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Konstruktion und Oberflächentechnik __________________________________________________ Konstruktion und Oberflächentechnik Potenzial der Oberflächentechnik für moderne Konstruktion Dipl.-Ing.P.Winkel DierasanteEntwicklungderTechnikstelltdenKonstrukteurhäufigvorneueHerausforderungen.Miniatu- risierung,gesteigerteLeistungbeiplatzsparenderKompaktbauweisefürteilweisesehrkomplexeAufgaben, aberauchGesichtspunktedesUmweltschutzes–VermeidungvontoxischenStoffen,Schonungderver- fügbarenRessourcen,Gebrauchsdauerverlängerung,VerwertungderReststoffeundAbfälleu.a.–sindzu berücksichtigen.DieEigenschaftenderkonventionellenWerkstoffereichenteilweisefürdieneuenAnforde- rungennichtmehrausunderfordernneueWege.DiemitderglobalenÖffnungderMärkteverbundeneAus- weitungvonProduktionundHandellässtdieGrenzenderVerfügbarkeitderbekanntenWerkstoffeimmer deutlicherwerdenundgemahntzusparsamemUmgang. DieOberflächentechnik,insbesonderedieGalvanotechnik,bietetgeradeimHinblickaufdiegenanntenAn- forderungeneineVielzahlvonMöglichkeitenzurRealisierungneuerKonstruktionen;dochsinddieseMög- lichkeitenvielenKonstrukteurenkaumodergarnichtbekannt.ZahlreicheFunktionenlassensichoberflä- chentechnischdurchggf.gezieltpartielleBeschichtungmitoptimalgeeignetenStoffenrealisieren,während derwesentlicheundmechanischtragendeTeilintrivialerenMaterialienwiebeispielsweiseEisen,Stahloder auchAluminiumausgeführtwird.DieGalvanotechnikerlaubtaberauchdieAbscheidungvonLegierungen mitneuenEigenschafteninZusammensetzungen,wiesieimRahmenderkonventionellenMetallgewin- nungnichterzeugbarsind;auchdieAbscheidungmetallischerSchichtenmitdispersivenEinlagerungenist möglich.SiegebendenOberflächenvölligneueEigenschaften,ohnedassderGrundwerkstoffgewechselt werdenmuss.SelbstganzeWerkstückelassensichvermittelsderOberflächentechnikmassivalsGalvano- plastikherstellen,ohnedassderWerkstoffthermischodermechanischbeanspruchtwird.DieVerfahrensind jedochnichtaufmetallischeWerkstoffebegrenzt:EskönnenauchNichtleiterwieKeramikoderKunststoffe beschichtet,aberauchnichtleitendeSubstanzenwiez.B.OxideoderCarbidebishinindennanoskalaren Bereichdispersivabgeschiedenwerden.Eslassensichaberauchisolierende,nichtleitendeWerkstoffe abscheidenbzw.ausdemGrundwerkstofferzeugen.DasbehandelbareTeilespektrumumfasstGroßteile, wiesiez.B.imMaschinenbauerforderlichsindbishinzuKleinstteilenimElektroniksektorbeispielssweise desKommunikationsbereichs;dabeispieltdiepartielleBeschichtungisolierenderKunststoffemitleitenden MetallbereichenwegenderGewichtseinsparungimRahmenderMiniaturisierungeinezunehmendeRolle. BeialledemlässtdieOberflächentechnikhöchsteQualitätbeiminimalemGewichtzu,wiesiez.B.inderLuft- undRaumfahrtwesentlicheVoraussetzungistimHinblickaufdieSicherheitderEndprodukte.Entsprechende ZertifikatedokumentierendieLeistungsfähigkeitderGalvanotechnikfürhöchsteAnforderungen. MitdennachfolgendenAusführungensolldemKonstrukteureinÜberblicküberdieoberflächentechnischen MöglichkeitenunddiewichtigstenVerfahrengegebenwerden. DieAusführungenwerdenanPraxis-Beispielen.vonzweiOberflächenwerkstättenausdemindustriellen Bereich,dieFa.PGEinEindhoven/NLunddieGalvanikdesSiemens-SchaltwerksinBerlin,konkretisiert, derenFertigungsspektreningegenseitigerErgänzungeinengroßenTeilderinderMechanikundElektro- technkrelevantenAnforderungenabdeckenunddieaufGrundihrerEinrichtungenhöchsteQualitätsansprü- cheerfüllenkönnen.

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Konstruktion und Oberflächentechnik__________________________________________________

Konstruktion und OberflächentechnikPotenzial der Oberflächentechnik für moderne KonstruktionDipl.-Ing.P.Winkel

