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Komplementärwährungen zur Förderung der regionalen Wirtschaft in Städten und Gemeinden Ein innovativer Ansatz für Kommunen Anna-Lisa Schmalz

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Komplementärwährungenzur Förderung der regionalen Wirtschaftin Städten und Gemeinden

Ein innovativer Ansatz für Kommunen

Anna-Lisa Schmalz

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Danksagung

Herzlichen Dank an Susanne Bächer, Heinz-Ulrich Eisner, Dr. Hugo Godschalk, Prof. Dr. Roland Geit-mann, Bernard Lietaer, Rolf Merten und Dr. Rainer Rieder für die Unterstützung durch ergänzendeLiteraturhinweise und die Zusendung von Manuskripten. Für das Lesen dieser Arbeit und das korrigie -rende Feedback zu danke ich Susanne Bächer, Detlev Ebert, Prof. Dr. Roland Geitmann, Dr. HugoGodschalk, Stanislav Iatsevich, Prof. Dr. Margrit Kennedy, Dorothea Kroschel, Bernard Lietaer, RolfMerten, dem Bürgermeister von Langenegg Georg Moosbrugger und Norbert Rost. Dr. HugoGodschalk hat mir darüber hinaus mit seinem Feedback wesentlich dabei geholfen, die rechtlicheSituation besser zu verstehen und differenzierter zu unterscheiden. Vielen Dank an Prof. Dr. RolandGeitmann für seine Hinweise zur praktischen Umsetzung. Die Impulse von Oliver Endrikat, GernotJochum-Müller, Christian Gelleri und Norbert Rost haben zur Abrundung und Ergänzung dieser Arbeitbeigetragen. Dank der Rückmeldungen von Thomas Gröbly und Jens Martignoni haben die Komple-mentärwährungen ein deutlich ausdrucksstärkeres Gesicht bekommen. Bernard Lietaer, Martin Riedtund die Gemeinde Langenegg haben freundlicherweise Fotos zur Verfügung gestellt. Vielen Dank anBritta-Marei Lanzenberger für die Gestaltung des Layouts.

Mein besonderer Dank gilt Susanne Bächer, ohne deren Impulse dieses Konzept nicht entstandenwäre, und Prof. Dr. Margrit Kennedy für ihr stärkendes Feedback und die Veröffentlichung auf derSeite MonNetA.org.

München, den 18.06.2013 Anna-Lisa Schmalz

AutorinAnna-Lisa Schmalz, MünchenTel.: 089 - 2315 3601

Anna-Lisa Schmalz (geb. 1962) ist Diplom-Mathematikerin und Informatikerin.Sie hat unter anderem an Software für Banken und Versicherungen mitgearbeitet. Seit 2009 widmetsie sich in Theorie und Praxis dem Thema Komplementärwährungen. Als Mitarbeiterin bei derDachauer Regionalwährung Amper-Taler hat sie deren Anschluss an die Regios eG Rosenheimmaßgeblich mit vorbereitet. 2010 schrieb sie ein Konzept für Regionale Wirtschaftsgemeinschaften,auf dessen Basis die ReWiG München eG (Januar 2011), die ReWiG Schlehdorf eG (Januar 2012) unddie ReWiG Allgäu eG (Juli 2012) gegründet wurde. Seit der Gründung ist sie Vorstand der ReWiGMünchen eG. Sie berät Initiativen bei der Einführung einer Komplementärwährung und hält Vorträgeund Workshops zu verschiedenen Themen in diesem Bereich.

Der Text dieses Dokument steht unter einer Creative Commons Lizenz CC BY-SA 3.0(Lizenzbedingungen: http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de). DieWeitergabe unter gleichen CC-Bedingungen ist bei Namensnennung (Titel und Autorin)

zulässig. Die in diesem Dokument verwendeten Bilder und Logos sind in dieser Lizenz nicht mit eingeschlossen.

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Übersicht

Städte und Gemeinden sind an einer stabilenwirtschaftlichen Lage der lokalen Unternehmeninteressiert. Neben dem Anliegen, die regionaleWirtschaft zu fördern, gibt es wohl in jeder Kom-mune soziale, kulturelle oder ökologische Ziele,die wegen fehlendem Geld im kommunalenHaushalt nicht im gewünschten Ausmaß unter-stützt werden können. Eine Regionalwährungkann passend zu diesen Anliegen konzipiert wer-den, so dass die dafür notwendigen Haushalts-budgets deutlich geringer ausfallen. Sie kannKaufkraft in der Region binden und so auch klei-nen und mittleren Unternehmen zusätzlichenAuftrieb geben.

Der Euro als gemeinsame Währung für den Wirt-schaftsraum der EU vereinfacht die Handelsbe-ziehungen innerhalb dieses Raumes. Die wirt-schaftliche Lage der einzelnen Regionen ist je-doch so unterschiedlich, dass eine einheitlicheWährungspolitik den jeweiligen regionalen Erfor-dernissen gar nicht gerecht werden kann. Die Er-gänzung der gemeinsamen Währung durch kom-plementäre Währungen kann entscheidend zurLösung dieser Probleme beitragen. Richtig konzi-pierte regionale Währungen können der Befriedi-gung der Bedürfnisse in ihrer Region dienen,ohne die gemeinsame Währung zu destabilisie-ren.

Eine Komplementärwährung ergänzt die staatli-che Währung mit der Absicht, bestimmte Anlie-gen zu unterstützen und zu fördern. Dazu gehörtmeist auch die Förderung der regionalen Wirt-schaft. Die Begriffe Regionalwährung und Regio-geld werden in der Literatur nicht einheitlich ver-wendet. In diesem Dokument wird der BegriffRegionalwährung der Einfachheit halber fürKomplementärwährungen mit einem regional,kommunal oder lokal begrenzten Geltungsbe-reich verwendet.

Kapitel 1 dieser Studie geht auf die Ausgangslageder Städte und Gemeinden ein und gibt einenersten Einblick in die Wirkung von komplementä-ren Währungen.

Kapitel 2 liefert Beispiele existierender Komple-mentärwährungen mit kommunalem Bezug.

Kapitel 3 beschreibt mögliche Ziele und Eigen-schaften dieser ergänzenden Währungen undgeht auf einige wichtige Argumente und Fragendazu ein.

Kapitel 4 zeigt konkrete Möglichkeiten zur Ein-führung einer regionalen Währung für eineStadt, eine Gemeinde oder einen Landkreis auf.

Kapitel 5 geht schließlich auf die rechtliche Lagekomplementärer Währungen in Deutschland ein.

Der Anhang enthält ein Interview der StadträtinSusanne Bächer mit der Autorin, bei dem es umdie Einsatzmöglichkeiten einer Komplementär-währung für Tübingen geht.

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Inhaltsverzeichnis 1 Eine Idee mit Wirkung.............................................................................................................5

1.1 Ausgangslage vieler Städte und Gemeinden...............................................................................5 1.2 Wirkung von Komplementärwährungen.....................................................................................5

2 Beispiele existierender Komplementärwährungen.................................................................7 2.1 Gent............................................................................................................................................7 2.2 Langenegg...................................................................................................................................9 2.3 Bad Liebenzell...........................................................................................................................11 2.4 Fazit..........................................................................................................................................14

3 Grundsätzliches zu Komplementärwährungen.....................................................................15 3.1 Funktionen des Geldes.............................................................................................................15 3.2 Was ist eine Komplementärwährung?......................................................................................15 3.3 Ziele..........................................................................................................................................16 3.4 HerausgeberInnen....................................................................................................................17 3.5 Geltungsbereich........................................................................................................................17 3.6 Ausgabeformen........................................................................................................................18 3.7 Umrechnungskurs.....................................................................................................................18 3.8 Wie kommt die Währung in Umlauf?........................................................................................18 3.9 Wofür kann die Währung verwendet werden?.........................................................................19 3.10 Umlaufimpuls.........................................................................................................................20 3.11 Gültigkeitsdauer......................................................................................................................20 3.12 Rücktausch..............................................................................................................................21 3.13 Organisation...........................................................................................................................21 3.14 Erwartete Vorteile und Konsequenzen...................................................................................21 3.15 Der Euro zum Vergleich...........................................................................................................22 3.16 Fragen und Argumente...........................................................................................................23

4 Schritte zur erfolgreichen Einführung...................................................................................29 4.1 Klärung der Ziele.......................................................................................................................29 4.2 Kombination von Teilsystemen.................................................................................................30 4.3 Anschlussmöglichkeiten an bestehende Systeme.....................................................................30 4.4 Nutzbare Konzepte...................................................................................................................31 4.5 Einführung einer maßgeschneiderten Lösung..........................................................................32 4.6 Software für Kontenwährungen................................................................................................33 4.7 Erfolgsfaktoren..........................................................................................................................34 4.8 Zusammenfassung....................................................................................................................35

5 Rechtliche Lage für Komplementärwährungen in Deutschland...........................................37 5.1 Gutscheinwährungen................................................................................................................37 5.2 Kontenwährungen....................................................................................................................37 5.3 Kommunen...............................................................................................................................38 5.4 Fazit..........................................................................................................................................39

Literatur und weiterführende Links..........................................................................................41Anhang: Fragen einer Stadträtin an die Autorin.......................................................................45

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1 Eine Idee mit Wirkung

Die wirtschaftliche Situation von Städten und Gemeinden kann sich durch die Einführung einer re-gionalen Währung stabilisieren und verbessern. Mit dieser Währung werden die ortsansässigen Un-ternehmen gefördert. Gleichzeitig können damit kommunalpolitische Ziele im sozialen, kulturellenund ökologischen Bereich unterstützt werden. Aus volkswirtschaftlicher Sicht trägt die eingesetzteKomplementärwährung zur Senkung der Inflationsgefahr bei.

1.1 Ausgangslage vieler Städte und Gemeinden

Viele Städte und Gemeinden leiden darunter,dass die Kaufkraft ihrer BürgerInnen in andereRegionen oder an den Versandhandel abfließt.Wenn traditionelle Betriebe schließen müssen,stehen die freiwerdenden Gewerbeflächen an-schließend leer oder werden von großen Filial-ketten genutzt. Das charakteristische Ortsbild lei-det darunter. Durch die abfließende Kaufkraft ge-hen meist auch Arbeitsplätze am Ort verlorenund die kommunalen Steuereinnahmen sinken.

Klassische Lösungsansätze sehen vor, eine höhe-re Neuverschuldung einzugehen, Sparmaßnah-men einzuleiten und/oder die Einnahmen zu er-höhen über Privatisierungen, Steuererhöhungenoder die Einführung zusätzlicher kommunalerSteuern und Abgaben. Jede dieser Maßnahmenbirgt die Gefahr, dass der Ort unattraktiver wirdund sich das zu lösende Problem weiter ver-stärkt. Dadurch kann sich der Handlungsspiel-raum der Kommune weiter einschränken. Es kön-nen Abhängigkeiten von der Zinsentwicklung,von einer InvestorIn oder einigen wenigen Unter-nehmen entstehen.

Ein bislang selten genutzter Lösungsansatz ist dieEinführung einer Komplementärwährung.

1.2 Wirkung von Komplementär-währungen

Komplementärwährungen stärken die regionaleWirtschaft. Sie fördern insbesondere kleine undmittelständische Unternehmen. Deren Vielfaltbleibt erhalten und trägt zur Widerstandsfähig-keit der Region bei. Eine stabile lokale Wirtschaftdient dem kommunalen Haushalt. Arbeitsplätzebleiben in der Region und fördern die soziale Sta-bilität.

Der seit 1934 existierende Schweizer WIR-Franken1 ist dafür ein gutes Beispiel. Diese vonder WIR-Bank herausgegebene Parallelwährungwird vorwiegend von kleinen und mittelgroßenSchweizer Unternehmen für die Abwicklung ihrerGeschäfte genutzt. Dabei entstehen geschlosse-ne Kreisläufe innerhalb der Schweiz, wodurchsich die Mitglieder gegenseitig stärken. TobiasPlettenbacher schreibt dazu: „Vorteile habenaber nur die, die im Inland agieren (wie das Bau-

1 http://www.wir.ch/

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Foto: georgholzer

Foto: vinylmeister

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gewerbe) – ein starker Gegenpol zur Globalisie-rung. WIR hat eine nachgewiesen starke antizy-klische Wirkung, d.h. dass WIR in Phasen wirt-schaftlicher Rezession stärker genutzt wird als imBoom. WIR unterstützt damit die wirtschaftlicheStabilität. Die Zweitwährung ist keine Konkurrenzzum Schweizer Franken (Kennedy & Lietaer).“([PLE] S. 150, [LIE3] S. 22 f.)

Norbert Rost zeigt auf, dass eine komplementäreWährung auch dazu dienen kann, die wirtschaft-liche Struktur einer Region gezielt zu vervollstän-digen. Lückenhafte Wertschöpfungsketten kön-nen sogar hinsichtlich ihres Umfangs erkannt unddurch bestehende oder neue Betriebe der geeig-neten Größenordnung geschlossen werden. Ins-besondere in strukturschwachen Gebieten kanndie Komplementärwährung dazu beitragen, denTeufelskreis aus Strukturschwäche und Struktur-abbau zu unterbrechen und sogar umzukehren.(vgl. [RO1])

Darüber hinaus kann eine Komplementärwäh-rung einen wichtigen Beitrag leisten zur lokalen

Agenda 21i. Sie kann bürgerschaftliches Engage-ment stärken und soziale Innovationen fördernund führt so zu einer stärkeren Identifikation mitder Kommune. Nicht zuletzt ist die Komplemen-tärwährung auch ein Training für den Notfall ei-ner dramatischen Finanzkrise. ([GEI], S.1)

Bernard Lietaer weist darauf hin, dass richtigkonzipierte Komplementärwährungen auch dasInflationsrisiko einer Volkswirtschaft senken. InAustralien und Neuseeland wird der Aufbau vonKomplementärwährungen in Gebieten mit hoherArbeitslosigkeit staatlich gefördert (vgl. [LIE1], S.344). Lietaer schreibt: „Wenn die Betroffenen [...]zur Lösung ihrer Probleme eine eigene Komple-mentärwährung schaffen, nimmt auch der politi-sche Druck ab, die Zinsen zu senken und damitder Inflation Vorschub zu leisten.“ ([LIE1], S.343)

Quellen: [GEI], [PLE], [RO1], [LIE1] (S. 339 ff.),[LIE3] S. 22 f., [KELI] (S. 131 f.), [WIR]

i http://www.nachhaltigkeit.info/artikel/aalborg_c hartalokale_agenda_21_651.htm

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2 Beispiele existierender Komplementärwährungen

Im folgenden werden Beispiele für Komplementärwährungen beschrieben, die in Zusammenarbeitmit einer Kommune konzipiert wurden oder von ihr mitgenutzt werden. Die verwendeten Wäh-rungsbegriffe werden in Kapitel 3 eingehend erläutert.

2.1 Gent

Gent ist eine relativ wohlhabende belgischeStadt mit 250.000 Einwohnern. Der GenterStadtteil Rabot dagegen ist statistisch gesehendie ärmste Gegend in Flandern. Dieser Stadtteilhat die höchste Bevölkerungsdichte in Belgien.Etwa 8.000 Menschen leben hier überwiegend inWohnblöcken, die „torekes“ („Türmchen“) ge-nannt werden, 50% von ihnen haben einen Mi-grationshintergrund.

ZieleDie Komplementärwährung Torekes2 wurde ein-geführt, um im Stadtteil Rabot Aktivitäten in denBereichen Ökologie und Gesundheit zu fördern,das Viertel zu verschönern und die Lebensquali-tät der Einwohner insgesamt zu verbessern.

HerausgeberHerausgeber der Torekes ist die Stadt Gent. Ber-nard Lietaer leitete das Projekt in Kooperationmit der Non-Profit-Organisation Muntuit/Net-werk Vlaanderen.

2 http://www.torekes.be/

GeltungsbereichTorekes werden nur innerhalb des Genter Stadt-viertels Rabot akzeptiert.

VorgehenZunächst wurden die Menschen im Viertel be-fragt, was sie sich selbst am meisten wünschten.Die Antwort war: „ein kleines Stück Land, um Ge-müse und Blumen anzubauen“. Die Stadt stelltedaraufhin Land zur Verfügung, unter anderemein ungenutztes Fabrikgelände, auf dem über100 Gartenbeete mit jeweils 4m² Fläche angelegtwurden. Die jährliche Pacht für ein Beet beträgt150 Torekes, zahlbar ausschließlich in Torekes.

ErstausgabeDie Einführung der Torekes erfolgte im Novem-ber 2010.

AusgabeformAuf Wunsch der NutzerInnen wurden Torekes alsGutscheine (Papierwährung) eingeführt. Es gibtScheine im Wert von 1 und 10 Torekes.

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Foto: Stadt Gent

Foto: Stadt Gent

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Foto: Stadt Gent

UmrechnungskursZehn Torekes sind einen Euro wert.

Wie kommen Torekes in Umlauf?Torekes können verdient werden durch ehren-amtliches Engagement im Stadtviertel und durchumweltbewusstes Verhalten. Eine der erstenVerdienstmöglichkeiten war das Anlegen derBeete selbst. Weitere Beispiele sind das Anlegenvon kleinen Vorgärten vor den Wohnblöcken, Be-pflanzen öffentlicher Grünflächen, Begrünen vonFensterbänken, Säubern eines Fußballfeldesnach einem Spiel, das Engagement als Volleyball-Trainer, etc. Die Liste der Tätigkeiten ist offen fürVorschläge aus dem Viertel. Torekes bekommtman aber auch für den Bezug von Ökostrom,Carsharing oder wenn man an den Briefkasteneinen Aufkleber gegen Werbematerial anbringt.

Wofür können Torekes verwendet werden? Neben der Zahlung der jährlichen Pacht für dieBeete können Torekes verwendet werden fürden Einkauf bestimmter Waren wie Energiespar-lampen, saisonalem Gemüse, Fahrkarten für denöffentlichen Nahverkehr und Kinokarten.

UmlaufimpulsEs gibt keinen Umlaufimpuls.

GültigkeitsdauerDie Gültigkeitsdauer ist nicht beschränkt.

RücktauschHändler können Torekes in Euro zurücktauschen.Das Geld dafür stammt aus existierenden Bud-gets für Rabot.

