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Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie
Kognitive Leistungsdiagnostik
bei Erwachsenen mit Spina bifida –
eine Fallstudie
Prof. Dr. Andreas Fellgiebel
Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie
Frau C.B., 40 Jahre, wird am 29.3.2006 in der Gedächtnisambulanz
der Universitätsmedizin Mainz in Begleitung ihrer Bezugsbetreuerin
vorgestellt.
Diagnosen:
Spina bifida mit thorakolumbalem Lähmungsniveau, Hydrozephalus
internus (Shunt), Arnold-Chiari-II-Malformation.
Beschwerden:
Pat. und Betreuerin: seit ca. 1 Jahr Gedächtnisstörung, sie könne
sich Aufträge und Abläufe nicht gut merken. Leichte Ablenkbarkeit,
Wortfindungsstörungen. Symptomatik fluktuiert.
Behandelnder Arzt (Rehazentrum): Schwankungen in Merkfähigkeit,
Gedächtnis, Antrieb, relativ rasche, ungewöhnliche Progredienz für
Spina-bifida-Patienten, keine OP-Indikation (kein Hirndruck).
Ergotherapeutin: Probleme der Handlungsplanung, Visuo-
Konstruktion, Psychomotorik, geteilte Aufmerksamkeit, reduzierte
Lernfähigkeit in den genannten Bereichen, gute Motivation.
Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie
Neuropsychologische Testung (12.04.2006):
Fragestellung: kognitives Profil? Anhalt für Neurodegeneration?
Schule 10 Jahre + 3 Jahre Berufsschule (Übersetzerin)
Aktuelle Tätigkeit: Diakonie Werstatt (Montagegruppe)
Prämorbides Funktionsniveau, allg. Anhalt für kognitiven Abbau:
MWT-B (kristalline Intelligenz): Prozentrang 92,2 = überdurchschn.
IQ 103 (aus Leistungs-Prüf-System)
LPS4 (fluide Intelligenz): Prozentrang 57,9 = durchschnittlich
Verbales Gedächtnis: (AVLT)
Lernen: durchschnittlich (55 Wörter; Norm: 52 ± 7)
Verzögerter freier Wiederabruf (20min): unterdurchschnittlich;
8 Wörter (Norm: 11,1 ± 2,4) = 1,3 SD unter Mittelwert
Wiedererkennen: unterdurchschnittlich (10 Wörter; Norm: 14,4 ± 0,8)
Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie
Neuropsychologische Testung (12.04.2006):
Visuo-Konstruktion: (WMS-R): unterdurchschnittlich (PR 2)
Verzögerte Wiedergabe: (30min): unterdurchschnittlich (PR 2)
Psychomotorik: (TMT-A): 64 sec.: untersurchschnittlich
Geistige Flexibilität: (TMT-B): 95 sec.: durchschnittlich.
TMT-B/ TMT-A: überdurchschnittlich.
Aufmerksamkeit:
Tonische Alertness: 251 msec: durchschnittlich
Phasische Alertness: 254 msec.: durchschnittlich
Geteilte Aufmeksamkeit: unterdurchschnittlich (Fehler)
d2 selektiv-fokussierte Aufmerksamkeit: unterdurchschnittlich
Arbeitsgedächtnis (Digit span): insg. durchschnittlich.
Exekutive Funktion: Wisconsin Cart Sorting Test: unterdurchschnittlich.
∑: Defizite sind mit „Grunderkrankung zu vereinbaren“, kein
Hinweis auf Neurodegeneration; Verlaufsuntersuchung empfohlen.
Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie
Neuropsychologische Testung longitudinal über 8 Jahre
(2006, 2007, 2014)
Verbales Lernen
55
48
43
0
10
20
30
40
50
60
1 2 3
Verbales Lernen (Summe 1-5)
2006 2007 2014 Durchgänge 1-5
Kontinuierliche Abnahme der Lernfähigkeit
Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie
Neuropsychologische Testung longitudinal über 7 Jahre
(2006, 2007, 2014)
Verbales Gedächtnis
Gedächtnis konstant (leicht) unterdurchschnittlich
2006 2007 2014
Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie
Neuropsychologische Testung longitudinal über 7 Jahre
(2006, 2007, 2014)
Psychomotorik etwa konstant, Verschlechterung der geistigen Flexibilität
Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie
Neuropsychologische Testung longitudinal über 7 Jahre
(2006, 2007, 2014)
Visuo-Konstruktion – figurales Gedächtnis
Unterdurchschnittlich zur baseline, weitere Verschlechterung im Verlauf
Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie
Neuropsychologische Testung longitudinal über 7 Jahre
(2006, 2007, 2014)
Arbeitsgedächtnis
Leicht unterdurchschnittlich, im Verlauf kein sicherer Progress
Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie
Neuropsychologische Testung longitudinal über 7 Jahre
(2006, 2007, 2014)
Aufmerksamkeit
Verschlechterung, ausgehend von normalen Reaktionszeiten
Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie
Zusammenfassung
Kognitive Leistungsschwäche in den betroffenen Kernbereichen
nimmt zu („Eigendynamik der Erkrankung?“) bei unveränderter
Hirnstruktur
(Ergotherapie 2006: Probleme der Handlungsplanung, Visuo-
Konstruktion, Psychomotorik, geteilte Aufmerksamkeit, reduzierte
Lernfähigkeit in den genannten Bereichen, gute Motivation.)
Gute kognitive Reserve (Bildung, IQ)
Wahrscheinlich reduzierte Kompensationsationsfähigkeit von
altersbedingten Einbußen und hinzutretenden Läsionen/
Pathologien.
Pat. arbeitet wahrscheinlich schon seit Erreichen des
Leistungsplateaus an der Grenze der Kompensationsfähigkeit.
Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie
Konzept Resilienz und kognitive Leistung
Allgemeines Modell: Beispiel Alzheimer-Erkrankung
Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie
Konzept Resilienz und kognitive Leistung
Aktive Kompensation von Einbußen der kognitiven Leistung/ der Lernleistung:
1.„HAROLD“ (hemispheric asymmetry reduction in older adults):
Altersbedingte Reduktion in der intrahemisperischen Prozessierung komplexer
kognitiver Aufgaben wird durch „Bilateralisierung“ kompensiert
Auch für das „Transferlernen“ im Alter ist eine gute interhemispherische
Konnektivität (Corpus Callosum) notwendig. Wolf D, Fellgiebel A. et al.Hum Brain Mapp. 2014 Jan;35(1):309-18.
Balkendysgenesie geht mit reduzierter interhemispherischer Konnektivität
einher und könnte aktive Kompensation („HAROLD“) hemmen.
2. „PASA“ (posterior anterior shift of aging“)
Mehr frontale (exekutive“) Funktionen werden benötigt um Performanz
aufrechtzuerhalten. Exekutivfunktionen aber primär eingeschränkt.
Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie
Normal Arnold-Chiari II
T1 transversal
T1 coronal
MRT-Schädel von 11/2014
Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie
Danke für die Aufmerksamkeit…