Die�rasante�Entwicklung�der�Technik�stellt�den�Konstrukteur�häufig�vor�neue�Herausforderungen.�Miniatu-risierung,�gesteigerte�Leistung�bei�platzsparender�Kompaktbauweise�für�teilweise�sehr�komplexe�Aufgaben,�aber�auch�Gesichtspunkte�des�Umweltschutzes�–�Vermeidung�von�toxischen�Stoffen,�Schonung�der�ver-fügbaren�Ressourcen,�Gebrauchsdauerverlängerung,�Verwertung�der�Reststoffe�und�Abfälle�u.�a.�–�sind�zu�berücksichtigen.�Die�Eigenschaften�der�konventionellen�Werkstoffe�reichen�teilweise�für�die�neuen�Anforde-rungen�nicht�mehr�aus�und�erfordern�neue�Wege.�Die�mit�der�globalen�Öffnung�der�Märkte�verbundene�Aus-weitung�von�Produktion�und�Handel�lässt�die�Grenzen�der�Verfügbarkeit�der�bekannten�Werkstoffe�immer�deutlicher�werden�und�gemahnt�zu�sparsamem�Umgang.�Die�Oberflächentechnik,�insbesondere�die�Galvanotechnik,�bietet�gerade�im�Hinblick�auf�die�genannten�An-forderungen�eine�Vielzahl�von�Möglichkeiten�zur�Realisierung�neuer�Konstruktionen;�doch�sind�diese�Mög-lichkeiten�vielen�Konstrukteuren�kaum�oder�gar�nicht�bekannt.�Zahlreiche�Funktionen�lassen�sich�oberflä-chentechnisch�durch�ggf.�gezielt�partielle�Beschichtung�mit�optimal�geeigneten�Stoffen�realisieren,�während�der�wesentliche�und�mechanisch�tragende�Teil�in�trivialeren�Materialien�wie�beispielsweise�Eisen,�Stahl�oder�auch�Aluminium�ausgeführt�wird.�Die�Galvanotechnik�erlaubt�aber�auch�die�Abscheidung�von�Legierungen�mit�neuen�Eigenschaften�in�Zusammensetzungen,�wie�sie�im�Rahmen�der�konventionellen�Metallgewin-nung�nicht�erzeugbar�sind;�auch�die�Abscheidung�metallischer�Schichten�mit�dispersiven�Einlagerungen�ist�möglich.�Sie�geben�den�Oberflächen�völlig�neue�Eigenschaften,�ohne�dass�der�Grundwerkstoff�gewechselt�werden�muss.��Selbst�ganze�Werkstücke�lassen�sich�vermittels�der�Oberflächentechnik�massiv�als�Galvano-plastik�herstellen,�ohne�dass�der�Werkstoff�thermisch�oder�mechanisch�beansprucht�wird.�Die�Verfahren�sind�jedoch�nicht�auf�metallische�Werkstoffe�begrenzt:�Es�können�auch�Nichtleiter�wie�Keramik�oder�Kunststoffe�beschichtet,�aber�auch�nichtleitende�Substanzen�wie�z.�B.�Oxide�oder�Carbide�bis�hin�in�den�nanoskalaren�Bereich�dispersiv�abgeschieden�werden.�Es�lassen�sich�aber�auch�isolierende,�nicht�leitende�Werkstoffe�abscheiden�bzw.�aus�dem�Grundwerkstoff�erzeugen.�Das�behandelbare�Teilespektrum�umfasst�Großteile,�wie�sie�z.�B.�im�Maschinenbau�erforderlich�sind�bis�hin�zu�Kleinstteilen�im�Elektroniksektor�beispielssweise�des�Kommunikationsbereichs;�dabei�spielt�die�partielle�Beschichtung�isolierender�Kunststoffe�mit�leitenden�Metallbereichen�wegen�der�Gewichtseinsparung�im�Rahmen�der�Miniaturisierung�eine�zunehmende�Rolle.Bei�alledem�lässt�die�Oberflächentechnik�höchste�Qualität�bei�minimalem�Gewicht�zu,�wie�sie�z.�B.�in�der�Luft-�und�Raumfahrt�wesentliche�Voraussetzung�ist�im�Hinblick�auf�die�Sicherheit�der�Endprodukte.�Entsprechende�Zertifikate�dokumentieren�die�Leistungsfähigkeit�der�Galvanotechnik�für�höchste�Anforderungen.Mit�den�nachfolgenden�Ausführungen�soll�dem�Konstrukteur�ein�Überblick�über�die�oberflächentechnischen�Möglichkeiten�und�die�wichtigsten�Verfahren�gegeben�werden.Die�Ausführungen�werden�an�Praxis-Beispielen.�von�zwei�Oberflächenwerkstätten�aus�dem�industriellen�Bereich,�die�Fa.�PGE�in�Eindhoven/NL�und�die�Galvanik�des�Siemens-Schaltwerks�in�Berlin,�konkretisiert,�deren�Fertigungsspektren�in�gegenseitiger�Ergänzung�einen�großen�Teil�der�in�der�Mechanik�und�Elektro-technk�relevanten�Anforderungen�abdecken�und�die�auf�Grund�ihrer�Einrichtungen�höchste�Qualitätsansprü-che�erfüllen�können.�

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Grundlagen der GalvanotechnikDie�auf�elektrochemischen�Prozessen�basierenden�galvanischen�Verfahren�erfordern�die�Berücksichtigung�verschiedener�Reaktionsabläufe,�die�konstruktionsseitig�einzubeziehen�sind,�um�die�gewünschten�Ziele�auch�hinsichtlich�Qualität�und�Wirtschaftlichkeit�zu�erreichen.Galvanische�Prozesse�verlaufen�im�elektrischen�Feld�zwischen�Anode�und�Kathode.�Das�abzuscheidende�Metall�wird�in�wässrig�gelöster�Form�als�Ion�zur�Kathode�transportiert�und�dort�durch�Entladung�in�metal-lischer�Form�schichtbildend�abgeschieden.�Die�Verdichtung�des�elektrischen�Feldes�an�Spitzen�und�Kanten�führt�auf�Grund�der�physikalischen�Gesetzmäßigkeiten�dort�auch�zu�verstärkter�Metallabscheidung�(Abb.�1).�Um�gleichmäßige�Schichten�zu�erreichen,�wirkt�man�dem�entgegen�durch�entsprechende�Anordnung�der�zu�beschichtenden�Teile�im�galvanischen�Bad�oder�auch�durch�zusätzliche�Abschirmungen�und�Blenden,�die�das�elektrische�Feld�entsprechend�beeinflussen.�Andererseits�lassen�sich�auf�Grund�derselben�Gesetzmäßigkeiten�gezielt�unterschiedlich�dicke�Schichten�bis�hin�zu�unbeschichteten�Partien�am�gleichen�Teil�erzielen�(Abb.�2�und�3).

galvanische Beschichtung

Produkt

(Kathode) Elektrolyt

Anoden

Abb. 1:

Schematische Darstellung des für die galvanische Abscheidung

maßgeblichen elektrischen Feldes

Konst05A01.xls-FachZeich1

�������

galvanische Beschichtung

isolierende

Kunststoff-Blende

Produkt

(Kathode)

leitende (kathodische)

Abschirmung Elektrolyt

Anoden

Abb. 2:

Beeinflussung der Abscheidung durch Blenden und Abschirmungen

Konst05A02.xls-FachZeich1

Abb. 1: Schematische Darstellung des für die galvanische Abscheidung maßgeblichen elektrischen FeldesAbb. 2: Beeinflussung der Abscheidung durch Blenden und Abschirmungen

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Abb. 3: Abschirmvorrichtungen im Siemens-Schaltwerk zur partiellen Versilberung von Kontaktrohren (Bild: Siemens)

