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ISSN 1865-5149 DER KATHOLISCHE MILITÄRBISCHOF FÜR DIE DEUTSCHE BUNDESWEHR | BERLIN, AUSGABE 04|10 K OMPASS Soldat in Welt und Kirche Feindesliebe Ostergruß von Militärbischof Dr. Walter Mixa Interview mit dem Vizepräsidenten von pax christi Deutschland 53. Fortbildungstagung der Pfarrhelferinnen und Pfarrhelfer in Hamburg

KOMPASS - Veszprémi Érseki Hittudományi Főiskola · 2013-04-11 · „Kampfes gegen den international agierenden Terrorismus“ neu ent-falten, möchten unter einem Feind denjenigen

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DER KATHOLISCHE MILITÄRBISCHOF FÜR DIE DEUTSCHE BUNDESWEHR | BERLIN, AUSGABE 04|10

KOMPASSS o l d a t i n W e l t u n d K i r c h e

FeindesliebeOstergruß von Militärbischof Dr. Walter MixaInterview mit dem Vizepräsidenten von pax christi Deutschland53. Fortbildungstagung der Pfarrhelferinnen und Pfarrhelfer in Hamburg

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dem 1965 von Königin Elisabeth

II. für sein Lebenswerk als Knight

Bachelor zum Ritter geschlagenen

Sir Karl Raimund Popper wird nach-

gesagt, er hätte sich selbst als

Agnostiker bezeichnet und wollte

sich als ein solcher auch verstan-

den wissen. Der österreichisch-bri-

tische Philosoph lehnte den seiner

Ansicht nach arroganten und

aggressiven Atheismus ebenso ab

wie den jüdischen und den christ-

lichen Glauben. Vor den morali-

schen Lehren beider Religionen

bekundete er dennoch Respekt.

Warum dies erwähnt wird, hängt

eng mit einem seiner Lebenswerke

zusammen. In zwei Bänden, 1945

mit Kriegsende publiziert, befasste

er sich sehr frühzeitig – und über

seine wissenschaftstheoretischen

Abhandlungen und den vielzitier-

ten Positivismusstreit in der deut-

schen Soziologie mit den Vertre-

tern der damaligen „Frankfurter

Schule“ hinaus – auch mit gesell-

schaftstheoretischen Fragestellun-

gen, die bis heute nichts an

Aktualität eingebüßt haben. Das

in alle Weltsprachen übersetzte

Werk befasst sich mit der „Offenen

Gesellschaft und ihren Feinden“.

An wen mag Popper gedacht

haben, als er in diesem Zusam-

menhang von Feinden sprach? Bei

näherem Hinsehen fällt auf, dass

zu keinem Zeitpunkt dabei von

Menschen die Rede war, sondern

Popper ideologische Systeme in

den Blick nahm. Systeme, die tota-

litäre Staatsformen wie National-

sozialismus, Faschismus und Kom-

munismus begründen.

Während „Offene Gesellschaft“

heute ein akzeptierter gesell-

schaftspolitischer Begriff gewor-

den ist und unwidersprochen zu

den Selbstverständlichkeiten in

der politischen Rede zählt, verhält

es sich mit dem „Feind“ genau

umgekehrt. Vielfach wird er fein

säuberlich umschrieben, eher ver-

mieden oder zumindest doch so

umschifft, dass die tatsächliche

Bedeutung des Begriffes „Feind“

sich eher nur erahnen lässt. Aller-

dings: in juristischen Kreisen ist

der Begriff „Feind“ nicht obsolet.

Diejenigen, die ihn verwenden und

unter den Bedingungen des

„Kampfes gegen den international

agierenden Terrorismus“ neu ent-

falten, möchten unter einem Feind

denjenigen verstanden wissen, der

die politische Existenzform der

verfassten Gemeinschaft aktiv ver-

neint, die Verfassung des Staates

gewaltsam ändern will, die Idee

eines freiheitlich-rechtsstaatlichen

Gemeinwesens prinzipiell ablehnt

und – unter Androhung und

Anwendung von Gewalt gegen

Sachen und Menschen – zerstören

möchte. Ob diese strittige juristi-

sche Definition weiterhilft, steht

auf einem anderen Blatt. Kritiker,

die einem Feindbegriff generell

nichts abgewinnen können, ver-

weisen darauf, dass es sich dabei

eher um Straftäter, um Kriminelle

oder gar Verbrecher handelt – auf

keinen Fall jedoch um Feinde. Dem

modernen Strafrecht ist der Begriff

Feind fremd.

Ähnlich verhält es sich in diesem

Zusammenhang mit dem Gebrauch

des Begriffes „Krieg“. Auch hier ist

festzustellen, dass er im Völker-

recht keine Verwendung findet.

Vielmehr handelt es sich im völker-

rechtlichen Sinne um bewaffnete

Konflikte, die „nicht international“

oder „international“ ausgetragen

werden. Auch dabei ist nicht von

Feinden die Rede, sondern von

Aufständischen, Gegnern oder im

äußersten Fall von „feindlichen

Kräften“.

Wie verhält sich dies nun mit Blick

auf das christliche Gebot der Fein-

desliebe? Was kann darunter ver-

standen werden, worin liegt ihre

theologisch tiefere Bedeutung und

wo findet sie ihre Grenzen? Wird

Feindesliebe als eine ethische

Grundhaltung nur Menschen zuge-

billigt, die sich einem prinzipiellen

Pazifismus verbunden fühlen, oder

können auch Soldatinnen und Sol-

daten dem etwas abgewinnen, was

sie in ihrem Handeln und Entschei-

den in konkreten Situationen leitet?

Letztendlich bleibt auch zu beant-

worten, ob Gesellschaften auf ein

Feindbild angewiesen sind oder

damit auskommen, dass eine offe-

ne Gesellschaft keine Feinde kennt.

Josef König,

Chefredakteur

Liebe Leserinnen und Leser,

„Wird Feindesliebe

als eine ethische

Grundhaltung

nur Menschen

zugebilligt,

die sich einem

prinzipiellen

Pazifismus

verbunden

fühlen …?“

Editorial

Foto

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BDKJ

2 Kompass 04|10

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Inhaltsverzeichnis

Editorial 2

Ostergruß des Militärbischofs Feindesliebe – Vergebung 4

Schwerpunktthema: FeindesliebeGrundsatz „Liebt eure Feinde“ 5

Hintergrund: Die Bergpredigt 6Interview Die Überwindung der Feindbilder

fordert uns immer neu heraus 8Kommentar zur Sache Feindbild gesucht 10

Kolumne des Wehrbeauftragten Verlorene Maßstäbe 11

Auf ein Wort Was bleibt? 12

Lexikon der Ethik Epikie (Billigkeit) 13

Reportage vor Ort Nah am Menschen – Militärseelsorge in Erfurt (Teil 2) 14

53. Fortbildungstagung der Pfarrhelferinnen und Pfarrhelfer in Hamburg 18

Aus der Militärseelsorge Innere Führung und Auslandseinsätze 17

Ökumene in der Praxis 17

Militärseelsorge Ost – Sicherung von Zeitzeugenberichten 20

Archive im Netz 20

Heimat in der Fremde bieten 21

Offiziere aus Niederstetten im

„Shalom-Europazentrum Würzburg“ 22

Krieg im Namen der Menschenrechte? 25

CD des Monats Peter Gabriel – Scratch My Back 22

Buchtipp Christoph Karich – Bewährung im Grünen Meer 23

Filmtipp „Lourdes” 24

Personalien Militärpfarrer van Dongen wechselt 26

Einführung von Militärpfarrer Kohl in Seedorf 26

Militärpfarrer Lang in Torgelow eingeführt 26

Impressum 26

Rätsel 27

Titelfoto © FAZ / Daniel Pilar

Inhalt April 2010

3Kompass 04|10

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Die christlichen Hochfeste sind Fest- und Fixpunk-

te des rettenden Heilshandelns Gottes an uns:

Ostern feiern wir die Entmachtung des Urfeindes

des Menschen, den Sieg Jesu über Sünde, Tod und

Teufel.

Das Böse, das noch eine gewisse – aber nicht

mehr endgültige – Macht über uns hat, ist eine

Folge der freien Entscheidung des Menschen

gegen Gott, des Aufbegehrens gegen ihn, des

menschlichen Sein-Wollens wie Gott.

Durch Christi Tod und Auferstehung sind wir nun

gerüstet und ermächtigt für den Kampf gegen das

Böse in all seinen Ausformungen und Erscheinun-

gen. Die geradezu unfassbare Liebe Gottes zu uns,

die er uns im Sterben und Auferstehen Christi

erweist, soll ihren Widerhall finden in der Gottes-

und Nächstenliebe, wie sie im Doppelgebot zum

Ausdruck kommt und sich im Gebot der Feindes-

liebe steigert: „Du sollst den Herrn, deinen Gott,

lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und

mit all deinen Gedanken. (…) Du sollst deinen

Nächsten lieben wie dich selbst.“ (Mt 22,37f)

„Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet

für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures

Vaters im Himmel werdet“ (Mt 5,44f).

Der Katechismus der Katholischen Kirche lässt aus

Leiden und Sterben Christi für uns unsere Verpflich-

tung zur Feindesliebe folgen: „Chri-

stus ist aus Liebe zu uns gestorben,

als wir noch ‚Feinde‘ waren (Röm

5,10). Der Herr verlangt von uns,

nach seinem Beispiel unsere Feinde

zu lieben (Mt 5,44) (…).“ (KKK

1.825)

Das Handeln Jesu, das ihn bis ans

Kreuz geführt hat und das die Lie-

be Gottes zu uns in all ihrer Radi-

kalität erweist, ist für uns und

unser Handeln erster und letzter

Maßstab. Noch vom Kreuz herab

betete Jesus für seine Feinde:

„Vater, vergib ihnen, denn sie wis-

sen nicht, was sie tun.“ (Lk 23,34)

Feindesliebe und Vergebung gelin-

gen wesentlich und letztlich nur

von der Kreuzesperspektive Jesu

her: Es geht um den inneren und

äußeren Widerstand gegen das

Böse. Es geht dabei um die Aner-

kennung der eigenen Schuld und

um das Erkennen, dass wir selbst

uns nicht aus ihr heraus erlösen

können. Die Erlösung von Schuld

und Sünde setzt die absolute Liebe

Gottes voraus, in die wir zuinnerst

hineingenommen sind und von der

aus unsere Liebe, die in der Fein-

desliebe ihren Höhepunkt erreicht,

wirksam werden kann. Die Überwin-

dung des Bösen gelingt uns nur,

weil Satan und das Böse letztlich

schon durch Kreuz, Tod und Aufer-

stehung Jesu entmachtet sind.

So setzt unser Handeln zuerst eine

Haltung voraus, die Haltung der

Annahme und der Erwiderung der

Gottesliebe, aus der heraus wir zur

Nächstenliebe ermächtigt und

befähigt sind.

Papst Benedikt XVI. hat diesen

Zusammenhang von Schuld und

Überwindung des Bösen von der

Kreuzesperspektive aus beleuchtet:

„Vergebung kostet etwas – zuerst

den, der vergibt: Er muss in sich

das ihm geschehene Böse überwin-

den, es inwendig gleichsam ver-

brennen und darin sich selbst

erneuern, so dass er dann auch den

anderen, den Schuldigen, in diesen

Feindesliebe – Vergebung

Ostergruß des Katholischen Militärbischofs Dr. Walter Mixa

4 Kompass 04|10

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Die Christus-Ikone in der St.-Michaels-Kapelle im

Haus des Katholischen Militärbischofs, Berlin

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Das Gebot der Feindesliebe gehört

sicherlich mit zu den bekanntes-

ten, aber zugleich provozierends-

ten Forderungen im Neuen Testa-

ment. Nahezu spontan regt sich

beim Leser dieser Botschaft Wider-

spruch. Kann man denn seinen

Feind lieben?

Diese Schwierigkeit wird für man-

che noch dadurch verstärkt, dass

dieses Gebot in der Bergpredigt

steht (vgl. Mt 5,43–48; Lk 6,27–

35). Denn immer noch wird da-

rüber gestritten, ob ihre Forderun-

gen für alle Zeiten und unter allen

Umständen gelten, ja ob ihre For-

derungen wirklich selbst beim

besten und ehrlichsten Bemühen

überhaupt umsetzbar sind. Die Kir-

chengeschichte der letzten zwei-

tausend Jahre könnte ebenso die

Frage provozieren, ob Christus tat-

sächlich keine undurchführbaren

Gesetze gegeben habe, so der

Bischof und Exeget Theodor von

Heraklea (gest. vor 355), oder ob

diese nur schöne, aber realitätsfer-

ne Wünsche seien. Doch schon im

Neuen Testament gibt es Textstel-

len, die Schwierigkeiten im

Umgang mit Feinden und Gegnern

erkennen lassen (vgl. 2 Petr 2,12).

