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Kongressbericht: Jetzt die Forschung in die Praxis u ¨ berfu ¨ hren! Bericht von der 5. Tagung des Fo ¨ rderschwer- punktes ’’ Patient als Partner im medizinischen Entscheidungsprozess’’ Am 29. Mai 2007 trafen sich in Freiburg 120 Teilnehmer, um sich daru ¨ber zu informieren und zu diskutieren, wie in Deutschland der aktuelle Stand in Sachen Partizipativer Ent- scheidungsfindung ist. Die Fo ¨rderung ver- schiedener Projekte und Ansa ¨tze zur Umset- zung einer Partizipativen Entscheidungsfin- dung ist jetzt beendet. Nun kommt es darauf an, die Erkenntnisse fu ¨r A ¨ rzte, Angeho ¨rige von Gesundheitsberufen und Patienten in gleicher Weise praktisch anwendbar zu ma- chen. Und dies, so der Tagungspra ¨sident Prof. Martin Ha ¨rter in seiner einfu ¨hrenden Rede, kann nur mit Unterstu ¨tzung aller Akteure im Gesundheitswesen gelingen. ’’ Jetzt muss es von den Modellprojekten in die Fla ¨che gehen!’’ fordert die parlamentari- sche Staatssekreta ¨ rin Marion Caspers-Merk. Das Bundesgesundheitsministerium hat wa ¨ h- rend der letzten sechs Jahre das Programm ’’ Patient als Partner im medizinischen Ent- scheidungsprozess mit 3,6 Millionen Euro gefo ¨ rdert. Alle Akteure im Gesundheitswesen wie zum Beispiel Krankenkassen oder A ¨ rzte- kammern sind jetzt angesprochen, die Ergeb- nisse und Inhalte dieses Fo ¨ rderprojekts aufzu- greifen. Es reicht nicht, gute Modellprojekte zu haben, so Frau Caspers-Merk, sie mu ¨ ssen auch in der Praxis verankert werden! Die Erkenntnisse, die wa ¨ hrend der Fo ¨ rderpha- se gewonnen wurden, besta ¨ tigen dies. Denn eine Partizipative Entscheidungsfindung hat positive Auswirkungen bei A ¨ rzten ebenso wie bei Patienten. Die Zufriedenheit auf beiden Seiten verbessert sich, der Umfang mitgeteil- ter Informationen wird gro ¨ ßer, und Entschei- dungskonflikte nehmen ab. Eine bessere Krankheitsbewa ¨ ltigung und ho ¨ here Therapie- treue haben letztlich auch eine positive Aus- wirkung auf die o ¨ konomische Situation im Gesundheitswesen. Wa ¨ hrend der vergangenen zwei Jahre fokus- sierte die Fo ¨ rderung daher auf den Transfer der Erkenntnisse in die Praxis. In vier Bei- tra ¨gen wurde vorgestellt, wie dieser Transfer von der Forschung in die Praxis aussehen kann. Die Referenten waren Dr. Birgitt van Oorschot (Jena/Wu ¨ rzburg), PD Dr. Christoph Heesen (Hamburg), Dr. Christiane Bieber (Heidelberg) und Dr. Andreas Loh (Freiburg). Die vorgestellten Projekte setzen insbesonde- re auf die Integration der Partizipativen Ent- scheidungsfindung in die Aus-, Fort- und Weiterbildung und auf Patientenschulungen mit Hilfe von speziellen Entscheidungshilfen (decision aids). Das Prinzip der ’’ PEF’’ gilt daru ¨ ber hinaus fu ¨ r alle Patienten und in allen Situationen. Das wurde durch ein Projekt mit Tumorpatienten in der Finalphase deutlich. In diesen Fa ¨ llen mu ¨ ssen besonders die An- geho ¨ rigen mit ins Boot geholt werden. Viel Resonanz auf das Konzept der Partizipa- tiven Entscheidungsfindung findet sich bereits jetzt auch bei Projekten außerhalb der gefo ¨ r- derten Maßnahmen. Die erste Patienten- universita ¨ t in Deutschland (www.patienten- universitaet.de) vorgestellt von Frau Prof. Marie-Luise Dierks, bietet Ausbildungspro- gramme fu ¨ r Patientenvertreter, Patienten und Angeho ¨ rige sowie fu ¨ r gesunde Bu ¨ rgerinnen und Bu ¨ rger an. Ihr Ziel: Vermittlung von Ge- sundheitswissen und Entscheidungskompe- tenz. Es gilt, Patienten und Bu ¨ rger fit zu ma- chen im Umgang mit Gesundheitsfragen, unserem Gesundheitssystem und seinen Akteu- ren und zwar auch in Sachen Entscheidungs- findung! Eine einheitliche Informationsbasis fu ¨ r Arzt und Patient hat eine Schlu ¨ sselrolle in der gemeinsamen Entscheidungsfindung. Je- doch sind Informationen fu ¨rA ¨ rzte von Patien- ten schwer zu verstehen, stellt Dr. Sylvia Sa ¨nger vom A ¨ rztlichen Zentrum fu ¨ r Qualita ¨t in der Medizin fest. Eine mo ¨ gliche Lo ¨ sung ist die patientenorientierte U ¨ bersetzung a ¨ rztli- cher Informationen in PatientenLeitlinien, wie im Programm fu ¨ r Nationale VersorgungsLeitli- nien praktiziert (www.versorgungsleitli- nien.de). Eine der bedeutendsten Evidenz- quellen fu ¨ r Patienten zu erschließen, ist das ehrgeizige Konzept des Deutschen Cochrane Zentrums berichtet Dr. Britta Lang. Die Co- chrane Library entha ¨ lt systematische U ¨ ber- sichtsarbeiten u ¨ ber den Nutzen und die Wirk- samkeit verschiedener medizinischer Maßnah- men. Diese U ¨ bersichtsarbeiten sind jedoch von Laien nicht zu verstehen. Laienversta ¨ nd- liche Zusammenfassungen in deutscher Spra- che fu ¨ r Bu ¨ rgerinnen und Bu ¨ rger sollen hier Abhilfe schaffen (www.cochrane.org/ reviews/index_de.htm). In einer stark besetzten Podiumsdiskussion am Nachmittag wurde daru ¨ ber diskutiert, was noch getan werden muss, um das Kon- zept der Partizipativen Entscheidungsfindung tatsa ¨ chlich in die Praxis zu u ¨ berfu ¨ hren. Partizipative Entscheidungsfindung erfordert eine Verhaltensa ¨ nderung bei den Jahrhunder- te lang eingeu ¨ bten Rollen von Arzt und Pati- ent. Die Vera ¨ nderung fa ¨ ngt also in den Ko ¨ pfen an, sagt Hilde Schulte, die Bundesvor- sitzende der Frauenselbsthilfe nach Krebs. Pa- tienten sollten auch in solche Diskussionen sta ¨ rker einbezogen werden. Die Veranstal- tung war sehr ’’ Experten lastig’’, beklagt Frau Schulte. Sie sieht die Mo ¨ glichkeiten und Ak- zeptanz der Selbsthilfe von a ¨ rztlicher Seite nicht ausreichend beru ¨ cksichtigt. Gerade bei Krebserkrankungen sei eine partnerschaftliche Entscheidungsfindung besonders wichtig, aber nicht um jeden Preis. Informations- bedu ¨ rfnis, Entscheidungskompetenz und Be- lastbarkeit sind keine feststehenden Dinge. Sie ko ¨ nnen sich im Verlauf einer Erkrankung vera ¨ ndern. Um eine gemeinsame Entschei- dung zu ermo ¨ glichen, braucht es eine patien- tengerechte Sprache. Frau Schulte ist skep- tisch, ob sich der Begriff ’’ PEF’’ bei Patienten vermitteln la ¨ sst. Die Selbsthilfe hat im Hin- blick auf Patientenbeteiligung und Patienten- kompetenz viel geleistet. ’’ Nutzen Sie unsere Potenziale!’’ fordert Hilde Schulte in ihrem Statement. A ¨ rzte und Wissenschaftler sind derzeit noch nicht umfassend bereit, die Kompetenz der Patienten anzuerkennen, stellt Manfred Wo ¨lfert, Mitglied des Bundesvorstandes des Deutschen Diabetiker Bundes fest. Auch er fordert, dass die Selbsthilfe von den An- geho ¨ rigen aller Gesundheitsberufe mehr und besser wahrgenommen wird. ’’ Wir haben zwar nur 40.000 Mitglieder bei 7–8 Millionen Betroffenen, die in ungefa ¨ hr 850 Selbsthilfe- gruppen zusammen geschlossen sind, aber sie – so Manfred Wo ¨ lfert – ko ¨ nnen eine gan- ze Menge bewirken!’’ Er sieht eine erfolgrei- che Strategie darin, Kra ¨ fte und Kompetenzen zu bu ¨ ndeln, wie zum Beispiel mit dem Natio- nalen Aktionsforum Diabetes mellitus gesche- hen. Auch die Beteiligung an der Leitlinienar- beit ha ¨lt er fu ¨ r sehr wichtig. ’’ Es ist nur noch eine Frage der Zeit, dass Pati- enten nicht mehr als Kinder behandelt wer- den’’ sagt Hilda Bastian vom Institut fu ¨r Qualita ¨ t und Wirtschaftlichkeit im Gesund- heitswesen. Sie sieht im Empowerment der Patienten den zentralen Punkt, bei dem man ansetzen mu ¨ sse. Denn: ’’ Die Entscheidung, eine bestimmte Tablette zu schlucken, fa ¨ llt doch nicht in der Arztpraxis, sondern dann, wenn die Tablette tatsa ¨ chlich geschluckt wird’’ gibt Hilda Bastian zu bedenken. Sie for- dert den Abbau von Barrieren, mehr Zeit fu ¨r das Arzt-Patienten-Gespra ¨ ch, mehr und bes- sere Informationen und mehr Ansprechpart- ner fu ¨ r Patienten. Die erfolgreiche Implementierung von For- schungsvorhaben, wie der gemeinsamen Entscheidungsfindung, braucht auf ihrem Weg in die Praxis auch U ¨ bungsfelder mit ARTICLE IN PRESS Z.a ¨ rztl. Fortbild. Qual.Gesundh.wes. (ZaeFQ) doi:10.1016/j.zgesun.2007.08.022 445 ZaeFQ-Service

