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Kontinuierliche Verbesserung von Umweltmanagementsystem und Umweltleistung Die KVP-Forderung der ISO 14001 in Theorie und Unternehmenspraxis DISSERTATION der Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG) zur Erlangung der Würde eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften vorgelegt von René Gastl von Zürich und Dübendorf (Zürich) Genehmigt auf Antrag der Herren Prof. Dr. Thomas Dyllick-Brenzinger und Prof. Dr. Markus Schwaninger Dissertation Nr. 3077 D-Druck Spescha, St. Gallen, 2005

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Kontinuierliche Verbesserung von Umweltmanagementsystem

und Umweltleistung

Die KVP-Forderung der ISO 14001 in Theorie und Unternehmenspraxis

DISSERTATION der Universität St. Gallen,

Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)

zur Erlangung der Würde eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften

vorgelegt von René Gastl

von Zürich und Dübendorf (Zürich)

Genehmigt auf Antrag der Herren

Prof. Dr. Thomas Dyllick-Brenzinger und

Prof. Dr. Markus Schwaninger

Dissertation Nr. 3077

D-Druck Spescha, St. Gallen, 2005

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Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissen-schaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen.

St. Gallen, den 30. Juni 2005

Der Rektor:

Prof. Ernst Mohr, PhD

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Vorwort

In der vorliegenden Arbeit fliessen Erfahrungen und Erkenntnisse aus zahlreichen „Lehr- und Wanderjahren“ des Autors zusammen, ergänzt, inspiriert und beeinflusst durch Inputs und Impulse einer Vielzahl von Menschen. Thematisch knüpft sie an die Forschungs-arbeiten an, die in den letzten Jahren unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Dyllick-Brenzinger am IWÖ-HSG entstanden sind. Sie versteht sich aber auch als wissenschaft-liche Weiterführung der Diskussion um die Interpretation und Anwendung derjenigen Forde-rung von Umweltmanagementnormen, die nach dem UMS-Aufbau für die Akteure immer stärker zum Thema wird: Die Forderung zur kontinuierlichen Verbesserung von UMS und Umweltleistung. Die Mitwirkung des Autors in der Arbeitsgruppe KVP der SAPUZ war ent-sprechend wegbereitend für die Entstehung dieser Arbeit.

Grosser Dank gebührt meinem Referenten Prof. Dr. Thomas Dyllick-Brenzinger, ohne des-sen erstaunlichen Sachverstand und die stets konstruktiven Inputs diese Arbeit nicht zu-stande gekommen wäre. Prof. Dr. Markus Schwaninger danke ich für die spontane Über-nahme des Co-Referats. Sehr geschätzt habe ich die grosse Freiheit in der Wahl des Dis-sertationsthemas und dessen inhaltlichen Ausgestaltung. Dank gebührt auch dem gesam-ten Mitarbeiterstab des IWÖ-HSG, die mich als externen Doktorand fortwährend und in un-terschiedlicher Weise unterstützt haben. Speziell erwähnen möchte ich Jost Hamschmidt und meine Mit-Doktoranden Thomas Bieker und Uli Gminder. Petra Schoele danke ich überdies sehr herzlich für das fachkundige Lektorat der Arbeit. Marlise Dreier, Vreny Knöpfler-Mousa sowie der Institutsleitung bin ich ausserdem sehr dafür verbunden, dass sie mir jederzeit die Infrastrukturen des IWÖ zur Verfügung gestellt haben.

Wertvolle Impulse zur Bearbeitung des Themas gründeten auf zahlreichen weiteren Begeg-nungen. Erwähnen möchte ich speziell die verschiedenen Kontakte im Zusammenhang mit meiner Tätigkeit als Kursleiter für Umweltmanagementsysteme im Auftrag der ÖBU (2001-2003). Ein wichtiges Fundament für die Arbeit legten überdies die vielen Gespräche mit Fachexperten und Unternehmensvertretern, insbesondere der letztendlich ausgewählten Fallstudienunternehmen. Ihnen bin ich für die offene und konstruktive Mitarbeit zu grossem Dank verpflichtet. Sehr gefreut habe ich mich in diesem Zusammenhang auch über die „technische Unterstützung“ durch Chris Herzog. Ein herzliches Dankeschön gebührt den Bibliotheksangestellten der Universität St. Gallen, die mir während der gesamten Zeit als Doktorand ein ideales Arbeitsumfeld und eine angenehme Arbeitsatmosphäre ermöglicht haben. Stellvertretend nennen möchte ich Albert Rutz, Marcel Kindlimann, Luzia Feusi, Ma-rion Kana und Christine Bär.

Mein persönlichster Dank gilt Angela, die mir über all die Jahre die Kraft gegeben hat, um dieses Projekt durch die Höhen und Tiefen eines Doktorandenlebens sicher zum Ziel zu führen.

René Gastl Zürich, im Juli 2005

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Kontinuierliche Verbesserung von Umweltmanagementsystem und Umweltleistung

Die KVP-Forderung der ISO 14001 in Theorie und Unternehmenspraxis Inhaltsverzeichnis Abbildungen IV Tabellen VI Abkürzungen VII

1 Einführung 1 Teil I Konzeptionelle Grundlagen und Einflussfaktoren des KVP 2 Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs 9

2.1 KVP in der Managementlehre: Kaizen und der PDCA-Zyklus 10 2.2 KVP als Kernforderung der ISO 14001 15

2.2.1 UMS nach ISO 14001 15 2.2.2 Der KVP-Begriff in ISO 14001 18 2.2.3 ISO-14001-Zertifizierung 22

2.3 Gegenüberstellung des KVP in der Managementlehre und in ISO 14001 28 2.4 Fazit: Anwendungsorientiertes Begriffsverständnis der KVP-Forderung 35

3 Weiterentwicklung von UMS 37 3.1 Entwicklungsdimensionen von UMS 38 3.2 Diffusion in die Breite 39 3.3 Diffusion in die Tiefe 42

3.3.1 Handlungsfeld Betrieb 44 3.3.2 Handlungsfeld Produkt 46 3.3.3 Handlungsfeld Mitarbeiter 50 3.3.4 Handlungsfeld Kommunikation 52

3.4 Höherentwicklung 54 3.4.1 Kategorien organisationaler Lernprozesse 55 3.4.2 Lernen im ökologischen Entwicklungsprozess 58 3.4.3 Voraussetzungen der Höherentwicklung 59

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4 Verbesserung der Umweltleistung 64 4.1 Messen und Darstellen der Umweltleistung 65

4.1.1 Erfassungskonzepte 66 4.1.2 Bewertungskonzepte 69

4.2 Beurteilen von Umweltleistungs-Veränderungen 73 4.3 Praxisprobleme 77 4.4 Schlussfolgerungen 81

5 Ökonomische Wirkungen von UMS 83 5.1 Wirtschaftlicher Nutzen von UMS 84 5.2 Kosten von UMS 88 5.3 Fazit: Kosten-Nutzen-Betrachtung im Zeitablauf 91

6 Einflussfaktoren des KVP 94 6.1 Einflussfaktor Unternehmensumfeld 96

6.1.1 Ökologisches Umfeld 97 6.1.2 Technologisches Umfeld 98 6.1.3 Gesellschaftliches Umfeld 99 6.1.4 Wirtschaftliches Umfeld 104

6.2 Einflussfaktor Unternehmensstrategie 107 6.3 Einflussfaktor ISO-Zertifizierung 112

6.3.1 Gründe für die Zertifizierung 113 6.3.2 Auditierung 117

Teil II Empirische Untersuchung 7 Einführung in die Fallstudien 123

7.1 Forschungsansatz und Auswahl der Fallstudien 124 7.2 Forschungsmethodisches Vorgehen 128 7.3 Die Metallverarbeitende Industrie und ihre ökologische Betroffenheit 131

7.3.1 Ökologische Betroffenheit der MVI 131 7.3.2 Umweltrelevanz von Aluminium und Stahl 133 7.3.3 Verarbeitungsprozesse der MVI 137 7.3.4 Folgerungen 138

8 Fallstudie Lista AG 140 8.1 Das Umweltmanagement 141 8.2 Gestaltung des KVP 144 8.3 Ergebnisse des KVP 149

8.3.1 Diffusion des UMS in die Breite 149 8.3.2 Diffusion in die Tiefe 150 8.3.3 Höherentwicklung 153 8.3.4 Veränderung der Umweltleistung 157

8.4 Entwicklungsprozess von UMS und Unternehmung 161 8.5 Rolle der Zertifizierungsaudits für den KVP 165

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9 Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau 169 9.1 Das Umweltmanagement 170 9.2 Gestaltung des KVP 173 9.3 Ergebnisse des KVP 177

9.3.1 Diffusion des UMS in die Breite 177 9.3.2 Diffusion in die Tiefe 178 9.3.3 Höherentwicklung 181 9.3.4 Veränderung der Umweltleistung 183

9.4 Entwicklungsprozess von UMS und Unternehmung 190 9.5 Rolle der Zertifizierungsaudits für den KVP 193

10 Fallstudie Otto Keller AG 198 10.1 Das Umweltmanagement 198 10.2 Zielsetzungsprozesse, interne Audits und Controlling 202 10.3 Ergebnisse des KVP 203

10.3.1 Diffusion des UMS in die Breite 203 10.3.2 Diffusion in die Tiefe 204 10.3.3 Höherentwicklung 206 10.3.4 Veränderung der Umweltleistung 209

10.4 Entwicklungsprozess von UMS und Unternehmung 211 10.5 Rolle der Zertifizierungsaudits für den KVP 217

11 Vergleichende Fallstudienanalyse 223 11.1 Die Fallstudienunternehmen 223 11.2 Ergebnisse des KVP 228

11.2.1 Entwicklung des UMS 228 11.2.2 Veränderung der Umweltleistung 235

11.3 Entwicklungsprozess von UMS und Unternehmung 239 11.4 Rolle und Einfluss der Zertifizierung 242

Teil III Erkenntnisse und Empfehlungen für die Praxis 12 Erkenntnisse aus der Untersuchung 247

12.1 Ergebnisse des KVP 247 12.2 Erkenntnisse zum ökologischen Entwicklungsprozess 253 12.3 Einfluss der externen Auditierungsroutinen auf den KVP 257 12.4 Schlussfolgerungen 260

13 Handlungs- und Gestaltungsempfehlungen 266 13.1 KVP-Gestaltung im Unternehmen 266 13.2 Empfehlungen im Zusammenhang mit der externen Auditierung 272 13.3 Weiterer Forschungsbedarf 275

Literatur und Quellen 279 Angaben zum Autor 295

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Abbildungen

Abb. 1: Zwei Phasen des ökologischen Entwicklungsprozesses ......................... 2 Abb. 2: Branchenverteilung der ISO 14001-zertifizierten Unternehmen in

den Jahren 1997 und 2004. ..................................................................... 6 Abb. 3: Aufbau der Arbeit im Überblick ................................................................ 7 Abb. 4: Der Kaizen-Schirm: Metaphorische Darstellung von Kaizen als

japanische Managementphilosophie...................................................... 12 Abb. 5: Der PDCA-Zyklus mit den vier Prozessschritten Plan (Planung),

Do (Durchführung), Check (Kontrolle) und Act (Aktion). ........................ 14 Abb. 6: Der PDCA-Zyklus nach ISO 14001 mit dem Ziel der

kontinuierlichen Verbesserung............................................................... 17 Abb. 7: Begriffliche Zusammenhänge des KVP nach ISO 14001....................... 19 Abb. 8: Formeller Zertifizierungsablauf für UMS nach ISO 14001...................... 23 Abb. 9: Beurteilungskriterien für den KVP.......................................................... 26 Abb. 10: Fortschritt durch Optimierung und Innovation ........................................ 31 Abb. 11: Die Entwicklungsdimensionen des UMS................................................ 39 Abb. 12: Handlungsfelder zur Erweiterung der Reichhaltigkeit von UMS............. 43 Abb. 13: Leitideen des Eco-Design ...................................................................... 48 Abb. 14: Einflussfaktoren des ökologierelevanten Mitarbeiterverhaltens ............. 51 Abb. 15: Einkreis- und Zweikreislernen im Kontext von UMS .............................. 57 Abb. 16: Schema zur ökologischen Produktanalyse ............................................ 67 Abb. 17: Die Kennzahlenkategorien der EPE in ihrem

Wirkungszusammenhang ...................................................................... 69 Abb. 18: Beispielhafte Berechnung von Umweltbelastungspunkten .................... 72 Abb. 19: Entwicklungsverläufe der Umweltbelastung in der Praxis...................... 79 Abb. 20: Nutzenfelder und Nutzenaspekte von

Umweltmanagementsystemen............................................................... 85 Abb. 21: Modellhafte Entwicklung des Kosten-Nutzen- Verhältnisses von

UMS....................................................................................................... 92 Abb. 22: Der KVP zwischen Zwang und Gestaltungsspielraum. .......................... 95 Abb. 23: Das Umfeldsystem der Unternehmung .................................................. 96 Abb. 24: Der Leistungserstellungsprozess aus stofflich-energetischer

Perspektive ............................................................................................ 97

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Abb. 25: Beispielhafter Entwicklungsverlauf eines gesellschaftlichen Anspruchs............................................................................................ 102

Abb. 26: Strategische Ausprägungen und Zwecke von UMS............................. 108 Abb. 27: Ökonomisches Wirkungsmodell von UMS und Unternehmung ........... 110 Abb. 28: Schema zur Erhebung und Beurteilung des UMS-

Entwicklungsprozesses........................................................................ 111 Abb. 29: Aufbau Kapitel 7................................................................................... 123 Abb. 30: Motivationstypen und Verteilung der MVI-Unternehmen zum

Zeitpunkt der Erstzertifizierung des UMS............................................. 127 Abb. 31: Der MIPS-Vergleich von Primäraluminium, Sekundäraluminium

und „Aluminium 70:30“......................................................................... 134 Abb. 32: Der MIPS-Vergleich von Oxydationsstahl, Elektrostahl und „Stahl

83:17“................................................................................................... 135 Abb. 33: Organigramm der Lista-Gruppe ........................................................... 141 Abb. 34: Motivationstypisierung von Lista zum Zeitpunkt der

Erstzertifizierung des UMS .................................................................. 142 Abb. 35: Prozentuale Verteilung der Umweltbelastungen in der Kern- und

Komplementärbilanz von Lista Erlen.................................................... 157 Abb. 36: Stoff- und Energieflussentwicklung von 1996 bis 2002........................ 158 Abb. 37: Entwicklung der Produktionsmenge (in PE) von 1996 bis 2002........... 160 Abb. 38: Einordnung der Ernst Schweizer AG als „engagiertes“

Unternehmen ....................................................................................... 170 Abb. 39: Entwicklung der ökologischen Unternehmensführung über vier

Jahrzehnte ........................................................................................... 172 Abb. 40: Der KVP-Regelkreislauf der Ernst Schweizer AG................................ 176 Abb. 41: Die vier Schweizer-Erfolgs-Punkte (SEP) ............................................ 181 Abb. 42: Kern- und Komplementärbilanz der Ernst Schweizer AG .................... 184 Abb. 43: Kernbilanz der Ernst Schweizer AG 1996 – 2002................................ 185 Abb. 44: Komplementärbilanz der Ernst Schweizer AG 1996 – 2002 ................ 187 Abb. 45: Motivationstypisierung der Otto Keller AG zum Zeitpunkt der UMS-

Erstzertifizierung .................................................................................. 200 Abb. 46: Kategorien des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses.................. 262

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Tabellen

Tab. 1: Explizite und implizite Forderungen der ISO 14001 zum KVP ................18 Tab. 2: Die KVP-Ansätze der Managementlehre und der ISO 14001 im

Vergleich.................................................................................................28 Tab. 3: Abgrenzung von Kaizen und Innovation nach Imai .................................30 Tab. 4: Anwendungsorientierte Interpretation der KVP-Forderung .....................35 Tab. 5: Ansatzpunkte für betriebsökologische Massnahmen..............................45 Tab. 6: Kriterien der Weiterentwicklung des UMS...............................................63 Tab. 7: Die 14 Kategorien von Umwelteinwirkungen nach CML und die

dazugehörigen Indexwerte und -Einheiten..............................................71 Tab. 8: Referenzgrössen zur Beurteilung von

Umweltleistungsverbesserungen ............................................................75 Tab. 9: Interne und externe Nutzenpotenziale von UMS ....................................84 Tab. 10: Beispiele von UMS-Nutzenpotenzialen unterschiedlicher Fristigkeit.......87 Tab. 11: Durchschnittskosten (in CHF) für Aufbau und Betrieb zertifizierter

UMS........................................................................................................88 Tab. 12: Umweltrelevante Forderungen von Anspruchsgruppen........................101 Tab. 13: ABC-Analyseinstrument mit ausgewählten ökologischen

Bewertungskriterien von Inputfaktoren..................................................105 Tab. 14: Für die Fallstudien verwendete Dokumentkategorien mit

Beispielen .............................................................................................129 Tab. 15: Ökologische Belastungen in der metallverarbeitenden Industrie ..........132 Tab. 16: Mittel- und kurzfristige Umweltziele der Lista Erlen...............................146 Tab. 17: Auszug aus der Massnahmenliste der Werke Erlen, Degersheim

und Arnegg ...........................................................................................147 Tab. 18: Übersicht über die Umweltziele für das Jahr 2001................................174 Tab. 19: Die Umweltrelevanzmatrix der Otto Keller AG. .....................................201 Tab. 20: Überblick über die Fallstudienunternehmen..........................................224 Tab. 21: Ausprägung der wesentlichen soft factors für die

Höherentwicklung von UMS in den Fallstudienunternehmen................233

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Abkürzungen

Abb. Abbildung AG Aktiengesellschaft Anm. Anmerkung ARA Abwasserreinigungsanlage ASi Arbeitssicherheit BMBF Deutsches Bundesministerium für Bildung und Forschung BMU Deutsches Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und

Reaktorsicherheit BMUJF Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie BUWAL Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft BV Bundesverfassung BVW Betriebliches Vorschlagswesen BWI Betriebswissenschaftliches Institut der Universität Zürich bzw. beziehungsweise CHF Schweizer Franken CIP Continual Improvement Process (siehe KVP) DAR Deutscher Akkreditierungsrat EA European co-operation for Accreditation EAC Electronic Access Code EFQM European Foundation for Quality Management EKAS Eidgenössische Koordinationskommission für Arbeitssicherheit EMAS Environmental Management and Audit Scheme EMAS-VO EMAS-Verordnung EN Europäische Norm EPE Environmental Performance Evaluation EVABAT Economically Viable Application of Best Available Technology F&E Forschung und Entwicklung f. / ff. Folgeseite / mehrere Folgeseiten FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung FBU Forschungsgruppe betriebliche Umweltpolitik FEU Forschungsgruppe Evaluation Umweltmanagementsysteme FS Fallstudie FSC Forest Stewardship Council GL Geschäftsleitung

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GRI Global Reporting Initiative IAF International Accreditation Forum i.d.R. in der Regel IEC International Electrotechnical Commission IGORA Genossenschaft für Aluminium-Recycling IMS Integriertes Managementsystem ISO International Organization for Standardization IWÖ Institut für Wirtschaft und Ökologie an der Universität St. Gallen IÖW Institut für ökologische Wirtschaftsforschung JI Joint Implementation JUSE Union of Japanese Scientists and Engineers KMU Kleine und mittlere Unternehmen KVP Kontinuierlicher Verbesserungsprozess LCA Life Cycle Assessment Lkw Lastkraftwagen LSVA Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe Lw Lieferwagen MA Mitarbeiter Mio. Million(en) MR Management-Review Mrd. Milliarde(n) MVI Metallverarbeitende Industrie NOGA Nomenclature générale des activités économiques NZZ Neue Zürcher Zeitung ÖBU Schweizerische Vereinigung für ökologisch bewusste

Unternehmensführung o.J. ohne Jahrgang o.g. oben genannt OK Otto Keller AG ÖV Öffentlicher Verkehr p.a. per annum / pro Jahr PDCA Plan-Do-Check-Act PE Produkteinheit PET Polyethylenterephthalat Pkw Personenkraftwagen PLZ Produktlebenszyklus PVC Polyvinylchlorid QMS Qualitätsmanagementsystem

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QMUM Qualitäts- und Umweltmanagement resp. respektive S.A.F.E. Schweizerische Agentur für Energieeffizienz SAPUZ Schweizerischer Ausschuss für Prüfung und Zertifizierung AG KVP Arbeitsgruppe der SAPUZ zum Thema „KVP von UMS und

Umweltleistung“ SAS Schweizerische Akkreditierungsstelle SEP Schweizer Erfolgspunkte SNV Schweizerische Normenvereinigung sog. so genannt Tab. Tabelle TCO Total Cost of Ownership TPM Total Productive Maintenance TQM Total Quality Management u.U. unter Umständen UBP Umweltbelastungspunkt kUBP Kilo-UBP (= eintausend Umweltbelastungspunkte) UBA Umweltbundesamt UMS Umweltmanagementsystem USG Umweltschutzgesetz URM Umweltrelevanzmatrix vgl. vergleiche VNS Vor- und Nachstufe VOC Volatile Organic Compound VR Verwaltungsrat WI Wuppertaler Institut z.B. zum Beispiel z.T. zum Teil

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1 Einführung

Unternehmen sehen sich immer stärker mit ökologischen Ansprüchen konfrontiert, die sich aus der wachsenden Sensibilisierung der Gesellschaft bezüglich ökolo-gischer Folgen der modernen Lebensweise und der Rückführung der Verantwort-lichkeit für den Umweltschutz auf die Wirtschaft ergeben. Zunehmend begegnen sie dieser Entwicklung mit dem Aufbau betrieblicher Strukturen, die Umweltbelastungen vermeiden bzw. minimieren sollen. Eine wachsende Anzahl von Unternehmen ent-scheidet sich dabei für die Implementierung zertifizierbarer Umweltmanage-mentsysteme (UMS), womit sie sich freiwillig zur Einhaltung der jeweiligen Normfor-derungen verpflichten. Diese Normen bieten zum einen durch ihre Zertifizierbarkeit einen Anreiz zur Aufrechterhaltung eines zielgerichteten und systematischen Um-weltengagements. Zum anderen sollen sie dem Anwender helfen, unternehme-rische1 Handlungsspielräume, die eine ökologisch bewusste Wirtschaftsweise erlau-ben, mittels methodischer und konzeptioneller Unterstützung zu erkennen, auszu-schöpfen und neu zu entwickeln.

Von besonderer Bedeutung ist dabei die Normforderung, dass UMS und Umwelt-leistung kontinuierlich weiterzuentwickeln und zu verbessern sind. Diese Forderung nach einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess – in der Folge auch als KVP-Forderung bezeichnet – stellen sowohl die weltweit anwendbare Umweltmana-gementnorm ISO 14001 als auch die Öko-Audit-Verordnung der Europäischen Uni-on (EMAS-Verordnung). Dadurch erfahren die ansonsten weitgehend statisch for-mulierten Konzepte der Umweltmanagementnormen eine betont dynamikorientierte Erweiterung. Sie soll sicherstellen, dass die ökologischen Verbesserungen, die mit einer initialen Zertifizierung bzw. Validierung erwartet werden, nicht nur statischer Natur sind, indem die umweltorientierte Leistung einmalig auf ein höheres Niveau transformiert wird. Vielmehr soll mit dem Aufbau eines zertifizierten UMS ein dyna-mischer, langfristiger und nachhaltig wirkender ökologischer Entlastungsprozess in Gang gesetzt werden, der dazu beiträgt, die in der Umweltpolitik der Organisation verankerten Ziele zu erreichen.

Was bedeutet das in der Unternehmenspraxis? Mit der Erfüllung der KVP-Forde-rung sehen sich Organisationen vor die Aufgabe gestellt, der Ausrichtung ihrer Um-weltschutzmassnahmen nicht nur kurzfristige, sondern auch mittel- bis langfristige Perspektiven zu verleihen. Eine entsprechende umweltpolitische Fundierung sollte daher neben kurzfristigen, operativen Umweltschutzmassnahmen gezielt auch sol-che unterstützen, die strategischen Charakter aufweisen. Konkret: Sie sollte die

1 ISO 14001 ist für alle Arten von Organisationen anwendbar. Im vorliegenden Werk wird der Anwendungsrah-

men jedoch auf Unternehmen eingeschränkt, die einen wirtschaftlichen Zweck verfolgen. Der Begriff Organi-sation wird nur dann als Bezeichnung für eine Körperschaft verwendet, wenn durch den Kontext eine Ver-wechslung mit dem Organisationsbegriff als Bezeichnung für innerbetriebliche Strukturen und Abläufe aus-geschlossen werden kann. Die Begriffe Unternehmung und Unternehmen und daraus abgeleitete Begriffe werden in dieser Arbeit synonym verwendet, die jeweilige Wortwahl hat rein stilistische Gründe.

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2 Einführung

Verankerung des Umweltschutzes auf der strategischen Ebene der Unternehmens-führung ermöglichen und fördern. Pfriem beschreibt denn auch zwei Phasen ökolo-gischer Unternehmenspolitik, die diese Forderung aufgreifen und deren unter-schiedliche Fristigkeit der Vorstellung fortwährender Verbesserungsprozesse Rech-nung trägt (vgl. Abb. 1).2 Während in der ersten Phase wenig komplexe Umwelt-schutzmassnahmen und das Zusammentragen ökologischer Informationen deutlich dominieren, steht in der zweiten Phase die Auseinandersetzung mit unternehme-rischen Entwicklungsperspektiven im Vordergrund, die unter Umständen eine weit greifende Abkehr von traditionellen Markt- und Produktstrategien zur Folge haben.

Abb. 1: Zwei Phasen des ökologischen Entwicklungsprozesses3

Problemstellung Verschiedene Autoren machten jedoch bereits in der Mitte der 1990er Jahre auf strategische Defizite normierter UMS aufmerksam,4 und empirische Untersuchun-gen5 in den Jahren nach der 1996 erfolgten Publikation von ISO 14001 bestätigten dies. Sie zeigten, dass nur die wenigsten Unternehmen mit der Zertifizierung ihres UMS auch einen langfristigen Ökologisierungsprozess der Organisation anstrebten. Gleichzeitig konnten zahlreiche Unternehmen ökonomisch interessante Optimie-rungspotenziale identifizieren, die sogleich umgesetzt wurden. Nicht zuletzt deshalb kamen die empirischen Studien zum Ergebnis, dass ein zertifiziertes UMS für Un-ternehmen eine finanziell lohnenswerte Investition darstellen kann. Doch: Waren dies lediglich Anfangserfolge dank längst fälliger Korrekturmassnahmen, die bisher ausserhalb des Wahrnehmungsbereichs betrieblicher Optimierungsprozesse lagen? Zumindest zeichneten sich nur die wenigsten Unternehmen durch ein aktives Inte-resse daran aus, den Ökologisierungsprozess über die wenig komplexen, offen-sichtlichen Verbesserungspotenziale hinaus auf strategisch relevante Bereiche aus- 2 Vgl. PFRIEM (1999), S. 8 ff.

3 In Anlehnung an: PFRIEM (1999), S. 12. In Abschnitt 3.4.3 werden die beiden Phasen vertieft diskutiert.

4 Vgl. insbesondere: DYLLICK (1995).

5 Vgl. UNI / ASU (1997), Freimann (1998), Forschungsgruppe FEU (1998), Dyllick / Hamschmidt (2000).

• Kurzfristige ökonomische Einsparpotenziale

• Technische Einzelmassnahmen

• Organisatorische AufgabenzuweisungPhas

e 1

• Langfristige ökologisch-ökonomische Erfolgsrechnung

• Integrierte ökologische Optimierung von Produkten und Verfahren

• Ökologische Organisationsentwicklung

Phas

e 2

• Kurzfristige ökonomische Einsparpotenziale

• Technische Einzelmassnahmen

• Organisatorische AufgabenzuweisungPhas

e 1 • Kurzfristige ökonomische

Einsparpotenziale

• Technische Einzelmassnahmen

• Organisatorische AufgabenzuweisungPhas

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• Langfristige ökologisch-ökonomische Erfolgsrechnung

• Integrierte ökologische Optimierung von Produkten und Verfahren

• Ökologische Organisationsentwicklung

Phas

e 2

• Langfristige ökologisch-ökonomische Erfolgsrechnung

• Integrierte ökologische Optimierung von Produkten und Verfahren

• Ökologische Organisationsentwicklung

Phas

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Einführung 3

zudehnen und dadurch an bisherigen Produktionsprogrammen, Marktleistungen oder Prozessen im Hinblick auf Umweltentlastungen etwas zu verändern. Im Vor-dergrund der umweltbezogenen Aktivitäten der Mehrheit standen vielmehr der Er-halt und die Beibehaltung des UMS-Zertifikates.

So blieben die ökologischen Erfolge zertifizierter UMS, wie in diesen „frühen“ Stu-dien zum Ausdruck kommt, bescheiden. Das grundsätzliche Ziel der Normgeber konnte nur ansatzweise erreicht werden.6 Aus heutiger Sicht ist deshalb die Frage von besonderem Interesse, was denn die Forderung nach kontinuierlicher Verbes-serung – als Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Zertifizierung – inzwi-schen in der Praxis bewirkt hat. Nachdem die erwähnten Feldstudien nur Unterneh-men erfassen konnten, deren UMS erst seit wenigen Jahren in Betrieb war, konnten die Mittel- bis Langfristwirkungen von UMS selbstverständlich nicht analysiert wer-den. Heute ist dies in Ansätzen möglich, nachdem Unternehmen aus der „Pionierge-neration“ mittlerweile auf eine rund acht- bis neunjährige UMS-Geschichte zurück-blicken können.

Zielsetzungen Hier setzt die vorliegende Auseinandersetzung mit der KVP-Forderung im Kontext von ISO 14001 an. Sie soll den Entwicklungsprozess von zertifizierten Schweizer Unternehmen nach deren Erstzertifizierung analysieren und aufzeigen, ob und unter welchen Rahmenbedingungen mit der ISO-14001-Zertifizierung ein ökologischer Entwicklungsprozess gefördert wird. Daraus werden Empfehlungen für eine effekti-ve Anwendung der KVP-Forderung von ISO 14001 abgeleitet. Im Zentrum stehen somit die praktische Umsetzung bzw. Ergebnis und Wirkung der KVP-Forderung von ISO 14001 in der Unternehmenspraxis sowie deren Einflussfaktoren.

Da in ISO 14000f. auf eine Konkretisierung der KVP-Forderung verzichtet wurde, gilt es allerdings zunächst, im Sinne einer theoretischen Zielsetzung der Arbeit das Konstrukt KVP zu operationalisieren. Dies ist auf betriebswissenschaftlicher Basis bisher ausgeblieben.7 Aus diesem Wissensmangel heraus sind in der Unterneh-menspraxis individuelle Ansätze zur Interpretation und Anwendung der KVP-Forde-rung entstanden. Ausgerichtet auf die jeweiligen Organisationen und deren Zielsys-tem sind sie jedoch nicht oder nur teilweise als Modelle für andere Unternehmen geeignet. Eine weitgehend harmonisierte, anwendungsorientierte und wissenschaft-lich fundierte Auslegung des bis dato diffusen begrifflichen Konstrukts ist deshalb sowohl für die Unternehmens- als auch für die Zertifizierungspraxis von grosser Be-deutung. 6 Nach PFRIEM illustrieren die empirischen Studien die Ambivalenz, dass mit der Zertifizierung bzw. Validie-

rung des UMS einerseits eine Stabilisierung betrieblicher Umweltpolitik überhaupt stattfindet, andererseits aber häufig auf so bescheidenem Niveau, dass an der schon eingeführten Unternehmenspraxis im Umwelt-schutzbereich keine Veränderungen notwendig waren. Vgl. PFRIEM (1999), S. 10.

7 Eine Ausnahme bildet die von der SAPUZ im Jahr 2002 veröffentlichte Schrift „Leitfaden zur kontinuierlichen

Verbesserung von UMS und Umweltleistung nach ISO 14001“ (SNV (2002)). Sie wurde von einer Arbeits-gruppe unter Mitwirkung von Wissenschaftlern, Unternehmensvertretern, Beratern, Zertifizierungsgesell-schaften und der Schweizerischen Akkreditierungsstelle (SAS) erarbeitet. Der Autor war Mitglied dieser Ar-beitsgruppe.

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4 Einführung

Auf dieser theoretischen Basis soll die konkrete Entwicklung von UMS und Um-weltleistung von Organisationen nach der Erstzertifizierung erfasst und analysiert werden. Hier steht insbesondere die Frage im Raum, ob ISO-14001-zertifizierte Un-ternehmen – begleitet von unabhängigen Auditoren – im Zeitablauf einen ökologi-schen Entwicklungsprozess jenseits einfacher Optimierungsmassnahmen durchlau-fen. Indem die zweite Phase des ökologischen Entwicklungsprozesses allem voran die strategische Verankerung des Umweltengagements fordert, kann Umweltschutz auch nicht länger als isoliertes Aktionsfeld betrachtet werden. Vielmehr ist er eng mit den übrigen Entwicklungen innerhalb und ausserhalb des Unternehmens ver-bunden. Aus ökonomischer Perspektive steht dabei die Frage nach dem Kosten-Nutzen-Verhältnis freiwilliger ökologischer Leistungen im Vordergrund. Als weiteres Teilziel der Arbeit wird deshalb der Ökologisierungsprozess unter Berücksichti-gung der verschiedenen Einflussfaktoren aus dem Unternehmensumfeld analysiert. Darüber hinaus stellt sich die Frage, welche Bedeutung der ISO-Zertifizierung und hier insbesondere den Auditierungsroutinen als Einflussfaktoren des kontinuier-lichen Verbesserungsprozesses zukommt.

Daraus ergeben sich die folgenden forschungsleitenden Fragestellungen:

• Wie konkretisiert sich der mittel- bis langfristige KVP von ISO-14001-zer-tifizierten Unternehmen hinsichtlich UMS und Umweltleistung?

• Welchen Entwicklungsprozess durchlaufen ISO-14001-zertifizierte UMS mittel- bis langfristig unter Berücksichtigung der allgemeinen Unterneh-mensentwicklung?

• Welches sind die wesentlichen Einflussfaktoren des KVP und welchen unternehmerischen Nutzen erbringen UMS im Zeitablauf?

• Kann die ISO-14001-Zertifizierung bzw. die damit verbundene externe Überwachung durch die Zertifizierungsgesellschaft den KVP von UMS und Umweltleistung beeinflussen?

Forschungsansatz Die Transformation des KVP von einer wenig konkreten Forderung der ISO 14001 hin zu deren Umsetzung im Unternehmensalltag befindet sich heute in der Früh-phase ihrer Entwicklung. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass bisher erst wenige Praxisfälle vorliegen, in denen die kontinuierliche Verbesserung von UMS und Um-weltleistung einer externen Überwachung bestehen musste. Für eine quantitative Analyse ist die Anzahl der Ausprägungen somit zu gering. Die vorliegende Arbeit orientiert sich deshalb an qualitativen Daten und umfasst – um möglichst praxis-relevante Ergebnisse zu erzielen – mehrere Einzelfallstudien. Solche Fallstudien erlauben es, Untersuchungsobjekte ganzheitlich und in ihrem konkreten Wirkungs- und Handlungszusammenhang zu betrachten. Damit wird der Komplexität der for-mulierten Fragen Rechnung getragen: Das qualitative Vorgehen ermöglicht es, kon-

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Einführung 5

krete Ergebnisse des KVP sowie die Hintergründe und Überlegungen, die die Ent-wicklung von UMS und Umweltleistung seit der Erstzertifizierung geprägt haben, umfassend zu beleuchten.

Vorgehen Der erste Teil dient der Entwicklung eines begrifflichen und konzeptionellen Be-zugsrahmens, um den KVP-Begriff, wie er in ISO 14001 verwendet wird, zu klären und zu operationalisieren. Da hierzu bislang keine umfassenden wissenschaftlichen Arbeiten bekannt sind, ist es umso wichtiger, das zugrunde liegende Begriffs- und Konzeptverständnis transparent darzulegen. Dies erfolgt auf der Basis theoretischer Ansätze und bezieht ergänzend zahlreiche bestehende Praxiserkenntnisse mit ein.8 Der KVP-Begriff und dessen Konzeption aus ISO 14001 wird zunächst dem in der allgemeinen Managementlehre seit einigen Jahrzehnten bekannten KVP-Begriff und insbesondere dessen Ursprungskonzept „Kaizen“ 9 gegenübergestellt (Kapitel 2). Kapitel 3 und 4 folgen der sequenziellen Logik des KVP-Konzepts der ISO-Norm: Nachdem die Weiterentwicklung des UMS als Kombination der drei Entwicklungs-dimensionen „Reichweite“, „Reichhaltigkeit“ und „Höherentwicklung“ eingeführt wor-den ist, erfolgt eine Diskussion zur Messung, Darstellung und Beurteilung von Um-weltleistungsveränderungen in der Unternehmenspraxis. In Kapitel 5 und 6 werden Einflussfaktoren des ökologischen Entwicklungsprozesses von Unternehmen vorge-stellt, indem für den KVP bedeutsame Aspekte der Wirtschaftlichkeit, der Umsyste-me, der strategischen Ausrichtung von UMS und der Zertifizierung thematisiert, sys-tematisiert und diskutiert werden.