OrganisationDie Ausschreibung der ehrenamtlichen Tätigkei-ten sowie den Rücktausch organisiert das Bür-gerbüro, das die Stadt zusammen mit mehrerenörtlichen nichtstaatlichen Organisationen be-treibt.

Erwartete Vorteile und KonsequenzenDie Einwohner von Rabot profitieren durch dievon der Stadt geförderten Angebote. Die lokaleWirtschaft kann zusätzliche Einnahmen erzielen,indem sie Angebote mit geringen Grenzkosten(z.B. Kinokarten für wenig genutzte Tageszeiten)gegen Torekes anbietet. Nicht zuletzt profitiertdie Umwelt von den Einsparungen an Energie,Wasser und Papiermüll.

Positive EntwicklungBereits im ersten Halbjahr nach dem Start gab esein Überangebot an ehrenamtlicher Leistungsbe-reitschaft. Im ersten Jahr wurden knapp 500 Nut-zerInnen registriert. Mit über 520 Tätigkeitenwurden mehr als 50.000 Torekes verdient.21.855 Torekes wurden für frisches Gemüse undEnergiesparlampen ausgegeben, 8.400 Torekesfür die Pacht der Beete, 2.640 Torekes für Kinound Fahrkarten. Der Rest blieb in Umlauf oderwurde für die nächste Pacht angespart. Bereitsim ersten Jahr wurden im sozialen Bereich Ergeb-nisse erreicht, die etwa dreimal so hoch warenwie für das entsprechende Euro-Budget erwar-tet. Mit steigenden Teilnehmerzahlen und wegender zum Teil festen Betriebskosten könnte nach[LIE2] dieses Verhältnis auf den Faktor 10 anstei-gen.

Die Menge der umlaufenden Torekes hat sich2012 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Ge-genüber dem Vorjahr hat sowohl die Anzahl dermitarbeitenden nichtstaatlichen Organisationenzugenommen (von 12 auf 15) wie auch die An-zahl der von ihnen angebotenen Aktionen (von39 auf 45). Keine Organisation hat bislang ihreTeilnahme eingestellt. Im sozialen Bereich ist dieAnzahl der NutzerInnen im Vergleich zum Vorjahrleicht gestiegen (von 217 auf 244). Hier hat sicheine stabile Gruppe Freiwilliger gebildet, die sich

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sozial engagiert. Im Umweltbereich ist die Anzahlder NutzerInnen deutlich zurück gegangen (von268 auf 51), was sich damit erklären lässt, dasses in diesem Bereich einmalige Sonderaktionenzum Start der Währung gab, die sich nichtjährlich wiederholen lassen.

Quellen: [LIE2], [TOR], [TOZ]

2.2 Langenegg

Langenegg ist eine Gemeinde mit 1.100 Einwoh-nern im österreichischen Bundesland Vorarlberg.Die beiden ursprünglich getrennten GemeindenOber- und Unterlangenegg vereinigten sich zurGemeinde Langenegg auf Grund des Testamentseines Bauern, der unter dieser Auflage seineGrundstücke der neuen Gemeinde vermachte.Auf diesen Grundstücken baute die GemeindeLangenegg ihr neues Dorfzentrum und stellte Ge-werbeflächen zu günstigen Mieten zur Verfü-gung.

Als der Lebensmittelladen im Dorf schließenmusste, wollte man einen Dorfladen mit 300m2

neu eröffnen, fand jedoch keinen Betreiber, dadies erst in Orten ab mindestens 3.000 Einwoh-nern rentabel sei. Daher errichtete die Gemeindeselbst den neuen Laden.

ZieleDer Dorfladen soll den nötigen Umsatz machen,um existieren zu können. Die Wertschöpfung sollim Dorf bleiben. Zudem soll das Bewusstsein derBevölkerung geschärft werden für die Bedeutungder Nahversorgung. Im Hinblick auf die Verant-wortung für die Umwelt sollen Transportwegeverkürzt werden. Der Zusammenhalt in der Ge-meinde soll gestärkt werden.

HerausgeberLangenegger Talente3 besitzen einen in Euro an-gegebenen Wert und werden von der Genossen-schaft Allmenda4 (vormals Talente Genossen-schaft) in Kooperation mit der Gemeinde Lange-negg herausgegeben.

Zusätzlich zu den Euro-basierten Gutscheinengibt es die Zeitwährung Talente, die vom Talente-Tauschkreis5 herausgegeben wird.

GeltungsbereichLangenegger Talente werden nur in der Gemein-de Langenegg als Zahlungsmittel akzeptiert.

Die Talente des Talente-Tauschkreises gelten inder gesamten Region Vorarlberg.

VorgehenDie Anregung zur Einführung einer Komplemen-tärwährung kam aus der Projektgruppe „Lebens-wert Leben“. Der Gemeinderat beschloss schließ-

3 http://www.langenegg.at/navigation-1/ wirtschaft/langenegger-talente.html

4 http://www.allmenda.com/ 5 http://www.talente.cc/

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© Foto: Gemeinde Langenegg

© Foto: Gemeinde Langenegg: Dorfladen

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lich die Einführung der Langenegger Talente, dienur im Ort angenommen wird.

ErstausgabeDie Einführung der Langenegger Talente erfolgteim Mai 2008.

Ausgabeform

Langenegger Talente werden als sogenannte„Nachhaltigkeitsgutscheine“ im Wert von 1, 5,10, 20 und 50 € ausgegeben. Die Wertangabe aufden Gutscheinen erfolgt in Euro.

Die Talente des Talente-Tauschkreises werdenauf Verrechnungskonten geführt.

UmrechnungskursEin Euro entspricht 11,5 Talenten (Stand 2012).Der Umrechnungskurs wird regelmäßig ange-passt, um die Euro-Inflation auszugleichen.

Wie kommen Langenegger Talente in Umlauf?Die Gemeinde zahlt alle freiwilligen Zuschüsse anVereine, Betriebe und Privatleute ausschließlichin Langenegger Talenten aus.

Für Privatleute gibt es zudem die Möglichkeit,ein Abonnement abzuschließen. Das bedeutet,dass sie jeden Monat eine feste Summe an Lan-genegger Talenten beziehen und diese in Eurobezahlen. Die ortsansässige Raiffeisenbank buchtjeweils zum 15. eines Monats den Euro-Betragvom Bankkonto des Abonnenten ab. Eine ehren-amtlich tätige Person packt die Nachhaltigkeits-gutscheine in Briefumschläge ab und hinterlegtsie bei der benachbarten Postfiliale zur Abho-

lung. Abonnenten erhalten auf ihre Umtausch-summe 3% Rabatt.

Wofür können Langenegger Talente verwendetwerden?Mit Langenegger Talenten kann man im Dorfla-den einkaufen und bei den ortsansässigen Be-trieben bezahlen. Über das Buchungssystem mitTalente-Konten existiert auch eine Anbindung anden Talente-Tauschkreis Vorarlberg.

Die Gemeinde akzeptiert Langenegger Talentezur Bezahlung von Mieten und Gebühren undseit 2011 auch zur Bezahlung betrieblicher Kom-munalsteuern (max. 50% der Steuern können inLangenegger Talenten bezahlt werden). Die ein-genommenen Nachhaltigkeitsgutscheine werdenals Fördergelder wieder in Umlauf gebracht.

UmlaufimpulsEs gibt keinen Umlaufimpuls auf Langenegger Ta-lente.

GültigkeitsdauerLangenegger Talente haben eine Gültigkeitsdau-er von etwa zweieinhalb Jahren. Das Ablaufda-tum ist auf den Gutscheinen vermerkt.

RücktauschDer Rücktausch der Gutscheine in Euro ist nurGeschäftsleuten möglich und kostet 10% Gebüh-ren. Wenn die Rücktauschsumme 7.500 € jähr-lich übersteigt, erfolgt der weitere Rücktauschohne Abschlag.

Die in Euro notierten Gutscheine können auchauf den Verrechnungskonten des Talente-Tausch-kreises gutgeschrieben werden. In diesem Fallfällt keine Rücktauschgebühr an.

Die Talente des Talente-Tauschkreises sind alsreine Zeitwährung nicht in Euro konvertierbar.

OrganisationDie Raiffeisenbank wickelt kostenfrei Ausgabe,Rücktausch und Buchungen ab. Insbesonderewechselt sie Euro vom Bankkonto der Abonnen-ten in Langenegger Talente um. Die Hinterlegungder Gutscheine für die Abonnenten erfolgt durch

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© Foto: Gemeinde Langenegg

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ehrenamtliche Mitarbeit. Die Gemeinde trägtden Anteil der Verwaltungskosten (Drucken, Öf-fentlichkeitsarbeit, etc.), der nicht durch dieRücktauschgebühren gedeckt wird.

Vorteile und KonsequenzenAbonnenten bekommen bis zu einer monatli-chen Umtauschsumme von 300 € 3% Rabatt, dendie Gemeinde aus Steuereinnahmen finanziert.

Die Gemeinde bezahlt freiwillige Zuschüsse aus-schließlich in Langenegger Talenten, die nur imOrt ausgegeben werden können.

Für Betriebe ist der maximale Verlust beim Rück-tausch gedeckelt. Durch Infoblätter in den Um-schlägen der Abonnenten wird auf Sonderaktio-nen der teilnehmenden Betriebe hingewiesen.Für die Unternehmen bedeutet dies eine kosten-lose Werbeaktion.

Positive EntwicklungBei der Einführung 2008 waren fünf Handwerkerund Kleinunternehmer bereit, Langenegger Ta-lente anzunehmen. 25 Haushalte bezogen einAbo. Im ersten Jahr wurden Gutscheine im Wertvon 100.000 Langenegger Talenten gedruckt, da-von kamen 63.000 Langenegger Talente in Um-lauf. Nach Aussage der Allmenda hat die um-laufende Menge an Langenegger Talenten seit-her kontinuierlich zugenommen6. 2013 akzeptie-ren etwa 15 Unternehmer (z.B. Dorfladen, Hand-werker, Apotheke, Frisör, Gasthäuser) Langeneg-ger Talente als Bezahlung. Ca. 70 Haushalte (dassind 20% aller Haushalte in der Gemeinde) besit-zen ein Abonnement, über das jeden Monat ins-gesamt 11.000 € in Langenegger Talente ge-tauscht werden.

Der Dorfladen floriert mit ca. 1,1 Mio. € Umsatzim Jahr. Er beschäftigt neun Angestellte (davondrei Auszubildende) und macht mehr als 10%seines Umsatzes in Langenegger Talenten. DieRaiffeisenbank beschäftigt drei Angestellte.

Langenegger Talente werden auch als Fördermit-tel für ökologische Ziele ausgeschüttet. So wur-

6 http://www.talentiert.at/index.php?id=119

den zu Beginn von der Gemeinde Zuschüsse fürdie Installation von Solaranlagen zur Warmwas-sererzeugung in Langenegger Talenten ausge-zahlt. Aktuell fördert die Gemeinde die sanfteMobilität (Fahrkarten für den öffentlichen Nah-verkehr) durch Langenegger Talente.

Die Umlaufgeschwindigkeit beträgt etwa vier Malpro Jahr, d.h. die im Ort verbleibende Wert-schöpfung ist etwa viermal so hoch wie die aus-gegebene Menge an Langenegger Talenten. ImJahr 2011 betrug die errechnete Kaufkraftbin-dung 609.106 Euro. Damit können im Schnittjährlich etwa 16 Arbeitsplätze finanziert werden.

Das Dorf hat 2010 den europäischen Dorfer-neuerungspreis gewonnen. Ein wesentlicherGrund dafür waren laut Jury die Langenegger Ta-lente.

Es kommen Besuchergruppen aus dem In- undAusland, um sich über das Projekt zu informie-ren.

Die Langenegger Talente sind über Allmenda undden Talente-Tauschkreis in einen VorarlbergerVerbund von Komplementärwährungen einge-bunden. Durch die gezielte Förderung der regio-nalen Wirtschaftskreisläufe sind im VorarlbergerTalente-Raum insgesamt etwa 150 neue Arbeits-plätze entstanden.

Quellen: [LNG], [NUS], [VOL], [GUG], [JEN],[ALM], [TTK]

2.3 Bad Liebenzell

Foto: Wikipedia: Blick auf Bad Liebenzell

Bad Liebenzell ist eine Kurstadt im nördlichenSchwarzwald mit ca. 9.300 Einwohnern, die sich

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auf sieben Ortsteile verteilen. Bad Liebenzell gibtselbst keine Komplementärwährung aus, son-dern beteiligt sich mit mehreren Akzeptanzstel-len an der Regionalwährung NahGold7, die derörtliche Regiogeld-Verein herausgibt.

ZieleFörderung der regionalen Wirtschaft, Sicherungvon Arbeitsplätzen, Vereinsförderung.

HerausgeberDie Regionalwährung NahGold wird vom VereinNahGold Regiogeld eV herausgegeben.

Initiatorin Dorothea Kroschel mit Harald Wuster©Foto: NahGold Regiogeld eV

GeltungsbereichNahGold soll im gesamten Nagoldtal mit allenangrenzenden Gebieten Anwendung finden.

VorgehenNeun UnternehmerInnen (z.T. mit anthroposo-phischem Hintergrund) gründeten den VereinNahGold Regiogeld eV, um damit die regionaleWirtschaft zu fördern, Arbeitsplätze zu erhaltenund den Weg in eine bessere Zukunft zu ebnen.

ErstausgabeDie Einführung des NahGold erfolgte im Oktober2006.

7 http://www.nahgold.de/

AusgabeformDer NahGold ist eine Gutscheinwährung. Es gibtScheine zu 1, 2, 5, 10 und 20 NahGold.

Umrechnungskurs1 NahGold = 1 Euro

Wie kommt der NahGold in Umlauf?NahGold ist eine Gutscheinwährung, die inWechselstuben im Umtausch gegen Euro ausge-geben wird. Dabei kann man einen Verein be-stimmen, an den 2% der Umtauschsumme ge-spendet werden.

Wofür kann der NahGold verwendet werden? Mit dem NahGold können Waren und Dienstleis-tungen aus dem Angebot der Akzeptanzstellenbezahlt werden. Akzeptanzstellen sind regionaleUnternehmen sowie die Stadt- und Kurverwal-tung Bad Liebenzell. Geschäftsleute können deneingenommenen NahGold für private oder ge-schäftliche Einkäufe nutzen oder gegen Euro zu-rück tauschen. Auf freiwilliger Basis können Be-triebe auch Teile der Gehälter ihrer Angestelltenin NahGold bezahlen.

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Grafik: Martin Riedt, Schömberg© NahGold Regiogeld eV

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Akzeptanzstellen der Stadt- und KurverwaltungBad LiebenzellBürgerservice, Einwohnermeldeamt, Kurbetrieb,Kurhausgaststätten, Standesamt, Trinkhalle, Mi-neralbrunnen, Paracelsus-Therme, Freibad, Mini-golf, Sonderveranstaltungen. Die Gemeinde ak-zeptiert den NahGold auch als Bezahlung für Ge-werbesteuer, Hundesteuer, Fremdenverkehrsab-gabe und städtische Gebühren.

UmlaufimpulsDer Umlaufimpuls betrug bis 2011 2% pro Vier-teljahr, der durch Aufkleben einer Wertmarkeausgeglichen werden musste. Dies sollte bewir-ken, dass der NahGold nach der Einnahme raschwieder ausgegeben wird. Seit 2012 wird ein ver-einfachtes Verfahren angewandt, bei dem dieausgegebenen Scheine bereits mit den Wertmar-ken bedruckt sind und nur noch zum Jahres-wechsel 5% Gebühren erhoben werden.

GültigkeitsdauerDie Gutscheine sind jeweils ein Kalenderjahr gül-tig.

RücktauschBeim Rücktausch in Euro gilt der gleiche Umrech-nungskurs wie bei der Ausgabe. Allerdings fällteine Gebühr in Höhe von 3-5% an (abhängig vonder Höhe des Rücktauschbetrags).

OrganisationDie Verantwortung für die Organisation liegtbeim Regiogeld-Verein. Unternehmen, die Ak-zeptanzstelle sein wollen, werden Mitglied beimRegiogeld-Verein und zahlen eine Aufnahmege-bühr von 40 € sowie einen Jahresbeitrag von20 €. Sie werden durch Aufkleber für die Laden-tür und die Kasse als Akzeptanzstelle kenntlichgemacht sowie in die Liste der Akzeptanzstellenaufgenommen. Vereine, die gefördert werdenwollen, werden beitragsfreies Mitglied. Sie ver-pflichten sich, den NahGold bei den eigenen Ver-einsmitgliedern bekannt zu machen.

Erwartete Vorteile und KonsequenzenDie örtlichen Vereine profitieren von den Förder-geldern, die der NahGold Regiogeld eV auszahlt.Für die Händler ist die Akzeptanz des NahGoldeine Form der Kundenbindung. KundInnen sor-gen mit ihrem Einkauf bei den Akzeptanzstellenfür die Förderung ihrer Vereine, ohne mit zusätz-lichen Kosten belastet zu werden.

Die mit der Organisation und Herausgabe ver-bundene Arbeit wird ehrenamtlich geleistet.

Da aus der Umtauschsumme die regionalen Ver-eine Fördergelder bekommen, sollen diese ihreMitglieder motivieren, den NahGold zu benut-zen. Je mehr Interesse die Vereinsmitglieder ander Förderung ihres Vereins haben, desto eifrigerwerden sie bei den Händlern dafür werben, denNahGold anzunehmen.

Erfahrungen mit der RegionalwährungIm Jahr 2010 betrug die umlaufende Gutschein-menge 8.600 NahGold. Es gab 150 NutzerInnen,53 Akzeptanzstellen und 5 geförderte Vereine. ImJanuar 2013 lag die umlaufende Gutscheinmen-ge nur noch bei 5.200 NahGold. Es gibt noch 41Akzeptanzstellen, 30 aktive NutzerInnen und 4geförderte Vereine. Die Zahl der Wechselstubenist von 6 (in 2010) auf 2 (2013) zurück gegangen.