Selbst im Matthäusevangelium, in

dem neben dem Lukasevangelium

auch die Forderung der Feindeslie-

be enthalten ist, wird von jüdi-

„Liebt eure Feinde“von Militärseelsorger Prof. Dr. Thomas R. Elßner

Grundsatz

5Kompass 04|10

Prozess der Verwandlung, der inne-

ren Reinigung hineinnimmt und sie

beide durch das Durchleiden und

Überwinden des Bösen neu werden.

An dieser Stelle stoßen wir auf das

Geheimnis des Kreuzes Christi.

Aber zuallererst stoßen wir auf die

Grenzen unserer Kraft zu heilen,

das Böse zu überwinden. Wir sto-

ßen auf die Übermacht des Bösen,

derer wir mit unseren Kräften allein

nicht Herr zu werden vermögen.

(…) Überwindung von Schuld

kostet den Einsatz des Herzens –

mehr: den Einsatz unserer ganzen

Existenz. Und auch dieser Einsatz

reicht nicht aus, er kann nur wirk-

sam werden durch die Gemein-

schaft mit dem, der unser aller Last

getragen hat.“ (Joseph Ratzinger /

Benedikt XVI., Jesus von Nazareth,

I, Freiburg i. Br. 2007, 193ff)

Liebe Soldatinnen und Soldaten,

diese Gedanken mögen Sie und uns

alle trösten, ermutigen und sie

können uns Kraft geben – wir sind

nicht allein gelassen: Das Böse

und mit ihm die feindlichen Mäch-

te sind durch Christus, durch sein

Leiden, seinen Tod und seine Auf-

erstehung besiegt, sie haben keine

letzte Macht mehr über uns und

über das Weltgeschehen. In dieser

Hoffnung dürfen wir uns dem Auf-

erstandenen anvertrauen!

So grüße ich Sie sehr herzlich und

wünsche Ihnen allen die Freude und

den Segen des Auferstandenen!

Ihr

Katholischer Militärbischof

für die Deutsche Bundeswehr

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schen Theologen in einer Weise

gesprochen, die jegliche Feindes-

liebe vermissen lässt (vgl. Mt 23).

So kann es nicht verwundern, dass

die Auslegungsgeschichte des

Gebotes der Feindesliebe auch als

eine Geschichte seiner Milderung

oder gar Abschwächung gelesen

werden kann.

Muss man seine

Feinde hassen?

In einem ersten und unerlässli-

chen Schritt beim Bemühen, das

Gebot der Feindesliebe zu verste-

hen, gilt es, den betreffenden Text

selbst wahrzunehmen: „Ihr habt

gehört, dass gesagt worden ist: Du

sollst deinen Nächsten lieben und

deinen Feind hassen. Ich aber

sage euch: Liebt eure Feinde und

betet für die, die euch verfolgen“

(Mt 5,43f). Ein rhetorischer Kniff,

um die Aufmerksamkeit von

Hörern zu erreichen, besteht darin,

eine ihnen bekannte und durchaus

Zustimmung findende Aussage,

wenngleich auch verkürzt, mit

einer unerhörten Gegenaussage zu

verknüpfen. Dies ist Methode und

geschieht in der Bergpredigt

gleich sechsmal hintereinander

(sog. Antithesen, Mt 5,21–48).

Um die Hörer zu provozieren, ist es

zudem ein erprobtes Mittel, eine

Aussage über das Belegbare hinaus

zuzuspitzen. Die Forderung, seinen

Nächsten zu lieben, ist zwar im

Alten Testament bezeugt (vgl. Lev

19,18), aber nicht die, seinen

Feind zu hassen. Wenngleich eine

solche Äußerung nicht durch die

biblische Überlieferung gedeckt

ist, so wird mit ihr anscheinend

ein Verständnis der Nächstenliebe

kritisiert, die davon den Fremden

und/oder den Andersgläubigen

ausnehmen will. Anders gewendet:

Zum Nächsten gehört auch jeder

Fremde, der nicht zu einem

bestimmten Volk oder zu einer

bestimmten Religion zählt.

Schwierigkeiten,

seinen Feind zu lieben

Eine klassische Schwierigkeit im

Verständnis des Gebotes der Fein-

desliebe besteht schon im Wort

„lieben“ selbst. Offenkundig ist,

dass dieses Wort in der Bergpredigt

bewusst vom Gebot der Nächsten-

liebe übernommen worden ist (vgl.

Lev 19,18). Doch bereits hier erge-

ben sich Verständnisschwierigkei-

ten, zumal in der deutschen Spra-

che. „Lieben“ bedeutet in beiden

Fällen nicht, einem Menschen mit

zärtlichen oder gar leidenschaftli-

chen Gefühlen und Stimmungen zu

begegnen, sondern ihn grundsätz-

lich als einen Mitmenschen anzuer-

kennen, indem man sich ihm auf

der Ebene von Mensch zu Mensch

zuwendet. Eine solche Hinwendung

kann selbstbestimmt – im Unter-

schied zum Eros – durch helfende

Taten erfolgen. Solche Taten

geschehen nicht wahllos oder reali-

tätsgelöst, sondern haben konkrete

Notlagen des Feindes im Blick (vgl.

Ex 23,4f). Dies bedeutet aber nicht,

dass berechtigte Kritik gegenüber

dem Feind – und Feind ist in der

Grundsatz

6 Kompass 04|10

„Als Jesus die vielen Menschen

sah, stieg er auf einen Berg. Er

setzte sich, und seine Jünger tra-

ten zu ihm. Dann begann er zu

reden und lehrte sie.“ (Mt 5,1–2)

Anders als im Lukas-Evangelium,

in der die „Feldrede“ nur dreißig

Verse umfasst (Lk 6,20–49) und in

der Ebene gehalten wird, gehört

für den Evangelisten Matthäus zur

Symbolik, dass Jesus von dem

Berg der Verkündigung zu seinen

Zuhörern spricht. Gemeinsam ist

beiden Überlieferungen, dass sie

keine wörtlichen „Protokolle“ sein

wollen und können, aber authen-

tisch den Sinn der Botschaft Jesu

wiedergeben.

Von der Liebe zu den Feinden:

„In jener Zeit sprach Jesus zu sei-

nen Jüngern: Ihr habt gehört, dass

gesagt worden ist: Du sollst dei-

nen Nächsten lieben und deinen

Feind hassen. Ich aber sage euch:

Liebt eure Feinde und betet für

die, die euch verfolgen, damit ihr

Söhne eures Vaters im Himmel

werdet; denn er lässt seine Sonne

aufgehen über Bösen und Guten,

und er lässt regnen über Gerechte

und Ungerechte. Wenn ihr nämlich

nur die liebt, die euch lieben, wel-

chen Lohn könnt ihr dafür erwar-

ten? Tun das nicht auch die Zöll-

ner? Und wenn ihr nur eure Brüder

grüßt, was tut ihr damit Besonde-

res? Tun das nicht auch die Hei-

den? Ihr sollt also vollkommen

sein, wie es auch euer himmlischer

Vater ist.“ (Mt 5,43–48)

© Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart, für die „Einheitsübersetzung der HeiligenSchrift“, zitiert nach der Taschenausgabe desKatholischen Militärbischofsamtes, Berlin

Hintergrund: Die Bergpredigt (Mt 5,1 – 7,29)

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Bergpredigt im umfassenden Sinne

gemeint – jetzt einfach zu verstum-

men hat oder gar bedeutungslos

geworden ist.

Zudem ist stets der biblische Kon-

text mit seiner Forderung der Fein-

desliebe im Blick zu behalten. Nach

wie vor dürfte auch heute noch gel-

ten, dass Feindesliebe dem Men-

schen von Natur aus nicht eigen

ist, dieser sogar zu widersprechen

scheint. Somit ist ein erster wichti-

ger Punkt, dass wirkliche Feindes-

liebe erst aus einem Verhältnis zu

Gott entspringen kann. Ein Mensch,

der sich als von Gott angenommen

und geliebt weiß, kann dadurch

innerlich frei zur Liebe auch dem

Feind gegenüber werden.

Ein zweiter wesentlicher Punkt ist,

dass die Feindesliebe nicht auf

Gegenliebe schielen bzw. mit

irgendwelchen Zwecken verbunden

werden darf. Bei Lukas heißt es

daher folgerichtig: „Ihr aber sollt

eure Feinde lieben und sollt Gutes

tun und leihen, auch wo ihr nichts

dafür erhoffen könnt“ (Lk 6,35).

Außerdem ist die Feindesliebe kei-

ne Bewährungsprobe für den Feind.

Dabei geht es auch um einen Feind,

„der Feind bleibt, ungerührt von

meiner Liebe, der mir nichts vergibt,

wenn ich ihm alles vergebe, der

mich hasst, wenn ich ihn liebe“

(Bonhoeffer). Vor allem dieser

Aspekt kann sicherlich nur im

Zusammenhang mit der Gottesliebe

emotional und intellektuell bewäl-

tigt werden. Die hierbei empfunde-

ne Schwierigkeit wird bei Matthäus

mit dem Satz ausgedrückt: Der Vater

im Himmel „lässt seine Sonne auf-

gehen über Bösen und Guten, und

er lässt regnen über Gerechte und

Ungerechte“ (Mt 5,45). Das heißt,

Gott erweist allen seine väterliche

Güte und Zuwendung. Das ist die

wirklich unerträgliche Provokation

und Zumutung für den sogenannten

„gesunden Menschenverstand“ be-

züglich der evangeliumsgemäßen

Liebe zum Feind. Denn diese Forde-

rung „wird nicht mit Klugheitsgrün-

den, aber auch nicht ethisch

begründet …, sondern einfach als

Nachvollzug des Verhaltens Gottes

empfohlen“ (Schürmann). Insge-

samt wird jetzt vielleicht einsehbar,

warum tatsächliche Feindesliebe

selten gelingen will.

Schließlich kommt noch ein dritter

Punkt hinzu, der ebenso eine

nicht-natürliche Voraussetzung

berührt. Die Forderung nach Fein-

desliebe wird von Jesus im Hinblick

auf das anbrechende Reich Gottes

erhoben, das die Wirklichkeit die-

ser Welt in eine neue von Schuld,

Versagen und menschlicher Be-

grenzung befreite aufhebt. Für

denjenigen, dem diese Glaubens-

wirklichkeit nichts sagt oder

bedeutet, wird es schwer, wenn

nicht gar unmöglich sein, die

evangeliumsgemäße zweckfreie

Feindesliebe überhaupt in Erwä-

gung zu ziehen oder zu praktizie-

Grundsatz

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ren. Auch hier können Ursachen für

die nicht vom Erfolg verwöhnte

Geschichte der Feindesliebe liegen.

Fürbitte

Seien wir ehrlich. Das bisher

Gesagte mag vielleicht wenig

ermutigend für ein Gelingen der

Feindesliebe sprechen. Dennoch

gibt es einen Weg, den die Berg-

predigt für eine wirklichkeitsge-

rechte Umsetzung jener weltfrem-

den Forderung weist, nämlich die

Fürbitte für den Feind. Zwar setzt

die Bergpredigt eine Verfolgungs-

situation bei ihren Adressaten vor-

aus, die viele Christen in manchen

außereuropäischen Regionen heu-

te leider immer noch täglich erfah-

ren. Aber auch Christen, die nicht

unter Verfolgung wegen ihres

Glaubens leiden, bleiben aufgeru-

fen, für (ihre) Feinde zu beten.

Wer für einen Feind betet, der ver-

mindert und überwindet seinen

vielleicht vorhandenen Hass gegen

ihn. Wer für einen Feind betet,

lernt durchaus auch schmerzhaft,

in ihm einen Menschen zu sehen,

dem Gott ebenso Güte erweist wie

mir (vgl. Lk 6,35). Dies kann ein

Beginn der Feindesliebe sein.

Denn „jede Fürbitte zieht den

Gemeinten potentiell in die

Gemeinde hinein“ (Bonhoeffer).

Prof. Dr. Thomas R. Elßner,

Pastoralreferent, Katholisches

Militärpfarramt Koblenz III,

Dozent für Katholische Theologie

am Zentrum Innere Führung,

Professor für

Alttestamentliche Exegese an

der Philosophisch-Theologischen

Hochschule Vallendar

Kompass: Die Internationale

Katholische Friedensbewegung Pax

Christi basiert auf der festen Über-

zeugung, dass es zu Frieden und

Gewaltlosigkeit keine Alternative

gibt. So das Grußwort Ihres Präsi-

denten, Bischof Heinz Josef Alger-

missen, Fulda, auf der Internetsei-

te von pax christi Deutschland.

Was würden Sie einem Soldaten

antworten, wenn er Sie danach

fragt, ob er für seinen Dienst ein

Feindbild braucht?

Johannes Schnettler: Der Soldat

ist Diener des Friedens, sagt die

Konzilskonstitution „Gaudium et

Spes“. Der Soldat stellt seinen

Dienst also unter die größere Per-

spektive des biblischen Schalom.