Im zweiten Teil der Studie wird die Umsetzung der KVP-Forderung in der Unter-nehmenspraxis untersucht und analysiert. Ziel ist es, den Ablauf, die Wirkung und die Wirksamkeit des KVP im Unternehmensalltag zu beschreiben, nachzuvollziehen und zu verstehen.10 Untersucht wird der KVP von UMS und Umweltleistung in drei Schweizer Industrieunternehmen, die Mitte der 1990er Jahre zu den ersten der hierzulande ISO-zertifizierten Betrieben gehörten. Die Fallstudienunternehmen un-terscheiden sich in ihrer intrinsischen Motivation für den Umweltschutz und in der wettbewerbsstrategischen Bedeutung ihres UMS, hingegen sind ihre ökonomi-schen, gesellschaftlichen und technologischen Rahmenbedingungen vergleichbar, und auch die Bedeutung der konkreten ökologischen Problembereiche unterschei-det sich nur geringfügig. Damit kann die Vergleichbarkeit der Einzelfälle stark ver-bessert werden. Die empirische Untersuchung konzentriert sich zu diesem Zweck – stellvertretend – auf die metallverarbeitende Industrie und damit auf eine Branche, 8 Die Arbeit knüpft in vielen Bereichen an den Ergebnissen der Studie Dyllick / Hamschmidt an. Diese liefert

wertvolle Hinweise auf die Umsetzung, Wirkung und Wirksamkeit von UMS in Schweizer Unternehmen. Die Resultate gründen auf der Befragung aller bis zum 31.03.1999 nach ISO 14001 zertifizierten Unternehmen des Landes und zeichnet sich mit einer Rücklaufquote von 54% (entspricht 158 Unternehmen) durch eine insgesamt hohe Repräsentativität aus. Vgl. DYLLICK / HAMSCHMIDT (2000).

9 „Kaizen“ ist die Bezeichnung für eine umfassende, ursprünglich japanische Managementphilosophie. Sie

wird in Kapitel 2 detailliert vorgestellt. 10

Darin konkretisiert sich die Orientierung dieser Arbeit am von Hans Ulrich formulierten Grundverständnis der anwendungsorientierten Betriebswirtschaftslehre, welche Problemverständnis und praktische Gestaltungs-

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6 Einführung

die in der ersten Zeit nach der Publikation von ISO 14001 zu den am besten vertre-tenen Schweizer Wirtschaftszweigen mit zertifizierten Unternehmen zählte (vgl. Abb. 2). Kapitel 7 führt im Detail in die Vorgehensweise und die angewandten For-schungsmethoden ein. Untersuchung und Analyse erfolgen im Rahmen der for-schungsleitenden Fragestellungen.

Abb. 2: Branchenverteilung der ISO 14001-zertifizierten

Unternehmen in den Jahren 1997 und 2004.11 Aufgrund der Tatsache, dass mit der ex-post-Beurteilung der praktischen Umset-zung der KVP-Forderung ein bisher nicht spezifisch untersuchtes Erkenntnisziel verfolgt wird und die Untersuchung nur wenige Einzelfälle aus der Unternehmens-praxis zum Gegenstand hat, erhebt die Arbeit keinen Anspruch auf eine erschöp-fende Bearbeitung der Thematik. Auch wird nicht davon ausgegangen, dass die gewonnenen Erkenntnisse verallgemeinerbar sind. Vielmehr wird beabsichtigt, an-hand von ersten beobachtbaren Praxisfällen die Grundlagen und Zusammenhänge des KVP von UMS und Umweltleistung und ihrer Einflussfaktoren aufzuzeigen und illustrativ zu untermauern. Sie werden darüber hinaus genutzt, um im abschlies-senden dritten Teil der Arbeit Handlungs- und Gestaltungsempfehlungen für die wirksame Umsetzung der KVP-Forderung abzuleiten. Einen zusammenfassenden Überblick über den Aufbau der Arbeit gibt Abb. 3.

ziele in den Vordergrund rückt. Vgl. ULRICH, H. (1984), S. 179f.

11 Datenquelle: Statistik über die ISO 14001-Zertifizierungen in der Schweiz (www.iwoe.unisg.ch). Die Zahlen

enthalten z.T. Mehrfachnennungen.

Branchenverteilung ISO-14001-zertifizierter Unternehmen

12

12

11

10

9

8

5

81

81

106

66

146

101

85

0 20 40 60 80 100 120 140 160

Gross- und Einzelhandel, etc.

Lebensmittel, Getränke, Tabak

Grundmetalle und Metallfabrikate

Chemie,Chemieprodukte

Bauwesen

Verkehr, Lagerung, Verbindungen,

Rezyklieren

Juni '04Juni '97

Branchenverteilung ISO-14001-zertifizierter Unternehmen

12

12

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10

9

8

5

81

81

106

66

146

101

85

0 20 40 60 80 100 120 140 160

Gross- und Einzelhandel, etc.

Lebensmittel, Getränke, Tabak

Grundmetalle und Metallfabrikate

Chemie,Chemieprodukte

Bauwesen

Verkehr, Lagerung, Verbindungen,

Rezyklieren

Juni '04Juni '97

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Einführung 7

Abb. 3: Aufbau der Arbeit im Überblick

1. Einführung

2. Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs

3. Weiterentwicklung

von UMS

7. Methodische Grundlagen der Fallstudienanalyse

Teil I Konzeptionelle Grundlagen und Einflussfaktoren des KVP

Teil II Empirische Untersuchung

13. Handlungs- und

Gestaltungsempfehlungen

6. Einflussfaktoren

des KVP

8. Fallstudie Lista AG

9. Fallstudie Ernst Schweizer AG,

Metallbau

10. Fallstudie Otto Keller AG

11. Vergleichende Fallstudienanalyse

12. Erkenntnisse aus der Untersuchung

4. Verbesserung der Umweltleistung

5. Ökonomische

Wirkungen von UMS

Teil III Erkenntnisse und Empfehlungen für die Praxis

1. Einführung

2. Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs

3. Weiterentwicklung

von UMS

7. Methodische Grundlagen der Fallstudienanalyse

Teil I Konzeptionelle Grundlagen und Einflussfaktoren des KVP

Teil II Empirische Untersuchung

13. Handlungs- und

Gestaltungsempfehlungen

6. Einflussfaktoren

des KVP

8. Fallstudie Lista AG

9. Fallstudie Ernst Schweizer AG,

Metallbau

10. Fallstudie Otto Keller AG

11. Vergleichende Fallstudienanalyse

12. Erkenntnisse aus der Untersuchung

4. Verbesserung der Umweltleistung

5. Ökonomische

Wirkungen von UMS

Teil III Erkenntnisse und Empfehlungen für die Praxis

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Teil I

Konzeptionelle Grundlagen und Einflussfaktoren des KVP

2 Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs

Der Begriff „kontinuierlicher Verbesserungsprozess“ und vor allem dessen Abkür-zung „KVP“ sind in der Managementliteratur weit verbreitet, und dennoch weisen Begriffsverwendung und Begriffsverständnis erhebliche Unschärfen auf. Allgemein wird mit „KVP“ das Streben der Organisation 59

zu stetiger Verbesserung umschrieben. Was darunter konkret verstanden wird, was verbessert werden soll, wie etwas verbessert werden soll und wer die Verbesserung einleiten, durchführen und kontrollieren soll, darüber gibt das traditionelle Begriffs-verständnis keine Klarheit. Im Gegenteil – nicht nur in Unternehmen, sondern auch in der Unternehmensliteratur wird der KVP regelmässig als etwas verstanden und beschrieben, das „automatisch“ eintrifft, sobald das Management spezifische In-strumente im Unternehmen implementiert und einsetzt. Es ist bezeichnend, dass der KVP oft auch als „KVP-Idee“ umschrieben wird, was das diffuse Begriffsver-ständnis unterstreicht. Doch wenn ein Begriff und eine Denkweise selbst dann all-gemein akzeptiert werden, wenn das zugrunde liegende Konzept nicht genau mit Worten erklärt werden kann, dann führt das leicht zu Missverständnissen und Ver-wirrung. Bevor eine konzeptionelle Fundierung und Operationalisierung des KVP-Begriffs für dessen Anwendung im Zusammenhang mit UMS gelingen kann, gilt es deshalb, zunächst die konstitutiven Elemente des KVP zu identifizieren und zu ana-lysieren. Erst auf dieser Basis kann die „KVP-Idee“ zum operationalisierbaren KVP-Begriff entwickelt werden.

Die Ausarbeitung der dazu notwendigen begrifflichen Basis erfolgt in drei Schritten. Abschnitt 2.1 führt zunächst aus der Sicht der allgemeinen Managementlehre mit dem Ausgangspunkt Kaizen und der Verbesserungssequenz des Plan-Do-Check-Act-Zyklus an die „KVP-Idee“ heran. Danach wird in Abschnitt 2.2 das spezifische KVP-Verständnis der UMS-Norm ISO 14001 vorgestellt und diskutiert. Die beiden KVP-Konzepte werden in Abschnitt 2.3 zusammengeführt und einander gegenüber gestellt, um den KVP-Begriff der ISO 14001 als Basis für diese Arbeit weiter zu prä-zisieren (Abschnitt 2.4).

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10 Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs

2.1 KVP in der Managementlehre: Kaizen und der PDCA-Zyklus

Die erste Annäherung an den KVP führt nach Japan, wo zu Beginn der zweiten Hälfte des 20sten Jahrhunderts Unternehmen damit begannen, die Qualität ihrer Produkte als entscheidende Grösse im weltweiten Konkurrenzkampf zu erkennen. Die japanische Exportwirtschaft litt damals unter einem allgemein schlechten Quali-tätsimage ihrer Produkte, die zwar billig, jedoch keineswegs hochstehend waren. Auch wurde bezweifelt, ob es Japan jemals gelingen würde, qualitativ hochstehende Produkte herzustellen. So wurden die grossen Märkte in Europa und Nordamerika von westlichen Firmen dominiert, Hersteller aus asiatischen Ländern hatten kaum eine Chance, mit vergleichbaren Produkten in diese boomenden Märkte einzudrin-gen. In den fünfziger, sechziger und frühen siebziger Jahren waren die Wachstums-raten in den konsumhungrigen westlichen Ländern gar derart hoch, dass die Anbie-ter in erster Linie damit beschäftigt waren, genügend zu produzieren, um die stetig steigende Nachfrage zu befriedigen. Veränderungen und Verbesserungen an den Produkten hatten entsprechend geringe Priorität. Wenn Produkte weiterentwickelt wurden, dann fand dies fast ausschliesslich durch Innovationen statt, bei denen bis-herige Produkte durch solche abgelöst wurden, die neue Technologien oder Lö-sungsvarianten aufwiesen.

Doch schon in den 1940er Jahren hatte W.E. Deming, ein US-amerikanischer Pro-fessor, der sich mit statistischen Fragen der Industrie beschäftigte, die Wirtschaft in Vortragsreihen davor gewarnt, die Produktqualität und letztlich die Kundenorientie-rung im Entwicklungsprozess zu vernachlässigen. Seine Ideen fielen in Japan auf fruchtbaren Boden und wurden dort mit Begeisterung aufgenommen. Sehr bald schon begannen japanische Unternehmen, Demings Vorstellungen eines systemati-schen und umfassenden Qualitätsmanagements auf der eigenen kulturellen Basis weiterzuentwickeln und in den Werkhallen zu implementieren. Damit nahm der ein-drückliche Feldzug japanischer Unternehmen zur Eroberung von Marktanteilen nicht nur in westlichen Ländern, sondern in der ganzen Welt, seinen Anfang.

Was konkret der Auslöser für diese Entwicklung war, deren Auswirkungen noch heute auf den Weltmärkten spür- und sichtbar sind, hat Masaaki Imai 1984 in „Kai-zen – the key to japans competitive success“ einer breiten Öffentlichkeit dargelegt. Der Begriff „Kaizen“ wird im heutigen Verständnis in weiten Kreisen als gleichbe-deutend zum deutschen „KVP“ oder zum englischen „CIP“ (= continual improvement process) verwendet.12 Semantisch entstammt Kaizen der chinesischen Sprache und setzt sich aus den Worten Kai (= sich vervollkommnen, sich in seiner Persönlichkeit verbessern) und Zen (= gut) zusammen. Die Wortschöpfung gibt einen Hinweis dar-auf, dass Kaizen in seiner japanisch geprägten Interpretation „mehr ist als ein Set qualitätsorientierter Teilkonzepte“13. Mit Kaizen wird vielmehr ein philosophischer

12

Vgl. die entsprechende Verwendung der Begriffe in der deutschen Übersetzung von IMAI (1986), IMAI (1993), S. 15., sowie, neben anderen Quellen, SEGHEZZI (1996), S. 200.

13 Vgl. MACHARZINA (1999), S. 744.

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Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs 11

Führungsansatz verbunden, der als „selbstverständliche Alltagsphilosophie“ den Japanern „so sehr im Blut liegt“, dass sie auch in der grundsätzlichen Management-literatur Japans kaum zur Sprache kommt.14

Die Grundannahme von Kaizen besagt: „Alles, was das Leben ausmacht, verdient es, verbessert zu werden.“15 Der Wille zur ständigen Verbesserung erstreckt sich entsprechend sowohl auf das Arbeitsleben als auch auf das soziale oder häusliche Leben.16 Auf Unternehmensebene soll nicht primär die Qualität von Produkten und Dienstleistungen verbessert werden, zentral ist vielmehr die Art und Weise, wie die Marktleistungen entstehen: Die Arbeitsweise der Angestellten17, ihre Fähigkeit und ihr Wille, sich aktiv für Verbesserungen einzusetzen, die Zusammenarbeit und die Koordination zwischen Teilsystemen und Prozessen, die Funktionalität und damit die Effizienz von Anlagen und Infrastrukturen. Kaizen beginnt mit der Problement-deckung, auf die – einem japanischen Sprichwort zufolge – als „Schlüssel zu einem versteckten Schatz“ grossen Wert gelegt wird. Ohne die Feststellung eines Pro-blems kann nichts verbessert werden, weder im Grossen noch im Kleinen. Als Managementphilosophie bezieht Kaizen Führungskräfte und Angestellte gleicher-massen mit ein und vermittelt allen die Botschaft, dass kein Tag vergehen soll, ohne irgendeine Verbesserung im Unternehmen zu realisieren.18

Kaizen beruht auf folgenden Grundkonzepten19:

• Kaizen betont das prozessorientierte Denken mit der Begründung, dass bessere Ergebnisse nur durch verbesserte Prozesse erzielt werden können.20

• Kaizen bedingt geschlossene, immer wieder von neuem zu durchlaufende Füh-rungszyklen. Jeder Durchlauf führt zu verbesserten Standards.

• Kaizen sieht die Aufgabe der Unternehmensführung darin, einmal erreichte Standards zu erhalten und zu verbessern.

• Unter Kaizen hat die Leistungsqualität immer Vorrang. Dies gilt vor allem dann, wenn Kosten-, Lieferungs- und Qualitätsziele konfligierend verfolgt werden.

• Unter Kaizen werden harte Fakten als Ausgangspunkt für weitere Verbesserun-gen betrachtet. Verbesserungen sollen durch wissenschaftlich fundierte Metho-den erhoben, kommuniziert und beurteilt werden.

14

SCHNEIDEWIND D. (1991), S. 36. 15

MAGYAR (1993), S.129 f. 16

IMAI (1993), S. 23. 17

Im Rahmen dieser Schrift wird auf die Unterscheidung weiblicher und männlicher Formen verzichtet, wenn von Personen die Rede ist. Stattdessen werden zur besseren Lesbarkeit konsequent männliche oder neutra-le Formen verwendet und darunter beide Geschlechter subsumiert.

18 Vgl. IMAI (1993), S. 24.

19 Vgl. IMAI (1997), S. 16 ff. Andere Autoren betonen zusätzlich die Bedeutung von Gruppenarbeiten und Quali-

tätszirkeln als Kaizen-Elemente, z.B. HESS (1995), S. 24; WAHREN (1998), S. 9; MACHARZINA (1999), S. 743 ff. Imai zählt die Aktivitäten von Kleingruppen zu den Kaizen-Instrumenten.

20 Für Logothetis ist dieser Ansatz neben der Notwendigkeit zur endlosen Verbesserung das wichtigste Merk-

mal von Kaizen, da damit nicht End-of-Pipe-, sondern In-the-Pipe-Lösungen generiert werden: „’Build quality into the process’ was and still is a popular Japanese phrase, based on the realization that mass inspection of the output is a non-value-added activity, incapable of improving quality.“ LOGOTHETIS (1992), S. 20.

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12 Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs

Abb. 4: Der Kaizen-Schirm: Metaphorische Darstellung von Kaizen als japanische Managementphilosophie21

Auch wenn Kaizen in der westlichen Welt mittlerweile Fuss gefasst hat, so bestehen doch deutliche Unterschiede zwischen östlicher und westlicher Interpretation und Anwendung. In Japan wird unter Kaizen die graduelle, niemals endende Ver-besserung durch sehr viele kleine Änderungen verstanden, die sich meist nicht in Einzelleistungen auflösen lassen.22 Verbesserungen stützen sich auf den jeweiligen Stand der Technik und befreien diesen in kleinen Schritten von Fehlern und Ineffizi-enzen. Der Erfolg von Verbesserungen wird dem Team zugesprochen, nicht dem Individuum. Kaizen anerkennt in Japan viel stärker „das Bemühen“ des Individuums, einen Beitrag zur Problemlösung zu leisten, als dessen unmittelbares Ergebnis. In westlichen Unternehmen überwiegt hingegen die Orientierung am Resultat von Ver-besserungen. So arbeiten beispielsweise Qualitätszirkel im Westen primär problem-lösungs- und ergebnisorientiert, während sie in Japan in erster Linie unter dem As-pekt des Lernens gesehen und als Orte des Lernens verstanden werden.23 In Japan wird Kaizen damit zum Management-Modell24, das den philosophischen Überbau aller qualitätsbezogenen Massnahmen und Instrumente bildet (vgl. Abb. 4), wäh-rend Kaizen im Westen eher als Management-Instrument verstanden wird.

Der Fokus auf das Bemühen eines jeden Mitarbeiters zur ständigen Verbesserung in japanischen Unternehmen und die Ergebnisorientierung in westlichen Kulturkrei-sen schlagen sich in besonderer Weise in den Erfolgen von Bottom-up-Prozessen, insbesondere von betrieblichen Vorschlagswesen (BVW), nieder. Vorschlagssys-teme sind in Japans Unternehmen nicht nur stärker verbreitet, sondern auch we- 21

Nach IMAI (1993), S. 25. 22

Vgl. STEINBECK (1995), S. 15. 23

Vgl. MACHARZINA (1995), S. 744. 24

Vgl. MACHARZINA (1995), S. 745.

• Kanban• Qualitätssteigerung• Just-in-time• Fehlerlosigkeit• Kleingruppenarbeit• Kooperation der

Managementebenen• Produktivitätssteigerung• Entwicklung neuer

Produkte

• Kundenorientierung• Total Quality Control• Mechanisierung• Quality Circle• Vorschlagswesen• Automatisierung• Arbeitsdisziplin• TPM (Total Productive

Maintanance –Umfassende Produkti-vitätskontrolle)

• Kanban• Qualitätssteigerung• Just-in-time• Fehlerlosigkeit• Kleingruppenarbeit• Kooperation der

Managementebenen• Produktivitätssteigerung• Entwicklung neuer

Produkte

• Kundenorientierung• Total Quality Control• Mechanisierung• Quality Circle• Vorschlagswesen• Automatisierung• Arbeitsdisziplin• TPM (Total Productive

Maintanance –Umfassende Produkti-vitätskontrolle)

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Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs 13

sentlich besser verankert als in den USA oder in Europa. Für den japanischen Mitar-beiter ist es selbstverständlich, täglich den eigenen Arbeitsprozess zu reflektieren mit der Absicht, dessen Effizienz zu verbessern, die Kosten zu senken oder die Durchlaufzeiten zu verringern.25 Eiji Toyoda, Präsident von Toyota, wird in diesem Zusammenhang mit folgender Aussage zitiert: „Eine der Charakteristiken japani-scher Arbeiter ist, dass sie nicht nur ihre Hände, sondern auch ihren Verstand ein-setzen. Unsere Mitarbeiter tragen anderthalb Millionen Vorschläge pro Jahr an uns heran, und 95% davon werden in die Praxis umgesetzt. Bei Toyota ist der Wunsch nach Verbesserung fast greifbar.“26 Im Vergleich dazu reicht nur rund jeder sechste Mitarbeiter in deutschen Unternehmen, die ein BVW implementiert haben, mindes-tens einmal im Jahr einen Vorschlag ein, wovon zwischen dreissig und vierzig Pro-zent realisiert werden.27 Mit Rückblick auf empirische Untersuchungen hält Malorny aber auch fest, dass sowohl der durchschnittliche Einsparungseffekt als auch die ausgerichteten Prämien je eingereichtem Vorschlag in Japan um ein Vielfaches ge-ringer sind als z.B. in Deutschland oder den USA.28

Der PDCA-Zyklus Deming verbreitete in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts nicht nur die Idee der kontinuierlichen Verbesserung von Prozessen und Produkten in Japan, sondern brachte zu seinen Präsentationen vor Managern und Ingenieuren auch ei-ne Problemlösungs- und Verbesserungssequenz mit, die von den Japanern noch heute nach ihm benannt wird. 29 Der Deming-Kreislauf oder Plan-Do-Check-Act-Cycle (PDCA-Zyklus) wurde ursprünglich von Demings Lehrer Walter A. Shewart entwickelt und deshalb von Deming selbst immer als Shewart Cycle bezeichnet.30

Der PDCA-Zyklus (vgl. Abb. 5) konkretisiert die Qualitätssteuerung als Führungs-Regelkreis. Dabei werden die Resultate von Prozessen mit einem Standardresultat oder einer Zielgrösse verglichen und die Disparitäten zwischen dem Ist- und dem Soll-Zustand gemessen. Übertreffen die gemessenen Differenzen ein vorher be-stimmtes Mass, werden Korrekturmassnahmen eingeleitet. Die vier Schritte des PDCA-Zyklus sind als stetiger Prozess zu verstehen, der weder Anfang noch Ende

25

Imai nennt die Reduktion und Vermeidung von Verschwendung (japanisch: Muda) als materielles Ziel von Kaizen. Vgl. dazu detailliert: IMAI (1997), Kapitel 6.

26 Vgl. MAGYAR (1993), S. 130.

27 MACHARZINA (1999), S. 744.

28 Vgl. MALORNY (1996), S. 142. Nach Macharzina führt der durchschnittliche Verbesserungsvorschlag eines

Angestellten in Deutschland zu einer 18mal, derjenige eines amerikanischen Mitarbeiters zu einer 55mal hö-heren Einsparung als der Vorschlag eines japanischen Beschäftigten. Vgl. MACHARZINA (1999), S. 744.

29 Demings weltweiter Bekanntheitsgrad wird oft auf seine Vortragsreihen Anfang der 1950er Jahre in Japan

zurückgeführt. Auf Einladung der Union of Japanese Scientists and Engineers (JUSE) führte er dort mehr-tägige Veranstaltungen zur Anwendung des PDCA-Zyklus und zur Nutzung statistischer Methoden in der in-dustriellen Produktion durch, Er legte dabei grossen Wert auf die wissenschaftliche, statistische Untermaue-rung der Qualitätskontrolle und -verbesserung, während er das Ziel des Qualitätsmanagements mit zwei Worten zusammenfasste: „Reduce Variation“. Vgl. Burril / Ledolter (1998), S. 46., a.a.O.

30 Vgl. BURRIL / LEDOLTER (1998), S. 46. Shewart, der bereits in den 1920er Jahren Qualitätsmanagement-

Techniken für Bell Telephone Laboratories erarbeitete, entwickelte die PDCA-Lösungstechnik im Jahr 1939 (Vgl. ZOLLONDZ (2001), S. 148). Die Bezeichnung SHEWART-Cycle findet sich noch heute in der Qualitätsma-nagementliteratur, ist aber wesentlich weniger verbreitet.

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14 Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs

aufweist. Jeder Durchlauf des Zyklus hat neue Verbesserungen zum Ziel, die es vor einer erneuten Planung und Durchführung zu etablieren und zu implementieren gilt. Das Modell geht davon aus, dass in jedem neu definierten Standard eigene Schwä-chen, Widersprüche und Probleme verborgen sind und dieser so zum Ausgangs-punkt weiterer Verbesserungen auf höherem Niveau wird.

Abb. 5: Der PDCA-Zyklus mit den vier Prozessschritten Plan (Planung), Do (Durchführung), Check (Kontrolle) und Act (Aktion).

Juran und Ishikawa sehen in einem solchen Regelkreis-Ansatz deutliche Vorzüge gegenüber einer Qualitätssteuerung, die ausschliesslich auf die Erzeugung fehler-freier Ergebnisse ausgerichtet ist, und lehnen Ansätzen wie Crosbys Zero Defects Concept ab.31 Neben denjenigen Faktoren, die einen Prozess beeinflussen und von der Organisation gesteuert werden können, existieren immer auch Einflüsse, die sich der Steuerbarkeit entziehen und so zu Fehlern und abweichenden Resultaten führen. Daher hält es Juran für unausweichlich, auch bei nahezu perfekten Prozes-sen immer auch Kontroll- und Korrekturinstanzen aufrecht zu erhalten.32 Die Imple-mentation von PDCA-Zyklen im Unternehmen vereinfacht dies.

Einem PDCA-Zyklus zu folgen entspricht der ständigen Suche nach einer besseren Lösung, einen Prozess effizienter und effektiver zu gestalten und bessere Resultate zu erzielen.33 Diese macht den PDCA- Ansatz stark verallgemeinerbar, er kann im gesamten Unternehmen und auf allen Stufen angewendet werden. Drei zentrale Grundsätze gelten als Voraussetzungen für den Erfolg des PDCA-Zyklus34:

• Jede Aktivität innerhalb und ausserhalb des Unternehmens ist als Prozess auf-zufassen und kann entsprechend verbessert werden.

• Problemlösungen genügen nicht, fundamentale Veränderungen sind erforderlich.

• Die oberste Unternehmensleitung muss Vorbild sein und handeln, die Übernah-me von Verantwortung ist nicht ausreichend.

31

Vgl. die Diskussion dazu in BURILL / LEDOLTER (1998), S. 498 f. sowie CROSBY (1979), JURAN (1985), S. 19. 32

Vgl. JURAN (1999), S. 41.3. 33

Vgl. JURAN (1999), S. 41.4. 34

ZOLLONDZ (2001), S. 148.

Qualitäts-niveau P

D

A

C

Zeit

Kontinuierliche Verbesserung

Qualitäts-niveau P

D

A

C

Zeit

Qualitäts-niveau P

D

A

C

Zeit

Qualitäts-niveau P

D

A

C

Zeit

Kontinuierliche Verbesserung

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Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs 15

Folgerungen Das allgemein in der Managementlehre verbreitete Konzeptverständnis des KVP fusst weitgehend auf den konstitutiven Elementen des japanischen Kaizens. Ost und West erkennen in ihm den stetigen Fortschritt, der sich aus kleinen Schritten ableitet und als Motor die Unternehmung unablässig vorwärts bringt. Auch unter-streichen sie die grosse Bedeutung des systematischen, am Konzept des PDCA-Kreislaufs orientierten Vorgehens. Dennoch sind in der westlichen und der japani-schen Kultur sehr unterschiedliche Zugangsweisen zum kontinuierlichen Verbes-serungsprozess zu erkennen: Während im japanischen Verständnis des KVP-Begriffs managementphilosophische Momente im Vordergrund stehen, die tief in der Unternehmenskultur verankert sind, bemisst sich der KVP in der westlichen Kon-zeptauffassung überwiegend an realen, messbaren Fortschritten. Unterschiede er-geben sich auch in der Intensität und Ausgestaltung von Bottom-up-Prozessen. Ab-gesehen von diesen konstitutiven Elementen bleibt der KVP in der Management-lehre ein Konzept mit zahlreichen Unschärfen (z.B. in der Massnahmenplanung, im Controlling oder in der Reflexion des Erreichten), die erst in der Anwendung und Umsetzung im individuellen Unternehmenskontext Konturen erhalten. Der folgende Abschnitt setzt hier an – jedoch bewusst losgelöst vom bisher aufgezeigten KVP-Verständnis – und geht der Frage nach, welche Konzeptvorstellungen der KVP-Idee in ISO 14001 zugrunde liegen, welche konkreten Forderungen die Norm enthält und wo gegebenenfalls Unschärfen bestehen.

2.2 KVP als Kernforderung der ISO 14001

Der KVP-Begriff bzw. das bewusste und gezielte Streben nach ständiger Verbesse-rung hat mit dem Aufkommen von Regelwerken für Managementsysteme gegen Ende des letzten Jahrhunderts zusätzliche Verbreitung in verschiedenen Aspekten der Unternehmensführung gefunden. Der KVP ist als Kernelement in alle modernen Regelungsansätze eingeflossen, insbesondere im Bereich des Qualitäts- und Um-weltmanagements. Allgemein ist aber auch hier festzustellen, dass eine Operationa-lisierung des Begriffs weitgehend ausgeblieben ist. In den nachfolgenden Abschnit-ten wird im Hinblick auf das Erkenntnisobjekt UMS die Begriffsverwendung und die kontextuale Konzeption der ISO 14001 vorgestellt und unter formalen und inhalt-lichen Gesichtspunkten diskutiert.

2.2.1 UMS nach ISO 14001 Der Ursprung der Normungsaktivitäten der International Organization for Standardi-zation (ISO) im Bereich Umweltmanagement geht auf den expliziten Wunsch der Wirtschaft zurück, Eigenverantwortung zu übernehmen, indem sie Instrumente im regulierten Bereich gezielt ergänzt.35 Mit Hilfe von Umweltmanagementnormen sol- 35

ZÜST (1999), S. 22; BAUMAST / PAPE (2001), S. 41 f.

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16 Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs

len Organisationen unterstützt werden, effektive Umweltmanagementsysteme und geeignete Instrumente einzuführen, um auf freiwilliger Basis einen ökologischen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten. Die konsequente Einhaltung der Normvorschriften sollte demnach mehr Umweltschutz zur Folge haben, als die Ge-setzgebung bisher vorschrieb. Ein Ziel lag auch darin, eine weitere Regulierung in diesem Bereich zu verhindern, um insbesondere der Industrie die bestehenden Handlungsspielräume nicht über Mass einzuschränken. Auf dieser Grundlage ver-abschiedete die ISO im August 1996, nach rund dreijähriger, weltweit koordinierter Normierungsarbeit, die Normenreihe ISO 14000f.36, deren Zwecke im Einführungs-text der ISO 14001 genannt werden:37

• Die Norm stellt Organisationen aller Art ein Instrument der unternehmerischen Selbstkontrolle zur Verfügung, mit welchem sowohl ökologische als auch öko-nomische Ziele erreicht werden sollen.

• Die Norm bietet eine Grundlage für den Nachweis eines wirksamen Umwelt-schutzes, der nach innen und aussen verwendet werden kann. Dazu ermöglicht sie die Beurteilung des implementierten UMS im Hinblick auf die Erfüllung selbst festgelegter umweltpolitischer Leitlinien und konkreter Zielsetzungen durch un-abhängige, externe Instanzen.

Den beiden vorgenannten Zwecken übergeordnet ist die Zielsetzung, durch das UMS den betrieblichen Umweltschutz zu fördern und Umweltbelastungen zu verhü-ten, so dass die betriebliche Umweltleistung nicht nur im Augenblick, sondern stän-dig den relevanten rechtlichen und politischen Forderungen gerecht wird. Damit las-sen sich aus ISO 14001 Kernforderungen in vier Bereichen zusammenfassen:

• Rechtskonformität38: Aufrechterhaltung eines dokumentierten Verfahrens, um die relevanten gesetzlichen Forderungen zu ermitteln, zugänglich zu machen und regelmässig zu bewerten.

• Andere Forderungen 39 : Aufrechterhaltung eines dokumentierten Verfahrens, um die relevanten anderen Forderungen zu ermitteln und zugänglich zu machen.

• Verhütung von Umweltbelastungen40: Die umweltbezogenen Zielsetzungen und Einzelziele müssen im Einklang stehen mit der Verpflichtung zur Verhütung von Umweltbelastungen.

• Kontinuierliche Verbesserung41: Prozess zur Weiterentwicklung von UMS und zur ständigen Verbesserung der umweltorientierten Leistung.

36

Verschiedene Einzelnormen der Normenreihe ISO 14000f. befinden sich derzeit in Revision oder sind mitt-lerweile in revidierter Fassung veröffentlicht worden. Auch ISO 14001 wurde am 15. November 2004 in revi-dierter Fassung publiziert (ISO 14001:2004 „Umweltmanagementsysteme – Anforderungen mit Anleitung zur Anwendung“). Sie beinhaltet keine neuen Forderungen, die Änderungen dienen vorab der Klarheit bezüglich der gestellten Forderungen und ihrer richtigen Umsetzung. Den Ausführungen in dieser Arbeit liegen die während der Forschungsphase aktuellen Versionen zugrunde. Auf die im Rahmen der Revisionstätigkeiten vorgenommenen Änderungen wird – wo sinnvoll – erläuternd eingegangen.

37 Vgl. ISO 14001:1996, S. 3.

38 ISO 14001:1996, Punkte 4.2c, 4.3.2, 4.5.1.

39 ISO 14001:1996, Punkte 4.2c, 4.3.2.

40 ISO 14001:1996, Punkte 3.13, 4.2b, 4.3.3.

41 ISO 14001:1996, Punkte 3.1, 4.2b, 4.6.

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Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs 17

Abb. 6: Der PDCA-Zyklus nach ISO 14001 mit dem Ziel der kontinuierlichen Verbesserung

ISO 14001 verwendet den Begriff Umweltmanagementsystem mit zwei verschie-denen Bedeutungen.42 Die engere Begriffsdefinition43 versteht darunter die organisa-torischen und personellen Strukturen sowie die Ressourcen, die zur Umsetzung der Umweltpolitik und zur Realisierung von Umweltzielen und -programmen notwendig sind. Im weiteren Sinne wird der Begriff für die Gesamtheit aller Elemente der ISO 14001 verwendet. Damit werden die einzelnen Strukturelemente des PDCA-Zyklus’ von der Umweltpolitik und Umweltanalyse über die Planung von Umweltschutz-massnahmen, die Implementierung und Durchführung, Kontroll- und Korrekturmass-nahmen bis hin zur Bewertung durch die oberste Leitung zusammengefasst (vgl. dazu Abb. 6). Nach Freimann44 gehören zu einem Umweltmanagementsystem auch Vorkehrungen, um im Unternehmen und im Handeln jedes Mitarbeiters die Umwelt-verantwortung so zu verankern, dass der Ökologisierungsprozess im Tagesgeschäft unterstützt wird. Diesem weiter gefassten Verständnis von UMS folgt auch die Beg-riffsverwendung in der vorliegenden Arbeit.

42

Vgl. Dyllick/Gilgen/Häfliger/Wasmer (1996), S. 14. 43

Vgl. ISO 14001:1996, Punkt 3.5. 44

Vgl. FREIMANN (1996), S. 314 f.