Cordula Rutz schreibt in ihrer Studienarbeit zumStand von 2009:

„Die am Regiogeld beteiligten Unternehmenkonnten nach Einschätzung der Befragten zu-meist keine neuen Kundinnen und Kunden gewin-nen oder bestehende Kundschaft nur bedingtstärker an sich binden. Teilweise lässt es sichauch schlecht einschätzen, inwiefern die Beteili-gung am NahGold die Entscheidung der Kundin-nen und Kunden beeinflusst. Neue Kontakte zuanderen Unternehmen in der Region oder neueLieferbeziehungen sind bisher durch die Beteili-gung am NahGold nicht entstanden. Die Mög-lichkeit, bei anderen beteiligten Unternehmen inder Regionalwährung bezahlen zu können, wirdjedoch geschätzt.“ ([RUT], S.25)

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„Die Einnahmen der Stadtverwaltung über Ge-werbesteuer und Fremdenverkehrsabgabe betru-gen im Jahr 2009 5.680 NahGold. [...] Allerdingstätigt die Stadt keinerlei Einkäufe mit der einge-nommenen Regionalwährung, so dass auch hierder Kreislauf schnell unterbrochen wird.“ ([RUT],S.26)

„Darüber hinaus wird angemahnt, dass sich auchdie bereits beteiligten Unternehmen stärker en-gagieren könnten, um weitere Unternehmen zurTeilnahme zu gewinnen. Dies scheint besondersdeshalb wichtig, da die Aktiven bisher vor allemaus Unterlengenhardt kommen und der Anthro-

posophie nahestehen. Eine in gewisser Weisefehlende gemeinsame regionale Identität, teilsgeographisch, teils historisch, teils durch unter-schiedliche Weltanschauungen begründet, schei-nen im Falle des NahGold somit mitursächlich fürdie Schwierigkeiten, noch mehr Unternehmen zurTeilnahme zu gewinnen.“ ([RUT], S.27)

Ein weiterer Grund könnten Ermüdungserschei-nungen im ehrenamtlichen Engagement sein, dieeinen rückläufigen Trend weiter verstärken.

Quellen: [RUT], [NAG], [KRO], [GEI]

2.4 FazitErfolg durch eine Komplementärwährung ist möglich, wie die Beispiele von Gent und Langeneggzeigen. Die Erfahrungen in Bad Liebenzell machen deutlich, wie wichtig die folgenden Erfolgsfakto-ren sind:

• die Gewinnung starker Partner, die die Organisation mittragen,

• positive Anreize zur Nutzung der Komplementärwährung sowie

• der zügige Ausbau eines möglichst flächendeckenden Netzes von Akzeptanzstellen.

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3 Grundsätzliches zu Komplementärwährungen

Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die Eigenschaften von Komplementärwährungen. Die Ini-tiatorin einer solchen Währung wird zunächst die Ziele definieren, die sie mit der Einführung derKomplementärwährung erreichen will. Hinsichtlich dieser Ziele wird sie dann die Eigenschaften derWährung festlegen. Besondere Gestaltungsmöglichkeiten für Kommunen werden im folgenden je-weils gesondert aufgezeigt.

3.1 Funktionen des Geldes

Das Geld, das im täglichen Gebrauch benutztwird als Bargeld in der Geldbörse und als Buch-geld auf dem Bankkonto, erfüllt drei unterschied-liche Funktionen:

• Als Zahlungsmittel unterstützt es den Aus-tausch von Waren und Dienstleistungen.

• Als Recheneinheit hilft es bei der Bewertungdieser Güter.

• Als Wertaufbewahrungsmittel dient es derAufbewahrung von Werten („Sparen“).

Die Funktion als Zahlungsmittel steht in Konfliktmit der Funktion als Wertaufbewahrungsmittel,denn wenn Geld aufbewahrt wird, kann es nichtgleichzeitig für Zahlungen verwendet werden.Die Stärkung der einen Funktion bedeutet alsogleichzeitig die Schwächung der anderen.

3.2 Was ist eine Komplementär -währung?

Eine Komplementärwährung (frz. complément'Ergänzung') beruht auf der Vereinbarung einerGruppe von Menschen und/oder Unternehmen,etwas anderes als die staatliche Währung alsZahlungsmittel zu akzeptieren.

Die staatliche Währung ist gemäß derDeutschen Bundesbank „das hoheitlich geordne-te Geldwesen eines Staates oder Gebietes“. Einwesentliches Kennzeichen dieser Währung ist,dass der Staat ihre Akzeptanz vorschreibt. „EinGläubiger muss das gesetzliche Zahlungsmittel

akzeptieren, sofern für eine Zahlung nichts ande-res vereinbart wurde.“ (Zitate aus dem Glossarder Deutschen Bundesbank zu den Stichworten„Währung“ und „Gesetzliches Zahlungsmittel“).

Auch Loyalty-Systeme (Miles & More, Payback,Gift Card, Citycard, usw.), die zum Zweck derKundenbindung bei einem oder mehreren Unter-nehmen geschaffen werden, nutzen nicht-staatli-che Werteinheiten zur Bezahlung von Waren undDienstleistungen. Im Vergleich dazu sind die Zielevon Komplementärwährungen in der Regel sehrviel weiter gesteckt (vgl. Abschnitt 3.3). Loyalty-Systeme kennen nur zwei Arten von Transaktio-nen: die Ausgabe der Werteinheiten durch Ver-kauf oder als Bonus beim Einkauf und derenRückgabe durch Einlösung bei einem der ange-schlossenen Unternehmen. Abgesehen von derNutzung als Geschenkgutschein ist eine Weiter-gabe an Dritte in der Regel nicht vorgesehen.Komplementärwährungen legen dagegen in derRegel Wert darauf, dass die Werteinheiten nichtnur einmal ausgegeben und eingelöst werden,sondern dass sie möglichst häufig weitergegebenwerden, um Kreisläufe innerhalb der Gemein-schaft der NutzerInnen zu bilden und zu stärken.

Jede Währung basiert auf dem Vertrauen, dasssie „etwas wert“ ist, d.h. dass andere sie im Aus-tausch für Waren oder Dienstleistungen akzep-tieren werden. Dieses Vertrauen kann auchdurch die Annahmepflicht bei der staatlichenWährung nicht immer garantiert werden.

Damit eine Komplementärwährung akzeptiertwird, muss sie in Waren oder Dienstleistungenoder in eine andere Währung umgetauscht wer-den können. Das Vertrauen in eine Komplemen-

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tärwährung entsteht durch die garantierteUmtauschmöglichkeit in die jeweilige staatlicheWährung („Eurodeckung“) oder durch das Ver-trauen in die Leistungsfähigkeit und Leistungswil-ligkeit der HerausgeberInnen und NutzerInnen(bei ungedeckten Währungen und solchen mitLeistungsdeckung).

Eine Komplementärwährung mit Eurodeckungwird mit Euro bei einer zentralen Instanz gekauftund kann (meist mit einem Abschlag) bei derZentrale wieder in Euro zurück getauscht wer-den. Die eingenommenen Euros werden alsSicherheit bei einer Bank hinterlegt.

Eine Komplementärwährung mit Leistungs-deckung wird von einer oder mehreren Heraus-geberInnen mit Waren oder Dienstleistungen ge-deckt. Bei einer Deckung mit Waren und anderenSachwerten spricht man auch von einer Sach-wert-gedeckten Währung.

Daneben gibt es auch Komplementärwährungenohne Deckung, d.h. die EmittentInnen sind nichtverpflichtet, die Währung gegen einen realenWert einzulösen. Beispiele: Joytopia8 verschenktein monatliches Grundeinkommen in Gradido,die WIR Bank bringt WIR-Franken durch die Ver-gabe von Darlehen in Umlauf.

Bei Zeitwährungen dient die für die Ausführungeiner Dienstleistung benötigte Zeit als Wertmaß-stab und ggf. auch als Werteinheit. Die Bezeich-nung „Zeitwährung“ sagt nichts über derenDeckung aus. Meist gibt es jedoch eine Leis-tungsdeckung.

Die meisten Komplementärwährungen werdenvon einer zentralen Stelle organisiert, die dieWährung auch herausgeben kann (aber nichtmuss – vgl. Abschnitte 3.4, 3.8, 3.13). Die Ver-trauenswürdigkeit der Zentrale ist für die Akzep-tanz der Währung von besonderer Bedeutung.

Der Regiogeld-Verband9 sieht eine Komplemen-tärwährung als Kombination aus einem sozialenGebilde und einem alternativen Geldsystem. Der

8 http://www.joytopia.net/ 9 http://www.regiogeld.de/

demokratische und kooperative Umgang mitein-ander ist ein wichtiger Bestandteil innerhalb undzwischen den Regiogeld-Initiativen. Der für dieangeschlossenen Initiativen verbindliche Werte-kodex (siehe [RVB], „Werte“) macht diese Einstel-lung nach außen sichtbar. Ähnlich sieht es dieösterreichische Initiative NeuesGELD10. Ihr Leit-bild beschreibt neues Geld als wertstabil, demo-kratisch, gemeinschaftsbildend und nachhaltig.

Quellen: [RVB], [NGD], [PLE] (S. 110), [BBK]

3.3 Ziele

Das Ziel einer Komplementärwährung ist die Er-gänzung der staatlichen Währung mit der Ab-sicht, ein bestimmtes Anliegen zu unterstützenund zu fördern. Dieses Anliegen kann zum Bei-spiel sein, Anreize für kooperatives Verhalten in-nerhalb einer Organisation zu schaffen, ökolo-gisch nachhaltiges Handeln zu fördern, die regio-nale Wirtschaft zu unterstützen oder sie in Zeitenwirtschaftlicher Rezession zu stabilisieren .

Wikipedia ergänzt dazu: „Schließlich kann es beikomplementären Währungssystemen auch umeffektive und nachhaltige Methoden zur Bewah-rung einer weltweiten kulturellen Vielfalt, um dieVerwirklichung von Selbstbestimmungsrechtenund um die Vermeidung lang anhaltender sozia-ler Unruhen gehen, sofern diese durch monetäreUnterversorgung verursacht werden.“ ([WIK],Stichwort „Komplementärwährung“)

Ziele für KommunenDie Förderung und Stabilisierung der regionalenWirtschaft bedeutet, regionale Kreisläufe zwi-schen den Unternehmen zu schaffen und zu för-dern, Lücken in der regionalen Wertschöpfungs-kette zu schließen, die Kaufkraft der BürgerInnenin der Region zu halten, Arbeitsplätze zu erhaltenbzw. neue Arbeitsplätze zu schaffen. Kleine undmittelständische, traditionelle oder alt eingeses-sene Betriebe können gefördert werden, um dieVielfalt am Ort zu erhalten und um die Abhängig-

10 http://www.neuesgeld.com/

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keit von einem einzelnen großen Unternehmenoder einer dominanten Branche zu vermeiden.

Die Förderung von Vereinen und Initiativendient der kulturellen Vielfalt, der Unterstützungvon Selbsthilfegruppen oder der Stärkung bür-gerlichen Engagements.

Zur Förderung des sozialen Engagements kanneine Komplementärwährung ehrenamtliche Ar-beit belohnen oder dazu dienen, bestimmte Be-völkerungsgruppen stärker zu integrieren (z.B.Jugendliche oder Migranten).

Eine Komplementärwährung kann dazu beitra-gen, eine unbefriedigende kostenintensive Pro-blemlösung durch eine kostengünstigere undmenschenwürdigere Lösung zu ersetzen: z.B.eine Zeitwährung für soziale Betreuungsdienstestatt dem zusätzlichen Bau von Altenheimen.

Ein Ziel kann auch sein, Anreize für ökologischsinnvolles Verhalten zu schaffen: kurze Trans-portwege, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel,Ausbau erneuerbarer Energien, Schaffung regio-naler Kreisläufe.

Die Komplementärwährung kann eingesetzt wer-den für eine bessere Auslastung der öffentli-chen Verkehrs- und Kulturangebote.

Die Mobilisierung regionaler Potenziale fördertdie regionale Entwicklung und steigert die regio-nale Wertschöpfung.

Der Aufbau von Kooperationen zwischen For-schung und Praxis, Verwaltung und Wirtschaftund zwischen Akteuren verschiedener Branchenverbessert das gegenseitige Verständnis. VieleFörderprogramme der EU, von Bund und Län-dern setzen zudem den Nachweis derartigerKooperationsbeziehungen voraus.

Die innovative Förderung regionaler Initiativenverbessert das Image der kommunalen Verwal-tung, da sie so als aktive Gestalterin der Regio-nalentwicklung wahrgenommen werden kannund nicht nur als regulierende Instanz.

Quellen: [PLE] (S. 94, 95), [BOC] (S. 16, 17)

3.4 HerausgeberInnen

Das Herausgeben („Emittieren“) einer Währungbedeutet, die jeweiligen Währungseinheiten zuerschaffen (und bei Rücknahme zu vernichten).Bei einer gedeckten Währung verpflichtet sichdie HerausgeberIn, die von ihr geschaffenenWährungseinheiten zurück zu nehmen und inden entsprechenden Gegenwert umzutauschen.(siehe auch Abschnitt 3.8)

Komplementärwährungen können von Banken,Kommunen, Unternehmen, Vereinen oder durchPrivatpersonen herausgegeben werden. Für dasFunktionieren der Währung ist es unabdingbar,dass die HerausgeberInnen das Vertrauen derNutzerInnen genießen.

Kommunen können selbst eine Komplementär-währung herausgeben, sie können aber auch dieHerausgabe einer Bank, einem eigenen (kommu-nalen) Unternehmen oder Verein übertragenbzw. mit einem solchen kooperieren.

Die meisten Komplementärwährungen werdenvon einer zentralen Stelle organisiert. Das bedeu-tet aber keinesfalls, dass diese Stelle auch Her-ausgeberin der Währung ist (vgl. die in Abschnitt3.8 beschriebenen Barter-Systeme).

3.5 Geltungsbereich

Der Geltungsbereich einer Komplementärwäh-rung ist stets auf die Gemeinschaft begrenzt, diedieses Zahlungsmittel parallel zur staatlichenWährung akzeptiert. Der Geltungsbereich kannsich auf eine bestimmte Gruppe von Personenoder Unternehmen beziehen und/oder eine Ein-schränkung auf eine bestimmte Region beinhal-ten. So kann z.B. der WIR-Franken ausschließlichvon Schweizer Unternehmen genutzt werden.

Eine Kommune wird den Geltungsbereich ihrerKomplementärwährung auf ihr Gemeindegebietbegrenzen oder ihn in Kooperation mit den um-liegenden Gemeinden entsprechend erweitern.

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3.6 Ausgabeformen

Je nach Ausgabeform unterscheidet man zwi-schen Gutscheinwährungen und Kontenwährun-gen (auch als Buchgeld oder Giralgeld bezeich-net).

Gutscheinwährungen kommen physisch als Gut-scheine (gelegentlich auch als Münzen) in Um-lauf. Bei Kontenwährungen wird der Austauschdagegen mittels Buchungsbelegen, Buchungs-konten oder Tauschheften dokumentiert. Es gibtauch Mischformen aus Gutschein- und Konten-währungen.

Für Kommunen sind reine Gutscheinwährungeneher unpraktikabel, da sie kaum noch Barkassenführen.

3.7 Umrechnungskurs

Wenn in einer Gemeinschaft Waren und Dienst-leistungen sowohl in komplementärer als auch instaatlicher Währung angeboten werden, ist alsWertmaßstab zwischen den beiden Währungenein Umrechnungskurs notwendig. Der Einfach-heit halber wird häufig, aber nicht immer einKurs von 1:1 zur staatlichen Währung festgelegt.Bei manchen Komplementärwährungen wird derUmrechnungskurs von Zeit zu Zeit angepasst, umdie Inflation der staatlichen Währung auszuglei-chen. Das Vorhandensein eines Umrechnungs-kurses bedeutet nicht automatisch, dass ein Um-tausch zwischen den Währungen möglich bzw.zulässig ist.

Da Zeitwährungen als Werteinheit die einge-setzte Zeit zur Ausführung einer Dienstleistungverwenden, besitzen sie nicht unbedingt einenUmrechnungskurs zur staatlichen Währung.

3.8 Wie kommt die Währung in Umlauf?

Euro-gedeckte Währungen kommen in Umlauf,indem sie von einer zentralen Instanz gegen Euro

eingetauscht (verkauft) werden. Euro-gedeckteGutscheinwährungen werden üblicherweise ineiner Ausgabestelle oder Wechselstube ausgege-ben und mit Euro bezahlt. Euro-gedeckte Kon-tenwährungen kommen in Umlauf durch Einzah-lung oder Überweisung von Euro auf ein entspre-chendes Konto.

Leistungsgedeckte Währungen entstehen (meistdezentral) durch ein Leistungsversprechen derEmittentInnen. Eine Gruppe von Menschen oderOrganisationen gibt die Währungseinheiten mitdem Versprechen einer Gegenleistung heraus.Bei leistungsgedeckten Gutscheinwährungen istneben der jeweiligen HerausgeberIn in der Regelauch die versprochene Leistung auf dem Gut-schein vermerkt. Leistungsgedeckte Kontenwäh-rungen entstehen entweder durch ein durchLeistung gedecktes Startguthaben (Beispiel Elb-taler11) oder durch die Nutzung eines Kreditrah-mens beim Bezahlvorgang einer Leistung (LET-Systeme und Barter-Clubs).

Die TeilnehmerInnen von LET-Systemen (LETS =Local Exchange Trading System, „lokales Tausch-handelssystem“) sind überwiegend Privatperso-nen. Die Zielgruppe von Barter-Clubs (engl. tobarter „Tauschhandel treiben“) sind Unterneh-men. Der Einfachheit halber werden im folgen-den die beiden Systeme unter dem BegriffBarter-Systeme zusammengefasst. Beides sindwechselseitige Kreditsysteme, bei denen die Leis-tungen der einzelnen TeilnehmerInnen gegensei-tig verrechnet werden. Die Teilnehmerkontenverfügen über einen Kreditrahmen. Bei der Ver-rechnung einer Leistung sinkt der Saldo der be-zahlenden TeilnehmerIn um den Betrag, der derleistenden TeilnehmerIn gutgeschrieben wird.Wenn beim Bezahlvorgang ein Konto ins Minusgeht, entstehen dabei neue Währungseinheiten.Wird ein negativer Kontostand durch einen Be-zahlvorgang (teilweise) ausgeglichen, wird dabeidie entsprechende Menge an Währungseinhei-ten wieder vernichtet. Die Summe der Guthabenentspricht stets der Summe der in Anspruch ge-nommenen Kredite (= Gesamtmenge der heraus-

11 http:// www.elbtaler.de /

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gegebenen Währungseinheiten). Die Leistungs-versprechen der TeilnehmerInnen mit einem ne-gativen Kontostand dienen als Deckung für dieWährung.

