelle theoretisch beschrieben.
5.4.1 Lern-/Transfermodelle nach Stephen Bacon
Bevor verschiedene Ziele bzw. Prozessziele beschrieben werden, ist es bedeutend, zu
beschreiben, welcher Weg in der Erlebnispädagogik genommen wird, um Ziele zu
erreichen. Wie bereits erwähnt wurde, basiert die Erlebnispädagogik auf handlungs-
orientiertem Lernen, wodurch ein Transfer des Gelernten zum Alltag hergestellt wird
(vgl. Kölsch/Wagner 2004, 30).
The Mountains Speak For Themselves
Bei diesem Modell sollen verschiedene Aktionen, Aktivitäten und Herausforderungen in
der Natur durch neue Erfahrungen und Handlungsmöglichkeiten, die sich aus dem
Erlebnis ergeben, unmittelbar eine Veränderung des Verhaltens im Alltag bewirken (vgl.
Kölsch/Wagner 2004, 30). Der „Berg“ stellt sozusagen die AdressatInnen vor
bestimmte Herausforderungen, indem er im übertragenen Sinn zu den AdressatInnen
„spricht“, „ohne dass die Aktivität für den Teilnehmer aufgefangen oder reflektiert wird“
(Haier 2006, 25). Dieses Modell will somit ausdrücken, dass das „Besteigen eines
Berges, vergleichbar ist mit der Bewältigung von Schwierigkeiten und Problemen des
Alltags“ (vgl. Brück/Boecker 2004, 104) da die benötigten Bewältigungsstrategien wie
Überwindung der Anstrengung, Motivation, Durchhaltevermögen auch für Lösungs-
strategien für die Bewältigung von alltäglichen Problemen von entscheidender
Bedeutung sind. Daraus ergeben sich Erfahrungen, die Handlungsmöglichkeiten mit
sich bringen. Übersehen wird dabei jedoch, dass die Aktion nicht auf die Zielgruppe
und deren Problemlösung gerichtet ist, da der „Berg“ dies nicht spezifisch einrichten
kann (vgl. Haier 2006, 25). Bei diesem Modell kritisch gesehen wird die fehlende
Erfolgskontrolle. Es wird zwar von einer positiven Wirkung der Natur auf den Menschen
ausgegangen, welche sich aber nicht unbedingt überprüfen lässt. (vgl. Seeger 2003,
49) Genauer formuliert ist das Modell in sich selbst so strukturiert, dass alle Lernerfolge
notwendige Folgen des Handelns sind. Ähnlich wie, es schon Rousseau mit seinem
Prinzip der „negativen Erziehung“ beschrieben hat begleitet der/die PädagogIn die
62
Abbildungsverzeichnis
TeilnehmerInnen in die Situation, hält sich danach aber zurück und überlässt sie dem
Moment bzw. der Situation selbst (vgl. Galuske 2009, 247). Hierbei kann es
geschehen, dass die AdressatInnen beim Verstehen was, das neu Erlernte und Erlebte
für sie im Alltag bringen kann bzw. bringen könnte, allein gelassen werden.
Outward Bound Plus
Bei diesem methodischen Ansatz folgt auf die Situation, die ähnlich abläuft wie im oben
beschriebenen Modell, eine Reflexionsphase mit dem/der PädagogIn, in der Erlebtes
aufgearbeitet und so eine Verhaltensänderung im Alltag erreicht werden kann (vgl.
Kölsch/Wagner 2004, 31). Durch diese Reflexionsphase und Begleitung des/der
PädagogIn ist ein Transfer des Erlernten möglich, wenn dieser die Verknüpfungspunkte
der neuen Handlungsmöglichkeiten und den Alltag findet und herstellen kann. Von
großer Bedeutung ist außerdem, dass bestimmte Lernziele im Vorhinein festgelegt
werden, und in der Reflexion diese noch einmal verdichtet werden (vgl. Galuske 2009,
248), um zu diskutieren ob diese Ziele erreicht wurden oder nicht.
Metaphorisches Modell
Dieses Modell bietet den TeilnehmerInnen die Möglichkeit, in einer neuen Situation ein
anderes Verhalten bzw. neue Rollen auszuprobieren, als sie es aus den normalen
Alltagssituationen gewöhnt sind. Durch den unbewussten oder bewussten Vergleich
dieser beiden Verhaltensweisen bilden sich Chancen, in verschiedenen alltäglichen
Situationen andere bzw. neu erlernte Verhaltenspositionen zu wählen und diese
auszuführen (vgl. Kölsch/Wagner 2004, 31). Gelernt wird ein Austausch von
Verhaltensmustern, bei denen es, wie der Name schon sagt, um „Metaphern“ geht,
welche die emotionale, geistige und physische Ebene der TeilnehmerInnen ansprechen
soll. Negativ an diesem Modell ist, dass die TeilnehmerInnen nach Informationen über
Regeln und Sicherheitsvorkehrungen fast gänzlich alleine gelassen werden und der/die
ErlebnispädagogIn bzw. SozialarbeiterIn/SozialpädagogIn erst nach der Übung den
Erlebnisinhalt mit der Gruppe aufarbeitet (vgl. Seeger 2003, 53f.).
5.4.2 Lern-/Transfermodelle nach Simon Priest
Aufbauend auf diese Modelle hat Simon Priest sechs Lernmodelle entwickelt, die sich
in zwei Blöcke teilen lassen. Die ersten drei streben Verhaltensmodifikationen nach
63
Abbildungsverzeichnis
den Aktionen an und die letzten drei nützen die entwicklungsfördernden Kräfte vor und
während der Aktivitäten. Auf das letzte Lernmodell („redirection before reflection“) wird
in dieser Diplomarbeit gänzlich verzichtet, da in den meisten Literaturbeispielen
erwähnt wird, dass dieses Modell selten bis nie eingesetzt wird.
a. Learning by doing
Bei diesem „Handlungslernen pur“ lernen die TeilnehmerInnen neue Techniken (Ab-
seilen/Knotenkunde) und Aktivitäten. In keiner Weise wird bei diesem Modell jedoch
thematisiert, ob auch etwas über Beziehungen zu andern gelernt werden kann oder
wie man mit verschiedenen Herausforderungen im Alltag umgehen soll. Diese Dinge
gehören bei diesem Modell auch nicht zu den Aufgaben der TrainerInnen. Diese sollen
sich auf organisatorische Aspekte, Vermittlung von neuen technischen Fertigkeiten
oder Sicherheitsfragen konzentrieren (vgl. Kölsch/Wagner 2004, 32). Dabei ist kein
nützlicher Transfer in den Alltag gegeben, da solche Fähigkeiten für das alltägliche
Leben nicht notwendig sind.
Learning by telling
Beim „Kommentierten Handlungslernen“ fasst der/die TrainerIn im Anschluss an die
Aktion die wesentlichen Lernziele zusammen und versucht den TeilnehmerInnen zu
erklären, wie sie diese umsetzen können. Diese Form von Feedback kann von den
TeilnehmerInnen jedoch als besserwisserisch aufgenommen werden und wirkt all-
gemein formuliert demotivierend (vgl. Kölsch/Wagner 2004, 32). Beachtet der/die
PädagogIn jedoch alle Feedbackregeln und wirkt somit nicht negativ, können die neu
erlernten Fähigkeiten mit dem Alltag verknüpft werden, da der/die PädagogIn diese
Verbindung artikulieren kann und diese somit für die TeilnehmerInnen verständlich
gemacht wird.
Learning through reflection
Beim „Handlungslernen durch Reflexion“ werden die TeilnehmerInnen durch bestimmte
Fragen zum Nachdenken angeregt und „aktiv an der Umsetzung gemachter
Erfahrungen beteiligt“ (Kölsch/Wagner 2004, 32). Bestimmte Fragen wie „Wie ist es
euch dabei ergangen? Was habt ihr daraus gelernt? Wie könnt ihr dies im Alltag
verwenden? Was würdet ihr beim nächsten Mal anders machen? Kennt ihr vergleich-
64
Abbildungsverzeichnis
bare Situationen im Alltag?“ (ebd. 32), sollen dazu führen, verschiedene Potenziale
und Vorteile aus den Erfahrungen selbst zu entdecken und diese in den Alltag zu
transferieren. Der/die TrainerIn unterstützt diesen Prozess, indem er entsprechende
Aspekte aufgreift und bei bestimmten Situationen nachfragt (vgl. ebd.).
Direction with reflection
Mit dem „Direktiven Handlungslernen“ ändern sich die Methoden wesentlich. Bei den
vorigen Lernmodellen wurde die Erfahrung und das Erlebnis immer erst im Nachhinein
ausgewertet und reflektiert, bei diesem Modell werden Entwicklungsrichtungen bereits
vorher thematisiert. Kölsch und Wagner listen hierfür folgende Aspekte auf, die ange-
sprochen werden:
• Rückblick: Was wurde bei den vergangenen Aktivitäten erreicht/gelernt?
• Bezug: Was kann bei der folgenden Aktivität gelernt werden?
• Motivation: Warum ist die Erfahrung wichtig, welchen Bezug hat sie zum Alltag?
• Funktionsweise: Welches Verhalten bringt voraussichtlich den größten Erfolg?
• Hindernisse: Welches Verhalten wird eher hinderlich/kontraproduktiv sein?
(Kölsch/Wagner 2004, 32-33)
Der/die TrainerIn hat die Aufgabe, bestimmte Aktivitäten einzuleiten und durch gezielte
Fragen (Was könnte man daraus lernen? Was nimmst du dir aus dieser Aktion mit?
usw.) die wesentliche Entwicklungsrichtung vor der Aktion einzuhalten. Wendet der/die
PädagogIn hierbei sein Augenmerk auf Fragen und Beobachtungen bezogen auf den
Alltag, kann wiederum eine Verbindung der neuen Fähigkeiten und des Erlebten zum
Alltag hergestellt werden (vgl. ebd.).
Reinforcement in Reflection
Beim „Metaphorischen Handlungslernen“ (ähnlich dem „Metaphorischen Modell“ nach
Stephen Bacon) wird die Verhaltensänderung ebenfalls bereits vor, aber auch während
der Aktivität angestrebt. Im Unterschied zum anderen Modell beginnt der/die TrainerIn
in der Einführung damit, die Aktivität isomorph (von gleicher Gestalt) zur Lebens-
wirklichkeit der TeilnehmerInnen darzustellen. Voraussetzung ist eine gute Kenntnis der
Lebensumstände (vgl. Kölsch/Wagner 2004, 33). „Gelingt diese Anpassung ist der
65
Abbildungsverzeichnis
Lerneffekt groß, weil die Übertragung in den Alltag unmittelbar erfolgt“ (ebd. 33). Bacon
(1983) meinte dazu: „Das Maß an Isomorphie zwischen der metaphorischen und der
entsprechenden Lebenssituation stellt den Schlüsselfaktor dar, der zu bestimmen
erlaubt, ob eine Erfahrung als metaphorisch gelten kann. Isomorph bedeutet dabei
strukturgleich. Wenn alle Hauptbestandteile einer Erfahrung in korrespondierenden
Elementen einer zweiten repräsentiert werden und wenn die übergreifende Struktur der
beiden Erfahrungen einen hohen Grad an Ähnlichkeit aufweist, dann treten die beiden
Erfahrungen metaphorisch füreinander ein“ (Bacon 1983, 32 in: Haier 2006, 27). Wenn
Isomorphie zwischen der Metapher und den alltäglichen Problemen der
TeilnehmerInnen besteht, kann die Natur als gezielter Schlüssel dafür verwendet
werden. Kritisch an diesem Modell muss jedoch betrachtet werden, dass bei kurzen
Projekten der Ist-Zustand der Gruppe nie vollständig beurteilt werden kann. Bei diesem
Modell ist eine gute Planung essentiell für den Erfolg einer erlebnispädagogischen
Aktion (vgl. Haier 2006, 27).
All diese Lernmodelle können von SozialarbeiterInnen, SozialpädagogInnen oder
ErlebnispädagogInnen genutzt werden, um Lernbedingungen für die AdressatInnen zu
schaffen bzw. zu arrangieren, in denen sie handlungsorientiert arbeiten bzw. lernen
können. Welches Lernmodell am geeignetsten ist, ist abhängig davon, um welche
Situation und erlebnispädagogisches Medium es sich handelt und mit welcher sich die
PädagogInnen bzw. TrainerInnen am wohlsten fühlen. Quasi ist es beim Klettern aus
sicherheitsrelevanter Sicht notwendig, dass die PädagogInnen bzw. TrainerInnen
immer beobachtende und eingreifende Instanz sind. Ihnen ist es freigestellt ob sie sich
reflexiv in die Situation einmischen. Der Situation und somit der Verantwortung können
sie sich nicht ganz entziehen.
Primäres Ziel sollte trotzdem immer der Lernerfolg der TeilnehmerInnen sein mit einem
guten Transfer der neuen Handlungsmöglichkeiten in den Alltag. Nur so kann innerhalb
der Erlebnispädagogik auch von längerfristigem Erfolg gesprochen werden.
5.5 Angestrebte Ziele der Erlebnispädagogik
Die angestrebten Ziele der Erlebnispädagogik müssen immer unter Berücksichtigung
einiger Faktoren erfolgen, die die Zielformulierung der Aktion beeinflussen können.
Zum einen hängen die Ziele immer von den jeweiligen Rahmenbedingungen ab, wie
zum Beispiel In- oder Outdoorprogramm, Lang- oder Kurzzeitprojekt, das individuelle
66
Abbildungsverzeichnis
Anforderungsniveau der TeilnehmerInnen und der Träger der Maßnahme. Ebenfalls
muss sich die Zielformulierung an der Zielgruppe und deren individuellen Spezifitäten
oder Problemlagen orientieren (Behinderung, Alter, Geschlecht, Fähigkeiten, sozio-
kulturelle Bedingungen, etc.). Alle Kenntnisse über die Zielgruppe und die Wünsche
und Erwartungen der TeilnehmerInnen müssen in die Zielformulierung eingearbeitet
werden. Diese Ziele werden grundsätzlich in Erziehungsziele und Handlungsziele
unterschieden (vgl. Brück/Boecker 2004, 96f.).
