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Klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik
Teil 9Wasser- und
Elektrolythaushalt
Prof. Dr. Ralf LichtinghagenMedizinische Hochschule Hannover
Klinische ChemieTel.: 0511-5323940
Elektrolytverteilung zwischen EZR und IZR
EZR: Extrazellulärraum, IZR: IntrazellulärraumNa+: Natrium, K+: Kalium, Ca2+: Calcium, Mg2+: Magnesium, Cl-: Chlorid, HPO4
2-: Hydrogenphosphat, HCO3-: Bicarbonat, SO4
2-: Sulfat
NatriumWichtigste Messgröße für eine Beurteilung des Wasser- und ElektrolythaushaltesNatrium ist das häufigste Kation des Extrazellulärraums.
Nahrungsaufnahme: ca. 5-20 g Kochsalz täglichhormonell regulierte renale Ausscheidung (ca. 95%) unter Beteiligung des antidiuretischen Hormons (ADH), des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems und natriuretischer Peptide aus dem Herzen. Aufgabe: Konstanthaltung der Osmolalität des EZR.
Analytik Ionenselektive Elektrode (ISE) für NatriumFlammenphotometrie
Referenzbereich: Referenzwerte liegen in engen Grenzen, Schwankungen beim Gesunden im Rahmen der MessungenauigkeitSerum, Plasma: 138-148 mmol/lUrin: 130-260 mmol/Tag
Extremwerte: Hypernatriämie mit Gefahr eines Herz-/Kreislaufstillstands Serum/Plasma-Natrium-Werte >155 mmol/l sind lebensbedrohlich!Hyponatriämie mit Gefahr von Muskelschwäche (<120) und neurologischen Ausfallerscheinungen (<105).
Einflussgr./Störf: Pseudohyponatriämie im Serum/Plasma durch lipämische Proben.
Natrium
Hypernatriämie verminderte Flüssigkeitszufuhr (insbes. Säuglinge, alte Menschen)
vermehrter WasserverlustNiere:
zentraler Diabetes insipidusrenaler Diabetes insipidus
Darm:Infektionskrankheiten (Ruhr, Cholera)
Hyperaldosteronismus
Hyponatriämieschwere Herzinsuffizienz mit ÜberwässerungAldosteronmangel bei Nebenniereninsuffizienz
Hormoneller Regelkreis
Plasmavolumen-Defizit
VolumenabnahmeIm EZR Volumenzunahme im EZR
H2O-Aufnahme
H2O-Rückresorption
ADH
Hyperosmolalität
Aldosteron
Renin
Angiotensin II
Na+-Rückresorption
Hypophysenhinterlappen
Hypothalamus
Juxta-GlomerulärerApparat
Durst
+
+distaler Tubulus
Pseudohyponatriämie
Aufgrund des Lipidanteils im Plasma wäre der richtige Faktor: 201
1/200
1/200
Direkte ISE
Direkte ISE
Indirekte ISE
Indirekte ISE
Aufgrund des Lipidanteils im Plasma wäre der richtige Faktor: 210
Normale Probe Ergebnisse(z.B. 0,5% Lipide) Analyse Na: 140 mmol/lNa: 140 mmol/l K: 4,0
K: 4,0 mmol/l Verdünnung Messung Ergebnis x 200 ErgebnisseNa: 139,3 K: 3,98
Lipämische Probe Ergebnisse(z.B. 5% Lipide) Analyse Na: 140 mmol/lNa: 140 mmol/l K: 4,0
K: 4,0 mmol/l Verdünnung Messung Ergebnis x 200 ErgebnisseNa: 133,3 K: 3,8
OsmolalitätKonzentration aller osmotisch aktiven, gelösten Teilchen in 1 kg Körperflüssigkeit.
Bestimmungsindikation bei Störungen des Wasserhaushaltes, intensivmedizinischer Behandlung, Vergiftungsverdacht mit niedermolekularen Stoffen.