Die Bibel meint damit den umfas-

senden Frieden der Menschen

untereinander, des Menschen mit

der Schöpfung und der Menschen

mit Gott. Ein solches Streben nach

Frieden ist ausgerichtet auf die

Überwindung der Feindbilder. Ein

Soldat, der sich dem Geist des

Evangeliums verpflichtet weiß,

wird seinen soldatischen Dienst

aus dieser Perspektive des umfas-

senden Schalom heraus leisten.

Diese Perspektive eröffnet ihm

einen größeren Horizont. Sein

Dienst ist nicht von Abwehr eines

Feindes, sondern von der Mitarbeit

am Schalom geprägt, der allen

Menschen einen Platz in Gottes

Schöpfung zugesteht.

Kompass: „Liebt eure Feinde und

bittet für die, die euch verfolgen,

damit ihr Kinder seid eures Vaters

im Himmel“, ist ein wichtiger Hin-

weis im Matthäus-Evangelium. Mit

Blick auf den Dienst des Soldaten:

Was kann damit gemeint sein?

Johannes Schnettler: Was Sie

einen „wichtigen Hinweis“ nen-

nen, gehört zum Kern der Frohen

Botschaft Jesu Christi. Das Gebot

der Feindesliebe ist für jeden Men-

schen, der bereit ist, sich in die

Nachfolge Jesu zu begeben, und

das bekräftigen wir Christen jedes

Jahr neu in der Osternacht, eine

ethische Orientierung für sein

Handeln. Die Aufforderung zur

Grundsatz | Interview

8 Kompass 04|10

� Die Überwindung der Feindbilder fordert unsimmer neu heraus

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Feindesliebe ist eine Aufforderung

zur Überwindung von Vorurteilen,

zur Überwindung von Ängsten vor

allem Fremden, kurz: zur Überwin-

dung von Feindbildern. Ob im pri-

vaten oder öffentlichen Tun eines

jeden von uns, die Überwindung

der Feindbilder fordert uns immer

neu heraus.

Wie radikal und anmaßend eine

solche Feindesliebe ist, mag das

Handeln von Bischof Theas,

Lourdes, im Jahre 1944 verdeutli-

chen. Als Gefangener in einem

deutschen Lager feierte er mit sei-

nen französischen Mitgefangenen

Gottesdienst. Im Evangelium wur-

de die besagte Stelle aus dem Mat-

thäus-Evangelium gelesen. In sei-

ner Predigt sagte Bischof Theas:

„Ich kann euch nichts anderes ver-

kündigen, als das, was hier

geschrieben steht.“ Aus diesem

Geist heraus erwuchs damals auf

französischer Seite die Kraft zur

Versöhnung mit dem „Erbfeind“

Deutschland. Es war auch die

Geburtsstunde von Pax Christi. Das

Gebot der Feindesliebe ist also kei-

ne utopische, im Alltag der Solda-

ten untaugliche Aufforderung. Sie

ist konkret und birgt die Kraft zur

Überwindung der Feindbilder.

Kompass: „Liebt eure Feinde ...“,

damit wird auch zum Ausdruck

gebracht, dass es Feinde gibt. Wie

ist mit Feinden jenseits des Liebes-

gebotes gerade dann umzugehen,

wenn sich Staaten dafür entschei-

den, ihr äußerstes Mittel, über das

sie verfügen, nämlich bewaffnete

Streitkräfte, einzusetzen?

Johannes Schnettler: Die Auffor-

derung zur Feindesliebe verschließt

nicht die Augen vor der Wirklich-

keit. Unsere Welt ist, wie sie ist.

Intrigen, Hass, Feindschaft, Ge-

walt, Krieg prägen unsere Lebens-

welt im Kleinen wie im Großen.

Uns alle, Soldaten wie Zivilisten,

verbindet die gleiche Frage: Was

können wir zur Überwindung dieser

Verhältnisse beitragen? Papst

Johannes Paul II. hat gesagt:

„Jeder Krieg ist eine Niederlage der

Menschheit.“ Bevor wir also eine

Lösung im Waffengang als ver-

meintlich letztem Ausweg suchen,

müssen wir uns fragen: Haben wir

alles getan, um die Ursachen für

Hass, Gewalt, Krieg zu überwinden?

Oder, um im Geiste des verstorbe-

nen Papstes zu sprechen: Haben

wir die Intelligenz der Menschheit

genutzt, Wege aus der Sackgasse

der Gewalt zu finden?

Diesen Herausforderungen stellt

sich die internationale Politik

unseres Erachtens zu wenig. Die

Frage unserer pax-christi-Freun-

dinnen und -Freunde aus den USA

nach dem Anschlag auf das World-

Trade-Center im Jahre 2001 „War-

um hassen sie uns?“ ist bis heute

noch nicht in politisches Handeln

umgesetzt worden. Wir erleben

derzeit in Afghanistan, dass ein

ursprünglich „begleitender“ und

zeitlich begrenzter Waffengang

zum Aufbau ziviler, demokratischer

Strukturen schleichend in einen

Krieg zwischen den Alliierten und

den Aufständischen übergegangen

ist. Gewalt verselbstständigt sich.

Die konsequente Umsetzung des

Gebotes der Feindesliebe ist eine

fortgesetzt Mahnung an alle, Sol-

daten wie Politiker: Sind wir noch

auf dem richtigen Weg?

Das Interview führte Josef König.

Johannes

Schnettler,

Aachen,

Vizepräsident der

Deutschen Sektion

der Internationalen

Katholischen

Friedensbewegung

„pax christi“

Interview

9Kompass 04|10

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Es ist nur noch eine Frage der Zeit,

bis es in der Bundeswehr einen

General muslimischen Glaubens

geben wird. Vielleicht wird er einen

türkischen „Migrationshintergrund“

haben. Aber wie alle Soldaten wird

auch er gelobt haben, „der Bundes-

republik Deutschland treu zu dienen

und das Recht und die Freiheit des

deutschen Volkes tapfer zu verteidi-

gen“. Spätestens dann ist auch in

der Bundeswehr sichtbar, was wir

bereits in vielen Bereichen des poli-

tischen, gesellschaftlichen, kultu-

rellen und wirtschaftlichen Lebens

wahrnehmen: Muslime sind deut-

sche Bürger wie du und ich. Militä-

risch-bildlich gesprochen: sie haben

den Marschallstab im Tornister.

„Islamkritik“ ist angesagt. Seit Monaten geben

Feuilletons, Funk und Fernsehen „Islamkritikern“

das Wort. Aber wovon reden diese? Von einer Chi-

märe, „dem Islam“. Durchweg freilich nicht von

eben jenen Muslimen, die wir hier im Blick haben.

Die in allen Bereichen unserer Gesellschaft ihren

Platz einnehmen, tagtäglich ihren Dingen nach-

gehen: als Händler, Künstler, Professoren, Sport-

ler, Soldaten, Parlamentarier oder wo immer. Die

Verfassung zu respektieren, ist für sie etwas

Selbstverständliches. Zugleich sind sie islami-

schen Glaubens. Und nicht wenige von ihnen –

und vielleicht auch unser imaginierter General –

beten am Freitag (oder häufiger), fasten im

Ramadan (so weit das mit ihren sonstigen Ver-

pflichtungen und Verrichtungen vereinbar ist),

unternehmen die Wallfahrt nach Mekka (wofür sie

Urlaub nehmen) und spenden für einen Moschee-

bau einschließlich Minarett (nach

Absprache mit den Behörden). Das

ist die Normalität unter den Musli-

men in Deutschland.

Feindbild Islam

Deshalb ist das „Feindbild Islam“

moralisch inhuman und politisch

zerstörerisch. „Islamkritiker“ abstra-

hieren vom Menschen; sie subsu-

mieren den Einzelnen in Kategorien,

die sie aus einem verengten Blick

auf die Geschichte und/oder aus

auffallenden Phänomenen der

Gegenwart destillieren. Muslime –

wie eben Christen auch – haben

ein Recht, im Ganzen verortet wer-

den: der tagtäglichen Lebenswelt,

in der sie von ihrer Religion umge-

ben sind, und in der Größe einer

Kultur, die sich aus der islami-

schen Religion speist. Warum dür-

fen eigentlich nur Christen auf das

„christliche Abendland“ stolz sein

und nicht auch Muslime auf das

„islamische Morgenland“? Und

warum nehmen wir so wenig

Anstoß an den hässlichen Zügen

der Gegenwart unseres eigenen

Kultur- und Zivilisationskreises,

machen aber essentialistisch und

grundsätzlich verallgemeinernd

„den Islam“ fest u. a. an den Unta-

ten von Gewalttätern, die sich auf

den Islam berufen? Der Gewalttä-

ter, wie immer er seine Untat

begründet, wird nach dem Recht

verfolgt. Im Übrigen verstößt er

gegen das Gesetz, das in beiden

Religionskreisen Geltung hat: Du

sollst nicht töten.

Nicht zuletzt die Anwesenheit von

Muslimen in unserer Gesellschaft,

ja ihre Integration darin, macht es

unzulässig, das Feindbild Sowjet-

union bzw. Kommunismus durch

„den Islam“ zu ersetzen. Auch der

Kommunist als Einzelner, als Ver-

treter einer Denkschule, die auf

eine gerechtere Gesellschaft zielt,

ist ja nicht per se ein „Feind“.

Feindschaft entsteht erst dann,

wenn Gewalt und Zwang gepredigt

bzw. praktiziert werden. Als Indivi-

duum unterliegt dann der Kommu-

nist dem Gesetz wie der gewalthaf-

te Islamist auch. Die Sowjetunion

als kollektive Verkörperung der

kommunistischen Ideologie bedeu-

tete in Verbindung mit ihrem

ungeheuren militärischen Potenzi-

al und der Gewalt, die sie außer-

halb ihrer Grenzen verübte, eine

Bedrohung. Insofern wurde sie

zum Feindbild und die in ihr ver-

körperte Form des Kommunismus

mit ihr. Hier liegt der Unterschied

zum Islam. Die „Achse des Bösen“

oder die „islamische Bombe“ sind

Ausdruck einer durch Fakten nicht

zu belegenden Dämonisierung.

Dialog der Kulturen

Die westlichen Gesellschaften sind

besser beraten, mit Blick auf ihre

eigene Zukunft wie auch auf eine

friedliche Fortentwicklung unserer

Welt insgesamt Gemeinsamkeiten zu

ermitteln. Die lange Geschichte der

Koexistenz und gegenseitiger

Befruchtung zeigt, dass die Poten-

ziale dafür vorhanden sind. Statt auf

Feindbilder blicke man nach Weimar

auf das dort von den Präsidenten

Johannes Rau und Muhammad Kha-

tami im Juli 2000 errichtete Denk-

mal des Dialogs der Kulturen!

Feindbild gesuchtEignet sich der Islam als Ersatz für

ein verloren gegangenes Feindbild

Sowjetunion und Kommunismus?

Prof. Dr. Udo

Steinbach, Oberst

der Reserve, 1976–

2006 Direktor des

Deutschen Orient-

Instituts, Ham-

burg, lehrt am

Centrum für Nah-

und Mittelost-

Studien an der

Philipps-Universi-

tät Marburg

Kommentar zur Sache

10 Kompass 04|10

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Kolumne des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages

11Kompass 04|10

Gemeinsam mit dem Katholischen

Militärbischof Dr. Walter Mixa und

weiteren zahlreichen Ehrengästen

nahm ich Anfang März an der Eröff-

nung der „Woche der Brüderlich-

keit“ des Koordinierungsrates der

Gesellschaften für christlich-jüdi-

sche Zusammenarbeit in Augsburg

teil. Diese Veranstaltung stand

unter dem Motto „Verlorene Maß-

stäbe“. Rabbiner Dr. Henry Brandt,

Vorsitzender des Koordinierungsra-

tes, eröffnete die Woche und bezog

hierbei deutlich Position zu ver-

schiedenen aktuellen Fragen. So

bezeichnete er beispielsweise die

Krisen in Wirtschaft und Finanzwelt

als „Symptome einer tief verwurzel-

ten gesellschaftlichen Malaise“.

Verloren gegangene Maßstäbe

waren auch eine der Ursachen für

die menschenunwürdigen Rituale in

den Reihen der Rekruten des Hoch-

gebirgszuges der Gebirgsjäger in

Mittenwald und anderer Standorte

unserer Bundeswehr. Abseits der

Öffentlichkeit haben sich anschei-

nend über Jahrzehnte hinweg inak-

zeptable Rituale entwickelt, die

wohl außerhalb der Dienstzeit

stattfanden und sich deshalb jegli-

cher Kontrolle durch Vorgesetze

entzogen. Vor kurzem habe ich mir

im Rahmen eines unangemeldeten

Truppenbesuches in Mittenwald ein

Bild von der Situation bei den

Gebirgsjägern gemacht.