Die�aus�dem�galvanischen�Bad�abgeschiedene�Metallmenge�wird�durch�elektrolytische�Lösung�von�Anoden�aus�dem�gleichen�Material�ergänzt�oder�durch�Zugabe�entsprechender�Metallsalze,�so�dass�konstante�Galva-nisierbedingungen�und�damit�gleiche�Qualitätsvoraussetzungen�gegeben�sind.Da�der�galvanische�Prozess�auf�der�möglichst�gleichmäßigen�elektrischen�Leitfähigkeit�der�zu�beschichten-den�Oberflächen�basiert,�muss�die�Teile-Oberfläche�frei�sein�von�isolierenden�Verunreinigungen�durch�Fette,�Öle,�Farbreste�und�andere�mechanisch�anhaftende�Verschmutzungen,�aber�auch�von�Korrosionsprodukten�wie�Rost�etc.�Daher�erfordern�galvanische�Verfahren�vorhergehende�gründliche�Reinigungsprozesse.�Die�dabei�verwendeten�sauren�oder�alkalischen�Medien�dürfen�jedoch,�um�ihre�Wirksamkeit�nicht�zu�beein-trächtigen,�nicht�mit�einander�oder�mit�dem�eigentlichen�galvanischen�Bad�vermischt�werden,�deshalb�sind�zwischen�den�einzelnen�Bädern�sorgfältige�mehrstufige�Spülprozesse�notwendig,�die�gleichzeitig�zur�Rück-führung�eines�Teiles�der�mit�der�Ware�adhäsiv�ausgeschleppten�Chemikalien�dienen�können.�Deshalb�ist�konstruktionsseitig�zu�berücksichtigen,�dass�die�zu�galvanisierenden�Teile�ggf.�Ablauf-�bzw.�Entlüftungsboh-rungen�besitzen,�um�den�Flüssigkeitsaustrag�durch�Schöpfwirkung�zu�verhindern�(Abb.�4).

.Falsch

.Richtig

Abb. 4:

Schöpfende und dombildende Partien sind konstruktiv zu

vermeidenKonst05A04.xls-Fachzeich1

Abb. 4: Schöpfende und dombildende Partien sind konstruktiv zu vermeiden

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Vorbehandlung Galvanisiern Nachbehandlung

Reinigen

Spülen

Spülen

Beizen

Spülen

Spülen

Ga

lva

nis

iere

n

Spülen

Spülen

Passivieren

Spülen

Spülen

Trocknen

Recycling

Abb. 5:

Der Galvanisierprozess erfordert eine Vielzahl an Bädern, um die Qualität

zu sichern - vereinfachte schematische DarstellungKonst05A5.xls-FachZeich1

Abb. 5: Der Galvanisierprozess erfordert eine Vielzahl an Bädern, um die Qualität zu sichern – vereinfachte schematische Darstellung

Diese�erforderlichen�Vorbehandlungs-�und�Spülprozesse�führen�dazu,�dass�Galvaniken�jeweils�aus�einer�Viel-zahl�von�Bädern�bestehen,�die�nacheinander�durchlaufen�werden,�um�am�Ende�eine�qualitativ�hochwertige�Beschichtung�zu�erzielen�(Abb.�5).�Durch�zahlreiche�Mess-�und�Steuergeräte�werden�die�chemischen�und�physikalischen�Galvanisier-Bedingungen�überwacht�und�die�Sollwerte�konstant�gehalten.�Die�elektrische�und�elektronische�Überwachung�ermöglicht�auch�eine�weitgehend�lückenlose�Dokumentation�der�den�je-weiligen�Teilen�zugeordneten�Galvanisier-Bedingungen,�so�dass�hierüber�die�Gewährleistung�der�Qualität�werkstückspezifisch�erbracht�werden�kann.

Konstruktive Voraussetzungen für galvanische BehandlungFast�alle�Werkstückformen�lassen�sich�galvanisch�behandeln.�Doch�kann�der�Aufwand�erheblich�werden�und�die�Vorteile�der�Oberflächenbehandlung�aus�wirtschaftlichen�Gründen�in�Frage�stellen,�wenn�nicht�bestimm-te�Kriterien�bei�der�Konstruktion�berücksichtigt�werden.�Bei�der�galvanischen�Behandlung�handelt�es�sich�immer�um�Tauchvorgänge�in�Flüssigkeiten.�Die�Werkstückgestaltung�muss�daher�Schöpf-�und�Dombildung�vermeiden,�um�Austrag�den�von�Flüssigkeit�und�damit�Verunreinigung�nachfolgender�Behandlungsmedien�sowie�die�Bildung�unbeschichteter�Partien�durch�Luftblasen�zu�verhindern�(Abb.�4).�Gegebenenfalls�muss�bei�der�Behandlung�eine�Drehbewegung�eingeplant�werden.�Sacklöcher�sind�zu�vermeiden�und�gleichfalls�enge�Spalten�und�Kapillaren;�in�ihnen�einmal�eingedrungener�Elektrolyt�ist�nur�schwer�wieder�zu�entfernen.Die�Ausbildung�scharfer�Kanten�und�Grate�für�die�spätere�Teilefunktion�sollte�so�weit�wie�möglich�vermie-den�werden.�Sie�kann�durch�Abschirmungen�und�Hilfs-Elektroden�kompensiert�werden,�doch�erfordert�das�höheren�Aufwand.�Da�die�galvanische�Behandlung�in�flüssigen�Medien�erfolgt,�sollten�die�Teile�Bohrungen�zur�Aufhängung�an�den�Galvanisier-Gestellen�aufweisen�(Abb.�6);�es�besteht�zwar�auch�die�Möglichkeit,�die�Teile�durch�Klemmen�zu�fixieren,�doch�entstehen�dadurch�Fehlstellen�in�der�Beschichtung,�die�dann�konstruktiv�an�unkritischen�Stellen�vorzusehen�sind.�Kleinteile�können�als�Schüttgut�in�rotierenden�Galva-nisier-Trommeln�behandelt�werden�(Abb.�7);�sie�sollten�jedoch�konstruktiv�so�gestaltet�sein,�dass�sie�sich�nicht�gegenseitig�verhaken�und�sich�während�der�Trommel-Rotation�verbiegen.�Eine�weitere,�z.�B.�bei�der�Beschichtung�von�Leadframes�für�die�Bauelemente-Herstellung�praktizierte�Möglichkeit�besteht�in�der�Beschichtung�im�Coil�als�durchlaufendes�flaches�Teile-Band,�bei�dem�die�Einzelteile�erst�nach�dem�Galva-nisieren�vereinzelt�werden�(Abb.�8);�hierbei�ist�konstruktiv�zu�beachten,�dass�die�Oberfläche�an�der�späteren�Trennstelle�unbeschichtet�bleibt.