Kongressbericht: Jetzt die Forschung in die Praxis überführen!

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Kongressbericht: Jetzt die Forschung

in die Praxis uberfuhren! ZaeFQ-Service

Bericht von der 5. Tagung des Forderschwer-punktes

’’Patient als Partner im medizinischen

Entscheidungsprozess’’

Am 29. Mai 2007 trafen sich in Freiburg 120Teilnehmer, um sich daruber zu informierenund zu diskutieren, wie in Deutschland deraktuelle Stand in Sachen Partizipativer Ent-scheidungsfindung ist. Die Forderung ver-schiedener Projekte und Ansatze zur Umset-zung einer Partizipativen Entscheidungsfin-dung ist jetzt beendet. Nun kommt es daraufan, die Erkenntnisse fur Arzte, Angehorigevon Gesundheitsberufen und Patienten ingleicher Weise praktisch anwendbar zu ma-chen. Und dies, so der TagungsprasidentProf. Martin Harter in seiner einfuhrendenRede, kann nur mit Unterstutzung allerAkteure im Gesundheitswesen gelingen.

’’Jetzt muss es von den Modellprojekten in

die Flache gehen!’’ fordert die parlamentari-sche Staatssekretarin Marion Caspers-Merk.Das Bundesgesundheitsministerium hat wah-rend der letzten sechs Jahre das Programm

’’Patient als Partner im medizinischen Ent-

scheidungsprozess mit 3,6 Millionen Eurogefordert. Alle Akteure im Gesundheitswesenwie zum Beispiel Krankenkassen oder Arzte-kammern sind jetzt angesprochen, die Ergeb-nisse und Inhalte dieses Forderprojekts aufzu-greifen. Es reicht nicht, gute Modellprojektezu haben, so Frau Caspers-Merk, sie mussenauch in der Praxis verankert werden!