Bei diesem Besuch ging es mir

weniger um den aktuellen Stand

der Untersuchungen, die von den

zuständigen Truppendienststellen

nun durchgeführt werden. Ich woll-

te mir vielmehr einen unmittelba-

ren Eindruck über die Stimmungsla-

ge verschaffen. Außerdem wollte

ich den Soldaten natürlich auch

Rede und Antwort stehen für ihre

Fragen und kritischen Hinweise.

Und so war der Gesprächsbedarf bei

den Soldaten in Mittenwald dann

auch sehr groß. Viele berichteten

mir von der gedrückten Stimmung

in allen Kompanien. Die bundes-

weite Berichterstattung über die

Vorgänge hätte sich teilweise ver-

heerend auf die persönliche Situa-

tion einzelner Soldaten ausgewirkt.

Gerade jene Kameraden, die in Mit-

tenwald lebten, würden sich unge-

rechtfertigten Vorwürfen ausge-

setzt sehen, was gar zu Schlafstö-

rungen und anderen gesundheitli-

chen Beeinträchtigungen geführt

habe. Viele Soldaten fühlten sich

ohne Schuld wie auf der „Anklage-

bank“ und hätten kaum eine Mög-

lichkeit, sich dagegen zu wehren.

Mir gaben diese Aussagen sehr zu

denken. Weil einige Soldaten jeg-

liche Maßstäbe verloren hatten,

müssten nun alle Kameradinnen

und Kameraden des Standortes

unter den Folgen leiden. Wenn

sich in dieser Situation bei den

betroffenen Soldaten Enttäu-

schung, Frustration und Ärger breit

machen, ist dies aus meiner Sicht

nur allzu verständlich. Umso wich-

tiger ist es, dem von einigen weni-

gen Medien beförderten General-

verdacht entgegenzuwirken.

Die Gebirgsjäger gehören zu den

Eliteverbänden der Bundeswehr.

Ihre Leistungen dürfen sich gerade

auch im internationalen Vergleich

sehen lassen. Für die Stärkung der

Kameradschaft können durchaus

auch traditionelle Rituale dienlich

sein. Aber nur, wenn sie transpa-

rent und unbedenklich sind. Die

Gebirgsjäger haben es verdient,

dass alle Verantwortlichen jetzt

mithelfen, entstandene Irritatio-

nen aufgrund voreiliger Schlussfol-

gerungen auszuräumen.

Verlorene Maßstäbevon Reinhold Robbe

Der Wehrbeauf-

tragte Reinhold

Robbe übergibt

am 16. März 2010

seinen letzten

Jahresbericht

an Bundestags-

präsident

Norbert Lammert.

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Auf ein Wort

12 Kompass 04|10

Der Auferstehungsgedanke wird

wieder modern. Wie – das glau-

ben sie nicht? Ich hab’s im Radio

gehört. „Es beruhigt mich, zu

wissen, dass mein Körper nach

meinem Tod noch zu etwas gut

ist.“ Das sagte ein Mann, der sich

plastinieren lassen möchte. „Ich

möchte in Scheiben geschnitten

werden, als Anschauungsmateri-

al.“ „Die Menschen lernen an den

Plastinaten, wie sie gesünder

leben. Sie lernen, dass ihr Körper

und seine Funktionen nicht

selbstverständlich sind.“

So weit die Beiträge der Entschie-

denen aus meiner Erinnerung. Den

eigenen Körper in den „Körperwel-

ten“ ausstellen zu lassen, ohne

Haut, mit blank liegenden Mus-

keln, in alltäglichen Körperhaltun-

gen wie zum Beispiel beim Sport

oder Kartenspiel, dafür entschei-

den sich immer mehr Menschen

schon in jungen Jahren. Der eige-

ne Tod rückt ins Bewusstsein,

bevor die Lebensmitte überschrit-

ten ist. Das ist neu.

Irgendwie muss da wohl eine

Sehnsucht wieder erwacht sein,

eine Sehnsucht nach mehr. Es ist

vielleicht doch nicht genug, so

vor sich hin zu leben, ganz ohne

Sinnperspektive. Vielleicht bin

ich mir doch nicht selbst genug

mit meinen aktuellen Fähigkei-

ten, Stärken, Erfolgen. Und ich

kann ihn auch nicht selber

machen, den Lebenssinn. Oder

doch?

Leben in Fülle?

Wenn ich ein Formular ausfülle,

was genau ich für die Plastination

meiner eigenen Leiche erlaube –

bin ich dann nicht der Bestimmer

über meinen Lebenssinn? Das

klingt verlockend nach Macht: Ich

bestimme, wofür ich auf der Welt

bin. Ich bestimme, wie ich nach

meinem Tod weiter lebe, weiter

existiere. Ich bestimme über die

Form meiner Unsterblichkeit. Dann

kann ich mich wenigstens darauf

verlassen, nicht vergessen zu wer-

den. „Meine Seele stirbt erst,

wenn niemand mehr an mich

denkt.“ So oder so ähnlich hören

sich Menschen an, die mit dem Tod

konfrontiert werden. Der Körper ist

tot, aber meine Angehörigen den-

ken an mich. Doch da bleiben eini-

ge Zweifel. Was ist, wenn sie sel-

ber sterben? Was ist mit mir, wenn

sie mich trotz aller Beteuerungen

doch vergessen?

Die Angst vor dem Vergessenwer-

den ist für viele Menschen sehr

schwer auszuhalten. Also sorgen

einige nun dafür, dass sie auch

nach ihrem Tod noch gesehen wer-

den, angesehen sind. Sie spenden

ihren Körper für den Fall des Able-

bens per Unterschrift.

„Wer von euch kann mit all seiner

Sorge sein Leben auch nur um eine

kleine Zeitspanne verlängern?“ (Mt

6,27) Als Jesus diese Frage stell-

te, war sie rhetorisch. Da gab es

noch keine Plastinate, die man in

Ausstellungen hätte zeigen kön-

nen. Damals waren die Menschen

angewiesen auf diese andere Sorte

Hoffnung. Die Rede von ewigem

Leben hatte einen anderen Klang.

Denn um nach dem Tod noch „wer

sein zu können“ brauchte man

Gott. Spätestens dann musste Gott

den Menschen ansehen, damit er

angesehen war.

Angesehen sein

Von Gott angesehen zu sein, vor

dem Tod und nach dem Tod,

scheint heute so unvorstellbar fern

wie damals die Vorstellung von

scheibchenweise ausgestellten

Körpern. Wer kennt ihn schon

noch, diesen Gott, der als einziger

mich wirklich nie vergisst?

„Ich bin gekommen, damit sie das

Leben haben und es in Fülle

haben.“ (Joh 10,10) Vorher und

nachher, würde ich gerne ergänzen.

Vor dem Tod und nach dem Tod.

„Ostern“ heißt diese Hoffnung.

„Ostern“ verspricht Auferstehung

ohne eigene Planung und Unter-

schrift.

Es ist wieder Ostern. Und ich dan-

ke Gott, dass ich ihm was wert bin

– so viel, dass er sogar für mich

durch den Tod geht. Übrigens auch

für Sie.

Gesegnete Ostern!

Pastoralreferentin

Carola Lenz,

Katholisches Militärpfarramt

Bremerhaven

Was bleibt?

Pastoralreferentin

Carola Lenz,

Katholisches

Militärpfarramt

Bremerhaven

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gungen jedoch besondere Aufmerk-

samkeit fordernden Tugend umris-

sen werden – und zwar mit Bezug

auf zwei klassische Autoren, denen

die wohl unüberholt wirkmächtigs-

ten Beiträge zum Thema zu verdan-

ken sind.

Norm und Situation

Aristoteles definiert Epikie in der

Nikomachischen Ethik (V, 14),

knapp und markant, als „eine Kor-

rektur des Gesetzes da, wo es

wegen seiner allgemeinen Fassung

mangelhaft bleibt“. Analog gilt

dies – zumal in ständig sich ver-

ändernden, unübersichtlich kom-

plexen Gesellschaften – für mora-

lische bzw. ethische Normen. Auch

hier kann es erlaubt oder gar

geboten sein, sich um ihrer Inten-

tion willen gerade vom Wortsinn

zu lösen und sie situationsgerecht

zu präzisieren, vielleicht gar zu

modifizieren. Epikie bestreitet

nicht die Notwendigkeit allgemei-

ner Normen, arbeitet nicht prinzi-

piell gegen sie, sondern für ihre

jeweils konkrete Verbesserung – in

eigener Verantwortung. Diese

„Suche nach dem sittlichen Opti-

mum in der konkreten Situation“

(Virt: 144) erfordert Aristoteles

zufolge das ganze Fähigkeitsspek-

trum praktischer Vernunft, nicht

zuletzt auch die durch Erfahrung

(einschließlich gezielter Übung)

zu erwerbende Fähigkeit, konkrete

Situationen aus der Perspektive

der Mitmenschen zu beurteilen

(griech. syngnome: mitverstehen),

sowie die Bereitschaft, eigene

Anliegen und Ansprüche zugun-

sten einer im Blick auf die ande-

ren und das Gemeinwohl „besseren

Gerechtigkeit“ zurückzustellen.

Norm und Person

Auch für Thomas von Aquin ist Epi-

kie „gleichsam die [gesetzliche

Gerechtigkeit überbietende] höhe-

re Richtschnur der menschlichen

Handlungen” (Summa theologiae

II-II, 120, 2). Das aristotelische

Konzept wird bei ihm aber noch

personal vertieft. Er verknüpft es

mit der römischen Rechtspragmatik

(insofern sie in methodisch

differenzierten Erwägungen den

Zusammenhang von Epikie oder

lat. aequitas und Menschlichkeit

betont) und richtet es, vor allem,

strikt auf die maß-gebende Men-

schenliebe Gottes und die Epikie

Jesu Christi (2 Kor 10,1) aus: Das

freiheitliche „Gesetz“ des Evangeli-

ums wird zum Paradigma der Epikie.

Auch Christen werden sich trotz

dieser Orientierung nicht jener

übermächtigen Dynamik von Öff-

nungs- und Schließungsprozessen

ganz entziehen können, die das

gesellschaftliche Leben unserer

Zeit durchdringt. Gemeinsam mit

allen anderen stellt sich auch

ihnen immer wieder neu die Auf-

gabe, bei der Suche nach situativ

angemessenen, menschengerech-

ten Lebens- und Handlungsmög-

lichkeiten wie bei der Bestimmung

und Durchsetzung sie schützender

Normen ebenso der Sehnsucht

nach Ruhe und Ordnung wie der

nach anarchischer Lebendigkeit zu

widerstehen. Anstrengend, aber

letztlich doch lebensfreundlicher

ist die praktisch-kluge Sorge um

die Einheit von Freiheit und Maß.

Klaus Ebeling,

Projektleiter Ethik

im Sozialwissen-

schaftlichen

Institut

der Bundeswehr

Lexikon der Ethik

13Kompass 04|10

Wird etwas „billig“ genannt, kann

sowohl Angemessenheit als auch

Minderwertigkeit gemeint sein. Ein-

deutig positiv wertet dagegen die

sprachliche Verbindung „recht und

billig“: Sie kennzeichnet den ange-

messenen Umgang mit dem, was

recht ist, sei dies ein positives

Gesetz oder eine sittliche Norm. Zu

klären bleibt aber dennoch viel: Was

genau ist denn angemessen? Und in

welchem Verhältnis steht die Billig-

keit (griech. epieikeia, auch: Güte,

Milde, Nachsicht) zur Kardinaltu-

gend der Gerechtigkeit? Dient sie ihr

lediglich als ergänzende Korrektur-

funktion? Oder ist sie als eigenstän-

dige und zudem prekär tugendhafte

Kompetenz wahrzunehmen, die an

der Grenze zum nicht mehr (Norm-)

Gerechten balanciert?

Der ethische und rechtliche Diskurs

über Epikie bewegt sich seit alters

zwischen den Polen eines eher frei-

heits- oder eines eher sicherheits-

bewussten Normverständnisses,

zwischen Zu- und Misstrauen

sowohl gegenüber dem Einzelnen

als auch gegenüber staatlichen und

anderen, z. B. kirchlichen Autoritä-

ten. Wenngleich Diskursverläufe

hier nicht nachzuzeichnen sind

(Genaueres dazu und zum Folgen-

den bieten die Epikie-Studien von

Günter Virt, u. a. sein Beitrag in:

W. Ernst (Hg.), Grundlagen und

Probleme heutiger Moraltheologie,

1989: 138–151), so kann doch das

Kernprofil dieser zeitweise ver-

drängten, unter heutigen Bedin-

Epikie (Billigkeit)

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Pastoralreferent Franz Eisend – ver-

antwortlich für die Katholische

Militärseelsorge im südlichen Teil

von Thüringen – bringt gesell-

schaftliche und politische Frage-

stellungen häufig in Zusammen-

hang mit biblischen Antworten.