Ungedeckte Währungen werden entwederdurch eine regelmäßige Ausschüttung als Ge-schenk an die Teilnehmer in Umlauf gebracht(Bsp. Joytopia) oder durch Kreditvergabe einerzentralen Stelle (Bsp. WIR Bank). Da ungedeckteWährungen ohne ein Leistungsversprechen derHerausgeberIn einfach durch deren Entschei-dung entstehen, werden sie auch „fiat money“genannt („fiat lux“ = „Es werde Licht“ – „fiat mo-ney“ = „Es werde Geld“).

Die Kredite in Barter-Systemen dürfen nicht ver-wechselt werden mit den Krediten einer unge-deckten Währung. Die Kredite in Barter-Syste-men besitzen eine Leistungsdeckung, d.h. dieTeilnehmerInnen mit negativen Kontoständensind gegenüber der Gemeinschaft verpflichtet,eine Leistung einzubringen. Die Emission derWährung erfolgt dezentral durch die Teilnehme-rInnen beim Bezahlvorgang. Die Geldmenge wirdnicht von einer Zentrale gesteuert.

Die Kredite einer ungedeckten Währung vergibtdie Zentrale (auf Antrag) an die NutzerInnen derKomplementärwährung. Die Kreditvergabe er-folgt losgelöst von den Bezahlvorgängen. DieZentrale erschafft dadurch neue Währungsein-heiten und bestimmt damit die Geldmenge. Dadie Zentrale nicht verpflichtet ist, Währungsein-heiten zurückzunehmen und dafür Waren oderandere Leistungen zu liefern, ist die Währung un-gedeckt.

3.9 Wofür kann die Währung verwendet werden?

Eine Komplementärwährung wird innerhalb ihresGeltungsbereiches benutzt, um Waren undDienstleistungen zu bezahlen. Je nach Anliegenkann die Währung auch auf ein bestimmtesSpektrum von Waren oder Dienstleistungen be-schränkt werden. So dient z.B. das japanische Fu-

reai-Kippu-System ausschließlich dazu, Pflege-dienstleistungen für ältere Menschen zu vergü-ten.

Für die AnbieterInnen von Waren und Dienstleis-tungen ist die Annahme der Komplementärwäh-rung in jedem Fall freiwillig. Einen Annahme-zwang wie bei staatlichen Währungen (vgl. Ab-schnitt 3.2) gibt es nicht. Die AnbieterInnen kön-nen sich entscheiden, die Komplementärwäh-rung nur für bestimmte Waren und Dienstleis-tungen zu akzeptieren, nur zu bestimmten Zeitenoder nur für einen begrenzten Anteil des Ver-kaufspreises. Die zentrale Stelle kann hierfür ver-bindliche Regeln vorgeben.

AnbieterInnen können aber auch bestimmte Wa-ren oder Dienstleistungen ausschließlich gegenBezahlung in Komplementärwährung abgeben.Dies ist insbesondere als Steuerungsmöglichkeitfür Kommunen interessant.

Kommunen können die Komplementärwährungverwenden, um kleinere Anschaffungen und Auf-träge zu bezahlen, für freiwillige Leistungen anVereine, Haushalte und Angestellte (z.B. Sit-zungsgelder, Gratifikationen, Prämien, Weih-nachtsgeschenke).

Insbesondere die freiwilligen kommunalen Auf-gaben sowie die weisungsfreien Pflichtaufgabeneignen sich für den Einsatz der Komplementär-währung. Weisungsfreie Pflichtaufgaben mussdie Kommune von Gesetzes wegen erfüllen, sieentscheidet jedoch frei darüber, wie sie dies tut.

Ursula Bock nennt als Beispiele für freiwilligeAufgaben (siehe [BOC], S.10):

• Einrichtung und Unterhalt sozialer und kultu-reller Einrichtungen: Museen, Schwimmbäder,Theater, Film, Heimatpflege, Sportstätten, Ju-gendeinrichtungen, Bibliotheken, Bürgerhäu-ser, Begegnungs- und Kulturzentren, etc.

• Bereitstellung und Instandhaltung von Verkehrseinrichtungen

• Wirtschafts- und Vereinsförderung, Wohnungsbauförderung

• Grünanlagenpflege

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Zu den weisungsfreien Pflichtaufgaben gehören([BOC], S.10):

• Erlass von Bauleitplänen

• Trägerschaft öffentlicher Schulen und Volkshochschulen

• Bereitstellung von Kindergartenplätzen

• Trägerschaft von Krankenhäusern

• Sozial- und Jugendhilfe

• Straßenreinigung, Bau und Unterhalt von Gemeindestraßen

• Abfall- und Abwasserbeseitigung

Kommunen können die Komplementärwährungakzeptieren in privatwirtschaftlich geführtenkommunalen Betrieben: Kultur- und Freizeitein-richtungen, Verkehrsbetriebe, Stadtwerke, Müll-entsorgung, Kindergärten, (Hoch-)Schulen, Schul-essen, Kliniken, Veranstaltungen, etc. (vgl. [BOC],S.24).

3.10 Umlaufimpuls

Die Geldfunktionen „Tauschen“ und „Sparen“werden bei Komplementärwährungen in der Re-gel getrennt, da sie sich gegenseitig widerspre-chen (vgl. Abschnitt 3.1).

Oft werden Komplementärwährungen als reineTauschmittel konzipiert. Um das zu Grunde lie-gende Anliegen bestmöglich zu unterstützen, solldie Währung möglichst häufig den Besitzerwechseln und nicht gespart werden. Das Hortender Währung zur Wertaufbewahrung soll un-attraktiv sein.

Der aus diesem Grund eingeführte Umlaufimpuls(auch Umlaufsicherung, Haltegebühr, Demurrageoder Negativzins genannt) ist ein Abschlag, dendie umlaufenden Währungseinheiten in regelmä-ßigen Abständen hinnehmen müssen. Um ihn zuvermeiden, muss man die Währungseinheitenrechtzeitig vor der nächsten Fälligkeit des Um-laufimpulses weiter geben.

Bei elektronischen Kontenwährungen erfolgt derAbzug maschinell, bei Gutscheinwährungen

muss die BesitzerIn des Gutscheins sogenannteWertmarken kaufen und spätestens zum Fällig-keitstermin aufkleben. Diese Wertmarken kön-nen auch eigenständig als Kleingeld in Umlaufsein. An Stelle von Wertmarken kann der Umlau-fimpuls auch durch Stempelaufdrucke oder Ein-stanzungen auf den Gutscheinen sichtbar ge-macht werden.

Komplementärwährungen, bei denen das Sparenim Vordergrund steht, werden nicht mit einemUmlaufimpuls ausgestattet. Ein Beispiel sindKomplementärwährungen zur Förderung vonPflegedienstleistungen, deren NutzerInnen zu-nächst die Zeit für die erbrachten Leistungen inForm einer Zeitwährung ansparen, um sie im Al-ter einsetzen zu können, wenn sie selbst Pflege-dienstleistungen benötigen.

Ein Umlaufimpuls macht die Währung unattrakti-ver. Der Umlaufimpuls ist jedoch sinnvoll, wenndie Komplementärwährung den Leistungsaus-tausch anregen soll, das Horten dieser Währungder BesitzerIn Vorteile bringt und es keine attrak-tive Ausweichmöglichkeit in eine andere Wäh-rung gibt. Ein Beispiel dafür ist eine von BernardLietaer konzipierte Bildungswährung, die an dieSchülerInnen der untersten Klassen bestimmterSchulen ausgegeben werden sollte, um damitNachhilfeleistungen von anderen SchülerInnenzu bezahlen. Die SchülerInnen der Abschlussklas-sen würden nach diesem Konzept die Währungzur Bezahlung der Studiengebühren verwenden.Nur die Universitäten könnten diese Währungschließlich beim Bildungsministerium wieder instaatliche Währung umtauschen. Um die Bildungmöglichst vieler SchülerInnen zu fördern, solltendie Gutscheine möglichst häufig umlaufen undnicht etwa zur späteren Bezahlung der eigenenStudiengebühren aufbewahrt werden.

3.11 Gültigkeitsdauer

Manche Komplementärwährungen besitzen einebegrenzte Gültigkeitsdauer.

Gutscheinwährungen haben meist ein Ablaufda-tum, an dem der Schein seine Gültigkeit verliert.

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Spätestens an diesem Datum muss der Gut-schein bei der HerausgeberIn eingelöst oder ge-gen einen neuen Gutschein umgetauscht wer-den. Dieser Umtausch kann auch mit der Zahlungeiner Gebühr verbunden sein.

Auch bei Kontenwährungen kann es eine Gültig-keitsdauer geben, wenn beispielsweise ein ein-geräumter Kreditrahmen zu einem bestimmtenZeitpunkt ausgeglichen werden muss.

3.12 Rücktausch

Insbesondere bei Euro-gedeckten Komplemen-tärwährungen bietet die herausgebende Zentraleden Umtausch („Rücktausch“) in staatliche Wäh-rung an. In der Regel wird beim Rücktausch eineGebühr fällig. Diese Gebühr wirkt als Abfluss-bremse, um das Geld in der Region zu halten.

3.13 Organisation

Der organisatorische Aufwand ist für eine Gut-scheinwährung deutlich höher als für ein geneh-migungsfreies Barter-System (siehe Abschnitte3.8 und 5.2).

Die Organisation der Währung umfasst:

• Bekanntmachung der Währung und Werbe-maßnahmen

• Akquisition, Aufnahme und Betreuung von Mitgliedern

• Verbreitung von Informationen über Angebot und Nachfrage

• ggf. Vermittlung von Vertragsabschlüssen

• ggf. Prüfung der Bonität der einzelnen Mitglieder

• Kontrolle der Einhaltung der Ausgabe-bedingungen

• bei Gutscheinwährungen: Bereitstellung undAusgabe der Währung mit fälschungssicherenMerkmalen, ggf. Durchführung des Umlaufim-pulses durch Aufkleben der Wertmarken,Rücktausch in staatliche Währung und Um-

tausch in die neue Serie bei Ablauf der Gültig-keitsdauer

• bei Kontenwährungen: Einrichtung und Ver-waltung der Verrechnungskonten für dieNutzerInnen, ggf. Ausgabe von Tauschheftenoder Geldkarten, ggf. Durchführung von ge-meldeten Transaktionen, Erteilung von Aus-künften über die vorhandenen Währungsein-heiten bei bevorstehenden Vertragsabschlüs-sen („Deckungszusage“)

• Maßnahmen im Zusammenhang mit gesetzli-chen oder selbst auferlegten Pflichten (z.B.Buchführung, Kassenprüfung, Erfüllung derrechtlichen Auflagen bei genehmigungspflich-tigen Kontenwährungen, Erstellung von Be-richten, Einberufen und Abhalten von Mitglie-derversammlungen)

3.14 Erwartete Vorteile und Konsequenzen

Die Verwendung einer Komplementärwährungbedeutet zunächst zusätzlichen Aufwand. DieNutzerInnen haben eine Zweitwährung im Geld-beutel, in der Kasse, auf einer Geldkarte oder aufihrem Konto. Ggf. müssen sie die Gültigkeitsdau-er der Währung und/oder den nächsten Zeit-punkt des Umlaufimpulses beachten. Die Wäh-rung ist nicht überall einsetzbar, sondern nur in-nerhalb der Gemeinschaft, die diese Währungakzeptiert. Die Nutzung der Komplementärwäh-rung bedeutet daher meist eine Umstellung derEinkaufsgewohnheiten bzw. für Unternehmendie Auswahl neuer LieferantInnen.

Die jeweiligen Ziele, die mit der Einführung einerKomplementärwährung erreicht werden sollen(siehe Abschnitt 3.3), beschreiben gleichzeitigderen erwartete Vorteile. Wenn die mit diesenZielen verbundenen Anliegen für die NutzerIn-nen nicht stark genug sind, um die negativenKonsequenzen aufzuwiegen, braucht es zusätzli-che Anreize: etwa die Gewährung von Rabattenoder den Zugang zu beliebten Leistungen aus-schließlich über die Komplementärwährung.Kommunen und ArbeitgeberInnen können die

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Komplementärwährung auch dadurch fördern,dass sie freiwillige Leistungen ausschließlich inder Komplementärwährung bezahlen.

Bei Euro-gedeckten Komplementärwährungenkönnen die von der Zentrale gewährten Rabattenicht höher sein als die Rücktausch-Gebühr,wenn das System nicht subventioniert werdensoll. Unternehmen, Banken oder andere Organi-sationen können jedoch zusätzliche Rabattesponsern. Bei leistungsgedeckten Währungengibt es prinzipiell keine Grenze für Rabatte. Beihohen Rabatten besteht jedoch die Gefahr einerInflation.

Eine Komplementärwährung kann durch ihre hö-here Umlaufgeschwindigkeit ein geeignetes Mit-tel sein, um aus einem vorhandenen Euro-Bud-get einen mehrfachen Nutzen zu erzielen. Siekann auch das Ziel haben, den gleichen Nutzenmit einem geringeren Euro-Budget zu erreichen.Ein Beispiel dafür ist die Einführung einer Zeit-währung für Betreuungsdienste, damit Men-schen länger in ihrer gewohnten Umgebung blei-ben können und weniger Plätze in Altenheimenbereit gestellt werden müssen (vgl. die SchweizerInitiative KISS12). Der Einsatz einer Komplemen-tärwährung kann also in bestimmten Fällen denHaushalt einer Kommune direkt entlasten.

Eine erfolgreiche Komplementärwährung kanndurch die Stabilisierung und die Steigerung derregionalen Wertschöpfung langfristig zu höherenSteuereinnahmen führen.

Wikipedia gibt unter dem Stichwort „Regiogeld“folgende Vorteile an (siehe [WIK]):

• Ein geringeres Transportaufkommen, das dieUmwelt entlastet und das Verkehrsaufkom-men reduziert

• Eine bessere Transparenz und Kontrolle derProduktionsbedingungen in Bezug auf Um-weltverträglichkeit und soziale Standards

• Erhalt und Förderung regionaltypischer Beson-derheiten vor allem bei Lebensmitteln und imHandwerk

12 http://www.kiss-zeit.ch/

• Rücksichtnahme auf die besonderen regiona-len und lokalen Bedürfnisse

• Eine Verbesserung der Zahlungsmoral zwi-schen den Teilnehmern, da sich durch das Zu-rückhalten des Regiogeldes keine Vorteile er-geben

• Stärkung der individuellen Verantwortung fürsoziale und regionale Strukturen

• Erhöhte regionale Wertschöpfung durch dasGenerieren von regionalen Kreisläufen

• Erhöhung des Auslastungsgrades der Region,verbesserte Nutzung von Fähigkeiten und Ta-lenten in der Region

• Bewusstseinsbildung für die Wirtschaftsstruk-tur des eigenen Umfeldes und für regionaleKreisläufe

• Stärkung der Identifikation mit der Region

• Bildung regionaler Netzwerke und sozialen Kapitals

• Förderung gemeinwohlorientierter und ge-meinnütziger Projekte und kreativer Umgangmit Schenken und Stiften

• Positives Umfeld für die Entwicklung von Inno-vationen

• Erhöhte Mündigkeit im Umgang mit Geld undbei der Gestaltung des Geldwesens

3.15 Der Euro zum Vergleich

Der Euro ist eine ungedeckte Währung mit Bar-geld und Buchgeld. Herausgeber des Bargelds istdie Zentralbank, während das Buchgeld dezentralvon den Geschäftsbanken als Kredit emittiertwird.

Sowohl Buchgeld wie auch Bargeld (das die Ge-schäftsbanken bei der Zentralbank nur als Kreditbekommen) kommen im Euro-System als verzins-te Kredite in Umlauf. Die Geldpolitik der Zentral-bank dient dazu, Zinskonditionen und Knapp-heitsverhältnisse am Geldmarkt zu steuern. Diewichtigste Aufgabe des Zinses ist es jedoch, dasGeld in Umlauf zu halten. Sparer bekommen es

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als Prämie für ihren Liquiditätsverzicht, wenn siedas nicht benötigte Geld leihweise anderen über-lassen (vgl. Konflikt der Geldfunktionen in Ab-schnitt 3.1).

Der Zins als Steuerungsinstrument hat jedochunerwünschte Nebenwirkungen:

• Das für die Zinszahlungen benötigte Geld istzunächst in der verfügbaren Geldmenge nichtvorhanden. Es muss daher durch Kredite anStaat, Unternehmen und Privatpersonen neugeschaffen werden. Das funktioniert nur danngut, solange die Wirtschaft wächst. In einerWirtschaft ohne Wachstum können die Zinsennicht mehr bezahlt werden. Ein Währungssys-tem, das auf Zinsen angewiesen ist, erzwingtalso Wirtschaftswachstum. Endloses Wachs-tum wird auf einem endlichen Planeten je-doch nicht stattfinden können.

• Die Unternehmen kalkulieren die gezahltenund die auf ihr Eigenkapital berechneten Zin-sen in die Produktpreise ein. Letztlich zahlendie EndverbraucherInnen die gesamten in derProduktionskette enthaltenen Zinsen. Der inden Preisen enthaltene Zinsanteil ist umso hö-her, je kapitalintensiver die Erzeugung des Pro-duktes ist.

• Durch den Zins werden Geldvermögen in derBevölkerung stetig von unten nach oben um-verteilt. Wenn man die in den Preisen ver-steckten Zinsen berücksichtigt, dann profitie-ren nur etwa 10% der Bevölkerung vom Zins,80% haben höhere Zinsausgaben als -einnah-men. Für die restlichen 10% sind Ausgabenund Einnahmen etwa gleich hoch.

Die Zinsproblematik wird zusätzlich durch die Be-rechnung von Zinseszinsen verschärft, d.h. er-wirtschaftete Zinsen werden im nachfolgendenJahr zusammen mit dem ursprünglichen Betragverzinst. Das führt zu einem ungebremsten expo-nentiellen Wachstum, wie es in der Natur nur beikrankhaften Entwicklungen vorkommt (z.B. beiKrebsgeschwüren).