Analytik Bestimmung der Gefrierpunktserniedrigung am Osmometerbzw. rechnerisch nach folgender Formel:
Osmolalität = 1,86 x Na+ (mmol/l) + Glucose (mmol/l) + Harnstoff (mmol/l) + 9
Referenzbereich: Referenzwerte für Serum liegen in engen Grenzen, große Schwankungen beim Gesunden im Urin abhängig vom Trinkverhalten. Durstversuch: Test auf Konzentrierfähigkeit der NiereSerum, Plasma: 280-310 mosmol/kgUrin: 40-1400 mosmol/kgUrin (12h Durst) >950 mosmol/kg
Osm. Lücke gemessene Osmolalität – berechnete OsmolalitätIst die Differenz >10 liegt eine osmotische Lücke vor.Erhöhung nicht berücksichtigter endogene/exogener Substanzen.
OsmolalitätHypotonVerminderte WasserausscheidungHypotone InfusionProteinmangel
HypertonWasserzufuhr vermindert, Wasserverlust,Erhöhung endo- und exogener Substanzen
Osmolalität erhöhtNa+ osmotische Lücke + 0 vermehrter Wasserverlust bei Durchfällen,
Hyperglykämie, Diabetes insipidusungenügende Wasserzufuhr
0 0 Niereninsuffizienz (Harnstoff erhöht)Hyperglykämie
0 + Laktatazidose (ungewöhnl. Stoffwechselmetabol.)Vergiftung mit Äthanol, Methanol, Ethylenglykol…
Osmolalität erniedrigtNa+ osmotische Lücke - 0 Leberzirrhose (Hypoproteinämie und Ödembildung)
akute und chronische Niereninsuffizienz
ChloridIm EZR das Anion mit der höchsten Konzentration.
Aufgaben: Konstanthaltung der Osmolalität im EZR (Na-Bestimmung wichtiger)Regulation des Säure-Basen-Haushaltes (Austausch gegen Bicarbonat (Chloridverschiebung): Bei Acidose strömt Bicarbonat aus Erys ins Plasma und Chlorid im Austausch in die Erys )
Indikation: Metabolische Alkalose und bei Acidose infolge gestörter Nierenfunktion, intensivmedizinische Elektrolytbilanzierung
Analytik Ionenselektive Elektrode (ISE) für ChloridCoulometrie
Referenzbereich: Serum, Plasma: 97-108 mmol/lUrin: 140-280 mmol/Tag
Extremwerte: Hyperchlorämie und Hypochlorämie.
Einflussgr./Störf: Pseudohypochlorämie durch lipämische Proben, Pseudohyperchlorämie durch z.B. Bromid-Medikation
Chlorid
Merke: Veränderungen der Chlorid- und der Natriumkonzentration im Serum erfolgen meist parallel!
Hyperchlorämie: Gastrointestinal durch Verlust von Bicarbonatbei schweren Diarrhöen. Kompensatorischer Anstieg im Serum.
Hypochlorämie: gastrointestinaler Verluststarkes Erbrechen (HCL-Verlust)
renaler VerlustDiuretika-Gabe (Hemmung der CL--Rückresorption)
Anionenlücke
Unter den Anionen sind klinisch nur neben dem Chlorid das Phosphat und das Bicarbonat von Bedeutung (Chlorid etwa 100x konzentrierter im Serum als Phosphat).Anionenlücke legt das Vorliegen anderer Anionen in höherer Konzentration offen:
Anionenlücke (mmol/l) = Na+ (mmol/l) – Cl- (mmol/l) – Bicarbonat (mmol/l)
Beim Gesunden ist die Lücke nicht größer als 8-16 mmol/l!(Proteinanionen, Sulfat, Citrat, Laktat, Phosphat, Pyruvat in obiger Formel nicht berücksichtigt)
Vergrößerte Anionenlücke bei: Hyperglykämie (D. mellitus)Laktatacidose Ketoazidose (Alkoholintoxikation)
KaliumWichtigstes Kation des Zellinneren. Nur 2% des Kaliums in der Extrazellulärflüssigkeit.
Intrazelluläre Kaliumkonzentration durch Na/K-ATPase reguliert. Beschleunigter Einstrom in die Zelle durch Insulin. Hormonell (Aldosteron) regulierte renaleAusscheidung sowie Blut-pH-Abhängigkeit (niedriger pH: H+-Ausscheidung ⇔ K+-Aufnahme). Aufgabe: Aufrechterhaltung der Osmolalität im IZR.