Bei den Erziehungszielen geht es um die Intentionen der
SozialarbeiterInnen/SozialpädagogInnen. In erster Linie sollen die Maßnahmen so
initiiert werden, dass emotionale und pragmatische Lernbereiche und in zweiter Linie
kognitive Lernbereiche angesprochen werden. Pragmatische Ziele beinhalten die
Förderung von Fähigkeiten und die Entfaltung von Fertigkeiten. Die emotionale
Dimension beschäftigt sich mit Situationen aus denen Erlebnisse entstehen bzw.
geweckt werden und der kognitive Bereich behandelt die Vermittlung von
Sachverhalten, die Erkenntnisse bzw. Überzeugungen fördern (vgl. Reiners 1995, 31).
Als Orientierung dienen den ErlebnispädagogInnen bzw.
SozialarbeiterInnen/SozialpädagogInnen folgende Erziehungsziele, nach Brücker und
Boecker (2004, 97):
1. Die Entwicklung individueller Persönlichkeitsmerkmale, exemplarisch
aufgezeigt: Problemlösungsstrategien, Eigeninitiative, Spontaneität, Kreativität,
Selbstbewusstsein, Selbstverantwortung, […] u.a.
2. Die Förderung sozialer Kompetenzen, (Gruppenarbeit, Konfliktfähigkeit,
Kommunikationsfähigkeit, […] u.a.)
3. Die Entstehung und das Wachsen eines geordneten und ökologischen
Bewusstseins.
Letzteres kann als bewusster und besserer Umgang mit der Natur verstanden werden
bzw. ein umweltschonendes Verhalten.
Wie bereits vorhin erwähnt wurde, sind die Wünsche und Erwartungen der
AdressatInnen in die Zielformulierung einzuarbeiten.
Da nicht jeder Mensch fähig ist, seine Wünsche zu artikulieren, muss der/die
PädagogIn versuchen, durch Beobachtung die Bedürfnisse und Erwartungen der
TeilnehmerInnen zu deuten. Somit werden die individuellen Handlungsziele festgestellt,
67
Abbildungsverzeichnis
denen gleiche Bedeutung zukommen muss wie den Erziehungszielen (vgl.
Brücker/Boecker 2004, 97).
Aus den Erziehungszielen und Handlungszielen können Lernziele gewonnen werden.
Diese können individuell verschieden sein. So ist bei einer Person das Lernziel, das
Selbstvertrauen zu fördern, wohingegen bei einer anderen Person die Förderung der
motorischen Fähigkeiten im Vordergrund steht. Um diese Lernziele zu verwirklichen,
bedienen sich ErlebnispädagogInnen bzw. SozialarbeiterInnen/SozialpädagogInnen
der Reflexion mit den erlebnispädagogischen Reflexionsmodellen, die oben vorgestellt
wurden (vgl. www.fh-frankfurt.de, 29.03.2010).
Außer den Erziehungszielen, Handlungszielen und Lernzielen ergibt sich aus einer
erlebnispädagogischen Aktion heraus ein übergeordnetes Ziel: Das Erfahren von
Selbstwirksamkeit. Somit hat die Erlebnispädagogik „eine zentrale Bedeutung für die
Entwicklung der aktiven und situationsgemessenen Handlungsfähigkeit von Jugend-
lichen“ (vgl. Brücker/Boecker 2004, 97). Unter dem Begriff Selbstwirksamkeit wird in
diesem Sinne die Überzeugung einer Person verstanden, die nötigen Ressourcen zu
besitzen, um individuelle Ziele zu erreichen (vgl. ebd. 97f.). Wenn also bei Kindern und
Jugendlichen durch eine erlebnispädagogische Aktion die Selbstwirksamkeit gefördert
werden, kann diese individuelle Überzeugung über die eigenen Ressourcen auf den
Alltag transferiert werden und somit Probleme und Schwierigkeiten im Leben durch
eigene Kraft gelöst werden. Bedeutsam ist, dass Menschen ihre Selbstwirksamkeit
selbst einschätzen können und sich dessen bewusst sind. Voraussetzung für die
Selbstwirksamkeit sind bestimmte Fähigkeiten, die in vielen Fällen bei Kindern und
Jugendlichen erst gelernt und geübt werden müssen, wie die Steigerung der Selbst-
wahrnehmung, Festigung des Selbstbildes, Verbesserung der Eigenkontrolle und
Ausdauer, Umgang mit dem eigenen Körper, etc. Um die Selbstwirksamkeit von
Kindern und Jugendlichen zu fördern, sollen diese Fertigkeiten bzw. Fähigkeiten in die
Erziehungsziele aufgenommen werden (vgl. ebd.).
Grundsätzlich kann behauptet werden, dass die Erlebnispädagogik durch gezielte
Maßnahmen und Lernmodelle das Individuum fördern und unterstützen will, damit es
eigenständig zu neuen Handlungsmöglichkeiten kommt, um eigene Lösungen für
problematische Situationen innerhalb des Alltags zu finden. Zusätzlich sollen alte
Strategien erneuert bzw. reformiert werden. Durch die Gruppe können verschiedene
Rollen und Verhaltensweisen ausprobiert und für den Alltag erprobt werden. Die
ErlebnispädagogInnen bzw. SozialarbeiterInnen/SozialpädagogInnen nehmen dabei
68
Abbildungsverzeichnis
eine unterstützende, führende und begleitende Rolle ein und versuchen durch
Reflexion und Gespräche den Transfer der Ziele zum Alltag herzustellen.
5.6 Kritik an der Erlebnispädagogik
Die Erlebnispädagogik erlebt neben ihrem ständigen Aufschwung an Nachfrage auch
Kritik. Gerade durch die fehlende theoretische Fundierung und den unscharfen Ge-
brauch an Begrifflichkeiten verliert die Erlebnispädagogik an Ausdruckskraft. In diesem
letzten Teil des Kapitels möchte die Autorin exemplarisch Kritik an der Erlebnis-
pädagogik äußern, um die teilweise heroische Wirkung der Erlebnispädagogik ab-
zuschwächen und sie als Methode der Sozialen Arbeit mit Schwächen „realistischer“
darzustellen.
Größter Kritikpunkt ist die Transferproblematik. In Frage gestellt wird, ob die Adressa-
tInnen die Lernerfahrungen in ihren Alltag transferieren können, da die Erfahrungen
außerhalb ihres Milieus gemacht werden (vgl. Heckmaier/Michl 2002, 212 in: Pollert,
2006 9). Die Erlebnispädagogik verlässt sich automatisch auf die Tiefe und Kraft des
Erlebnisses und vergisst dabei jedoch, dass sie „mit unbewiesenen Unterstellungen
bezüglich ihrer Wirkungen lebe“ (Raithel/Dollinger/Hormann 2007, 221). Man versucht
zwar mit den verschiedenen Lernmodellen, die im Vorhinein beschrieben wurden, die
Transferproblematik zu umgehen, jedoch fehlen dafür empirische Beweise. Dabei wird
beispielsweise die fehlende Qualitätskontrolle kritisiert. Evaluationen oder Inter-
ventionsstudien im Bereich Transferleistung von Problemlösefähigkeiten und deren
anhaltende Dauer fehlen (vgl. ebd.).
Außerdem wird der Erlebnispädagogik vorgeworfen, dass sie sich fast ausschließlich
an den männlichen Bedürfnissen orientiert. Action, Abenteuer, Risiko oder das
Austesten der eigenen Leistungsgrenze liegt nicht so sehr im weiblichen Interesse als
im männlichen (vgl. Raithel 2004, in: Raithel/Dollinger/Hormann 2007, 221). Erlebnis-
pädagogik ist demnach eine „Männerdomäne“ (Heckmair/Michl 2002, 225 in Pollert,
2006 9). Sie wird einerseits meistens von männlichen Teilnehmern angenommen und
andererseits hauptsächlich von männlichen Fachkräften durchgeführt und arrangiert
(vgl. ebd.).
Aus ökologischer Sicht wird der Erlebnispädagogik vorgeworfen, die Natur als Mittel
zum Zweck zu verwenden und gegen eine Umweltverantwortlichkeit zu wirken, indem
man unberührte Landschaften missbraucht (vgl. Raithel/Dollinger/Hormann 2007, 221).
Die Erlebnispädagogik legt ihre Konzentration hauptsächlich auf Natursportarten und
69
Abbildungsverzeichnis
trägt dabei einen Teil zum Schaden der Umwelt mit sich (vgl. Heckmair/Michl 2002,
215f.).
Ein weiterer wichtiger Punkt ist das „Spiel von Macht und Minderwertigkeit“
(Heckmair/Michl 2002, 219 in: Pollert, 2006 10). Dies bedeutet, dass die durch-
führenden PädagogInnen mit ihren Erfahrungen und der physischen Kraft den
TeilnehmerInnen in den meisten Fällen voraus ist. Dabei vergessen sie oft, dass es
nicht Ziel ist, Höchstleistungen zu erbringen, sondern die Persönlichkeitsentwicklung
der AdressatInnen zu fördern (vgl. Heckmair/Michl 2002, 219 in: Pollert, 2006 9).
Schlussendlich sei die größte Kritik, dass Erlebnisse sich nicht pädagogisieren lassen
(vgl. Oelkers 1992/Schulze 1992 in: Raithel/Dollinger/Hormann 2007, 221), da ein
Erleben subjektiver Natur ist und eine Planbarkeit eines Erlebnisses fraglich bleibt (vgl.
Raithel/Dollinger/Hormann 2007, 222).
Nach diesen exemplarischen Kritikpunkten an der Erlebnispädagogik als Methode der
Sozialen Arbeit kann gesagt werden, dass sie, wie viele Methoden in der Sozialen
Arbeit, nicht garantieren kann, dass sich die AdressatInnen von einem Zustand zu
einem vorher definierten Zustand verändern. Es können lediglich Anregungen und
Unterstützungen angeboten werden (vgl. Galuske 1999, 49 in: Pollert, 2006 10).
Trotzdem bleibt sie eine wichtige Methode, durch die ein Zugang zu AdressatInnen
ermöglicht werden kann. Den SozialarbeiterInnen/SozialpädagogInnen sollten jedoch
die Schwächen bewusst sein, um bestmöglich zu handeln.
70
Abbildungsverzeichnis
6 Klettern als Intervention in der Kinder und Jugend-arbeit – Eine Begriffsbeschreibung
Dieses Kapitel widmet sich kurz und bündig der Definition von Begriffen, die für die
Erarbeitung der zentralen Fragestellungen wichtig sind, welche im letzten und
folgenden Kapitel vorgenommen wird. Geleitet werden die Definitionen von der Frage
„Ist es möglich, den Klettersport als Interventionsmöglichkeit in die Kinder- und
Jugendarbeit zu integrieren?“, die dadurch erarbeitet wird.
6.1 Intervention
Intervention im Sozialwesen ist geprägt von dem Umstand, dass es Menschen in
unserer Gesellschaft gibt, deren Lebensumstände erschwert sind und denen Hand-
lungsweisen oder Handlungsmöglichkeiten fehlen, um ein gesellschaftliches Heraus-
brechen zu vermeiden. In diesen Fällen kann es zu sozialer Isolation kommen (vgl.
Störmer/Vojtová 2006, 17). Intervention kann aber auch präventive Maßnahmen
bringen und eingesetzt werden um mit verschiedenen AdressatInnen deren Hand-
lungsweisen bzw. Ressourcen weitestgehend zu erhöhen bzw. zu stärken, um
erschwerte Lebensumstände eigenständig bearbeiten zu können. „Letztendlich muss
es bei einer Intervention immer darum gehen, Prozesse zu ermöglichen, zu unter-
stützen und zu sichern, in denen der Mensch sich zu einer eigenständigen, selbst-
bestimmten, verantwortlichen, sich selbst und anderer akzeptierende Person ent-
wickeln kann“ (ebd. 18) auch dadurch, dass er eine Vorstellung von sich selbst
entwickeln kann und lernt, Vorstellungen von anderen zu reflektieren.
Bei längeren Recherchen wurde deutlich, dass eine genaue Begriffsdefinition von
Intervention scheinbar nicht existiert. Verschiedene AutorInnen haben sich auf
bestimmte Schwerpunkte konzentriert und diese in ihre Definition eingearbeitet. Nach
unterschiedlichen Begriffserklärungen wagt die Autorin am Ende dieses Kapitels einen
Versuch, eine eigene Definition zu entwickeln.
Der Begriff Intervention stammt von dem lateinischen Wort „intervenire“. Dies bedeutet
so viel wie dazwischenkommen oder dazwischen treten (vgl. Müller 2006, 68).
MÜLLER meint dazu, dass eine personenbezogene Intervention immer einen doppel-
ten Bezug hat, einmal zu einer Person und zum anderen um das Problem das diese
71
Abbildungsverzeichnis
Person hat (vgl. Müller 2006. 69). „Intervention bedeutet […] in diesem […] Sinne also
ein vermittelndes „Dazwischen-Treten“ zwischen eine Person und ihr Problem“ (ebd.
69). Müller sieht aber auch, dass Intervention nicht nur ein Dazwischen-Gehen
zwischen Person und Problem ist, sondern die Vermittlung zwischen verschiedenen
Problemdefinitionen ebenfalls einen Teil der Intervention darstellt (vgl. ebd. 73).
Störmer und Vojtová definieren Intervention als einen Prozess „des sich in Beziehung
Setzens zu sich selbst, zu anderen Personen, zu den Gegenständen und den raum-
zeitlichen Prozessen des Lebens wie auch zum kulturellen Erbes“ diesen Prozess „zu
initiieren, zu ermöglichen, zu unterstützen und abzusichern“ (Störmer/Vojtová 2006,
45).
Im Prozessrecht wird der Begriff Intervention wie folgt definiert: „Eingriff in einen bereits
anhängigen Prozess“ (Fachlexikon der Sozialen Arbeit 2007, 504). In der Therapeuten-
und Beratersprache ist diese Definition schon angenommen worden. Bei Müller ist der
Eingriff eine von drei Formen von sozialpädagogischer Intervention, die sich häufig
ineinander vermischen. Neben Eingriff gibt es noch das Angebot und das gemeinsame
Handeln (vgl. Müller 2006, 140). Um Eingriff als sozialpädagogische Intervention
handelt es sich, wenn eine professionelle Handlung mit Ausübung von Macht
verbunden ist, wohingegen sich ein Angebot von einem Eingriff durch den Verzicht auf
Macht unterscheidet. Ein Angebot als Intervention hängt auch immer damit zusammen,
ob AdressatInnen dieses annehmen oder ablehnen. Das Gemeinsame Handeln als
dritte Form sozialpädagogischer Intervention nach Müller besteht sowohl aus Eingriffen
als auch aus Angeboten (vgl. ebd. 141). Das gemeinsame Handeln als Interventions-
form ist immer ein koproduktiver Prozess zwischen den
SozialarbeiterInnen/SozialpädagogInnen und den KlientInnen (vgl. ebd. 156).