Kontinuierliche Verbesserung

Kontroll- undKorrekturmassnahmen

Bewertung durch die oberste Leitung

Umweltpolitik

Überwachung und MessungAbweichungen, Korrektur-

und VorsorgemassnahmenAufzeichnungen

Umweltmanagementsystem-Audit

Notfallvorsorge und -massnahmen

Organisationsstruktur und Verantwortlichkeit

Schulung, Bewusstsein, KompetenzKommunikation

Dokumentation desUmweltmanagementsystems

Lenkung der Dokumente Ablauflenkung

Implementierung undDurchführung

PlanungUmweltaspekte

Gesetzl. und andere ForderungenZielsetzungen und Einzelziele

Umweltmanagementprogramme

Kontinuierliche Verbesserung

Kontroll- undKorrekturmassnahmen

Bewertung durch die oberste Leitung

Umweltpolitik

Überwachung und MessungAbweichungen, Korrektur-

und VorsorgemassnahmenAufzeichnungen

Umweltmanagementsystem-Audit

Notfallvorsorge und -massnahmen

Organisationsstruktur und Verantwortlichkeit

Schulung, Bewusstsein, KompetenzKommunikation

Dokumentation desUmweltmanagementsystems

Lenkung der Dokumente Ablauflenkung

Implementierung undDurchführung

PlanungUmweltaspekte

Gesetzl. und andere ForderungenZielsetzungen und Einzelziele

Umweltmanagementprogramme

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18 Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs

2.2.2 Der KVP-Begriff in ISO 14001 Das im vorangegangenen Abschnitt dargelegte Forderungskonzept der ISO 14001 orientiert sich am Niveau der gesetzlichen Bestimmungen und der übrigen an die Unternehmung gerichteten verbindlichen Ansprüche. Mit dem Konzept der konti-nuierlichen Verbesserung soll sichergestellt werden, dass zertifizierte Unternehmen nicht nur diese Mindestforderungen erfüllen, sondern dass mit der Zertifizierung auch eine dynamische Entwicklung des betrieblichen Umweltschutzes im freiwilligen Bereich in Gang gesetzt und aufrechterhalten wird. Die zentrale Bedeutung der KVP-Forderung wird im Wortlaut der ISO 14001 jedoch nicht deutlich, finden sich doch nur wenige Stellen, die den KVP thematisieren. Dennoch lassen sich ver-schiedene explizite und implizite Forderungen ableiten (vgl. Tab. 1):

Tab. 1: Explizite und implizite Forderungen der ISO 14001 zum KVP

Explizit verlangt ISO 14001, dass sich die Unternehmung zur kontinuierlichen Ver-besserung verpflichten muss. Diese Verpflichtung ist Teil der öffentlich zu machen-den betrieblichen Umweltpolitik und daher ein an alle interessierten Kreise gerichte-tes Bekenntnis zum aktiven, auf die zunehmende Umweltentlastung hinwirkendes Umweltmanagement. Darüber hinaus hat die höchste Führungsinstanz der Unter-nehmung den KVP im Rahmen der Bewertung durch die oberste Leitung systema-tisch anzusprechen. Der obersten Leitung kommt die Aufgabe zu, die Wirksamkeit des KVP sicherzustellen. Im Zusammenhang mit der Ausgestaltung des UMS-Führungskreislaufs im Unternehmen finden sich zudem implizite Forderungen, die die Wirksamkeit und Überprüfbarkeit des KVP gewährleisten sollen. Sie entstehen aus der Konzeption der einzelnen Elemente des in Abb. 6 dargestellten PDCA-Zyklus: Umweltanalyse, Zielsetzungsprozess, Controlling und Auditierung sollen den KVP systematisch unterstützen und vorantreiben.

Der Zielraum des KVP wird durch diese Vorgaben nicht materiell definiert. Er ist „nach unten“ durch gesetzliche Vorschriften begrenzt, während er „nach oben“ offen

• Funktionsprüfung des UMS im Rahmen der internen Auditierung und Information der obersten Leitung (Punkt 4.5.4)

• Überwachung und Messung von Zielerreichung und Rechtskonformität (Punkt 4.5.1)

• Festlegung von Zielsetzungen, Einzelzielen und Programmen (Punkte 4.3.3 / 4.3.4)

• Analyse der Umweltaspekte sowie der gesetzlichen und anderen Forderungen (Punkte 4.3.1 / 4.3.2)

b) Implizite Forderungen

• Thematisierung der Verpflichtung zur KV Im Rahmen der Bewertung durch die oberste Leitung (Punkt 4.6)

• Verpflichtung zum KVP in der Umweltpolitik (Punkt 4.2 b))

a) Explizite Forderungen

• Funktionsprüfung des UMS im Rahmen der internen Auditierung und Information der obersten Leitung (Punkt 4.5.4)

• Überwachung und Messung von Zielerreichung und Rechtskonformität (Punkt 4.5.1)

• Festlegung von Zielsetzungen, Einzelzielen und Programmen (Punkte 4.3.3 / 4.3.4)

• Analyse der Umweltaspekte sowie der gesetzlichen und anderen Forderungen (Punkte 4.3.1 / 4.3.2)

b) Implizite Forderungen

• Thematisierung der Verpflichtung zur KV Im Rahmen der Bewertung durch die oberste Leitung (Punkt 4.6)

• Verpflichtung zum KVP in der Umweltpolitik (Punkt 4.2 b))

a) Explizite Forderungen

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Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs 19

bleibt und der Unternehmung die Gestaltung der Verbesserungsprozesse überträgt. Es bleibt damit offen, was im Hinblick auf die Beurteilung von Verbesserungen als Fortschritt qualifiziert werden kann, in welche Richtung, wie weitreichend und in welchem Tempo Verbesserungsleistungen realisiert werden sollen.45 In der Einfüh-rung zur Norm wird denn auch explizit dargelegt, dass „zusätzlich zu der in der Um-weltpolitik enthaltenen Verpflichtung zur Einhaltung der geltenden gesetzlichen Be-stimmungen sowie zu einer kontinuierlichen Verbesserung keine absoluten Forde-rungen an die umweltorientierte Leistung“ gestellt werden. Konsequenterweise kön-nen zwei vergleichbare Organisationen, die sich in ihrer Umweltleistung unterschei-den, beide die ISO-Norm erfüllen.46 Die Norm definiert somit keine inhaltlichen Leis-tungsvorgaben oder Entwicklungsrichtungen für den KVP, verlangt hingegen ein wirksames UMS, mit dessen Hilfe die grundlegende Zielsetzung der Vermeidung von Umweltbelastungen dennoch erreicht werden soll.47

Abb. 7: Begriffliche Zusammenhänge des KVP nach ISO 14001

45

Dyllick stellt in diesem Zusammenhang die Frage in den Raum, die letztlich den Anstoss zur vorliegenden Dissertation gegeben hat und sich nur in der Empirie überprüfen lässt: Ist diese Konzeption geeignet, um ei-ne kontinuierliche Verbesserung der Umweltleistung in Gang zu setzen? Vgl. DYLLICK (1999), S. 118.

46 ISO 14001:1996, Einführungstext, S. 5. Zu den Leistungsanforderungen vgl. auch: SNV (1998a).

47 Vgl. DYLLICK (1999), S. 118.

Umweltaspekt: Derjenige Bestandteil der Tätigkeiten, Produkte oder Dienstleistungen einer Organisation, der in Wechselwirkung mit der Umwelt treten kann.

(ISO 14001:1996 3.3)

Umweltbezogene Zielsetzung: Aus der Umweltpolitik der Organisation abgeleitetes umweltbezogenes Gesamtziel, das eine Organisation sich selbst setzt und, soweit möglich, quantifiziert.

(ISO 14001:1996 3.7)

Umweltbezogenes Einzelziel: Detaillierte, möglichst quantifizierte Vorgabe für die Organisation oder deren Teilbereiche, die sich aus den umweltbezogenen Zielsetzungenergibt und die für die Realisierung dieser Zielsetzungen festgelegt und erfüllt werden muss.

(ISO 14001:1996 3.10)

Kontinuierliche Verbesserung: Prozess zur Weiterentwicklung des Umweltmanagement-systems, um in Erfüllung der Umweltpolitik der Organisation Verbesserungen der umweltorientierten Leistung insgesamt zu erzielen.Anmerkung: Der Prozess muss nicht in allen Tätigkeitsbereichen gleichzeitig erfolgen.

(ISO 14001:1996 3.1)Umweltmanagementsystem: Der Teil des übergreifenden Managementsystems, der die Organisationsstruktur, Planungstätigkeiten, Verantwortlichkeiten, Methoden, Verfahren, Prozesse und Ressourcen zur Entwicklung, Implementierung, Erfüllung, Bewertung und Aufrechterhaltung der Umweltpolitik umfasst.

(ISO 14001:1996 3.5)

Umweltpolitik: Erklärung der Organisation über ihre Absichten und Grundsätze in bezug auf ihre umweltorientierteGesamtleistung, welche einen Rahmen für Handlungen und für die Festlegung der umweltbezogenen Zielsetzungen und Einzelzielebildet.

(ISO 14001:1996 3.9)1

UmweltorientierteLeistung:‚Messbare Ergebnisse des Umweltmanagementsystemseiner Organisation in bezug auf die Beherrschung ihrer Umweltaspekte, welche auf der Umweltpolitik und den umweltbezogenen Zielsetzungenund Einzelzielen beruhen.

(ISO 14001:1996 3.8)

Umweltaspekt: Derjenige Bestandteil der Tätigkeiten, Produkte oder Dienstleistungen einer Organisation, der in Wechselwirkung mit der Umwelt treten kann.

(ISO 14001:1996 3.3)

Umweltbezogene Zielsetzung: Aus der Umweltpolitik der Organisation abgeleitetes umweltbezogenes Gesamtziel, das eine Organisation sich selbst setzt und, soweit möglich, quantifiziert.

(ISO 14001:1996 3.7)

Umweltbezogenes Einzelziel: Detaillierte, möglichst quantifizierte Vorgabe für die Organisation oder deren Teilbereiche, die sich aus den umweltbezogenen Zielsetzungenergibt und die für die Realisierung dieser Zielsetzungen festgelegt und erfüllt werden muss.

(ISO 14001:1996 3.10)

Kontinuierliche Verbesserung: Prozess zur Weiterentwicklung des Umweltmanagement-systems, um in Erfüllung der Umweltpolitik der Organisation Verbesserungen der umweltorientierten Leistung insgesamt zu erzielen.Anmerkung: Der Prozess muss nicht in allen Tätigkeitsbereichen gleichzeitig erfolgen.

(ISO 14001:1996 3.1)Umweltmanagementsystem: Der Teil des übergreifenden Managementsystems, der die Organisationsstruktur, Planungstätigkeiten, Verantwortlichkeiten, Methoden, Verfahren, Prozesse und Ressourcen zur Entwicklung, Implementierung, Erfüllung, Bewertung und Aufrechterhaltung der Umweltpolitik umfasst.

(ISO 14001:1996 3.5)

Umweltpolitik: Erklärung der Organisation über ihre Absichten und Grundsätze in bezug auf ihre umweltorientierteGesamtleistung, welche einen Rahmen für Handlungen und für die Festlegung der umweltbezogenen Zielsetzungen und Einzelzielebildet.

(ISO 14001:1996 3.9)1

UmweltorientierteLeistung:‚Messbare Ergebnisse des Umweltmanagementsystemseiner Organisation in bezug auf die Beherrschung ihrer Umweltaspekte, welche auf der Umweltpolitik und den umweltbezogenen Zielsetzungenund Einzelzielen beruhen.

(ISO 14001:1996 3.8)

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20 Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs

Die Definition des KVP in ISO 14001 ist Teil eines umfassenden Begriffsystems48, dessen KVP-relevanten Bezüge in Abb. 7 im Überblick dargestellt sind. Die kontinu-ierliche Verbesserung wird darin wie folgt umschrieben49:

Kontinuierliche Verbesserung: Prozess zur Weiterentwicklung des Umweltmanagementsystems, um in Erfüllung der Umweltpolitik der Organisation Verbesserungen der umweltorientierten Leistung ins-gesamt zu erzielen.

Die Definition wird ergänzt durch die Anmerkung, dass der Prozess „nicht in allen Tätigkeitsbereichen gleichzeitig erfolgen“ muss. Dieses KVP-Verständnis knüpft an die Unterscheidung von System- und Leistungskomponenten an, wie sie aus der Konzeption der EFQM bekannt ist.50 Es geht von einem sequenziellen Zusammen-hang zwischen dem UMS und der Umweltleistung aus. Mit den Revisionsarbeiten zu ISO 14001:2004 wurde dieser Zusammenhang leicht präzisiert und eine stärkere Akzentuierung der Zielsetzung „Verbesserung der umweltorientierten Leistung“ er-reicht. Die revidierte Fassung lautet in der deutschen Übersetzung wie folgt51:

Ständige Verbesserung: Wiederkehrender Prozess zur Weiterent-wicklung des Umweltmanagementsystems, um Verbesserungen der umweltorientierten Leistung insgesamt in Übereinstimmung mit der Umweltpolitik der Organisation zu erreichen.

Die deutsche Fassung der KVP-Definition weist zusätzlich eine wesentliche begriff-liche Änderung auf, indem das Adjektiv „kontinuierlich“ durch „ständig“ ersetzt wur-de. Auch der gesamte übrige Text der ISO 14001:2004 verzichtet auf das Adjektiv „kontinuierlich“ und verwendet stattdessen neu das Adjektiv „ständig“. In der engli-schen Originalversion der revidierten Fassung kommt eine entsprechende Ände-rung hingegen nicht zum Ausdruck. Die neue Begrifflichkeit lässt denn auch viel-mehr auf einen sprachlichen als auf einen inhaltlichen oder konzeptionellen Hinter-grund schliessen. Aufgrund der Tatsache, dass sich die Begrifflichkeit „Kontinuierli-cher Verbesserungsprozess“ und insbesondere die Abkürzung „KVP“ im deutschen Sprachraum in der Praxis seit Jahren durchgesetzt haben und eine Adaption der neuen Bezeichnung in absehbarer Zeit eher unwahrscheinlich erscheint, wird im Folgenden an der Ausgangsbegrifflichkeit festgehalten.

48

Die vorliegende Arbeit orientiert sich weitgehend am obigen Begriffssystem. Als Ausnahme wird anstelle des Begriffs „umweltorientierte Leistung“ der identische, in Wissenschaft und Praxis aber weiter diffundierte Be-griff „Umweltleistung“ verwendet.

49 ISO 14001:1996 Punkt 3.1.

50 Die European Foundation for Quality Management (EFQM) unterscheidet in ihrem Modell der Unterneh-

mensbewertung die Kriteriengruppen „Befähiger“ und „Ergebnisse“, wobei die Befähigung und deren Weiter-entwicklung die Grundlage darstellt, um die Organisationsziele (neben finanziellen auch anspruchsgruppen-bezogene Zielkategorien) zu erreichen. Vgl. dazu detailliert EFQM (2003).

51 ISO 14001:2004, Punkt 3.2. Die Definition wird in der Norm ergänzt durch folgende Anmerkung: „Der Pro-

zess braucht nicht in allen Tätigkeitsbereichen gleichzeitig zu erfolgen.“

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Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs 21

Trotz Überarbeitung und Präzisierung des KVP-Begriffs in ISO 14001:2004 wird der Interpretationsspielraum kaum weiter eingeschränkt. Demzufolge obliegt es weiter-hin den normanwendenden Akteuren (Organisationen, Berater, Auditoren, Zertifizie-rungsorganisationen, Akkreditierungsstellen), operable Kriterien zur Umsetzung des KVP in der Praxis zu definieren. Weitgehender Auslegungskonsens besteht dabei in der Schweiz mittlerweile zu folgenden Teilaspekten der KVP-Forderung:52

• Im Hinblick auf die geforderte Verbesserung sind bei der Umweltanalyse und bei der Festlegung von Zielen, Einzelzielen und Massnahmen alle Umweltbelas-tungen in Betracht zu ziehen, die von der Organisation ausgehen und z.B. die natürliche Qualität von Wasser, Boden oder Luft lokal, regional oder global be-einträchtigen. Dies beinhaltet die Berücksichtigung von direkten und indirekten Umweltaspekten:

- Direkte Umweltaspekte sind Umweltbelastungen, die unmittelbar durch die Aktivitäten des Unternehmens ausgelöst werden (z.B. Emissionen aus der ei-genen Produktionsanlage).

- Indirekte Umweltaspekte sind Umweltbelastungen, die aufgrund von Ent-scheidungen des Unternehmens verursacht, aber von Dritten ausgelöst wer-den (z.B. durch die Herstellung von Zulieferprodukten).53

• Verbesserungen können sowohl im Bereich der Betriebs- wie auch der Pro-duktökologie erzielt werden, wobei diese nicht in allen Tätigkeitsbereichen bzw. bei allen Prozessen, Anlagen oder Produkten gleichzeitig erfolgen müssen.

• Das Attribut „kontinuierlich“ bzw. „ständig“54 – ist nicht im mathematischen Sinne zu verstehen. Dort wird „Kontinuität“ als Eigenschaft von Punkten be-schrieben, die einer allgemeinen Gesetzmässigkeit folgen und sich in unmittel-barer Nachbarschaft zu Punkten in deren Umgebung befinden.55 Eine mathe-matische Auslegung des Begriffs würde auf praktische Probleme stossen, da sich die Weiterentwicklung von UMS und die Verbesserung der Umweltleistung einer dauernden Beobachtung entzieht. Dies aber wäre eine Voraussetzung, um Kontinuität im mathematischen Sinne feststellen zu können. Überzeugender ist die Auslegung, nach welcher „kontinuierlich“ im Sinne einer tendenziellen Ent-wicklung verstanden wird. Dies wird durch die englische Originalversion des Normtexts der ISO 14001 gestützt, in welcher von „continual improvement“ die Rede ist. Der Terminus „continual“ bezeichnet die ständige Wiederholung einzel-ner Ereignisse, während unter dem verwandten (und in der englischen Um-gangssprache oft falsch verwendeten und darum auch in der Managementlitera-

52

Vgl. dazu SNV (2002), S. 2. 53

Mit der aktuellen Revision der ISO 14001 erfährt die Berücksichtigung indirekter Umweltaspekte (unter Be-achtung ihrer Lenk- und Beeinflussbarkeit) in der Identifikation bedeutender Umweltaspekte eine stärkere Gewichtung und Präzisierung. Vgl. ISO 14001:2004, insbesondere Punkt 1; Punkt 4.3.1a; Punkt A 3.1.

54 Vgl. dazu die obigen Anmerkungen zur Neufassung der Norm (ISO 14001:2004) und insbesondere zur Defi-

nition des KVP (ISO 14001:2004, Punkt 3.2). Synonym wird im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch auch das Adjektiv „stetig“ verwendet.

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22 Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs

tur häufig zu unrecht benutzten) Ausdruck „continuous“ ein anhaltendes, un-unterbrochenes Ereignis verstanden wird.56

• Die Auffassung, dass „kontinuierlich“ im Sinne einer Trendentwicklung zu verste-hen ist, hat zur Folge, dass der Verbesserungsprozess auch Phasen der Stag-nation oder der Verschlechterung erlaubt, solange ein Trend der Verbesse-rung beobachtet werden kann. Im Zentrum der Beurteilung von Veränderungs-prozessen stehen deshalb mehrperiodische Beobachtungszeiträume.

• Die Forderung nach einer insgesamten Verbesserung erlaubt es, dass die Um-weltbelastung in einzelnen Bereichen zunehmen kann, solange dies durch Ver-besserungen in anderen Bereichen mindestens kompensiert wird.

2.2.3 ISO-14001-Zertifizierung

Formelle Grundlagen der Zertifikatserteilung Entsprechend dem Wortlaut der ISO 14001 können weltweit alle Organisationen, die als „Gesellschaft, Körperschaft, Betrieb, Unternehmen, Behörde oder Institution oder Teil oder Kombination davon, eingetragen oder nicht, öffentlich oder privat, mit eigenen Funktionen und eigener Verwaltung“ ein UMS aufbauen und nach den ISO-Normen zertifizieren lassen.57 Die Norm weist explizit darauf hin, dass bei Organi-sationen mit mehr als einer Betriebseinheit auch eine einzelne Betriebseinheit als Organisation definiert werden kann. Die verbindlichen Forderungen an Umweltma-nagementsysteme und somit die Grundlagen, um die Zertifizierung zu erlangen, finden sich im Normtext der ISO 14001. Dieser wird in Anhang A der Norm durch weitergehende Interpretationshilfen ergänzt. Darüber hinaus sind die im ISO/IEC Guide 6658 enthaltenen Bestimmungen für Zertifizierungsorganisationen von Bedeu-tung. Die internationale Dachorganisation der Akkreditierungsstellen IAF (Inter-national Accreditation Forum) hat im Mai 1997 Richtlinien zu diesem Guide erlas-sen, womit eine weltweit harmonisierte Auslegung der einzelnen Bestimmungen erreicht werden konnte. Eine überarbeitete Version dieser Richtlinien ist für die Akkreditierungs- und Zertifizierungsstellen seit Juli 2002 verpflichtend.59 Als Hilfe-

55

Vgl. CSC (1998), S. 320. 56

Seghezzi lehnt die Interpretation von Kontinuität als „Immer-besser-Modell“ im Rahmen von Audits auch aus konzeptionellen Gründen ab. Er kritisiert, dass die Durchsetzung einer „Immer-besser“-Vorstellung einheitlich anzuwendende Bewertungsskalen und Grenzwerte voraussetzen würde. Die Festlegung von Grenzwerten würde jedoch der KVP-Grundidee zuwiderlaufen, da für die Unternehmung mit dem Erreichen des Grenz-wertes der Anreiz verloren ginge, weitere Verbesserungen anzustreben. Ausserdem würde ein solches Beur-teilungssystem eine internationale Kalibrierung erfordern, um die Gleichwertigkeit von Zertifikaten sicherzu-stellen. Vgl. SEGHEZZI (2003), S. 288. Die Argumentation ist zwar auf die Zertifizierung von QMS gerichtet, sie ist in ihren Grundzügen aber auch auf UMS übertragbar.

57 ISO 14001:1996, Punkt 3.12.

58 Vgl. ISO/IEC GUIDE 66. Diese Richtlinie befindet sich derzeit in Revision, geplant ist der Ersatz durch ein

Dokument, in welchem die Vorgaben für Zertifizierungsgesellschaften sowohl für die Zertifizierung von Quali-täts- als auch für Umweltmanagementsysteme zusammengefasst sein werden: „ISO/IEC 17021: General re-quirements for bodies operating assessment and certification/registration of quality or environmental mana-gement systems“.

59 Vgl. ISO/IEC GUIDE 66; EA-7/02.

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Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs 23

stellung für die Einführung und Umsetzung eines UMS wurde von der ISO zusätz-lich die Norm ISO 14004 „Umweltmanagementsysteme – Allgemeiner Leitfaden über Grundsätze, Systeme und Hilfsinstrumente“ geschaffen. Dieser Leitfaden stellt keine verbindliche Grundlage für die Zertifizierung von UMS nach ISO 14001 dar, kann jedoch vom Unternehmen als Auslegungshilfe der Norm herangezogen wer-den.

Abb. 8: Formeller Zertifizierungsablauf für UMS nach ISO 14001

Details zum Zertifizierungsprozess60 sind in Guide 66 geregelt. Der Prozess um-fasst ein zweistufiges Verfahren für die Erstzertifizierung sowie eine Auditierungs-routine für die Aufrechterhaltung bzw. Erneuerung des ISO-14001-Zertifikats (vgl. Abb. 8). Guide 66 gibt überdies – in Form eines Berechnungsschemas – Hinweise zur Ermittlung der im Einzelfall erforderlichen Auditdauer.61

Die Erstzertifizierung umfasst ein Voraudit, das dem eigentlichen Zertifizierungs-audit vorangeht.62 Das Voraudit dient primär dazu, den Stand der Vorbereitung des UMS zu überprüfen. Dazu müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein:

• Das interne Auditsystem muss arbeitsfähig sein, • mindestens ein vollständiges internes Audit muss durchgeführt worden sein, • und die oberste Leitung der Unternehmung muss mindestens eine Bewertung

der Ergebnisse interner Audits durchgeführt haben (Management Review).63

60

Die Ausführungen zum formellen Zertifizierungsprozess basieren auf Vorarbeiten zu dieser Studie. An ihrer Ausarbeitung waren Experten der SAS und von Zertifizierungsorganisationen beteiligt. Die Ergebnisse sind teilweise in den Leitfaden KVP der SNV (2002) eingeflossen.

61 ISO/IEC GUIDE 66, Punkte 5.2.1 und 5.2.2, sowie EA-7/02, Anhang 1. Zur EMAS- Verordnung sind auf z.B.

in Österreich Mindestaufwände für Erst- und Revalidierungen definiert. 62

ISO/IEC GUIDE 66, Punkt 5.3.2. 63

Vgl. ISO/IEC GUIDE 66 (2003), S. 16. Ein Zeitraum zur Erfüllung dieser Vorgaben ist nicht festgelegt.

Aufbau und Einführungdes UMS

Erstzertifizierung

1. Stufe:Voraudit

2. Stufe:Zertifizierungs-

Audit

Aufrechterhalten der Zertifizierung

JährlicheÜberwachungs-

Audits

Rezertifizierungs-Audits nach

3 Jahren

ZeitAufbau und Einführungdes UMS

Erstzertifizierung

1. Stufe:Voraudit

2. Stufe:Zertifizierungs-

Audit

Erstzertifizierung

1. Stufe:Voraudit

2. Stufe:Zertifizierungs-

Audit

Aufrechterhalten der Zertifizierung

JährlicheÜberwachungs-

Audits

Rezertifizierungs-Audits nach

3 Jahren

Zeit

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24 Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs

In der Auditierungspraxis stehen anlässlich des Voraudits eine Reihe grundsätz-licher Fragen zum System und zur Vorgehensweise im Zentrum: Wie sind die Gren-zen des Systems festgelegt worden? Sind die bedeutenden Umweltaspekte64 von Prozessen und Produkten vollständig erfasst? Ist deren Bewertung korrekt durch-geführt und sind die Beeinflussungsmöglichkeiten auf nachvollziehbare Weise er-mittelt worden? Sind die Forderungen der ISO 14001 – wo nötig – dokumentiert? Zweck des Voraudits ist dementsprechend die Prüfung der Zertifizierungsreife des Unternehmens, wobei die Prüfung der UMS-Dokumentation eine wichtige Rolle spielt. Zum Voraudit gehört auch die Prüfung der Umweltpolitik des Unternehmens. Sie muss die Verpflichtung zur Einhaltung der relevanten Gesetze und Vorschriften sowie ein Bekenntnis zur kontinuierlichen Verbesserung und zur Verhütung von Umweltbelastungen enthalten.65 Das Voraudit unterstützt letztlich die Vorbereitung des Zertifizierungsaudits in dem Sinne, als hier Prüfschwerpunkte eruiert und in die Zertifizierungsplanung eingebracht werden sollen.66

Das Zertifizierungsaudit prüft die Umsetzung, die richtige Anwendung und die Wirksamkeit des UMS. Es findet vor Ort statt. Im Zentrum stehen die Elemente und Wirkungsweisen des implementierten UMS. Das Augenmerk liegt auf der Durch-gängigkeit der Systematik sowie auf dem Verständnis für den Führungskreislauf (PDCA-Zyklus) und dessen Elemente: Umweltpolitik, Umweltanalyse, Festlegung von Zielen und Programmen, Implementation des UMS (inkl. Verantwortlichkeiten, Schulung, etc.), Durchführung interner Audits, Beurteilung der Zielerreichung und Festlegung neuer Ziele. Bedeutende Beurteilungskriterien sind der Bezug der anvi-sierten Verbesserungen der Umweltleistung zu den bedeutenden Umweltaspekten sowie die stringente Berücksichtigung der gesetzlichen Erfordernisse. Sowohl die bedeutenden Umweltaspekte wie auch die Stossrichtung der Leistungsverbesserun-gen sollen in den Festlegungen der Umweltpolitik, in den Zielen und in den Mass-nahmenprogrammen zum Ausdruck kommen.67

Die tatsächlich realisierten Verbesserungen der Umweltleistung können zu diesem Zeitpunkt oft erst ansatzweise geprüft werden, da sie zumeist noch nicht nach-weisbar sind. Demgegenüber haben die Planung der Umweltleistungsverbesse-rungen und die dazugehörenden Kontrollmassnahmen Gewähr für eine wirksame Umsetzung zu leisten. ISO 14004 macht bezüglich der Leistungskriterien68 sowie der Zielsetzungen und Einzelziele 69 weiterführende Angaben: Sofern keine oder

64

ISO 14001 verwendet das Konstrukt bedeutende Umweltaspekte für Umweltauswirkungen, die sich aufgrund der Umweltanalyse der Unternehmung im Vergleich zu anderen Umweltbelastungen als besonders schädlich erweisen. Vgl. ISO 14001:1996, Punkt 3.3. Welche Umweltaspekte im Anwendungsfall als bedeutend quali-fizert werden, wird in die Verantwortung der Organisation übertragen, wie folgender Auszug aus EA 7/02 be-legt: „... it is for the organisation to define the criteria by which environmental aspects and their associated impacts are identified as significant, and to develop (a) procedure(s) for doing this...“.

65 Vgl. ISO 14001:1996, Punkt 4.2b.

66 Vgl. DAR-7-EM-02, Punkt G.5.3.17b.

67 ISO 14001:1996, Punkte 4.2a,d.

68 ISO 14004:1996, Punkt 4.2.4.

69 ISO 14004:1996, Punkt 4.2.5.

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Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs 25

keine adäquaten externen Leistungsstandards vorliegen, ist die Organisation aufge-rufen, interne Leistungsstandards zu setzen. Solche Standards stellen die Basis für die Festlegung von Zielsetzungen und Einzelzielen dar. Dabei sind sowohl direkte als auch indirekte Umweltaspekte zu berücksichtigen.

Mit der Erstzertifizierung hat die Organisation nachgewiesen, dass sie über die er-forderlichen Systeme und Instrumente verfügt, um die Umweltaspekte ihrer Tätig-keiten, Produkte und Dienstleistungen zu beurteilen, zielgerichtete Massnahmen zur Vermeidung von Umweltbelastungen zu ergreifen und einen selbst gesteuerten kon-tinuierlichen Verbesserungsprozess zu initiieren. Eine zertifizierte Organisation muss mindestens einmal jährlich einem Überwachungsaudit unterzogen werden, und alle drei Jahre ist ein komplettes Wiederhol- bzw. Rezertifizierungsaudit70 durchzuführen,71 bei dessen Bestehen ein neues, für weitere drei Jahre gültiges ISO-14001-Zertifikat ausgestellt wird. Durch diese externe Auditierungsroutine72 soll die fortdauernde Wirksamkeit des UMS unterstützt werden.

Mit zunehmender Zertifizierungsdauer73 wächst die Bedeutung des KVP als Beurtei-lungsaspekt in der Auditierung. Der Auditor74 ist angehalten, den KVP durch gezielte Fragen im Rahmen von Überwachungs- und Zertifizierungsaudits75 anzusprechen. In ISO 14000f. fehlen aber Hinweise darauf, mit welchen materiellen oder system-bezogenen Leistungen der KVP-Forderung genüge getan wird. Vielmehr ist die An-gemessenheit der von der Organisation selbst festgelegten KVP-Prozesse zu prü-fen und deren Wirksamkeit zu beurteilen. Beurteilungsmassstäbe und -richtlinien, mit deren Hilfe sich diese Normvorgaben konkretisieren liessen, stehen den Zertifi-zierungsorganisationen bisher jedoch nicht zur Verfügung.76 Gegenstand des fol-genden Abschnitts sind deshalb Ansätze zur inhaltlichen Prüfung des KVP im Rah-men externer Audits.

Materielle Auditierung des KVP Der Verzicht auf materielle Forderungen und auf eine konzeptionell-methodische Konkretisierung des KVP-Begriffs öffnet einen weiten Spielraum, den Unternehmen, Zertifizierungsgesellschaften und -auditoren mit eigenen Interpretationen füllen müs- 70

Die Terminologie ist bezüglich der Auditarten uneinheitlich. So werden Überwachungsaudits auch als Auf-rechterhaltungsaudits, Zwischenaudits oder Überwachungsbegehungen bezeichnet. Als Synonyme für Wie-derholaudits wird auch Wiederholungsaudit oder Wiederholungsbegutachtung verwendet.

71 Vgl. ISO/IEC GUIDE 66, Punkt 5.6.

72 „Externe Audits“ und „Externe Auditierungsroutinen“ stehen im Rahmen dieser Arbeit für Audits, die durch

Zertifizierungsorganisationen aufgrund von Normvorgaben durchgeführt werden. Sie sind nicht zu ver-wechseln mit externen Audits, die Organisationen unabhängig von den Normerfordernissen durch Dritte durchführen lassen oder Audits, die von interessierten Kreisen (z.B. von Kunden) durchgeführt werden.

73 Die „Zertifizierungsdauer“ meint die Zeitspanne seit der Erstzertifizierung. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird

alternativ auch der Ausdruck „Dauer der Teilnahme an der Zertifizierung“ verwendet, der auf dieselbe Zeit-spanne hinweist.

74 Externe Audits können sowohl von einem einzelnen Auditor als auch von einem Auditorenteam durchgeführt

werden. Um die Lesbarkeit der Ausführungen in dieser Arbeit zu verbessern wird jedoch auf eine solche Präzisierung verzichtet: Wenn vom „Auditor“ die Rede ist, ist darin immer auch implizit die Möglichkeit einge-schlossen, dass es sich im konkreten Anwendungsfall um ein „Auditorenteam“ handeln kann.

75 Vgl. ISO/IEC GUIDE 66.

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26 Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs

sen. Vorgaben fehlen sowohl in Bezug auf die Weiterentwicklung des UMS als auch auf die Verbesserung der Umweltleistung. Ob diesem Auslegungsbedarf haben sich in internationalen Diskussionen zwei grundsätzliche Standpunkte entwickelt: Vor-wiegend im angelsächsischen Raum wird die Norm dahingehend interpretiert, dass mit dem KVP ausschliesslich Systemverbesserungen gefordert und im Rahmen von Zertifizierungsaudits geprüft werden können; dies mit der Begründung, dass allein die UMS-betreibende Organisation einschätzen und entscheiden kann, welche Um-weltschutzmassnahmen möglich und wirtschaftlich vertretbar sind. Entsprechend sollen externe Audits prüfen, ob die Unternehmung ihre in der Umweltpolitik de-klarierte Eigenverantwortung wahrnimmt und ihre Umweltleistungsfähigkeit77 kon-tinuierlich weiter entwickelt wird, ohne aber deren Resultate in Form von Umwelt-leistungsverbesserungen einer Prüfung zu unterziehen. Der zweite, in der übrigen westlichen Welt eingenommene Standpunkt, orientiert sich konzeptionell an der Un-terscheidung von Befähigungs- und Ergebniskriterien, womit sowohl das UMS als auch dessen ökologische Wirksamkeit in den Prüfungsradius fallen. Der von der jeweils zuständigen nationalen Akkreditierungsstelle vertretene Standpunkt hat in der Regel direkte Auswirkungen auf die inhaltliche Prüfung des KVP in den Unter-nehmen. Der nachfolgend skizzierte Standpunkt der Schweizerischen Akkre-ditierungsstelle (SAS), der auch im Rahmen dieser Arbeit vertreten wird, stellt einen pragmatischen und umfassenden Interpretationsansatz dar. Er ist – wie sich in der Arbeit der SAPUZ AG KVP bestätigte – mittlerweile über die Zertifizierungs-unternehmen der Schweiz in die (Re-)Zertifizierungspraxis eingeflossen. Die Ele-mente der KVP-Beurteilung sind in Abb. 9 zusammengefasst.78

Abb. 9: Beurteilungskriterien für den KVP

76

Vgl. SAPUZ AG KVP, Protokoll vom 15. Mai 2001. 77

Zum Begriff der Umweltleistungsfähigkeit siehe Abschnitt 3.4.3 in dieser Arbeit. 78

Die Systematik geht zurück auf Ergebnisse der Arbeitsgruppe KVP der SAPUZ, vgl. auch: SNV (2002).

KVPWeiterentwicklung des UMS

Verbesserung der Umweltleistung

Kontextfaktoren

Angemessenheit bzgl. Umweltaspekten

KVPWeiterentwicklung des UMS

Verbesserung der Umweltleistung

Kontextfaktoren

Angemessenheit bzgl. Umweltaspekten

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Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs 27

Als zentrale Objekte von Veränderungsprozessen in der KVP-Definition der Norm stehen die Beurteilungskriterien Weiterentwicklung des UMS und Verbesserung der Umweltleistung im Vordergrund. Diesbezügliche Operationalisierungsansätze werden in den Kapiteln 3 und 4 dieser Arbeit vorgestellt und diskutiert. Ergänzend dazu ist wie bereits bei der Erstzertifizierung die Angemessenheit des ökologi-schen Engagements hinsichtlich der realen ökologischen Situation der Organisation von Bedeutung. Sie ist dann gegeben, wenn Umweltziele und Umweltschutzmass-nahmen sowie die dem Management vorliegenden ökologischen Informationen ers-tens auf die Bedeutung der Umweltaspekte abgestimmt sind und zweitens die Um-weltstrategie und die Umweltpolitik der Organisation widerspiegeln. Als Kontext-faktoren werden schliesslich die umweltschutzbezogene Unternehmensgeschichte und die wirtschaftlichen und technologischen Rahmenbedingungen in die Beurtei-lung einbezogen. Die Würdigung aktueller Veränderungen im Lichte bisheriger öko-logischer Verbesserungserfolge ist eine Folge der in der Praxis häufig anzutreffen-den sprunghaften Veränderungs- bzw. Verbesserungsprozesse, die durch die peri-odische UMS-Überwachungsroutine nicht immer ausreichend erfasst werden kön-nen. Sie ist zudem Ausdruck der in Abschnitt 2.2.2 dargelegten Auffassung, die zur KVP-Beurteilung eine Orientierung an mehrperiodischen Beobachtungszeiträumen fordert.

Im Vergleich zur Erstzertifizierung verschiebt sich mit diesem Kriterienraster der Au-ditschwerpunkt von den Systemaspekten hin zu Leistungsaspekten des UMS. Zwar lassen sich auch auf der Ebene der Unternehmung Art und Ausmass der Verbes-serungen nicht als absolute Forderungen vorschreiben. Jedes Unternehmen be-findet sich in einer individuellen wirtschaftlichen und ökologischen Situation, und die sich daraus ergebenden Handlungsspielräume sind von Dritten (insbesondere auch von Zertifizierungsauditoren) nur schwer erfassbar. Allgemein gilt jedoch, dass Um-weltziele sowohl anspruchsvoll als auch realistisch formuliert und wenn immer möglich messbar sein sollen. Dadurch und durch die Berücksichtigung der Kontext-faktoren wird die Verbesserung der Umweltleistung nicht nur absolut, sondern auch im Verhältnis zum aktuellen Umweltleistungsniveau gewürdigt.