Quellen: [BBK], [CRE]

3.16 Fragen und Argumente

Dieses Unterkapitel gibt Antworten auf häufigeFragen und Argumente im Zusammenhang mitKomplementärwährungen.

„Ich brauche keine Regionalwährung, ich kaufeauch mit dem Euro regional ein.“Durch die Nutzung der Regionalwährung sorgenSie dafür, dass auch die ZahlungsempfängerIndas Geld wieder nur in der Region ausgebenkann. Dadurch tragen Sie noch besser zur Stär-kung Ihrer Region bei.

„Ich fahre zum Einkaufen zum Discounter undder macht beim Regionalgeld ja nicht mit.“Die lokalen Einzelhandels- und Handwerksbetrie-be sowie andere kleine und mittlere Unterneh-men arbeiten mit dem Regionalgeld, weil ihnendie Region am Herzen liegt. Der Discounter wirdseine Filiale nur so lange betreiben wie sie denerwarteten Gewinn abwirft. Ihm ist die Lebens-qualität in der Region nicht so wichtig wie der er-zielbare Gewinn. Wenn Sie Ihre Einkaufsgewohn-heiten umstellen können und das Regionalgeldnutzen, fördern Sie nicht nur die Vielfalt in derRegion. Sie werden vermutlich auch feststellen,dass Sie neben persönlichen Kontakten auch bes-sere Qualität bekommen und der Preisunter-schied oft gar nicht so groß ist.

„Ich kann meine Einkaufsgewohnheiten nichtumstellen. Das Einkaufen muss nebenbei gehen,lange Wege sind bei mir nicht drin.“Fragen Sie doch einfach das nächste Mal IhreHändlerIn, ob sie auch die Regionalwährung ak-zeptiert. Wenn viele KundInnen danach fragen,wird sie eher bereit sein, sie anzunehmen.

„Als UnternehmerIn muss ich knallhart kalkulie-ren, um auf Dauer bestehen zu können. Wasbringt mir die Nutzung der Regionalwährung?“Wenn die Regionalwährung mit Rabatten odereiner Vereinsförderung verbunden ist, werdenSie KundInnen gewinnen, die mit ihrem EinkaufProzente sammeln. Im Falle der Vereinsförde-rung werden die gesammelten Rabatte an den

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Verein ausgeschüttet, den die KundIn selbst be-stimmt hat.

Bei einer Regionalwährung mit Vereinsförderungkönnen Sie künftig SpendensammlerInnen aufdie Nutzung der Regionalwährung hinweisen. Soentsteht ein echtes Geben und Nehmen: Es flie-ßen umso mehr Spenden in die Projekte, die denSpendensammlerInnen am Herzen liegen, je stär-ker sie die Regionalwährung für Einkäufe bei denangeschlossenen Unternehmen nutzen. Ge-schickte SammlerInnen stellen dabei nicht nurdie eigenen Einkaufsgewohnheiten um, wo esnötig ist, sondern werben auch in ihrem Bekann-tenkreis dafür und sorgen damit auch für eineUmsatzsteigerung der angeschlossenen Un-ternehmen.

Sie können das Regionalgeld als Steuerungsin-strument nutzen, um freie Kapazitäten Ihres Un-ternehmens besser auszulasten. So können Siedie Bezahlung in Regionalgeld gezielt zu Zeitenakzeptieren, in denen Sie eine zu geringe Auslas-tung haben oder wenn die KundIn eine längereLieferzeit akzeptiert.

„Als UnternehmerIn arbeite ich mit meinen Lie-ferantInnen gut zusammen. Die Umstellung aufandere LieferantInnen kostet viel Zeit und esdauert, bis wieder ein gutes Vertrauensverhält-nis aufgebaut ist.“Wenn Ihre LieferantInnen bereits aus der Regionkommen, fragen Sie sie doch einfach, ob sie auchdie Regionalwährung akzeptieren.

Für den Anfang können Sie die Regionalwährungeinfach als Privatentnahme verbuchen und per-sönlich bei Ihren Einkäufen verwenden.

Sie können mit Ihren MitarbeiterInnen sprechen,um sie für die neue Währung zu gewinnen. Mög-licherweise akzeptieren einige die Bezahlung vonfreiwilligen Leistungen oder sogar einen Teil ihresLohns Form von Regionalgeld.

Für künftige Verträge und Handelsbeziehungenkönnen Sie nach LieferantInnen aus der RegionAusschau halten. Wenn Sie Mitglied beim Regio-

nalgeld sind, lernen Sie schon bald möglicheneue HandelspartnerInnen besser kennen.

„Die Einführung der zusätzlichen Währung imUnternehmen ist sicher mit Gebühren verbun-den.“Neben geringen festen Gebühren fallen vor allemdann Gebühren an, wenn Sie große Umsätze inder Regionalwährung erzielt haben, die Sie inEuro zurück tauschen wollen. Die Gebühren kön-nen Sie als Werbungskosten bzw. als Kosten desGeldverkehrs steuerlich geltend machen. Durchdie Annahme der Regionalwährung können Sieneue KundInnen gewinnen und bestehendeKundInnen leichter behalten. Die anfallendenGebühren sind wesentlich niedriger als dieKosten für Werbekampagnen, mit denen Sie einegleichwertige Kundenbindung erreichen wollen.

„Was bedeutet die Nutzung der Regionalwäh-rung für die Buchhaltung?“Bei einer Euro-gedeckten Währung verbuchenSie die Regionalwährung als wären es Euro. Umden Überblick über die Menge der eingesetztenRegionalwährung zu behalten, nutzen Sie separa-te Buchhaltungskonten. Dabei fällt kaum zusätzli-cher Aufwand an und es ist keine grundsätzlicheUmstellung der Arbeitsabläufe nötig.

Das gleiche Verfahren können Sie anwenden beieiner leistungsgedeckten Währung mit einemUmrechnungskurs von 1:1 zum Euro. Bei einemanderen Umrechnungskurs führen Sie für dieKomplementärwährung in der Buchhaltung einFremdwährungskonto. Der notwendige Aufwandist nicht sehr hoch im Vergleich zu dem Nutzen,den Sie langfristig aus der Regionalwährung zie-hen können.

Bei einer Regionalwährung mit Gutscheinenbrauchen Sie in der Kasse ein zusätzliches Fachfür diese Scheine.

„Sind die Umsätze in der Regionalwährungsteuerpflichtig?“Steuerlich gelten für die Umsätze in Regional-währung die gleichen Regeln wie bei der staatli-chen Währung. Alles was normalerweise steuer-

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pflichtig ist, ist auch bei der Nutzung einer kom-plementären Währung steuerpflichtig. Einige Ge-meinden nehmen bereits die Regionalwährungzur Zahlung kommunaler Steuern und Gebührenan. Das sollte künftig zur Regel werden.

„Mit der Komplementärwährung bekomme ichein Liquiditätsproblem, wenn die KundInnenalle damit zahlen wollen, ich die Währung abernicht wieder loswerde.“Sie sind nicht gezwungen, die Komplementär-währung in unbegrenzter Höhe anzunehmen.Am besten rechnen Sie für sich aus, wie viele pri-vate und geschäftliche Umsätze Sie im Monat da-mit tätigen können. Das ist dann ihr momenta-nes Limit für die Annahme der Währung. Soferndie zentrale Stelle nichts anderes vorgegebenhat, können Sie bei großen Beträgen auch denAnteil festlegen, den ihre KundInnen in der Kom-plementärwährung bezahlen können.

Bei einer Komplementärwährung mit Rück-tauschmöglichkeit geben Sie die Währungsein-heiten, die Sie nicht nutzen können, gegen eineGebühr an die ausgebende Stelle zurück. DieseGebühren sind als Werbungskosten steuerlichabsetzbar.

„Das was wir als Unternehmen / als Vereinbrauchen, gibt es gar nicht in der Region. Alsokönnen wir die Regionalwährung gar nicht ein-setzen.“Viele Dinge, die man der Einfachheit halber bis-her von außerhalb der Region besorgt hat, gibtes auch innerhalb. Da lohnt es sich, genauer hin-zusehen und ggf. auch mal bei der HändlerInnachzufragen, ob sie das Gewünschte nicht be-schaffen kann.

Sie können die Regionalwährung jedoch auch alsPrivatentnahme verbuchen oder ggf. ihre Mitar-beiterInnen zum Teil mit Regionalgeld bezahlen.

„Wenn jede Region ihre eigene Währung hat,wird der Handel behindert.“Regionalwährungen wollen neben dem Euroexistieren und ihn ergänzen. Der Euro soll nichtverdrängt werden. Der Handel kann also überre-

gional weiterhin den Euro benutzen und sich beiregionalen Geschäften jeweils für den Euro oderdie Regionalwährung entscheiden.

„Der Euro funktioniert doch gut, da brauchenwir keine zweite Währung.“Der Euro ist wegen seines großen Verbreitungs-gebiets natürlich sehr effizient. Über Landesgren-zen hinweg kann man den Wert sämtlicher Wa-ren und Dienstleistungen ohne Währungsum-rechnung direkt vergleichen und in Euro bezah-len. Allerdings wirkt er in Europa wie eine Mono-kultur, die für Störungen viel anfälliger ist als einweniger effizientes System mit einer größerenVielfalt unterschiedlicher Währungen.

Dazu kommt, dass der Euro mit anderen Wäh-rungen wie dem Dollar oder dem Yen inzwischenso eng verzahnt ist, dass bei der Krise einer Wäh-rung die anderen vermutlich mitgezogen wer-den.

Durch die Nebenwirkungen aus dem Zinssystem(vgl. Abschnitt 3.15) wird der Euro (ebenso wiedie anderen staatlichen Währungen, die nachden gleichen Prinzipien funktionieren) mit derZeit immer instabiler, daher ist die Nutzung einerKomplementärwährung auch zur Stärkung derWiderstandsfähigkeit gegenüber Krisen durchaussinnvoll.

Auf die Geldpolitik der Europäischen Zentralbankhaben wir in der Region keinen Einfluss, die Ent-scheidungen hinsichtlich unserer Regionalwäh-rung treffen wir dagegen selbst.

„Durch die Konzentration auf unsere Regionwerden wir womöglich interessant für politischweit rechts stehende Gruppierungen.“Die Regionalwährung will die Region fördern mitder Absicht, ökologisch, ökonomisch und sozialnachhaltiger und widerstandsfähiger gegenüberKrisen zu werden. Im Vordergrund steht die Inte-gration und Zusammenarbeit aller Menschenund Unternehmen, die in der Region ansässigsind. Der Wertekodex der Regionalwährung klärt,wofür die teilnehmenden UnternehmerInnenund NutzerInnen stehen (vgl. [RVB] „Werte“).

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„Sind Regionalgelder nicht ziemlich exotisch?“In Deutschland gibt es insgesamt über 50 Regio-nalgeld-Initiativen.

„Komplementärwährungen erhöhen bei derstaatlichen Währung die Inflationsgefahr.“Das hängt davon ab, wie die Komplementärwäh-rung konzipiert ist. Inflation entsteht, wenn sichdas Verhältnis zwischen Geld- und Warenmengeso verändert, dass eine merkbare Preissteige-rung erfolgt. Relevant für dieses Verhältnis sindallerdings nur diejenigen Waren und Dienstleis-tungen, die tatsächlich gegen staatliche Währunggehandelt werden. So hat z.B. die Menge anehrenamtlich erbrachter Leistung in privatenHaushalten keinen Einfluss auf die Preise.

Wenn eine Komplementärwährung so konzipiertist, dass sie unattraktiver ist als die staatlicheWährung, dann werden die AnbieterInnen da-nach trachten, ihre Waren und Dienstleistungenbevorzugt für staatliche Währung zu verkaufen –es sei denn, sie wären durch vertragliche Rege-lungen zu einem Mindestumsatz in Komplemen-tärwährung verpflichtet. Nur Waren und Dienst-leistungen, die im staatlichen Währungsraum un-verkäuflich sind (oder voraussichtlich unverkäuf-lich sein werden), werden in der Komplementär-währung angeboten. Ein Beispiel soll diese Art zuhandeln verdeutlichen: Fluggesellschaften regelndie Nutzung von Bonusmeilen so, dass ihnen da-durch möglichst kein regulär verkäuflicher Sitz-platz verloren geht. Sie geben nur Kontingentefür die Buchung gegen Bonusmeilen frei, die er-fahrungsgemäß ungenutzt bleiben. Dabei gehensie davon aus, dass die viel-fliegenden Geschäfts-kundInnen mit ihren Bonusmeilen zusätzlichePrivatflüge buchen.

In einer gut konzipierten Komplementärwährungwerden also überwiegend Umsätze gemacht, dieansonsten gar nicht stattgefunden hätten. DieseUmsätze beeinflussen daher nicht die Preise imstaatlichen Währungsraum und führen weder zuInflation noch zu Deflation.

Im konjunkturellen Aufschwung werden die Um-sätze in der Komplementärwährung abnehmen

und im konjunkturellen Abschwung werden siezunehmen. So hat die Komplementärwährungeine starke antizyklische Wirkung, wie sie beimWIR-Franken zu beobachten ist. Das stabilisiert inkonjunkturell schwachen Zeiten die Unterneh-men und damit die Wirtschaft in der betreffen-den Region. Durch Nutzung der Komplementär-währung können die Unternehmen in schwieri-gen Zeiten leichter überleben und es gibt weni-ger Arbeitslose.

Bernard Lietaer schreibt in [LIE1] (S.339): Dieneuseeländische Zentralbank „toleriert [lokale]Währungen nicht nur, sondern sieht in ihnen einMittel zum Abbau der Arbeitslosigkeit, bei demsie gleichzeitig die Inflation der Landeswährungim Griff behalten kann.“ In Zeiten hoher Arbeits-losigkeit werden üblicherweise die Zinsen ge-senkt, damit mehr Kredite gewährt werden kön-nen, um die Wirtschaft zu beleben und so Ar-beitsplätze zu schaffen. Dadurch kommt neuesGeld in Umlauf und die Inflationsgefahr steigt,wenn das Handelsvolumen mit dem Wachstumder Geldmenge nicht mithält. Die komplementä-ren Währungen tragen dazu bei, dass auch ohneSenkung der Zinssätze die Bedürfnisse der Be-troffenen befriedigt werden können. NochmalBernard Lietaer: „Eines der Hauptprobleme liegtdarin, dass Zentralbanken bei ihren Entscheidun-gen über die Geldmenge die wirtschaftliche Si-tuation des ganzen Landes berücksichtigen müs-sen. Komplementärwährungen dagegen ermögli-chen es uns, das Tauschmittel auf die lokalen Be-dürfnisse abzustimmen. Daher fördern Neusee-land und Australien Komplementärwährungen inden Landesteilen, die von der Arbeitslosigkeit amhärtesten betroffen sind.“ ([LIE1] S. 343 f.)

„Komplementärwährungen mit Umlaufimpulsfördern den Konsum. Sind sie damit unter demGesichtspunkt der Nachhaltigkeit nicht eherschädlich?“Zu dieser Frage gibt es eine Reihe von Gesichts-punkten, die im folgenden näher betrachtet wer-den.

Es kommt darauf an, was man mit der Währungkaufen kann. Wenn es sich zum Beispiel um eine

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Währung handelt, die ausschließlich für be-stimmte Bildungsangebote benutzt werdenkann, dann kann der stärkere Gebrauch dieserWährung die Nachhaltigkeit fördern.

Wie die Antwort zum vorhergehenden ThemaInflationsgefahr ausführt, wird eine gut konzi-pierte Komplementärwährung in erster Liniedazu genutzt, Umsätze zu machen, die in staatli-cher Währung nicht stattfinden würden (z.B. dieNutzung unverkäuflicher Kapazitäten). Dazu kanndie Einführung eines Umlaufimpulses notwendigund sinnvoll sein. Wenn also Betriebe durch dieVerwendung der Komplementärwährung freieKapazitäten besser nutzen und damit langfristigkeine neuen Kapazitäten aufgebaut werden,dann dient dies der Ressourcenschonung. Dabeiist natürlich auch ein generelles Umdenken not-wendig. Die Komplementärwährung allein wirddafür sicher nicht ausreichen.

Konsum ist umso schädlicher für den Planeten, jemehr Ressourcen dadurch verbraucht werden.Ressourcen werden verbraucht, wenn sie ausdem Kreislauf ausscheiden. Alles was nicht ge-sammelt, sondern bei Nichtgebrauch zügig wei-ter gegeben wird, senkt den Verbrauch insge-samt und trägt zur Schonung von Ressourcen bei.Komplementärwährungen (ob mit oder ohneUmlaufimpuls) fördern meist den Aufbau sozialerKontakte z.B. durch die Organisation von Tausch-börsen. Sie stimulieren damit den Gebrauchtwa-renmarkt bzw. die gemeinschaftliche Nutzungvon Gegenständen und leisten so einen Beitragzur Nachhaltigkeit.

Gäbe es ausschließlich Währungen mit Umlauf-impuls, würden Wirtschaftlichkeitsberechnungenandere Ergebnisse liefern. Die Investition in ei-nen Wald könnte dann auch unter wirtschaftli-chen Gesichtspunkten attraktiver sein als die inein kurzlebiges Industrieprodukt.

Der Umlaufimpuls fördert den rascheren Aus-tausch von Waren und Dienstleistungen, weil dasHorten von Geld mit Verlusten verbunden ist.Das kann dazu führen, dass statt Geld Waren ge-

hortet werden. Fast alle Waren erleiden durchihren Alterungsprozess ebenfalls einen Wertver-lust oder es ist wie z.B. bei Gold Aufwand für diesichere Aufbewahrung nötig. Die Entscheidungfür das Horten von Waren oder von Geld wirdalso von der Höhe des Umlaufimpulses abhän-gen.

„Sind Regionalwährungen eigentlich legal?“Kontenwährungen können unter das Zahlungs-dienste-Aufsichts-Gesetz fallen. Darin ist gere-gelt, wann eine bargeldlose Komplementärwäh-rung genehmigungspflichtig ist und unter wel-chen Bedingungen die Genehmigung erteilt wird.Gutscheinwährungen stehen zwar in Konflikt mit§35 BBankG, die Bundesbank duldet sie jedochseit 2001. Sie werden daher von der Staatsan-waltschaft strafrechtlich nicht verfolgt (vgl. Kapi-tel 5).

