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camuglia.com Leadership – November 2017 Kommunikation - Am Anfang war das Wort Was ist die Basis von guter Kommunikati- on? „Am Anfang war das Wort“, ein Satz aus dem Buch Genesis, der - obwohl über viele Jahrhunderte relevant - längst über- holt ist. Hingegen hat sich Descartes’ The- se, dass Gefühl und Verstand getrennte Welten sind, seit dem 17. Jahrhundert bis vor wenigen Jahren tapfer gehalten. Mit dem Satz, „Ich denke, so bin ich“, hat der französische Philosoph, Mathematiker und Wissenschaftler die damalige Gesellschaft nachhaltig geprägt. Auf diesem Gedanken basiert auch das Modell des Homo oeco- nomicus, dessen System einer bestimmten rationalen Präferenzordnung folgt. Ein Mo- dell, das man in der Wirtschaftswissen- schaft nutzt und davon ausgeht, dass ein Mensch in der Lage ist, rein rationale Über- legungen anzustellen, oder mindestens zu simulieren. Antonio R. Domasio ist einer der renommiertesten Neurowissenschaftler unserer Zeit und hat mit dem Buch Desar- tes’s Irrtum grosse Diskussionen ausgelöst. Er stellt die Gegenthese auf, „Ich fühle, also bin ich“. Nur eine Wortspielerei oder eine Versönung zwischen Körper und Geist? Die kognitive Neurowissenschaft bringt heute die Beweislage, dass das Gehirn viele bewusste und unbewusste Prozesse hinter sich hat, bis das Sprachzentrum aktiv wird oder noch besser gesagt, dass diese Prozes- se nicht sequenziell sondern parallel laufen. Rationalität und Emotionen sind enger mit- einander verbunden als bisher angekom- men. Viele Untersuchungen zeugen sogar von einer Abhängigkeit zwischen emotiona- len und rationalen Abläufen. Sie sind Vo- raussetzung für unser Selbstverständnis.

Kommunikation - Am Anfang war das Wort - camuglia.com · von Kommunikation beschränkt sich nicht auf Mitarbeiterinformationen oder o-ne2one’s mündlicher oder schriftlicher Na-tur

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Page 1: Kommunikation - Am Anfang war das Wort - camuglia.com · von Kommunikation beschränkt sich nicht auf Mitarbeiterinformationen oder o-ne2one’s mündlicher oder schriftlicher Na-tur

camuglia.com Leadership – November 2017

Kommunikation - Am Anfang war das Wort Was ist die Basis von guter Kommunikati-on? „Am Anfang war dasWort“, ein Satzaus dem Buch Genesis, der - obwohl überviele Jahrhunderte relevant - längst über-holt ist.HingegenhatsichDescartes’The-se, dass Gefühl und Verstand getrennteWelten sind, seit dem 17. Jahrhundert bisvor wenigen Jahren tapfer gehalten. Mitdem Satz, „Ich denke, so bin ich“, hat derfranzösische Philosoph,Mathematiker undWissenschaftler die damalige Gesellschaftnachhaltig geprägt. Auf diesem Gedankenbasiert auch das Modell des Homo oeco-nomicus, dessen System einer bestimmtenrationalenPräferenzordnungfolgt. EinMo-dell, das man in der Wirtschaftswissen-schaft nutzt und davon ausgeht, dass einMenschinderLageist,reinrationaleÜber-legungen anzustellen, oder mindestens zu

simulieren. Antonio R. Domasio ist einerderrenommiertestenNeurowissenschaftlerunserer Zeit undhatmit demBuchDesar-tes’s IrrtumgrosseDiskussionenausgelöst.ErstelltdieGegentheseauf,„Ichfühle,alsobin ich“. Nur eineWortspielerei oder eineVersönungzwischenKörperundGeist?Die kognitive Neurowissenschaft bringtheutedieBeweislage,dassdasGehirnvielebewusste und unbewusste Prozesse hintersichhat, bisdas Sprachzentrumaktivwirdodernochbessergesagt,dassdieseProzes-senichtsequenziellsondernparallellaufen.RationalitätundEmotionensindengermit-einander verbunden als bisher angekom-men. Viele Untersuchungen zeugen sogarvoneinerAbhängigkeitzwischenemotiona-len und rationalen Abläufen. Sie sind Vo-raussetzungfürunserSelbstverständnis.