Das führt oft zum Erstaunen seiner

Gesprächspartner. Aber mit Nach-

denken und entsprechenden Erläu-

terungen leuchtet es den meisten

doch ein, dass zum Beispiel die

Zehn Gebote aus dem Alten Testa-

ment und die sogenannte „Goldene

Regel“ im Neuen Testament durch-

aus mit dem alltäglichen Leben zu

tun haben. Daher haben diese

Lebensregeln nicht nur eine Bedeu-

tung für „Altertumsforscher“ und

regelmäßige Kirchgänger, sondern

sind auch für das Leben von Solda-

ten in Erfurt, Gotha oder Bad Sal-

zungen wichtig.

Neue Unterrichts- und

Organisationsformen

Den LKU gibt es bereits seit über

fünfzig Jahren. Er hat sich aber seit

Anfang 2009 mit Inkrafttreten der

dreijährigen Erprobungsphase der

„Zentralen Dienstvorschrift Lebens-

kundlicher Unterricht“ mit dem Titel

Reportage vor Ort

14 Kompass 04|10

Kann man als Soldat und Soldatin

Verantwortung und Freiheit unter

einen Hut bekommen? Ist Demo-

kratie eine Lebensform und – aus

christlicher Sicht – eine erwünsch-

te? Was bedeutet eigentlich

„Leben“? Der Begriff „Lebens-

kundlicher Unterricht“ (LKU) legt

diese Fragen nahe – doch selbst-

verständlich sind sie keineswegs,

wenn Wehrpflichtige, Zeit- und

Berufssoldaten heute verpflichtend

durch solche ethischen Fragen

innerhalb der Bundeswehr heraus-

gefordert werden.

Nah am Menschen – Militärseelsorge in Erfurt (Teil 2)Fortsetzung der Reportage von Ausgabe 03/10, S. 14–16

Junge Soldaten setzen sich im

Lebenskundlichen Seminar mit

dem Leben in Verantwortung und

Freiheit auseinander.

Pastoralreferent Eisend im

Gespräch mit dem Kompaniefeld-

webel des Wehrbereichs-Musik-

korps III Erfurt, OStFw Krantzen

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„Selbstverantwortlich leben – Verant-

wortung für andere übernehmen kön-

nen“ wesentlich verändert. Das

bekommen vor allem die Militärseel-

sorger zu spüren – als Unterrichtende

und „berufsethisch besonders qualifi-

zierte Lehrkräfte“, wie sie in der neu-

en ZDv 10/4 bezeichnet werden.

Doch auch die Pfarrhelfer mussten

sich umstellen: Der Unterricht wird

immer häufiger in Blöcken als in

Einzelstunden erteilt; die Dienstplä-

ne, in die sie zusammen mit der

Truppe die Zeiteinheiten verteilen

müssen, verlangen durch Einsätze

und deren Vor- und Nachbereitung

mehr Flexibilität. Der LKU wird

weniger „frontal“ in den Lehrräu-

men der Kasernen, sondern stärker

in Gruppenarbeit, mit Medienein-

satz und als Tagesseminare und län-

gere Unterrichtseinheiten außerhalb

gestaltet. Dadurch gibt es einiges

zu organisieren mit Bildungshäu-

sern – an diesem Tag z. B. mit der

Katholischen Bildungsstätte „St.

Martin“ in Erfurt. Auch an die

Absprachen mit externen Dozenten

und Dienstleistern muss gedacht

werden. Hinzu kommt immer wie-

der, dass die Militärseelsorger selbst

Wochen oder Monate lang im Ein-

satz sind oder – wie derzeit in Erfurt

auf der evangelischen Seite – die

Stellen von Militärpfarrern bzw.

Pfarrhelfern unbesetzt bleiben.

Gutes „Zusammenspiel“

von Seelsorge und Musik

Das Engagement lohnt sich, wie

Oberstabsfeldwebel Karl-Heinz

Krantzen vom Wehrbereichsmusik-

korps III bestätigt: Auch wenn

seine Einheit, die zu ganz unter-

schiedlichen Zeiten viel unterwegs

zu Auftritten ist, es mit der Ter-

minabsprache nicht leicht hat, so

besteht doch großes Interesse am

Unterricht und an Werkwochen der

Militärseelsorge. Dabei ist das

Musikkorps mit seinen 65 Dienst-

posten eher ein „überschaubarer“

Truppenteil. Ein besonderer Bezug

zwischen den Militärmusikern und

der Seelsorge rührt auch daher,

dass sie in kleinen oder auch grö-

ßeren Besetzungen bei Gottes-

diensten spielen, was hervorra-

gend funktioniert und allen Freu-

de bereitet.

Reportage vor Ort

15Kompass 04|10

Pfarrhelfer Schedel ist in der

Dienststelle des Militärpfarramts

intensiv damit beschäftigt, die

Voraussetzungen für den Lebens-

kundlichen Unterricht zu schaffen

und die Termine zu koordinieren.

Im direkten Kontakt: Militär-

seelsorger Eisend und Teilnehmer

eines Lebenskundlichen Seminar-

tages

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Katholische und Evangelische

Militärseelsorge ziehen an

einem Strang

Wegen der zeitweiligen Abwesenhei-

ten der Seelsorger und den großen

Entfernungen zwischen den einzel-

nen zu betreuenden Standorten ist

die ökumenische Absprache und

Zusammenarbeit besonders wichtig:

Während die Katholiken in Erfurt

derzeit für beide Konfessionen

gemeinsam Präsenz zeigen, hat der

Evangelische Militärpfarrer Wolfram

Schmidt in Bad Salzungen einen

„Standortvorteil“. Seine Dienststelle

in der Werratal-Kaserne befindet sich

im selben Gebäude wie der „Raum

der Stille“, der von beiden Kirchen

getragen und genutzt wird.

„Demokratie als Lebensform”

oder:

Die Sehnsucht nach Frieden

Zurück ins Martins-Haus nach

Erfurt: Hier nähert sich der

Lebenskundliche Seminartag nach

Plenums- und Kleingruppenarbeit,

Vortrag und Gespräch, Tafel- und

Beamer-Einsatz dem Abschluss.

Es wird Resümee gezogen:

1. Moderne Demokratie ist eine

relativ junge Lebensform.

2. Menschenwürde ist der unbe-

dingte Lebensinhalt moder-

ner Demokratie.

3. Demokratische Lebensformen

pflegen vor allem die Würde

des Menschen.

4. Demokratische Lebensformen

halten unsere Sehnsucht nach

Frieden lebendig.

Es zeigt sich, dass neben dem

üblichen guten Zusammenwirken

von Teilnehmern der verschiede-

nen christlichen Konfessionen

sich auch die größer werdende

Zahl von ungetauften oder wenig

kirchlich geprägten Soldaten

ansprechen lässt. Sie engagieren

sich ebenso am Fortgang der Dis-

kussion und beteiligen sich an

den Auswertungen.

Auch das bedeutet: „Leben in der

Demokratie“.

Jörg Volpers

Reportage vor Ort

16 Kompass 04|10

Leib und Seele gehören zusam-

men: Für die Seminartage außer-

halb der Kasernen muss auch die

Verpflegung organisiert werden.

Gruppenarbeit mit Texttafel und

Meinungsbild

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Adressaten waren die 34 Mitglie-

der des Verteidigungsausschusses

des 17. Deutschen Bundestages.

Absender war die Kommission

„Europäische Sicherheit und

Zukunft der Bundeswehr“, die

beim „Institut für Friedensfor-

schung und Sicherheitspolitik an

der Universität Hamburg“ (IFSH)

angesiedelt ist.

Worum ging es? In einem Plädo-

yer für die Stärkung der Inneren

Führung bei Auslandseinsätzen

warb deren Vorsitzender, Professor

Dr. Michael Brzoska, der gleichzei-

tig der Wissenschaftliche Direktor

des Hamburger Friedensfor-

schungs-Institutes ist, in insge-

samt zehn Handlungsfeldern, die

in einem engen Zusammenhang

mit den Grundsätzen der Inneren

Führung stehen, für deren Weiter-

entwicklung. In ebenfalls zehn

sehr konkreten Vorschlägen drän-

gen die Mitglieder der Kommission

auf Veränderungen. „Dies umso

mehr“, so der Wortlaut des Plädo-

yers an die Mitglieder im Verteidi-

gungsausschuss, „als die Haupt-

aktionsfelder der Streitkräfte in Aus-

landseinsätzen liegen, bei denen

deutsche Soldatinnen und Soldaten

gemeinsam mit Truppen operieren,

deren Ausbildung nicht an diesen

Prinzipien (gemeint ist die Innere

Führung) ausgerichtet ist.“

Die praktischen Vorschläge be-

inhalten dabei u. a. die Empfeh-

lung, den jetzigen „Beauftragten

für Erziehung und Ausbildung“

(BEA) beim Generalinspekteur

zukünftig in einen „Beauftragten

für Innere Führung“ umzuwandeln,

der nicht gegenüber dem General-

inspekteur berichtspflichtig sein

soll, „sondern regelmäßig auch

vom Verteidigungsausschuss des

Bundestages angehört wird.“

Ebenso soll alsbald der Unteraus-

schuss „Weiterentwicklung der

Inneren Führung“ im Verteidi-

gungsausschuss wieder eingesetzt

werden. Vorgeschlagen wird in die-

sem Zusammenhang, die Mitglie-

der des Beirates für Fragen der

Inneren Führung beim Bundesmi-

nister der Verteidigung in den

Unterausschuss mit einzubezie-

hen. Fernerhin fällt auf, dass die

Vereinbarkeit von Dienst und

Familie zunehmend als hervorge-

hobener Handlungsrahmen für

eine Weiterentwicklung der Grund-

sätze der Inneren Führung gese-

hen wird.

Ob und mit welchem Tenor die

Adressaten auf das Schreiben

geantwortet haben, war bislang

nicht ausfindig zu machen. Viel-

leicht können wir demnächst nicht

nur das Dokument, sondern auch

die Antworten der Mitglieder des

Verteidigungsausschusses nachle-

sen unter:

www.ifsh.de

Josef König

Ökumene in der Praxis

In seinem Grußwort zur 55.

Gesamtkonferenz Evangelischer

Militärgeistlicher in Lüneburg wies

Militärgeneralvikar Walter Waken-

hut deutlich darauf hin, dass Mili-

tärseelsorge nur gelingen kann,

wenn sie im ökumenischen Gleich-

klang geschieht.

So werden die Evangelische und

die Katholische Militärseelsorge

den Zweiten Ökumenischen Kir-

chentag gemeinsam mitgestalten

und ihre gelebte „Ökumene der

Praxis“ vorstellen.

Militärgeneralvikar Wakenhut lud

auch herzlich zur Mitarbeit im „Zen-

trum für ethische Bildung in den

Streitkräften“ (zebis) ein, das am 1.

März in Hamburg eröffnet worden

war. „Ich will hier nicht verhehlen,

dass der Gedanke daran im ökume-

nischen Gespräch geboren und auch

ausformuliert wurde. Und ich hoffe,

dass dieses Zentrum bald ‚Ökumeni-

sches Zentrum für ethische Bildung

in den Streitkräften’ heißen kann.“

Die Gesamtkonferenz stand unter

dem Thema „Perspektivprozess

2017“.

Jörg Volpers

Innere Führung und AuslandseinsätzePost an alle Mitglieder des Verteidigungsausschusses

Aus der Militärseelsorge

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53. Fortbildungstagung der Pfarrhelferinnen und Pfarrhelfer in Hamburg

18 Kompass 04|10

Militärgeneralvikar Walter Wakenhut wies in sei-

nem Bericht zur Lage vor den in Hamburg ver-

sammelten Pfarrhelfern und Pfarrhelferinnen auf

objektive Gegebenheiten hin, die da sind:

- Der Schwund an christlichen und damit auch

an katholischen Soldaten, von denen sich

zudem immer weniger kirchlich binden lassen.

- Der gravierende Mangel an Seelsorgern und

Seelsorgerinnen – um nicht allein von Pries-

tern zu sprechen – in der katholischen Kirche.

Es müsse klar sein, dass die Militärseelsorge

nicht mehr leisten könne, als ihr in personeller

wie in finanzieller Hinsicht zur Verfügung stehe,

sagte Prälat Wakenhut.

An Bedeutung würden das Institut für Theologie

und Frieden (ithf) und das in Hamburg am ithf

errichtete Zentrum für ethische Bildung in den

Streitkräften (zebis) als zentrale Einrichtungen

gewinnen. Der Katholische Militärbischof wolle

damit die Militärseelsorger und Militärseelsorge-

rinnen für die Aufgabe, ihren Beitrag zur ethisch-

moralischen Bildung des Soldaten zu leisten,

befähigen und besser qualifizieren. Dieses Ange-

bot stehe auch interessierten Angehörigen der

Bundeswehr offen, zumal solchen in Führungsver-

antwortung. Das Zentrum solle ein Ort maßgebli-

cher Debatten werden hinsichtlich der ethischen

Aspekte des soldatischen Dienstes, die in die

Gesellschaft und in die Kirche hineinwirkten.