Interessant ist, dass in der amerikanischen Sozialen Arbeit seit Anfang der 60er Jahre
das Wort Intervention statt dem Begriff Methode immer häufiger verwendet wird,
wohingegen in die deutschen Sozialen Arbeit die Intervention als Zusammenfassung
aller „systematischen Handlungsweisen in sozialarbeiterischen Arbeitssituationen auf
der Grundlage von theoriegeleiteten Konzepten, Methoden und Verfahren“ (Fach-
lexikon der Sozialen Arbeit 2007, 504) gelten. Konzepte, Methoden und Verfahren sind
aber Vorgehensweisen, die die Situation mit Möglichkeit auf Veränderung oder
Entwicklung nicht berücksichtigen (vgl. Geißler/Hege 2001, 34).
Folglich wird bei Geißler und Hege von Intervention gesprochen, wenn auf
systemisches Handeln in bestimmten Situationen Bezug genommen wird. Inter-
ventionen können niemals endgültig oder erstarrte Normen sein, da sich Situationen
72
Abbildungsverzeichnis
und Personen immer verändern bzw. entwickeln. Interventionen müssen auch immer
darauf hingehend verändert werden. Sie sind in einem kontinuierlichen Prozess, der
Deutungen, Definitionen und vor allem Neudefinitionen von Situationen verlangt (vgl.
Geißler/Hege 2001, 33ff.).
Um alle Begriffserklärungen bzw. Definitionen zusammenzufassen, könnte Intervention
wie folgt definiert werden: Intervention ist eine sozialpädagogische professionelle
Handlungsweise, in der man sich mit AdressatInnen und deren Problemen
auseinandersetzt. Nach dem lateinischen Wort „intervenire“ tritt der/die SozialarbeiterIn
bzw. SozialpädagogIn zwischen den/die AdressatIn und seine/ihre Probleme und
versucht, zwischen diesen zu vermitteln.
Sie kann präventiv erfolgen, aber sich auch auf aktuelle Problemlagen von Menschen
beziehen. Da innerhalb der Sozialen Arbeit verändernde Systeme eine entscheidende
Rolle haben, ist hierbei eine ständige Bezugnahme auf die verändernden Personen
und Situationen wichtig. Die Intervention muss also immer wieder reflektiert, neu
definiert und bestimmt werden.
Die Intervention sollte immer eine Mischung aus Eingriff, Angebot und gemeinsamem
Handeln sein. Primär ist hierbei immer im Sinne der AdressatInnen zu intervenieren.
Letztendlich sollte es in einer Intervention darum gehen, Prozesse zu ermöglichen, in
denen Menschen unterstützt werden, sich eigenständig, selbstbestimmt und eigen-
verantwortlich zu entwickeln.
6.2 Klettern als Intervention
Da sich diese Diplomarbeit mit dem Thema „Klettern als sozial-/erlebnispädagogische
Intervention in der Kinder- und Jugendarbeit“ befasst, ist es zwingend notwendig,
herauszuarbeiten, ob Klettern potentiell als Intervention in der Sozialen Arbeit an-
wendbar ist. Dafür möchte die Autorin Eigenschaften und Merkmale des Kletterns mit
der Begriffsdefinition der Intervention verknüpfen und herausarbeiten, ob genügend
Konsens besteht, um Klettern als Intervention für die Soziale Arbeit geltend zu machen.
Gleich zu Anfang muss erwähnt werden, dass das Klettern als Sport wie jede andere
Methode oder Handlungsweise in der Sozialen Arbeit nicht als unfehlbar verstanden
werden darf. Es kann seine Funktion nur soweit erfüllen, wenn es kontrolliert und mit
sozialarbeiterischer/sozialpädagogischer Anleitung passiert. Das kann so verstanden
werden, dass Reflexionsgespräche, Übungen bezogen auf Defizite etc. während der
73
Abbildungsverzeichnis
Aktion angeleitet von einem/einer SozialarbeiterIn bzw. SozialpädagogIn passieren.
Durch eine methodische oder theoretische Fundierung soll sich die professionelle
Kinder und Jugendarbeit von der praktischen Sozialarbeit abheben. Diese metho-
dische/theoretische Fundierung wird in nachfolgenden Kapiteln thematisiert.
Intervention bedeutet dazwischenkommen bzw. dazwischentreten. Bezogen auf die
Soziale Arbeit treten die SozialarbeiterInnen/SozialpädagogInnen zwischen die Person
(KlientIn) und deren Problem. Das Klettern als Intervention tritt auch zwischen eine
Person und deren Problem, (vgl. Müller 2006, 68) kann aber bei diversen Problemen
(Arbeitslosigkeit, Drogenabhängigkeit, Depression nach Scheidung der Eltern, etc.)
nicht unmittelbar zwischen ihnen vermitteln. Bezogen auf diese Arbeit ist es bedeutend,
festzuhalten, dass das Klettern eher bei primären Problemen wie mangelndem
Selbstvertrauen, fehlendem Bezug zum eigenen Körper etc. intervenieren, sowie bei
massiven Problemen eher als begleitende Intervention neben spezifischen
Betreuungen wirken kann. Grundsätzlich kann Intervention aber auch, wie am Anfang
des Kapitels dargestellt, präventiv sein und die Handlungsweisen und Ressourcen der
AdressatInnen soweit fördern bzw. stärken, dass erschwerte Lebensumstände
eigenständig bearbeitet werden können.
Klettern kann als ganzheitliche Beschäftigung und Erfahrung mit verschiedensten
persönlichkeitsentwickelnden Förderungen (siehe Kapitel 3.3) insofern vermitteln, als
die Person gefordert wird, ein Problem zu lösen bzw. eine Lösungsstrategie zu
entwickeln (vgl. Klein/Schunk 2005 16). Werden diverse Problemlagen von den
KlientInnen direkt und offen beim Klettern thematisiert, kann durchaus eine direkte
Intervention stattfinden. Wenn angenommen ein Kind bzw. ein/eine Jugendliche/r
äußert, in verschiedenen Situationen ein Problem aufgrund mangelnden Selbst-
vertrauens zu haben, kann mittels gezielten erfolgssteigernden Kletterübungen daran
gearbeitet werden, ein positives Selbstwertgefühl zu erlangen. Klettern kann in solch
einem Fall zwischen die Person und ihr Problem (fehlendes Selbstvertrauen) treten
und vermitteln.
Angelehnt an Störmer und Vojtovà ist Klettern als Intervention ein Prozess bzw. Aktion,
die es Menschen ermöglicht, sich mit sich selbst, anderen Personen, Gegenständen,
dem Raum und der Zeit in Beziehung zu setzen (Störmer/Vojtová 2006, 45). Durch die
Grenzerfahrung auf psychischer, sozialer und motorischer Ebene und die geforderte
Konzentration ermöglicht Klettern den AdressatInnen, sich mit sich selbst als Person
auseinanderzusetzen. Es ist nicht möglich, erfolgreich zu klettern, ohne sich seiner
eigenen Grenzen bewusst zu sein. Mitunter kann es passieren, durch die wiederholte
74
Abbildungsverzeichnis
Wahl der falschen Routen, falschen PartnerInnen oder eines falschen Geländes,
negative Erfahrungen zu machen. Mit anderen Personen zu interagieren ist Voraus-
setzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit beim Sichern. Das Aufbauen von
Vertrauen ist eine logische Konsequenz. (vgl. Winter 2000, 24). Die Ausrüstung, der
Fels bzw. die Kletterhalle, die Griffe und Tritte sowie die zeitlichen Ressourcen
zwingen, sich mit seiner Umgebung und den darin liegenden Gegenständen zu
beschäftigen.
Bezogen auf Müller und seine Definition von Intervention mit drei verschiedenen
Formen, lehnt sich das Klettern als Intervention eindeutig an das Angebot und das
gemeinsame Handeln. Klettern muss auf jeden Fall mit Freiwilligkeit von Seiten der
KlientInnen verbunden sein. Deshalb ist es im Falle eines Angebots ein Eingriff ohne
Ausübung von Macht. Der/die AdressatIn kann so selbst entscheiden, ob er das
Angebot Klettern als Intervention annimmt oder ablehnt, und vor allem, in welcher
Intensität er das Angebot annimmt (vgl. Müller 2006, 141). Beim gemeinsamen
Handeln (vgl. Müller 2006, 156) ist es wie weiter oben beschrieben ein koproduktiver
Prozess zwischen dem/der SozialarbeiterIn/SozialpädagogIn und dem/der KlientIn,
welcher beim Klettern ganz offensichtlich wird, wenn beide zusammen eine Seilschaft
bilden. Der/die SozialarbeiterIn/SozialpädagogIn übergibt sich bei vollständig ge-
sicherten Verhältnissen in die Verantwortung des/der KlientIn (vgl. Winter 2000, 25).
Verknüpft mit Geißler und Hege ist Klettern als Intervention anzuerkennen, da es
niemals endgültig ist. Beim Klettern ist besonders darauf zu achten, dass sich die
Situationen und Personen, die mit der Aktion verbunden sind, ständig verändern und
entwickeln. Die Intervention muss darauf hingehend immer verändert werden (vgl.
Geißler/Hege 2001, 33ff.). So kann bei einer Leistungssteigerung ein höherer
Schwierigkeitsgrad gewählt werden und bei Steigerung der psychischen Grenze
anspruchsvollere Routen erklettert werden. Bei negativen Entwicklungen kann dies nur
umgekehrt erfolgen, dass heißt leichtere Routen und einen niedrigeren Schwierigkeits-
grad.
Zusammenfassend kann die Autorin nach ihrer Begriffsdefinition sagen dass Klettern
durchaus als Intervention geltend gemacht werden kann, da Sozial-
arbeiterInnen/SozialpädagogInnen sich mit verschiedenen AdressatInnen und deren
Problemen auseinandersetzen und zwischen ihnen vermitteln können. Klettern als
Intervention kann außerdem präventiv (siehe Kapitel 7.1.2), aber auch bei aktuellen
Problemlagen von KlientInnen unterstützend und fördernd sein. Dabei wirkt sie zwar
nicht auf das direkte Problem, aber versucht durch persönlichkeitsbildende Maß-
75
Abbildungsverzeichnis
nahmen den Mensch soweit zu fördern, um selbst Lösungen für das primäre Problem
zu finden bzw. gemeinsam mit den SozialarbeiterInnen/SozialpädagogInnen Lösungs-
strategien zu erarbeiten.
Durch die verändernden Systeme, mit denen sich die Soziale Arbeit beschäftigt, ist es
beim Klettern essentiell, immer wieder zu reflektieren und die Situationen, in der sich
die Intervention befindet, neu zu definieren. Grundsätzlich sollte die Intervention
Klettern ein Angebot und gemeinsames Handeln sein und ohne Machtausübung
erfolgen. Im Vordergrund steht dabei immer die Freiwilligkeit. Letztendlich geht es bei
der Intervention Klettern darum, Prozesse und Entwicklungen für die KlientInnen zu
ermöglichen, bei denen sie gezielt unterstützt und gefördert werden, um schlussendlich
eigenständig und selbstbestimmt zu handeln.
6.3 Kinder und Jugendarbeit – Eine Einführung
Grundsätzlich konnte in der Arbeit erkannt werden, dass sie sich auf das Klettern mit
Kindern und Jugendlichen konzentriert, sprich Klettern in der Kinder- und Jugendarbeit.
In folgendem Teil wird kurz beschrieben was Kinder- und Jugendarbeit ist, um zu
veranschaulichen, in welchen Bereichen das Klettern als
sozialpädagogische-/erlebnispädagogische Intervention anzubieten ist.
Die reine Jugendarbeit hat sich in den letzten zwanzig Jahren, bezogen auf ihre
Altersgruppe, verändert. Sie wendet sich heute nicht nur mehr an Jugendliche
zwischen dem vierzehnten und achtzehnten Lebensjahr, sondern hat ihr Angebot
weiter ausgedehnt auf Kinder und postadoleszente Jugendliche. Somit hat sie sich zur
Kinder- und Jugendarbeit weiterentwickelt (vgl. Küster/Thole 2004, 213).
„Das sozialpädagogische Handlungsfeld der Kinder- und Jugendarbeit ist ein vielfältig
strukturiertes, […], von freien wie öffentlichen Trägern gestaltetes, pädagogisches
Handlungsfeld“ (Cloos/Köngeter/Müller/Thole 2009, 11). Dieses Handlungsfeld umfasst
sowohl die pädagogische Arbeit in diversen Jugendfreizeiteinrichtungen, Wohn-
gemeinschaften für Kinder und Jugendliche etc. als auch die Jugendvereinsarbeit,
Jugendsozialarbeit und die kulturelle, sportliche und politische Kinder- und Jugend-
bildungsarbeit. Grundsätzlich hat sich das Handlungsfeld der Kinder- und Jugendarbeit
„als außerschulisches Sozialisationsfeld in den letzten Jahrzehnten etabliert“ (ebd.).
Einer der allgemeinsten Definitionsversuche der Kinder- und Jugendarbeit beschreibt
dieses Handlungsfeld als ein Feld, das „alle außerschulischen und nicht ausschließlich
76
Abbildungsverzeichnis
berufsbildenden, vornehmlich pädagogisch gerahmten und organisierten, öffentlichen,
nicht kommerziellen bildungs-, erlebnis- und erfahrungsbezogenen Sozialisationsfelder
von freien und öffentlichen Trägern, Initiativen und Arbeitsgemeinschaften umfasst“
(Thole 2000, 23). Dort können Kinder ab dem Schulalter bis zu postadoleszenten
Jugendlichen „selbstständig, mit Unterstützung oder in Begleitung von ehrenamtlichen
und/oder beruflichen MitarbeiterInnen, individuell oder in Gleichaltrigengruppen, zum
Zweck der Freizeit, Bildung und Erholung einmalig, sporadisch, über einen
turnusmäßigen Zeitraum oder für eine längere, zusammenhängende Dauer zu-
sammenkommen und sich engagieren“ (Thole 2000, 23).
Das „Klettern als Intervention“, das in dieser Arbeit behandelt wird, soll für alle Bereiche
in der Kinder- und Jugendarbeit geltend gemacht werden. Dem Handlungsspielraum
beim Klettern als Intervention soll grundsätzlich keine Grenzen gesetzt werden.
Sozusagen kann es in der offenen Kinder- und Jugendarbeit als freizeitpädagogisches
Projekt, in einer Wohngemeinschaft oder als Intensivbetreuung in der Einzelfallhilfe
angewendet werden.