Zusammenfassung und Fazit Jede Organisation kann das ISO-14001-Zertifikat erlangen, ohne zuvor ökologische Leistungen erbracht zu haben, die über das gesetzlich definierte Mindestmass hin-ausgehen. Damit die Ziele der Norm dennoch erfüllt werden können, muss sich die zertifizierte Unternehmung zur kontinuierlichen Verbesserung von UMS und Um-weltleistung verpflichten. Mit dieser Konzeption legt ISO 14001 den Organisationen eine relativ niedrige Schwelle für die Erstzertifizierung und knüpft erst an die Auf-rechterhaltung der Zertifizierung Anforderungen, die betriebliche Umweltschutzleis-tungen im freiwilligen Bereich verlangen. Der KVP wird dabei als systematischer Weg verstanden, der die Organisation zu laufend abnehmenden Umweltbelas-tungen führen soll: Durch das stete Durchlaufen des PDCA-Zyklus sollen UMS und

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28 Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs

Umweltleistung nach der Erstzertifizierung kontinuierlich „hochgeschraubt“79 werden. Gleichzeitig fehlen in der Norm aber Grundlagen, die die Beurteilung des geforder-ten KVP auf einer allgemein anwendbaren Basis erlauben würden.

Ob und welche praktischen Probleme sich durch diese Konzeption ergeben, kann auf der Grundlage bisheriger empirischer Studien nicht geklärt werden. Dies liegt nicht zuletzt – bedingt durch den erst wenige Jahre zurückliegenden Publikations-zeitpunkt der ISO 14001 – an der bislang geringen Erfahrungsdichte sowohl seitens der Unternehmen als auch seitens der Zertifizierungsgesellschaften. In ihr kann die Ursache für die bisher ausgebliebene bzw. erst in Ansätzen vorhandene Konkre-tisierung des KVP-Begriffs und seiner Anwendung in der Praxis angenommen wer-den. Ein weiterer Grund lässt sich darin vermuten, dass mit dem traditionellen KVP-Begriffsverständnis und dem KVP-Begriff in ISO 14001 zwei sehr unterschiedliche – und auf ihre Weise diffuse – Begriffsperzeptionen in der Unternehmenspraxis auf-einander treffen. Welches ihre gemeinsame Basis ist und worin sich die beiden Beg-riffe unterscheiden, ist Gegenstand der folgenden Gegenüberstellung.

2.3 Gegenüberstellung des KVP in der Managementlehre und in ISO 14001

In den beiden vorangegangen Abschnitten wurden die „KVP-Ideen“, die den KVP-Begriffen der allgemeinen Managementlehre und der ISO 14001 zugrunde liegen, dargestellt und diskutiert. Im Folgenden werden nun die beiden Konzeptionen ein-ander gegenüber gestellt, um die Grundlage für die Entwicklung eines weiterführen-den Begriffsverständnisses für die praktische Anwendung der KVP-Forderung in ISO 14001 zu schaffen.

Tab. 2: Die KVP-Ansätze der Managementlehre und der ISO 14001 im Vergleich

79

Vgl. MÜLLER-CHRIST (2001), S. 200.

Anwendungsorientierte Interpretation der KVP-Forderung der ISO 14001

• Intern und extern• Formalisiert

• InternControlling

• PDCA-Zyklus• PDCA-ZyklusFunktionsprinzip

• Keine Festlegung• Bottom-up• Managementphilosophie• Unternehmenskultur

Treiber

• Keine Festlegung• InkrementellVeränderungshöhe

• Weiterentwicklung und Verbesserung hinsichtlich ökologischer Ziele

• Optimierung hinsichtlich ökonomischer ZieleVeränderungsziel

• UMS und Umweltleistung • Bestehende Prozesse und ProdukteVeränderungsobjekt

KVP in ISO 14001KVP in der Managementlehre

Anwendungsorientierte Interpretation der KVP-Forderung der ISO 14001

• Intern und extern• Formalisiert

• InternControlling

• PDCA-Zyklus• PDCA-ZyklusFunktionsprinzip

• Keine Festlegung• Bottom-up• Managementphilosophie• Unternehmenskultur

Treiber

• Keine Festlegung• InkrementellVeränderungshöhe

• Weiterentwicklung und Verbesserung hinsichtlich ökologischer Ziele

• Optimierung hinsichtlich ökonomischer ZieleVeränderungsziel

• UMS und Umweltleistung • Bestehende Prozesse und ProdukteVeränderungsobjekt

KVP in ISO 14001KVP in der Managementlehre

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Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs 29

Tab. 2 fasst die konkreten Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden KVP-Konzepte zusammen. Auf den ersten Blick fällt auf, dass der KVP-Begriff in ISO 14001 sehr allgemein definiert ist und in wesentlichen Punkten weder explizite noch implizite Festlegungen vorhanden sind, während das KVP-Verständnis in der Ma-nagementlehre deutlich schärfere Konturen aufweist. Zu den einzelnen Aspekten der KVP-Konzepte ergeben sich folgende Ausprägungen:

● Veränderungsobjekt Während ISO 14001 mit dem UMS und der Umweltleistung zwei konkrete Ziel-objekte des KVP definiert, umfasst der traditionelle KVP-Begriff Veränderungen von Prozessen und Produkten, ohne dies näher einzugrenzen.

● Veränderungsziel Gemeinsam ist beiden Begriffskonzeptionen das stetige Streben nach mehr Effi-zienz und Effektivität. Während beim traditionellen KVP-Begriff ökonomisch relevan-te Verbesserungsziele im Vordergrund stehen, strebt der KVP von ISO 14001 aus-schliesslich die Weiterentwicklung des UMS und die Verbesserung der Umweltleis-tung an. Ökonomische Grössen sind in der Konzeption von ISO 14001 kein Ziel des KVP, sondern Leitlinien bzw. Rahmenbedingungen in der Planung und Realisierung von Umweltschutzmassnahmen.

● Veränderungshöhe Die Veränderungshöhe beschreibt das Ausmass des Fortschritts einzelner Verbes-serungsschritte. Während mit dem traditionellen KVP-Begriff eine klare Vorstellung über die Veränderungshöhe verbunden ist, findet sich in ISO 14001 keine ent-sprechende Festlegung. So wird Kaizen definitionsgemäss von der Innovation ab-gegrenzt (vgl. Tab. 3).80 Entsprechend werden mit Kaizen die wenig spektakulären, wenig aufwändigen, von jedem Mitarbeiter initiierbaren Effizienzverbesserungen verbunden, die – einzeln betrachtet – Prozesse und Produkte nur geringfügig ver-ändern. Die Aufgabe von Kaizen liegt in der Optimierung bestehender Lösungen, ohne die dahinter liegenden Standards verändern zu wollen. Demgegenüber sind Innovationen die konkrete Anwendung bzw. die Nutzbarmachung von Inventio-nen81 und bedeuten für die Unternehmung spürbare, abrupte Veränderungen, die sich z.B. in der Nutzung einer neuen Technologie, in der Herstellung neuer, anderer Produkte oder im Aufbau neuer Fähigkeiten niederschlagen. Innovationen führen zu Unsicherheit und Risiken, unabhängig davon, ob sie zu Markterfolgen führen oder nicht.

80

Vgl. IMAI (1993), S. 47 f. 81

Vgl. CORSTEN (2000), S. 393, sowie THOMMEN (2004), S. 295. Als Innovation wird allgemein die Einführung einer neuen Problemlösung bezeichnet, wobei es nicht nur auf den absoluten Neuigkeitsgrad, sondern auch auf die relative Neuerung in Bezug auf das betroffene Unternehmen ankommt. Somit kann auch die Nach-ahmung für ein Unternehmen eine Innovation darstellen.

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30 Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs

Tab. 3: Abgrenzung von Kaizen und Innovation nach Imai82

Anschaulich beschreibt Imai den Unterschied zwischen Innovation und Kaizen:

Innovation ist dramatisch, Aufsehen erregend. Kaizen ist meist undra-matisch, eher subtil. Innovation ist eine einmalige Aktion, Kaizen ein kon-tinuierlicher Prozess, der unter Einsatz des gesunden Menschen-verstandes und geringer Mittel langfristig zum Erfolg führt. Kaizen ist auch ohne grosse Risiken anzuwenden, man kann immer, ohne grossen Geld-aufwand, die ursprüngliche Situation wieder herstellen.83

Innovation und Optimierung erweisen sich damit als zwei unterschiedliche konzep-tionelle Ansätze der Verbesserung, die jeweils einen Idealtypus des Fortschritts be-schreiben. Ihre (vgl. die schematische Darstellung in Abb. 10). In der Management-literatur werden sie auch als die beiden Motoren des unternehmerischen Fort-schritts84 beschrieben; zwei Motoren, die einander nicht nur ergänzen, sondern auch eine jeweils entscheidende Rolle für die Unternehmensentwicklung spielen. Der Zwang, sich als Unternehmen angesichts der Veränderungen im Umsystem laufend 82

Nach IMAI (1993), S. 48. 83

IMAI (1997), S. 15. 84

Vgl. STEINBECK (1995), S. 39.

Hauptsächlich geeignet für eine rasch ansteigende Wirtschaft.

Hervorragend geeignet für eine langsam ansteigende Wirtschaft

Vorteil

ProfitresultateLeistung und Verfahren für bessere Ergebnisse

Bewertungs-kriterien

TechnikMenschenErfolgsorientierung

Grosses Investment, geringer Einsatz zur Erhaltung

Kleines Investment, grosserEinsatz zur Erhaltung

Praktische Voraussetzungen

Technologische Errungenschaften, neue Erfindungen, neue Theorien

Konventionelles Know-how und jeweiliger Stand der Technik

Erfolgsrezept

Abbruch und NeuaufbauErhaltung und Verbesserung Devise

"Ellbogenverfahren", individuelle Ideen und Anstrengungen

Kollektivgeist, Gruppenarbeit, SystematikVorgehensweise

Wenige AuserwählteJeder FirmenangestellteProtagonisten

Abrupt und unbeständigGleichbleibend hochErfolgschance

Unterbrochen und befristetKontinuierlich und steigendZeitlicher Rahmen

Grosse SchritteKleine SchritteTempo

Kurzfristig, dramatischLangfristig und andauernd, undramatischEffekt

InnovationKaizen / Optimierung

Hauptsächlich geeignet für eine rasch ansteigende Wirtschaft.

Hervorragend geeignet für eine langsam ansteigende Wirtschaft

Vorteil

ProfitresultateLeistung und Verfahren für bessere Ergebnisse

Bewertungs-kriterien

TechnikMenschenErfolgsorientierung

Grosses Investment, geringer Einsatz zur Erhaltung

Kleines Investment, grosserEinsatz zur Erhaltung

Praktische Voraussetzungen

Technologische Errungenschaften, neue Erfindungen, neue Theorien

Konventionelles Know-how und jeweiliger Stand der Technik

Erfolgsrezept

Abbruch und NeuaufbauErhaltung und Verbesserung Devise

"Ellbogenverfahren", individuelle Ideen und Anstrengungen

Kollektivgeist, Gruppenarbeit, SystematikVorgehensweise

Wenige AuserwählteJeder FirmenangestellteProtagonisten

Abrupt und unbeständigGleichbleibend hochErfolgschance

Unterbrochen und befristetKontinuierlich und steigendZeitlicher Rahmen

Grosse SchritteKleine SchritteTempo

Kurzfristig, dramatischLangfristig und andauernd, undramatischEffekt

InnovationKaizen / Optimierung

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Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs 31

durch strategische Neuorientierungen, Reengineering-Programme oder Produkt- und Verfahrensinnovationen zu verbessern, führt zu grösseren Brüchen, die die Or-ganisation bewältigen muss.

Abb. 10: Fortschritt durch Optimierung und Innovation Da grosse Veränderungen immer auch kleine Probleme mit sich bringen, die die Organisation in sehr verschiedenartigen Teilbereichen betreffen können und die es in den Griff zu bekommen gilt, müssen sie durch eine Vielzahl kleinerer Massnah-men begleitet werden. Oft lassen erst diese kleinen Korrektur- und Anpassungs-massnahmen die grossen Veränderungen wirksam werden, und die so erzielten „small wins“ sind in der Summe mitunter bedeutsamer als die spektakulären „big points“.85 Steinbeck führt deshalb auch strategische Gründe an, warum Unterneh-men die stetige Optimierung bestehender Lösungen nicht vernachlässigen sollen. Er argumentiert, dass ein Unternehmen, das nur an spektakulären Neuerungen inte-ressiert ist, kaum eine Chance hat, seinen mit einer Innovation errungenen Wettbe-werbsvorsprung – sei er auch noch so hoch – über einen längeren Zeitraum zu hal-ten: „Es kann eindeutig nur dann seinen Schwung bewahren und den gewonnenen Boden verteidigen, wenn es die Kräfte freisetzt, die im zweigleisigen Ansatz – be-deutsame Innovationen gekoppelt mit schrittweisen Verbesserungen – verborgen sind. Denn sobald ein System Fuss gefasst hat, beginnt seine Wirkung zu verblas-sen.“86 So erstaunt es nicht, dass – wie in einer Untersuchung in deutschen Unter-nehmen festgestellt wurde – 97% der Führungskräfte glauben, dass insbesondere durch die „im Rahmen von KVP-Aktivitäten realisierten kleinen Verbesserungen“ ihre Wettbewerbsposition wesentlich verstärkt werden konnte.87

85

Vgl. WAHREN (1998), S. 10. Magyar unterscheidet zusätzlich zwischen verschiedenen Innovationsgraden (Kleinst-, Klein-, Mittel-, grosse und epochale Innovationen), wobei die Veränderungshöhe tieferer Innova-tionsgrade den hier dargestellten Optimierungsschritten entspricht. Vgl. MAGYAR (1993), S. 105–109.

86 Vgl. STEINBECK (1995), S. 39 ff.

87 Vgl. AGAMUS (1996). Der Untersuchung liegen Daten aus 113 deutschen Unternehmen zugrunde, die KVP

aktiv und systematisch betreiben.

Forts

chrit

t

Zeit

Innovationen

Optimierungen

Forts

chrit

t

Zeit

Innovationen

Optimierungen

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32 Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs

Während in der Managementlehre die konzeptionelle Unterscheidung von Kaizen – gleichgesetzt mit KVP – und Innovation breit akzeptiert ist, stellt sich die Frage, ob entsprechend auch der KVP nach ISO 14001 auf dieselbe Weise mit der Optimie-rung von bestehenden Lösungen und Standards gleichzusetzen ist. Im Wortlaut der ISO 14001 findet sich keine normative Festlegung in Bezug auf die Veränderungs-höhe. Die übergeordnete Zielsetzung der ISO 14001 liegt in der Verbesserung der Umweltleistung von Organisationen, und der Weg dazu führt über den KVP. Die Erfahrung zeigt, dass durch die Optimierung von Prozessen und Produkten – nicht zuletzt durch entsprechende umweltpolitische Steuerungsmechanismen – die Res-sourcenproduktivität und damit die relative Umweltbelastung seit den 1980er Jahren laufend gesenkt werden konnte. Dennoch hat sich insbesondere als Folge von Wirt-schaftswachstum und Marktausweitungen die absolute Umweltbelastung in dersel-ben Zeit teilweise drastisch erhöht, und eine bewusste Dematerialisierung der Be-dürfnisbefriedigung ist weitgehend ausgeblieben.88 Daher besteht weitgehend Kon-sens darüber, dass die Optimierung der Umweltbelastung von Prozessen und Pro-dukten durch Effizienzsteigerungen und technisches Redesign nicht genügt, um ökologischen Nachhaltigkeitszielen gerecht zu werden. Auch sind verschiedene nationale Umweltziele, wie z.B. im Zusammenhang mit der Reduktion von CO2-Emissionen, zu ambitiös formuliert, als dass sie ausschliesslich durch das Optimie-ren bestehender Lösungen erreicht werden könnten. Von den Unternehmen sind deshalb nicht nur Optimierungsmassnahmen, sondern in besonderem Mass öko-effektive Strategien und die Entwicklung von umweltentlastenden Produktalterna-tiven gefordert.

Innovationen mit dem Ziel, die Umweltleistung von Unternehmen effektiv zu ver-bessern, sind hierbei von entscheidender Bedeutung. 89 Dazu gehören einerseits betriebsbezogene ökologische Innovationen, die einen sparsamen und schonenden Einsatz knapper Ressourcen ermöglichen, produktionsbedingte Emissionen und Abfälle eindämmen und Umweltrisiken begrenzen. Andererseits liegt eine grosse Herausforderung für die Zukunft darin, Produkte und Dienstleistungen für die um-weltschonende Befriedigung von Markt- und Kundenbedürfnissen bereitzustellen.90 Angesichts dieser Erfordernisse für eine umweltverträgliche Entwicklung würde eine Beschränkung des KVP-Verständnisses auf Fortschritte durch Optimierung und damit die Nichtberücksichtigung von ökologisch relevanten Innovationen als „KVP-Erfolge“ dem Normziel dauerhaft zunehmender Umweltleistung zuwiderlaufen; dies deshalb, weil die Realisierung neuer Umweltentlastungen auf Dauer auch innovative 88

Vgl. STAHLMANN / CLAUSEN (2000), S. 49. 89

Im Zusammenhang mit dem Innovationsdenken im Umweltschutz betonen Günther / Pfriem, dass „Innovati-on sich in aller Regel nicht in spektakulären neuen Produkten oder Ideen dokumentiert (…)“ und dass viel-mehr „gerade im KVP kleine, punktuelle, nichtsdestoweniger reale Beiträge geleistet“ werden, die „schnelle Fortschritte ermöglichen (…).“ Vgl. GÜNTHER / PFRIEM (1999), S. 147. Diese Aussage zeigt eine weitere Di-mension der begrifflichen Unschärfe in der KVP-Diskussion auf und steht mit dem dargelegten Begriffsver-ständnis der Innovation nach Imai, jedoch nicht mit der hier vertretenen Auslegung des KVP-Begriffes nach ISO 14001, in Widerspruch.

90 Zur Systematisierung ökologischer Innovationen vgl. DYLLICK (1991), S. 41 ff. sowie die vertiefte und diffe-

renzierte Auseinandersetzung mit ökologischen Innovationen von: MINSCH ET AL. (1996).

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Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs 33

Leistungen erfordert. Eine solche Beschränkung würde darüber hinaus falsche An-reize für die ökologische Unternehmensentwicklung setzen, wenn zertifizierte Un-ternehmen zur Erfüllung der KVP-Forderung und damit zur Beibehaltung des UMS-Zertifikats allein auf Optimierungsschritte setzen müssten. Das KVP-Verständnis im Rahmen der ISO 14001 muss daher sinnvollerweise alle mit Unterstützung des UMS erzielten Veränderungen von Prozessen und Produkten umfassen, die zu Umweltentlastungen führen, und dies unabhängig davon, ob es sich dabei um die Optimierung91 bestehender Lösungen oder um Innovationen handelt.

Die damit vorgenommene Subsumierung von Innovationen unter den KVP-Begriff kommt einer Abkehr vom heutigen KVP-Verständnis in der Managementlehre gleich, indem der Verbesserungsbegriff hier umfassender verstanden wird. Darin spiegelt sich eine konzeptionelle Schwäche der semantischen Gleichsetzung von „KVP“ und „Kaizen“, deren Ursache in diffusen Begriffsverwendungen und „Über-setzungsfehlern“ zu finden ist. Um Kaizen in der deutschen Sprache sinngleich zu adaptieren, wäre die Begrifflichkeit „Kontinuierlicher Optimierungsprozess“ – oder „KOP“ – eher zutreffend. Selbst Imai weist in seinen Veröffentlichungen auf diesen Umstand hin, präsentiert er doch zwei verschiedene Definitionen für den Begriff „Verbesserung“. So ist die Verbesserung als Teil einer Kaizen-Strategie und damit in einem engeren Sinn als Schritt zur Erhaltung und Verbesserung erreichter Stan-dards zu verstehen (siehe oben), im weiteren Sinn umschliesst die Verbesserung aber sowohl Kaizen (Optimierung) als auch Innovation.92

● Treiber Vor dem Hintergrund der japanischen Kultur steht im Begriffsverständnis des Kai-zens die managementphilosophische Komponente des stetigen Verbesserungs-strebens deutlich im Zentrum. In der westlichen Welt ist demgegenüber die Ausrich-tung an Resultaten und Erfolgen das dominierende Element. Gemeinsam ist beiden Ansätzen die Betonung des einzelnen Mitarbeiters oder kleinerer Mitarbeiterteams als treibende Kraft für Verbesserungen. Daher sind Beteiligungssysteme für Mit-arbeiter aller Ebenen – insbesondere der Nicht-Führungs-Ebenen – weit verbreitet. Ebenso verbreitet ist die synonyme Verwendung der Begriffe „Betriebliches Vor-schlagswesen“ (BVW) und „KVP“ in den Unternehmen.

ISO 14001 äussert sich nicht zu unternehmenskulturellen Aspekten des KVP. Implizit kann die Bezugnahme der KVP-Definition zur betrieblichen Umweltpolitik93 und die Forderung, dass sich die Unternehmung in ihrer Umweltpolitik zum KVP

91

Der Begriff Optimierung bezeichnet im weiteren Verlauf dieser Arbeit die Verbesserung bestehender Prozess und Produkte, ohne dass diese in ihren Grundzügen verändert werden. Damit wird eine leichter verständli-che begriffliche Abgrenzung zur Innovation ermöglicht. Die Optimierung unterscheidet sich von Kaizen inso-fern, als dass Kaizen wie dargestellt als Ausdruck einer weit reichenden Verbesserungsphilosophie aufge-fasst werden kann, während die Optimierung nur die materiellen Schritte und Ergebnisse beinhaltet und Ausdruck der Veränderungshöhe ist.

92 Vgl. IMAI (1993), S. 307.

93 Vgl. ISO 14001:1996, Punkt 3.1. Siehe auch Abschnitt 2.2.2.

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34 Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs

verpflichten muss94, als Ansatzpunkt für eine unternehmenskulturelle Verankerung des Verbesserungsstrebens gedeutet werden. In der Realität können diese Forde-rungen aber durch sehr allgemein gehaltene Formulierungen ohne inhaltlichen An-spruch erfüllt werden. Zudem entzieht sich die Übereinstimmung dokumentierter Unternehmensleitsätze mit der tatsächlich gelebten Kultur vielfach der objektiven Prüfbarkeit. Letztlich kann die Zielsetzung eines Regelwerks für Managementsys-teme auch nicht in der Beeinflussung der Unternehmenskultur liegen. Das KVP-Verständnis der ISO 14001 ist entsprechend noch stärker als das westlich geprägte Verbesserungsverständnis auf den realen Nutzen bzw. auf Verbesserungs- und Weiterentwicklungserfolge ausgerichtet.

In ISO 14001 ist kein expliziter Bezug zu Bottom-up- oder Top-down-Prozessen zur Alimentierung des Verbesserungsprozesses erkennbar.95 Die Funktionsweise des UMS als ein von der obersten Leitung aktiv gestalteten, gesteuerten und über-wachten Managementsystems und die Forderung nach Zielfestlegungen unter Be-rücksichtigung aller relevanten Umweltaspekte sind Hinweise auf eine bedeutsame Rolle von Top-down-Prozessen für den KVP. Sie konkretisiert sich sowohl über di-rekte Sachentscheide zu ökologischen Fragestellungen als auch über unternehmeri-sche Visionen, über die strategische Unternehmensausrichtung oder über die Be-einflussung des Stellenwerts ökologischer Themen in der Unternehmenskultur. An-satzpunkte für den Einbezug der Mitarbeiter in das UMS bietet die Norm in Berei-chen wie Information, Schulung und Verantwortlichkeiten, indes wird die aktive Be-teiligung der Beschäftigten am UMS weder direkt noch indirekt gefordert. Dennoch können Mitarbeiter auf allen Ebenen, insbesondere durch ihr fundiertes arbeits-platzbezogenes Wissen, den KVP wirksam vorantreiben.

● Funktionsprinzip Sowohl das traditionelle KVP-Verständnis in der Managementlehre als auch der von ISO 14001 postulierte KVP-Ansatz fussen auf dem kontinuierlichen Durchlaufen eines PDCA-Zyklus’. Der von ISO 14001 beschriebene PDCA-Zyklus weist dabei eine deutlich stärkere thematische Konkretisierung und Formalisierung der einzelnen Elemente auf (vgl. dazu auch Abb. 6, S. 17).

● Controlling und Auditierung ISO 14001 fordert ein Controlling des KVP und die Einhaltung einer formalisierten, periodischen Auditierungsroutine mittels interner Audits, und der Zertifikatserhalt setzt die regelmässige externe Auditierung voraus. Als formales Überwachungsins-trument verlangt die Norm zusätzlich die periodische Bewertung des UMS durch die oberste Leitung, die unter anderem die Sicherstellung des KVP zum Ziel hat. Im traditionellen KVP-Verständnis findet in der Sequenz des PDCA-Zyklus zwar ein Controlling und ein Abgleich von Zielen und Ergebnissen statt, formale Controlling- oder Auditinstrumente sind jedoch nicht systematisch vorgesehen. 94

Vgl. ISO 14001:1996, Punkt 4.2b. 95

Vgl. dazu: Bentz (2001), S. 8 f.

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Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs 35

2.4 Fazit: Anwendungsorientiertes Begriffsverständnis der KVP-Forderung

Die Gegenüberstellung der KVP-Konzepte aus ISO 14001 und aus der allgemeinen Managementlehre hat eine Reihe von wesentlichen Unterschieden zutage gefördert. Während die Norm im Bereich der Zielsetzungen und der Erfolgskontrolle konkrete Vorstellungen definiert, enthält sie sich in anderen Bereichen jeglicher Präzisierung. Tatsächlich hat sich in der Gegenüberstellung die Funktionsweise der Mana-gementprozesse auf Basis des PDCA-Zyklus als einziger gemeinsamer Nenner der KVP-Konzepte herauskristallisiert. Die Gegenüberstellung diente aber auch als Ba-sis zur Entwicklung einer eigenen, weiterführenden und praxisorientierten Sichtwei-se in Bezug auf die einzelnen Elemente des KVP-Begriffsverständnisses. Die Aus-prägungen der Elemente sind in Tab. 4 zusammengestellt.

Tab. 4: Anwendungsorientierte Interpretation der KVP-Forderung Auf dieser Grundlage lässt sich eine Begriffsdefinition für den KVP von UMS und Umweltleistung ableiten, die auf dem KVP-Begriff von ISO 14001 aufbaut, ihn aber weiter präzisiert. Die hier entwickelte Definition legt das Grundverständnis des KVP-Begriffs dar, das den weiteren Ausführungen zugrunde liegen wird. Es reflektiert die Auffassung des Autors, dass der KVP-Begriff möglichst offen, aber mit einer klaren Zielrichtung gestaltet werden muss. Dies ist erforderlich, um einerseits dem An-spruch der Norm zur universellen Anwendbarkeit und andererseits deren ökologi-schen Zielsetzungen gerecht werden zu können.

Der kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP) nach ISO 14001 be-ruht auf der stetigen, gezielten Anwendung eines auf dem Plan-Do-Check-Act-Zyklus beruhenden Führungskreislaufs. Ziel des KVP ist es, durch Weiterentwicklung des UMS die Umweltleistung der Organisation im Einklang mit der betrieblichen Umweltpolitik laufend zu verbessern. Unter Verbesserung ist dabei sowohl die Optimierung bestehender Prozesse und Produkte als auch die Innovationen im Zusammenhang mit Prozes-sen und Produkten zu verstehen.

Intern und extern, formalisiertControllingPDCA-ZyklusFunktionsprinzipManagement, MitarbeiterTreiberOptimierung und InnovationVeränderungshöheWeiterentwicklung und Verbesserung hinsichtlich ökologischer ZieleVeränderungsziel

UMS und UmweltleistungVeränderungsobjekt

Anwendungsorientierte Interpretation der KVP-Forderung der ISO 14001

KVP in der Managementlehre KVP in ISO 14001KVP in der Managementlehre KVP in ISO 14001

Intern und extern, formalisiertControllingPDCA-ZyklusFunktionsprinzipManagement, MitarbeiterTreiberOptimierung und InnovationVeränderungshöheWeiterentwicklung und Verbesserung hinsichtlich ökologischer ZieleVeränderungsziel

UMS und UmweltleistungVeränderungsobjekt

Anwendungsorientierte Interpretation der KVP-Forderung der ISO 14001

KVP in der Managementlehre KVP in ISO 14001KVP in der Managementlehre KVP in ISO 14001

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36 Definition und Abgrenzung des KVP-Begriffs

Die folgenden Kapitel 3 und 4 bauen auf diesem Begriffsverständnis auf und folgen dessen Ursache-Wirkungs-Konzeption von UMS und Umweltleistung. So wird in Ka-pitel 3 die Weiterentwicklung des UMS in seinen verschiedenen Dimensionen analy-siert und diskutiert, und es werden mögliche Ansatzpunkte für Verbesserungs-prozesse aufgezeigt. Anschliessend wird in Kapitel 4 die Verbesserung der Um-weltleistung thematisiert, indem Konzepte zu deren Erfassung und Beurteilung vor-gestellt und die Umweltleistungsmessung und -beurteilung in der Praxis kritisch be-leuchtet werden.

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3 Weiterentwicklung von UMS

Dem Wortlaut der ISO 14001 zufolge sind Unternehmen aufgefordert, nach der Erstzertifizierung das UMS stetig weiter zu entwickeln. UMS werden implementiert, um das Erreichen von Umweltzielen mit Hilfe spezifischer Strukturen und Abläufe zu unterstützen. Dabei gilt allgemein: Je besser das UMS den ökologischen und orga-nisatorischen Bedingungen im Anwendungsfall Rechnung trägt und je besser es die Lernfähigkeit der Akteure unterstützt, desto stärker trägt es zur effizienten und effek-tiven Zielerreichung bei. Wenn die Norm somit die Weiterentwicklung des UMS for-dert, dann betrifft dies in erster Linie diese Parameter. Explizit geht es in der Norm darum, die Wirksamkeit des UMS stetig zu verbessern, um so Voraussetzungen zur Verbesserung der Umweltleistung zu schaffen. Implizit soll mit der Weiterentwick-lung des UMS auch die wirtschaftliche Effizienz bzw. die Leistungserstellung bei möglichst geringer ökologischer Schadschöpfung gesteigert werden.

In der Norm fehlen jedoch Anhaltspunkte für Kriterien einer solchen Weiterentwick-lung. Ansätze, die zumindest teilweise eine „Bestandsaufnahme“ bzw. eine stati-sche Feststellung der Entwicklungsreife von UMS erlauben, haben sich hingegen in den letzten Jahren in „normfremden“ Anwendungsbereichen entwickelt. So stellt die Global Reporting Initiative (GRI) ein Set von Guidelines zur Verfügung, das den Un-ternehmen eine inhaltliche Konzeption zur Berichterstattung über ihr Umweltmana-gement vorgibt. Des Weiteren nennt und gewichtet das EFQM-Modell for Business Excellence verschiedene Elemente entlang eines prozessorientierten Unterneh-mensmodells, was dem Unternehmen die Möglichkeit der Selbstbewertung bietet, welche – in ihren Grundzügen – auch auf UMS anwendbar ist. Anhaltspunkte – wenn auch ohne spezifische Bewertungsrichtlinien – bieten zudem die „Guten Ma-nagementpraktiken“ im Anhang zur Öko-Audit-Verordnung.96

Anhand solcher Beurteilungsansätze kann erhoben werden, wie sich die Unterneh-mung bzw. die Unternehmensführung zu einem bestimmten Zeitpunkt verhält und was sie erreicht. Für die Beurteilung der Weiterentwicklung von UMS sind jedoch Ansätze notwendig, die deren dynamische Entwicklung erfassen können. Aus die-sem Grund gilt es, im Rahmen dieser Arbeit ein operationalisierbares Modell zu ent-wickeln, das die dynamische Abbildung und Diskussion der Weiterentwicklung von UMS ermöglicht und entsprechende Kriterien für die praktische Überprüfung zur Verfügung stellt. Diese Zielsetzung verfolgt das vorliegende Kapitel: Einführend wird die Weiterentwicklung von UMS als dreidimensionaler Entwicklungsprozess dar-gestellt, um in den darauf folgenden Abschnitten dessen einzelne Entwicklungsdi-mensionen näher zu beleuchten. Die Ausführungen dienen als Basis für das an-schliessend dargestellte empirische Untersuchungsraster.

96

Vgl. GRI (2002); EFQM (2003); ÖKO-AUDIT-VERORDNUNG (1993), Anhang I D. In EMAS II (VO), der Nachfol-geversion der ÖKO-AUDIT-VERORDNUNG (1993), sind die „Guten Managementpraktiken“ nicht mehr enthalten.

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38 Weiterentwicklung von UMS

3.1 Entwicklungsdimensionen von UMS

Im Kern kann die Weiterentwicklung von UMS als Prozess charakterisiert werden, der in zwei Dimensionen verläuft: Diffusion und Höherentwicklung.97 Die Diffusion geht von einem normativen Anspruch aus, der in der UMS-Diskussion weit verbrei-tet ist. Durch Diffusion wird das Umweltengagement auf immer weitere Bereiche der Unternehmung ausgedehnt und kann damit immer mehr Umweltaspekte erfassen, die von dessen Tätigkeiten, Produkten und Dienstleistungen ausgehen.98 Die Be-deutung der Diffusion ist insbesondere bei der Einführung von UMS hoch, wenn es darum geht, den Umweltschutz von einer „Chef-“ oder „Expertensache“ hin zu einer „Organisationssache“ zu entwickeln, bei der das ökologische Engagement und die Fähigkeiten aller Mitarbeiter gefördert und genutzt werden.99 Während im Rahmen der Diffusion das UMS eine grössere Ausbreitung findet und damit eine primär quantitative Veränderung erfährt, führt die Höherentwicklung zu einer qualitativen Entwicklung des Managementsystems. Mit der Höherentwicklung geht ein Auf- und Ausbau der Fähigkeiten zur Erkennung von ökologischen Schwachstellen und die Förderung des Know-hows zu deren Beseitigung einher. Sie umfasst zudem die Entwicklung der Bereitschaft, ökologische Aspekte in operative und insbesondere strategische Aspekte der Unternehmensführung zu integrieren.100

Kirsch und Maassen haben 1990 ein allgemeines Modell entwickelt, mit welchem sich Managementsysteme anhand von vier wesentlichen Kriterien beschreiben las-sen.101 Es handelt sich um die Kriterien Reichweite, Reichhaltigkeit, Flexibilität und Entwicklungsreife. Die Kriterien sind eng verwandt mit den o.g. Dimensionen Dif-fusion und Höherentwicklung. Reichweite und Reichhaltigkeit bestimmen zusam-men den Umfang des Managementsystems in Bezug auf dessen Ausbreitung in den verschiedenen Aktivitätsbereichen und dessen Detaillierungsgrad.102 Aus einer dy-namischen Perspektive sind sie Ausdruck der Diffusion eines Systems innerhalb der Unternehmung. Hinweise auf das Effizienz- und Effektivitätsniveau eines Manage-mentsystems gibt das Kriterium der Entwicklungsreife, was – unter Einbezug der Dimension Zeit – Rückschlüsse auf eine Höher- (oder „Tiefer-“) Entwicklung erlaubt. Darüber hinaus wird mit der Flexibilität das Verhältnis zwischen dem Manage-mentsystem und den übrigen Aspekten der Unternehmensführung charakterisiert.

97

Vgl. BRÜMMER (2001), S. 66 f. 98

Vgl. SCHWADERLAPP (1999), S. 15. 99

Vgl. BRÜMMER (2001), S. 67. 100

Brümmer setzt die Höherentwicklung mit der Etablierung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses gleich, wie er von den UMS-Normen gefordert wird, und meint damit die „dauerhafte Generierung von Inno-vationen und Verbesserungen des betrieblichen Umweltschutzes und des Umweltmanagements durch öko-logische Lernprozesse“. Dieses eingeschränkte, auf die Höherentwicklung fokussierte KVP-Verständnis kann mit ISO 14001 jedoch nicht begründet werden. Der offene Charakter der Norm in diesem Punkt legt vielmehr nahe, dass der KVP sowohl die Ausbreitung des UMS im Unternehmen als auch dessen qualitative Weiterentwicklung beinhaltet. Vgl. BRÜMMER (2001), S. 67.