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Abb. 6 : Galvanisieren von Einzelteilen an Gestellen (Bild: Siemens)

Abb. 7: Galvanisieren von Schüttgut in Trommeln (Bild: ATOTECH)

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Abb. 8: Galvanisieren am Coil (Bild: PGE)

Eine�immer�noch�vorherrschende�Meinung�rückt�die�Oberflächenbehandlung�meist�an�das�Ende�des�Produk-tionsganges,�und�man�meint,�dass�man�mit�der�Beschichtung�sämtliche�anderen�Fertigungsfehler�zudecken�kann.�Es�besteht�jedoch�ein�erhebliches�Ratio-Potential�darin,�dass�man�den�Galvanisierprozess�an�eine�für�die�Oberflächenbehandlung�möglichst�kostengünstige�Position�rückt.�Beispielsweise�lassen�sich�die�abge-schiedenen�Oberflächenschichten�in�nahezu�allen�Fällen�gemeinsam�mit�dem�Grundwerkstoff�verformen.�Wenn�bestimmte�Kriterien�bei�der�Werkzeugwahl�und�bei�der�Konstruktion�berücksichtigt�werden,�besteht�keine�Gefahr�durch�Oberflächenbeschädigungen.�Konstruktiv�bedeutet�das�für�zu�verformende�Blechteile,�dass�keine�zu�engen�Biegeradien�(>0,5�mm)�auftreten.�Selbst�Chromschichten�zeigten�in�entsprechenden�Versuchen�Tiefziehfähigkeit!�Ein�als�flaches�gestanztes�Blech�beschichtetes�Teil�kann�ohne�Hilfsmittel,�ggf.�sogar�als�Nutzen�aus�mehreren�Teilen�weit�gleichmäßiger�beschichtet�werden�als�nach�seiner�späteren�Ver-formung�(Abb.�9).�Auch�Prägungen�werden�von�den�meisten�Oberflächen�ohne�Beschädigung�der�Schicht�überstanden,�wenn�geeignete�Werkzeuge�zum�Einsatz�kommen.

a) b)

Fertigung als Teile-Nutzena) Galvanisieren vor der Verformung

b) Galvanisieren nach der Verformung

Konventionelle FertigungGalvanisieren nach Verformung und Vereinzelung am Einzelteil

Abb. 9:

Schematisch: Vergleich zwischen Beschichtung als Teilenutzen vor und als Einzelteil nach der VerformungKonst05A10.xls-FachZeich1

Abb. 9: Schematisch: Vergleich zwischen Beschichtung als Teilenutzen vor und als Einzelteil nach der Verformung

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Galvanische Standardverfahren und deren Einsatzbereiche Zunächst�wurden�galvanische�Verfahren�für�metallische,�d.�h.�elektrisch�leitende�Werkstoffe�angewendet.�In�jedem�Fall�muss�der�Grundwerkstoff�gegen�Korrosion�geschützt�werden,�um�seine�spätere�Funktion�mög-lichst�lange�erfüllen�zu�können.�Übliche�Grundwerkstoffe�sind�Eisen�und�Stahl,�aber�auch�Gusswerkstoffe�wie�z.�B.�Zinkdruckguss.�Aus�Gründen�der�Gewichtsersparnis�werden�heute�–�zunehmend�auch�im�Automo-bilbau�–�Aluminiumlegierungen�und�Kunststoffe�eingesetzt.�Während�man�metallische�Grundwerkstoffe�auf�Grund�ihrer�Leitfähigkeit�direkt�galvanisch�beschichten�kann,�sind�bei�nichtleitenden�Oberflächen�wie�Keramik,�Kunststoffe�etc.�spezielle�Vorbehandlungsschritte�erforderlich.�Sie�bestehen�in�der�Regel�aus�einem�Beizvorgang,�um�die�nötige�Aufrauhung�für�eine�gute�Haftung�der�später�aufzubringenden�metallischen�Schicht�zu�gewährleisten.�Es�folgt�dann�eine�Behandlung�mit�einer�dem�Grundwerkstoff�angepassten�Lösung,�die�zu�einer�auf�chemischer�Reaktion�ohne�Fremdstrom�basierenden�dünnen�Metallbeschichtung�führt,�die�danach�galvanisch�verstärkt�wird.�Bei�der�Beschichtung�von�Aluminium�oder�Magnesium�und�ihren�Legierungen�muss�der�galvanischen�Abscheidung�ein�Beizvor-gang�vorausgehen,�um�die�natürlich�gebildete�Oxidschicht�zu�entfernen.Reinheit�der�Teileoberflächen�und�damit�deren�elektrische�Leitfähigkeit�ist�das�oberste�Gebot�der�Galvanotechnik.Tab. 1: Wesentliche Anwendungsziele verschiedener Beschichtungen

Konst1005T.xls-Pub9

Wesentliche Anwendungsziele

Beschichtung

Haft-grund Löt-grund Bemerkungen

Chrom X X

Nickel X X

Nickel / 15 % Phosphor X

Nickel stromlos / 3-5 % P X X

Nickel stromlos / 6-9 % P X X

Nickel stromlos / 10-12 % P X X X

Kupfer X X X

Messing X X X X X

Bronze X X

Zink X

Zink-Eisen X

Zink-Nickel X

Silber X X X

Gold X

Rhodium X

Cadmium X X

Zinn X X X

Eloxal X X

Hart-Eloxal X X

Chromatier-Schicht X X

Brünier-Schichten X X

Phosphatier-Schichten X X X

Passivier-Schicht f.Edelstahl X X

Korro-sions-schutz

Ver-schleiß-schutz

Gleit-schicht

elektr. Kontakt

antiseptische Eigenschaften

nur für Sonder-zwecke

Tab. 1: Wesentliche Anwendungsziele verschiedener Beschichtungen

Die�Palette�der�Beschichtungswerkstoffe�umfasst�nahezu�sämtliche�in�der�heutigen�Technik�verwendeten�Metalle�(Tab.�1):�Zink�gilt,�insbesondere�in�Verbindung�mit�einer�chemischen,�passivierenden�Nachbehand-lung�als�klassische�Beschichtung�für�den�nachhaltigen�Korrosionsschutz,�ohne�die�beim�Feuerverzinken�unumgängliche�thermische�Belastung�der�Pro-dukte.�Für�dekorative�Schichten�mit�gleichzeitigem�Korro-sionsschutz,�wie�sie�im�Automobilbau�erforderlich�sind,�werden�vielfach�bewährte�Dreifach-Schichten�aus�Kupfer,�Nickel�und�Chrom�abgeschieden.�Zinnschichten�sind�vor�allem�im�Elektrik/Elektronik-Bereich�

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gefragt,�wo�nachfolgend�gelötet�werden�muss.�Cadmium�als�besonders�guter�Korrosionsschutz�ist�heute�wegen�seiner�toxischen�Eigenschaften�nur�noch�beim�Flugzeugbau�und�beim�Militär�gestattet.�Insbesondere�im�dekorativen�Bereich�und�vor�allem�in�der�Elektrik/Elektronik�ist�die�Abscheidung�von�Edelmetallen�wie�Silber,�Gold,�Rhodium�oder�Palladium�als�elektrische�Kontaktwerkstoffe�bedeutsam.�Die�üblichen�Schicht-dicken�liegen�in�Summe�zwischen�ca.�5�und�20�µm,�bei�den�Edelmetallen�niedriger,�teilweise�<�1�µm.�Hinzu�kommen�Legierungsschichten�aus�Messing�und�Bronze.�Für�die�weitreichenden�Korrosionsschutz-Forde-rungen�in�der�Automobil-Industrie�haben�neue�Entwicklungen�zu�Zink-Eisen�oder�Zink-Nickel-�Legierungen�geführt,�die�in�Verbindung�mit�einer�passivierenden�Nachbehandlung�oder�lackähnlicher�Zusatzschicht�einen�sehr�hohen�Korrosionsschutz�auch�bei�thermischer�Belastung,�wie�sie�auf�Grund�der�immer�komplexeren�und�kompakteren�Einbauten�in�den�Motorräumen�der�Kfz�anzutreffen�sind,�aufweisen.�Zur�klassischen�Galvanotechnik�rechnen�aber�auch�nicht�oder�wenig�leitende�Überzüge,�indem�die�Oberflä-che�des�Grundwerkstoffes�chemisch�verändert�wird�wie�z.�B.�beim�Eloxal�(anodisch�oxidiertes�Aluminium).�Bei�der�Eloxierung�von�Aluminium�wird�das�Werkstück�elektrisch�als�Anode�geschaltet�und�an�der�Oberflä-che�Aluminium�oxidiert.�Durch�Nachbehandlung�kann�die�Eloxal-Oberfläche�verschiedenartigst�eingefärbt�und�anschließend�in�heißem�Wasser�nachverdichtet�werden�(Abb.�10).�Dabei�schließt�sich�die�beim�Eloxie-ren�entstehende�wabenförmigen�Struktur�ggf.�unter�Einschluss�der�Farbstoffe�und�bildet�eine�sehr�verschleiß-�und�korrosionsfeste�nicht�leitende�Oberfläche.�Schichtdicke�und�Schichteigenschaften�lassen�sich�durch�die�gewählten�Verfahrensbedingungen�steuern.

anodisch gebildete

Aluminiumoxid-Schicht (Eloxal)

wabenförmig angeordnete

Poren

Aluminium-Grundwerkstoff

Abb. 10:

Schematischer Aufbau einer Eloxalschicht

Konst05A13.xls-FachZeich1

Abb. 10: Struktur der anodisch erzeugten Eloxal-Oberfläche

Eloxal-Oberflächen�werden�sowohl�im�Bautenbereich�für�dekorative�Zwecke�bei�der�Fertigung�elektrischer�Kondensatoren�wegen�der�isolierenden�Eigenschaften�oder�auch�für�hohe�mechanische�Beanspruchungen�bis�zu�50�µm�dicke�unter�dem�Namen�Hard-Eloxal�eingesetzt.��Dünnere�Oxidschichten�lassen�sich�in�ent-sprechenden�Lösungen�ohne�Fremdstrom�durch�chemisches�Oxidieren�erreichen,�die�für�zahlreiche�Zwecke,�auch�als�Haftvermittler�vor�anschließendem�Lackieren,�eingesetzt�werden.�–�Durch�Brünieren,�Behandlung�in�heißer�alkalischer�Lösung�und�anschließendes�Ölen,�lassen�sich�Eisenoberflächen�dekorativ�verändern.�Durch�chemisch�ohne�Fremdstrom�erfolgende�Phosphatierung�werden�seit�Jahrzehnten�aus�phosphorsauren�Lösungen�auf�der�Oberfläche�von�Eisen-�und�Zink-Werkstoffen�kristalline�Schichten�erzeugt,�die�beispiels-weise�hervorragend�zur�Aufnahme�von�Fetten�oder�Ölen�zwecks�Korrosionsschutz�oder�auch�zur�mecha-nischen�Schmierung�dienen,�insbesondere�aber�vor�nachfolgender�Lackierung�als�Haftvermittler�fungieren.Eine�weitere�Oberflächenbehandlung�besteht�im�Passivieren.�Hierbei�handelt�es�sich�um�sehr�dünne�oxi-dative�Oberflächenveränderungen,�die�jedoch�äußerst�wirksam�sein�können.�Z.�B.�lässt�sich�der�Korrosi-