Grundsätzlich ist das Klettern als Intervention in allen Handlungsbereichen der Kinder-
und Jugendarbeit möglich, wenn die voraussetzenden Ressourcen vorhanden sind.
Damit sind sowohl die Ausrüstung, die zeitliche Komponente, die finanziellen Möglich-
keiten und die örtlichen Gegebenheiten (Kletterhalle/Klettergarten) gemeint, als auch
die Kompetenz der Interventionsleitenden SozialarbeiterInnen/SozialpädagogInnen
und/oder eine Möglichkeit des Zugangs zu externen ExpertInnen.
In dieser Arbeit ist, wie aus dem Titel hervorgeht, ein lebensweltorientierter-
sozialpädagogischer und erlebnispädagogischer Schwerpunkt auf die Intervention
Klettern gelegt. Bedient man sich in der Kinder- und Jugendarbeit des Kletterns als
Intervention, ist eine Methodenwahl insofern bedeutend, da die unterschiedlichen
Schwerpunkte verschiedene Handlungseinschränkungen/-möglichkeiten bieten und um
wirkungsvolle Konzepte von der Leistung und der zugehörigen Zielerreichung zu
erstellen, um die individuelle Situation der Adressaten zu verbessern (vgl. Corsa 2008,
96).
77
Abbildungsverzeichnis
7 Klettern als sozial-/erlebnispädagogische Intervention in der Kinder- und Jugendarbeit
„Wenn es einen Glauben gibt, der Berge versetzen kann,
so ist es der Glaube an die eigene Kraft.“
(Marie von Ebner-Eschenbach)
Dieses Kapitel geht einer weiteren zentralen Fragestellungen dieser Arbeit nach „Wirkt
Klettern erlebnispädagogisch und ist Klettern lebensweltorientiert?“.
Hierfür werden die beiden zentralen Theoriezugänge der Arbeit, die Lebenswelt-
orientierung und die Erlebnispädagogik, einleitend anhand der Kinder- und Jugend-
arbeit beschrieben und danach mit den zugehörigen Handlungsmaximen am Klettern
bezogen auf die Fragestellung konkretisiert, um die letzte Fragestellung schlussendlich
zu beantworten.
7.1 Klettern als lebensweltorientierte sozialpädagogische Intervention
Klettern ist eine ganzheitliche Aktion. Es inkludiert die physischen, psychischen und
sozialen Aspekte eines Menschen und fordert, sich situationsgemäß zu konzentrieren
und sich vollkommen darauf einzulassen. Das Klettern kann langfristig gesehen zu
einer Freizeitbeschäftigung werden und sich somit direkt in die Lebenswelt der
AdressatInnen einbinden. Freizeitbeschäftigung zum einen, da diese direkt in den
Alltag der AdressatInnen verankert ist und Intervention zum anderen, da sie in den
Alltag der KlientInnen einzutreten versucht, um dort unterstützend zu agieren (siehe
Kapitel 6.2). Die offene Jugendarbeit sieht eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung als
geselliges, unterhaltsames und bildendes Angebot. Dies sind Eigenschaften, die das
Klettern (siehe Kapitel 3.3) eindeutig hervorzubringen vermag. Wichtig ist beiderseits,
dass Angebote geschaffen werden, welche die Entwicklung im Interesse der Kinder
und Jugendlichen fördern und die auch selbst mitbestimmen und mitgestalten können
(vgl. Fromme 2005, 133).
78
Abbildungsverzeichnis
Im folgenden Teil dieses Kapitels wird versucht herauszuarbeiten, ob Möglichkeiten
bestehen Klettern als Intervention zu nutzen, um sich sozialpädagogisch (lebenswelt-
orientierte Soziale Arbeit/Sozialpädagogik) in die Lebenswelt der KlientInnen einzu-
bringen.
7.1.1 Lebensweltorientierte Sozialpädagogik/Soziale Arbeit in der Kinder- und Jugendarbeit
Wendet man sich in der Kinder- und Jugendarbeit dem Konzept der lebenswelt-
orientierten Sozialen Arbeit/Sozialpädagogik zu, ergeben sich bestimmte
Überschneidungsflächen der Handlungsmaximen der Lebensweltorientierung und der
gängigen Kinder- und Jugendarbeit. Die Autorin möchte dies auszugsweise an
folgenden Beispielen veranschaulichen:
Kinder- und Jugendarbeit basiert auf pädagogischen und alltagsnahen Arrangements
entlang der sozialen, räumlichen und zeitlichen Bezüge ihrer AdressatInnen. Dies
findet sich exemplarisch in „Sozialräumlicher Jugendarbeit“ oder in „Wohngemein-
schaften für Kinder und Jugendliche“ wieder. Damit ist gemeint, dass die Kinder- und
Jugendarbeit in den meisten Bereichen des Handlungsfeldes im direkten Alltag bzw.
Lebensumfeld ihrer AdressatInnen handelt und arbeitet. Dort ist die Kinder- und
Jugendarbeit innerhalb des Programms der lebensweltorientierten Sozialen
Arbeit/Sozialpädagogik ein Reagieren auf einer Darstellungs-, Experimentier- und
Aushandlungsbühne der AdressatInnen, da diese Raum haben, sich selbst und ihre
Habitualisierungen zu erproben, erforschen, weiterzuentwickeln oder zu überdenken
(vgl. Küster/Thole 2004, 222).
Kinder- und Jugendarbeit fordert das Prinzip Freiwilligkeit in den meisten Bereichen
des Arbeitsfeldes ein. Sie versucht, Kinder und Jugendliche in Demokratisierungs-,
Partizipations- und Integrationsprozesse einzugliedern und fördern (vgl. ebd.). Dies ist
vor allem im Verhältnis zur Erwachsenenwelt zu sehen. Kinder- und Jugendarbeit
versucht, ihre AdressatInnen zu ermöglichen, Meinungen zu äußern, an der Erwach-
senenwelt zu partizipieren und sie zu integrieren, so dass sie auch ernst genommen
werden.
Kinder- und Jugendarbeit „sieht ihr Handeln mit und für Kinder und Jugendliche nicht
als exklusives, von anderen Lebensbereichen der AdressatInnen isoliertes Feld,
sondern positioniert sich im Sinne einer Hilfe zur Lebensbewältigung und
Identitätsbildung als Beratungs-, Hilfe-, und Bildungsangebot in Relation beispielsweise
79
Abbildungsverzeichnis
zu Elternhaus und Schule“ (Küster/Thole 2004, 223). In diesem Sinne handeln ihre
VertreterInnen direkt in der Lebenswelt der KlientInnen.
Kinder- und Jugendarbeit wirkt regionalisierend und antizentralisierend aus den histori-
schen Wurzeln der kommunalen und verbandlichen Kinder- und Jugendarbeit heraus.
Die Kinder- und Jugendhilfeausschüsse sind als Formen der Vernetzung fest in die
Kinder- und Jugendarbeit implementiert.
Zusammenfassend gesehen „ergibt sich das Bild, dass die […] Programmatik einer
„Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit“ für den Bereich der Kinder- und Jugendarbeit
nicht erst entworfen werden muss, da sie – quasi als Sammlung evidenter Prinzipien –
dort bereits fest verankert ist, und eher einen […] konzeptionellen Hintergrund abgibt,
vor dem konkrete Ausformulierungen […] zu entwerfen sind“ (ebd. 223).
Um dieses Unterkapitel abzuschließen, ist es von immanenter Wichtigkeit, fest-
zuhalten, dass Kinder und Jugendliche reale soziale Räume bedürfen, in denen sie die
Möglichkeit haben, ihre Mündigkeit fantasievoll, mit möglichst wenig Kontrolle zu
erproben (vgl. ebd. 229). Das Zentrum dieser lebensweltorientierten Sozialen
Arbeit/Sozialpädagogik in der Kinder- und Jugendarbeit bilden Alltagsorte von Kindern
und Jugendlichen und deren Freizeitaktivitäten.
7.1.2 Klettern und die Handlungsmaximen der Lebensweltorientierung
Im folgenden Teil dieses Kapitels möchte die Autorin die Frage klären, ob Klettern am
Konzept der lebensweltorientierten Sozialpädagogik als sozialpädagogische Inter-
vention geltend gemacht werden kann. Dazu nimmt sie die fünf Struktur- bzw.
Handlungsmaximen der Lebensweltorientierung von Hans Thiersch und konkretisiert
sie am Beispiel Klettern in der Kinder- und Jugendarbeit.
a. Prävention
In der vergangenen Zeit wurde Jugendhilfe immer erst aktiv, wenn bereits Probleme
aufgetreten waren. Salopp formuliert, „wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen
war“ (Schilling/Zeller 2007, 169). Im achten deutschen Jugendbericht von 1990 setzte
sich eine präventive Orientierung durch. Primäre Prävention bedeutet, dafür zu sorgen,
dass Kinder und Jugendliche in lebenswerten und stabilen Verhältnissen leben, die
nicht zu Konflikten oder Krisen führen. Sekundäre Prävention wird als vorbeugende
Hilfe in Situationen beschrieben, „die erfahrungsgemäß belastend sind und sich zu
80
Abbildungsverzeichnis
Krisen auswachsen können“ (www.aba-fachverband.org, 16.03.2010). „Von einer Krise
spricht man, wenn es einem Menschen nicht gelingt, bestimmte belastende Ereignisse
oder eine geänderte Lebenssituation zu bewältigen“ (Kirchhefer 2005, 108). „Auslöser
einer Krise können Stresssituationen, Konflikte oder Verlusterlebnisse sein“ (ebd.),
genauso wie körperliche oder psychische Krankheiten. Hilfen in akuten Situationen
sind natürlich im Aufgabenspektrum der Jugendhilfe nicht als unwichtiger hinzunehmen
(vgl. www.aba-fachverband.org, 16.03.2010). Klettern versucht einerseits, mit den
daraus resultierenden positiven Aspekten11 eine gezielte Förderung des Selbstwertes,
der sozialen Kompetenzen, der Angstüberwindung und Grenzerfahrung, etc. zu
erreichen und somit die individuellen Ressourcen der Kinder und Jugendlichen zu
steigern, um ihnen die Möglichkeit zu geben, mit bestimmten Krisen und Konflikten
besser umzugehen. Dies kann beim Klettern vor allem deshalb erreicht werden, da
eine Sensibilisierung der Eigenwahrnehmung möglich ist. Somit bekommen Kinder-
und Jugendliche ein besseres Verständnis von sich selbst und den individuellen
Herausforderungen des Lebens. Andererseits hilft es auf gleicher Weise Ressourcen
zu erzeugen oder anzuregen, um bereits belastende Situationen nicht erst zu Krisen
auswachsen zu lassen. Sozusagen kann einem negativen Körpergefühl, wie es gerade
bei weiblichen Jugendlichen in der Pubertät häufig vorkommt, durch gewonnenes
Selbstvertrauen und Gruppenzugehörigkeit entgegen gewirkt werden. Natürlich ist das
Klettern kein „Wundermittel“, das alle Lösungen auf Probleme automatisch mit sich
bringt. Umso wichtiger ist es für die SozialarbeiterInnen/SozialpädagogInnen, in
diesem Setting belastende Situationen bei den KlientInnen einzuschätzen, um gezielt
an diesen zu arbeiten. Wird ein defizitäres Sozialverhalten bei den TeilnehmerInnen
bemerkt, kann durch gruppendynamische Kletterübungen darauf hingehend gearbeitet
werden.
Dezentralisierung
Lebensweltorientierte Soziale Arbeit/Sozialpädagogik bedeutet Angebote zu dezent-
ralisieren und regionalisieren. Zum einen ist das zentrale Ziel hierbei, Angebote und
Organisationsstrukturen zu verlagern und die Zugangsmöglichkeiten für Kinder und
Jugendliche zu erleichtern. Zentrale Voraussetzung hierfür ist eine gute regionale
Erreichbarkeit und niederschwellige Angebote (Schilling/Zeller 2007, 170). Zum
anderen ist eine „Verlagerung von Zuständigkeiten an die Basis und die daraus
11 siehe Kapitel 3.3
81
Abbildungsverzeichnis
resultierende Planung und Kooperation der beteiligten Personen“ (Schilling/Zeller
2007, 170) notwendig. Dies bedeutet, dass es zu einer Übertragung beruflicher Hand-
lungs- und Entscheidungsmöglichkeiten von den jeweiligen Führungskräften und deren
Ebene auf die Ebene der Beratungs- und Arbeitsebene in der Sozialen Arbeit kommt.
Somit erlangen Fachkräfte in Einrichtungen eine freie Entscheidungskompetenz,
tragen aber im Gegenzug mehr Macht und
Verantwortung für ihr eigenes Handeln (vgl. Bassarak
2006, 216).
Beim Klettern als sozialpädagogische Intervention am
Konzept der lebensweltorientierten Sozialpädagogik ist
es bedeutend, das Angebot möglichst zentral und
barrierefrei zu halten. Beispielsweise gibt es in vielen
Städten die Möglichkeit in Indoorhallen zu klettern, die
mit dem öffentlichen Verkehr in den meisten Fällen gut
zu erreichen sind. Sollten Klettergärten in der Natur
gewählt werden, muss unbedingt ein guter Zugang für
die Kinder und Jugendlichen ermöglicht werden, etwa
so, dass ein Bus organisiert werden kann oder Fahr-
gemeinschaften gebildet werden. Lebenswelt-
orientierung in diesem Sinne gilt, die Angebote
dahingehend zu planen, dass sie in den Möglichkeiten
der KlientInnen liegen, diese annehmen zu können. Als
hervorragend würde sich ein Kletterturm oder eine
Kletterwand in der (geografischen) Lebenswelt der
Jugendlichen erweisen. Zum Beispiel könnte ein
mobiler Kletterturm direkt an Plätzen aufgestellt werden,
wo sich die Kinder und Jugendlichen die meiste Zeit
aufhalten. In Graz gibt es beispielsweise eine Kletterwand an der Promenade an dem
Fluss Mur, die von der Öffentlichkeit genutzt werden kann. Diese Promenade ist ein
Ort, wo sich viele Jugendliche in ihrer Freizeit aufhalten und „herumhängen“. Man
würde bei der Auswahl dieser Kletterwand direkt im Lebensbereich der Jugendlichen
agieren. Um die Angebote außerdem barrierefrei zu halten, ist es notwendig, die
Klettereinheiten so zu organisieren bzw. zu planen, dass sie keine Vorkenntnisse bzw.
aufbauenden Leistungen verlangen. Jedes Kind bzw. jeder Jugendliche sollte die
Möglichkeit haben, zu jeder Zeit einzusteigen. Problematisch kann die Barrierefreiheit
82
Abbildung 7: Kletterrouten an
der Mur in Graz (Foto Georg
Pichler)
Abbildung 8: Klettergarten in der
"Lebenswelt" von Jugendlichen
in Graz (Foto Georg Pichler)
Abbildungsverzeichnis
werden, da Klettern aus versicherungstechnischen Gründen unbedingt das
Einverständnis von Eltern oder Erziehungsberechtigten benötigt, und somit für Kinder
und Jugendliche mit problematischen Familienkonstellationen eine Hürde entstehen
kann, die Eltern darum zu bitten.