101 Vgl. KIRSCH / MAASSEN (1990), S. 7–9.

102 Vgl. FELIX (1999), S. 34.

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Weiterentwicklung von UMS 39

Dieses Modell bietet eine geeignete Grundlage, um die Entwicklung von UMS weiter zu operationalisieren. Dazu werden in den folgenden Abschnitten geeignete Indi-katoren entwickelt. Gleichzeitig wird der von Brümmer postulierte zweidimensionale Entwicklungsprozess mit den Dimensionen Diffusion und Höherentwicklung zu ei-nem dreidimensionalen Entwicklungsmodell erweitert (vgl. Abb. 11).103 Das hier an-gewandte Entwicklungsmodell von UMS umfasst demzufolge die Diffusion in die Breite im Sinne der Vergrösserung der Reichweite, die Diffusion in die Tiefe im Sin-ne der Erweiterung des Detaillierungsgrades sowie die Höherentwicklung als quali-tative Entwicklung des UMS. Sie werden in den Abschnitten 3.2 bis 3.4 näher be-leuchtet.

Abb. 11: Die Entwicklungsdimensionen des UMS

3.2 Diffusion in die Breite

Die Diffusion in die Breite entspricht der Ausbreitung des UMS auf Organisations-einheiten innerhalb der Unternehmensgrenzen. Die Relevanz dieser Entwick-lungsdimension ist je nach Unternehmensgrösse sehr unterschiedlich, wobei sich die Unternehmensgrösse hier als Ausdruck der realwirtschaftlichen Ausbreitung des Unternehmens versteht. Gemeint sind damit die Sparten, Standorte, Werke oder Filialen bis hin zu Beteiligungsgesellschaften und Verkaufsorganisationen im In- und Ausland, die in einer Organisation vereint sind. Die Diffusion in die Breite ist gleich-zeitig davon abhängig, welche Unternehmensbestandteile bei der Einführung des UMS bereits von diesem erfasst wurden.

103

Das Kriterium Flexibilität bleibt in der weiteren Vorgehensweise zur Operationalisierung der Weiterent-wicklung von UMS unberücksichtigt. Hingegen kommt es in der Analyse des Entwicklungsprozesses von UMS in den Fallstudien implizit zum Ausdruck. Eine systematische Betrachtung des Verhältnisses zwischen UMS und dessen Auswirkungen auf die Unternehmensführung ist mit den Zielen dieser Studie jedoch nicht beabsichtigt.

Diffusion in die Breite(3.2)

Diffusion in die Tiefe(3.3)

Höherentwicklung (3.4)

Diffusion in die Breite(3.2)

Diffusion in die Tiefe(3.3)

Höherentwicklung (3.4)

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40 Weiterentwicklung von UMS

Für Kleinunternehmen, die meist nur an einem Standort tätig sind und deren UMS i.d.R. über die gesamte Unternehmung gleichzeitig eingeführt wird, ist die Entwick-lung der Reichweite somit kaum von Bedeutung. Bei mittleren und grossen Unter-nehmen werden UMS dagegen vielfach zunächst im Rahmen von Pilotprojekten an einzelnen Standorten oder in einzelnen Abteilungen aufgebaut und zertifiziert und diffundieren später innerhalb der Unternehmung. Die Unternehmensbereiche der „zweiten Generation“ profitieren dabei von den Erfahrungen der „ersten Generation“, indem beispielsweise Aufbaustruktur, Auditierungsroutinen oder Systemhandbücher übernommen werden. So verweist Züst darauf, dass bei grösseren Organisationen ein schrittweises Vorgehen zweckmässiger ist, um das Einführungsprojekt nicht zu überladen und damit den Projekterfolg zu gefährden. Er empfiehlt deshalb, zu-nächst einzelne Piloteinheiten für den Aufbau des UMS auszuwählen und erst in einer späteren Phase die Diffusion in die Breite anzustreben.104

ISO 14001 unterstützt die Diffusion in die Breite insofern, als dass der Gültigkeits-bereich von UMS-Zertifikaten nach Bedarf erweitert oder eingeschränkt werden kann. Die Zertifizierung kann somit mehrere Standorte und / oder ausgewählte Or-ganisationseinheiten umfassen. 105 Nicht zulässig ist hingegen die Zerlegung zu-sammenhängender Bereiche mit dem Ziel, lediglich die unproblematischen Einhei-ten zertifizieren zu lassen. Das erste ISO-14001-Zertifikat, das 1997 der Credit Su-isse Group zuerkannt worden war, schloss beispielsweise neben der Dach-organisation sämtliche Niederlassungen in der Schweiz mit ein. Im Rahmen der Re-zertifizierung 2000 wurde der Gültigkeitsbereich des Zertifikates auf die weltweiten Standorte sowie auf das Versicherungsgeschäft des Konzerns erweitert.106 In Hol-ding- und Konzerngesellschaften, in welchen mehrere Unternehmen unter einem gemeinsamen Führungsdach vereint sind, sind UMS-Zertifikate in vielen Fällen auf einzelne Tochtergesellschaften, Sparten oder Länderorganisationen ausgestellt. ABB (Schweiz) verzeichnete Ende Dezember 2003 z.B. sechzehn ISO-14001-Zertifikate für einzelne Organisationseinheiten, die Konzerne Swisscom und Alstom deren zehn.107 Diese Zertifizierungsstrategien verweisen auf unterschiedliche Dif-fusionsstrategien und Diffusionspfade von UMS in Unternehmen mit mehreren rechtlich und / oder organisatorisch getrennten Einheiten.

104

Vgl. ZÜST / SCHLATTER (1999), S. 74. 105

Die ursprüngliche Version von EMAS (ÖKO-AUDIT-VERORDNUNG (1993)) koppelte demgegenüber die Regist-rierung an einen spezifischen Organisationstandort, wobei der Standortbegriff nach Art. 2k der EMAS ein-deutig raumbezogen war. So waren nur Organisationsstandorte, nicht aber einzelne Organisationseinheiten validierungsfähig. Dies hatte zur Folge, dass z.B. mehrere Filialen nicht zu einem Standort zusammenge-fasst werden konnten. Vgl. VON SALDERN / KECK / LANGEFELD (1999), S. 39. In EMAS II wurde der Standort-begriff durch den Organisationsbezug ersetzt, jedoch mit der Einschränkung, dass die einzutragende Einheit die Grenzen des Mitgliedstaates nicht überschreiten darf. In Ausnahmefällen können zudem Einheiten einge-tragen werden, die kleiner als ihr Standort sind. Vgl. dazu EMAS II (VO), sowie EMAS II (ENTSCHEIDUNG), Anhang I.

106 Vgl. CREDIT-SUISSE-GROUP, Environmental Report 2000, Short Version, S. 3.

107 Die Zahlen beruhen auf den statistischen Angaben zu ISO-14001-zertifizierten Unternehmen in der Schweiz unter www.iwoe.unisg.ch. Die Liste umfasst die Neuzertifizierungen in der Schweiz seit der Publikation der Norm. Hingegen sind spätere Änderungen wie insbesondere die Zusammenlegung verschiedener Zertifikate zu einem übergeordneten Zertifikat oder nicht mehr erneuerte Zertifizierungen nicht erfasst.

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Weiterentwicklung von UMS 41

Eine zentrale Rolle für die Diffusion des UMS innerhalb der Unternehmung spielt die organisationsweit gültige Unternehmens- und Umweltpolitik. Umweltpolitische Grundsätze, die von der obersten Konzernführung ausgehen, können z.B. die grup-penweite UMS-Zertifizierung explizit vorgeben, oder aber auf formale Umsetzungs-vorgaben ökologischer Leitlinien verzichten. Der Aufbau und die Zertifizierung des UMS liegt in diesen Fällen im Ermessen der einzelnen Organisationseinheiten. Ei-nen Mittelweg wählte das oberste Führungsgremium des Georg-Fischer-Konzerns, ein Industriekonglomerat mit über 100 Tochter- und Beteiligungsgesellschaften. Es gab 1997 die Weisung heraus, dass bis im Jahr 2004 weltweit alle produktions- und logistiknahen Konzerngesellschaften ein zertifiziertes UMS implementiert haben müssen. Damit sollte die Umsetzung der konzernweiten Umweltpolitik konkretisiert und gefördert werden. Faktisch wurde mit diesem Vorgehen den Verkaufsorganisa-tionen, die i.d.R. nicht mehr als ein Büro mit wenigen Mitarbeitern und einem Ver-kaufslager umfassten, die Entscheidung für oder gegen den Aufbau eines UMS selbst überlassen, doch wurde sichergestellt, dass alle Bereiche mit bedeutenden Umweltaspekten ein UMS aufbauen würden.108

Neben diesem Top-down-Ansatz sind auch Fälle denkbar, die als „Diffusion von unten“ bezeichnet werden können. Dabei implementiert eine Organisationseinheit ein UMS, ohne damit übergeordnete Vorgaben oder umweltpolitische Leitlinien der Muttergesellschaft umsetzen zu wollen. Von dieser Einheit können Impulse ausge-hen, die weitere Organisationseinheiten (z.B. Schwestergesellschaften) dazu brin-gen, ebenfalls ein UMS aufzubauen und auf diesem Weg einen gruppeninternen Diffusionsprozess in Gang setzen. Enge Beziehungen und intensive Austausch-prozesse zwischen den Einheiten sind dabei förderliche Faktoren. Andererseits können unter einem Holdingdach aber auch Unternehmen zusammengeführt sein, die weder einen realwirtschaftlichen Bezug noch eine gemeinsam akzeptierte Unter-nehmenskultur aufweisen. Der gemeinsame Nenner solcher Unternehmen kann auf die Eigentümerschaft beschränkt sein, während zwischen den einzelnen Unter-nehmen, die zur Holding gehören, vielfach kaum Austausch- oder Kommunikations-prozesse stattfinden. Solche Unternehmenskonstellationen können eine hemmende Wirkung auf die Diffusion des UMS in die Breite ausüben.

Am Beispiel der Credit Suisse Group lässt sich die Homogenität bzw. die Hetero-genität der Organisationseinheiten als weiterer Bestimmungsfaktor für die Diffusi-onsstrategie des UMS in die Breite erkennen. Sind Organisationseinheiten sehr ähnlich aufgebaut und verfügen sie über vergleichbare oder gar identische Manage-mentsysteme, Aufbau- und Ablauforganisationen sowie über gemeinsame Kommu-nikationskanäle, vereinfacht dies die Diffusion des UMS zwischen den Einheiten. Es ergibt sich eine hohe Übertragbarkeit eines einmal aufgebauten Referenzsystems und eine vereinfachte zentrale Steuerung der UMS-Entwicklung.

108

Vgl. GEORG FISCHER-KONZERN, Umweltbericht 2001

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42 Weiterentwicklung von UMS

Folgerungen Indem die zunehmende Ausbreitung des UMS innerhalb der Organisationsgrenzen zusätzliche Potenziale zur Verbesserung der Umweltleistung erschliesst, ist sie grundsätzlich als wertvoller Beitrag zum KVP zu werten. Die Diffusion in die Breite hilft, eine umfassende, dezentrale Wissens- und Handlungsbasis aufzubauen und so die Erfahrungen im Umweltschutz effektiver und effizienter umzusetzen. Die Re-levanz dieser Entwicklungsdimension ist jedoch von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich, und die Praxis zeigt, dass sie in Bezug auf die ISO-Zertifizie-rung zumindest in Schweizer Unternehmen ungleich gehandhabt wird. Wenn Unter-nehmensgruppen sich dazu entschliessen, für die an einzelnen Standorten oder in Organisationseinheiten neu aufgebauten UMS jeweils eigene ISO-14001-Zertifikate anzustreben, könnte sich bei einer engen Normenauslegung jedoch die Problematik ergeben, dass solche Diffusionsleistungen nicht unter den Gültigkeitsbereich des ursprünglichen UMS fallen. Dann würde die Diffusion in die Breite entsprechend auch nicht als Verbesserungsprozess gewertet werden können. Eine solche Sicht-weise erscheint hingegen nicht sinnvoll, solange die Ausbreitung des UMS in der Gesamtorganisation dem Willen des Managements entspricht oder als Ausdruck einer ökologisch motivierten Unternehmenskultur gewertet werden kann.

3.3 Diffusion in die Tiefe

Die Diffusion in die Tiefe entspricht der Entwicklung der Reichhaltigkeit des UMS. Ziel dieser Entwicklungsdimension ist es, immer mehr Aspekte der Unternehmens-führung, der Tätigkeiten und der Produkte in die ökologischen Zielsetzungen der Unternehmung einzubeziehen. Im Unterschied zur Diffusion in die Breite geht es hier entsprechend nicht um die Frage, wer bzw. welche Organisationseinheiten vom UMS erfasst werden, sondern was Gegenstand des UMS sein soll.

Die Unternehmung steht als ökologisches Subsystem über stoffliche und energe-tische Austauschprozesse mit der Natur in Verbindung. Die Austauschprozesse fin-den nicht immer direkt zwischen der Umwelt und der Unternehmung statt, sondern beziehen sehr oft auch weitere Instanzen mit ein. Ökologische Probleme treten viel-fach bereits auf Vorstufen wie der Gewinnung und Veredelung von Rohstoffen oder aber auf nachgelagerten Stufen der Produktverwendung und Entsorgung auf. 109 Wirksame Ansatzpunkte zur Entlastung der Umwelt setzen daher immer an den Stoff- und Energieströmen im Betrieb und entlang des Produktlebenszyklus’ an. Dennoch wäre es nicht angebracht, den potenziellen Diffusionsraum der Reichhal-tigkeit auf materielle bzw. stoffliche und energetische Aspekte zu reduzieren. Viel-mehr gilt es im Rahmen der UMS-Entwicklung auch die Verhaltensweise von Men-schen – seien dies einzelne Mitarbeiter, ganze Funktionsbereiche oder Manage-mentebenen – in den Zielbereich von UMS zu integrieren, da sich deren Handlungs-weisen und Entscheidungen direkt oder indirekt auf die Umwelt auswirken können.

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Weiterentwicklung von UMS 43

In Anbetracht des komplexen Wirkungsgefüges zwischen Unternehmen und Umwelt reicht es unter Umständen nicht aus, die Reichhaltigkeit des UMS durch – aus öko-logischer Sicht irrelevante – Unternehmensgrenzen zu beschränken. Winter postu-lierte daher schon in der Mitte der 1980er Jahre im so genannten Winter-Modell Umweltschutzaktivitäten sowohl im betrieblichen als auch im überbetrieblichen Be-reich.110 Auch die Normenreihe ISO 14000 kennt keine Beschränkung des Einfluss-bereiches von UMS auf die Unternehmensgrenzen, die z.B. durch räumliche Gren-zen eines Produktionsstandort definiert würden (siehe auch 3.2). ISO 14031 unter-scheidet hingegen zwischen der „Umweltleistung einer Organisation“ und den „Um-weltaspekten und potenziellen Auswirkungen von Produkt- und Dienstleistungs-systemen“. 111 Aus diesen umfassenden Konzepten resultiert eine Vielfalt poten-zieller Ansatzpunkte von UMS, die von der Entwicklung der Reichhaltigkeit erfasst werden können. Um sie im Hinblick auf die nachfolgende Diskussion der Diffusion in die Tiefe zu systematisieren, eignet sich die von Dyllick entwickelte Systematik einer Unterscheidung der Handlungsfelder Betrieb, Produkt, Mitarbeiter und Kommu-nikation (vgl. Abb. 12)112. Ihnen folgt der Aufbau der folgenden Ausführungen.

Abb. 12: Handlungsfelder zur Erweiterung der Reichhaltigkeit von UMS

109

Vgl. zum Folgenden: DYLLICK (1992), S. 395 f. 110

Vgl. WINTER (1987), S. 25 sowie WINTER (1998), S. 211 ff. Beim Winter-Modell handelt es sich um einen der ersten umfassenden Ansätze des systematischen betrieblichen Umweltschutzes.

111 Vgl. ISO 14031, S. 4. Die Normenreihe ISO 14000 stellt mit der Environmental Performance Evaluation (EPE) und der Life Cycle Assessement (LCA) gleichzeitig zwei Instrumente zur Verfügung, mit welchen die Umweltleistung sowohl im betrieblichen Bereich als auch entlang des Produktlebenszyklus’ gemessen wer-den kann. Vgl. Kapitel 4.

112 Vgl. zur Systematik und zur Definitionen der vier Handlungsfelder: DYLLICK (1992), S. 404 f.

Diffusion in die Tiefe

Mitarbeiter(3.3.3)

Produkte(3.3.2)

Betrieb(3.3.1)

Kommunikation(3.3.4)

Diffusion in die Tiefe

Mitarbeiter(3.3.3)

Produkte(3.3.2)

Betrieb(3.3.1)

Kommunikation(3.3.4)

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44 Weiterentwicklung von UMS

3.3.1 Handlungsfeld Betrieb Im Zentrum des Handlungsfeldes Betrieb steht der Leistungserstellungsprozess. Er umfasst insbesondere die Produktion, das betriebliche Energie- und Abfallmana-gement und die Beschaffung der Roh-, Betriebs- und Hilfsstoffe. Eine umfassende Betrachtung schliesst zudem die Infrastruktur mit ein. In der Unternehmenspraxis variiert der individuelle Anteil der durch betriebliche Prozesse verursachten Umwelt-belastungen an der Gesamtbelastung sehr stark. In einzelnen Branchen wie z.B. in der Automobilindustrie ist die Bedeutung der Betriebsökologie im Vergleich zur Pro-duktökologie gering, da die ökologischen Folgen der Produktnutzung wesentlich be-lastender sind. In einem Kohlekraftwerk hingegen wäre der Produktionsprozess der hauptsächliche Auslöser von Umweltbelastungen.

Dennoch hat sich die Betriebsökologie im Rahmen von UMS-Aktivitäten über alle Branchen hinweg als das „beliebteste“ Aktivitätenfeld für betrieblichen Umwelt-schutz erwiesen.113 Dies kann auf mehrere Gründe zurückgeführt werden:

• Gesetzliche Vorgaben: Insbesondere Produktionsunternehmen verfügen auf-grund der zunehmenden Regelungsdichte durch die Umweltschutzgesetzgebung über teilweise weitreichende Erfahrungen, um umweltentlastende Massnahmen in ihren Werken vorzunehmen, während die Produktseite nur in wenigen Fällen (z.B. Verwendung von giftigen Stoffen, Fluorchlorkohlenwasserstoffe in Spray-dosen, Freon in Kühlschränken) und entsprechend nur für wenige Unternehmen und Branchen das Ziel von gesetzlichen Regelungen war .

• Hohe Beeinflussbarkeit: Betriebliche Prozesse führen meist zu direkten Umwelt-aspekten, die sich unmittelbar steuern lassen. Dieser hohe Grad an Beeinfluss-barkeit lässt die Wirkung von Umweltschutzmassnahmen sehr schnell erkennen, was bei Massnahmen zur Verbesserung bei indirekten Umweltaspekten i.d.R. nicht gegeben ist. Die ökologische Verbesserung der betrieblichen Prozesse ist damit einfacher.

• Prognostizierbarkeit: Aufgrund der erwähnten hohen Beeinflussbarkeit der be-trieblichen Prozesse sind die Auswirkungen betriebsökologischer Massnahmen auf ökonomische Kosten und Nutzen i.d.R. besser prognostizierbar als jene von produktökologischen Massnahmen.

• Nutzenwirkungen: Aufgrund von Kosten-Nutzen-Überlegungen sind Umwelt-schutzmassnahmen erstrebenswert, wenn sie zu Kosteneinsparungen im Unter-nehmen führen, z.B. durch reduzierten Energieverbrauch oder durch Senkung von Entsorgungskosten. Die ökonomischen Vorteile von produktökologischen Massnahmen fallen demgegenüber oft beim Kunden an (z.B. geringerer Ener-gieverbrauch eines Autos), ohne dass dadurch – im Gegenzug – Wettbewerbs-vorteile für das herstellende Unternehmen per se gegeben wären.

113

Vgl. BAUMAST/DYLLICK (2001), S. 36. Demnach zeigen die Ergebnisse der Umweltmanagement-Barometer-Umfrage von 2001 eine deutliche Dominanz produktionsbezogener und eher operativer Umweltschutz-massnahmen gegenüber anderen Massnahmenbereichen. Ähnlich auch: DYLLICK / HAMSCHMIDT (2000).

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Weiterentwicklung von UMS 45

• Bestehende Potenziale: Betriebsökologische Massnahmen können oft an beste-henden Verbesserungspotenzialen ansetzen. Viele der Massnahmen lassen sich ohne Mehraufwand in ohnehin anstehende Modernisierungsinvestitionen integ-rieren.

• Mitarbeiter: Betriebsökologische Massnahmen sind für die Mitarbeiter attraktiv, wenn dadurch z.B. die Lärmbelastung in den Werkhallen verringert, Lichtverhält-nisse an den Montageplätzen verbessert oder Unfallrisiken gesenkt werden kön-nen. Da sie unmittelbar sicht- und erlebbar sind, beinhalten sie Vorbild- und Überzeugungspotenzial. Die Betriebsökologie ist nicht zuletzt deshalb das bei weitem am besten vertretene Handlungsfeld von Verbesserungsvorschlägen aus der Belegschaft.

Tab. 5: Ansatzpunkte für betriebsökologische Massnahmen

• Einsatz moderner Technologie und Verfahren unter Optimierung des Energie-, Roh- und Hilfsmaterialverbrauchs

Technologie

• Nutzung von Bahntransporten• Bevorzugung von Lkw anstelle von Lieferwagen• Vermeidung von Sondertransporten• Minimierung von Geschäftsfahrten und -flügen

Transporte

• Vermeidung von Neubauten „auf der grünen Wiese”• Vermeidung von langen Anfahrtswegen für MA, Kunden und

Lieferanten• Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel

Standort-entscheidungen

• Gebäude mit geringem Energieverbrauch• Optimierte Lichtquellen• Optimierte Heizung• Werksgelände mit genügend naturbelassenen und

unversiegelten Flächen

Infrastruktur

• Bevorzugung umweltbewusster Lieferanten • Lokale Beschaffung

Beschaffung

• Vermeidung und Recycling von Reststoffen • Ökologische optimale Abfallentsorgung • Verminderung und Vermeidung von Abfalltransporten • Entsorgungs-Gesamtkonzept

Entsorgung

• Energie- und Materialverbrauch von Prozessen• Vermeidung von Ausschussproduktion• Geringe Lagerhaltung • Ökologische Aspekte in der F&E• Vermeidung von Gefahrgütern• Notfallkonzept und risikomindernde Massnahmen

Produktion

Potenzielle Ansatzpunkte und Richtung von Massnahmen (Beispiele)

Betriebsökolog. Handlungsfeld

• Einsatz moderner Technologie und Verfahren unter Optimierung des Energie-, Roh- und Hilfsmaterialverbrauchs

Technologie

• Nutzung von Bahntransporten• Bevorzugung von Lkw anstelle von Lieferwagen• Vermeidung von Sondertransporten• Minimierung von Geschäftsfahrten und -flügen

Transporte

• Vermeidung von Neubauten „auf der grünen Wiese”• Vermeidung von langen Anfahrtswegen für MA, Kunden und

Lieferanten• Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel

Standort-entscheidungen

• Gebäude mit geringem Energieverbrauch• Optimierte Lichtquellen• Optimierte Heizung• Werksgelände mit genügend naturbelassenen und

unversiegelten Flächen

Infrastruktur

• Bevorzugung umweltbewusster Lieferanten • Lokale Beschaffung

Beschaffung

• Vermeidung und Recycling von Reststoffen • Ökologische optimale Abfallentsorgung • Verminderung und Vermeidung von Abfalltransporten • Entsorgungs-Gesamtkonzept

Entsorgung

• Energie- und Materialverbrauch von Prozessen• Vermeidung von Ausschussproduktion• Geringe Lagerhaltung • Ökologische Aspekte in der F&E• Vermeidung von Gefahrgütern• Notfallkonzept und risikomindernde Massnahmen

Produktion

Potenzielle Ansatzpunkte und Richtung von Massnahmen (Beispiele)

Betriebsökolog. Handlungsfeld

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46 Weiterentwicklung von UMS

Das ökologische Handlungsfeld Betrieb bietet zahlreiche Ansatzpunkte für umwelt-relevante Verbesserungsmassnahmen. Eine Auswahl davon ist in Tab. 5 zusam-mengestellt. Trotz dem hohen Stellenwert der Betriebsökologie in Unternehmen mit zertifiziertem UMS werden in der Praxis aber bisher nur wenige dieser Potenziale systematisch genutzt. Laut Umweltbarometer Schweiz (2001)114 stehen an erster Stelle das Materialrecycling im Unternehmen sowie die Reduktion von Abfällen, ge-folgt von Massnahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs in der Produktion und der Verringerung von Luftemissionen. Eher seltener das Ziel von Verbesserungs-massnahmen sind der Energieverbrauch durch Transporte und die Reduktion von Lärmemissionen. Damit liegen zahlreiche weitere Ansatzpunkte im Handlungsfeld Betrieb in vielen Unternehmen weitgehend brach. Trotz unterschiedlicher Relevanz für die individuelle Unternehmung, wie sie z.B. eine Folge von Sachzwängen sein können, können hier auch systematische Gründe vermutet werden: Unbefriedigen-des Kosten-Nutzen-Verhältnis (z.B. wenn der lokale Zulieferer wesentlich höhere Preise verlangt als der Zulieferer aus Übersee), hohe Komplexität (z.B. wenn Um-weltschutzmassnahmen umfangreiche Prozess- oder Technologieanpassungen er-fordern), festgefahrene Strukturen und unternehmenskulturell bedingte Barrieren. 3.3.2 Handlungsfeld Produkt Im Mittelpunkt des Handlungsfeldes Produkt steht der ökologische Produkt-lebenszyklus.115 Während die eigentlichen Produktionsprozesse vom Handlungs-feld Betrieb abgedeckt werden, sind hier innerbetrieblich die Funktionsbereiche Pro-duktentwicklung und Marketing sowie – überbetrieblich – die Beschaffung von Roh-stoffen und Vorleistungen, die Produktnutzung und die Entsorgung angesprochen. Ansatzpunkte des UMS zur Erfassung und Reduktion ökologischer Belastungen finden sich über den gesamten Zyklus hinweg sowie in der Vermeidung von ökologi-schen Risiken. Neben Potenzialen zur Verbesserung der Umweltleistung kann die ökologische Produktgestaltung die Chance bieten, sich gegenüber Kunden und Märkten als umweltbewusster Anbieter zu profilieren.

Vor dem Hintergrund der im Zusammenhang mit dem allgemeinen Wirtschafts-wachstum steigenden Umweltbelastung kommt den ökologischen Eigenschaften von Produkten bzw. dem Produktlebenszyklus eine bedeutende Rolle zu. Auf ein-zelbetrieblicher Basis bezeichnen deshalb Stahlmann/Clausen die umweltbewusste Gestaltung des Produktionsprogramms als wichtigsten Ansatzpunkt für die Stei-gerung der Öko-Effektivität.116 Demnach sind effektivitätswirksame Umweltschutz-massnahmen spätestens dann angebracht, wenn die Umweltleistung der Unterneh-mung bei einem vorhandenen Produktspektrum durch weiteres Wachstum gefähr-det ist.117

114

Vgl. BAUMAST / DYLLICK (2001), S. 37. 115

Vgl. DYLLICK (1992), S. 404. 116

Vgl. STAHLMANN / CLAUSEN (2000), S. 103. 117

Vgl. STAHLMANN / CLAUSEN (2000), S. 90.

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Weiterentwicklung von UMS 47

Diese auf der Makroebene in real wachsenden Märkten weit verbreitete Proble-matik118 ist für Unternehmen, die ihre Umweltleistung kontinuierlich verbessern wol-len, je nach Branche eine Herausforderung von entscheidender Bedeutung. Ihr kann auf Dauer nur mit einem Produktverständnis begegnet werden, das über die materiellen Produkt- und kurzfristigen Dienstleistungseigenschaften hinausgeht. Wenn kontinuierlich und wirksam eine Umweltentlastung im Bereich der Produkte erfolgen soll, dann müssen diese in ihren Gesamtzusammenhang gestellt werden und in diesem Sinne nicht „absolut“ als genau definierte Marktlösung, sondern „rela-tiv“ als mögliche Variante zur Befriedigung eines spezifischen Kundenbedürfnisses betrachtet werden. Öko-effektive Umweltschutzmassnahmen erfordern entspre-chend eine umfassende Wahrnehmung und Analyse der Marktleistungen nicht nur mit Blick auf die Produktion und die Produkteigenschaften, sondern auch auf die Funktionssysteme bis hin zur Reflexion der tatsächlichen Kundenbedürfnisse. 119 Stahlmann / Clausen verweisen in diesem Zusammenhang auf vier Kriterien, die als Leitlinien für eine öko-effektive Marktleistungsgestaltung dienen können. Sie wer-den im Folgenden kurz vorgestellt:120

1. Kriterium: Nützlichkeit und Gebrauchstauglichkeit Der ökologische Aufwand zur Herstellung eines Produktes ist nur dann gerecht-fertigt, wenn es möglichst intensiv gebraucht wird. Dazu muss es zum einen nützlich und zum anderen gebrauchstauglich sein. Um die Nützlichkeit eines Pro-duktes zu beurteilen, ist die Orientierung am Kundenbild des Homo oeconomicus, diesem „auffallend klugen, aber etwas einseitig begabten Burschen, dem es an jeg-licher Fähigkeit zur kritischen Selbstreflexion mangelt“121, allerdings zu bezweifeln. Welche Anforderungen an die Gestaltung und Funktion von Produkten gestellt wer-den, lässt sich deshalb vielmehr aus der Praxis als aus der ökonomischen Theorie ableiten. So legt z.B. das Industrieforum Design der Hannover Messe für Produkt-bewertungen die Bewertungskriterien Gestaltungsqualität, Verarbeitung und Materi-alwahl, Innovationsgrad, Funktionalität, Gebrauchsvisualisierung, Ergonomie, Si-cherheit, Umweltverträglichkeit und Lebensdauer zugrunde. Diese Eigenschaften sind, wie langjährige Erfahrungen belegen, die Ursache für den Markterfolg von Produkten und damit ein überzeugender Hinweis darauf, dass sie den Präferenzen der Konsumenten in Bezug auf die Nützlichkeit und Gebrauchstauglichkeit weitge-hend entsprechen.

118

Ein bekanntes Beispiel hierfür ist das steigende Bedürfnis der chinesischen Bevölkerung nach individueller, motorisierter Mobilität. Auch wenn in China künftig ausschliesslich verbrauchsarme Autos zum Einsatz kä-men, würde die dadurch zusätzlich verursachte globale Umweltbelastung durch CO2 und andere Schadstoffe die heutigen weltweiten Werte um ein Vielfaches übertreffen.

119 Vgl. dazu insbesondere den COSY-Ansatz für eine nachhaltigkeitsorientierte Unternehmensentwicklung. COSY (Company oriented Sustainability) integriert verschiedene Ansätze des Nachhaltigkeits- und Umwelt-managements zu einem umfassenden, auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Managementsystem. Zentral ist die Unterscheidung der vier Betrachtungsebenen Bedürfnis, Funktionsverbund, Produkt und Produktion für eine nachhaltige Bedürfnisbefriedigung mit jeweils unterschiedlichen Zielkriterien und Strategieansätzen. Vgl. de-tailliert: SCHNEIDEWIND U. (1994); MINSCH/EBERLE/MEIER/SCHNEIDEWIND (1996), SCHNEIDEWIND/HUMMEL/BELZ (1997), SCHWADERLAPP (1997), S. 95f, sowie STAHLMANN/CLAUSEN (2000), S. 91 ff.

120 Vgl. zu den folgenden Ausführungen: STAHLMANN/CLAUSEN (2000), S. 103 ff.

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48 Weiterentwicklung von UMS

2. Kriterium: Öko-Design Die öko-effektive Produktgestaltung orientiert sich an den Grundsätzen des Öko-Designs. Dabei handelt es sich um ökologisch relevante Produktmerkmale, die über die materielle Produktbeschaffenheit und die Funktionalität hinausgehen und in der Produktentwicklung und im Aufbau von Distributions- und Logistiksystemen be-rücksichtigt werden sollen. Dadurch kann bei wachsenden Marktanteilen eine abso-lute Umweltentlastung erzielt werden, falls die relativ umweltfreundlichen Produkte die weniger umweltfreundlichen Produkte verdrängen. Zentrale Ansatzpunkte sind z.B. die Rezyklierbarkeit, der effiziente Stoffeinsatz oder die Langlebigkeit von Pro-dukten. In Abb. 13 sind die Leitideen des Öko-Designs nach einer Konzeptidee des Industrieforums Design zusammengestellt.

Abb. 13: Leitideen des Eco-Design122

121

Vgl. ULRICH P. (1993), S. 1. 122

In Anlehnung an IF INDUSTRIE FORUM DESIGN (1996), zitiert in STAHLMANN / CLAUSEN (2000), S. 89.

• Geringe Anzahl• Sortenrein• Gekennzeichnet• Energie- und

Ressourcen sparend• Geringe Arbeitsteilung• Regional / kurze Wege• Problemstofffrei• Emissionsarm

• Unschädlich• Emissionsfrei• Selbsterklärend und

selbstverständlich• Sparsam im Verbrauch• Wartungs- und

reparaturfreundlich• Wartungs- und

Reparaturservice

• Aufarbeitung• Wiederverwertung• Rückführung• Sachgerechte

Entsorgung

• Langfristig gültig• Langlebig• Sparsam• Funktionsgerecht• Funktionserklärend• Lösbare

Verbindungen

• Platz sparend• Wenig Verpackung• Mehrwegverpackung• Sortenrein• Kurze Wege

• Nützlich• Einfach• Eindeutig• Transparent

Gebrauch und Kundendienst

Gestaltung und Konstruktion

Material und Herstellung

Entsorgung und Wiederverwertung

Transport und Verpackung

Grundsatz(Produkt-Leitidee)

• Geringe Anzahl• Sortenrein• Gekennzeichnet• Energie- und

Ressourcen sparend• Geringe Arbeitsteilung• Regional / kurze Wege• Problemstofffrei• Emissionsarm

• Unschädlich• Emissionsfrei• Selbsterklärend und

selbstverständlich• Sparsam im Verbrauch• Wartungs- und

reparaturfreundlich• Wartungs- und

Reparaturservice

• Aufarbeitung• Wiederverwertung• Rückführung• Sachgerechte

Entsorgung

• Langfristig gültig• Langlebig• Sparsam• Funktionsgerecht• Funktionserklärend• Lösbare

Verbindungen

• Platz sparend• Wenig Verpackung• Mehrwegverpackung• Sortenrein• Kurze Wege

• Nützlich• Einfach• Eindeutig• Transparent

Gebrauch und Kundendienst

Gestaltung und Konstruktion

Material und Herstellung

Entsorgung und Wiederverwertung

Transport und Verpackung

Grundsatz(Produkt-Leitidee)

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Weiterentwicklung von UMS 49

3. Kriterium: Offenheit in Werbung und Produktinformation Um dem umweltbewussten Käufer eine bedürfnis- und problemadäquate Kaufent-scheidung zu ermöglich, müssen Informationsasymmetrien zwischen Anbieter und Nachfrager vermieden werden. Ehrlichkeit, Vollständigkeit und selbstkritische Offen-heit in Werbung und Produktinformation sind daher entscheidende Einflussgrössen für den Markterfolg von umweltfreundlichen Produkten. Dazu gehören Informationen über die verwendeten Stoffe, über positive und negative externe ökologische Effekte des Produktkaufs sowie über die sinnvolle Nutzung und Entsorgung.

4. Kriterium: Konkurrenzfähigkeit Ökologische Vorteile von Produkten können ihre umweltentlastende Wirkung nur entfalten, wenn sie nachgefragt werden. Je höher die Marktdurchdringung und der Marktanteil, desto höher auch die erzielte Öko-Effektivitätswirkung. Die Konkurrenz-fähigkeit dieser Produkte ist daher eine entscheidende Grösse für deren ökologi-schen wie für den wirtschaftlichen Erfolg. Stahlmann/Clausen plädieren deshalb dafür, dass sich die Vermarktung ökologischer Produkte nicht auf Marktnischen be-schränkt, sondern die Diffusion auf den Massenmärkten angestrebt wird.123 Dazu sind geeignete Absatzkanäle, Grossserienproduktion, Sortimentsbereinigung und eine breite räumliche Platzierung dieser Erzeugnisse gefordert.

Diese vier Leitlinien für eine öko-effektive Marktleistungsgestaltung sind ein sehr umfassender Ansatz für ökologische Gestaltungsmöglichkeiten von Produkten. In ISO-14001-zertifizierten Betrieben zeigt sich jedoch, dass die Produktökologie einen bislang ernüchternd geringen Stellenwert innehat und die Vielzahl der Handlungs-möglichkeiten nur punktuell genutzt wird.124 Allgemein besteht auch die Tendenz, dass produktökologische Massnahmen erst ergriffen werden, wenn innerbetriebliche Ansatzpunkte wie Risikominimierung und Prozessverbesserungen weitgehend er-schöpft sind.125 Grundsätzlich ist die Produktökologie in der Unternehmenspraxis vor allem dann von Bedeutung, wenn sich gesetzliche Rahmenbedingungen ändern oder wenn ökologisch motivierte Nachfragesignale von den Märkten ausgehen. Unterschiede sind entsprechend je nach Branche oder ökologischer Exponiertheit von Unternehmen erkennbar. Eine bedeutende Rolle spielt zudem die Verankerung des Umweltschutzes als strategischer Erfolgsfaktor und damit die Bestrebung zu einer umweltfreundlichen Positionierung von Produkten und Unternehmen auf den Zielmärkten. 126

123

Diese Forderung ist auch Gegenstand einer Reihe von Forschungsbeiträgen des Instituts für Wirtschaft und Ökologie der Universität St. Gallen (z.B. HUMMEL (1996): Textilien; BELZ (1997): Lebensmittelbranche; VILLI-GER (2000): Lebensmittelbranche; WÜSTENHAGEN (2000): Ökostrom.