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onsschutz�von�Edelstahl�durch�Beizen�und�Passivieren�in�Salpetersäure�steigern.�–�Insbesondere�werden�galvanisch�abgeschiedene�Zink-Oberflächen�durch�Chromatieren�oder�alternative�Cr-VI-freie�Lösungen�nachbehandelt�und�damit�der�Korrosionsschutz�wesentlich�verstärkt.�Durch�Galvanoplastik�erfolgt�die�Oberflächenbeschichtung�massiv�in�der�Sollschichtstärke�des�zu�produ-zierenden�Bauteils�z.�B.�auf�Aluminium�oder�auch�auf�leitend�gemachtem�Nichtleiter.�Nach�abgeschlossener�Beschichtung�wird�der�die�Form�bildende�Grundwerkstoff�chemisch�aufgelöst,�und�es�verbleibt�das�fertige�Produkt�als�massives�Metallteil�mit�galvanisch�erzeugter�Materialstärke�im�Millimeterbereich�zur�weiteren�mechanischen�Bearbeitung.�Unter�bestimmten�Bedingungen�lassen�sich�auch�mehrfach�verwendbare�Edel-stahlformen�verwenden.�Die�Beispiele�reichen�von�kleinen�Teilen�wie�z.�B.�Federbälgen�für�elektromecha-nische�Zwecke�(Abb.�11)�bis�hin�zu�Skulpturen�mit�Abmaßen�von�über�2�m�(Abb.�12).

Abb. 11: Galvanoplastisch hergestellte Federbälge für elektromecha-nische Zwecke (Bild: PGE)

Abb. 12: Galvanoplastisch hergestellte Skulptur von über 2 m Höhe des früheren Alhalter Bahnhofs in Berlin (Sammlung DTMB)

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Neue Oberflächentechniken und deren EinsatzgebieteDie�wachsenden�Anforderungen�in�der�modernen�Technik�haben�zu�immer�kompakteren�multifunktionalen�Einheiten�geführt,�mit�denen�neben�der�Miniaturisierung�auch�oft,�z.�B.�im�Bereich�der�Motorenelektronik�beim�Automobilbau�steigende�thermische�Belastungen�verbunden�sind.�Aus�wachsenden�Erkenntnissen�des�Gesundheitsschutzes�resultierten�Forderungen�nach�Substitution�toxischer�Materialien�wie�Cadmium,�Blei�oder�sechswertigem�Chrom,�weil�diese�Substanzen�durch�Abrieb�in�die�Umwelt�gelangen�können.��Diese�Forderungen�haben�zur�Entwicklung�neuer�Oberflächensysteme�geführt,�die�neben�der�Umweltentlastung�gleichzeitig�weiterreichende�technische�Ansprüche�erfüllen�können.Beispielsweise�wurde�bei�PGE�eine�sehr�harte�bis�zu�14�%�Phosphor�enthaltende�galvanisch�abscheidbare�Nickel-Phosphor-Schicht�entwickelt,�die�optimal�zerspanbar�ist.�Diese�NiP-Legierung�mit�einer�Härte�von�ca.�500�HV�lässt�sich�mittels�Ultra-Präzisionsbearbeitung�spanend�bearbeiten.�Die�dabei�erzielte�Rautiefe�liegt�bei�2�bis�4�nm�entspricht�so�einer�hochglanzpolierten�Oberfläche.�Der�Vorteil�liegt�darin,�dass�speziell�sphärische�Konfigurationen�durch�das�„Polieren“�nicht�verfälscht�werden.�Insbesondere�in�der�Werkzeugfer-tigung�zur�Herstellung�optischer�Produkte,�z.�B.�Kontaktlinsen,�kann�dies�erhebliche�Vorteile�ermöglichen.�Die�Bedeutung�des�Verfahrens�dokumentiert�sich�in�der�öffentlichen�Förderung�als�F+E�durch�das�BMBF��(Abb.�13).��Während�schmelzmetallurgisch�erzeugte�Legierungen�von�der�eutektischen�Zusammensetzung�bestimmt�werden,�lassen�sich�galvanisch�auch�Legierungen�anderer�Metallverteilung�und�damit�auch�anderer�Eigenschaften�abscheiden.

Abb. 13: Galvanisch erzeugte Nickel-Phosphor-Oberfläche für die Herstellung optischer Produkte mit sehr hohen Oberflächen-Anforderungen (Bild: PGE)

Neue�Entwicklungen�ermöglichen�die�Abscheidung�von�so�genannten�Dispersionsschichten,�das�sind�Be-schichtungen,�in�die�Fremdstoffe�eingelagert�sind,�um�die�Funktionseigenschaften�der�abgeschiedenen�Metallschicht�zweckgerichtet�zu�verbessern.�Für�elektrische�Schaltkontakte�zur�Übertragung�hoher�Leistung�wurde�z.�B.�eine�Silberschicht�mit�eingelagerten�Graphitpartikeln�entwickelt,�die,�ohne�die�Kontakteigen-schaften�zu�beeinträchtigen,�eine�Art�von�Selbstschmierung�bewirkt�und�damit�die�Gebrauchsdauer�der�Kon-takte�merklich�verbessert�(Abb.�14).�–�Zur�Steigerung�der�Reibfestigkeit�zur�Übertragung�möglichst�hoher�Drehmomente�in�der�Kfz-Technik�wurde�die�Ekagrip-Beschichtung�entwickelt;�dabei�handelt�es�sich�um�die�Mitabscheidung�von�keramischen�Partikeln�in�einer�Nickelschicht,�die�statt�des�konventionellen�mecha-nischen�Kraftschlussen�an�der�Oberfläche�von�Kraft-Übertragungswellen�eine�Art�Mikroverzahnung�bewirkt�und�damit�bis�zu�dreifach�höhere�Übertragungskräfte�zulässt�(Abb.�15).�–�Gegenwärtige�Entwicklungen�zielen�auf�die�Mitabscheidung�von�nanoskalaren�Partikeln,�nachdem�man�entdeckt�hat,�dass�kleinste�Partikel�dieser�Größenordnung�teilweise�völlig�neue�Eigenschaften�vermitteln.