Zudem werde im April der Militärbischof die

Dachstiftung „Katholische Soldatenseelsorge“

und die „Katholische Friedensstiftung“ gründen.

Hier gehe es darum, in Zeiten schwindender Kir-

chensteuereinnahmen die Existenz des Instituts

für Theologie und Frieden zu sichern. Um weiter-

hin eine qualitativ hoch stehende wissenschaft-

liche Arbeit garantieren zu können, müssten

neue Finanzierungsquellen erschlossen werden,

betonte Wakenhut.

Marlene Beyel

Entwicklungen in der Militärseelsorge

Zu Beginn der Heiligen Messe, die

Erzbischof Thissen mit den Militär-

seelsorge-Mitarbeitern feierte, ver-

wies er auf den tags zuvor erschie-

nenen Jahresbericht des Wehr-

beauftragten des Deutschen Bun-

destages, der u. a. die Situation der

durch Einsatzerfahrungen traumati-

sierten Soldaten in den Blick nahm.

Fürbitten, die im Anschluss an die

Predigt des Hamburger Erzbischofs

gebetet wurden, waren deshalb

auch den Soldatinnen und Soldaten

gewidmet, die den Dienst in den

Auslandseinsätzen unter Gefahr für

Leib und Leben versehen.

Regierungsoberamtsrat Klaus-Wer-

ner Spengler, Referatsleiter im

Katholischen Militärbischofsamt,

informierte über grundsätzliche

und aktuelle Fragen, die eng mit

dem BWI-Leistungsverbund zusam-

menhängen. Das erklärte Ziel des

Leistungsverbundes, die gesamte

nichtmilitärische IT- und Telekom-

munikations-Infrastruktur der Bun-

deswehr zu modernisieren, stand

dabei im Mittelpunkt der Diskus-

sionen, in denen die Pfarrhelfer

und Pfarrhelferinnen ihre Erfahrun-

gen in der praktischen Umsetzung

in den Militärpfarrämtern einbrach-

ten. Eine Einweisung in die Aufga-

ben des Sicherheitsbeauftragten,

die dem Dienststellenleiter oblie-

gen und zu denen oftmals die

Pfarrhelferinnen und Pfarrhelfer zu

seiner Unterstützung hinzugezogen

werden, schloss diesen Teil der

Fortbildungstagung ab. Ricardo

Kühle, IT-Administrator im Katholi-

schen Militärbischofsamt, konnte

mit Blick auf elektronische Hilfen

für die Verwaltung und Pastoral

und auf Anwendungsdatenbanken

in der Militärseelsorge einige prak-

tische Ratschläge vortragen, die

zur Erleichterung im tagtäglichen

Umgang am PC beitragen.

In sieben Foren, die als Workshops

konzipiert waren, bestand Gelegen-

heit, sich mit anderen über Erfah-

rungen in der Militärseelsorge aus-

zutauschen. Während in einem

Forum mit Hilfe von Anwendungs-

Pfarrhelfer, Pfarrhelferinnen und Amtsinspektorenin der Katholischen Militärseelsorge zur Fort-bildung in Hamburg

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53. Fortbildungstagung der Pfarrhelferinnen und Pfarrhelfer in Hamburg

19Kompass 04|10

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beispielen das Ziel verfolgt wurde,

Friedensethik leichter verständlich

zu machen, stand in einem weite-

ren Forum die liturgische Gestaltung

von Gottesdiensten im Mittelpunkt.

Ein spezieller Workshop war bereits

frühzeitig ausgebucht: In diesem

war Gelegenheit, die kirchenmusi-

kalische Gestaltung eines Gottes-

dienstes mit dem Gesang in einem

Chor zu praktizieren. Im Schlussgot-

tesdienst, den Militärgeneralvikar

Walter Wakenhut ebenfalls in der

Edith-Stein-Kirche zelebrierte,

konnte die Gottesdienstgemeinde

das Ergebnis des „Chor-Workshops“

unmittelbar miterleben.

Weitere Informationen zur Aus- und

Fortbildung waren für diejenigen

Pfarrhelfer und Pfarrhelferinnen vor-

gesehen, die „Theologie im Fern-

kurs“ an der Domschule Würzburg

für ihre weitere berufliche Qualifi-

zierung gewählt haben. Eigens dafür

angereist war der Stellvertretende

Direktor und Leiter dieses an der

Würzburger Domschule angesiedel-

ten Arbeitsbereiches, Dr. Thomas

Franz.

Militärdekan Johann Meyer, im

Katholischen Militärbischofsamt

verantwortlich für die Internationale Soldatenwall-

fahrt nach Lourdes, informierte zum Stand der Pla-

nungen und Vorbereitungen der diesjährigen Frie-

denswallfahrt, die vom 19. bis 25. Mai stattfinden

wird und zu der bereits eingeladen worden ist.

Mit dem Bericht des Militärgeneralvikars Walter

Wakenhut mit grundsätzlichen und aktuellen

Bemerkungen zur Lage der Katholischen Militär-

seelsorge und seinem Segen für die Rückreise

endete die diesjährige 53. Fortbildungstagung.

Josef König

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Bey

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Militärgeneralvikar Walter Wakenhut gibt für

einen erkrankten Pfarrhelfer eine gesegnete

Kerze mit auf den Weg.

Klaus-Werner Spengler

referiert im Plenum.

Erzbischof Thissen bei seiner

Predigt vor den Pfarrhelfern und

Pfarrhelferinnen

Aus einem der Workshops entstand dieser Chor

unter Leitung von Pfarrhelfer Johannes Bresa, Köln.

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Der turnusgemäß nach vier Jahren

neu berufene Beirat der Katholi-

schen Militärseelsorge traf sich in

Leitershofen, im dortigen Exerzi-

tienhaus St. Paulus.

Eröffnet wurde die konstituierende

Sitzung durch die Begegnung mit

dem Katholischen Militärbischof,

Dr. Walter Mixa, Bischof von Augs-

burg, und die gemeinsame Eucha-

ristiefeier.

Auf Grund der veränderten Rah-

menbedingungen der Katholischen

Militärseelsorge und des in den

Medien breit diskutierten Afghani-

stan-Einsatzes der Bundeswehr

wurden die Mitglieder zunächst in

einer Fragestunde über die aktuel-

le Situation der Militärseelsorge

informiert.

Neben dem Themenschwerpunkt

„Beginn der Einsätze der Bundes-

wehr in Krisengebieten – Umbruch

für die Militärseelsorge“ und sei-

ner Umsetzung in greifbare Ergeb-

nisse stand ein weiteres Projekt

zur Beratung: Im Zusammenhang

mit dem 20-jährigen Jubiläum der

Wiedervereinigung rückte die Eta-

blierung der Militärseelsorge in

den neuen Bundesländern während

der 1990er-Jahre in den Blick.

Durch die besonderen Bedingun-

gen der katholischen Kirche, wie

sie sich in DDR-Zeiten herausgebil-

det hatten, und die nach dem

Mauerfall schlagartig veränderte

Situation der Kirche in den neuen

Bundesländern im Verhältnis zum

Staat bzw. Militär, sind Wahrneh-

mung, Sichtweise und Erlebnisse

der vor Ort anwesenden Zivilpfar-

rer als Standortpfarrer im Neben-

amt als wertvolle Erfahrungen zu

bewerten. Diese gilt es neben dem

Behördenschriftgut für die dauer-

hafte Überlieferung zu sichern.

Das Katholische Militärbischofsamt

wird daher die ehemaligen Militär-

geistlichen der „Militärseelsorge

Ost“ um Mithilfe bei dieser Spu-

rensicherung bitten.

Dr. Monica Sinderhauf

Seit Mitte März sind die Archive der

katholischen Kirche in Deutschland

mit einem gemeinsamen Auftritt im

world-wide-web auf www.kirchliche-

archive.de präsent. Auf der Homepa-

ge, die kurz und knapp die Bedeu-

tung der Archive benennt, sind alle

kirchlichen Archive gelistet, die über

diese Seite zentral zusammenge-

fasst und virtuell zugänglich sind.

Auf den weiteren Seiten werden sie

mit den wichtigsten Informationen

vorgestellt, vor allem mit ihren

Beständen. Auf diesen bzw. über

diese Seiten verlinkt zum eigenen

Auftritt des jeweiligen Archivs,

können die Nutzer ihre ersten

Recherchen vornehmen. Neben den

Diözesanarchiven finden sich hier

die Archive der überdiözesanen

Einrichtungen wie z. B. Caritas und

Misereor, die Ordensarchive und die

Archive der Vereine und Verbände.

Unter den Diözesanarchiven ist

auch das Archiv der Katholischen

Militärseelsorge vertreten. Es ist

das einzige seiner Art in Deutsch-

land, da die Evangelische Militär-

seelsorge keine selbstständige

Archivierung des bei ihr entstan-

denen Schriftgutes vornimmt. Auf

Grund der staatskirchenrechtlich

anders geregelten Grundlage des

Evangelischen Kirchenamtes – das

Militärseelsorge Ost – Sicherung von ZeitzeugenberichtenBeirat tagte in Leitershofen bei Augsburg

Archive im Netz

Der Beirat zur Erforschung der

Katholischen Militärseelsorge mit

seinem Vorsitzenden, Prälat Peter

Rafoth (rechts)

Aus der Militärseelsorge

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Kurz

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Aus der Militärseelsorge

21Kompass 04|10

Pendant zum Katholischen Militär-

bischofsamt – wie der Evangeli-

schen Militärseelsorge insgesamt,

fällt die Archivierung des Schrift-

gutes der Evangelischen Militär-

seelsorge in die Zuständigkeit des

Bundesarchiv-Militärarchivs.

Die Katholische Militärseelsorge,

als Teil der Gesamtseelsorge der

katholischen Kirche, hat seit 1978

die Archivierung des Schriftgutes

in eigener Zuständigkeit übernom-

men. Denn das Schriftgut entsteht

in einem Bereich, der durch beson-

dere pastorale Anforderungen

gekennzeichnet ist. Für die dauer-

hafte Sicherung dieses Schriftgutes

und seine Erschließung sind spe-

zielle Kenntnisse über die komple-

xe staatskirchenrechtliche Struktur

und über die auf dieser Grundlage

praktizierte Pastoral erforderlich.

Wenn auch das Archiv des Katholi-

schen Militärbischofs für die Deut-

sche Bundeswehr in Berlin (AKMB)

bereits seit längerem im Netz ver-

treten ist, so dokumentiert das

neue Internetportal der kirchli-

chen Archive zugleich die gleich-

berechtigte Stellung des Militär-

seelsorge-Archivs unter den Diöze-

sanarchiven. Damit trägt es eben-

so dazu bei, dass die Vielfalt und

der Reichtum kirchlicher Archive in

Deutschland in dieser Bündelung

sichtbar werden. Mit insgesamt

ca. 140 km an historischen Doku-

menten vom Mittelalter bis zur

Gegenwart sind die Kirchenarchi-

ve nicht nur „Schatzkammern“

und Gedächtnis der Kirche, son-

dern auch Teil des kulturellen

Erbes unserer Gesellschaft.

Dr. Monica Sinderhauf

Mit den besonderen Bedingungen

und Herausforderungen der Militär-

seelsorge an den Auslandsstandor-

ten der Bundeswehr befassten sich

die nach Berlin angereisten Dele-

gierten der im Ausland eingerichte-

ten deutschen Militärpfarrgemein-

deräte und Mitarbeiterkreise.

Die einmal im Jahr stattfindende

Konferenz für die im Laienaposto-

lat der Militärseelsorge engagierten

Katholiken dient dem Austausch

von Erfahrungen in der speziellen

Pastoral an den Auslandsstandorten

der Bundeswehr sowie der Beratung

des „Auslandsdekans“ im Katholi-

schen Militärbischofsamt, Msgr.

Joachim Simon. Teilnehmer waren

Delegierte aus den Standorten

Brunssum (Niederlande), Fort Bliss

(USA), Holloman Air Force Base

(USA), Le Luc (Frankreich) und

SHAPE (Belgien). Der Standort Nea-

pel wurde durch Militärpfarrer Ste-

fan Scheifele vom Katholischen

Militärpfarramt Italien vertreten.

Vom Katholikenrat beim Katholi-

schen Militärbischof waren Oberst-

leutnant Auer vom Internationalen

Sachausschuss der Gemeinschaft

Katholischer Soldaten und Ober-

stabsfeldwebel Weber zur Dekanats-

arbeitskonferenz entsandt worden.

Mit besonderer Aufmerksamkeit

wurde der Bericht aus dem Stand-

ort Brunssum zur Kenntnis genom-

men. Die Verlagerung des zustän-

digen Militärpfarramtes ins Inland

im Oktober 2008 habe zu Proble-

men geführt, die das bisher blü-

hende Gemeindeleben belasten.

Von neuen Herausforderungen für die Militärseel-

sorge berichteten auch die Delegierten der Aus-

landsgemeinden in Fort Bliss und Holloman. Diese

beiden Seelsorgebezirke in den USA fusionieren

zum Jahresende 2010 und werden künftig von nur

noch einem Katholischen Militärpfarrer betreut.