Wie bereits erwähnt, ist es als SozialarbeiterIn/SozialpädagogIn bedeutungsvoll,
eigenständig arbeiten zu können, da in professionellen Situationen meist akuter
Handlungsbedarf besteht, der keine Zeit hat um erst mit den Instanzen in den Füh-
rungsebenen besprochen zu werden. Werden Kletterprojekte organisiert, muss die
Entscheidungskompetenz immer in der Hand der ProjektleiterInnen liegen. Diese
müssen entscheiden können, welcher Ort gewählt wird, welche KlientInnen fähig sind,
bestimmte Routen zu gehen, ohne sich zu verletzen oder negative Erfahrungen zu
machen und wie das Projekt im Gesamten aufgebaut ist. Es wäre kontraproduktiv,
wenn eine Entscheidungsmacht von einer Führungsebene über solche Projekte
entscheiden würde, wenn sie persönlich nicht daran beteiligt wären, da somit die
Handlungsmöglichkeit des/der kletternden SozialarbeiterIn/SozialpädagogIn ein-
geschränkt wäre. Würde ein/eine SozialarbeiterIn/SozialpädagogIn aus einer stationä-
ren Jugendwohlfahrtseinrichtung mit den Kindern und Jugendlichen klettern gehen,
müsste diese, um eigenständig und kompetent zu arbeiten, zumindest bis zu einem
gewissen Grad freie Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeit haben. Im Gegenzug
dafür, wie bereits erwähnt, würde für ihn/sie mit dieser Macht auch ein großer Teil an
Verantwortung auf sie übertragen werden. Diesbezüglich ist es dringend notwendig,
alle Eventualitäten (Risiken) im Vorhinein bereits ausführlich zu besprechen und
abzuklären. Dies kann aber zur Folge haben, dass eine Einschränkung in der Organi-
sation und Durchführung geschieht.
Alltagsnähe
In der lebensweltorientierten Jugendhilfe ist aber nicht nur eine Regionalisierung der
Angebote von Nöten, sondern ein Zugang zum Alltag der AdressatInnen. Sich ab-
wendend von der Tendenz zur Distanz von Alltag in der institutionalisierten Sozialen
Arbeit, versucht eine lebensweltorientierte Jugendhilfe organisatorische, institutionelle
und temporäre Zugangsbarrieren abzubauen, um im Erfahrungsraum der Jugendlichen
unmittelbar anwesend zu sein (vgl. www.aba-fachverband.org, 16.03.2010, 87).
Diese Handlungsmaxime der Lebensweltorientierung muss in Bezug auf das Klettern
kritisch betrachtet werden. Grundsätzlich ist es möglich, Klettern durch Regelmäßigkeit
83
Abbildungsverzeichnis
(zumindest wöchentlich) als alltägliche Aktion für Kinder und Jugendliche in deren
Lebenswelt zu integrieren. Würde es gelingen, eine Kontinuität für die KlientInnen
herzustellen und somit ein „Hobby“ bzw. eine Freizeitbeschäftigung für sie zu ent-
wickeln, kann Alltagsnähe geschaffen werden. Anders formuliert, die Lebenswelt kann
durch etwas „Neues“ ergänzt bzw. erweitert werden.
Im Weiteren ist dieser Punkt sensibel zu behandeln, da er grundsätzlich das Gegenteil
meint von einem der fünf Merkmale der Erlebnispädagogik. Der „Erlebnischarakter“
(siehe Kapitel 5.3.3) plädiert darauf eine Distanz zum Alltag der AdressatInnen
herzustellen, um den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu bieten, Abstand zu
den schwierigen, herausfordernden und überfordernden Seiten der eigenen Lebens-
welt zu gewinnen. Eine Kletter-Aktion außerhalb des eigenen Alltags kann dazu führen
abzuschalten und diverse Probleme für einen Moment zu vergessen, was bei diesem
Sport funktionieren kann, da er zu Konzentration auffordert und andere Gedanken und
Dinge vergessen lässt. Diese vorteilhafte Distanz wird aber auch bei Regelmäßigkeit
hergestellt bzw. bei Freizeitprojekten, die im Lebensbereich der AdressatInnen statt-
finden, denn in dem Moment, in dem die Aktion durchgeführt wird, können die Vorteile
trotzdem entstehen. Zusammenfassend kann bei diesem Punkt festgestellt werden,
dass es bei sozialpädagogischem Klettern möglich ist, Alltagsnähe herzustellen, dies
aber streng von dem Handlungsmaximen der Erlebnispädagogik zu trennen ist.
Integration – Normalisierung
Lebensweltorientierte Soziale Arbeit ist zum großen Teil bestimmt durch Prävention.
Sie versteht sich als Normalangebot für alle Menschen Dies bedeutet, die Arbeit mit
Menschen in unbelasteten Situationen. Hans Thiersch erweitert seinen sozial-
pädagogischen Ansatz um das Leistungsangebot für Menschen in belasteten Lebens-
umständen. Dies bedeutet somit, dass beim lebensweltorientierten Ansatz keine
AdressatInnen ausgeschlossen werden müssen (vgl. Schilling/Zeller 2007, 1970).
Die Sportart Klettern kann ein sozial-/ erlebnispädagogisches Angebot für Menschen in
unbelasteten aber auch belasteten Lebensumständen sein. Durch die verschiedenen
Variationen (Sportklettern, Bouldern, Toprope, Vorstieg, etc.) und Schwierigkeitsgrade
ermöglicht es fast jedem Menschen, diesen Sport durchzuführen und damit Vorteile für
sich selbst entdecken. Bei verschiedenen Projekten haben Menschen aus unterschied-
lichen sozialen Gefügen die Möglichkeit, zu klettern und sich in der Gruppe zu
integrieren und das Leben zu einem kleinen Stück innerhalb des geschützten
84
Abbildungsverzeichnis
Rahmens zu normalisieren. Dies kann passieren, weil diverse Vorteile durchs Klettern
für die Menschen entstehen, es in der Gemeinschaft durchgeführt wird, etc.
Im Folgenden möchte die Autorin ein paar Einrichtungen bzw. Projekttitel vorstellen um
zu veranschaulichen, dass in Österreich bereits bestehende Projekte vorhanden sind,
welche sich speziell auf das Klettern mit bestimmten Zielgruppen richten.
Sport bringt in den meisten Fällen auch nicht nur Exklusion, aus biologischen oder
psychischen Gründen mit sich, sondern bedingt durch die Gesellschaftsschichten.
Kinder und Jugendliche, die aus höheren Einkommens- oder Gesellschaftsschichten
stammen, nehmen sportive Angebote eher wahr als solche, die aus ein-
kommensschwachen Familien stammen. (vgl. www.webnetwork-nordwest.de,
26.03.2010, 6) Das sportliche Angebot muss also barrierefrei, auch im Sinne der
Finanzierung und offen für jeden gestaltet werden. Diesbezüglich muss Integration
mehr bedeuten, als nur innerhalb der Aktion integrativ zu wirken. Wird mit Kindern und
Jugendlichen aus einer Wohngemeinschaft geklettert, bedeutet dies nicht, dass sich
die Kinder und Jugendlichen dadurch in die Gesellschaft integrieren können. Deshalb
85
− Klettern mit behinderten Menschen
− "Klettern als Therapie für körper- und mehrfachbehinderte Kinder" in
Mäder in Vorarlberg (vgl. ergotherapie-gorbach.com, 26.03.2010).
− Klettern mit Drogenabhängigen
− Stationäre Langzeittherapie „Grüner Kreis“ (vgl. www.gruenerkreis.at,
26.03.2010)
− Schnupperklettern für AnfängerInnen bei der Drogenberatung Graz
(vgl.www.drogenberatung.steiermark.at, 26.03.2010)
− Klettern mit psychisch kranken Menschen
− Zeit für eine „Atempause“ (erlebnispädagogisches Projekt mit Kletter-
einheiten) (vgl. www.alpenverein.at, 26.03.2010)
− Klettern mit psychisch kranken Kindern und Jugendlichen im Landes-
krankenhaus Leoben (vgl. www.gsund.net, 26.03.2010)
− Klettern mit Kindern und Jugendlichen
− Kinderklettern im Pinzgau in Salzburg (vgl. salzburg.orf.at, 26.03.2010)
Abbildungsverzeichnis
wären etwa Überschneidungen bestimmter Kletterprojekte eine Möglichkeit, um
Adressaten aus verschiedenen Handlungsfeldern (Schulkinder und behinderte Kinder,
etc.) miteinander in kontrollierten Rahmen zu konfrontieren. Außerdem können Kinder
und Jugendliche beim Klettern als Intervention in der Kinder und Jugendarbeit den
Sport in einem geschützten Rahmen austesten, und bekommen möglicherweise den
Mut dazu, in externe Vereine (Alpenverein, Naturfreunde, etc.) einzutreten, da sie erste
Fähigkeiten schon erlernt haben. Gerade für junge Menschen ist es oft schwierig
alleine Neues auszuprobieren. Haben sie aber Selbstvertrauen, weil ein Grundkönnen
schon vorhanden ist, wird diese Hürde leichter. Zusammenfassend kann gesagt
werden, dass ein Prozessziel einer „körperorientierten“ Sozialen Arbeit anhand des
Kletterns ist, allen Kindern und Jugendlichen ein „normales“ Angebot zu geben und
sich deshalb darauf zu konzentrieren ein integratives Angebot für jeden zu schaffen
(www.webnetwork-nordwest.de, 26.03.2010, 6).
Partizipation
„Wenn lebensweltorientierte Jugendhilfe darauf hinzielt, dass Menschen sich als
Subjekte ihres eigenen Lebens erfahren, ist Partizipation eines ihrer konstitutiven
Momente“ (vgl. www.aba-fachverband.org, 16.03.2010, 88). Freiwilligkeit,
Mitbestimmung und Selbsthilfe sind hierbei wesentliche Merkmale der Partizipation
(vgl. Schilling/Zeller 2007, 1970). Situative Partizipation der AdressatInnen kann sich
immer nur in der Grundhaltung der beteiligten Erwachsenen zeigen. Der/die
SozialarbeiterIn/SozialpädagogIn wird somit aufgefordert, gemeinsam mit den
KlientInnen nach Lösungen zu suchen, die für alle Beteiligten zufriedenstellend sind
(vgl. Zinser 2005, 160).
„Sport und Bewegung üben auf Jugendliche eine enorme Faszination aus. Kinder und
Jugendliche müssen dazu nicht erst mühsam motiviert werden. Die Ausübung von
sportlichen Aktivitäten, die Teilhabe an Trendsportarten und Bewegungskulturen ist für
Jugendliche in hohem Maße attraktiv und wird zumeist aus Eigeninitiative heraus
gesucht“ (www.webnetwork-nordwest.de, 26.03.2010, 10).
Klettern erfordert rein vom sportlichen Aspekt her, automatisch Partizipation. Kinder
und Jugendliche können nur klettern, wenn sie aktiv daran teilnehmen, da Sport immer
eigene Kraft, Ausdauer und Energie erfordert. Wird ihnen bewusst, dass jede Be-
wegung, jeder Griff nach oben und jede geschaffte Route ihr eigenes Werk ist, können
sie sich als Subjekt ihres eigenen Lebens erfahren. Bedeutend beim Klettern ist, dass
86
Abbildungsverzeichnis
die AdressatInnen dies freiwillig machen. Ohne Konzentration und Freude kann die
vollständige Leistung beim Klettern nicht erbracht werden, und dies kann zu negativen
Erfahrungen und rückwirkendem Selbstvertrauen führen. Klettern kann diesbezüglich
durchaus als Primärerfahrung bezeichnet werden, was bedeutet, dass Kinder und
Jugendliche beim Ausüben des Sports direkt beteiligt sind und mit all ihren Sinnen
teilnehmen (vgl. Lang 1995, 25). Beim Klettern sind außerdem projektorientierte
Beteiligungsformen bedeutungsvoll. Sie beziehen sich auf die Vorbereitungen eines
Planungsvorhabens (vgl. www.webnetwork-nordwest.de, 26.03.2010, 10). Werden die
Kinder und Jugendlichen in den Vorbereitungsprozess der Klettereinheit (Routen-
planung, Spieleauswahl, etc.) eingeschlossen, fördert dies ein Gefühl des ernst
genommen Werdens und das Zusammengehörigkeitsgefühl. Zusätzlich erfordert
Mitbestimmung Partizipation von den TeilnehmerInnen. In bestimmten Bereichen der
Kinder- und Jugendarbeit, wie offene/mobile Kinder- und Jugendarbeit, Projektarbeit
mit Kindern und Jugendlichen etc. soll ein freier Zugang zum Klettern für Kinder und
Jugendliche gegeben sein, soweit dies rechtlich gestattet ist (vgl. ebd.). Zum Schluss
muss auf jeden Fall noch erwähnt werden, dass es beim Klettern immer begründete
Regeln gibt, die keine Modifikation des Angebots erlauben. So können Sicherungs-
techniken nicht nach Belieben der TeilnehmerInnen verändert werden. Somit erlaubt
das Klettern Mitbestimmung und Mitgestaltung solange die Sicherheit aller Beteiligten
gewährleistet ist.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Sozialpädagogik nach Hans
Thiersch wie auch die Soziale Arbeit sich an der jeweiligen Lebenswelt ihrer
AdressatInnen orientiert und Hilfe zur Bearbeitung in sozialen Krisen bzw. Konflikten
gibt. Nach den Handlungsmaximen arbeitet sie präventiv, dezentralisierend bzw.
regionalisierend und gilt als Normalangebot für ihre AdressatInnen. Die lebenswelt-
orientierte Sozialpädagogik arbeitet im Alltag der KlientInnen und fordert bzw. setzt
Partizipation der Individuen voraus.