124 Vgl. DYLLICK / HAMSCHMIDT (2001), S. 56 ff.

125 Vgl. SNV (2002), S. 51.

126 Vgl. DYLLICK / HAMSCHMIDT (2000), S. 56 f. Für die umfassende Diskussion von Einflussfaktoren des KVP vergleiche zudem Kapitel 6 dieser Arbeit.

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50 Weiterentwicklung von UMS

Die häufigsten Massnahmen der von Dyllick / Hamschmidt 127 befragten Unter-nehmen konzentrierten sich auf umweltbelastende Produkte und Produktbestand-teile. So gaben 35% der ISO-zertifizierten Firmen an, solche bereits eliminiert zu haben, während 62% dies als künftige Massnahmen anführten. An zweiter Stelle lagen Massnahmen im Verpackungsbereich mit 23% resp. 43%. Systematische Vorgaben bei der Produktentwicklung wurden an vierter Stelle mit 19% resp. 51% genannt. Insgesamt zeigen die Erkenntnisse – so die Autoren – dass produkt-ökologische Massnahmen in Anbetracht der expliziten Forderung in ISO 14001 in viel zu geringem Mass eingeleitet werden. Die Resultate deuten aber auch darauf hin, dass sich die bisherigen produktökologischen Bestrebungen primär auf das ökologische Produktdesign konzentrieren, während die übrigen Kriterien für eine öko-effektive Marktleistungsgestaltung kaum Berücksichtigung finden. 3.3.3 Handlungsfeld Mitarbeiter Im Handlungsfeld Mitarbeiter128 sind die ökologischen Ansatzpunkte für den KVP auf die gegenwärtigen und potenziellen Mitarbeitenden des Unternehmens ausgerich-tet.129 Die mitarbeiterorientierten Massnahmen des UMS zielen in erster Linie darauf ab, die Angestellten auf allen Stufen entsprechend ihres Arbeitsgebietes und ihres Verantwortungsradius’ zu sensibilisieren, zu motivieren und weiterzubilden. Erst Mit-arbeiter, die die relevanten ökologischen Zusammenhänge ihres Einflussbereichs kennen und verstehen, können aktiv zu einer Verbesserung der Umweltleistung bei-tragen.130

Die Art und Weise, wie sich Personen und letztlich auch Organisationen verhalten, wird durch sie selbst und durch ihre Situation beeinflusst.131 Deshalb sind in Bezug auf ökologierelevante Handlungen von Mitarbeitern deren Fähigkeiten und der Handlungswille von Bedeutung, gleichzeitig aber auch die spezifischen, im Unter-nehmen vorhandenen Handlungsfreiräume und Verhaltensanreize. Zur Systemati-sierung dieser Einflussfaktoren unterscheidet von Rosenstiel132 je zwei personale und situative Bedingungen. Sie sind in Abb. 14 im Hinblick auf das ökologie-relevante Mitarbeiterverhalten beispielhaft dargestellt. Als „personal“ werden Bedingungen bezeichnet, die von der Person selbst ausgehen: Was will sie und was kann sie? Das Wollen umfasst die Ziele und Prioritäten des Handelnden, das Können bezeichnet dessen Fähigkeit, die Ziele zu erreichen. Bei den situativen Bedingungen werden die Dimensionen Dürfen und Sollen unterschieden. Mit Dürfen wird der Handlungsspielraum durch soziale Regeln und Normen eingeschränkt, während mit der Dimension Sollen die Handlungsrichtung vorgegeben wird. 127

Vgl. zum Folgenden: DYLLICK / HAMSCHMIDT (2000), S. 56 f. 128

Hier sind weibliche Mitarbeitende selbstverständlich mitgemeint. Die Verwendung männlicher oder neutraler Bezeichnungen hat im vorliegenden Text rein stilistische Gründe.

129 Vgl. DYLLICK (1992), S. 405.

130 Vgl. dazu: BENTZ (2001), S. 1.

131 Vgl. LEWIN (1963).

132 Vgl. VON ROSENSTIEL (1992), S. 48 f.

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Weiterentwicklung von UMS 51

Abb. 14: Einflussfaktoren des ökologierelevanten Mitarbeiterverhaltens133 Zwischen den vier Bedingungen bestehen Interdependenzen. So ist das indivi-duelle Umweltverhalten von der Fähigkeit (Können) der Mitarbeiter abhängig, um-weltrelevante Aspekte ihres Tuns zu erkennen und bei Bedarf steuernd einzu-greifen. Dazu ist umweltbezogenes Wissen notwendig, das durch spezifische, ar-beitsplatzrelevante Umweltschulung und -information vermittelt wird. Darüber hinaus müssen Mitarbeitende auch eingreifen wollen: Sie müssen motiviert und interessiert sein, um ihr umweltrelevantes Können einzusetzen134. Formale Vorgaben, die Über-tragung von umweltbezogenen Aufgaben und Verantwortlichkeiten sowie hand-lungsleitende Anreize, z.B. indem ökologische Kriterien in die Berechnung von Bo-nuszahlungen aufgenommen werden, sind Instrumente dazu, das Mitarbeiter-verhalten im Sinne der betrieblichen Umweltzielsetzungen zu lenken. Der Mitar-beiter soll sein Können einsetzen, was durch Anreize und Sanktionsdrohungen er-reicht wird. Dies wird auf der situativen Ebene in dem Mass unterstützt, wie der Mit-arbeiter sein Können und Wollen umsetzen darf. Fördernd dazu sind eine beteili-gungsorientierte Unternehmenskultur, die es dem Mitarbeiter erlaubt, Ideen und Anregungen einzubringen, sowie entsprechende Beteiligungsinstrumente. 135 Von 133

Die Darstellung versteht sich als beispielhaft: Die genannten Einflussfaktoren sind weder abschliessend noch für jede Unternehmung gleichermassen von Bedeutung.

134 Vgl. SCHANZ (1992), S. 1908.

135 Vgl. BENTZ (2001), S. 19.

Umweltverhalten der Mitarbeiter

• Aktive Beteiligungsmöglichkeiten für MA

• Beteiligungskultur

•U

mw

eltinformation

•U

mw

eltschulungen

• Zuweisung von Verantwortlichkeiten• Anreize und Forderungen zu

umweltgerechtem Verhalten•

Ein

stel

lung

zum

U

mw

elts

chut

z•

Mot

ivat

ion

KönnenW

olle

n

Dürfen

Sollen

Umweltverhalten der Mitarbeiter

• Aktive Beteiligungsmöglichkeiten für MA

• Beteiligungskultur

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eltinformation

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eltschulungen

• Zuweisung von Verantwortlichkeiten• Anreize und Forderungen zu

umweltgerechtem Verhalten•

Ein

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Dürfen

Sollen

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52 Weiterentwicklung von UMS

Bedeutung ist hier aber auch die Art und Weise, welche Signale die Mitglieder des Top-Managements in Bezug auf Stellenwert und Anwendung ökologischer Leitlinien vermitteln.

Die Reichhaltigkeit des UMS in diesem Handlungsfeld kann somit daran gemessen werden, wie das Management durch Schaffen von Strukturen, durch Verhaltens-steuerung und durch Fähigkeitsentwicklung das ökologische Verhalten der Be-legschaft beeinflusst und inwiefern die Unternehmung als Ort ökologischen Ver-haltens des Einzelnen oder der Gruppe verstanden wird. Damit sind in erster Linie weiche Faktoren des Umweltmanagements angesprochen. Sie konkretisieren sich in Schulungsmassnahmen mit ökologischen Bezügen, Information und Kommu-nikation, Anreiz- und Sanktionssystemen, in der Implementierung partizipativer Strukturen, der Organisationsentwicklung unter Einbezug ökologischer Aspekte und der Förderung der kulturellen Verankerung des Umweltengagements.136 In der Pra-xis137 zeigt sich, dass nach der Erstzertifizierung des UMS insbesondere die Zuwei-sung der ökologischen Verantwortung als Aufgabe der Linie und die gezielte ökolo-gische Weiterbildung von Angestellten am stärksten gefördert werden. Diese Mass-nahmen stellen gleichzeitig die am häufigsten ausgelösten Aktivitäten des UMS im Handlungsfeld Mitarbeiter dar. Deutlich weniger häufig werden Mitarbeiter zur akti-ven Beteiligung am KVP über betriebliche Vorschlagswesen (BVW) systematisch motiviert, wobei hier die Zahlen aus der Studie Dyllick / Hamschmidt auf Defizite in der Umsetzung solcher Systeme hinzuweisen scheinen.138 Sehr selten führt das Umweltverhalten in der Praxis zu ökonomischen Folgen für den Einzelnen, da in den meisten Unternehmen in der Mitarbeiterbeurteilung keine ökologischen Kriterien zum Tragen kommen. Hier liegen entsprechend grosse Potenziale der Verhaltens-beeinflussung brach, vermitteln die verwendeten Beurteilungskriterien doch deutli-che Signale zum Stellenwert von Verhaltensaspekten und von einzelnen Zielen in der betrieblichen Gesamtzielsetzung. 3.3.4 Handlungsfeld Kommunikation Im Zentrum des Handlungsfeldes Kommunikation steht der Dialog mit Behörden, Medien, Politikern, Anwohnern, Wissenschaftlern, Verbandsvertretern sowie Ange-stellten und Eigentümern der Unternehmung bzw. deren Repräsentanten.139 Damit sind neben der innerbetrieblichen auch die betriebsübergreifenden Kommunika-tionsformen und -kanäle angesprochen. Das Ziel kommunikativer Massnahmen liegt

136

Vgl. BENTZ (2001), S. 17 f. 137

Vgl. zum Folgenden die Untersuchung DYLLICK / HAMSCHMIDT (2000), S. 52 ff. 138

Die Untersuchung ergibt in dieser Frage, dass 52% der befragten Unternehmen kurz nach der Erstzertifi-zierung des UMS ihr BVW „ansatzweise“ für Umweltbelange nutzen, während dies nur in 15% „weitgehend“ der Fall ist. Bei „alten“ UMS zeigt sich eine „ansatzweise“ Nutzung in 49%, eine „weitgehende“ Nutzung des BVW für ökologische Belange in 24% der Unternehmen. Die Zahlen zeigen, dass zwar 73% der zertifizierten Unternehmen ein BVW implementiert haben, dass aber auch nach mehrjähriger Zertifizierungsdauer das BVW nur in rund einem Drittel der Fälle umfassend für ökologische Themen genutzt wird. Vgl. HAMSCHMIDT (2001), S. 113.

139 Vgl. DYLLICK (1992), S. 405.

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Weiterentwicklung von UMS 53

in der transparenten und glaubwürdigen Kommunikation über Aktivitäten und Pro-bleme mit ökologischem Bezug. Eine besondere Rolle kommt den Mitgliedern der obersten Unternehmensleitung zu, die für die Mitarbeiter aller Ebenen eine be-deutsame Vorbildfunktion einnehmen, wenn es um die Umsetzung und Durchset-zung umweltbezogener Ziele geht.140

Die Reichhaltigkeit des UMS bemisst sich nicht nur an der Öffnung der Unterneh-menskommunikation gegenüber potenziellen, interessierten Kommunikationspart-nern, ebenso wichtig sind Kommunikationsformen und -inhalte. Kommunikation im ökologischen Kontext ist wesentlich mehr als ein weiteres Instrument im produkt-orientierten Marketing-Mix.141 Sie fordert die Unternehmensführung dazu auf, einen offenen Dialog mit den interessierten Kreisen zu führen – eine Aufgabe, an die Ma-nager und Unternehmer nur selten gewöhnt sind. Vielmehr herrschen – wo es nicht um den Aufbau eines spezifischen Unternehmensimages geht – defensive Kommu-nikationsstrategien vor: „Man informiert eigentlich nur dann öffentlich, wenn man sich aus irgendeinem Grund dazu gezwungen sieht“. 142 Ein solches Verhalten schafft weder Vertrauen, noch kann es – insbesondere in ökologisch besonders be-troffenen Branchen – von den Unternehmen auf Dauer aufrechterhalten werden. Dyllick formuliert deshalb als Grundregel für die ökologiebezogene Kommunikation: „Statt der ängstlichen Frage: Was darf man sagen? muss nach dem Grundsatz: Was muss man sagen? gehandelt werden.“

Praxiserfahrungen von Schweizer Unternehmen deuten – wenn auch wissenschaft-lich bislang nicht bestätigt – darauf hin, dass in der umweltbezogenen Kommunika-tion eine integrierte Strategie besser geeignet ist als ein themenzentriertes Vorge-hen. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit der Veröffentlichung aufwändig produzierter Umweltberichte in Form eigenständiger Publikationen. Zu letzteren, so die Argumentation, treffen in den Unternehmen kaum je Feedbacks und Anregun-gen der angesprochenen Kreise ein, und eine allfällige Diskussion über Umweltas-pekte und Umweltleistung dieser Unternehmen findet – wenn überhaupt – ausser-halb der Unternehmung ohne deren Einbezug statt. Nicht zuletzt aus diesen Grün-den werden Umweltziele und umweltbezogene Leistungsangaben immer mehr in die allgemeine Geschäftsberichterstattung integriert, wo sie von breiteren Kreisen wahrgenommen werden können. Viele, gerade auch im Umweltschutz sehr aktive Unternehmen zeigen sich generell enttäuscht über das Ausbleiben eines ökologi-schen Diskurses mit interessierten Kreisen, von welchem sie sich Anhaltspunkte für die weitere umweltbewusste Unternehmensentwicklung erhoffen würden. Ein Grund dafür ist in vielen Fällen systematisch bedingt: Gelingt es den Unternehmen

140

Sichtbare Signale der obersten Leitung und die Wahrnehmung einer konsequenten Vorbildrolle des Mana-gements gehören zu den wichtigsten Voraussetzungen, um die Mitarbeitenden zu einer selbstverant-wortlichen, umweltbewussten Verhaltensweise zu motivieren. Vgl. SNV (2002), S. 41. Ähnlich auch: EPSTEIN (1996), S. 7. Auch ISO 14001 betont die Abhängigkeit des Erfolgs von UMS u.a. von der Verpflichtung der obersten Leitung der Organisation. Vgl. ISO 14001:1996, Einführungstext, S. 3.

141 Vgl. DYLLICK (1990), S. 41.

142 Vgl. DYLLICK (1990), S. 43.

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54 Weiterentwicklung von UMS

nicht, die Zielgruppen auch tatsächlich zum Dialog einzuladen, indem sie z.B. direk-te, über spezifische Kompetenzen und Sachkenntnis verfügende Ansprechpartner nennen oder zu Dialogforen einladen, wird dies auch ausbleiben. Schneidewind be-zweifelt zudem, ob diesbezüglich ein „diskursiver Optimismus“ angebracht wäre: Dies würde neben der Identifikation aller relevanten Diskurspartner auch das aktive Interesse sowohl der Unternehmung als auch der Anspruchsgruppen an einer Ver-ständigung voraussetzen.143

3.4 Höherentwicklung

Die Höherentwicklung des UMS unterscheidet sich grundlegend von den beiden Entwicklungsdimensionen der Diffusion. Wie zuvor gezeigt, kann die Unternehmung die Reichweite des UMS innerhalb der Organisation ausweiten und das UMS auf immer mehr Tätigkeiten, Produkte und Dienstleistungen anwenden. Durch diese Verbreitung und Verankerung gewinnt das UMS an Ansatzpunkten und Handlungs-potenzialen, die zur Verbesserung der Umweltleistung genutzt werden können, um die in der Umweltpolitik festgelegten Zielsetzungen und Handlungsmaximen zu er-reichen. Das UMS selbst bzw. die Strukturen, die Prozesse, die spezifischen Fähig-keiten und die Einstellungen, die Perspektiven und der Handlungswille der Akteure werden durch Diffusionsprozesse allein hingegen nicht verändert. Solche Verände-rungen sind jedoch notwendig, sollen auf Dauer Umweltentlastungspotenziale er-kannt, Ziele und Massnahmen festgelegt und Verbesserungen der Umweltleistung realisiert werden. Sie sind Voraussetzungen dazu, das UMS auf ein Leistungs-niveau jenseits der ersten, auf die operative Ebene des Umweltschutzes beschränk-ten Phase des ökologischen Entwicklungsprozesses zu bringen.

Höherentwicklung meint somit die Entwicklung der Bereitschaft, Möglichkeit und Fähigkeit der Unternehmung zur dauerhaften Generierung von Umweltleistungspo-tenzialen.144 Die Höherentwicklung ist eine Erweiterung des Begriffs der Umweltleis-tungsfähigkeit, den Stahlmann als Potenzial der Unternehmung umschreibt, Um-weltschwachstellen zu erkennen, ihnen mit wirksamen Massnahmen zu entgegnen und dadurch „gesellschaftlich oder umweltpolitisch erwünschte Verbesserungen der Umweltleistung“ zu erzielen.145 Das hier propagierte Begriffsverständnis der Weiter-entwicklung der Umweltleistungsfähigkeit bzw. der Höherentwicklung von UMS zeichnet sich gegenüber dieser instrumentellen, statischen Konzeption durch eine entwicklungsfähige, dynamische Charakteristik aus, deren Motor im organisationa-len Willen zu ökologischem Fortschritt liegt.

143

Vgl. SCHNEIDEWIND U. (1998), S. 75. 144

Die Definition versteht sich in Anlehnung an BIRKE / SCHWARZ (1997), S. 210. 145

Vgl. STAHLMANN (1996), S. 71.

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Weiterentwicklung von UMS 55

In den folgenden Abschnitten werden zur konzeptionellen Fundierung der Höherent-wicklung zunächst theoretische Bausteine zu Entwicklungsstufen von Management-systemen und zu organisationalen Lernprozessen vorgestellt. Danach erfolgt eine Diskussion der Voraussetzungen für ökologische Entwicklungsprozesse sowie die Erarbeitung eines Rasters für die nachfolgende empirische Untersuchung. 3.4.1 Kategorien organisationaler Lernprozesse Die Konzeption des KVP nach ISO 14001 auf der Basis des PDCA-Zyklus’ fusst auf der philosophischen Doktrin, dass am Anfang von Wandelprozessen immer Ziel- und Zweckformulierungen stehen. Dieser Auffassung folgen zahlreiche Theorien zur Erklärung organisationalen Wandels.146 In diesen teleologischen Ansätzen sind Ver-änderung und Weiterentwicklung die Folge eines fortwährenden Zyklus’ von Ziel-setzung, Implementierung und Ergebnisbewertung. Die Zielerreichung ist jedoch nicht notwendigerweise gleichbedeutend mit dem Erreichen eines dauerhaften Gleichgewichtszustandes; vielmehr kann das Durchlaufen des Zyklus’ immer wieder neue Lernprozesse auslösen, die Instabilitäten innerhalb und ausserhalb der Einheit adaptieren und zu veränderten Zielen oder Vorgehensweisen bei einem nachfolgen-den Zyklus führen.147 Äussere Rahmenbedingungen und Einflüsse werden in dieser Konzeption als begrenzende Faktoren in die Zielformulierung einbezogen.

Der teleologische Entwicklungsprozess des PDCA-Zyklus’ widerspiegelt damit die Charakteristik von sog. Closed-loop-Systemen, die allen Systemen zugrunde liegen, die von praktischer Bedeutung sind. Sie zeichnen sich durch einen systematischen Feedback-Mechanismus von Informationen, Entscheidungen und Aktivitäten aus.148 Dieser ist die Voraussetzung für ein dynamisches Systemverhalten, für Lern-prozesse und Wandel. In der Managementlehre wird jedoch kritisiert, dass die Un-terscheidung von Managementsystemen anhand dieser beiden Entwicklungsstufen nicht ausreichen würde, um die Anforderungen der Realität an die Systemkonzepti-on zu reflektieren.149 Die Problematik liegt insbesondere darin, dass das einfache, feedbackorientierte Managementdenken sich darauf beschränkt, aktuelle Ergebnis-se mit bereits festgelegten Standards und Plänen zu vergleichen, um bei Abwei-chungen Korrekturmassnahmen zu ergreifen.150 Wandelprozesse auf dieser Basis sind daher immer Prozesse, die die Ergebnisse des Durchlaufens eines PDCA-Zyklus’ in die Richtung vordefinierter Werte lenken. In der Literatur werden solche Systeme als Single-loop-Systeme bezeichnet, da sie nur die Eignung der getroffe-nen Massnahmen prüfen und steuern, nicht aber die Eignung der entsprechenden 146

Ein typisches Beispiel ist die Epigenese von ETZIONI (1963). 147

Dies entspricht der grundlegenden Bedeutung der Epigenese, die betont, dass jeder Entwicklungsschritt von Bedingungen abhängig ist, die in früheren Entwicklungsschritten geschaffen worden sind. Van de Ven / Poo-le beschreiben diesen Entwicklungsprozess als „something that moves an entity toward its final state“. VAN DE VEEN / POOLE (1995), S. 516.

148 Vgl. dazu COYLE (1977), S. 22 ff. Closed-loop-Systeme unterscheiden sich damit deutlich von sog. Open-loop-Systemen, bei denen der Output keinen Einfluss auf den Input ausübt.

149 Vgl. MERCHANT (1982), S. 43f; SCHREYÖGG / STEINMANN (1987), S. 92.

150 Vgl. SCHREYÖGG / STEINMANN (1987), S. 92.

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56 Weiterentwicklung von UMS

Planwerte und Vorgaben. Wandelprozesse, die die Reflexion der Vorgaben mit ein-beziehen, sind als Double-loop-Systeme bekannt. Diese Unterscheidung ist der Ausgangspunkt zur Kategorisierung von auf unterschiedlichen Ebenen wirksamen Lernprozessen, die auch für die Höherentwicklung von UMS von grosser Bedeutung sind. Hier hat sich der Rückgriff auf den Ansatz von Argyris / Schön als praxisnah und nachvollziehbar erwiesen. Er wird deshalb im Folgenden näher vorgestellt.

Argyris / Schön beschreiben organisationales Lernen als kontinuierlichen Prozess, bei dem die Individuen ihr Bild der Organisation verändern und damit eine Verände-rung der organisationalen handlungsleitenden Theorien („theories-in-use“) mit ihren Werten, Aktionstheorien und Annahmen bewirken.151 Die theory-in-use unterschei-det sich von der „espoused-theory-of-action“, welche die nach aussen kommuni-zierte und vertretene Handlungsbegründung darstellt und die oftmals von der eher implizit vermittelten „theory-in-use“ abweicht. Dies lässt sich z.B. dann vermuten, wenn die dokumentierten Geschäftsgrundsätze eines Unternehmens eine explizit ökologische Verhaltensweise fordern, während die implementierten Anreizsysteme für die Mitarbeiter ausschliesslich auf ökonomische Erfolgsfaktoren ausgerichtet sind. Lernprozesse können sich vor diesem Hintergrund in unterschiedlicher Weise auf die handlungsleitenden Theorien auswirken. Argyris / Schön (1978) und Bate-son (1972) unterscheiden dazu drei organisationale Lernformen:

Single-loop-Learning bzw. Einkreislernen Findet durch das Durchlaufen eines PDCA-Zyklus ein Lernprozess statt, der die Ak-tionsstrategien und Annahmen so anpasst, dass sie die veränderten Umfeldbedin-gungen reflektieren, so bezeichnen Argyris / Schön dies als Single-loop-Learning bzw. als Einkreislernen. Dabei reagieren die Organisationsmitglieder auf interne und externe Abweichungen, die korrigiert werden, um die handlungsleitende „theory-in-use“ aufrechtzuerhalten. In diesem Lernprozess werden nur die Mittel und Verfah-ren zur Erreichung des Zwecks und die Vorstellungen über die Zusammenhänge zwischen Mittel und Verfahren sowie der Zweckerreichung angepasst. Der grund-sätzliche Zweck der Organisation hingegen bleibt unverändert. Die Autoren be-zeichnen solche Lernprozesse deshalb als „limited learning system“152. Mit dieser Form von Lernen wird die Stabilität der Organisation gefördert, d.h. bestehende Re-geln und Normen werden so weit wie möglich beibehalten. Dieses von Anpassung geprägte Lernverhalten wird auch als „Lernen erster Ordnung“ bezeichnet.

Double-loop-Learning bzw. Zweikreislernen Der limitierten Lernform des Einkreislernens stellen Argyris / Schön einen Lernpro-zess gegenüber, der die Werte und damit die grundlegenden Zielsetzungen der Or-ganisation mit einschliesst. Double-loop-Lernen erfordert zur Problemlösung eine Reflexion und Revision der gültigen „theory-in-use“. Dies geschieht, indem die Or-ganisation neue Werte definiert oder Prioritäten neu verteilt, sowie durch die Re- 151

Vgl. ARGYRIS / SCHÖN (1999), S. 29. 152

ARGYRIS / SCHÖN (1978), S. 109 ff.

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Weiterentwicklung von UMS 57

strukturierung der bestehenden Werte zusammen mit den dazugehörigen Aktions-strategien und Annahmen.153 Double-loop-Lernprozesse resultieren demnach aus dem Hinterfragen von Motiven und Gründen, die hinter der objektiven Tatsache von Abweichungen stehen, und haben eine Veränderung überkommener Verhaltensre-geln zur Folge. Das Zweikreislernen – auch als „Lernen zweiter Ordnung“ bekannt – stellt entsprechend höhere Anforderungen an die Organisationsmitglieder und hat weiter gehende Konsequenzen für die Organisation als das situative „Lernen erster Ordnung“.

Deutero-Learning Als dritte Form des Lernens kann in Anlehnung an Bateson154 das Deutero-Lernen unterschieden werden. Hier erfolgt Lernen nicht mehr als reaktiver Prozess wie in den beiden vorangegangenen Lernkategorien. Deutero-Lernen bedeutet vielmehr das Hinterfragen von Kontexten, in denen das Lernen selbst erfolgt. In der Absicht, das Lernen zu lernen, wird der Lernprozess einer kritischen Reflexion unterzogen, um die Bedingungen für künftiges Lernen zu verbessern.

Abb. 15: Einkreis- und Zweikreislernen im Kontext von UMS Zusammenfassend können hinsichtlich Entwicklungsstand und Lernfähigkeit somit drei Stufen von Managementsystemen unterscheiden werden. Bezüglich der Wei-terentwicklung von UMS sind die beiden Formen feedback-orientierter Closed-loop-Systeme von Interesse. Der Entwicklungsprozess in der einfacheren der beiden Ausprägungen zeichnet sich durch ein limitiertes Anpassungslernen aus, das es der Organisation ermöglicht, die einmal formulierten Ziele möglichst effizient und effektiv zu erreichen (Einkreislernen). Auf der darüber liegenden Entwicklungsstufe befinden sich Managementsysteme, deren Lernprozesse auf einem doppelten Regelkreislauf beruhen und auch die unternehmerischen Pläne und Standards und die dahinter liegenden Werte und Normen hinterfragen (Zweikreislernen). Abb. 15 stellt das Ein-

153

Vgl. ARGYRIS / SCHÖN (1978), S. 24. 154

BATESON (1999), S. 273.

Single Loop: Anpassen von Aktionsstrategien und Annahmen über die Angemessenheit der Mittel und Verfahren

Double Loop:Anpassen von Werten und der „theory-in-use“

Overall Management

Weiterentwicklungdes UMS

Umweltschutz-massnahmen

Wirkung auf die Umweltleistung

ÖkologischeLernprozesse

Single Loop: Anpassen von Aktionsstrategien und Annahmen über die Angemessenheit der Mittel und Verfahren

Double Loop:Anpassen von Werten und der „theory-in-use“

Overall Management

Weiterentwicklungdes UMS

Umweltschutz-massnahmen

Wirkung auf die Umweltleistung

ÖkologischeLernprozesse

Single Loop: Anpassen von Aktionsstrategien und Annahmen über die Angemessenheit der Mittel und Verfahren

Double Loop:Anpassen von Werten und der „theory-in-use“

Overall Management

Weiterentwicklungdes UMS

Umweltschutz-massnahmen

Wirkung auf die Umweltleistung

ÖkologischeLernprozesse

Single Loop: Anpassen von Aktionsstrategien und Annahmen über die Angemessenheit der Mittel und Verfahren

Double Loop:Anpassen von Werten und der „theory-in-use“

Overall Management

Weiterentwicklungdes UMS

Umweltschutz-massnahmen

Wirkung auf die Umweltleistung

ÖkologischeLernprozesse

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58 Weiterentwicklung von UMS

kreislernen und Zweikreislernen im Zusammenhang mit UMS und ökologischem Lernprozessen155 beispielhaft dar. 156

In den folgenden Abschnitten werden diese Erkenntnisse – unter Einbezug der Em-pirie – auf das Lernen im ökologischen Entwicklungsprozess von Organisationen und damit auf die Höherentwicklung von UMS übertragen. 3.4.2 Lernen im ökologischen Entwicklungsprozess Bisherige Erkenntnisse zur ökologischen Unternehmensentwicklung deuten auf Ent-wicklungsverläufe hin, in welchen sich die oben unterschiedenen Kategorien von Lernprozessen widerspiegeln. Sie sind insbesondere auf die empirische Erfor-schung der Entwicklung normierter UMS in der Unternehmenspraxis zurückzu-führen. Sie spiegeln sich auch in der von Pfriem definierten und von Gellrich et al. als Ausgangspunkt einer empirischen Forschungsarbeit im Jahr 1997 verwendeten Unterscheidung der beiden „Phasen der ökologischen Unternehmenspolitik“ (vgl. Abb. 1 in Kapitel 1 dieser Arbeit).157 Konkret besagt deren These, dass die kurzfristig durchführbaren, häufig kostensenkenden Umweltschutzmassnahmen in Unternehmen, die sich seit Jahren um eine betriebliche Umweltpolitik bemühen, nach absehbarer Zeit abgearbeitet und so auch die damit verbundenen Umweltent-lastungspotenziale weitgehend erschöpft sind. Die weitere Entwicklung der Umwelt-leistungsfähigkeit kann nach dieser ersten Phase nur über die Reflexion und Erwei-terung des ökologischen Bezugsrahmens der Unternehmung gelingen.

Die erste Phase des Entwicklungsprozesses von UMS weist demnach deutliche Parallelen zu Managementsystemen auf, deren Lernprozesse sich an bestehenden Produkten und Prozessen orientieren und auf Anpassung ausgerichtet sind. Hier stehen i.d.R. kurzfristige Potenziale im Vordergrund, deren Realisierung zu ökono-misch relevanten Verbesserungen führt. Darüber hinaus sind technische Optimie-rungen an Infrastrukturen und Produkten sowie die organisatorische Verteilung von Verantwortlichkeiten und Kompetenzen von Bedeutung. In vielen Fällen gehören dazu Schulungsaktivitäten, die auf die ökologische Sensibilisierung der Mitarbeiter in Bezug auf ihren Leistungsbeitrag ausgerichtet sind. Um die Unternehmung in die zweite Phase der ökologischen Entwicklung zu überführen sind Double-loop-Lern-prozesse gefordert, die die ökologisch untermauerte Entwicklung von Prozessen und Produkten im Einklang mit der strategischen Unternehmensausrichtung ermög-lichen.

155

Entsprechend einer Definition von Hamschmidt / Dyllick lassen sich ökologische Lernprozesse, ausgelöst durch die fortdauernde Anwendung des PDCA-Kreislaufs im Rahmen des UMS, als Beitrag zur „Erweiterung der umweltorientierten Wissensbasis im Unternehmen“ umschreiben, die bei den „Akteuren im Unternehmen vorherrschende Wahrnehmungen, Interpretationen und Einstellungen verändert und über Anpassungen der Organisation (Umweltstrategien, -organisation, -massnahmen) zu einer Steigerung der ökologischen Problemlösungsfähigkeit“ führt. Vgl. HAMSCHMIDT / DYLLICK (1999), S. 55.

156 Einen Ansatz zur Verbindung individuellen und organisationalen Lernens in ökologierelevanten Fragestel-lungen beschreibt Hamschmidt in Anlehnung an MÜLLER-STEWENS / PAUTZKE (1996) mit Hilfe eines or-ganisationalen Lernzirkels. Vgl. HAMSCHMIDT (2001), S. 10 ff.

157 Vgl. zum Folgenden: GELLRICH ET AL. (1997), S. 541 sowie S. 545 f.

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Weiterentwicklung von UMS 59

Grundsätzlich sind Unternehmen in der Lage, durch Lernprozesse ökologische In-halte in den eigenen Bezugsrahmen aufzunehmen und durch Anpassungsverhalten in die bestehenden Strategien und Strukturen einfliessen zu lassen. Die Wahrneh-mung und Bewertung ökologischer Vorgänge ist in der Realität jedoch stark ge-hemmt, was ökologisches Lernen in Organisationen erschweren kann. In der Praxis liegen die Gründe dafür vielfach darin, dass den Organisationsmitgliedern nicht ge-nügend Know-how und Ressourcen zur Verfügung stehen, um ökologische Proble-me überhaupt als solche zu erkennen oder aber sie mit adäquatem Vorgehen effek-tiv und dauerhaft zu lösen. Auch betreffen ökologische Lernprozesse oftmals nur wenige Personen innerhalb der Organisation, während nur kollektiv bestätigte Er-gebnisse von Lernprozessen dazu führen können, dass Organisationen ihren öko-logischen Bezugsrahmen erweitern.158 Daher kann Lernen sich nicht auf die Wis-sensvermittlung ökologischer Zusammenhänge beschränken, sondern bedeutet immer auch den Einbezug der Unsicherheit von Ursache und Wirkung ökologischer Herausforderungen.159 Deren Dynamik und Komplexität bedingt Lernprozesse, die eine Erweiterung der Wahrnehmungs- und Bewertungsfähigkeit ökologischer Infor-mationen mit Hilfe eigener Erfahrungen ermöglichen. Dies entspricht der oben er-wähnten Kategorie des Deutero-Learnings.

Die Fähigkeit für derartige Lernprozesse ist eine zwar notwendige, aber nicht hin-reichende Bedingung für die ökologische Weiterentwicklung der Organisation. Ebenso erforderlich ist es, die ökologische Entwicklung nicht als einmaligen Prozess zu betrachten, sondern als ständige Reflexion der eigenen Handlungsgrundlagen unter ökologischen Gesichtspunkten im Zeitablauf.160 Erst damit kann der kontinu-ierlichen Höherentwicklung des UMS Genüge getan und die zweite Phase des öko-logischen Entwicklungsprozesses erreicht werden. Welche unternehmerischen Vor-aussetzungen diesen Prozess unterstützen, ist Gegenstand des folgenden Ab-schnitts. 3.4.3 Voraussetzungen der Höherentwicklung Wie oben skizziert sind in vielen Unternehmen, die ein UMS nach EMAS oder ISO 14001 aufgebaut haben, nach wenigen Jahren des ökologischen Fortschritts kaum noch Verbesserungen des UMS oder der Umweltleistung zu beobachten. Diese Problematik wird von verschiedener Seite darauf zurückgeführt, dass normierte Ma-nagementsysteme zwar den Aufbau innerbetrieblicher ökologischer Informations-systeme fördern, dass aber die strategische Untermauerung des ökologischen Ent-wicklungsprozesses vielfach ausbleibt. Eine langfristige ökologische Entwicklungs-strategie kann aufgrund dieser Defizite nicht sichergestellt werden. Rückblickend auf Beobachtungen in der Praxis wird kritisiert, dass sich die weit gediehenen An-strengungen zur Entwicklung betriebs- und produktbezogener Ökobilanzen noch

158

Vgl. PAUTZKE (1989), S. 100. 159

Vgl. PFRIEM / SCHWARZER (1996), S. 12. 160

Vgl. GELLRICH ET AL. (1997), S. 541.