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Abb. 14: Einrichtung zur Abscheidung von Silber-Graphit-Schichten für elektrische Kontakte nach einem von Siemens entwickelten Verfahren

Fugenpressung

Abb. 15:

Beispiel der Anwendung von Dispersionsschichten zur Erhöhung der

ReibhaftungKonst05A18.xls-FachZeich1

Abb. 15: Beispiel der Anwendung von Dispersionsschichten zur Erhöhung der Reibhaftung

Die�nachträgliche�Temperung�galvanisch�abgeschiedener�Schichten�ermöglicht�weitere�gezielte�Verbesse-rungen�innerhalb�der�Oberfläche,�ggf.�auch�unter�Legierungsbildung�an�den�Grenzen�zwischen�den�verschie-denen�Metallen�des�Grundwerkstoffs�und�der�galvanischen�Schicht�oder�auch�zwischen�zwei�galvanischen�Schichten.Durch�moderne�Mess-�und�Regelsysteme�lassen�sich�auch�die�Abscheidekriterien�sehr��gezielt�und�dadurch�z.�B.�auch�die�Struktur�und�Eigenschaften�der�galvanischen�Schichten�beeinflussen.�Neben�pH-Wert�und�den�physikalischen�Kriterien�(Stromdichte,�Temperatur�etc.)�sowie�neu�entwickelte�chemische�Badzusätze�lassen�sich�die�Schichteigenschaften�verändern,�beispielsweise�in�Zinnbädern�die�Neigung�zur�Whiskerbildung�,�ohne�dass�als�toxisch�eingestuftes�Blei�verwendet�werden�muss.�Ein�Teil�der�Metalle�lässt�sich�auch�che-misch�durch�Reduktion,�d.�h.�ohne�Fremdstrom�aus�entsprechenden�Lösungen�sehr�haftfest�abscheiden.�Ge-genüber�galvanischer�Beschichtung�weisen�stromlos�abgeschiedene�Schichten�eine�sehr�gleichmäßige�Dicke�

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auf�auch�an�exponierten�Teile-Partien,�da�der�Einfluss�der�elektrischen�Feldlinien�nicht�gegeben�ist.�Neben�Silber�oder�Gold�spielt�insbesondere�die�chemische�Nickel-Abscheidung�eine�bedeutende�Rolle,�wobei�durch�Einlagerung�von�bis�zu�12�%�Phosphor�eine�Legierungen�mit�hoher�Verschleißfestigkeit�entstehen.Auf�insbesondere�auch�in�der�Elektronik�verwendeten�keramischen�Werkstoffen�lassen�sich�durch�spezielle�Vorbehandlung�aus�funktionellen�Gründen�erforderliche�metallische�Schichten�gezielt�partiell�an�den�Funkti-onsstellen�abscheiden�(Abb.�16).�

�����Abb. 16: Beispiel der partiellen Metallisierung von Keramik für elektrische Zwecke (Bild: PGE)

In�Umkehr�des�galvanischen�Prozesses�ist�der�ggf.�auch�partiell�gezielte�Abtrag�von�Grundwerkstoff�mittels�Formteilätzen�möglich.�Mittels�chemischer�Behandlung�können�beispielsweise�Siebe�oder�Metallgitter�aus�verschiedenen�Grundwerkstoffen�wie�Aluminium,�Eisen,�Kupfer�und�anderen�hergestellt�werden;�auch�Glas�lässt�sich�auf�diesem�Weg�bearbeiten.�Allerdings�ist�die�Auswahl�der�durch�Formteilätzen�zugänglichen�Geo-metrien�begrenzt�(Abb.�17).�Durch�Elektropolieren�lassen�sich�Oberflächen�auf�elektrolytischem�Weg�glätten�und�damit�z.B.�für�spezielle�Anforderungen�in�der�Vakuumtechnik�zubereiten.

Abb. 17: Beispiel für Strukturen, die durch Formteilätzen hergestellt wurden (Bild: PGE)

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Qualitäts-Fragen und Umweltschutz Die�wachsenden�Qualitätsansprüche�an�die�Produkte�gelten�auch�für�die�Beschichtungen.�Heute�gehören�in�sämtlichen�Oberflächenbetrieben�die�Kontrolle�von�Schichtdicke,�Härte�und�Haftfestigkeit�zum�Standard.�Vor�Einführung�eines�neuen�Verfahrens�werden�in�meist�umfangreichen�Untersuchungsreihen�seitens�des�Verfahrens-Lieferanten,�aber�auch�in�Klima-Prüfkammern�des�Galvaniseurs�(Abb.�18)�und�auch�des�späteren�Anwenders�die�Korrosionsschutz-Eigenschaften�untersucht,�um�entsprechende�Gewährleistungen�sicher-zustellen.��Bei�Anforderungen�an�die�elektrische�Leitfähigkeit,�Anlaufbeständigkeit,�z.�B.�bei�Silber-Ober-flächen,�oder�Lötbarkeit�über�längere�Zeiträume�werden�diese�Parameter�zusätzlichen�speziellen�Prüfungen�unterzogen.�Für�mechanische�oder�elektromechanische�Aufgaben�stehen�tribologische�Prüfungs-Verfahren�zur�Verfügung�(Abb.�19).

Abb. 18: Neu entwickelte Schichten werden bei PGE in speziellen Klimakammern bezüglich ihrer Korrosionsresistenz getestet

Bei�besonders�sensiblen�Produkten,�z.�B.�in�der�Luft-�und�Raumfahrtindustrie�findet�jedoch�auch�eine��protokollierte�100-Prozent-Prüfung�an�jedem�Einzelteil�statt.�

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Abb. 19: Umfangreiche Messeinrichtungen bilden die Basis der Qualitätssicherung wie hier im PGE