Die Erkenntnisse, die wahrend der Forderpha-se gewonnen wurden, bestatigen dies. Denneine Partizipative Entscheidungsfindung hatpositive Auswirkungen bei Arzten ebenso wiebei Patienten. Die Zufriedenheit auf beidenSeiten verbessert sich, der Umfang mitgeteil-ter Informationen wird großer, und Entschei-dungskonflikte nehmen ab. Eine bessereKrankheitsbewaltigung und hohere Therapie-treue haben letztlich auch eine positive Aus-wirkung auf die okonomische Situation imGesundheitswesen.

Wahrend der vergangenen zwei Jahre fokus-sierte die Forderung daher auf den Transferder Erkenntnisse in die Praxis. In vier Bei-tragen wurde vorgestellt, wie dieser Transfervon der Forschung in die Praxis aussehenkann. Die Referenten waren Dr. Birgitt vanOorschot (Jena/Wurzburg), PD Dr. ChristophHeesen (Hamburg), Dr. Christiane Bieber(Heidelberg) und Dr. Andreas Loh (Freiburg).Die vorgestellten Projekte setzen insbesonde-re auf die Integration der Partizipativen Ent-scheidungsfindung in die Aus-, Fort- und

Z.arztl. Fortbild. Qual.Gesundh.wes. (ZaeFQ)doi:10.1016/j.zgesun.2007.08.022

Weiterbildung und auf Patientenschulungenmit Hilfe von speziellen Entscheidungshilfen(decision aids). Das Prinzip der

’’PEF’’ gilt

daruber hinaus fur alle Patienten und in allenSituationen. Das wurde durch ein Projekt mitTumorpatienten in der Finalphase deutlich. Indiesen Fallen mussen besonders die An-gehorigen mit ins Boot geholt werden.

Viel Resonanz auf das Konzept der Partizipa-tiven Entscheidungsfindung findet sich bereitsjetzt auch bei Projekten außerhalb der gefor-derten Maßnahmen. Die erste Patienten-universitat in Deutschland (www.patienten-universitaet.de) vorgestellt von Frau Prof.Marie-Luise Dierks, bietet Ausbildungspro-gramme fur Patientenvertreter, Patienten undAngehorige sowie fur gesunde Burgerinnenund Burger an. Ihr Ziel: Vermittlung von Ge-sundheitswissen und Entscheidungskompe-tenz. Es gilt, Patienten und Burger fit zu ma-chen im Umgang mit Gesundheitsfragen,unserem Gesundheitssystem und seinen Akteu-ren und zwar auch in Sachen Entscheidungs-findung! Eine einheitliche Informationsbasisfur Arzt und Patient hat eine Schlusselrolle inder gemeinsamen Entscheidungsfindung. Je-doch sind Informationen fur Arzte von Patien-ten schwer zu verstehen, stellt Dr. SylviaSanger vom Arztlichen Zentrum fur Qualitatin der Medizin fest. Eine mogliche Losung istdie patientenorientierte Ubersetzung arztli-cher Informationen in PatientenLeitlinien, wieim Programm fur Nationale VersorgungsLeitli-nien praktiziert (www.versorgungsleitli-nien.de). Eine der bedeutendsten Evidenz-quellen fur Patienten zu erschließen, ist dasehrgeizige Konzept des Deutschen CochraneZentrums berichtet Dr. Britta Lang. Die Co-chrane Library enthalt systematische Uber-sichtsarbeiten uber den Nutzen und die Wirk-samkeit verschiedener medizinischer Maßnah-men. Diese Ubersichtsarbeiten sind jedoch vonLaien nicht zu verstehen. Laienverstand-liche Zusammenfassungen in deutscher Spra-che fur Burgerinnen und Burger sollen hierAbhilfe schaffen (www.cochrane.org/reviews/index_de.htm).

In einer stark besetzten Podiumsdiskussionam Nachmittag wurde daruber diskutiert,was noch getan werden muss, um das Kon-zept der Partizipativen Entscheidungsfindungtatsachlich in die Praxis zu uberfuhren.