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60 Weiterentwicklung von UMS

allzu sehr auf der Ebene des Energie- und Schadstoffmanagements mit der Frage „wo stehen wir?“ bewegen würden, während die wesentliche Frage vielmehr lau-ten sollte: „wohin wollen wir?“.161 Vorangegangene empirische Studien, die in den ersten Jahren nach der Publikation von EMAS und ISO 14001 durchgeführt worden waren, deuteten denn auch auf ambivalente Entwicklungen hin: Einerseits konnte mit Hilfe der eingeführten UMS eine Festigung der betrieblichen Umweltpolitik beo-bachtet werden, andererseits verharrten die ökologischen Leistungen auf einem derart bescheidenen Niveau, dass die bereits vor dem UMS-Aufbau eingeführten umweltrelevanten Prozessen und Praktiken weitgehend beibehalten werden konn-ten.162Ähnlich folgern auch Dyllick / Hamschmidt: demnach „scheint es so, dass in den Unternehmen „mit“ einem zertifizierten UMS gemacht wird, was man vorher auch schon, allerdings „ohne“ UMS, gemacht hat.“ 163

In der Untersuchung von Gellrich et al. wurden deshalb die langfristige ökologische Entwicklungsfähigkeit von Unternehmen und die Voraussetzungen für ökologische Lernprozesse ins Zentrum gerückt. Solche Lernprozesse sind letztlich davon ab-hängig, wie stark intern eine klare Vorstellung, eine Lern- und damit Veränderungs-bereitschaft dazu besteht, bestimmte Unternehmensfaktoren zu entwickeln. Vor die-sem Hintergrund haben die Autoren ein Set von weichen Faktoren (soft factors) der Unternehmensführung definiert, deren Ausprägung die Fähigkeit zur fortwäh-renden Höherentwicklung der Umweltleistungsfähigkeit fördern oder hemmen kön-nen. Die Faktoren wurden bei elf deutschen Unternehmen, die zu jenem Zeitpunkt allgemein als ökologische Vorreiterfirmen galten, in Bezug auf deren Bedeutung und Ausprägung einem Assessment unterzogen.

Die Ergebnisse der Studie weisen darauf hin, dass (1.) die soft factors in der Tat eine entscheidende Rolle für die dauerhafte ökologische Entwicklungsfähigkeit der Unternehmung spielen, und dass (2.) die Entwicklungsfähigkeit insbesondere von den vier spezifischen Faktoren Visionsfähigkeit, Innovationsfähigkeit, Motivation und Interaktion abhängt164:

● Visionsfähigkeit: Sie bezeichnet die Fähigkeit der Unternehmung, Visionen zu ge-nerieren und diesen Visionen entsprechend zu handeln. Die Visionsfähigkeit kann sowohl allgemein als auch in Bezug auf ökologische Herausforderungen einen wich-tigen Beitrag zur Sinnstiftung leisten. Visionen sind eine Voraussetzung, um der Un-ternehmung über einengende Sachzwänge und Denkmuster des Alltagsgeschäfts hinaus auf lange Zeit Richtungsweiser für die Zukunftsgestaltung zu verleihen. Dies gilt auch in Bezug auf eine zielgerichtete ökologische Unternehmensentwicklung, die nach Gellrich et al. nur mit Hilfe visionärer Entwicklungsziele möglich ist. Visio- 161

Vgl. stellvertretend: ANKELE (1996), S. 17 f. 162

Vgl. UNI/ASU (1997), FEU (1998), FREIMANN (1998), zitiert in PFRIEM (1999), S. 10. 163

Vgl. DYLLICK / HAMSCHMIDT (2000), S. 61, als Erkenntnis aus der Analyse vorangegangener Studien in Deutschland. In ihrer eigenen Untersuchung kommen sie zum Schluss, dass UMS eine vorwiegend unter-stützende, instrumentelle, jedoch keine entscheidende Rolle in der Verbesserung der Umweltleistung spielen (ebenda, S. 130).

164 Zu den folgenden Ausführungen vgl. GELLRICH ET AL. (1997), S. 547 ff.; GÜNTHER/PFRIEM (1999), S. 155 ff.

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Weiterentwicklung von UMS 61

när Denken bedeutet in diesem Zusammenhang auch die Konstruktion von Szena-rien über künftige Entwicklungen, in denen die eigene Entwicklung möglicherweise eine völlig neue Positionierung erfordert, um die langfristige Erfolgssicherung zu gewährleisten. Die Fähigkeit zur Selbstreflexion ist dazu eine grundlegende Voraus-setzung.

● Innovationsfähigkeit: Sie umfasst die unternehmerische Fähigkeit zur primär ei-genständigen Entwicklung von Innovationen. In Bezug auf die ökologische Unter-nehmensentwicklung können dazu neben Produktinnovationen und technischen Prozessinnovationen auch organisatorische Innovationen unterschieden werden.165 Prozess- und produktorientierte Innovationsfähigkeit bedeutet, dass die Unter-nehmung ihre Forschungs- und Entwicklungstätigkeit auf das Suchfeld bestehender und potenzieller Kunden ausrichtet, anstatt es ausschliesslich auf Innovationen der Investitionsgüter- und Zulieferindustrie einzuengen. Bei der Innovationsfähigkeit in Bezug auf organisationale Veränderungen geht es nicht in erster Linie um die effi-ziente Strukturierung der Organisation, sonder vielmehr – im Sinne der von Chand-ler proklamierten Formel „Structure follows Strategy“166 – um die Fähigkeit der Un-ternehmung, Strukturen frühzeitig und angemessen zu verändern, wenn sie für die erfolgreiche Strategieumsetzung nicht effektiv genug sind. Zur Operationalisierung organisatorischer Innovationen gilt es, den Veränderungsprozess (z.B. in Form von Lernen) vom erreichten Innovationsstand zu unterscheiden.167

● Motivation: Sie bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch die „Gesamtheit der in einer Handlung wirksamen Beweggründe“, die das „individuelle Verhalten aktivie-ren, richten und regulieren“.168 Motivation im Zusammenhang mit der ökologischen Entwicklungsfähigkeit ist Ausdruck der Bereitschaft der Organisationsmitglieder, den unternehmensspezifischen Bezugsrahmen um ökologische Komponenten zu er-weitern. Fehlt die Motivation, sich gegenüber ökologischen Erfahrungen zu öffnen und sie in die täglichen Handlungsroutinen, aber auch in die Ziel- und Strategiefor-mulierung zu integrieren, so besteht die Gefahr des Scheiterns der ökologischen Erweiterung.

165

In der Literatur wird ein „objektives“ und eine „subjektives“ Verständnis des Innovationsbegriffs unter-schieden. In der theoretischen volkswirtschaftlichen Literatur wird der Innovationsbegriff häufig in der Traditi-on von Schumpeter auf Marktneuheiten und damit auf die objektiv erstmalige Einführung von neuen oder verbesserten Produkten, Prozessen etc. am Markt eingeschränkt. Dieses Begriffsverständnis führt allerdings zu erheblichen Erfassungs- und Abgrenzungsproblemen. Dies gilt insbesondere für organisatorische Inno-vationen, die oft unternehmensspezifisch sind. In der empirischen Innovationsforschung hat sich andrerseits eingebürgert, die Organisationseinheit Unternehmen als Referenzgrösse zu wählen und entsprechend die „subjektive“ Einführung einer Neuerung bzw. die signifikante Verbesserung in einem Unternehmen als Inno-vation zu bezeichnen, unabhängig davon, ob es sich um eine Marktneuheit handelt oder nicht (vgl. HEM-MELSKAMP (1999), S. 13 f.). Auch das Oslo-Manual der OECD erachtet den subjektiven Neuheitsgrad auf Fir-menebene als Mindestbedingung für die empirische Verwendung des Innovationsbegriffs (vgl. OECD/EURO-STAT (1997), S. 47). Vgl. ANKELE ET AL. (2002), S. 4.

166 Zu Chandlers These vgl. CHANDLER (1962), aber auch die Gegenposition von RUMELT (1974) und die histori-sche Aufarbeitung der Kontroverse von WOLF (2000).

167 Vgl. ANKELE ET AL. (2002), S. 5.

168 Vgl. BROCKHAUS (1998), S. 170.

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62 Weiterentwicklung von UMS

● Interaktion: Sie steht für den aktiven Austausch mit Anspruchsgruppen wie Kun-den, Lieferanten, Anwohnern und Behörden. Interaktion ermöglicht es, die Un-ternehmenswahrnehmung dieser Gruppen zu erfassen, erlaubt aber auch die Über-prüfung der eigenen Wahrnehmung. Dies kann Hinweise auf die Offenheit und Be-reitschaft zur dialogorientierten Kommunikation mit interessierten Kreisen vermitteln. Der auf Dialog ausgerichtete Austauschprozess innerhalb und ausserhalb der Un-ternehmung unterstützt den reflexiven Prozess zur Erweiterung des ökologischen Bezugsrahmens.

Eingangs wurde die Höherentwicklung des UMS als Entwicklung der Bereitschaft, Möglichkeit und Fähigkeit der Unternehmung zur dauerhaften Generierung von Um-weltleistungspotenzialen definiert. Mit der Diskussion der Grundlagen zur Weiter-entwicklung von Managementsystemen und der Auseinandersetzung mit wesentli-chen Voraussetzungen zur Höherentwicklung lassen sich auf der Handlungsebene nun zentrale Ansatzpunkte der Höherentwicklung erkennen. Es handelt sich dabei zunächst um die visionengeleitete Erweiterung des ökologischen Bezugsrah-mens der Organisation und ihrer dazu motivierten Mitglieder. Diese Entwicklungs-dimension wird unterstützt durch die Innovations- und Interaktionsfähigkeit im Un-ternehmen und führt zu einer Ausweitung der Menge möglicher Ansatzpunkte für konkrete Umweltschutzmassnahmen. Erst auf dieser Basis ist eine Diffusion des UMS möglich, die über die erste Phase des ökologischen Entwicklungsprozesses hinausgeht. Zweitens gehören zur Höherentwicklung kognitive Lernprozesse, die die ökologische Wissensbasis der Organisation und damit die Fähigkeit zum Er-kennen und Steuern von Umweltaspekten verändern. Fliessen drittens die Ergeb-nisse ökologischer Lernprozesse in die Gestaltung der Strukturen und Abläufe im Unternehmen ein, schlägt sich die Höherentwicklung in der effizienten und effekti-ven Umsetzung ökologischer Ziele nieder.

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Weiterentwicklung von UMS 63

Vorgehen in den Fallstudien Auf den hier vorgestellten Grundlagen basiert die empirische Untersuchung der Weiterentwicklung von UMS in den Fallstudienunternehmen. Die Erhebung hat zum Ziel, die faktischen Veränderungen und damit die Ergebnisse des KVP seit der Erst-zertifizierung zu erfassen und zu analysieren. Sie stützt sich im Wesentlichen auf die Analyse von Dokumenten und bezieht ergänzend die Ergebnisse problem-zentrierter Interviews mit ein. Die Weiterentwicklung des UMS wird anhand der in Tab. 6 zusammengefassten Kriterien nachgezeichnet.

Tab. 6: Kriterien der Weiterentwicklung des UMS Für die Diffusion in die Breite wird erhoben, ob und inwiefern der KVP nach der Erstzertifizierung zu einer Ausbreitung des UMS geführt hat bzw. wann welche Or-ganisationseinheiten systematisch in das UMS einbezogen worden sind. Die Diffu-sion in die Tiefe ermittelt die Entwicklung der vom UMS erfassten betriebsökologi-schen und produktökologischen Aspekte und Ansatzpunkte für Umweltleistungsver-besserungen seit der Erstzertifizierung. Darüber hinaus werden mitarbei-terbezogene UMS-Aktivitäten (Ausbildung, Anreizsysteme, etc.) und kommunikative Massnahmen des UMS erhoben. Die Analyse der Höherentwicklung erfolgt auf zwei Ebenen: Auf der ersten Ebene stellt sich die Frage, wie die vier wesentlichen soft factors Visionsfähigkeit, Innovationsfähigkeit, Motivation und Interaktion im jeweili-gen Unternehmen ausgeprägt sind und welche Rahmenbedingungen sich daraus für die Höherentwicklung des UMS ergeben. Die Analyse erfolgt unter Einbezug allgemeiner Aspekte der Unternehmensführung, des Unternehmensumfeldes und der kulturellen Verankerung des UMS im Unternehmen sowie hinsichtlich des Ein-flusses dieser Faktoren auf die UMS-Entwicklung. Auf der zweiten Ebene wird die Höherentwicklung bezüglich Veränderungen des ökologischen Bezugsrahmens, der ökologischen Wissensbasis und der Organisationsentwicklung erfasst und analy-siert. Als Leitlinien für die Diskussion der Höherentwicklung dienen die von Pfriem definierten beiden Phasen des ökologischen Entwicklungsprozesses mit der opera-tiven bzw. strategischen Verankerung des betrieblichen Umweltschutzes.

Höherentwicklung

Diffusion in die Tiefe

• Voraussetzungen der Höherentwicklung:Visionsfähigkeit, Motivation, Innovation, Interaktion

• Ergebnisse der Höherentwicklung hinsichtlich Ausweitung des ökologischen Bezugsrahmens, Entwicklung der ökologischen Wissensbasis sowie Strukturen und Abläufe.

• Betriebsökologie • Produktökologie • Mitarbeiter• Kommunikation

• Diffusion des UMS innerhalb der Organisation• Zertifikatstrategie

Diffusion in die Breite

Höherentwicklung

Diffusion in die Tiefe

• Voraussetzungen der Höherentwicklung:Visionsfähigkeit, Motivation, Innovation, Interaktion

• Ergebnisse der Höherentwicklung hinsichtlich Ausweitung des ökologischen Bezugsrahmens, Entwicklung der ökologischen Wissensbasis sowie Strukturen und Abläufe.

• Betriebsökologie • Produktökologie • Mitarbeiter• Kommunikation

• Diffusion des UMS innerhalb der Organisation• Zertifikatstrategie

Diffusion in die Breite

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4 Verbesserung der Umweltleistung

In der Verbesserung der Umweltleistung liegt die materielle Zielsetzung normierter Umweltmanagementsysteme. ISO 14001 definiert die Umweltleistung als „messbare Ergebnisse des UMS einer Organisation in Bezug auf die Beherrschung ihrer Um-weltaspekte“, ausgehend von der Umweltpolitik und den umweltbezogenen Ziel-setzungen und Einzelzielen.169 Im Zusammenhang mit dem KVP verlangt die Norm, dass diese Verbesserung insgesamt erfolgen soll: Ein Unternehmen muss die Um-weltleistung nicht in jedem Unternehmensbereich gleichgerichtet und in gleichem Mass verändern.170 Vielmehr liegt das Ziel des UMS darin, die gesamte, innerhalb der Systemgrenzen des UMS realisierte Umweltleistung positiv, das heisst in Rich-tung der von der Umweltpolitik vorgegebenen Ziele, zu beeinflussen. Faktisch heisst das, dass die Umweltleistung einzelner Unternehmensbereiche während einer Peri-ode stagnieren oder sich gar verschlechtern kann, solange dies durch Verbesse-rungen in der Gesamtheit der übrigen Unternehmensbereiche mehr als kompensiert wird.171

ISO 14001 verlangt zwar nicht explizit die Erhebung von Stoff- und Energie-strömen als Voraussetzung zum Zertifikatserhalt, die darin enthaltenen Informatio-nen geben jedoch eine wichtige Hilfestellung zur Unterscheidung bedeutender von weniger bedeutenden Umweltaspekten. Die revidierte Fassung der Norm (ISO 14001:2004) weist neu darauf hin, dass die Umweltanalyse auf der Input- und Out-putseite sowohl direkte als auch indirekte Umweltbelastungen erfassen sollte.172 Die so generierte ökologische Datenbasis ist als Entscheidungsgrundlage für die Festlegung von Umweltzielen und somit auch für das Controlling der UMS-Zielerrei-chung von grosser Bedeutung.

Bei der Datenerhebung selbst werden quantitative und qualitative Methoden unter-schieden, wobei die Norm keine spezifischen Vorgehensweisen und Standards vor-schreibt.173 Methodisch hat die Wissenschaft in den letzten Jahren eine Reihe von Vorgehensweisen zur Erfassung und Beurteilung von Veränderungen der Umwelt-leistung bereitgestellt (Ökobilanzierung, Stoffstromanalysen, etc.), die sich nun nach und nach auf Unternehmensebene etablieren. Im Zusammenhang mit dem KVP und der Umsetzung der Normforderungen sind darüber hinaus Ansätze notwendig, die 169

Vgl. ISO 14001:1996, Punkt 3.8. 170

Vgl. ISO 14001:1996, Punkt 3.1. Zum KVP-Begriff in ISO 14001 vgl. ausführlich Kapitel 2. 171

SNV (2002), S. 17, sowie Abschnitt 2.2 dieser Arbeit. 172

Der Wortlaut im Anhang zu ISO 14001 lautet dahingehend, dass „zusätzlich zu den Umweltaspekten, die eine Organisation direkt überwachen kann“ die Organisation auch Aspekte betrachten sollte, „die sie ledig-lich beeinflussen kann“ vgl. ISO 14001:2004, Anhang 3.1. Zu direkten und indirekten Umweltbelastungen vgl. zusätzlich Abschnitt 2.2.2. dieser Arbeit.

173 Stahlmann / Clausen beurteilen die damit einhergehende „Unschärfe“ als unbefriedigend, wenn zwischen-betriebliche Vergleiche der Umweltleistung vorgenommen werden sollen. Sie sehen darin eine Heraus-forderung für akkreditierte Umweltgutachter bei der Beurteilung der Effektivität von Umweltprogrammen. Vgl. STAHLMANN / CLAUSEN (2000), S. 24 f.

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Verbesserung der Umweltleistung 65

neben der (z.B.) prozess- oder produktbasierten Analyse auch die aggregierte Be-trachtung sowie die Zeitreihenbetrachtung der Umweltleistung von Unternehmen ermöglichen.

Die Ausführungen in diesem Kapitel folgen den generischen Schritten, die not-wendig sind, um die Verbesserung der Umweltleistung zu erfassen und zu qualifi-zieren: Erstens müssen Stoff- und Energieflussdaten gemessen werden, zweitens müssen diese mit den früheren Messdaten derselben Grösse verglichen werden, und drittens sind für die Beurteilung beobachteter Veränderungen geeignete Refe-renzwerte und Ziele erforderlich. Die entsprechenden konzeptionellen und metho-dischen Grundlagen werden in den Abschnitten 4.1 und 4.2 dargestellt und disku-tiert. Abschnitt 4.3 ist Problemen gewidmet, mit denen die Unternehmens- und Audi-tierungspraxis in der Messung und Beurteilung der Umweltleistung regelmässig kon-frontiert werden.

4.1 Messen und Darstellen der Umweltleistung

Für ein umfassendes Abbild der ökologischen Folgen unternehmerischen Tuns ist eine ganzheitliche Perspektive angezeigt, die nicht nur auf die (künstlich begrenzte) Sichtweise eines Unternehmensstandortes ausgerichtet ist, sondern auch wertket-tenübergreifende und produktlebenszyklus-orientierte Aspekte einbezieht. 174 Sollen spezifisch die ökologischen Konsequenzen unternehmerischer Tätigkeiten erfassbar werden, ist eine Einbettung der Unternehmung in ökologische Wirkungs-zusammenhänge notwendig und damit eine Perspektive, die die Unternehmung als ökologisches Subsystem begreift. Dabei stehen im Gegensatz zur traditionellen ökonomischen Betrachtung nicht monetär messbare Werte im Vordergrund, son-dern ökologische In- und Outputgrössen in Form von Stoff- und Energieströmen. Entsprechend gestaltet sich der Leistungserstellungsprozess aus ökologischer Per-spektive als Transformation von Umweltressourcen (Stoffe, Energie) in umweltrele-vante Produkte, Emissionen, Abfälle und Risiken175. Zudem wird der Analyse ökolo-gischer Stoff- und Energieströme das produktbezogene „Cradle-to-grave“-Kon-zept176 zugrunde gelegt.

Aufbauend auf diesen Grundmodellen sind verschiedene, in der wissenschaftlichen und betrieblichen Praxis verbreitete Konzepte zur Erfassung und Bewertung der Umweltleistung entstanden. Die nachfolgend vorgestellten quantitativen Erhebungs- und Bewertungskonzepte stellen nur eine Auswahl daraus dar. Sie ist im Hinblick auf die nachfolgende empirische Untersuchung auf jene Ansätze ausgerichtet, die in der Schweiz von unternehmenspraktischer Bedeutung sind. Für eine umfassende

174

Vgl. CADUFF (1998), S. 29. 175

Vgl. DYLLICK (1992), S. 400 f. Vgl. auch Abschnitt 6.1.1 dieser Arbeit. 176

Im Cradle-to-grave-Konzept werden Produkte modellhaft so betrachtet, als ob sie einen Lebensweg „von der Wiege bis zur Bahre“ bzw. von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung, Wiederverwendung oder -verwertung durchlaufen würden.

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66 Verbesserung der Umweltleistung

Vorstellung weiterer Konzepte sowie für die detaillierte Diskussion von Vor- und Nachteilen wird auf die umfangreiche Literatur verwiesen.177

4.1.1 Erfassungskonzepte Die Erfassung der Umweltleistung von Unternehmen ist die wertfreie Beschreibung der ökologischen Wirkungen von betrieblichen Prozessen und Produkten. Erfas-sungskonzepte unterscheiden sich daher deutlich von Kennzahlen zur Bewertung von Umweltwirkungen, wie sie im nachfolgenden Abschnitt (4.1.2) vorgestellt wer-den. Sie stellen die Daten zur Verfügung, auf deren Grundlage die relevanten Stoff- und Energieströme aus ökologischer Perspektive bewertet werden können.178

● Lebenszyklusanalyse / Life Cycle Assessment (LCA) Die ökologische Lebenszyklusanalyse von Produkten beschreibt die Umweltwirkun-gen eines Produktes entlang der einzelnen Stadien des Produktlebenszyklus (PLZ) und ist damit eine direkte Interpretation des „Cradle-to-grave“-Konzepts. Sie wurde 1969 erstmals von Coca-Cola verwendet, um die Energieeffizienz von Getränkever-packungen zu vergleichen. 179 Die ISO 14000-Normenreihe widmet der LCA als Grundlage für die produkt- bzw. produktsystemorientierte Ökobilanzierung mit der ISO 14040 eine eigene Norm. Die LCA wird darin wird als „Zusammenstellung der In- und Outputflüsse und der damit verbundenen Umweltwirkungen eines Produkt-systems im Verlaufe seiner Lebensphasen, also von der Rohmaterialgewinnung über die Herstellung und Nutzung bis hin zur Entsorgung“ definiert.180

Die Vorgehensweise der LCA-Methode kann in mehrere Phasen unterteilt wer-den.181 Dazu gehören die Festlegung der Ziele und des Untersuchungsrahmens der Erhebung, die Sachbilanz, die Wirkungsabschätzung und die Auswertung. Die Defi-nition der Zielsetzungen und der Systemgrenzen bzw. des Untersuchungsrahmens entscheiden darüber, welche Aspekte oder Ausschnitte entlang des PLZ in die Un-tersuchung der Stoff- und Energieströme einfliessen und welche nicht. Die LCA kann somit auf einen begrenzten Ausschnitt des PLZ angewendet werden, oder aber auf eine bestimmte Art von Umweltauswirkungen.182 Als Sachbilanz wird die Datensammlung sowie die Allokation und Aggregation von Input- und Outputströ-men bezeichnet. Sie bilanziert die Stoff- und Energieflüsse, die sich zwischen der Umwelt und den definierten Phasen des PLZ abspielen (vgl. dazu das Schema in Abb. 16). Die Folgen dieser Ströme auf die ökologische Umwelt werden im Rahmen 177

Eine ausführliche Darstellung von Konzepten und Methoden der Umweltleistungsmessung bietet STURM (2000). Vgl. darüber hinaus neben zahlreichen weiteren Quellen: SCHALTEGGER / STURM (1992; 1995), WICKE / HAASIS / SCHAFHAUSEN (1992), BRAUNSCHWEIG / MÜLLER-WENK (1993), MEFFERT / KIRCHGEORG (1993), STAHLMANN (1994), GOEDKOOP (1995; 2000), KERSCHBAUMAYR / ALBER (1996), BUWAL (1998), ÖBU (1998),

178 Vgl. CADUFF (1998), S. 33.

179 Vgl. KUCKSHINRICHS / HÜTTNER (2001), S. 91.

180 Vgl. ISO 14040, S. 4.

181 Vgl. zum Folgenden: CADUFF (1998), S. 19 f.

182 In der Unternehmenspraxis werden z.B. PLZ-Phasen wie die Gewinnung der Rohstoffe oder der Energie für die Produktionsprozesse oft ausgeblendet.

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Verbesserung der Umweltleistung 67

der Wirkungsabschätzung beurteilt.183 Auf der Grundlage dieser Ergebnisse sowie unter Berücksichtigung LCA-externer Faktoren wie ökonomischen oder sozialen Überlegungen können schliesslich Sachentscheidungen getroffen werden, die dar-auf abzielen, im Rahmen der umweltpolitischen Ziele eine Verbesserung der Um-weltleistung in Gang zu setzen.184

Abb. 16: Schema zur ökologischen Produktanalyse185

● Environmental Performance Evaluation (EPE) Ähnlich wie die LCA ist EPE eine von der ISO vorgeschlagene, nicht zertifizierbare Methodik, die „entwickelt wurde, um dem Management auf kontinuierlicher Basis verlässliche und überprüfbare Informationen darüber zur Verfügung zu stellen, ob die Umweltleistung einer Organisation die vom Management der Organisation fest-gelegten Kriterien erfüllt“186. Sie wurde 1999 als ISO-Norm 14031 publiziert. Die EPE betrachtet die Umweltleistung im Einflussbereich der Organisation und be-schreibt den Vorgang des zielgerichteten und den Bedürfnissen des Umwelt-managements entsprechenden Erfassens, Aufbereitens, Beurteilens und Kom-munizierens der Umweltleistung.187

183

Vgl. Abschnitt 4.1.2. 184

Ein Beispiel für eine produktbezogene LCA ist der ökologische Vergleich von Verpackungsalternativen für Milchprodukte (z.B. Tetra-Pack, Schlauchbeutel, PET-Flasche). Für die Entscheidungsfindung, welche der Verpackungsvarianten letztlich verwendet werden soll, spielen neben ökologischen Aspekten aber auch As-pekte der technischen Machbarkeit, der Marktakzeptanz und Kostenüberlegungen eine Rolle.

185 In Anlehnung an: DYLLICK (1992), S. 409. Nicht gesondert erwähnt sind hier Transporte, die zwischen und innerhalb jeder Phase eine Rolle spielen können.

186 ISO 14031:1999, S. 3.

187 Vgl. ISO 14031:1999, Punkt 3.9.

Auswirkungen auf Ökosysteme

Verbrauch nat. Ressourcen

Energieverbrauch

Luftbelastung

Wasserbelastung

Bodenbelastung

Abfallaufkommen

Rec

yclin

g E

ntso

rgun

g

Verw

en-

dung

Vertr

ieb,

Ve

rpac

kung

Prod

uktio

n

Roh

stof

fe

und

Prod

.-V

orst

ufen

Lebenszyklus-Phasen

Umweltaspekte

Auswirkungen auf Ökosysteme

Verbrauch nat. Ressourcen

Energieverbrauch

Luftbelastung

Wasserbelastung

Bodenbelastung

Abfallaufkommen

Rec

yclin

g E

ntso

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Verw

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dung

Vertr

ieb,

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Prod

uktio

n

Roh

stof

fe

und

Prod

.-V

orst

ufen

Lebenszyklus-Phasen

Umweltaspekte

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68 Verbesserung der Umweltleistung

Kern der EPE ist die Systematisierung, Erfassung und Beschreibung der Umwelt-leistung von Unternehmen mittels Indikatoren. Dazu werden Umweltleistungskenn-zahlen und Umweltzustandskennzahlen unterschieden. Die Umweltleistungskenn-zahlen werden wiederum in Managementleistungskennzahlen und operative Leis-tungskennzahlen unterteilt. Daraus ergeben sich drei Kategorien ökologischer Kennzahlen:188

• Managementleistungskennzahlen (Management Performance Indicators MPI): Sie geben Auskunft über die umweltbezogenen Leistungen und Anstrengungen des Managements zur Erreichung der Umweltziele der Organisation. Ansatz-punkte von MPIs sind z.B. Schulungstätigkeiten, interne Audits, Zielerreichungs-grad, Berichterstattung, etc.

• Operative Leistungskennzahlen (Operational performance Indicators OPI): Das Operative System der Organisation umfasst die physischen Anlagen, Ausrüstun-gen und Infrastrukturen sowie deren Betrieb. OPIs sind Ausdruck der ökolo-gischen Effizienz und Effektivität einzelner Prozesse, die innerhalb des operati-ven Systems ablaufen. Ansatzpunkte von OPIs sind der Energieverbrauch zur Produktherstellung, der Materialeinsatz, das Abfallaufkommen oder Störfälle und Risiken.

Umweltzustandskennzahlen (Environmental Condition Indicators ECI): Sie stellen Informationen über den Zustand der lokalen, regionalen oder globalen Umwelt dar. Sie sind somit ein wichtiger Anhaltspunkt für den ökologischen Zielfindungsprozess der Organisation. ISO 14031 weist explizit darauf hin, dass ECIs nicht unbedingt von den Unternehmen selbst entwickelt werden müssen. In der Regel können sie sich hierzu auf Umweltzustandsindikatoren beziehen, die von anderen, z.B. staatli-chen oder wissenschaftlichen, Institutionen erhoben werden.189

Die drei Kategorien von Indikatoren stehen in enger Beziehung zueinander.190 Die Zusammenhänge sind in Abb. 17 auf Basis des PDCA-Zyklus dargestellt. Demnach wirken sich die Anstrengungen des Managements zur Erreichung der Umweltziele – gemessen mit Managementleistungskennzahlen – auf die operative Leistungser-stellung aus, die letztlich für die betriebliche Umweltleistung der Organisation ver-antwortlich ist (messbar mit operativen Leistungskennzahlen) Dies gilt auch über die juristischen Unternehmensgrenzen hinweg und somit für direkt wie für indirekt wirkende Umweltaspekte. Die (absolute) Umweltleistung wirkt sich wiederum auf den Umweltzustand aus, der über die Umweltzustandskennzahlen erfasst wird. Im Rahmen der Umweltanalyse, die als integraler Bestandteil des Führungskreislaufs von UMS den Ausgangspunkt für die Umweltzielsetzung bildet, fliessen Verände-rungen des Umweltzustandes erneut in die Festlegung von Umweltschutzmass-nahmen ein.

188

Vgl. SEIFERT (1998), S. 92 f. sowie CADUFF (1998), S. 17 f. 189

ISO 14031:1999, S. 17. Vgl. auch STAHLMANN / CLAUSEN (2001), S. 22 f. 190

Vgl. CADUFF (1998), S. 18.

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Verbesserung der Umweltleistung 69

Abb. 17: Die Kennzahlenkategorien der EPE in ihrem Wirkungszusammenhang191

4.1.2 Bewertungskonzepte Bewertungskonzepte dienen der Bewertung der Umweltwirkungen von Stoff- und Energieströmen. Mit ihrer Hilfe können die Auswirkungen von Prozessen und Pro-dukten aus ökologischer Sicht beurteilt werden. Bewertende Kennzahlen enthalten somit Wertvorstellungen, die eine spezifische subjektive Sichtweise ökologischer Zusammenhänge mit einschliessen, indem sie „Methoden zum Vergleichen und Ge-wichten“ verschiedener Grössen der Stoff- und Energieflussanalyse „im Hinblick auf bestimmte (gesellschaftspolitische) Zielsetzungen“ anwenden192.

● Materialintensität Der Begriff der Materialintensität wurde am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie in Deutschland geprägt.193 Das darauf aufbauende MIPS-Konzept (Materi-alintensität pro Serviceeinheit) fand durch die Veröffentlichungen von Schmidt-Bleek weite Verbreitung. MIPS ist ein Indikator für den Umweltverbrauch, bezogen auf den Gebrauch von Produkten und Dienstleistungen. MIPS drückt aus, welche Mengen

191

In Anlehnung an: SNV (2002), S. 8. 192

Vgl. HABERSATTER (1994), S. 112. 193

Vgl. zum Folgenden: SCHMIDT-BLEEK (1993), sowie KUCKSHINRICHS / HÜTTNER (2001), S. 91.

Unternehmung

Direkt wirkende UmweltaspekteIndirekt wirkendeUmwelt-aspekte

Indirekt wirkendeUmwelt-aspekteOperative Leistungskennzahlen (OPI)

Umweltaspekte

UMS

Um

wel

taus

wirk

ung

Umwelt

Umwelt

leist

ung

Managementleistungs-kennzahlen (MPI)

Umweltzustands-kennzahlen (ECI)

Plan

DoCheck

Act

Unternehmung

Direkt wirkende UmweltaspekteIndirekt wirkendeUmwelt-aspekte

Indirekt wirkendeUmwelt-aspekte

Direkt wirkende UmweltaspekteIndirekt wirkendeUmwelt-aspekte

Indirekt wirkendeUmwelt-aspekteOperative Leistungskennzahlen (OPI)

UmweltaspekteUmweltaspekte

UMSUMS

Um

wel

taus

wirk

ung

UmweltUmwelt

Umwelt

leist

ung

Managementleistungs-kennzahlen (MPI)

Umweltzustands-kennzahlen (ECI)

Plan

DoCheck

Act

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70 Verbesserung der Umweltleistung

Stoff für die Produktion einer Serviceeinheit benötigt werden. Dabei wird konzeptio-nell zwischen den eingesetzten Materialien und der Materialintensität der eingesetz-ten Materialen und Energien unterschieden. Hingegen wird keine Differenzierung der eingesetzten Stoffe in Bezug auf deren Umweltbelastung oder auf deren Ver-fügbarkeit vorgenommen. Damit ist das MIPS-Konzept vielmehr auf eine generelle Reduktion der Materialintensität ausgerichtet als auf die gezielte Verringerung von spezifischen Umweltbelastungsarten z.B. durch toxische oder klimarelevante Ver-bindungen. Beispiel: Der MIPS-Indikator für ein Kilogramm Aluminium setzt sich zusammen aus x Kilogramm Bauxit als Ausgangsmaterial, y Kilogramm Wasser für den Gewinnungsprozess, z Kilogramm Kohle für die Energieproduktion etc. Die Summe, ausgedrückt in Einheitstonnen, wird auf die Anzahl Benutzungen und die Anzahl Benutzer bezogen. Kann ein Aluminium-Produkt für eine grosse Anzahl Per-sonen viele Serviceeinheiten leisten (z.B. die Fahrgastzelle eines öffentlichen Ver-kehrsmittels), so kann der MIPS-Wert trotz grösserem absolutem Materialverbrauch geringer sein als bei einem Produkt, das nur einmal und durch eine Einzelperson genutzt werden kann, wie dies z.B. bei einer Aluminium-Getränkedose der Fall ist. Diese materielle „Vorbelastung“ von Inputstoffen wird auch als ökologischer Ruck-sack bezeichnet.

● Wirkungsorientierte Klassifikation des Centrums voor Milieukunde/Leiden (CML) Die wirkungsorientierte Klassifikation, bekannt vor allem als CML-Methode, ist eine insbesondere in Europa breit akzeptierte Methode für ökologische Bewertungen auf der Basis von PLZ-Analysen.194 Ausgangspunkt der CML-Bewertung ist – ähnlich wie die Serviceeinheit des MIPS-Konzepts – die funktionale Einheit eines Produk-tes, z.B. ein Personentransportkilometer, die Erzeugung von Licht der Stärke 10’000 Lux für eine Stunde, die Verpackung eines Liters Milch, der Farbanstrich eines Quadratmeters Wandfläche in einer bestimmten Schichtdicke und mit einer definier-ten Haltbarkeit, usw. Die für die Bereitstellung einer funktionalen Einheit ausgelös-ten Strom- und Energieflüsse werden über den gesamten PLZ hinweg erfasst und in Form physikalischer Grössen in einer Inventar-Tabelle (Inventory Table) zusam-mengefasst.

Nach der Erfassung der Energie- und Stoffflüsse erfolgt eine Zuordnung der Inven-tardaten zu einer Auswahl von 14 wissenschaftlich als wichtig anerkannten Umwelt-problemen (vgl. Tab. 7). Dazu werden mit Hilfe von Klassifikationsfaktoren (Classi-fication Factors) die Umwelteinwirkungen (Environmental Effects) der einzelnen Umweltprobleme ermittelt und als Indexwert (Effect Score) ausgedrückt.195

194

Für eine ausführliche Beschreibung der CML-Methode vgl. HEIJUNGS ET AL. (1992a). 195

Z.B. wird der Verbrauch abiotischer Ressourcen berechnet, indem die verbrauchten Mengen eines Roh-materials (z.B. Stahl) mit den global vorhandenen Reserven dieses Rohmaterials verglichen werden. Da-durch entsteht ein dimensionsloser Ausdruck für den Verbrauch abiotischer Ressourcen:

abiotic depletion = ∑i [{material usei (kg)} / {reservesi (kg)}]

Zur wissenschaftlichen Herleitung der Indexwerte vgl.: HEIJUNGS ET AL. (1992b), S. 69 f., sowie zu einer Dis-kussion dazu: MÜLLER-WENK (1994), S. 23 f.