Neben�den�Prüfungen�am�Produkt�erfolgt�eine�ständige�automatische�und/oder�manuelle�Überwachung�der�Behandlungsmedien�und�auf�Grund�der�Analysen�die�erforderliche�Korrektur�durch�Zugabe�der�betreffenden�Substanzen.�Um�den�Kunden�eine�möglichst�hohe�Sicherheit�und�Gewährleistung�für�die�galvanisierten�Teile�zu�geben,�wurden�international�nach�DIN�und�ISO�genormte�Qualitätsmanagementsysteme�eingeführt,�im�Rahmen�derer�die�Einrichtungen�der�Werkstätten,�die�Qualifikation�des�Personals�einschließlich�der�stän-digen�fachlichen�Weiterbildungsmaßnahmen�sowie�die�qualitätsbezogene�Organisation�turnusmäßig�von�neutralen�externen,�hierfür�offiziell�zugelassenen�Gremien�überprüft�werden.�Auditierungen�der�Mitarbeiter�gehören�zu�den�diesbezüglichen�Maßnahmen.�Die�Qualifikation�des�betreffenden�Betriebes�wird�schließlich�durch�ein�entsprechendes�Zertifikat�bescheinigt.�Die�allermeisten�Galvanik-Werkstätten�sind�heute�zertifi-ziert.��Die�teilweise�sehr�spezifischen�Anforderungen�insbesondere�bei�Neu-Konzeptionen�von�Produkten�erfordern�gelegentlich�von�Seiten�der�Oberflächentechnik�bedarfsabhängig�auch�Neuentwicklungen�–�meist�in�Zu-sammenarbeit�mit�dem�betreffenden�Kunden.�Für�derartige�Entwicklungsarbeiten�stehen�in�vielen�Betrieben�gesonderte�Badreihen�im�Technikumsmaßstab�zur�Verfügung�(Abb.�20),�in�denen�unter�produktionsnahen�Bedingungen�neue�Verfahren�erprobt�werden,�nachdem�ihre�Eignung�im�Labormaßstab�erwiesen�wurde.�Um�die�Entwicklungskosten�niedrig�zu�halten,�ist�jedoch�eine�möglichst�frühzeitige�Einbindung�der�Oberflächen-techniker�in�Konstruktions-Design-Planungen�sinnvoll.

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Abb. 20: In Technikumsanlagen bei PGE für ggf. erforderliche Neuentwicklungen für spezielle Kundenforderungen

Die�in�der�Oberflächentechnik�eingesetzten�Verfahren�sind�prinzipiell�seit�Jahrzehnten�erprobt.�Umwelttech-nische�Aspekte�wurden�bereits�seit�etwa�1935��berücksichtigt,�Material�und�Wasser�sparende�Verfahren�durch�teilweise�direkte�Rückführung�in�den�Prozess�auch�seit�diesem�Zeitpunkt�praktisch�angewendet.�Auch�die�Abluftaufbereitung�z.�B.�durch�Adsorber�für�Stickoxide,�wie�sie�in�Buntmetallbeizen�entstehen�können,�oder�für�organische�Lösemittel,�die�weitestgehend�zurückgewonnen�werden,�sind�seit�einem�halben�Jahrhundert�gängiger�Einrichtungsbestandteil�(Abb.�21,�22).

Abb. 21: Umfangreiche Einrichtungen zur Aufbereitung von Zu- und Abluft gehören zum Standard jeder Galvanik (Bild: Siemens)

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Der�beim�Galvanisieren�verfahrensbedingte�Umgang�mit�toxischen�Stoffen�wird�seit�Jahrzehnten�optimal�beherrscht.

Abb. 22: Zum Aufwand für den Umweltschutz zählen z. B. auch Anlagen zur Behandlung bzw. Kreislaufführung von Spülwässern wie hier im SIEMENS-Schaltwerk

Durch�Stoffstromtrennung�können�heute�aus�bei�der�Abwasserbehandlung�entstehenden�metallhaltigen�Schlämmen�in�dafür�ausgerüsteten�Unternehmen�die�Wertstoffe�isoliert�und�entweder�als�massives�Metall�oder�als�„künstliches�Erz“�der�Metallindustrie�zugeführt�werden.�Die�Kreislauftechnik�hat�es�ermöglicht,�den�Spülwasserbedarf�früherer�Jahre�auf�unter�fünf�Prozent�zu�reduzieren�und�neben�der�enormen�Wassereinspa-rung�gleichzeitig�noch�einen�Qualitätsgewinn�durch�höhere�Wasserreinheit�zu�erzielen.

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AusblickMit�Hilfe�der�Galvanotechnik�wurde�eine�Vielzahl�materialsparender�Konstruktionen�möglich�z.T.�durch�Überzüge�mit�neuen,�mit�den�konventionellen�metallurgischen�Techniken�nicht�herstellbaren�Eigenschaften.�Damit�konnten�auch�neue�Techniken�erschlossen�werden,�die�wiederum�zu�Konstruktionen�von�Produkten�führten,�die�ohne�Oberflächentechnik�kaum�möglich�wären.�Auch�die�Werbewirksamkeit�eines�z.�B.�durch�Galvanisieren�erzeugten�ansprechenden�Designs�sollte�nicht�vergessen�werden�(Abb.�23).

Abb. 23: Beispiel eines durch galvanisches Vernickeln und Vergolden erzeugten besonders kostbaren Disigns der Fa. Montblanc (Montblanc Limited Edition Patrons of Art 2005 Pope Julius II)

Teilweise�wird�die�gewünschte�Qualität�überhaupt�erst�durch�die�Oberflächenbehandlung�möglich.�Das�sollte�den�Konstrukteur�ermutigen,�die�latenten�und�bei�weitem�nicht�voll�genutzten�Möglichkeiten�der�Oberflä-chentechnik�in�Planungs-Überlegungen�einzubeziehen�und�zu�nutzen.Umweltseitig�werden�sämtliche�Verfahren�seit�Jahrzehnten�sicher�beherrscht.�Hohe�Betriebssicherheit�und�Langlebigkeit�sind�heute�unverzichtbare�Umweltanforderungen,�die�oft�erst�durch�entsprechende�Oberflä-chenbehandlung�sichergestellt�werden�können.�Im�Hinblick�auf�potenzielle�Anwendungen�können�die�hier�gegebenen�Darstellungen�nur�eine�Übersicht�bieten.�Die�Galvanotechnik�kann�noch�weit�mehr,�doch�bedarf�es�hierzu�des�Dialoges�zwischen�Planer,�Designer,�Konstrukteur�und�Oberflächentechniker.Die�progressive�und�rasante�Entwicklung�unserer�Technik�wird�zu�weiteren�Herausforderungen�führen,�welche�die�vorhandenen�Verfahren�zunehmend�an�die�Grenzen�wirtschaftlicher,�z.�T.�aber�auch�technischer�Möglichkeiten�weisen.�Je�früher�dieser�heute�noch�viel�zu�wenig�genutzte,�vielleicht�auch�erst�von�wenigen�erkannte�Weg�beschritten�wird,�je�früher�lassen�sich�die�neuen�Anforderungen�erfüllen�bzw.�öffnen�sich�neue�Möglichkeiten,�die�bei�technischem�Fortschritt�die�knapper�werden�Ressourcen�schonen�und�die�Umwelt�entlasten.