Von dieser Entscheidung betroffen seien vor allem

die katholischen Bundeswehrangehörigen in den

deutschen Kleinstdienststellen in den USA, die

künftig nur noch mit Pastoralbesuchen von Evan-

gelischen Militärgeistlichen rechnen könnten.

Die Delegierten beschäftigten sich auch mit den

Konsequenzen der immer kürzeren Verwendungs-

dauer deutscher Soldaten an den Auslandsstand-

orten für die Militärseelsorge.

Viele Bundeswehrangehörige ersparen ihren Fami-

lien zwei Umzüge in kurzer Zeit. In den kommenden

Jahren müsse daher mit einer deutlichen Zunahme

von „Fernbeziehungen“ und den damit verbunde-

nen familiären Problemen gerechnet werden.

Zum stellvertretenden Moderator der Arbeitskon-

ferenz Ausland wurde in der Nachfolge von

Hauptfeldwebel Thomas Arnhold, Brunssum,

Oberstabsfeldwebel Joachim Lubowski aus dem

Standort Holloman, gewählt.

Gaby Arnhold

Heimat in der Fremde bietenArbeitskonferenz des Dienstaufsichtsbezirks Ausland tagte in Berlin

v. l. n. r.: Msgr. Joachim Simon (KMBA), OStFw

Martin Schuster (Le Luc), OStFw Peter Weber

(Katholikenrat), HFw Thomas Arnhold (Bruns-

sum), Frau Gaby Arnhold (Frauenkreis Bruns-

sum), Franz Huber (Fort Bliss), OStFw Henry

Holl (Brunssum), dahinter: Militärpfarrer Stefan

Scheifele (Neapel), HFw Roland G. Dings (SHAPE),

OStFw Joachim Lubowski (Holloman AFB)

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Peter Gabriel –Scratch My Back

Die Offiziere des Transporthub-

schrauber-Regimentes 30 besuch-

ten im Rahmen des Lebenskundli-

chen Unterrichts (LKU) die israeli-

tische Gemeinde Würzburg und das

„Shalom-Europazentrum“.

Der Tag begann im Unterricht mit

dem Thema „Judentum – jüdisches

Leben heute“, das der Katholische

Militärpfarrer Bernhard Tschullik in

Niederstetten durchführte. Danach

verlegten die Kameraden mit ihrem

Kommandeur Oberst Hellinger und

Pfarrer Tschullik nach Würzburg zur

israelitischen Gemeinde. Dort wur-

den sie von Frau Dr. Anita Conze in

Empfang genommen. In ihrer Ein-

führung sagte Frau Conze, dass sie

selbst Christin ist und aufgrund

ihrer theologischen Vorbildung und

eines Studiums bei der jüdischen

Gemeinde Führungen durch das

Gemeindezentrum machen darf.

Im Laufe des Rundgangs durch

Museum und Synagoge erfuhren

die Offiziere, dass die jüdische

Gemeinde Würzburg bereits seit

dem 11. Jahrhundert besteht und

dass bereits im Mittelalter Rabbi-

ner aus ganz Europa in Würzburg

ausgebildet wurden. Nach Errich-

tung des neuen Gemeindezentrums

und Museums wurde der Zusatzna-

me „Shalom Europa“ gewählt. Der

Name ist passend, denn heute

leben weit über 1.400 jüdisch-

orthodoxe Mitbürger aus ganz

Europa wieder in Würzburg.

Wenn wir bei dem Begriff „ortho-

dox“ an eine in sich und nach

außen geschlossene Gemeinschaft

dachten, so wurden wir seitens der

jüdischen Gemeinde eines Besse-

ren belehrt.

Die Würzburger Gemeinde war

schon immer nach außen geöffnet

und engagiert sich im Würzburger

Alltag. So nehmen zum Beispiel

Kinder einer in der Nähe gelegenen

öffentlichen Schule ihre Mittags-

mahlzeit (koscheres Essen) im

Gemeindezentrum ein.

Aus der Sicht der Offiziere sollte

das Museum ein „Muss“ für jeden

Bürger sein, denn es führt nicht

nur durch die Geschichte, sondern

vor allem durch die jüdische Reli-

gion, Kultur und Lebensweise. Man

stellt auch fest, dass viele Gebräu-

che des jüdischen Lebens sich in

unserem Alltag wiederfinden.

Werner Scharf

Was kann man eigentlich so um

seinen 60. Geburtstag herum alles

machen? Den Enkelkindern Ge-

schichten erzählen, wie man frü-

her als Sänger und Songschreiber

einer der wichtigsten Prog-Rock-

Bands der 70er-Jahre – „Genesis“

– in unzählige Kostüme geschlüpft

ist. Oder wie man dann auf dem

Höhepunkt dieser Karriere solo

weitergemacht hat, um etliche

Welthits zu landen (Solsbury Hill,

Sledgehammer, Steam, …). Und

immer wieder multimediale Projek-

te eingeschoben und nebenbei ein

eigenes Label namens „Realworld“

mit Weltmusik-Künstlern aus aller

Herren Länder aufgebaut hat.

Tja, was könnte man denn dann

noch machen? Wie wäre es nach

Hunderten selbst geschriebener

Songs denn mal mit einem Cover-

Album?

Nun wäre Peter Gabriel nicht Peter

Gabriel, würde er einfach ein paar

mehr oder minder bekannte Songs

nachspielen. Nein, für ihn war das

Ganze eine Reise in fremdes Territo-

rium, bei der die üblichen Rock-

Instrumente im Schrank blieben.

Dass dies auch für den Hörer zu

einer spannenden neuen Erfahrung

Offiziere aus Niederstetten im „Shalom-Europazentrum Würzburg“

Aus der Militärseelsorge | CD des Monats

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Page 23: KOMPASS - Veszprémi Érseki Hittudományi Főiskola · 2013-04-11 · „Kampfes gegen den international agierenden Terrorismus“ neu ent-falten, möchten unter einem Feind denjenigen

Einen spannungsgeladenen Roman

über das, was auf einem Kriegs-

schiff alles so passiert – das hat es

in Deutschland schon lange nicht

mehr gegeben. Christoph Karich

hat mit seinem Buch „Bewährung

im Grünen Meer“ den Versuch

unternommen, dieses Genre wie-

derzubeleben. Und, um es vorweg

zu nehmen, es ist ihm bestens

gelungen.

Das Szenario, in dem der Autor die

Fregatte „Stuttgart“ und ihre

Besatzung agieren lässt, ist das

Horn von Afrika. Dass es sich hier

um einen höchstgefährlichen „hot

spot“ handelt, ist weithin

bekannt. Karich spitzt die sicher-

heitspolitischen Herausforderun-

gen, die sich dort einem Schiff der

Allianz stellen, dramaturgisch zu,

indem er es zu einer direkten Kon-

frontation mit Terroristen kommen

lässt. Und was die sich einfallen

lassen, um der „Stuttgart“ und

ihrer Besatzung größtmöglichen

Schaden zuzufügen, verschlägt

dem Leser bisweilen den Atem.

Schafft es die „Stuttgart“, sich

dieser Gefahren zu erwehren? Die-

se Frage treibt den Leser an,

immer weiter zu lesen.

Und dass der Held der Geschichte

eine Frau ist, die als Kapitänleut-

nant und Erste Schiffseinsatzoffi-

zierin im Mittelpunkt des Gesche-

hens steht und dabei auch viel von

ihren persönlichen Nöten und Sor-

gen preisgibt, gibt dem Roman

Bodenhaftung und Menschlichkeit.

Fast nebenbei – und das ist das

größte Verdienst des Autors –

erfährt der Leser viel über die

Erlebniswelt der Besatzung eines

Kriegsschiffes und über die sicher-

heitspolitischen Mit-Akteure der

Soldatinnen und Soldaten, seien

es die Stabsoffiziere im Einsatz-

führungskommando in Potsdam

oder die Mitarbeiter von Ministe-

rien und Nachrichtendiensten.

Sogar der Außenminister taucht im

Krisenmanagement auf – an der

Seite der Soldaten ebenso wie auf

dem diplomatischen Parkett bei

den Vereinten Nationen in New

York.

Auf diese Weise ist Karichs Buch

weit mehr als ein Thriller: Es ist

auch ein Lehrbuch über moderne

Sicherheitspolitik. Ja, dieses Buch

hat das Zeug zu einem Bestseller

– nicht nur bei den Angehörigen

der Marine.

Uwe Hartmann

Christoph Karich,

Bewährung im

Grünen Meer,

Roman, 326 Seiten,

Paperback, Berlin

2010, ISBN

978-3-937885-28-5,

14,90 Euro

CD des Monats | Buchtipp

Marinethriller mit sicherheitspolitischem Tiefgang

23Kompass 04|10

wird, liegt vor allem an Arrange-

ments von John Metcalfe, der einen

Teil der Songs für Orchester im Stil

der klassischen Avantgarde be-

arbeitet hat. So bleibt für die Wie-

dererkennung zunächst einmal nur

die Gesangsmelodie; statt der z. T.

wohl vertrauten Sounds gibt es zum

Piano reichlich flirrende Streicher,

in minimalistischen Bewegungen

wie bei Steve Reich oder Arvo Pärt.

So etwas taugt weder als Hinter-

grundberieselung noch für die

Tanzfläche. Also nix für den ge-

neigten Pop-Konsumenten? Viel-

leicht eine Herausforderung, aber

eine äußerst lohnenswerte! Denn

„Heroes“ von David Bowie oder

„Boy in the bubble“ von Paul Simon

werden völlig gegen den Strich

gebürstet und ermöglichen dadurch

ein ganz anderes Verständnis der

Songs. Andere, wie Randy Newmans

„I think it’s going to rain today“

mit sparsamer Klavierbegleitung

oder Neil Youngs „Philadelphia“ –

ursprünglich Titelsong des gleich-

namigen Films – mit ruhigen Strei-

chern, Trompete und Flöte, sind

näher am Original und legen dabei

wie unter einer Lupe das Herz der

Songs offen.

Und das war noch nicht alles, denn

diese CD soll die Hälfte eines

„Tauschgeschäfts“ sein: Die Künst-

ler, deren Songs er covert, sollten

parallel eine Platte mit ihrer jewei-

ligen Interpretation eines Songs

von ihm einspielen. Aus Zeitgrün-

den ist das noch nicht abgeschlos-

sen, soll aber noch kommen. Viel-

leicht als Geschenk an uns und an

Peter Gabriel zum 61.?

Theresia Büsch

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Die Kamera schaut von oben auf einen Speiseraum,

ein kleinwüchsiger Rollstuhlfahrer fährt schnell in

die Szene hinein, immer mehr Patientinnen und

Patienten kommen in den Raum oder werden hin-

eingefahren und dazu ertönt das „Ave Maria“,

gesungen von einem Mann. So beginnt der Spiel-

film „Lourdes“ der österreichischen

Filmemacherin Jessica Hausner, der

im April in unsere Kinos kommt.

Erzählt wird die Geschichte der

jungen Frau Christine, die an Mul-

tipler Sklerose erkrankt und

gelähmt ist. Christine leidet unter

der Isolation, die ihr die Krankheit

aufgezwungen hat.

Sie sehnt sich danach, wieder dazu zu gehören,

sie möchte einfach normal sein. In Maria, einer

jungen Malteserin und ihrer Betreuerin, findet sie

ein Bild aus ihrer Vergangenheit.

Sie möchte auch wieder wie Maria ihre Jugend

genießen, sich amüsieren. Doch Christine bleibt

letztlich nur die alte Frau Hartl, die sich ihrer

annimmt, während Maria ihren Vergnügungen

nachgeht und sie mitunter einfach stehen lässt.

Frau Hartl leidet zwar unter keinen äußerlichen

körperlichen Gebrechen und ist in diesem Sinne

auch keine Patientin, sondern eine Pilgerin, die

in „Lourdes“ Wege aus ihrer Einsamkeit sucht und

betet – auch für Christine. Dieses Gebet scheint

Erhörung zu finden: Während Christine wieder

mit dem Wasser aus der Lourdes-Quelle gebadet

wird, zeigt sich eine Besserung ihres Zustands

und es deutet sich eine Heilung an.

Doch damit ist der Film noch nicht zu Ende, es geht

unter anderem um die Frage, warum wird jemand

geheilt, ein anderer oder eine andere nicht? So

sehen wir eine weitere Schwester, die leitende Mal-

teserin Cecile, welche sagt: „Die meisten erhalten

seine Gnade erst wenn sie tot sind. Das ist der

Trost für die, die nicht geheilt wur-

den oder eben einen Rückfall

haben. Das Jenseits.“ Der Film fragt

also, wie ich mit den Erfahrungen

von Heilung umgehe und was das

für Auswirkungen für mein Gottes-

bild und mein Leben hat? Für einen

Kinofilm unserer Zeit ist das eine

erstaunliche Fragestellung.