Bezogen auf das Klettern bedeutet dies, dass SozialarbeiterInnen/SozialpädagogInnen
durch den Sport Klettern ermöglicht werden kann, in die Lebenswelt von Kindern und
Jugendlichen einzudringen und somit mit ihnen zu arbeiten, da bei fast allen
Handlungsmaximen der Lebensweltorientierung ein Konsens mit den Vorteilen des
Kletterns besteht. Das Eindringen in die Lebenswelt der Klienten beschreibt Thiersch
außerdem auch als „offensive Einmischung im Sinne der AdressatInnen“ (vgl.
Schilling/Zeller 2007, 171).
87
Abbildungsverzeichnis
Die Autorin zieht aus dem vorhergehenden Kapitel den Schluss, dass Klettern als
sozialpädagogische Intervention eingesetzt werden kann. Diesbezüglich kann die
Fragestellung „Ist Klettern lebensweltorientiert?“ positiv beantwortet werden. Von
großer Bedeutung hierbei ist, dass dies nur geschehen kann, wenn die sozial-
pädagogische Intervention an den Arbeitsansatz der Lebensweltorientierung angelehnt
ist. Grundsätzlich ist dies in allen Bereichen der Kinder- und Jugendarbeit möglich.
Gefordert wird hierbei nur eine genaue Beschreibung der Wirkungsziele des Vor-
habens. So würde das Klettern in einer Wohngemeinschaft eher darauf zielen, eine
neue Freizeitbeschäftigung für die BewohnerInnen zu schaffen, um ihre Lebenswelt zu
erweitern. In einer Intensivbetreuung mit einem/einer KlientIn liegt das Augenmerk
vermutlich auf Lösungsfindungen und Problembewältigung. Natürlich kann, wie oben
formuliert, das Klettern grundsätzlich auch nur als präventive Maßnahme in der Kinder-
und Jugendarbeit genutzt werden.
Als zweite Bezugsmöglichkeit wird im Folgenden das Klettern an der Methode der
Erlebnispädagogik beschrieben.
7.2 Klettern als erlebnispädagogische Intervention in der Kinder- und Jugendarbeit
Es ist anzunehmen, dass die Erlebnispädagogik als Methode der Sozialen Arbeit
grundsätzlich in allen Handlungsfeldern anwendbar ist. Die Rahmenbedingungen sind
auf das individuelle Klientel zu richten. Es macht wenig Sinn, mit Senioren schwerste
Routen zu klettern oder einen reißenden Fluss mit dem Kajak zu befahren, wenn die
physischen Voraussetzungen bei ihnen nicht mehr gegeben sind. Diese Diplomarbeit
richtet sich rein auf die Kinder- und Jugendarbeit, weshalb auch im folgenden Kapitel
die Methode des Kletterns speziell im Hinblick auf diese Zielgruppe bearbeitet wird.
Dies bedeutet aber nicht, dass dies in anderen Handlungsfeldern mit bestimmten
Abänderungen nicht anwendbar ist.
7.2.1 Erlebnispädagogik in der Kinder und Jugendarbeit
Kinder und Jugendliche wachsen in einer Zeit auf, die von verschiedenen Medien, die
kaum authentische Erlebnisse zulassen, bestimmt wird. Gewalttätige Computerspiele
und Filme zeigen aber, dass bei Kindern und Jugendlichen der Wunsch nach
Abenteuer und Nervenkitzel nach wie vor vorhanden ist. Grundsätzlich sucht der
Mensch nach Erlebnissen, die ihn Erfahrungen sammeln lassen, um für ihn einen Sinn
88
Abbildungsverzeichnis
des Lebens zu finden. Somit wird die Beziehung zum eigenen Leben über Erlebnisse
aufgebaut. Kann dem Wunsch nach Abenteuer und Nervenkitzel bzw. dem Erlebnis
nicht auf legaler Weise nachgegangen werden, kommt es häufig zu delinquentem oder
kriminellem Verhalten, um Grenzerfahrungen zu machen (Brück/Boecker 2004, 94f.).
Vor diesem Hintergrund wird dem Erlebnis eine pädagogische Bedeutung zuge-
sprochen. Durch attraktive, spannende Angebote versucht die Erlebnispädagogik
Kindern und Jugendlichen erlebnisreiche Situationen zu schaffen, die abenteuerlich
sind. Erlebnispädagogische Aktionen sollen Kinder und Jugendliche ermöglichen, ihre
eigenen Grenzen zu erkennen und möglicherweise zu überwinden, sich selbst mit
anderen zu erleben, ihre Eigenaktivität und Problemlösestrategien zu fördern und
weiterzuentwickeln und die Handlungsfähigkeit ihres Körpers zu erfahren (vgl. Gilles
2005, 281). Kinder und Jugendliche befinden sich grundsätzlich in einer Phase des
Lebens, in der die Persönlichkeit eher durch unterschiedliche Einflüsse geprägt wird
als bei Erwachsenen
Bei pädagogisch begleiteten Erlebnissen sollen „Einstellungen, Interesse, Motivationen
und Handlungen aufgebaut und im Persönlichkeitsprofil prägende und richtungs-
weisende Akzente gesetzt werden“ (Brück/Boecker 2004, 95). Dies wiederum er-
möglicht Kindern und Jugendlichen, erlernte Aspekte und neue Handlungs-
möglichkeiten innerhalb des alltäglichen Lebens anzuwenden.
7.2.2 Klettern und die Handlungsmaximen der Erlebnispädagogik
Erlebnispädagogik als Sozialarbeiterische Methode wurde in Kapitel 5 ausführlich
beschrieben. Diese Diplomarbeit richtet sich nun nach der Frage, ob Klettern erlebnis-
pädagogisch wirkt, und folglich als erlebnispädagogische Intervention in der Kinder-
und Jugendarbeit eingesetzt werden kann. Dies wird nun im folgenden Kapitel
bearbeitet.
Klettern liegt grundsätzlich in der Natur des Menschen. Bevor ein Kind richtig laufen
lernt, erkundet es seine Umgebung, indem es sich an Bänken und Tischen hochzieht.
Auf jedem Spielplatz gibt es Klettergerüste, um diesem Bedürfnis später noch nach-
zugehen (vgl. Kölsch/Wagner 2004, 102).
Mit den fünf Maximen der Erlebnispädagogik, die sich aus der Definition nach Hufenus
entwickelt haben (siehe Kapitel 5.3.3), lässt sich das Klettern als erlebnispädagogische
Maßnahme gut beschreiben.
89
Abbildungsverzeichnis
a. Gruppe als Lerngemeinschaft
Gaston Rébuffat, ein französischer Bergsteiger sagte einst „So bleiben auch die
Schönheit der Berge, die Freiheit der großen Räume, die herben Freuden des
Kletterns klein und ärmlich ohne die Seilkameradschaft“ (Kölsch/Wagner 2004, 102).
Generell muss beim Klettern die Gruppe als Lerngemeinschaft gesehen werden.
Gegenseitiges Sichern, gemeinsame Knotenkunde, gemeinsamer Anstieg bzw. Zustieg
zu einem natürlichen Klettergarten oder die Anfahrt zu künstlichen Hallen, gemeinsame
Jause in den Ruhepausen etc. fördern die sozialen Kompetenzen der Zielgruppe und
stellen die Gruppe in den Mittelpunkt des Angebots. Beim Klettern „gehen die Teil-
nehmerInnen eine sozial motivierte Beziehung ein. Das Ziel einer solchen Beziehung
ist das Wohlergehen des anderen, da dieser von der anderen Partei abhängig ist“
(Michaelis 2008, 102) Gemeinsame Ziele, wie das Besteigen eines Gipfels oder neue
Erfahrungen und Fertigkeiten die durch gruppendynamische Prozesse und soziale
Interaktion gemacht werden können, werden durch eine pro-soziale Beziehung inner-
halb der TeilnehmerInnen leichter (vgl. Michaelis 2008, 102). Die Gruppe lässt ver-
schiedene Positionen und Rollen entstehen und fördert Diskussionen zwischen den
TeilnehmerInnen, indem gemeinsam über Erlebnisse reflektiert wird. Personen lernen,
sich in die Gruppe zu integrieren und mit dieser zu arbeiten. Ein bedeutender Punkt
dabei ist, sich als Individuum mit der Gruppe auseinandersetzen. Klettern
TeilnehmerInnen vor den Augen der anderen, setzen sie sich mit einer sozialen
Situation auseinander, bei der sie den Bewertungen der anderen ausgesetzt sind.
Der/die Kletternde steht im Mittelpunkt, der/die Sichernde konzentriert sich voll auf
diesen/diese und die Gruppe sieht zu und feuert gegebenenfalls an. Somit kann sich
der/die Einzelne als individuelle Persönlichkeit in der Gruppe erleben und eventuell
positive Wirkungen auf das persönliche Wohlbefinden spüren. Der/die
ErlebnispädagogIn bzw. SozialarbeiterIn/SozialpädagogIn muss dabei Acht geben,
dass keine negativen Bewertungen geschehen, welche negative Emotionen, wie
Selbswertverlust oder Schamgefühl hervorbringen können (vgl. Brück/Boecker 2004,
117).
Der/die ErlebnispädagogIn bzw. der/die SozialarbeiterIn/SozialpädagogIn hat außer-
dem die Aufgabe, den Kindern und Jugendlichen Anstöße und Anregungen für Diskus-
sionen und Gespräche zu geben, gemeinsame Zwischenaktionen, wie Spiele in den
Ruhepausen zu fördern und am Ende reflexive Unterhaltungen herbeizuführen. Beim
90
Abbildungsverzeichnis
Sichern ist er/sie unterstützende und helfende Instanz, welche darauf achtet, das Ver-
trauen der Akteure zu sich selbst und anderen TeilnehmerInnen zu fördern. Dieses
Vertrauen kann durch spezifische Vertrauensspiele zu Beginn oder am Ende jeder
Kletteraktion gefördert werden.
Kritisch bei dieser Handlungs-maxime bezogen auf das Klettern ist, dass während des
aktiven Ausführens des Sports, die Gruppe eher in den Hintergrund gedrängt wird, da
jede Seilschaft nur aus maximal zwei Personen besteht.
Nach den persönlichen Erfahrungen der Autorin werden die eigentlichen Lernerfahrun-
gen innerhalb der Gruppe, generell eher in den Pausen bzw. den Vorbereitungsübun-
gen oder Übungsspiele gemacht.
Durch die Handlungsmaxime der „Gruppe als Lerngemeinschaft“ ergeben sich in der
Kinder- und Jugendarbeit gewisse Einschränkungen. Eine erlebnispädagogische
Intervention ist in der Einzelfallhilfe bzw. Intensivbetreuung nicht möglich, da sich die
Betreuung dabei auf das Individuum konzentriert und es in diesem Sinne zu keiner
Gruppe kommt. Eine existierende Gruppe ist also für die erlebnispädagogische Inter-
vention Voraussetzung. Klettern als erlebnispädagogische Intervention bietet sich
hervorragend in Wohngemeinschaften oder Freizeitprojekte in der offenen Kinder- und
Jugendarbeit an, vorausgesetzt, dass einige TeilnehmerInnen vorhanden sind um die
Gruppe als Bildungs- und Förderungsmaßnahme nutzen zu können.
Erlebnischarakter
Wie in Kapitel 5.3.3 „Merkmale“ schon
beschrieben wurde, setzt sich die
Erlebnispädagogik zur Aufgabe, Situati-
onen herzustellen, die Distanz zum
Alltag haben und außergewöhnlichen
Charakter in einer Lernsituation besit-
zen. Das Ereignis soll zum Erlebnis
werden und besitzt somit einen Erleb-
nischarakter (vgl. Galuske 2009, 245).
91Abbildung 9: Klettern als Erlebnis (Foto Johannes
Pirnbacher)
Abbildungsverzeichnis
Ob bzw. wie die TeilnehmerInnen das Erlebnis wahrnehmen, kann allein durch die
Durchführung nicht beeinflusst werden. Deshalb liegt die erlebnispädagogische Grenze
nicht nur in der Maßnahme sondern auch im Mensch selbst. Die Angebote sollen die
Erlebnisfähigkeit der TeilnehmerInnen anregen und sie fördern. Klettern als
erlebnispädagogische Handlung hat den Vorteil, dass viele Elemente, auch wenn sie
subjektiv gefährlich eingeschätzt werden, objektiv sicher gestaltet sind (vgl.
Brück/Boecker 2004, 116). Aufgrund der guten Sicherungstechniken wissen die Kinder
und Jugendlichen, im Gegensatz zu ihren subjektiven Emotionen, dass das Klettern
ungefährlich ist, und sie sich mit ihren Ängsten auseinandersetzen müssen. Da es
unterschiedliche Schwierigkeitsgrade beim Klettern gibt, kann für jede Person ein
Erlebnis geschaffen werden. Werden bestimmte Schwierigkeitsstufen als einfach und
leicht machbar empfunden, erzielt man ein Erlebnis mit einem schwierigeren Angebot
an Kletterrouten. Das subjektive Empfinden kann auch durch eine andere Gegebenheit
am Fels gesteigert werden. Während gerade vertikal verlaufende Routen für „erfah-
rene“ KletterInnen oft psychisch einfach zu meistern sind, fördern überhängende
Wände12 die Grenzerfahrung und führen zu einem ganz neuen Erlebnisgefühl.
Pädagogische Arrangement
Auch im alltäglichen Leben gibt es verschiedene Situationen, die erlebnisträchtig sind.
Der Unterschied zu einem erlebnispädagogischen Setting ist die pädagogische
Instrumentalisierung.
Zu einer erlebnispädagogischen Aktion gehört es einerseits, gezielt zu planen, um
Angebote zu realisieren, andererseits aber auch, das erlebnispädagogisch geschulte
Personal zu beteiligen (vgl. Galuske 2009, 245). Somit kommt es auf das päda-
gogische Arrangement der erlebnispädagogischen Aktion an.
In einem erlebnispädagogischen Setting spielt der Aspekt des subjektiven Erlebens
eine essentielle Rolle. Für jeden Menschen erscheint die Umwelt so, wie sie innerhalb
des individuellen Entwicklungsstands erfahren wird. Dies kann in einem Kletter-Setting
mit Kindern und Jugendlichen bedeuten, dass Routen, Schwierigkeitsgrade,
Kletterwand etc. differenziert wahrgenommen werden. Was für die eine Person als
schwierig gilt ist für die andere zu leicht und sie wird somit nicht ausreichend gefordert.