„Regionalwährungen behindern den Wettbe-werb.“Regionalwährungen fördern die Kooperation derregionalen Wirtschaft. Sie fördern deren Vielfaltund versuchen, den oft unfairen Wettbewerb mitden großen Billiganbietern innerhalb der Regioneinzuschränken. Jedes regionale Unternehmenkann seine Waren und Dienstleistungen ungehin-dert weiterhin auf dem globalen Markt anbieten.

„Auf dem Land mag das ja funktionieren, weilda alle mitmachen. Bei uns in der Stadt hat eineRegionalwährung keine Chance.“In einer Dorfgemeinde ist es natürlich möglich,alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen, umsich über die Einführung einer Komplementär-währung zu einigen. Die neue Währung kanndann sofort mit einem flächendeckenden Netzvon Akzeptanzstellen starten.

In Städten und größeren Gemeinden ist ein an-deres Vorgehen notwendig. Es empfiehlt sich zu-nächst die Konzentration auf einen Ortsteil oderauf eine Branche, bis die Regionalwährung dorteinen zufriedenstellenden Verbreitungsgrad er-reicht hat. (vgl. Kapitel 4)

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4 Schritte zur erfolgreichen Einführung

Vor der Einführung einer Regionalwährung ist es wichtig, sowohl die materiellen wie auch die ide-ellen Ziele zu klären, die damit erreicht werden sollen. Anhand dieser Klärung kann man entschei-den, ob der Anschluss an ein bereits bestehendes Komplementärwährungssystem erfolgen kann,ob ein vorhandenes Konzept genutzt und an die eigene Situation angepasst werden soll oder obeine neue Währung konzipiert werden muss. In jedem Fall kann auf Erfahrungswissen aus den be-reits bestehenden Regiogeld-Initiativen zurück gegriffen werden.

4.1 Klärung der Ziele

Die Förderung der regionalen Wirtschaft ist nureines der Ziele einer Regionalwährung. Da dieEinführung einer solchen Währung für alle Betei-ligten zunächst mit zusätzlichem Aufwand ver-bunden ist, steigen die Aussichten auf Akzeptanzdeutlich an, wenn sich unterschiedliche Zielgrup-pen mit ihren (realen) Bedürfnissen unmittelbarangesprochen fühlen. Die folgenden Fragen sol-len als Orientierung dienen.

1. Welche ideellen und materiellen Ziele werdenmit der Einführung einer Regionalwährungverfolgt? Welche Anliegen sollen unterstütztwerden? Welche Probleme sollen gelöst wer-den?

2. Welche Ziele werden nicht verfolgt?

3. Welche Ressourcen sind in der Region vor-handen und können genutzt werden?

4. Welche Zielgruppen soll die Regionalwährungansprechen (Unternehmen, Vereine, privateHaushalte, kommunale Einrichtungen, be-stimmte Stadtviertel oder Bevölkerungsgrup-pen)?

5. Welche Organisationen gibt es bereits in derRegion, die sich den gleichen oder ähnlichenAnliegen widmen? Sollen sie eingebundenwerden und wenn ja, wie? (Regiogeld-Initiati-ve, Stadtmarketing, Gewerbeverein, Wirt-schaftsförderung)

6. Wer würde zu den möglichen Verlierern ge-hören und wie wird damit umgegangen?

7. Welche Geldform bevorzugen die Zielgruppen(Gutscheine, Verrechnungskonto, Geldkarte,Tauschheft, etc.)?

8. Wie groß soll das Verbreitungsgebiet der Re-gionalwährung sein (Gemeinde, Umland)?Wie wichtig ist eine Anbindung an andere Re-gionen? Oder ist eine solche Anbindung aus-drücklich nicht erwünscht?

9. Wie kann der Erfolg der Währung gemessenund für alle Beteiligten sichtbar gemacht wer-den?

Insbesondere zu den entscheidenden Fragennach den Zielen und Zielgruppen der Regional-währung hier einige Anregungen:

• Belebung des regionalen Handels

• Förderung von Vereinen (Bsp. Der REGIO eV13

Eurasburg) oder von Gemeinwohl-orientiertenProjekten

• Förderung der regionalen Wirtschaft durchMikrokredite (Beispiel Regios eG Rosenheim14)

• Förderung gemeinnütziger Arbeiten (BeispielGent)

• Förderung von Umweltschutz (Beispiele Gent,Langenegg)

• Absicherung bzw. Förderung von Pflege- bzw.Betreuungsleistungen als Alternative zum Bauvon Altenheimen (Beispiele: japanisches Fu-reai-Kippu-System, Schweizer Initiative KISS)

• Entlastung des kommunalen Haushalts

13 http://www.der-regio.de/ 14 http://www.regios.eu/

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• Stärkung der regionalen Selbstversorgung

• Schaffung von Anreizen, um Kapital in der Re-gion zu halten durch die Einführung einer Mit-gliedsbank (Beispiel JAK-Bank15) oder durchden Verkauf von Betriebsanteilen an BürgerIn-nen

• Wahrnehmung der Gemeinde innerhalb undaußerhalb der Region als innovativ, sozial, öko-logisch, Gemeinwohl-orientiert, etc.

Wenn die angestrebten (und die nicht angestreb-ten) materiellen und ideellen Ziele zusammenmit ihrer Priorität transparent kommuniziertwerden, wird die Akzeptanz der Währung undinsbesondere die Gewinnung aktiver Unterstüt-zerInnen gefördert.

Die Ziele lassen sich miteinander kombinieren.Dafür kann die Zusammensetzung der Regional-währung aus mehreren Teilsystemen notwendigsein.

4.2 Kombination von Teilsystemen

Eine Regionalwährung lässt sich auch aus zweioder mehr Teilsystemen kombinieren. Dies bietetsich insbesondere dann an, wenn gegensätzlicheZiele (z.B. Tauschen und Sparen, vgl. Abschnitt3.1) abgedeckt werden sollen.

Prof. Dr. Margrit Kennedy und Bernard Lietaerbeschreiben in [KELI] (S. 70 f.) die Kombinationeiner Gutscheinwährung, einer leistungsgedeck-ten Kontenwährung und einer Mitgliedsbank. DieGutscheinwährung wird in erster Linie von Ver-braucherInnen für den täglichen Einkauf genutzt.Die Kontenwährung dient vorwiegend kleinenund mittleren Unternehmen als Verrechnungs-und Kreditsystem zum Austausch von Waren undDienstleistungen und verbessert die Liquiditätder teilnehmenden Betriebe. Die Mitgliedsbankbietet Spar- und Darlehenskonten für größereAnschaffungen an.

An Stelle der Mitgliedsbank schlägt Franz Gallereine Zeitbank vor, die das inflationsfreie Anspa-

15 http://jak.se/german/deutsch

ren erbrachter Leistungen ermöglicht (gemessenin Stunden). Die angesammelten Stunden kön-nen im Alter oder im Pflegefall abgerufen und fürunterstützende Dienstleistungen verwendet wer-den (siehe [GAL]).

4.3 Anschlussmöglichkeiten an bestehende Systeme

Für die Einführung einer Euro-gedeckten Regio-nalwährung gibt es zwei sich ergänzende Organi-sationen, die den Anschluss weiterer Regional-gruppen ermöglichen. Durch einen Start inner-halb dieser Organisationen kann das bestehendeWissen unmittelbar genutzt werden. Ein Teil deranfallenden Arbeiten wird dabei von der jeweili-gen Organisation übernommen.

Die Regios eG mit Sitz in Rosenheim ermöglichtdie Nutzung des Euro unter Anwendung der Re-geln für Regionalgeld. Die Bezahlung erfolgt übergewöhnliche Bankkonten von Genossenschafts-banken und Sparkassen mittels Überweisungoder Lastschrift. Die Regios eG Rosenheim wirdermächtigt, die Kontobewegungen zu analysie-ren. Sie erkennt dadurch die Zu- und Abflüsseaus dem Regiogeld-Kreislauf. VerbraucherInnennutzen eine sog. Regiocard mit ihren Bankdatenfür das Lastschriftverfahren. Die Bezahlung imLaden erfolgt durch ein Karten-Lesegerät. DerEurobetrag wird vom Bankkonto der Verbrau-cherIn abgebucht und dem Regiogeldkonto derHändlerIn gutgeschrieben. 3% der Euro-Beträge,die neu in den Regiogeld-Kreislauf kommen, wer-den an Vereine gespendet. Jede VerbraucherInbestimmt selbst, welcher Verein von ihren Um-sätzen profitieren soll. Es gibt einen Umlauf-impuls, der für Guthaben ab dem 31. Tag fälligwird. Für Euro, die den Regiogeld-Kreislauf ver-

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lassen, wird eine Rücktauschgebühr fällig. Unter-nehmerInnen und GründerInnen können Mikro-kredite in Anspruch nehmen, die die Regios eGRosenheim in Zusammenarbeit mit der GLS-Bankvergibt. Die Regios eG Rosenheim hat bereits Er-fahrungen in der Zusammenarbeit mit Kommu-nen, die für die Nutzung des Chiemgauer16 bar-geldlose Regiogeldkonten verwenden.

Der REGIO eV mit Sitz in Eurasburg (LandkreisBad Tölz-Wolfratshausen) gibt eine Euro-gedeck-te Gutscheinwährung aus, die mit dem Namender jeweiligen Region gekennzeichnet wird. DieRegionalgruppe ist für das Marketing und die Be-treuung vor Ort zuständig. Die Gutscheine wer-den über Ausgabestellen in Umlauf gebracht undkönnen dort auch gegen eine Gebühr in Euro zu-rück getauscht werden. Die Gutscheine besitzeneinen Umlaufimpuls in Höhe von 2% (beim 1 und5 Regio-Schein) bzw. 2,5% (beim 10 und 20 Re-gio-Schein) je Quartal. Der Umlaufimpuls wirdbezahlt, indem Wertmarken erworben und aufdie Gutscheine aufgeklebt werden. Die Wertmar-ken können als Kleingeld genutzt werden. Unter-nehmen können für sich werben, indem sie füreinen Teil der Gutscheine Jahresmarken spon-sern. Die Einnahmen aus Umlaufimpuls undRücktauschgebühr werden zum großen Teil angemeinnützige Initiativen weiter gegeben. Nut-zerInnen können Regio-Gutscheine abonnieren.Unternehmen können als Sponsoren von Zu-schlägen beim Umtausch auftreten (bspw. 105Regio für 100 €).

Die Mitgliedschaft im REGIO eV Eurasburg be-inhaltet alle Möglichkeiten, die die Regios eG Ro-senheim bietet. Insbesondere ist neben der Nut-zung der Gutscheinwährung die Führung einesbargeldlosen Regiogeldkontos möglich sowie die

16 http://www.chiemgauer.info/

Ein- und Auszahlung von Regio-Gutscheinen aufdieses Konto.

AnsprechpartnerRegios eG, RosenheimTel. 08031-8873546

http://www.regios.eu/

Der REGIO eV, EurasburgRolf Merten

http://www.regio-im-oberland.de/

Für Regionalgruppen, die unter dem Dach desREGIO eV Eurasburg starten wollen, stehen Star-terpakete zur Verfügung. Diese Starterpakete imWert von 3.000 € werden von einer Stiftung fi-nanziert und enthalten alles, was zum Start not-wendig ist (incl. Beratung, Unterlagen, REGIO-Website und Gutscheine).

4.4 Nutzbare Konzepte

Das von Anna-Lisa Schmalz und Tim Reeves ent-wickelte Konzept der Regionalen Wirtschaftsge-meinschaften beschreibt die Kombination einerRegionalwährung mit einem System für Unter-nehmensbeteiligungen. Die Finanzierung regio-naler Unternehmen und Projekte erfolgt nichtüber Darlehen, sondern durch die Bündelungvon Kapital von BürgerInnen der Region, das inUnternehmensbeteiligungen investiert wird. DieInvestition ist an Kriterien der Nachhaltigkeit undGemeinwohl-Orientierung gebunden. Umgesetztwird dieses Konzept mit jeweils unterschiedli-chen regionalen Ausprägungen von den drei

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Genossenschaften ReWiG München eG17, ReWiGSchlehdorf eG18 und ReWiG Allgäu eG19. (Konzeptsiehe [SCRE])

Ansprechpartnerin zum Konzept der RegionalenWirtschaftsgemeinschaftenAnna-Lisa SchmalzTel. 089-23153601

Heinz-Ulrich Eisner entwickelte ein Konzept füreine durch Stadtwerke emittierte Komplemen-tärwährung. Es beschreibt eine Regionalwäh-rung, die durch das Bezugsrecht auf Wasser ge-deckt ist (Währungseinheit „Kubik“). Sie hat dasZiel, die Liquidität der Stadtwerke zu erhöhenund die Kapitalkosten durch Einsparung vonEuro-Zinskosten zu senken. Sie soll zudem einehohe Kundenbindung für die Stadtwerke bewir-ken. Als wertstabile Sachwert-gedeckte Währungdient sie der Krisensicherung in der Region. Siebesitzt einen Umlaufimpuls von 2% und zirkuliertmittels Konten und Karten. Die Währung kommtin Umlauf durch anteilige Bezahlung von Arbeit-nehmerInnen, AuftragnehmerInnen und Liefe-rantInnen der Stadtwerke. Die Stadtwerke akzep-tieren die Bezahlung von Wasser, Strom und Gasin Kubik. Daneben sollen möglichst viele örtlicheBetriebe die Währung akzeptieren. Die Gemein-de sowie kommunale Betriebe können von denStadtwerken Kubik gegen Euro-Zahlungen kaufenund für die (anteilige) Bezahlung von Löhnen,Gehältern und Leistungen verwenden. Dadurchlässt sich die umlaufende Menge an Kubik stei-gern und damit erhöht sich auch die Einsparungan Euro-Zinskosten. Die Kubik-Konten werdendurch eine örtliche Bank geführt. Durch Einzah-lung auf ein Sparkonto kann der Umlaufimpuls(teilweise) vermieden werden. Die angespartenBeträge werden von der Bank gegen eine Bear-beitungsgebühr und eine Ausfallumlage als Dar-lehen vergeben. Die Betriebskosten der Währung

17 http://rewig-muenchen.de/ 18 http://www.aktivhof-schlehdorf.de/ 19 https://projekte.rewig-allgaeu.de/

werden durch die Einnahmen aus dem Umlauf-impuls gedeckt. (siehe [EIS])

Das Konzept lässt sich z.B. auch übertragen aufdas Bezugsrecht von regional erzeugtem Strom.

Ansprechpartner zum Konzept „Stadtwerke“Heinz-Ulrich EisnerKölnische Str. 183, 34119 Kassel

4.5 Einführung einer maßgeschneiderten Lösung

Wenn weder vorhandene Währungssystemenoch nutzbare Konzepte zu den eigenen Zielenpassen, bleibt die Möglichkeit, ein eigenes regio-nales Währungssystem zu konzipieren. In Anleh-nung an einen Vorschlag von Kennedy und Lieta-er (siehe [KELI] S.95 ff.) wird im folgenden eindreistufiger Prozess zur Einführung einer maßge-schneiderten Lösung beschrieben.

1. In der Konzeptphase werden anhand der be-reits im Vorfeld erarbeiteten Ziele (vgl. Ab-schnitt 4.1) die Eigenschaften der künftigenRegionalwährung festgelegt. In dieser Phaseerfolgt auch eine grobe zeitliche und finan-zielle Planung für den weiteren Verlauf.

2. In der Beteiligungsphase wird die Unterstüt-zung aller wichtigen Entscheidungsträger undInstitutionen sichergestellt. Die Grobplanungaus der ersten Phase wird verfeinert.

3. In der Einführungsphase wird die Regional-währung eingeführt.

Um die externen Kosten niedrig zu halten, sollerst am Ende einer Phase das Vorgehen für dienächste Phase verbindlich festgelegt werden.

In der Konzeptphase soll eine Projektsteuerungs-gruppe mit maximal 12 bis 15 Mitgliedern gebil-det werden, die sich aus Fachleuten, Vertreternaus den verschiedenen Zielgruppen und denkünftigen Projektträgern zusammen setzt. DieseGruppe wird den gesamten Entwicklungsprozesssteuern. Es empfiehlt sich, die Schlüsselpersonen

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und Meinungsbildner der Region, insbesondereaus dem Wirtschafts- und Finanzbereich bereitswährend der Konzeptphase zu informieren undfür die aktive Unterstützung des Vorhabens zugewinnen. Durch deren Impulse soll das Konzeptso lange verändert werden, bis ein Konsens er-reicht ist.

Die angestrebten Ergebnisse dieser Phase sind:

• ein maßgeschneidertes Konzept und ein pas-sender Name für die Regionalwährung,

• eine breite Unterstützung durch die wichtigs-ten Entscheidungsträger der Region,

• ein Verfahren zur Gewinnung von Akzeptanz-stellen,

• ein realistisch abgestimmter Zeit- und Kosten-rahmen für die Einführung der Regionalwäh-rung, und

• Informations- und Präsentationsmaterial zurGewinnung von Akzeptanzstellen und Nut-zerInnen der Regionalwährung.

In der Beteiligungsphase geht es darum, mög-lichst viele Institutionen (Unternehmen, Banken,Vereine, Handel, Handwerk, etc.) für die Akzep-tanz der Währung zu gewinnen. Falls nötig, wer-den dafür geeignete Multiplikatoren ausgebildet.

Die Ergebnisse dieser zweiten Phase sollten um-fassen:

• eine ausreichend lange Liste der künftigen Ak-zeptanzstellen sowie

• die Vorbereitung der Einführungsphase unterEinbeziehung der Öffentlichkeit.

In der Einführungsphase geht es um die konkre-te Einführung der Regionalwährung. Die zentraleOrganisation wird implementiert und schließlicherfolgt der offizielle Start der Regionalwährung.

Als Ergebnisse dieser dritten Phase werden ange-strebt:

• zahlreiche TeilnehmerInnen für die Regional-währung,

• je nach Ausprägung der Regionalwährung:eine erste große Umtauschaktion von Euro in

die Regionalwährung, eine Vielzahl neu eröff-neter Regionalgeldkonten bzw. zahlreiche aus-gegebene Regiogeldkarten,

• eine Stärkung der Verbindung zwischen klei-nen und mittleren Unternehmen,

• eine deutlich gestärkte regionale Identität, einwesentlich höherer Informationsstand überdie Region generell und eine höhere Bereit-schaft und Fähigkeit zu erfolgreicher Koopera-tion weit über den Bereich der Wirtschafthinaus.