Bewertung

Der Film überzeugt durch die

unterschiedlichen Konstellationen

der Figuren: die eine hoffend, die

andere verzweifelt, eine Betreuerin

und ein Betreuer – die alles mög-

liche im Kopf haben, nur nicht die

zu betreuenden Patienten, ein

Priester – der im Gespräch und in

der Beichte nach Antworten sucht

und nicht immer überzeugen und

helfen kann. Es gibt in diesem Film

keine strahlenden Helden, es gibt

nur Menschen, die hoffen, sich

nach Leben und Gott sehnen – und

scheitern, und wieder „aufstehen“.

Bemerkenswert an „Lourdes“ ist,

dass dieser Film beim Wettbewerb

der Filmfestspiele in Venedig im

September 2009 den Preis der

katholischen SIGNIS-Jury, den

FIPRESCI-Preis (Preis der interna-

tionalen Filmjournalisten) und den

BRIAN-AWARD bekommen hat. Der

letztgenannte Preis ist ein jährlich

verliehener Nebenpreis, der nach

dem Brian in Monty Pythons „Life

of Brian“ (Leben des Brian)

bezeichnet wurde und von einer

Gruppe Rationalisten und Athe-

isten verliehen wird. Das macht

den Film zusätzlich interessant.

Ich habe mich gefragt, welche

Szene gerade diese Gruppe aus

dem Film besonders angesprochen

hat? Vielleicht diese: Im Speise-

raum sitzen die Rollstuhlfahrer

beim Frühstück und die leitende

Malteserschwester Cecile fragt:

„Haben wir denn etwas Schönes

geträumt?“ „Ja“, antwortet eine

Frau: „Ich bin aufgewacht, konnte

aufstehen und gehen und war wie-

der geheilt.“ Darauf ein älterer

Mann im Rollstuhl: „Ich habe auch

geträumt, aber das erzähle ich

Ihnen lieber nicht.“ Solche Dialo-

ge machen den Film menschlich

und für viele ansprechend, nehmen

der erzählten Wundergeschichte

jedes übertriebene Pathos.

Der Film will aber nicht nur eine

interessante Geschichte erzählen, er

will jeden Zuschauer ansprechen

und persönlich am Geschehen inter-

essieren, so sagt der begleitende

Priester Pater Nigl: „In diesem Sinn

„Lourdes“Ein Film der österreichischen

Regisseurin Jessica Hausner

Filmtipp

24 Kompass 04|10

Christine (Sylvie Testud) bei der

Waschung in der Quelle von Lourdes

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Page 25: KOMPASS - Veszprémi Érseki Hittudományi Főiskola · 2013-04-11 · „Kampfes gegen den international agierenden Terrorismus“ neu ent-falten, möchten unter einem Feind denjenigen

ist Lourdes eine Parabel – auf eine

Weise sitzt jeder in einem Roll-

stuhl.“ Übrigens gehört ein im Film

dargestelltes Beichtgespräch zu den

überzeugendsten Darstellungen sei-

ner Art, wie es seit langem auf der

Kinoleinwand zu sehen war.

Zur Internationalen

Soldaten-Wallfahrt

Der Film kann anregen, bei der Vor-

bereitung auf die Soldaten-Wallfahrt

nach Lourdes den Blick stärker auf

die in Lourdes zu sehenden Kranken

zu lenken. Er kann im Rahmen des

Lebenskundlichen Unterrichts Solda-

ten zum Gespräch über Glauben und

religiös motivierte Menschen anre-

gen, auch wie jemand mit besonde-

ren Erfahrungen, religiöser oder

außergewöhnlicher Art, umgeht. Auf

alle Fälle wirft der Film solche Fra-

gen nicht in der Weise auf, dass

Menschen, die weniger religiös

sozialisiert sind, lächelnd abwinken.

„Lourdes“ ist allerdings kein Film,

der den Pilgerort wie ein Reisefüh-

rer beschreibt. Lourdeskenner wer-

den sofort merken, dass der im Film

gegangene Kreuzweg genau in der

entgegengesetzten Richtung fortge-

setzt wird und werden sich fragen,

weshalb gerade auf dem Kreuzweg

oder an der Quelle so wenige Leute

sind. Das ist aber nicht das Haupt-

augenmerk dieses kammerspielarti-

gen Filmes. Vielmehr ist er ein Film,

der über Gott und die Welt im guten

Sinne nachdenkt.

Der Film „Lourdes“ stellt Fragen

und versucht Antworten, die man

sich stellt oder gibt, selbst wenn

man noch nie in Lourdes war.

Thomas Bohne

Filmtipp | Aus der Militärseelsorge

25Kompass 04|10

Darf im Namen der Menschenrech-

te Krieg geführt werden? Oder wür-

de dadurch der Krieg als Mittel der

Politik wieder salonfähig?

Solchen Fragen soll künftig ein

Forschungsprojekt nachgehen, das

der stellvertretende Direktor des

„Instituts für Theologie und

Frieden“ (ithf), Prof. Dr. Gerhard

Beestermöller, zusammen mit

Michael Staack, Professor für

Internationale Beziehungen an

der Helmut-Schmidt-Universität

der Bundeswehr (HSU), ebenfalls

in Hamburg, verantwortet. Sie und

ihre Mitarbeiter stellten den Ent-

wurf in den Räumen des ithf

einem geladenen Kreis von Akade-

mikern aus unterschiedlichen

Fachrichtungen vor. Gegenstand

des interdisziplinären Projekts ist

die „Responsibility to Protect“

(Schutzverantwortung). Entworfen

von einer internationalen Kom-

mission im Jahr 2001, fand dieses

Konzept in den Folgejahren Ein-

gang in mehrere Resolutionen der

UN-Vollversammlung und des UN-

Sicherheitsrates. Es schreibt dem

souveränen Staat eine Verantwor-

tung für den Schutz aller auf sei-

nem Gebiet lebenden Menschen

zu. Nehme ein Staat diese Verant-

wortung nicht wahr, müsse die

internationale Gemeinschaft ein-

greifen – notfalls mit militärischer

Gewalt. Insbesondere diese Ein-

griffspflicht ist jedoch bis heute

umstritten und steht daher auch

im Mittelpunkt des neuen For-

schungsvorhabens.

In vier Vorträgen beleuchteten die Professoren

Andreas von Arnauld, August Pradetto (HSU) und

Hajo Schmidt (FernUniversität Hagen) sowie Frau

Theresa Reinold vom Exzellenzcluster „Normative

Ordnungen“ der Frankfurter Goethe-Universität

das Thema aus verschiedenen Perspektiven. Völ-

kerrechtliche, politikwissenschaftliche und mili-

tärstrategische Überlegungen kamen dabei genau-

so zum Tragen wie weiterführende Fragen etwa

nach der Verbindung von Schutzverantwortung

und „westlichen“ Demokratisierungsbestrebungen.

Ökumenisch-theologische Positionen brachte

überdies Pastorin Antje Heider-Rottwilm vom Öku-

menischen Forum „Brücke“ in der Hamburger

HafenCity in die Debatte ein.

Am Ende blieben viele Fragen offen. „Sie haben

uns viel zu denken gegeben“, bescheinigte

Michael Staack den Teilnehmern. Den Veranstal-

tern bleibt nun die Aufgabe, die Anregungen und

kritischen Anfragen zu überdenken und in einen

gemeinsamen Projektantrag einzuarbeiten, der

im Sommer 2010 eingereicht werden soll. Zumin-

dest von außen betrachtet scheint das politik-

wissenschaftlich-ethische Gespann aber auf

einem guten Weg: Die Gäste waren von der

Tagung durchweg begeistert.

Cornelius Sturm

Krieg im Namen der Menschenrechte?Wissenschaftler diskutieren am Institut für Theologie und Frieden

Professor Staack stellt das Projekt vor.

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An der Seite der SoldatenMilitärpfarrer van Dongen verlässt den Niederrhein

Über drei Jahre war Stephan van Dongen (47)

Katholischer Standortpfarrer in Wesel und für

rund 2.500 Soldatinnen und Soldaten zuständig.

Sein „militärischer Pfarrbezirk“ reichte von Hil-

den bis Mönchengladbach, von

Kalkar bis Wulfen. Der gebürti-

ge Duisburger verlässt den Nie-

derrhein nun Richtung Köln.

Dort wird er „Militärpfarrer

Köln I“ und stellvertretender

Leitender Dekan des Militärde-

kanats Mainz.

PIZ Luftwaffe, OTL Antje Krekeler-Jöris

Neuer Seelsorger für 4.500 Soldaten Gottesdienst und Empfang in der

Fallschirmjäger-Kaserne Seedorf

Der Katholische Militärpfarrer Romanus Kohl ist

bereits seit dem 1. September vergangenen Jahres in

Seedorf und Oldenburg tätig, nun erfolgte die offi-

zielle Amtseinführung. In der Kapelle hob der Lei-

tende Dekan des Katholischen Militärdekanats Erfurt,

Hartmut Gremler, die Ansprüche hervor, die Soldaten

an einen Militärseelsorger stellen. Gleichwohl äußer-

te sich der Militärdekan überzeugt, dass Pfarrer Kohl

seinen Dienst hervorragend leisten werde.

Das bestätigte Oberst Grube, stellvertretender Kom-

mandeur der Luftlandebrigade 31: „Wir bekommen

einen hervorragenden Mann.“ Einen Sprung aus dem

Übungsturm habe der Theologe bereits „elfengleich“

hinter sich gebracht. Bei allem Humor verlor der

Oberst vor dem Hintergrund des

bevorstehenden Afghanistan-Ein-

satzes der Brigade nicht den Ernst

der Lage aus dem Blick: „Wir wis-

sen, dass wir in der Zeit, die vor

uns liegt, geistlichen Zuspruch

brauchen werden.“ Mit einem dreifachen „Glück ab“

hießen die Militärs den Seelsorger willkommen.

Lutz Hilken

Militärpfarrer Lang insein Amt eingeführtNeu im Nordosten

Im März wurde Militärpfarrer

Johannes M. Lang, Priester der

Diözese Regensburg, vom Katholi-

schen Leitenden Militärdekan Kiel,

Monsignore Rainer Schadt, im Rah-

men eines festlichen Standortgot-

tesdienstes in sein Amt für den

Bereich Torgelow eingeführt.

Nach der Priesterweihe 1977 und

Kaplansjahren in Waldsassen und

Cham, wurde Pfarrer Lang von 1981

bis 1987 bereits für den Dienst in

der Militärseelsorge freigestellt und

war Standortpfarrer in Cham.

Nach Jahren als Religionslehrer

und Spiritual kehrte er Anfang Sep-

tember 2009 in die Militärseelsor-

ge zurück und kam so als Bayer in

den hohen Norden der Bundesrepu-

blik, wo er von den Soldaten sehr

freundlich aufgenommen wurde.

Als Leiter des Katholischen Militär-

pfarramtes Torgelow ist er zustän-

dig für die Soldaten in Torgelow,

Viereck, den Deutschen Anteil beim

Multinationalen Korps Nordost in

Stettin (Polen) und für den Stand-

ort Prenzlau in der Uckermark.

Bernhard Trömer

Personalien | Impressum

26 Kompass 04|10

ImpressumKompass. Soldat in Welt und KircheISSN 1865-5149

Herausgeber:Der Katholische Militärbischof für die Deutsche Bundeswehr

Redaktionsanschrift:Kompass. Soldat in Welt und KircheAm Weidendamm 210117 Berlin

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Militärpfarrer Lang erhält sein

Brustkreuz vom Leitenden Militär-

dekan Schadt.

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Kopfhörer zu gewinnen

Rätsel

27Kompass 04|10

Das Lösungswort bitte bis 16. April 2010 an die Redaktion Kompass. Soldat in Welt und Kirche, Am Weidendamm 2,

10117 Berlin, oder per E-Mail an [email protected] (Wir bittenum eine Lieferanschrift und um freiwilligeAltersangabe.)

Wir verlosen einen Kopfhörer von Sennheiser. Mit Ihrer Teil-nahme sichern Sie sich eine Gewinnchance, sobald Sie uns dasrichtige Lösungswort mitteilen. Neben dem Hauptgewinn werdenjeweils zwei Bücher, die sich mit der Katholischen Militärseel-sorge befassen, verlost.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kurie des Katholi-schen Militärbischofs (Berlin) und deren Angehörigesowie des Verlags Haus Altenberg (Düsseldorf) sind nichtteilnahmeberechtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Der Peterspfennig (Denarius Sancti Petri)ist eine Geldsammlung, die als Ausdruckder Verbundenheit der Gläubigen mit demPapst gilt. Mit der finanziellen Zuwendungsoll die apostolische und karitative Arbeitdes Papstes unterstützt werden.

Als Gewinner des Rätsels in derletzten Ausgabe wurden gezogen:

Hptm Wolfgang Wurmb, LenggriesHeinz Pick, CochemSven Hausigke, Lichterfeld

Wir gratulieren!

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