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camuglia.com Leadership – November 2017 Was heisst das fürManagement und Lea-dership. IchpflegediesebeidenBegriffezutrennen.DennunterManagementversteheich Abläufe struktureller und materiellerNatus. Unter Leadership verstehe ich dieFähigkeit, Mitarbeiter zu begeistern undzusammenzuhalten.InbeidenRollen,undjede Führungskraft trägt beideRollenhüte,ist Kommunikation das absolut zentralsteFührungsinstrument. InteressanterweisegehtesinbeidenRollenumVertrauen.EinMitarbeiter vertraut dem Manager, wenn

sinnvolle Strukturen, durchdachteProzesseund verlässliche Kennzahlen vorhandensind.OderwenndieArbeitslastfairverteiltistundwenn jedemklar ist,woran siege-messen werden – aber auch, was dienächstenZielesind.Alldasmussverständ-lich und stufengerecht vermittelt werdenund leicht zugreifbar sein, immer auch inschriftlicher Form. Das schafft Ordnung,Ordnung schafft Sicherheit und SicherheitschafftVertrauen.

Leadership hingegen basiert auf Men-schenbild und Weltbild; hat mit Haltung,EinstellungundWertenzutun.DieseFormvon Kommunikation beschränkt sich nichtauf Mitarbeiterinformationen oder o-ne2one’smündlicher oder schriftlicherNa-tur.DieseFormvonKommunikation findetpermanent, verbal und nonverbal statt. Esistnichtnurdas,wasMitarbeiterinForm

vonSprachehörenundlesen,sonderndas,wasdieMitarbeitendenspüren.In diesem Sinne ist schweigen auch Kom-munikation. Lachen, nachfragen, bestäti-gen, unterstützen, anzweifeln, hinterfra-gen, hin- und wegschauen, präsent sein,abwesend sein – alles ist Kommunikation.Ein Spektrum, daswir unmöglichmit demVerstandkontrollierenkönnen.NiemandistinderLage,jedeseinerRegungenüberden

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camuglia.com Leadership – November 2017 Verstandzukontrollieren.Wasjetzt?Versuchen wir es mit einer Umkehrung.Starke Leader überprüfen ihre innere Hal-tungzusichselbst,zudenKollegen,zudenMitarbeitern –mitwelchemMenschenbildlaufen Sie durch die Gegend? Glauben SieaneineZukunftdesPlanetsErde,IhrerPar-tei oder Ihrer Firma? Überprüfen Sie ihreEinstellung.SindSieselbstvoneinerSacheüberzeugtodersindSiekritischodersogarnegativ?Siesehen,wirredenzwarvonGe-danken.Wassieabervoneinermathema-tischen Formel oder einer Statistik unter-scheidet sind die damit verbundenen Ge-fühle. Nun drängt sich die nächste Frageauf! Kann nur Superman auch ein Leadersein? Ich mache die Erfahrung, dass dieKollegen und dieMitarbeiter einen Leaderwünschen,dereineVisionhatundandieseglaubt. Auf der Reise dahin gehen Dingeschief, manchmal verliert man sogar denKurs–jetztistEhrlichkeitundAuthentizität

gefragt.KürzlichhabeicheinenCEOerlebt,der sagte, ich glaube fest daran, dass wirdasschaffen,zurzeitweiss ichabergeradenicht wie. Wir müssen experimentieren,lernen und optimieren.“Was auf den ers-tenBlickwieSchwächeaussah,wirkteäus-serstpositivaufdieMitarbeiterdesUnter-nehmens.Dennallesanderehättensieihmsowieso nicht abgenommen. Mitarbeiterwissen mehr als wir denken – schliesslicharbeitensiejainIhrerFirma.VersuchenSieesalsodocheinmalmitderumgekehrten Formel von Genesis, Descar-tes und Domasio. Oft fühlen wir eben zu-erst, bewusst oder unbewusst. Dann den-ken wir und zuletzt sprechen wir. FolglichmüsstenSiesich IhreGefühlebewusstma-chen. Erst dann wissen Sie, auf welchenfruchtbaren Acker oder sauren Mist dieGedanken ihreWurzelngeschlagenhaben.Folglich ist Selbstreflektion die Basis vonjedergutenKommunikation.

MonicaCamuglia6.November2017