Regionale Hochschulen könnten prozessbeglei-tend die Erfolgskontrolle und die laufende Doku-mentation der Realisierung, der Erfahrungen undErgebnisse übernehmen.

4.6 Software für Kontenwährungen

Cyclos20

Für die Verwaltung von Kontenwährungen gibtes die OpenSource-Software Cyclos, die eineVielzahl von Konfigurationsmöglichkeiten besitzt,um die gewünschten Eigenschaften der Währungabzubilden. Cyclos sieht die Bezahlung überInternet analog zum Online-Banking, Handy oderper Karte vor. Für Konfiguration und Hosting gibtes verschiedene Anbieter. (siehe [CYC])

Ansprechpartner für CyclosOliver Endrikat (SEDAT GmbH)Tel. 07544-71025

http://www.sedat.de/Beratung, Konfiguration und Cyclos-Hosting

20 http://www.cyclos.org/

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Ansprechpartner für CyclosThomas Wittich (bueffelSOFT)Tel. 08681-4778626

http://www.bueffelsoft.de/Beratung und Konfiguration, Cyclos-Hosting überden niederländischen Anbieter Digitekst

RegionalAtlasEine weitere Möglichkeit ist der Einsatz desRegionalAtlas21, der zwei Funktionen erfüllt:

• die Darstellung der teilnehmenden Unterneh-men auf einer Landkarte und

• ein Verrechnungssystem für Barter-Systemeund Regiogelder mit einer Schnittstelle zurAusgabe von Gutscheinen.

Zusätzlich ist die Darstellung von Energieprojek-ten auf einer Energielandkarte möglich.

Ansprechpartner für den RegionalAtlasNorbert RostTel. 0351-4466069

http://www.regionalatlas.net/

4.7 Erfolgsfaktoren

Für die NutzerInnen einer Währung spielt dasFachwissen über Währungssysteme keine Rolle.Die Währung sollte so präsentiert werden, dassderen Vorteile auf einen Blick erkennbar sind.Das Fachwissen sollte möglichst unsichtbar sein,da ansonsten leicht der Eindruck von Kompli-ziertheit entsteht, der wie eine Hemmschwellewirkt.

Wenn die Komplementärwährung aus mehrerenTeilmodellen (vgl. Abschnitt 4.2) besteht, werdendie einzelnen Teile am besten nacheinander ein-geführt. Realistisch ist ein Abstand von einigenJahren zwischen den einzelnen Teileinführungen.Empfehlenswert ist der Start mit demjenigenTeil, der am schnellsten das Vertrauen der Bevöl-kerung gewinnen kann. Sobald ein Teilmodell er-

21 http://www.regionalatlas.net/

folgreich eingeführt ist, wird es um den nächstendarauf aufbauenden Teil ergänzt.

Die Einführung der Komplementärwährung fälltleichter, wenn gleich zu Beginn ein Lebensmittel-laden mit Vollsortiment als Akzeptanzstelle mit-macht. Die Verwendungsmöglichkeiten für dieWährung sind dann für die nachfolgenden Teil-nehmerInnen offensichtlich.

Positive Signale werden gesetzt, wenn es gelingt,die führenden Unternehmen am Ort (das besteHotel, das beliebteste Kino, den größten Bio-Voll-sortimenter) für die Komplementärwährung zugewinnen.

Für jedes teilnehmende Unternehmen ist es not-wendig, mindestens eine Möglichkeit für dieWeitergabe der Komplementärwährung zu fin-den. Dabei kann es sich um die Bezahlung vonLieferantInnen, von MitarbeiterInnen oder vonkommunalen Steuern und Gebühren handeln.

Da eine Komplementärwährung von vielen Men-schen zunächst kritisch beobachtet wird, ist esbesonders wichtig, nach der Einführung rascherste Erfolge vorweisen zu können und diesedann stetig zu steigern. Die Erfolge sollten mög-lichst für jedermann erkennbar und nachvollzieh-bar sein. Dafür kann sich ein allgemein anerkann-tes Projekt eignen, das aus Erlösen der Komple-mentärwährung gefördert wird. Auf einer ent-sprechenden Internetseite kann die Fördersum-me veröffentlicht und laufend aktualisiert wer-den.

Das Vertrauen in die Währung ist umso größer, jemehr Akzeptanzstellen es gibt. Es kann durchauslohnend sein, eine längere Vorbereitungszeit zuakzeptieren, um ausreichend viele TeilnehmerIn-nen aus allen gewünschten Zielgruppen zu ge-winnen.

In kleinen Gemeinden ist es auf Grund der gerin-gen Einwohnerzahl relativ leicht möglich, die re-levanten VertreterInnen der Kommune, der Un-ternehmen, Bankfilialen und Vereine an einenTisch zu bringen, um gemeinsam über die Einfüh-rung einer Komplementärwährung zu beratenund sie zu beschließen. Die Entfernungen in der

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Gemeinde sind kurz und die Anzahl der in Fragekommenden Akzeptanzstellen gering, so dass dieWährung bereits bei der Einführung über einegroße Flächendeckung verfügen wird.

Wenn in größeren Gemeinden und Städten eineKomplementärwährung flächendeckend einge-führt werden soll, empfiehlt sich ein stufenwei-ses Vorgehen, das die bereits vorhandenenStrukturen und Kreisläufe nutzt. So kann es sinn-voll sein, sich zu Beginn auf ein Kerngebiet (etwadas Stadtzentrum) zu konzentrieren, das auchvon BürgerInnen aus den anderen Ortsteilen re-

gelmäßig besucht wird. So werden alle Energienauf einen örtlich enger begrenzten Bereich fo-kussiert, um rasch ein funktionierendes Modellvorweisen zu können. Liegen die Akzeptanzstel-len nahe beieinander, werden sie für die Nutzungdurch die BürgerInnen interessanter. Eine andereMöglichkeit ist die Aufteilung nach Branchen. Sokönnte man sich bei der Einführung zunächst aufden Bereich der Lebensmittel konzentrieren, umLandwirtschaft, Lebensmittel-Handwerk, Handelund Gastronomie mit der Regionalwährung zuvernetzen. In einem zweiten Schritt nimmt mandann z.B. das Bauhandwerk mit auf.

4.8 ZusammenfassungKomplementärwährungen bieten einen innovativen Ansatz, um die Anliegen der verschiedenenZielgruppen zu verbinden und zu unterstützen. Für die Konzeption und Einführung gibt es erfahre -ne BeraterInnen und Fachleute mit unterschiedlichen Schwerpunkten.

Den schnellsten Einstieg bieten Regionalgeldsysteme, die bereits seit Jahren erfolgreich tätig sindund die den unmittelbaren Anschluss weiterer Regionen anbieten.

Darüber hinaus gibt es fertige Konzepte, die für die eigene Region nutzbar sind und bei Bedarf aufdie eigene Situation angepasst werden können.

Bei maßgeschneiderten Lösungen werden die Eigenschaften der Währung individuell und mög-lichst passgenau zu den eigenen Zielen zusammengestellt.

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5 Rechtliche Lage für Komplementärwährungen in Deutschland

Dieses Kapitel gibt einen Einblick in die existierende Rechtslage für Komplementärwährungen inDeutschland mit besonderem Fokus auf die Rechtslage der Kommune. Es handelt sich im folgendennicht um ein rechtliches Gutachten, sondern um die Zusammenfassung der Ergebnisse einerRecherche der entsprechenden Sekundärliteratur.

5.1 Gutscheinwährungen

Komplementäre Gutscheinwährungen stehenformal in Konflikt mit dem Bundesbankgesetz.Seit 2001 werden Regionalgelder auf Gutschein-basis von der Bundesbank jedoch geduldet, dasie bislang volkswirtschaftlich keinen nennens-werten Umfang annehmen. Die Staatsanwalt-schaft Waldshut-Tiengen hat 2007 die Ausgabevon Regionalgeld-Gutscheinen als nicht strafbareingeschätzt.

Gemäß § 35 Bundesbankgesetz ([BBANKG]) wirdmit Freiheits- oder Geldstrafe bestraft, „wer un-befugt Geldzeichen (Marken, Münzen, Scheineoder andere Urkunden, die geeignet sind, imZahlungsverkehr an Stelle der gesetzlich zugelas-senen Münzen oder Banknoten verwendet zuwerden) [...] ausgibt“ oder „zu Zahlungen ver-wendet“, auch wenn ihre Wertbezeichnung nichtauf Euro lautet.

Im Mai 2007 hat die Deutsche Bundesbank dazufestgestellt: „Aufgrund des geringen Umlaufs anRegionalgeldern im Vergleich zu den von derDeutschen Bundesbank in Umlauf gegebenenEuro-Banknoten sind die damit verbundenen ge-samtwirtschaftlichen Kosten als so gering einzu-schätzen, dass sie vernachlässigt werden kön-nen. Auch die Inflationsbekämpfung ist aufgrundder vergleichsweise geringen Nutzung solcherGelder zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht er-schwert. Eine Gefahr für die stabilitätsorientierteGeldpolitik des Eurosystems und damit eine Be-einträchtigung des Euro als Währung bestehtderzeit nicht.“ (zitiert aus [GEI], S.2)

Auf der Basis dieser Stellungnahme kam die mitdieser Frage befasste Staatsanwaltschaft Walds-hut-Tiengen noch im selben Monat zum Ergeb-nis, dass die Ausgabe von Regionalgeld „- zumin-dest in der gegenwärtigen Geschäftskonzeptionals sogenanntes ‚Schwundgeld’ – nicht nach § 35Bundesbankgesetz strafbar“ sei, und stellte dasVerfahren gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessord-nung aus Rechtsgründen ein. ([GEI], S.2)

Da es nur beim Bargeld ein Staatsmonopol gibt,beim mengenmäßig wesentlich umfangreicherenGiralgeld jedoch nicht, stellt sich die Frage, ob§35 BBankG überhaupt noch zeitgemäß ist. Hierkönnte die politische Arbeit von Kommunen an-setzen, um komplementäre Gutscheinwährun-gen zu legalisieren. (vgl. [GO2])

5.2 Kontenwährungen

Kontenwährungen sind vom Bundesbankgesetznicht betroffen, da sie weder Gutscheine nochMünzen, sondern ausschließlich Verrechnungs-konten für Bezahlvorgänge verwenden.

Für Kontenwährungen ist das Zahlungsdienste-Aufsichts-Gesetz ([ZAG]) relevant. Euro-gedeckteKontenwährungen werden als E-Geld eingestuftund bedürfen einer Erlaubnis der Bundesanstaltfür Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). E-Geldist elektronisches Geld, das z.B. auf einer Chip-karte oder einem PC gespeichert sein kann. Dadie Banklizenz die E-Geld-Lizenz umfasst, könnenEuro-gedeckte Kontenwährungen problemlosvon Banken ausgegeben werden. Leistungsge-deckte Kontenwährungen, die als reine Barter-

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Systeme arbeiten, sind nicht genehmigungs-pflichtig.

Zur Begründung im einzelnen:

Unternehmen, die Zahlungsdienste erbringen,benötigen nach dem ZAG eine Erlaubnis derBundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht(BaFin).

Bei Barter-Systemen wird der gegenseitige Aus-tausch von Waren und Dienstleistungen mit Hilfevon Verrechnungskonten oder Tauschheften do-kumentiert. Dabei kommt es „zu einem bilatera-len Leistungsaustausch zwischen den beidenTauschpartnern gegen Gutschrift von Verrech-nungseinheiten in Höhe des Saldos“ ([HAGO] Ab-schnitt 7.1). Die Zentrale des Barter-Systemsdient dabei lediglich als Vermittler und kommt zukeiner Zeit in den Besitz der übertragenen Ver-rechnungseinheiten. „Zwischen dem jeweiligeneinzelnen Mitglied und der zentralen Stelle [...]besteht ein bilateraler Geschäftsbesorgungsver-trag, in dem sich die [Zentrale] zur Durchführungder [...] Tätigkeiten gegenüber den einzelnen Mit-gliedern verpflichtet hat.“ ([HAGO] Abschnitt7.1).

Das Bundesfinanzministerium wollte Komple-mentärwährungen vom ZAG ausnehmen. In derBegründung zum Gesetzesentwurf des ZAG(BMF) heißt es: „Die Übermittlung von „privatenWährungen“, alternativen, auf der Basis von pri-vatrechtlichen Vereinbarungen geschaffenenRechnungseinheiten, mit denen Dienstleistungenoder die Lieferung von Waren in Tauschringen(hier in der Regel mit dem Ziel, ein zinsfreies odersogar kontinuierlichen Wertabschlägen [„rosten-des“] und auf die regionalen Märkte ausgerichte-tes Tauschmittel zu realisieren) oder so genann-ten Barter-Clubs verrechnet werden [...], ist tat-bestandlich kein Zahlungsdienst im Sinne diesesGesetzes, solange die Rechnungseinheiten nichtzu irgendeinem Zeitpunkt, und sei es nur bei Ein-tritt in oder Austritt aus dem Ring in Euro, dieWährung eines Mitgliedstaats oder Vertrags-staats außerhalb der Euro-Zone oder eines Dritt-staats umgerechnet und eingezahlt oder ausge-zahlt werden. Steht jedoch am Ende eine Abrech-

nung in einem gesetzlichen Zahlungsmittel, undsei es auch nur bei Austritt aus dem Verbund, sowird der Betreiber bei diesen wie bei jedem an-deren Drei-Parteien- oder komplexeren Zahlungs-system Zahlungsdienste im Sinne dieses Gesetzeserbringen, wenn sie ihr Geschäftsmodell nicht[...] so [...] ausrichten, dass sie unter eineBereichsausnahme des Absatzes 10 passen.“(zitiert aus [GO1], S.6)

Dr. Hugo Godschalk schreibt dazu: „[Diese] Aus-sage bezieht sich auf Abwicklung („Übermitt-lung“) einer bargeldlosen Privatwährung (ohneKonvertibilität in Euro oder anderer Währung)und nicht auf deren Herausgabe (vgl. Rolle einerBarter-Zentrale). [Die] Herausgabe (Ein- oderAuszahlung), Herausgabe von Verfügungsinstru-menten (z. B. Karte) und bargeldlose Übermitt-lung eines €-gedeckten Regiogeldes sind Zah-lungsdienste gemäß ZAG.“ ([GO1], S.7)

Hugo Godschalk schließt daraus, dass es für„bargeldloses leistungsgedecktes Regiogeld [als]reines Barter-System (bislang) keine Regulie-rung“ gibt. ([GO1], S.9) Die von der BaFin als ge-nehmigungsfrei eingestuften Systeme der ReWiGMünchen eG sowie der DKG - Deutsche Kompen-sationsgesellschaft mbH22 bestätigen diese Ein-schätzung.

5.3 Kommunen

Die Einführung einer Komplementärwährungdurch eine Kommune ist vom Grundsatz her vomKommunalverfassungsrecht gedeckt. Dr. RolandGeitmann (Prof. i.R. für Kommunalverfassungs-recht und Verwaltungsrecht der FH Kehl und von1974 bis 1982 Oberbürgermeister der GroßenKreisstadt Schramberg) sagt dazu: „Die grundge-setzliche Selbstverwaltungsgarantie gewährt denGemeinden durch eine Zuständigkeitsvermutung(„Allzuständigkeit“) ein „Aufgabenfindungs-recht“. Kommunen brauchen also für Innovatio-nen keine ausdrückliche gesetzliche Erlaubnis.“([GEI], S.1)

22 http://www.deutsche-kompensation.de/

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Gemäß dem Gemeindewirtschaftsrecht ist dieFinanzhoheit „ein Kernbestandteil kommunalerSelbstverwaltung und kann sich auch darin aus-drücken, dass sich die Kommune (im Rahmen desRechts) an einem örtlichen oder regionalen Leis-tungsverrechnungssystem beteiligt. Die Regeldes Gemeindekassenrechts, wonach der Zah-lungsverkehr „in der Regel unbar abzuwickeln“ist, steht dem nicht entgegen.“ ([GEI], S.1)

Nach Roland Geitmann haben BürgerInnen nachdem Abgabenrecht zwar „keinen Anspruch, sichihrer Zahlungspflicht durch Regiogeld entledigenzu können; doch sind Kommunen nicht gehindert,Zahlungen in anderer Währung entgegenzuneh-men und dann in Euro umzuwechseln oder sieanderweitig zu verwerten. Im Vollstreckungsver-fahren müssen Kommunen noch viel umständli-

chere Verwertungsmaßnahmen ergreifen.“([GEI], S.2)

Das Vergaberecht dürfte „dann entgegenstehen,wenn wegen der Vergabesumme überregionalausgeschrieben werden muss und die (teilweise)Bezahlung in Regiogeld externe Anbieter prak-tisch ausschließt.“ ([GEI], S.2) Oberhalb der EU-Schwellenwerte ist das Vergaberecht bundesweiteinheitlich geregelt. Bei niedrigeren Auftragswer-ten gilt das Haushaltsvergaberecht. Fast jedesBundesland hat eigene Regelungen erlassen.

Die für die Kommunalprüfung zuständigen Rech-nungshöfe haben zum Thema Regionalwährungbislang keine einheitliche Meinung. Im konkretenEinzelfall empfiehlt es sich, bereits im Vorfeld dieAufsichtsbehörde zu kontaktieren.

5.4 FazitErlaubt sind leistungsgedeckte Kontenwährungen, die als reine Barter-Systeme arbeiten. Für Euro-gedeckte Kontenwährungen empfiehlt sich die Abwicklung durch eine Bank.

Ergänzend dazu ist die Einführung einer Gutscheinwährung durch einen privaten Träger möglich.Auf politischer Ebene können Gemeinden dazu beitragen, das Bargeldmonopol der Bundesbankdurch eine Gesetzesänderung des §35 BBankG zu lockern, so dass Gutscheinwährungen ausdrück-lich legalisiert werden.

Kommunen sollten vor der Einführung einer komplementären Währung den für sie zuständigenRechnungshof (je nach Bundesland auch als Prüfungsverband oder Gemeindeprüfungsanstalt be-zeichnet) kontaktieren. Erfahrene BeraterInnen der Regios eG Rosenheim können sie auf Wunschdabei unterstützen.