Partizipative Entscheidungsfindung erforderteine Verhaltensanderung bei den Jahrhunder-te lang eingeubten Rollen von Arzt und Pati-ent. Die Veranderung fangt also in denKopfen an, sagt Hilde Schulte, die Bundesvor-sitzende der Frauenselbsthilfe nach Krebs. Pa-

tienten sollten auch in solche Diskussionenstarker einbezogen werden. Die Veranstal-tung war sehr

’’Experten lastig’’, beklagt Frau

Schulte. Sie sieht die Moglichkeiten und Ak-zeptanz der Selbsthilfe von arztlicher Seitenicht ausreichend berucksichtigt. Gerade beiKrebserkrankungen sei eine partnerschaftlicheEntscheidungsfindung besonders wichtig,aber nicht um jeden Preis. Informations-bedurfnis, Entscheidungskompetenz und Be-lastbarkeit sind keine feststehenden Dinge.Sie konnen sich im Verlauf einer Erkrankungverandern. Um eine gemeinsame Entschei-dung zu ermoglichen, braucht es eine patien-tengerechte Sprache. Frau Schulte ist skep-tisch, ob sich der Begriff

’’PEF’’ bei Patienten

vermitteln lasst. Die Selbsthilfe hat im Hin-blick auf Patientenbeteiligung und Patienten-kompetenz viel geleistet.

’’Nutzen Sie unsere

Potenziale!’’ fordert Hilde Schulte in ihremStatement.

Arzte und Wissenschaftler sind derzeit nochnicht umfassend bereit, die Kompetenz derPatienten anzuerkennen, stellt ManfredWolfert, Mitglied des Bundesvorstandes desDeutschen Diabetiker Bundes fest. Auch erfordert, dass die Selbsthilfe von den An-gehorigen aller Gesundheitsberufe mehr undbesser wahrgenommen wird.

’’Wir haben

zwar nur 40.000 Mitglieder bei 7–8 MillionenBetroffenen, die in ungefahr 850 Selbsthilfe-gruppen zusammen geschlossen sind, abersie – so Manfred Wolfert – konnen eine gan-ze Menge bewirken!’’ Er sieht eine erfolgrei-che Strategie darin, Krafte und Kompetenzenzu bundeln, wie zum Beispiel mit dem Natio-nalen Aktionsforum Diabetes mellitus gesche-hen. Auch die Beteiligung an der Leitlinienar-beit halt er fur sehr wichtig.

’’Es ist nur noch eine Frage der Zeit, dass Pati-

enten nicht mehr als Kinder behandelt wer-den’’ sagt Hilda Bastian vom Institut furQualitat und Wirtschaftlichkeit im Gesund-heitswesen. Sie sieht im Empowerment derPatienten den zentralen Punkt, bei dem manansetzen musse. Denn:

’’Die Entscheidung,

eine bestimmte Tablette zu schlucken, falltdoch nicht in der Arztpraxis, sondern dann,wenn die Tablette tatsachlich geschlucktwird’’ gibt Hilda Bastian zu bedenken. Sie for-dert den Abbau von Barrieren, mehr Zeit furdas Arzt-Patienten-Gesprach, mehr und bes-sere Informationen und mehr Ansprechpart-ner fur Patienten.

Die erfolgreiche Implementierung von For-schungsvorhaben, wie der gemeinsamenEntscheidungsfindung, braucht auf ihremWeg in die Praxis auch Ubungsfelder mit

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Sparringspartnern. Sicher ist eine Patienten-universitat nicht die Losung aller Probleme inder Arzt-Patienten-Kommunikation, abersie ist ein wichtiges Ubungsfeld, so FrauProf. Marie-Luise Dierks von der Medizini-schen Hochschule Hannover. Auch sie stimmtder Aussage von Frau Schulte zu, dass Veran-derung in den Kopfen anfangt. Aber dazu, soFrau Prof. Dierks, muss man die Kopfe ersteinmal dazu bringen, dass sich etwas bewegtin ihnen! ,,Hier mussen wir alle zusammen ar-beiten und unsere Initiativen und Erfahrungenbundeln’’, fordert Frau Dierks.