Der/die ErlebnispädagogIn bzw. SozialarbeiterIn/SozialpädagogIn in einem erlebnis-
pädagogischen Setting muss sich bemühen, diese Erlebniswelt nachzuvollziehen und
12 Neigung im Gelände über 90°
92
Abbildungsverzeichnis
sich an die Bedürfnisse und Lernansätze der Zielgruppe anzupassen (vgl.
Brück/Boecker 2004, 110-114).
Kennt man als ErlebnispädagogIn bzw. SozialarbeiterIn/SozialpädagogIn in einem
erlebnispädagogischen Setting die Erlebniswelt der Zielgruppe, ist es notwendig, das
Projekt gezielt und absichtsvoll darauf zu planen. Besteht Wissen darüber, dass viele
Kinder und Jugendliche sich selbst als schwach einschätzen, ist es günstig, eine
Kletterwand zu wählen, welche viele leichte Routen aufweist. Im Gegensatz dazu
sollen schwierige Routen gewählt werden, um fortgeschrittene KletterInnen auch zu
fördern bzw. zu fordern und ihnen die Möglichkeit zu bieten, ihre Grenzen auszutesten.
Um keine TeilnehmerInnen aus einem erlebnispädagogischen Setting ausschließen zu
müssen, soll pädagogisch integrativ geplant werden.
Speziell für diese Handlungsmaxime wäre es von großem Vorteil, wenn der/die
ErlebnispädagogIn bzw. SozialarbeiterIn/SozialpädagogIn selbst Vorkenntnisse im
Bereich Klettern mitbringt, da es beim Arrangieren des Settings nicht nur um die
pädagogische Seite geht, sondern auch um den Sport selbst. Wenn der/die Erlebnis-
pädagogIn bzw. SozialarbeiterIn/SozialpädagogIn selbst keine Kenntnisse darüber hat,
können die Routen, nicht auf die Bedürfnisse und das Können der KlientInnen ab-
gestimmt werden.
Ein bedeutsamer Teil der Kletteraktion ist außerdem die durch den/die Erlebnis-
pädagogIn bzw. SozialarbeiterIn/SozialpädagogIn geleitete Abschlussreflexion bei der
die TeilnehmerInnen die Möglichkeit haben, im Gespräch durch eine dialogische
Auseinandersetzung Erfahrungen und Erlebnisse zu diskutieren. Dieses Gespräch
kann den Lern- und Entwicklungsprozess in Gang setzen und ihn auf den Alltag
übertragen. Im Grunde können überwundene Angstgefühle dadurch relativiert werden
und somit ein Transfer zum Alltag geschaffen werden (vgl. Brück/Boecker 2004, 119).
Handlungsorientierte Aktionen
Erlebnispädagogik als Lernarrangement versucht sich von theoretischen Lern-
zugängen abzugrenzen und die Lernprozesse durch handlungsorientierte Aktionen zu
fördern (vgl. Galuske 2009, 244). Klettern für Kinder und Jugendliche bietet hierbei ein
großes Spektrum. Sogar der erste Zugang zum Klettern, der sportlich betrachtet eher
als Theorieteil bezeichnet wird (Sicherungstechniken, Knotenkunde,…), ist eine
praktische Aktion. „Durch den hohen Aufforderungscharakter des Mediums Klettern
werden die Teilnehmer geradezu herausgefordert, die Situation annehmen und
93
Abbildungsverzeichnis
bewältigen zu wollen“ (Brück/Boecker 2004, 118). Das Klettern fordert somit Selbst-
kontrolle und aktives Handeln von seinen AdressatInnen. Dennoch lässt es Spielraum,
eigene Bewegungshandlungen auszuprobieren und individuell zu gestalten und
persönliche Entscheidungen zu treffen. Trotz der gruppenbezogenen Aktivität
unterliegen persönliche Wünsche und Handlungsinteressen nicht dem Zwang der
Gruppe. Jeder/Jede bestimmt seine/ihre Handlungen, das Tempo und seine/ihre
Aktionen selbst und lernt individuell daraus (vgl. ebd.).
Ernstcharakter
In einem erlebnispädagogischen Setting spielt der Ernstcharakter der Situation eine
besondere Rolle. Wie in dieser Diplomarbeit in einem vorigen Kapitel schon be-
schrieben, bedeutet dies, Lernsituationen zu finden und zu produzieren, die für sich
selbst sprechen und aus deren Aufgaben und Anforderungen an die TeilnehmerInnen
sich als Sachzwang der Situation ergeben (vgl. Galuske 2009, 244). Diese Lern-
situation befördert ein unmittelbares Feedback und eine Sicht- und Spürbarkeit der
Wirkung (vgl. Hufenus 1993, 86 in: Galuske 2009, 244f.). Wird dies mit der erlebnis-
pädagogischen Maßnahme Klettern verbunden, ergeben sich folgende Schluss-
folgerungen: Klettern als erlebnispädagogische Aktivität fordert eine direkte kognitive,
psychische und physische Auseinandersetzung mit den Umständen beim Klettern.
Auseinandersetzungen und die daraus resultierenden Lernsituationen, bezogen auf die
verschiedenen Ebenen, können folgende Ergebnisse bringen: Koordination in die
Bewegungen zu bekommen, seinen/ihren PartnerInnen Vertrauen schenken und
lernen, Vertrauen anzunehmen, Überwindung der Angst etc. Die Lernziele bzw. Lern-
ergebnisse werden für die TeilnehmerInnen und ErlebnispädagogInnen bzw. Sozial-
arbeiterInnen/SozialpädagogInnen direkt sichtbar an den Kletterleistungen. Dabei ist
aber darauf zu achten, die Leistung nicht nur mit hohen Schwierigkeitsgraden oder
Klettermetern zu verwechseln. Leistung in diesem Sinne bedeutet, eine aktive Teil-
nahme, ein auf Vertrauen basiertes Sichern ohne Angst und Unwohlsein oder ein
theoretisches Wissen über den Sport. Natürlich gelten dabei auch direkte Leistungen
gemessen an der Kletterhöhe und den steigenden Schwierigkeitsstufen. Der/die
ErlebnispädagogIn bzw. SozialarbeiterIn/SozialpädagogIn steht als unterstützende
Instanz zur Seite, die aber keine Verhaltensänderung erzwingt.
94
Abbildungsverzeichnis
Nicht nur die fünf beschriebenen Maximen spiegeln die hervorragende Wirkung des
Kletterns als erlebnispädagogische Maßnahme. Es eignet sich auch auf Grund von
Möglichkeiten gut: Damit sind die örtlichen Gegebenheiten gemeint wie künstliche
Indoor- oder Outdoorkletterhallen oder Klettergärten mit Naturfels (vgl. Brück/Boecker
2004, 111).
Mit guten Sicherungsmöglichkeiten, kalkulierbarem Risiko (kein Steinschlag, plötzlicher
Regen, etc.) und Leihausrüstung, die unmittelbar verfügbar ist, bieten sich künstliche
Kletterwände für das Klettern mit Kindern und Jugendlichen ausgezeichnet an.
Einziges Manko für das Klettern in Indoorhallen als erlebnispädagogische Aktivität ist
das fehlende Naturerlebnis, dem mit zahlreichen Klettergärten am Naturfels gegen-
gesteuert wird. Regelmäßige Kontrollen garantieren ein minimales Restrisiko, ab-
gesehen von Steinschlag, Wetterumstürze oder Herausbrechen von Griffen oder
Tritten. Wird ein erlebnispädagogisches Projekt am Naturfels durchgeführt, muss die
Ausrüstung selbst besorgt und die Durchführung hervorragend organisiert sein, um
Risiken zu minimieren.
Trotz alledem steht die ursprüngliche Idee des Bergsports im Vordergrund. Es kommt
zu einer Mensch-Natur-Begegnung (vgl. Brück/Boecker 2004, 114). Kinder und
Jugendliche haben die Möglichkeit, während des Kletterns die Natur kennen zu lernen,
da das Klettern häufige Ruhepausen anbietet.
In Hinblick auf die Zielgruppe sollte die Sicherheit berücksichtigt werden. Bei der
erlebnispädagogischen Tätigkeit Klettern ist die Sicherheit automatisch gegeben, wenn
der Sport in gesicherten kontrollierten Kletterhallen der Klettergärten durchführt wird
und alle Sicherungstechniken verantwortungsbewusst ausgeführt werden. Dies-
bezüglich ist das Toprope-Klettern von Vorteil, weil die ErlebnispädagogInnen bzw.
SozialarbeiterInnen/SozialpädagogInnen bessere Möglichkeiten besitzt, einzugreifen.
So kann er/sie hinter dem/der Sichernden mit einem weiteren Sicherungsgerät
zusätzlich sichern. In der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist bei der Sicherheit
genau darauf zu achten, dass Regeln eingehalten werden. Zu einem gewissen Teil
wiederspricht dies der Erlebnispädagogik, die davon ausgeht, dass abenteuerliche
Erlebnisse vor allem „abseits pädagogischer Inszenierungen in einem möglichst
kontrollfreien Raum“ (Gilles 2005, 283) entstehen. Bei der erlebnispädagogischen
Methode des Kletterns ist aber die Sicherheit wichtiger als der kontrollfreie Raum, da
es bei Missachtung zu schweren Unfällen mit massiven rechtlichen Folgen kommen
kann.
95
Abbildungsverzeichnis
Prinzipiell hat sich das Toprope-Klettern, wie bereits weiter oben erwähnt, wegen der
Sicherheit in einer erlebnispädagogischen Maßnahme durchgesetzt. Es ist von Wich-
tigkeit einerseits, dass die Herausforderung für die TeilnehmerInnen groß ist, aber das
Risiko bei einem Sturz wesentlich geringer bleibt, (siehe Kapitel 2.3.1) (vgl. Kölsch &
Wagner 1998, 101) und andererseits besteht beim Toprope-Klettern gegenüber dem
Vorstieg-Klettern, eine spürbare Verbindung vom Kletternden zum/zur Sichernden (vgl.
Brück/Boecker 2004, 113). Somit entsteht eine Vertrauensbasis zwischen den beiden
Akteuren und die Gruppengemeinschaft und Kooperationsfähigkeit kann gefördert
werden.
Um einen letzten Aspekt in Bezug auf das Klettern als erlebnispädagogische Handlung
anzuführen, ist noch die Ganzheitlichkeit der Aktion zu erwähnen. Ganzheitlichkeit
meint eine Verknüpfung zwischen kognitiven, emotionalen, motorischen und sozialen
Erfahrungsbereichen des Menschen (vgl. Brück/Boecker 2004, 100). Beim Klettern
geschieht diese Verknüpfung durch die Bewegung automatisch. Kognitiv werden die
Kinder und Jugendlichen aufgefordert, sich zu konzentrieren und Lösungswege zu
finden, um verschiedene Routen zu meistern, emotional kommt es zu einer Auseinan-
dersetzung mit den eigenen Ängsten und Erwartungen, körperliche Anstrengung und
Koordination fordert die motorischen Bereiche und die sozialen Erfahrungen werden
innerhalb der Gruppe und einer Seilschaft gemacht.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass mit kleinen Ausnahmen (Einzelfallarbeit)
und minimalen Abweichungen wegen des wichtigen Aspekts der Sicherheit, ein
erlebnispädagogischer Zugang beim Klettern sicherlich förderlich und unterstützend für
Kinder und Jugendliche sein kann, wenn erzieherische Absichten bestehen und diese
gezielt geplant, eingesetzt und später reflektiert werden. Diesbezüglich kann das
Klettern als erlebnispädagogische Intervention bezeichnet werden, und die Frage-
stellung „Wirkt Klettern erlebnispädagogisch?“ kann ebenfalls positiv beantwortet
werden. Werden die fünf Handlungsmaximen beim Planen eines erlebnis-
pädagogischen Kletterprojekts beachtet, steht einem erlebnispädagogischen Erfolg für
die AdressatInnen beim Klettern nichts im Wege.
In der Sozialen Arbeit hat die Methode der Erlebnispädagogik grundsätzlich an
Bedeutung gewonnen und man greift vor allem in der Jugendarbeit bzw. bei
erzieherischen Hilfen darauf zurück, wenn keine andere Betreuungsform mehr fruchtet.
Die Methode wird aber in allen anderen Handlungsfeldern und Altersgruppen ebenfalls
verwendet (Galuske 2009, 245 f.).
96
Abbildungsverzeichnis
Sie bleibt jedoch kritisch zu betrachten, da sie eigentliche Problemlagen und prob-
lematische Lebenssituationen im Grunde nicht behandelt, da sie versucht, Distanz zum
Alltag herzustellen. Sie wirkt eher ressourcenorientiert und ressourcenfördernd im
Gegensatz zur Sozialpädagogik. Dies kommt jedoch gänzlich auf das pädagogische
Arrangement an. Hat man die Annahme, dass sich massive Probleme im Leben von
Kindern und Jugendlichen manifestieren, weil sie wenig Selbstwertgefühl haben, kann
dies durch gezielte Übungen beim Klettern gefördert werden. Es kommt also darauf an,
das Setting pädagogisch zu planen, um Ziele zu erreichen.
Ein großer Vorteil beim Klettern ergibt sich durch die Ganzheitlichkeit, welche wirklich
alle drei Ebenen (Biologische, Psychische und soziale Ebene) des Menschen an-
spricht.
Nach den Ausführungen und den daraus gewonnenen Erkenntnisse wird im folgenden
Kapitel die Anwendung des Kletterns als sozial-/erlebnispädagogische Intervention in
der Kinder- und Jugendarbeit beschrieben.
7.3 Klettern als sozialpädagogische oder erlebnispädagogische Inter-vention – Relevanz für die Soziale Arbeit
Wie aus der bisherigen Diplomarbeit zu erkennen ist, bietet das Sportklettern eine
breite Palette an pädagogischen Möglichkeiten. Daraus lässt sich durchaus eine
pädagogische Begründung im Sport finden. Grundsätzlich kann also angenommen
werden, dass Klettern pädagogisch wirken kann. Herauszukristallisieren ist jedoch,
dass es sowohl sozialpädagogisch als auch erlebnispädagogisch wirken kann und
beide Zugänge förderlich für die TeilnehmerInnen sind.
Die Fragen „Ist es möglich den Klettersport als Interventionsmöglichkeit in die Kinder-
und Jugendarbeit zu integrieren?“, und „Wirkt Klettern erlebnispädagogisch und ist
Klettern lebensweltorientiert?“ lassen sich nach den Ergebnissen der obigen Kapitel
definitiv mit „Ja“ beantworten. Abgesehen von kleinen Abzügen ist das sportive Medium
sowohl in der Erlebnispädagogik als auch am Konzept der Lebensweltorientierung
anwendbar.