Da Kommunen kaum noch Barkassen nutzen, ist für sie insbesondere die Verwendung einer Kon-tenwährung interessant. Diese kann aus rechtlicher Sicht problemlos eingeführt und mit Hilfe einesprivaten Trägers um eine Gutscheinwährung ergänzt werden.

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Literatur und weiterführende Links

Literatur, Links, Filmbeiträge

[BOC] Ursula Bock, Komplementäre Währungssysteme und Kooperationen mit Gemeinden und Kom-munen, Studienprojekt im Masterstudiengang „Integrated Natural Resource Management“, 2011

[CRE] Helmut Creutz, Das Geld Syndrom 2012: Wege zu einer krisenfreieren Wirtschaftsordnung, Wis-senschaftsverlag, Aachen 2012

[BBK] Deutsche Bundesbank: http://www.bundesbank.de/

[DIT] Sibylle Ditzen, Ansätze zur Verbesserung der Zusammenarbeit von Regiogeldinitiativen mit den Kommunen, Diplomarbeit im Studiengang Betriebswirtschaft, 2009

[EIS] Heinz-Ulrich Eisner, Konzept für eine durch Stadtwerke emittierte Komplementärwährung, Kas-sel, unveröffentlicht

[GAL] Franz Galler, Das 3-Schalen-Modell der RegioStar eG (Video), http://www.youtube.com/watch?v=JuXvoFya5qM

[GEI] Roland Geitmann: „Die Hände gebunden? Möglichkeiten und Probleme für Kommunen bei der Verwendung und Unterstützung von Regionalgeld“. Das vierseitige Papier entstand für einen 2006 ab-gehaltenen Workshop des Regiogeldverbandes. Überarbeitete Fassung von 2009.

[GO1] Hugo Godschalk, Foliensatz zum Thema „EU-Zahlungsdienste-Richtlinie (PSD) und bargeldloses Regiogeld“, Vortrag im Rahmen des Fachkompetenz-Netzwerks des Regiogeld eV, Fulda, 22.11.2008

[GO2] Hugo Godschalk, Rezension zu: Marit Sademach, Regionalwährungen in Deutschland – Strate-gie, Hintergrund und rechtliche Bewertung, Zeitschrift für Sozialökonomie, 174-175/2012, S. 78 ff., imInternet lesbar unter http://www.sozialoekonomie-online.de/ZfSO-174-175.REZ.pdf

[HAGO] Klaus Hardraht und Hugo Godschalk, Komplementärwährungsgutachten erstellt im Auftrag der Sparkasse Delitzsch-Eilenburg, 30.03.2004 http://www.monneta.org/upload/pdf/Delitzsch_Rechtsgutachten.pdf. Das Gutachten berücksichtigt auf Grund seines Erstellungsdatums allerdings weder das Zahlungsdienste-Aufsichts-Gesetz noch die aktuelle E-Geld-Richtline der EU.

[JEN] Annette Jensen, Das Experiment von Langenegg, Artikel auf der Web-Seite des Schweizer Ver-eins Regiogeld.ch

[KEN] Margrit Kennedy, Occupy Money: Damit wir zukünftig ALLE die Gewinner sind , Kamphausen Verlag 2011

[KELI] Margrit Kennedy und Bernard Lietaer, Regionalwährungen. Neue Wege zu nachhaltigem Wohl-stand, Riemann Verlag 2004

[LNG] Gemeinde Langenegg: http://www.langenegg.at/

[LIE1] Bernard Lietaer, Das Geld der Zukunft – Über die zerstörerische Wirkung unseres Geldsystems und Alternativen hierzu, Riemann Verlag 2002

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[LIE2] Bernard Lietaer et.al., Money and Sustainability – The Missing Link, Triarchy Press UK, 2012, S. 168-170, verfügbar unter http://www.money-sustainability.net/about-money-and-sustainability/, im April 2013 auf deutsch erschienen beim Europa Verlag, Berlin unter dem Titel: Geld und Nachhal-tigkeit – von einem überholten Finanzsystem zu einem monetären Ökosystem

[LIE3] Bernard Lietaer, Dr. Robert Ulanowicz, Dr. Sally Goerner, Wege zur Bewältigung systemischer Bankenkrisen, Wissenschaftliche Arbeit für die World Academy of Arts and Sciences (WAAS) Hydera-bad, Indien, http://www.lietaer.com/images/White_Paper_Lietaer_Deutsch.pdf

[MAR] Jens Martignoni, Typologie von Komplementärwährungen und Erfolgsfaktoren von Komple-mentärwährungsorganisationen, Masterarbeit 2011, http://www.flexibles.ch/Projekte/Masterarbeit_Komplementaerwaehrungen-J_Martignoni.pdf

[MNA] Money Network Alliance: http://www.monneta.org/

[NUS] Mario Nußbaumer über Langenegger Talente (Video), http://www.regiogeld.ch/includes/video/Talent_Langenegg.mp4

[PIE] Niklas Pieper: Die rechtliche Struktur bargeldloser Verrechnungssysteme unter besonderer Be-rücksichtigung von Barter-Clubs und LET-Systemen, Weißensee Verlag 2002

[PLE] Tobias Plettenbacher, Neues Geld – Neue Welt, Die Wirtschaftskrise – Ursachen und Auswege, planetVERLAG 2012

[REW] Regionalentwicklung: http://www.regionalentwicklung.de/

[RO1] Norbert Rost, Regionalwährungen als wirtschaftsförderndes Anreizsystem in strukturschwa-chen Gebieten, Artikel im Internet unter http://www.regionalentwicklung.de/regionales-wirtschaften/regionalgeld/wirtschaftsfoerderung-strukturschwache-gebiete/

[RO2] Norbert Rost, SozialGenossenschaften für Ihre Kommune oder Region: http://www.monneta.org/index.php?id=222&kat=60

[RUT] Cordula Rutz, Regionale Komplementärwährungen und der ökologische Landbau: Synergien in Theorie und Praxis, eingereichte Studienarbeit am Institut für landwirtschaftliche Betriebslehre der Universität Hohenheim im Rahmen des Organic Food Chain Project 2009/2010

[SCRE] Anna-Lisa Schmalz und Tim Reeves, Regionale Wirtschaftsgemeinschaften: http://regionale-wirtschaftsgemeinschaften.info/

[STBR] Eva Stenius und Asa Brandberg, Das Mirakel von Guernsey – Not macht erfinderisch – Mit lo-kalen Geld schon vor 180 Jahren aus einer Krise,http://www.regiogeld-mv.de/media/document/67/Das_Mirakel_von_Guernsey.pdf

[VOL] VOL.AT, Filmbeitrag über Langenegger Talente

[WAL] Johann Walter, Staatliche Komplementärwährungen: „dritter Weg“ zwischen Geldreform und dezentralen Regionalwährungen? In: Zeitschrift für Sozialökonomie, Heft 158/159 (Okt. 2008) S. 26-37, http://www.sozialoekonomie-online.de/html/archiv_152-159.html#158

[WIK] Deutsche Wikipedia-Seite: http://de.wikipedia.org/

[TOZ] ohne Verfasser: Complementaire Munt, een innovatief instrument - Tussentijds rapport; Zwi-schenbericht über die Entwicklung der Torekes 2012

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[KRO] ohne Verfasser, Interview mit Dorothea Kroschel (Vorstand NahGold Regiogeld eV), Bürger-freund Journal Sept. 2005: www.regionalgeldportal.de/Pressemeldungen-RegioGeld/Dokumente/30092005-Buergerfreund.pdf

[GUG] ohne Verfasser, Strukturen der Nähe als Antwort auf die Wirtschaftskrise, Internet-Artikel des Unterguggenberger Instituts Wörgl: http://www.unterguggenberger.org

[BBANKG] Gesetz über die deutsche Bundesbank: http://www.gesetze-im-internet.de/bbankg/BJNR007450957.html

[ZAG] Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten (ZAG): http://www.gesetze-im-internet.de/zag/index.html

[BFN] BaFin, Merkblatt - Hinweise zu dem Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten (Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz – ZAG) vom 22.12.2011, http://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_111222_zag.html?nn=2818474#doc2675944bodyText29

Initiativen

Die folgende Liste ist eine Zusammenstellung von Initiativen zu Komplementärwährungen, auf dieim Text Bezug genommen wird. Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und stelltauch keine Qualitätsaussage dar.

[ALM] Allmenda Social Business eG: http://www.allmenda.com/

[AMP] Amper-Taler: http://www.amper-taler.de/

[CHM] Chiemgauer: http://www.chiemgauer.info/

[CYC] Cyclos, Open Source Software zur Verwaltung von Kontenwährungen: http://www.cyclos.org/

[DRV] Der REGIO eV, Eurasburg: http://www.der-regio.de/

[DKG] Deutsche Kompensationsgesellschaft mbH: http://www.deutsche-kompensation.de/ (kommer-ziell geführter Barter-Ring)

[ELB] Elbtaler: http:// www.elbtaler.de /

[JAK] JAK Mitgliedsbank: http://jak.se/german/deutsch

[JOY] Joytopia: http://www.joytopia.net/

[KIS] KISS: http://www.kiss-zeit.ch/

[LT] Langenegger Talente: http://www.langenegg.at/navigation-1/wirtschaft/langenegger-talente.html

[NAG] NahGold: http://www.nahgold.de/

[NGD] NeuesGeld: http://www.neuesgeld.com/

[RVB] Regiogeld eV, Verband der Regiogeld-Initiativen: http://www.regiogeld.de/

[ATL] RegionalAtlas, Werkzeug zur Regionalentwicklung: http://www.regionalatlas.net/

[REG] Regios eG, Rosenheim: http://www.regios.eu/

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[RWA] ReWiG Allgäu eG: https://projekte.rewig-allgaeu.de/

[RWM] ReWiG München eG: http://rewig-muenchen.de/

[RWS] ReWiG Schlehdorf eG: http://www.aktivhof-schlehdorf.de/

[TTK] Talente Tauschkreis: http://www.talente.cc/

[TOR] Torekes: http://www.torekes.be/

[WIR] WIR Franken: http://www.wir.ch/

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Anhang: Fragen einer Stadträtin an die Autorin

Susanne Bächer: Sie haben in Ihrer Studie die Möglichkeiten dargestellt, wie eineKomplementärwährung die regionale Wirtschaft stärken kann. Nun möchte ich mirdas noch etwas genauer vorstellen können.

Die Stadt Tübingen mit ca. 85 000 EinwohnerInnen vergibt an zahlreiche sozialeund kulturelle Einrichtungen Zuschüsse, andrerseits beklagen die Geschäftsleutein der Stadt, vor allem die inhabergeführten Geschäfte, dass sie nicht genügendUmsatz machen, und fordern ihrerseits Unterstützung. Deshalb beschäftigt michals Stadträtin der Gedanke, ob die Stadt ihre Zuschüsse zumindest teilweise so ver-geben könnte, dass die Vereine etc. das Geld hier ausgeben, dass es also dem Han-del zugute kommt und am Ort bleibt.

Wenn die Stadt also diesen Weg einschlagen wollte, wie müsste sie vorgehen?

Anna Lisa Schmalz: Die einfachste und am schnellsten einführbare Möglich-keit ist der Anschluss an den REGIO eV Eurasburg. Wie im Konzept beschrie-ben, bietet dieser Verein die Möglichkeit, dass Initiativen unter seinem Dachdie regionale Währung in der eigenen Region einführen. Die TübingerVereine würden zusätzlich zu den bisherigen Fördergeldern von den Zuwen-dungen des REGIO eV Eurasburg profitieren. Die Händler profitieren von derKundenbindung durch die Regionalwährung und können zusätzlich durchSponsoring auf den Gutscheinen Werbung für sich machen. Für den Erfolgder regionalen Währung ist eine möglichst breite Akzeptanz innerhalb derStadt entscheidend. Um das Vorhaben vorzustellen, wäre es daher sinnvoll,wenn die Stadt Vertreter der Vereine und der Händler einlädt zu einer Infor-mationsveranstaltung.

SB: Natürlich muss eine Regionalwährung, bevor sie möglicherweise eingeführtwird, in der ganzen Stadt gründlich diskutiert werden. – Wie kommt der REGIO e.V.Eurasburg dazu, Tübinger Vereinen Zuwendungen zu geben?

AS: Wenn ich als Kundin Regio-Gutscheine nutzen will, dann hole ich mirwelche bei einer Ausgabestelle und bezahle diese Gutscheine in Euro. DreiProzent des eingetauschten Betrags gehen als Spende an einen Verein.Wenn später ein Händler mehr Gutscheine eingenommen hat als er selberverbrauchen kann, dann kann er die wieder bei einer Ausgabestelle in Eurozurücktauschen. Dabei wird eine Rücktauschgebühr fällig. Aus dieser Rück-tauschgebühr speisen sich die Spenden an die Vereine. Je mehr TübingerRegios in Umlauf kommen, desto mehr Spenden fließen an TübingerVereine.

SB: Dass Spenden an Tübinger Vereine gehen würden, läge also an einer speziellenVereinbarung, die jeweils drei Prozent der neu gewonnenen Regiogelder an ausge-wählte Vereine geben würde, nicht daran, dass der REGIO e.V. Eurasburg etwasdazugibt?

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AS: Das ist richtig. Die einzelnen Teilnehmer entscheiden übrigens selbst,welcher Verein von ihren Umsätzen profitieren soll.

SB: Wenn die Stadt also nach dem Konzept der Eurasburger vorgehen würde,hieße das, sie lässt Gutscheine drucken und vergibt diese z.B. als Zuschüsse undnimmt sie dann wieder entgegen als Steuer oder Gebühren oder ähnliches? DieStadt wäre dann die Ausgabestelle, d.h. sie würde die Gutscheine gegen eineGebühr auch wieder in Euro umtauschen?

AS: Die Stadt selbst muss in diesem Modell gar keine Gutscheine selbst aus-geben. Sie könnte die Gutscheine der Eurasburger nutzen, die mit "RegioTübingen" beschriftet wären. Vermutlich würde der Stadtkämmerer bevor-zugen, dass die Stadt selbst gar nicht mit Gutscheinen umgeht, sondern einKonto benutzt, um Zuschüsse auszuzahlen. Vereine und Händler hättenebenfalls Konten für die Regionalwährung. Über diese Konten können sieÜberweisungen abwickeln und nach Bedarf Gutscheine abheben und ein-zahlen. Für die Kunden sind die Gutscheine zum Bezahlen natürlich vielpraktischer. Dafür gäbe es Ausgabestellen bei Bankfilialen, in Geschäftenoder auch in einer städtischen Einrichtung. Eine weitere Möglichkeit ist dieBezahlung mit der Regio-Karte bei den Händlern, die dafür ein Kartenlese-gerät installiert haben.

SB: Wenn der Kämmerer, wie Sie vermuten, lieber nicht direkt mit Gutscheinenumginge, dann bräuchte es ja wohl statt der Stadtverwaltung eine Extra-Organisa-tion hier in Tübingen, die das dann einfädelt und koordiniert?

AS: Bei den bisherigen Regiogeld-Initiativen übernimmt jeweils eine Gruppevon Ehrenamtlichen die Organisation vor Ort. Sie gründen zu diesem Zweckaber keinen eigenen Verein, sondern werden einfach Mitglied beim REGIO.Diese Gruppe spricht Händler und Vereine an, organisiert Infoveranstaltun-gen und Ausgabestellen, pflegt die lokale Internetseite, kurz: sie sorgt fürdie Organisation vor Ort. Um den Start der Währung zu beschleunigen, soll -te die Organisation und insbesondere das Marketing durch die Stadt oderandere starke Partner vor Ort gefördert werden. Die Stadt könnte zum Bei-spiel eigene Mitarbeiter für diese Aufgabe einsetzen. Sie könnte auch regio-nale Banken, den Gewerbeverein und/oder die Wirtschaftsförderung zurMitarbeit bewegen.

SB: Alle, Stadt, Geschäfte und Vereine etc. müssten jeweils ein Extra-Konto aufma-chen, das speziell nur für diese Regionalwährung oder sagen wir für die “an dieStadt gebundenen Gelder” gedacht ist und über das keine anderen Zahlungenabgewickelt werden?

AS: Händler, Vereine und die Stadt machen für das Regiogeld normale Bank-konten auf bei einer Genossenschaftsbank oder bei der Sparkasse. Die Ban-ken führen diese zusätzlichen Konten für das Regiogeld oft gebührenfrei.Durch eine spezielle Vereinbarung mit der Regios eG in Rosenheim (mit derdie Eurasburger zusammen arbeiten) wird das Euro-Konto zum Regiogeld-Konto. Jeder Euro, der über diese Bankkonten läuft, wird als Regio behan-delt. Kommt ein Euro von "außen" neu auf ein Regiogeldkonto, fließen

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Spenden an einen Tübinger Verein, verlässt er den Kreis der Regiogeld-konten, zahlt der Kontoinhaber Rücktauschgebühren.

SB: Wie viele Regiowährungen hat die REGIO e.V. Eurasburg denn schon ange-stoßen?

AS: Der REGIO eV startete mit der Herausgabe der Gutscheinwährung in sei -ner Heimat, dem Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Dann schlossen sichGruppen der umliegenden Landkreise an. So gibt es verschiedene Serienvon Gutscheinen, die jeweils mit den Namen der Region beschriftet sind.Inzwischen gibt es den Regio auch in Darmstadt und es laufen Gesprächemit weiteren Gruppen außerhalb Bayerns.

SB: In Darmstadt gibt es den Regio offenbar seit zwei Jahren, aber die Liste dermitmachenden Beitriebe ist sehr bescheiden.

AS: Das ist genau das Problem, wenn so eine Initiative ausschließlich vonEhrenamtlichen aufgebaut und betrieben wird. Es geht dann eben sehrlangsam voran und das ist für alle Beteiligten oft frustrierend. Wenn dieStadt Tübingen so eine Regionalwährung starten würde, dann würde sie dieInitiative ja sicher nicht an eine kleine Gruppe Ehrenamtlicher abgeben undsich dann nicht mehr darum kümmern. Sie würde vermutlich selbst dafürWerbung machen und auch darauf achten, dass starke Partner für die Orga-nisation zur Verfügung stehen. Dann sähe die Bilanz nach zwei Jahren sicherganz anders aus.

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