Analytik Ionenselektive Elektrode (ISE) für KaliumFlammenphotometrie
Referenzbereich: Referenzbereiche unterschiedlich für Serum und Plasma. Schwankungen bei der Kaliumkonzentration durch die Nahrungsaufnahme. Dadurch Referenzbereich relativ breit.Serum: 3,6-5,4 mmol/lPlasma: 3,2-4,9 mmol/l (auch Blutwasser)Urin: 25-100 mmol/Tag
Extremwerte: Hyperkaliämie und Hypokaliämie führen zu einer Veränderung des Membranpotentials von Herz- und Muskelzellen mit Gefahr eines Herz-/Kreislaufstillstands. Serum/Plasma-Kalium-Werte >6 mmol/l und < 2,5 mmol/l sind lebensbedrohlich!
KaliumHyperkaliämie verminderte renale Ausscheidung
Azidoseakute und chronische NiereninsuffizienzAldosteronmangelGabe Kalium-sparender Diuretikaorale Kaliumübersubstitution
Verschiebung zwischen intra- und extrazellulärem Kaliumschwerer Insulinmangel
Freisetzung von Kalium bei massivem ZelluntergangHämolytische KrisenFehltransfusionen oder zu altes BlutVerbrennungen und schwere WeichteilverletzungenZytostatikatherapie
Hypokaliämie gastrointestinale KaliumverlusteLaxantienabususmassive Diarrhöen
erhöhte renale AusscheidungHyperaldosteronismus
Leberzirrhose
Calcium99% abgelagert im Knochen als Hydroxylapatit. Rest vorwiegend im EZR.Serum/Plasma-Anteil besteht aus 50% ionisierte Form (aktiv, unter hormoneller Kontrolle), 40% proteingebundene Form, 10% komplexgebunden (Citrat, Phosphat, Bicarbonat). Proteinbindung ist pH-abhängig: Alkalose mit weniger aktivem Calcium und Tetaniegefahr!
Hormoneller Regelkreis: eng verknüpft mit Phosphathaushalt.Parathormon (PTH: gebildet in der Nebenschilddrüse, Überfunktion: Hyperparathyreoidismus, Hormonmangel: Hypoparathyreoidismus)) führt zu Ca-Freisetzung aus Knochen, steigert Ca-Rückresorption bei gleichzeitiger Ausscheidung von Phosphat; VitD-abhängige Erhöhung der Resorption aus dem Darm; 1,25 Dihydroxycholecalciferol (Calcitrol: Mangel des VitD-Hormons bei Sonnenmangel, schweren Leber- und Nieren-erkrankungen) steigert Calcium + Phosphatresorption aus dem Darm; Calcitonin als Antagonist der Erstgenannten führt zu einer Steigerung der renalen Ca-Ausscheidung, hemmt den Knochenabbau.
Calcium
Indikationen: Störungen der PTH-Synthese in der Nebenschilddrüse, Vit.D-Mangel/Überdosierung, Nierensteine, Tumorerkrankungen, Krampfleiden, Bluthochdruck
Analytik Photometrie, Flammenphotometrie und AAS für Gesamt-CalciumIonenselektive Elektrode (ISE) für ionisiertes Calcium
Referenzbereich: Unterscheiden zwischen Gesamt-Calcium und ionisiertem CalciumSerum/Plasma: 2,15-2,60 mmol/lSerumwasser: 1,17-1,30 mmol/l (für pH 7,4)Urin: 2,5-10 mmol/Tag
Extremwerte: Hypercalciämie > 4 mmol/l führt zu Tachykardie, Herzrhythmusstörungen und Koma mit Lebensgefahr.