Das Gefuhl, zwischen den Stuhlen zu sitzen,hat Rolf Heine, Prasidiumsmitglied im Deut-schen Pflegerat. Die Pflege ist der Mittler zwi-schen Arzten und Patienten.

’’Wenn die Visite

durch ist, werden wir von den Patienten ge-fragt, was die Arzte nun eigentlich gesagt ha-ben’’. Daher nehmen die Angehorigen derPflegeberufe eine Dolmetscherfunktion zwi-schen Arzten und Patienten wahr. In der pfle-gerischen Praxis gibt es also bezuglich der Pa-tientenkommunikation ahnliche Probleme wiebei Arzten. Wir brauchen neben der

’’spre-

chenden’’ auch die’’horende’’ Medizin, for-

dert Heine. Denn nur so konne der tatsach-liche Heilungsbedarf des Patienten erkanntwerden. Er beklagt daruber hinaus, dass es inder Krankenpflege noch zu sehr darum gehe,Krankheiten zu lindern oder zu beseitigen,nicht aber gemeinsam mit dem PatientenRessourcen zur Gesundung zu suchen. Die

’’glatten Behandlungspfade’’, die von den

DRG’s vorgegeben sind, bieten laut Heinenicht genugend Spielraum, diese horendeMedizin umzusetzen. In der Ausbildung seidas Thema der Patienteneinbeziehung mit80–100 Stunden aber ganz gut verankert.

Es gibt von Seiten der Krankenkassen bereitseinen langen Katalog erfolgreicher Maßnah-men zur Unterstutzung und Verbesserung derArzt-Patienten-Beziehung, berichtet Dr. Wer-ner Gerdelmann vom Verband der Ange-stelltenkrankenkassen. In neutralen und ob-jektiven Informationen sieht er die wichtigsteMoglichkeit der Starkung der Patientenkom-petenz. Auch mussen Patienten besser darinunterstutzt werden, fur sie geeignete Arzteund geeignete Krankenhauser zu finden. Esmangelt nicht an Daten, so Gerdelmann, viel-mehr mussen diese zusammen gefuhrt undpatientenverstandlich aufbereitet werden.

Uberzeugt davon, dass Partizipative Entschei-dungsfindung machbar ist, ist Prof. WilhelmNiebling, Vorstandsmitglied der Vereinigungder Hochschullehrer und Lehrbeauftragten furAllgemeinmedizin. Ideale Felder der Anwen-

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dung seien chronische Erkrankungen und dieRisikoabschatzung und -kommunikation.Erschwernisse fur die Umsetzung sieht Prof.Niebling im Mangel an Zeit, der Unfahigkeitmancher Arzte zuzuhoren, im Gebrauch einerfur Patienten unverstandlichen Wissenschafts-sprache und in der Vermittlung

’’kontaminier-

ter’’ (also interessengeleiteter) Informationen.Seine Wunsche zum Gelingen der gemeinsamenEntscheidungsfindung sind: valide Informa-tionen, praktische Entscheidungshilfen, In-tegration der PEF in die Aus-, Fort- und Wei-terbildung, positive Anreizsysteme, modifizier-te Pauschalen, sowie eine gehorige PortionZuversicht und Mut!

Mit dem Konzept der Partizipativen Entschei-dungsfindung sind wir schon lange nichtmehr im Elfenbeinturm der Wissenschaft,stellt Prof. Martin Harter vom Forderschwer-punkt