Bedeutend ist jedoch, einen Bezug der Ergebnisse zur Sozialen Arbeit herzustellen.
Nach den obigen Kapiteln scheint es logisch, dass beide methodischen/theoretischen
Zugänge diverse Möglichkeiten für die SozialarbeiterInnen/SozialpädagogInnen bzw.
die AdressatInnen mit sich bringen. Das sportive Angebot soll professionell gestaltet
werden, um sich von anderen Angeboten (zum Beispiel Jugendsportvereine)
97
Abbildungsverzeichnis
abzuheben, um professionelle Soziale Arbeit zu leisten. Sozialarbeiterische Angebote
sollten mit professionellen Methoden und Zielen über die allgemeine Sportarbeit
hinausgehen (vgl. www.webnetwork-nordwest.de, 26.03.2010, 8). Trotzdem sollte ein
Grundwissen der SozialarbeiterInnen/SozialpädagogInnen über den Sport vorhanden
sein, speziell beim Klettern, um gezielt an der Förderungen der AdressatInnen zu
arbeiten. „Sport-, bewegungs- bzw. körperorientierte Jugendsozialarbeit ist dort
besonders erfolgreich […] wo sozialarbeiterische Kompetenzen und sportive Fähig-
keiten in Personalunion miteinander verknüpft sind. Jugendliche benötigen keine
ausgefeilten Trainingspläne und sportmedizinisches Fachwissen, um ihren (breiten-)
sportlichen Aktivitäten nachgehen zu können“ (www.webnetwork-nordwest.de,
26.03.2010, 9). Somit können sportbezogene Projekte nur wirksam sein, wenn die
sportlichen Aktivitäten in einen pädagogischen Rahmen eingebettet sind, der durchaus
zu erarbeiten ist. (vgl. ebd.)
Es ist also, wie bereits beschrieben wurde, mit wenigen Abzügen möglich, Klettern als
erlebnispädagogische Methode oder im Konzept der Lebensweltorientierung in der
Arbeit mit Kindern und Jugendlichen förderlich einzusetzen und somit in die Kinder-
und Jugendarbeit in der Sozialen Arbeit methodisch/theoretisch fundiert zu integrieren.
Für die Abgrenzung der praktischen Kinder- und Jugendarbeit durch Vereine und
Verbände und sozialarbeiterische Konzeptionen ist es bedeutend, zu kommunizieren,
welche Theorie oder Methode man in der Arbeit mit der Klientel verwendet. Sozial-
arbeiterInnen/SozialpädagogInnen müssen entscheiden, welchen Zugang sie wählen
möchten bzw. welcher für die jeweilige Betreuungsform der beste ist, da sowohl die
Lebensweltorientierung als auch die Erlebnispädagogik einen unterschiedlichen
Zugang zum Klettern und in späterer Folge zu den AdressatInnen mit sich bringt. So
kann es etwa bei einigen Kindern und Jugendlichen förderlich sein, eine Distanz zum
Alltag herzustellen, um sie aus ihren alltäglichen Problemen für einen Moment heraus-
zunehmen (erlebnispädagogisch), und bei anderen, das Klettern in den Alltag zu
integrieren (sozialpädagogisch/lebensweltorientiert).
Grundsätzlich ist eine methodische/theoretische Fundierung wichtig, da Methoden
Planbarkeit, Kalkulierbarkeit und letztlich Machbarkeit suggerieren. Im Falle des
Kletterns als Intervention ist anzumerken bzw. zu empfehlen, dass die
methodischen/theoretischen Fundierungen immer geändert werden können, wenn ein
anderer Zugang förderlicher für den/die KlientIn wäre. Deshalb ist es als
SozialarbeiterIn/SozialpädagogIn notwendig, die eigenen Handlungsweisen regel-
mäßig zu überdenken, da sich die Umstände jederzeit ändern können. Grundsätzlich
98
Abbildungsverzeichnis
ist es aber notwendig sich an Theorien und Methoden anzulehnen, diese aber nicht
stur beizubehalten, wenn diese der Klientel schaden oder die Zielerreichung eventuell
negativ beeinflussen. Gleichsam bedeutend ist es, beim Klettern darauf zu achten, wie
weit sich das Setting ändert und welcher methodische/theoretische Zugang im
aktuellen Moment besser geeignet ist. Die Autorin sieht die Möglichkeit der Verände-
rung der Methodik als Vorteil, da man sich nicht streng an einen Plan halten muss und
als SozialarbeiterIn/SozialpädagogIn die Freiheit besitzt, je nach Bedarf der
AdressatInnen zu agieren. Trotzdem soll man sich seiner Handlungen professionell
bewusst sein und das eigentliche Ziel konsequent anstreben. So sollte ein lebens-
weltorientiertes Projekt immer so konzipiert sein, dass in der Lebenswelt der
KlientInnen gearbeitet wird. Ein Bezug auf die Lebensweltorientierung bzw. Erlebnis-
pädagogik kann jedoch förderlich sein. Gerade beim Klettern sind diese
methodischen/theoretischen Grenzen so gering (Distanz zum Alltag – Erlebnis-
charakter; Orientierung an der Lebenswelt der Adressaten – Gruppenorientierung),
dass sie auf den ersten Blick kaum zu sehen sind.
Zusammenfassend kommt es darauf an, als leitende Sozial-
arbeiterInnen/SozialpädagogInnen die Situation und die Umstände immer genau im
Auge zu behalten und sich darauf zu konzentrieren, die bestmögliche Förderung und
Entwicklung für Kinder und Jugendliche mit dem Klettern zu erreichen. Hierbei ist die
Zielsetzung der Intervention genau zu manifestieren, um die geeignetste
methodische/theoretische Fundierung wählen und gegebenenfalls ändern zu können.
Die KlientInnen sollten in beiden Fällen von der Intervention profitieren.
99
Abbildungsverzeichnis
8 Schlusskapitel
„Nicht die Erlebnisse diktieren unsere Handlungsweisen,
sondern die Schlussfolgerungen, die wir aus diesen Er-
lebnissen ziehen.“
Alfred Adler
Diese Diplomarbeit mit dem Titel „Klettern – Eine sozial-/erlebnispädagogische Inter-
vention in der Kinder- und Jugendarbeit“ hat sich nach den einleitenden Erarbeitungen
des Begriffes Klettern mit der Frage „Ergeben sich persönlichkeitsbildende Vorteile
durch das Klettern auf der biologischen, psychischen und sozialen Ebene?“
beschäftigt. In den Ausführungen hat sich eindeutig ergeben, dass sich verschiedene
persönlichkeitsbildende Vorteile für Kinder und Jugendliche beim Klettern auf der
biologischen, psychischen und sozialen Ebene herauskristallisieren. Hierfür wurden
das Biopsychosoziale Modell beschrieben und vorteilhafte Aspekte des Kletterns
beispielhaft auf die drei Ebenen des Modells aufgeteilt. Die Ergebnisse aus diesem
Kapitel boten den Grundstock für die Fragestellungen „Ist es möglich, den Klettersport
als Interventionsmöglichkeit in die Kinder- und Jugendarbeit zu integrieren?“, und
„Wirkt Klettern erlebnispädagogisch bzw. ist Klettern lebensweltorientiert?“. Um dieser
Frage nachzugehen, wurden die Begriffe Erlebnispädagogik und Lebens-
weltorientierung ausführlich beschrieben. Danach wurde das Klettern zuerst als
Intervention definiert und folglich mit den verschiedenen positiven Aspekten (Grenz-
erfahrung, Angstbewältigung, Vertrauen geben/Vertrauen annehmen, etc.), die sich aus
dem dritten Kapitel erarbeitet haben, mit dem Konzept der Lebensweltorientierung und
der Erlebnispädagogik als Methode der Sozialen Arbeit in Verbindung gebracht. Dafür
wurde jeweils versucht, einen Konsens der Handlungsmaximen der beiden Zugänge
und dem Klettern herzustellen. Es hat sich gezeigt, dass die sportive Aktion Klettern als
Intervention in der Kinder- und Jugendarbeit mit kleinen Abzügen sowohl
erlebnispädagogisch wirkt als auch lebensweltorientiert ist, vor allem durch die Mög-
lichkeiten der persönlichkeitsfördernden Aspekte (Grenzerfahrung, Förderung der
sozialen Kompetenzen durch die Gruppenaktivität, gewonnener Erkenntnisse und
Erfahrungen für den Lebensalltag wie Angstbewältigung, Integration, Partizipation, etc.)
die in der vorliegenden Arbeit beschrieben wurden. Durch die Variationsmöglichkeiten
100
Abbildungsverzeichnis
in der Ausführung des Sports (Sportklettern, Bouldern, Toprope, etc.) ist er in der
Kinder- und Jugendarbeit hervorragend einzusetzen, da die Schwierigkeiten an die
AdressatInnen anzupassen sind.
Für die Soziale Arbeit ist es relevant, das Klettern methodisch/theoretisch zu fundieren,
was sich die Autorin am Ende der vorgenommenen Arbeit zur Aufgabe gemacht hat.
Denn um sich von der praktischen Kinder- und Jugendarbeit abzusetzen, ist eine
methodische/theoretische Fundierung in Form der Lebensweltorientierung und Erleb-
nispädagogik notwendig. Um zum Schluss dieser Arbeit zu kommen, möchte die
Autorin im letzten Teil noch ein kurzes Resümee geben und eine persönliche
Zukunftsprognose für diese Thematik einbauen.
8.1 Resümee der Autorin und persönliche Zukunftsprognose
Nach meinen persönlichen Einschätzungen sind erlebnispädagogische Projekte und
Kletterprojekte in der Sozialen Arbeit in Österreich bereits spürbar. Leider sind diese
trotz der Zunahme in den letzten Jahren immer noch schwer zu finanzieren. Wichtig ist
dabei, die Projekte methodisch zu fundieren und ausreichend zu evaluieren, um
Erfolge aufzuzeigen, welche schlussendlich auch finanziert werden können. Gerade
bei Kindern und Jugendlichen ist ein Ansatz am Körper in vielen Fällen einfacher, da
sie für Spiel und Sport leichter zu interessieren sind als erwachsene Menschen. Der
aktuelle Boom an Natursportarten (Klettern, Schitourengehen, Schneeschuhwandern,
etc.) ermöglicht es SozialarbeiterInnen, Interesse für das Klettern als Intervention zu
erreichen. Die Tatsache, dass Klettern keine sportlichen Voraussetzungen benötigt und
bei weitem nicht so schweißtreibend ist wie andere Sportarten, kann hierbei förderlich
sein. Beim Konzeptentwurf soll auf eine Problemorientierung hingewiesen werden und
darauf die pädagogischen bzw. didaktischen Handlungsweisen abzustimmen. So soll
Klettern mit drogenabhängigen Jugendlichen andere Ziele und Handlungsweisen
beinhalten als Klettern mit verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen.
Meine persönlichen Erfahrungen beim Kletterprojekt mit dem Alpenverein Feldkirchen
und einer Wohngemeinschaft in Waiern haben gezeigt, dass das Klettern nicht auto-
matisch förderlich ist und Entwicklungen hervorbringt. Genaue Beobachtungen und
eine gute pädagogische bzw. didaktische Vorbereitung sind notwendig, um gesteckte
Ziele zu erreichen. Viele Kinder und Jugendliche müssen motiviert werden um sich den
eigenen Ängsten zu stellen. Andere wiederum überraschen mit gekonnten Bewegun-
gen, obwohl sie am Boden tollpatschig wirken.
101
Abbildungsverzeichnis
Nach den Erfahrungen beim Projekt und meinem persönlichen Interesse am Klettern
lag mir als Autorin diese Arbeit besonders am Herzen, da ich unter anderem in diesem
Bereich meine berufliche Zukunft sehe durch Erfahrungen bei Projekten während
meines Studiums gezeigt hat, dass eine methodische/theoretische Einbettung für die
finanzielle Unterstützung und für den Wert der Arbeit wichtig ist. Eine intensivere
Forschung, bezogen auf die positiven Aspekte des Kletterns, ziehe ich durchaus in
Betracht. Die Möglichkeit dazu könnte ich bei zukünftigen Projekten bekommen bzw.
mir ermöglichen.
Ich hoffe mit diesem Thema dem/den LeserInnen einen Einblick in den Sport gegeben
zu haben und ihn als sinnvolles Medium zur Förderung des Individuums in Hinblick auf
die Soziale Arbeit zu beschrieben zu haben. Ebenfalls erträume ich mir durch meine
Ausführungen und Verbindung des Sports mit der Sozialen Arbeit SozialarbeiterInnen
anzuregen, neue und innovative Möglichkeiten für die professionelle Soziale Arbeit zu
sehen und möglicherweise umzusetzen.
102
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Abbildungsverzeichnis
10 Abbildungsverzeichnis
ABBILDUNG 1: TOPROPE SICHERN (VGL. WINTER 2000, 77) .............. 19
ABBILDUNG 2: VORSTIEG SICHERN AM NATURFELSEN (FOTO GEORG
PICHLER) ........................................................................................... 19
ABBILDUNG 3: ALPINES KLETTERN AM NATURFELSEN (FOTO
HANNES THURNER) .......................................................................... 21
ABBILDUNG 4: DAS BIOPSYCHOSOZIALE MODELL. DARSTELLUNG IN
ANLEHNUNG AN ENGEL 1977/1980 (VGL.
KNOLL/SCHOLZ/RIECKMANN 2005, 20) ........................................... 28
ABBILDUNG 5: GLEICHMÄSSIGE REIZAUSÜBUNG AUF HÄNDE UND
FÜSSE (VGL. WINTER 2000, 53) ........................................................ 32
ABBILDUNG 6: HÖHENÜBERWINDUNG ALS ANGSTÜBERWINDUNG
(FOTO BIRGIT EGGER) ...................................................................... 35
ABBILDUNG 7: KLETTERROUTEN AN DER MUR IN GRAZ (FOTO
GEORG PICHLER) .............................................................................. 82
ABBILDUNG 8: KLETTERGARTEN IN DER "LEBENSWELT" VON
JUGENDLICHEN IN GRAZ (FOTO GEORG PICHLER) ......................... 82
ABBILDUNG 9: KLETTERN ALS ERLEBNIS (FOTO JOHANNES
PIRNBACHER) ................................................................................... 91
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