Einflussgr./Störf: Körperlage vor Blutentnahme wegen der Proteinbindung wichtig
CalciumHypercalciämie Störungen der hormonellen Regulation
Hyperparathyreoidismus (Ca Phosphat PTH )vermehrte Freisetzung aus Knochen
Osteolysen durch Knochentumor/metastasenPlasmozytomparaneoplastisch (Mamma-Ca, Bronchial-Ca)ektope Bildung von PTHlangandauernde Immobilisation
Hypocalciämie Störungen der hormonellen RegulationHypoparathyreoidismus (Ca Phosphat PTH )Hypomagnesiämie
Unzureichende Ca2+-ResorptionMangelernährungVit.D3-MangelMangel an 1,25-Dihydroxycholecalciferolchron. Niereninsuffizienz (1,25-D.-Bildung )
verminderte Albuminkonzentration (Gesamt-Ca ion.Ca )nephrotisches Syndrom (Pseudohypocalciämie)Leberzirrhose (Pseudoh.)akute Pankreatitis
MagnesiumMagnesium ist wichtig für die Muskelfunktion, Wirksamer Anteil ist das freie Magnesium (10% im IZR (90% gebunden an Nukleinsäuren) und 50-60% im Plasma (30% proteingebunden, Rest an Phosphat, Citrat und weitere Komplexbildner)). Es gibt viele Übereinstimmungen mit dem Calciumstoffwechsel (Krampfbereitschaft bei Calcium-und Magnesiummangel). Bestimmungsindikationen sind: Muskelschwäche und –krämpfe, Herzrhythmus-störungen, forcierte Diurese, parenterale Ernährung
Analytik Atomabsorptionsspektroskopie (AAS)Photometrischer Farbtest mit z.B. Xylidylblau (roter Farbkomplex entsteht)
Referenzbereich: Serum/Plasma: 0,75-1,10 mmol/lUrin: 2,5-8,5 mmol/Tag
Extremwerte: Hypermagnesiämie und Hypomagnesiämie. Erniedrigte Werte sind von klinischer Bedeutung.
Einflussgr./Störf: Hämolyse (falsch-hohe Werte) EDTA-Plasma (Komplexbildung).
Magnesium
Hypermagnesiämie akutes und chronisches Nierenversagen(eher selten) Hypothyreose
(Mg2+ hormonell erhöht im Blut, gesenkt im IZR)Mg-haltige Medikamente (Antiacida, Laxantien)
Hypomagnesiämie verminderte Zufuhr (Fasten, Alkoholismus)verminderte Resorption (Diarrhöen)vermehrte renale Ausscheidung
TubulusschadenNephrotisches SyndromSchleifendiuretikaHyperthyreoidismus (Mg2+ hormonell gesenkt im Blut, erhöht im IZR)
Phosphat
Wichtigstes Anion des Zellinneren. Ca. 70-80% sind in Knochen und Zähnen fixiert.
Der Stoffwechsel des Phosphats ist eng mit dem des Calciums verbunden, Parallel zu einer Calciumbestimmung sollte eine Phosphatbestimmung durchgeführt werden.
Phosphatkonzentration im Serum/Plasma abhängig von: Nahrungszufuhr, Resorption aus dem Darm, Einstrom in die Zellen, renale Elimination.
Hormoneller Regelkreis: Parathormon (PTH) hemmt Rückresorption, fördert Phosphatausscheidung; 1,25 Dihydroxycholecalciferol steigert Phosphatresorption aus dem Darm
Analytik Photometrischer Farbtest (Ammoniummolybdat zu Molybdänblau)
Referenzbereich: Serum/Plasma: 0,83-1,67 mmol/lUrin: 23-48 mmol/Tag
Extremwerte: Hyperphosphatämie und Hypophosphatämie bei einer Reihe verschiedener Ursachen.
Einflussgr./Störf: 12h Nahrungskarenz vor Blutentnahme, Hämolyse setzt Phosphatester frei.
Phosphat
Merke: Phosphat- und Calciumstoffwechsel sind eng verknüpft, unterliegen demselben Regelkreis.
Hyperphosphatämie: physiologisch im WachstumHypoparathyreoidismuschron. NiereninsuffizienzVit.D-IntoxikationErkrankungen mit vermehrtem Knochenabbau
Hypophosphatämie: HyperthyreoidismusMalabsorptionssyndromVit.-D-Mangel (Rachitis)
Befund 1
Patientin, 70 J, Bewusstlosigkeit, trockene Schleimhäute
Hyperosm. Komabei Diabetes mellitus Typ II Konzentrations-hypernatriämie,Volumenmangel, intrazell. Dehydratation
Befund 2
Patientin, 40 J, Ständige Kopfschmerzen, erhöhte Blutdruckwerte (180/110)Frage: Hormonstörung?
Conn-SyndromHyperaldosteronismusPrim: Aldosteron Renin Sek: Renin Aldost.