’’Patient als Partner im medizinischen

Entscheidungsprozess’’ fest. Es sei ein erfolg-reiches Programm absolviert worden. Die Lis-te der diskutierten Strategien einer Uberfuh-rung der PEF in die Praxis ist lang, Ideen undUmsetzungskonzepte sind also reichlich vor-handen. Dazu gehort der Ausbau der Aus-,Fort- und Weiterbildung, Patientenschulun-gen, ein PEF-Curriculum fur Patienten undMultiplikatoren, Mediatorenschulungen furPatienten und Gesundheitsberufe, die Schaf-fung von Anreizsystemen fur PEF, die Ent-wicklung von Entscheidungshilfen, der Auf-bau einer Patientenbibliothek zu Entschei-dungshilfen, die Leitlinienimplementierunggemeinsam mit Patienten, der Ausbau vonKooperationen mit anderen Einrichtungenund der Selbsthilfe, die starkere Beteiligunganderer medizinischer Berufsgruppen, dietransparente Darstellung von Versorgungsda-ten, die Anerkennung der EbM als methodi-sche Grundlage fur PEF und die Starkung derDimension Patientenorientierung als Qua-litatsindikator.

’’Erfolgreiches darf mit Auslauf der Forderung

nicht zu Ende sein. Wir brauchen jetzt jeman-den, der das Steuerrad in die Hand nimmt!’’fordert Prof. Harter. Eine mogliche Losungkonne de Einrichtung einer koordinierendenGeschaftsstelle sein.

Unmittelbar im Anschluss an die 5. Tagungdes Forderschwerpunktes schloss sich die 4thInternational Shared Decision Making Confe-rence an. Sie stand unter dem Motto: ‘‘Shareddecision-making in diverse health care sys-tems: Translating research into practice’’ undnimmt somit den thematischen Faden der Ta-gung des Forderschwerpunktes

’’Patient als

Partner’’ wieder auf. Uber 200 Teilnehmer

Z.arztl. Fortb

aus 17 Landern diskutierten daruber, welche in-ternationalen Erfahrungen beim Transfer derForschung auf dem Gebiet der gemeinsamenEntscheidungsfindung in die Praxis gemachtwurden. Auch hier die wichtige Botschaft: Eskommt darauf an, alle Erfahrungen miteinanderzu vernetzen. Der Ausspruch: ’’Networks areWorknets’’ von Margarete Holmes-Rovner cha-rakterisiert dies sehr gut. Sich gegenseitig infor-mieren uber das, was erreicht wurde, ist nureine Seite der Medaille. Wir mussen unsere ver-schiedenen Bemuhungen um eine praktischeUmsetzung der gemeinsamen Entscheidungs-findung besser miteinander vernetzen. DemThema ’’Shared decision making in DiverseHealth Care Systems’’ widmete sich die Ausga-be 4/2007 der Zeitschrift fur arztliche Fortbil-dung und Qualitat im Gesundheitswesen/Ger-man Journal for Evidence and Quality in HealthCare.

Personlicher Eindruck der 5. Tagung desForderschwerpunktes Patient als Partner

’’Die Tagung finde ich sehr gelungen. Aber

solche Veranstaltungen brauchen mehr Brei-tenwirkung. Es geht letztlich nicht darum,die Guten noch besser zu machen, sondernmehr Gute zu machen. Fur die Arzte konnteich mir vorstellen, das Thema ‘‘shared decis-ion making’’ mit mehr Fortbildungspunktenzu honorieren. Patienten konnten mit ihrenErfahrungen aktiver in die Qualitatszirkelar-beit eingebunden werden. Auch beim Pati-enten sehe ich Ansatzpunkte. Das Gesund-heitsbedurfnis als elementarer Bestandteildes taglichen Lebens sollte schon in denSchulen geweckt werden. Und wir mussenehrlich sein in der Kommunikation mit unse-ren Patienten: Nicht jede Krankheit ist heil-bar. Wir mussen als Arzte unseren Patiententransportieren: Fur mein Wohlergehen binich selbst verantwortlich’’.

Sigurd Duschek

Patienten und Selbsthilfebeauftragter der KVBayern

Nahere Informationen zu beiden Tagung unter:http://www.patient-als-partner.de

Korrespondenzadresse:Dr. Sylvia SangerArztliches Zentrum fur Qualitat in der MedizinWegelystraße 3, Herbert-Lewin-Platz10623 BerlinTel.: 030 4005 2520Fax: 030 4005 2555E-Mail: [email protected]: www.azq.de

ild. Qual.Gesundh.wes. 101 (2007) 445–446www.elsevier.de/zaefq