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Verbesserung der Umweltleistung 71

Die nächsten Schritte der CML-Methode sehen eine Aggregierung der einzelnen In-dexwerte zu einem Gesamtwert sowie die anschliessende Einleitung von ökologi-schen Verbesserungsmassnahmen vor. Dazu ist die Gewichtung der verschiedenar-tigen Umweltwirkungen notwendig, was nicht ohne die Verwendung sozialer Werte möglich ist.196

Tab. 7: Die 14 Kategorien von Umwelteinwirkungen nach CML und die

dazugehörigen Indexwerte und -Einheiten197

● Ökobilanzen für Unternehmen und Konzept der ökologischen Knappheit Die Ökobilanzierung für Unternehmen geht auf Arbeiten von Braunschweig und Mül-ler-Wenk zurück, deren Grundzüge bereits 1978 rege Diskussionen in Wissenschaft und Praxis ausgelöst haben.198,199 Mittlerweile ist sie zu einer der am weitesten ver-breiteten Methoden in Schweizer Unternehmen geworden. Das Modell zur Erfas-sung der Stoff- und Energieflüsse unterscheidet zwischen einer Kernbilanz und ei-ner Komplementärbilanz. Die Kernbilanz entspricht im Wesen der Konzeption der EPE und fasst die direkt im Unternehmen anfallenden Umwelteinwirkungen zu-sammen (direkte Umweltaspekte). In der Komplementärbilanz werden die indirekten Umwelteinwirkungen erhoben, die durch die Unternehmung ausgelöst, aber durch rechtlich getrennte Unternehmungen und andere Akteure auf den Vor- und Nachstu-fen des Wertschöpfungsprozesses und des Produktlebenszyklus’ verursacht wer-den.

196

Vgl. dazu HEIJUNGS ET AL. (1992b), S. 53. 197

In Anlehnung an HEIJUNGS ET AL (1992b), S. 43 198

Vgl. MÜLLER-WENK (1978), BRAUNSCHWEIG / MÜLLER-WENK (1993). Vgl. zur Methodik auch: BUWAL (1998). 199

Die Ökobilanzierung wird im deutschsprachigen Raum – fälschlicherweise – auch als ‚öbu-Methode“ be-zeichnet (öbu: Schweizerische Vereinigung für ökologisch bewusste Unternehmensführung), was auf die Publikation der Methode in einer Schriftenreihe der öbu zurückgeht. (ÖBU, 1992)

Oxidant Formation: kg

Aquatic Ecotoxicity: m3

Terrestrial Ecotoxicity: kg

Human Toxicity: kg

Ozone Depletion: kg

Greenhouse Effect: kg

Biotic Depletion: Yr-1

Abiotic Depletion: -

Indexwert/Einheit(Effect Score/Unit)

Tote und Kranke als Folge des Wirtschaftsprozesses

Zerstörung von Ökosys-temen und denatu-rierende Landbean-spruchung

Lärm

Gerüche

Abwärme in Oberflächengewässer

Überdüngung

Versauerung

(./.) Umwelteinwirkung

Victims: -Photooxidation

Damage: m2*sÖkotoxizität

Noise: Pa2*sHumantoxizität

Malodorous Air: m3Zerstörung der Ozonschicht

Aquatic Heat: kgTreibhauseffekt

Nutrification: kgVerbrauch biotischerRessourcen

Acidification: kgVerbrauch abiotischerRessourcen

(./.)Indexwert/Einheit

Umwelteinwirkung(Environm. Effect)

Oxidant Formation: kg

Aquatic Ecotoxicity: m3

Terrestrial Ecotoxicity: kg

Human Toxicity: kg

Ozone Depletion: kg

Greenhouse Effect: kg

Biotic Depletion: Yr-1

Abiotic Depletion: -

Indexwert/Einheit(Effect Score/Unit)

Tote und Kranke als Folge des Wirtschaftsprozesses

Zerstörung von Ökosys-temen und denatu-rierende Landbean-spruchung

Lärm

Gerüche

Abwärme in Oberflächengewässer

Überdüngung

Versauerung

(./.) Umwelteinwirkung

Victims: -Photooxidation

Damage: m2*sÖkotoxizität

Noise: Pa2*sHumantoxizität

Malodorous Air: m3Zerstörung der Ozonschicht

Aquatic Heat: kgTreibhauseffekt

Nutrification: kgVerbrauch biotischerRessourcen

Acidification: kgVerbrauch abiotischerRessourcen

(./.)Indexwert/Einheit

Umwelteinwirkung(Environm. Effect)

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72 Verbesserung der Umweltleistung

Die Wirkungsbilanz zur Bewertung von Umweltbelastungen orientiert sich am sog. Konzept der ökologischen Knappheit. Es geht davon aus, dass für die Entnahme von Ressourcen und die Deposition von Abfällen und Emissionen knappe Kapazitä-ten der Natur beansprucht werden. Die Methode besagt, dass für einen bestimmten geographischen Raum und eine bestimmte Umwelteinwirkung ein kritischer Fluss bestimmt werden kann, bei dem die natürliche Umwelt gerade noch nicht geschä-digt wird. Je höher der Ist-Fluss einer Umwelteinwirkung im Vergleich zum kritischen Fluss liegt, desto schädlicher ist diese Umwelteinwirkung zu bewerten (desto knap-per ist die Aufnahmefähigkeit der Umwelt für diese Belastung). Die als Ökofaktoren (ÖF) bezeichneten Gewichtungsfaktoren für die in der Sachbilanz erhobenen Emis-sionen werden wie folgt berechnet:

ÖFStoff xy = 1/Fkrit * FIst/Fkrit

Das zweite Glied der Multiplikation ist Ausdruck der ökologischen Knappheit des Stoffs XY: Je höher der Ist-Fluss (Fist) im Vergleich zum kritischen Fluss (Fkrit) ist, desto höher fällt der Gewichtungsfaktor und damit die Bewertung des betreffenden Stoffes aus. Das erste Glied ist ein Korrekturfaktor, der die absolute Höhe des Stoff-flusses von XY mit einbezieht. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass im Ver-gleich zweier Umwelteinwirkungen mit gleichem Fist/Fkrit-Verhältnis eine konkrete Emission umso belastender ist, je grösser diese Emission im Vergleich zu Fkrit ist. Die Ökofaktoren werden mit den physischen Grössen der Sachbilanz multipliziert und führen so zu Umweltbelastungspunkten (UBP). Diese sind über alle Stoff- und Energieflusspositionen der Sachbilanz aggregierbar, wie das Beispiel in Abb. 18 zeigt.

Abb. 18: Beispielhafte Berechnung von Umweltbelastungspunkten

Sachbilanz Ökofaktoren Umweltbelastung

1000 kg CO2

1000 kg CH4

36 UBP/kg CO2

2100 UBP/kg CH4

36‘000 UBP

2‘100‘000 UBP

Totalbelastung absolut: 2‘136‘000 UBP

Totalbelastung relativ: (je Produkteinheit (PE) bei 1‘000 PE)

2136 UBP

Sachbilanz Ökofaktoren Umweltbelastung

1000 kg CO2

1000 kg CH4

36 UBP/kg CO2

2100 UBP/kg CH4

36‘000 UBP

2‘100‘000 UBP

Totalbelastung absolut: 2‘136‘000 UBP

Totalbelastung relativ: (je Produkteinheit (PE) bei 1‘000 PE)

2136 UBP

Sachbilanz Ökofaktoren Umweltbelastung

1000 kg CO2

1000 kg CH4

36 UBP/kg CO2

2100 UBP/kg CH4

36‘000 UBP

2‘100‘000 UBP

Totalbelastung absolut: 2‘136‘000 UBP

Totalbelastung relativ: (je Produkteinheit (PE) bei 1‘000 PE)

2136 UBP

Totalbelastung absolut: 2‘136‘000 UBP

Totalbelastung relativ: (je Produkteinheit (PE) bei 1‘000 PE)

2136 UBP

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Verbesserung der Umweltleistung 73

Die Berechnung von UBPs wird mittlerweile von vielen Unternehmen in der Schweiz bevorzugt, um einerseits einen einfach handhabbaren und vielseitig verwendbaren Ausdruck der Umweltleistung zu generieren und andererseits den direkten Vergleich von Umweltleistungsdaten in Vorperioden oder mit anderen Unternehmen (Bench-marking) zu ermöglichen. Die Reduktion der Umweltleistung bzw. der Umweltbe-lastung auf eine oder wenige Zahlen trägt hingegen der Komplexität ökologischer Beziehungen zwischen Unternehmung und Umwelt nicht genügend Rechnung. Um-weltbelastungspunkte sind eine abstrakte, nur für Spezialisten transparente Grösse, die in der Praxis hochaggregiert verwendet und kommuniziert wird. Vergleiche, ob von Prozessen oder Produkten, sind zudem nur dann möglich, wenn die UBP auch Vergleichbares messen. Die Vergleichbarkeit wird durch den geographischen Be-zug200 der Ökofaktoren, die zur Berechnung der UBP verwendet werden, sowie durch die Veränderung der Ökofaktoren über die Zeit weiter eingeschränkt.

4.2 Beurteilen von Umweltleistungs-Veränderungen

Die Vielfalt der Konzepte und Methoden zur Messung, Darstellung und Beurteilung der Umweltleistung, von denen im vorangegangenen Abschnitt nur die wichtigsten Ansätze vorgestellt wurden, widerspiegeln die Komplexität der Teilaufgabe von UMS, im Rahmen des Controllings die Ergebnisse von Umweltschutzmassnahmen sichtbar zu machen. Im Lichte der KVP-Forderung ist neben der IST-Aufnahme zu-sätzlich der Vergleich der aktuell gemessenen Umweltleistung mit dem Niveau frü-herer Messungen erforderlich. Grundvoraussetzung dazu ist zunächst die faktische Vergleichbarkeit von Leistungsdaten und Kennzahlen in folgenden Aspekten:

• Vergleichbarkeit der Datenqualität: Daten sind dann vergleichbar, wenn sie mit Hilfe derselben Mess- oder Schätzmethode erhoben worden sind (z.B. Energie-verbrauchsmessung mit Stromzähler).

• Gleiche Systemgrenzen: Die zu vergleichenden Daten müssen sich auf dieselbe Anlage beziehen oder denselben Ausschnitt eines Prozesses abbilden (z.B. Energiemessung für eine Werkhalle mit / ohne Prozessenergie).

• Vergleichbare Bezugsgrössen: Relative Verbrauchsdaten beziehen eine absolu-te Verbrauchs- oder Emissionsmenge auf dieselbe Leistungsgrösse. Die Leis-tungsgrösse kann z.B. auf der Basis von Produkten, Serviceeinheiten (funk-tionalen Einheiten) oder monetären Grössen ermittelt werden (z.B. bezieht sich der Energieverbrauch einer Produktionsanlage auf die Anzahl der produzierten Einheiten, auf die Anzahl der verkauften Einheiten, auf eine produktinhärente Nutzeneinheit oder auf eine Grösse, die die eigene Wertschöpfung ausdrückt).

• Gleiche Masseinheit: Die Daten werden in derselben Masseinheit ausgedrückt (z.B. Wasserverbrauch in Liter oder Kubikmeter).

200

Vgl. z.B. die österreichische Adaption der Ökobilanzierungs-Methode in: BMUJF (1998; 1999).

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74 Verbesserung der Umweltleistung

Referenzgrössen Die Vergleichbarkeit von Messdaten ist die Grundvoraussetzung, um Veränderun-gen über eine Zeitreihe hinweg sichtbar zu machen. Die Veränderung von Daten gibt per se hingegen noch keine Auskunft über die Qualität oder die Richtung einer Veränderung. „Verbessern“ entspricht nach deutschem Sprachgebrauch einem Vorgang, bei dem etwas „durch Veränderung besser gemacht“ bzw. „auf einen bes-seren Stand gebracht“ wird.201 Ähnlich lautet die Definition von Websters New Col-legiate Dictionary zum englischen Pendant „improvement“, das auch ISO 14001 verwendet: „Bring nearer to some standard“.202 Verbesserungen sind ergo eine Ver-änderung in eine gewünschte Richtung, die Entwicklung im Sinne eines Fort-schritts, um ein höheres Leistungs-, Verhaltens- oder Complianceniveau zu errei-chen. Soll demnach die Veränderung von Umweltleistungsdaten zwischen ver-schiedenen Zeiträumen dahingehend qualifiziert werden können, ob sie eine „Ver-änderungen zum Guten“, eine Stagnationsphase oder eher einen Rückschritt dar-stellt, ist die Festlegung einer Referenzgrösse notwendig, an welcher die Verände-rung beurteilt werden kann.

ISO 14000f. vermittelt auch in dieser Frage kaum Anhaltspunkte. Implizit findet sich in ISO 14001:1996, Definition 3.8 (Umweltorientierte Leistung) in Verbindung mit Definition 3.1 (Kontinuierliche Verbesserung) die Verknüpfung von Verbesserungen der Umweltleistung mit der betrieblichen Umweltpolitik.203 Demnach orientiert sich die Beurteilung der Umweltleistung und deren Veränderung an denjenigen Zielen, die die Organisation in ihrer Umweltpolitik festgehalten hat.204 Die von der Norm an-gesprochene Beherrschung der Umweltaspekte im Hinblick auf die umweltpo-litischen Zielsetzungen der Organisation wird dabei zum Dreh- und Angelpunkt zwi-schen UMS und Umweltleistung.

Ein weiterer Anhaltspunkt für die Beurteilung von Veränderungen der Umwelt-leistung kann aus der Forderung der Rechtskonformität in Verbindung mit der Grundforderung der freiwilligen Umweltleistungs-Verbesserung hergeleitet werden: Das Entwicklungsinteresse aus der Legal-Compliance-Perspektive ergibt sich aus dem Unterschied zwischen dem tatsächlichen und dem aufgrund der aktuellen Ge-setzeslage zwingend zu realisierenden Umweltschutz-Niveau.205 Hier sind verschie-dene Interpretationsmöglichkeiten denkbar. Wird der Unterschied zwischen dem erreichten und dem gesetzlichen Umweltleistungsniveau im Zeitablauf grösser, liegt eine Verbesserung der Umweltleistung vor – wird er geringer, kann dies als Ver-schlechterung der (freiwilligen) Umweltleistung gewertet werden. Eine strenge Aus-legung würde gar auch dann von einer Verschlechterung ausgehen, wenn sich die tatsächliche Umweltleistung verbessert hat, das gesetzliche geforderte Umweltleis-

201

Vgl. DUDEN (1999). 202

WEBSTER (1974), S. 578. 203

Zum Begriffssystem der ISO 14001 im Zusammenhang mit dem KVP vgl. Kapitel 2.2. 204

Vgl. auch: STURM (2000), S. 166. 205

Ähnlich: STURM (2000), S. 166.

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Verbesserung der Umweltleistung 75

tungsniveau aber gleichzeitig relativ stärker angehoben wurde. Grundsätzlich sollte die Zielsetzung für die Umweltleistung zumindest darin liegen, den Anteil der frei-willig erbrachten Umweltleistung mindestens beizubehalten, auch wenn die gesetzli-chen Vorgaben verschärft werden.

Über diese formalen, programmatischen Referenzgrössen hinaus lassen sich weite-re Ansätze zur Beurteilung von Umweltleistungsveränderungen heranziehen. Tab. 8 systematisiert dazu stakeholderbezogene, umweltzustandsbezogene und wirtschaft-lich-technologische Perspektiven, wobei nicht in allen Fällen klare Abgrenzungen möglich sind.

Tab. 8: Referenzgrössen zur Beurteilung von Umweltleistungsverbesserungen

Stakeholderbezogene Referenzgrössen ergeben sich durch den Vergleich des aktuellen Leistungsniveaus mit den Forderungen interner oder externer Anspruchs-gruppen. Werden diese in einer Beobachtungsperiode besser erfüllt als in einer vor-angegangenen, liegt eine Verbesserung vor. Dies gilt z.B. im Zusammenhang mit Reklamationen von Anwohnern aufgrund von Lärm- oder Geruchsbelästigungen oder bei Forderungen von Mitarbeitern zur Verbesserung der Atemluftqualität in den Werkhallen. Eine bedeutsame Rolle in der Ableitung von Referenzgrössen spielen überdies staatliche oder globale umweltpolitische Prioritäten und Forderungen (vgl. dazu die Ausführungen zu „ökologischen Referenzgrössen“).

• Lokaler, regionaler, nationaler, globaler Umweltzustand (z.B. durch Agenda-21-Prozesse festgelegte Umweltziele)

• Grundregeln der ökologischen Nachhaltigkeit

Ökologische Referenzgrössen

• Unternehmensbasiert: Umweltleistung anderer Unternehmen mit vergleichbaren Prozessen und Produkten

• Leistungsbasiert: Umweltbelastung ökologisch optimierter Marktlösungen (z.B. die ökologische Effizienz von Distributionskonzepten)

• Technologiebasiert: Ökologische Effizienz von Leistungserstellungsprozessen

Benchmarking-Referenzgrössen

• Direkte Forderungen an die Unternehmung (z.B. von Anwohnern)• Allgemein an die Wirtschaft oder Branche gerichtete Forderungen (z.B. über

Umweltverbände)• Umweltpolitische Prioritäten aller Ebenen

Stakeholderbasierte Referenzgrössen

• Beherrschung der Umweltaspekte• Niveau der gesetzlich geforderten Umweltleistung

Normbasierte Referenzgrössen

• Lokaler, regionaler, nationaler, globaler Umweltzustand (z.B. durch Agenda-21-Prozesse festgelegte Umweltziele)

• Grundregeln der ökologischen Nachhaltigkeit

Ökologische Referenzgrössen

• Unternehmensbasiert: Umweltleistung anderer Unternehmen mit vergleichbaren Prozessen und Produkten

• Leistungsbasiert: Umweltbelastung ökologisch optimierter Marktlösungen (z.B. die ökologische Effizienz von Distributionskonzepten)

• Technologiebasiert: Ökologische Effizienz von Leistungserstellungsprozessen

Benchmarking-Referenzgrössen

• Direkte Forderungen an die Unternehmung (z.B. von Anwohnern)• Allgemein an die Wirtschaft oder Branche gerichtete Forderungen (z.B. über

Umweltverbände)• Umweltpolitische Prioritäten aller Ebenen

Stakeholderbasierte Referenzgrössen

• Beherrschung der Umweltaspekte• Niveau der gesetzlich geforderten Umweltleistung

Normbasierte Referenzgrössen

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76 Verbesserung der Umweltleistung

Unter dem Sammelbegriff ökologisches Benchmarking wird i.d.R. das Beurteilen des eigenen Umweltleistungsniveaus anhand von spezifischen Umweltleistungs-daten vergleichbarer Unternehmen verstanden. Als ökologische Zielsetzung streben z.B. einzelne Unternehmen in einem bestimmten Bereich den Status „Best in Class“ ihrer Branche an. Denkbar ist aber auch die Evaluation der eigenen Situation auf-grund einer Technologieanalyse: Die aktuellen technischen und technologischen Möglichkeiten zur Realisierung von Tätigkeiten und Produkten werden aufgrund ökologischer Kriterien analysiert und mit den aktuell genutzten Infrastrukturen, Ver-fahren und Lösungen verglichen.206 So kann z.B. der technisch mögliche (und wirt-schaftlich tragbare) minimale Energieverbrauch für einen bestimmten Produktions-schritt als Referenzgrösse herangezogen werden, um die (relative) Umweltbelas-tung durch die tatsächliche Produktionsweise zum Beobachtungszeitpunkt zu beur-teilen. Benchmarking ist aber auch im Produktbereich ein wichtiger Beurteilungs-sansatz. Dabei geht es neben dem materiellen ökologischen Vergleich von Produk-ten insbesondere um den Vergleich von Marktlösungen zur Bedürfnis-befriedigung.207 Das Bedürfnis nach Mobilität kann z.B. sowohl mittels öffentlicher Verkehrsmittel als auch durch den Einsatz motorisierten Individualverkehrs gelöst werden, mit jeweils unterschiedlichen ökologischen Belastungen. Das Schweizer Unternehmen Mobility, das landesweit ein flächendeckendes Car-Sharing-System betreibt, zeigt zudem, dass auch ökologisch vorteilhafte Zwischenlösungen wirt-schaftlich effizient betrieben werden können.

Aus ökologischer Perspektive sind Referenzgrössen aussagekräftig, die der Natur entstammen (vgl. dazu die Ermittlung von Environmental Condition Indicators ECI im Rahmen der EPE). Auf globaler Ebene ist z.B. die Veränderung der CO2-Belastung der Atmosphäre von Bedeutung. Hier können nationale oder regionale Bezugsgrössen, die in politischen Prozessen definiert wurden, als Anhaltspunkte für die Beurteilung von Umweltleistungsveränderungen festgelegt werden (z.B. in Form einer Emissions-Reduktion entsprechend nationaler Zielsetzungen208). Ähnliches gilt auch auf lokaler Ebene, z.B. durch Beobachtung der Artenvielfalt im Umfeld eines

206

Zur Beteiligung an der Öko-Audit-Verordnung wurden die teilnehmenden Unternehmen explizit zur Nutzung „der wirtschaftlich vertretbaren Anwendung der besten verfügbaren Technik“ (bekannt auch als „EVABAT“, der Abkürzung des englischen Wortlauts „Economically Viable Application of Best Available Technology“) aufgefordert. Faktisch ist die Umsetzung dieser Forderung mit einem technologischen Benchmarking ver-bunden. Im Zuge der Revisionsarbeiten zu EMAS II ist dieser Grundsatz jedoch weggefallen. Ein im Kern ähnliches Handlungsprinzip kommt im Vorwort zu ISO 14001:1996 (S. 5) zum Ausdruck: „Um die umweltbe-zogenen Zielsetzungen zu erreichen, sollte das Umweltmanagementsystem Organisationen dazu ermutigen, die Implementierung der besten verfügbaren Technik dort in Betracht zu ziehen, wo dies angebracht und wirtschaftlich vertretbar ist. Ausserdem sollte das Kosten-Nutzen-Verhältnis des Einsatzes solcher Techni-ken voll berücksichtigt werden. In ISO 14001:2004 (S. 6) ist dieser Grundsatz weiterhin zu finden, wurde als „Kann“-Formulierung jedoch deutlich abgeschwächt.

207 Die Reflexion über die durch das Unternehmen befriedigten Bedürfnisse und die Ableitung von Handlungs-konsequenzen stellen die oberste ökologische Innovationsebene im Rahmen des sog. COSY-Konzepts dar. Vgl. SCHNEIDEWIND U. (1994), sowie die Ausführungen in Kapitel 3.3.2.

208 Vgl. STAHLMANN / CLAUSEN (2000), S. 22 f. Die Schweiz strebt zur Umsetzung des Kyoto-Protokolls bis 2012 eine Reduktion der treibhausrelevanten Emissionen Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Lachgas (N2O), teil-halogenierte Kohlenwasserstoffe (HFC), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFC) sowie Schwefelhexafluorid (SF6) um insgesamt 8% an. Allein die CO2-Emissionen, die 83% der Treibhausgase ausmachen, sollen um 10% gegenüber 1990 reduziert werden. Vgl. BUWAL (2002).

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Verbesserung der Umweltleistung 77

Produktionswerks. Ankele / Steger fordern deshalb im Sinne eines Mikro-Makro-Links eine Zielfestlegung auf betrieblicher Ebene, die sich an ökologischen Prioritä-ten orientiert, denn dies führt selbst dann zu den ökologisch effektivsten Umweltent-lastungen, wenn nur diejenigen Massnahmen tatsächlich umgesetzt werden, die auch ökonomisch effizient sind.209 Einen weiteren interessanten Ansatz unter Beizug ökologischer Referenzgrössen, der an den ökologischen Grundregeln einer nach-haltigen Wirtschaftsweise210 anknüpft, wählte ein grosser Schweizer Produzent von Baustoffen: Das Unternehmen errechnete für einzelne Produkte die „nachhalti-gen“ Stoff- und Energieflussmengen, um sie als interne Referenzgrösse für Um-weltleistungsverbesserungen zu verwenden.

4.3 Praxisprobleme

In der praktischen Beurteilung der Umweltleistung und seiner Veränderung über die Zeit stellen sich zahlreiche weitere Fragen, für die weder die ISO-Normenreihe 14000f. noch die wissenschaftlich basierte Konkretisierung der Normvorgaben Lö-sungsansätze aufzeigen. Es ist jedoch an dieser Stelle nicht das Ziel, mögliche Lö-sungen zu skizzieren, sondern vielmehr die Bandbreite von Praxisproblemen an-hand von beispielhaften Themenbereichen aufzuzeigen und praxisrelevante Frage-stellungen zu verdeutlichen:

● Organisationsbezogene Beurteilungsprobleme Die Zuordnung der Umweltleistung zu einem Organisationsgebilde mit rechtlich defi-nierten Grenzen führt zu konzeptionellen und methodischen Unsicherheiten in der Beurteilung der Umweltleistungs-Entwicklung. Es stellt sich die Frage, inwiefern Veränderungen der Umweltleistung auf Unternehmensebene angesichts von Verän-derungen des Unternehmens selbst, in dessen Umfeld oder in den Methoden des Umweltmanagements zu bewerten sind, um Rückschlüsse auf die Wirksamkeit des UMS zu ermöglichen. Erfassungs- und Beurteilungsprobleme ergeben sich insbe-sondere in folgenden Situationen:

- Die Unternehmung fusioniert, wird privatisiert oder umstrukturiert.

- Die Unternehmung legt Aktivitäten still, verändert ihr Produktsortiment oder baut neue Unternehmensteile auf.

- Die Systemgrenzen für das UMS werden neu festgelegt, das UMS wird im Unter-nehmen verbreitet und / oder verankert.

209

Vgl. Ankele / Steger (2000), S. 78 ff. 210

Zur Realisierung des Nachhaltigkeitsprinzips definiert H.E. Daly drei Forderungen für den materiellen Durch-satz und den Energieverbrauch: (1) Die Nutzungsrate der sich erneuernden Ressourcen darf deren Regene-rationsrate nicht überschreiten. (2) Die Nutzungsrate sich erschöpfender Rohstoffe darf die Rate des Auf-baus sich regenerierender Rohstoffquellen nicht übersteigen. (3) Die Rate der Schadstoffemissionen darf die Kapazität zur Schadstoffabsorption der Umwelt nicht übersteigen. Zitiert nach MEADOWS (1992) S. 251.

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78 Verbesserung der Umweltleistung

- Es werden neue (verbesserte, verfeinerte) Methoden zur Erfassung der Umwelt-leistung verwendet.

- Die Auslastung sinkt oder steigt aufgrund von Marktentwicklungen.

- Einzelne Tätigkeiten werden an spezialisierte Anbieter im In- und Ausland aus-gelagert.

● Beurteilungsproblematik durch nicht-lineare Kurvenverläufe Das Konzept des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses impliziert den theo-retischen Idealfall eines Kurvenverlaufs, der zu jedem Messzeitpunkt eine Verringe-rung der Umweltbelastung durch die Organisation ausweist. In der Unterneh-menspraxis ergeben sich jedoch unterschiedliche Fälle, für deren Beurteilung ISO 14000f. keine Anhaltspunkte bietet. Abb. 19 verdeutlicht die Beurteilungsproble-matik anhand beispielhafter, praxisnaher Kurvenverläufe. In Fall 1 hat ein Unter-nehmen durch Umweltschutzmassnahmen ein Niveau erreicht, das keine weiteren Verbesserungen zulässt. Fall 2 deutet an, dass die Umweltbelastung in vielen Pra-xisfällen nicht so gesteuert werden kann, dass sie kontinuierlich sinkt, sondern ne-ben Verbesserungen auch Phasen der Verschlechterung möglich sind, während die Belastung über den gesamten Beobachtungszeitraum hinweg tendenziell abnimmt. Dieses Entwicklungsmuster ist mittlerweile von den Zertifizierungsorganisationen als ausreichender Nachweis eines funktionierenden KVP akzeptiert.211 Von Bedeutung für die Interpretation der Entwicklung sind in solchen Fällen aber die Wahl der Mess- und Vergleichszeitpunkte und die Berücksichtigung mehrerer Messungen zu früheren Zeitpunkten. Hier stehen sich zwei grundlegende Ansprüche an UMS ge-genüber: Einerseits sollen UMS langfristig ausgelegt sein und neben der (kurzfristi-gen) Nutzung vorhandener Verbesserungspotenziale auch langfristig aufzubauende und zu erschliessende (z.B. strategische) Potenziale generieren. Andererseits un-terstellt sich die Unternehmung durch den regelmässigen externen Überwachungs-automatismus dem Druck, von Periode zu Periode Umweltleistungsverbesserungen ausweisen zu können. Fall 3 zeigt beispielhaft die Umweltbelastungskurve einzelner Unternehmensbereiche sowie die resultierende Gesamtbelastung. Während durch Umweltschutzmassnahmen die Umweltbelastung in einzelnen Bereichen im Beo-bachtungszeitraum gesenkt werden konnte, wirkt sich die Aufnahme einer neuen Tätigkeit als deutliche Zunahme der (absoluten oder relativen) Gesamtbelastung aus.

211

Vgl. Abschnitt 2.2.2.

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Verbesserung der Umweltleistung 79

Abb. 19: Entwicklungsverläufe der Umweltbelastung in der Praxis212 Fall 4 deutet eine Möglichkeit an, die zunehmend in die Diskussion von Umwelt-schutzmassnahmen zur Reduktion von global wirkenden Treibhausgasemissionen eingebracht wird: Anstelle von Umweltschutzmassnahmen, die im eigenen Unter-nehmen ansetzen, werden Massnahmen ausserhalb der Unternehmung eingeleitet. Ein Beispiel dafür ist die unter dem Begriff Joint Implementation (JI) bekannte Pra-xis, die durch die eigenen Prozesse und Produkte entstehenden CO2-Emissionen durch Aufforstungs- oder Infrastrukturprojekte (z.B. in Entwicklungsländern) zu kom-pensieren.213

212

In Anlehnung an LIECHTI (2001). 213

Stellvertretend für verschiedene Schweizer Unternehmen sei hier auf die Firma Baer Weichkäserei AG hin-gewiesen, die 2001 eine Pflanzaktion im Schwarzwald durchführte. Dabei setzten 120 Baer-Mitarbeitende in einem freiwilligen Einsatz 2000 Eichen in einer vom Lothar-Unwetter geschlagenen Waldschneise. Ziel der Aktion war es (u.a.), den mit den Käsetransporten nach Deutschland verbundenen CO2-Ausstoss durch CO2-Bindungsmassnahmen „auszugleichen“ (vgl. BAER, O.J.). Als Alternative stellt das Projekt „myclimate“ Organisationen und Privaten die Möglichkeit zur Verfügung, sich mit einem emissionsmengenbezogenen fi-nanziellen Beitrag an CO2-bindenden Projekten im In- und Ausland zu beteiligen. Sie können so ebenfalls einen „Ausgleich“ für die verursachten CO2-Emissionen leisten, ohne aber selber Kompensationsprojekte durchführen zu müssen (vgl. www.myclimate.org, ähnlich auch: clipp – climate protection partnership www.clipp.org). Über die ökonomischen, ökologischen und ethischen Aspekte von JI-Projekten in Entwick-lungsländern wird seit Jahren diskutiert. Kritische Stimmen verurteilen JI als „Ablasshandel“ und „Freikauf von selbst verursachten Umweltsünden auf Kosten der Entwicklungsländer und der Allgemeinheit“. Ökolo-gisch begründete Einwände von Aufforstungsprojekten, die die Bindung von CO2 zum Ziel haben, sind die Ungewissheit, über welchen Zeitraum das CO2 tatsächlich gebunden sein wird, die Angst vor für die lokale Bevölkerung nutzlosen und die Artenvielfalt gefährdenden Monokulturen sowie Bedenken über die Kon-

Zeit

Fall 1: Keine Verbesserungen mehr

möglich

Um

wel

tbel

astu

ng

Zeitt1

Idealfall

t2 t3

Um

wel

tbel

astu

ng

Zeit

Fall 2: Ausgleich über die Zeit

Zeit

Tätigkeit 1Tätigkeit 2Tätigkeit 3

Fall 3: Ausgleich zwischen

Tätigkeiten

Zeit

Fall 4: Ausgleich ausserhalb der Unternehmung

Um

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Um

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ngGesamt-belastung

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Fall 1: Keine Verbesserungen mehr

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80 Verbesserung der Umweltleistung

● Beurteilungsproblematik durch Aggregation Indem ISO 14001 die insgesamte Verbesserung der Umweltleistung verlangt214, for-dert sie implizit die Aggregierung der Umweltleistungsdaten aller in den Systembe-reich des UMS fallenden Unternehmensbereiche, Produkte und Prozesse sowie der davon ausgehenden Umweltauswirkungen. Als Folge dieser Normkonzeption lassen sich Veränderungen der Leistungsdaten erst auf Basis der aggregierten Umweltleis-tung der Organisation ermitteln. Die Ermittlung der insgesamten Umweltbelastung erfordert die Aggregation ökologischer Daten in drei Fällen:

- Aggregation von gleichen Belastungsarten in vergleichbaren Prozessen, Produk-ten und Infrastrukturen (z.B. der Rohstoffverbrauch für die Produkte A und B).

- Aggregation von gleichen Belastungsarten in unterschiedlichen Prozessen, Pro-dukten und Infrastrukturen (z.B. die Aggregation des Stromverbrauchs einer Pro-duktionsanlage mit jenem aus dem Bürotrakt eines Betriebes).

- Aggregation von unterschiedlichen Belastungsarten innerhalb des Systems (z.B. die Aggregation des Stromverbrauchs, des Ölverbrauchs und des Wasserver-brauchs der einzelnen Unternehmensbereiche).215

Mit diesen Erfordernissen sind eine Reihe praktischer und methodischer Proble-me verbunden. Im ersten und zweiten Fall stellt sich die Frage nach der aus ökolo-gischer Perspektive tatsächlichen Vergleichbarkeit der Belastungsarten. So könnte im ersten Fall für die Produktion von A eine andere Rohstoffqualität benötigt werden als für Produkt B, und der Strom für den Bürotrakt im zweiten Fall könnte durch die hauseigene Solaranlage produziert worden sein, während der Strom für die Produk-tionsprozesse aus dem öffentlichen Netz eingespeist wird. Im dritten Fall stellt sich die Frage, wie die einzelnen Belastungsarten aus ökologischer Sicht gewichtet wer-den sollen, um sie aggregieren zu können. Darüber hinaus existieren Belastungsar-ten, deren Aggregation zu methodischen Schwierigkeiten führt (z.B. Lärm, Geruch). Vollaggregierte Zahlen zur Beschreibung und Bewertung der Umweltleistung bergen in jedem Fall die Problematik, dass ihre Aussagekraft gegenüber generischen Daten geringer ist und sie zur Ableitung von Handlungsbedarf in ihre Ausgangsgrössen zu-rückgeführt werden müssen. Aus aggregierten Zahlen lassen sich deren Herkunft und Wirkung kaum mehr beurteilen, und die Vergleichbarkeit mit anderen Unterneh-men ist nur bedingt zulässig.216

sequenzen für den Grundwasserspiegel (vgl. ACTION SOLIDARITÉ TIERS MONDE, 2004). Andererseits bieten Umweltschutzmassnahmen ausserhalb der Organisationsgrenzen die Möglichkeit, auch dann Verbesserun-gen der Umweltleistung zu erzielen, wenn die eigenen Potenziale erschöpft sind (vgl. Fall 1 in Abb. 19).

214 Vgl. ISO 14001:1996, Punkt 3.1.

215 Vgl. dazu auch den Fall 3 in Abb. 19.

216 Siehe dazu auch die Kritik an der Verwendung von Umweltbelastungspunkten (UBP) in Abschnitt 4.1.2. Vgl. IFOK (1997), S. 8 f.; CADUFF (1998), S. 34.

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Verbesserung der Umweltleistung 81

4.4 Schlussfolgerungen

Die Verbesserung der Umweltleistung, das zentrale Anliegen der ISO 14001, ist in der Norm selbst in keinerlei Hinsicht operationalisiert. Es finden sich im gesamten Normtext keine Angaben, wie die Umweltleistung zu messen, darzustellen und / oder zu beurteilen ist. Die Normenreihe ISO 14000f. entwickelt mit der LCA und der EPE zwar konzeptionelle Vorstellungen, die es dem Anwender ermöglichen, die Umweltleistung zu erfassen, doch bleiben diese Ansätze auf einer sehr abstrakten und wenig praxisnahen Ebene. Dem Normtext gegenüber stehen Unternehmen, von denen sich jedes einzelne in einem einzigartigen Kontext bewegt, der von zahlrei-chen externen Faktoren, von Sachzwängen, von Marktbedürfnissen, von technolo-gischen und wirtschaftlichen Spielräumen gekennzeichnet ist. Diese Organisations-gebilde, umgeben von juristisch definierten Systemgrenzen, verändern sich laufend und passen sich dem Umsystem an, um zu überleben und ihre strategischen Ziele zu erreichen. Dies alles gilt es bei der Beurteilung der kontinuierlichen Veränderung der Umweltleistung zu berücksichtigen.

Eine der Herausforderungen liegt darin, zwischen der gezielten und der „um-standsbedingten“ Veränderung der Umweltleistung zu unterscheiden, denn nur ge-zielte Verbesserungen als Folge von UMS-induzierten Massnahmen können im Rahmen der KVP-Beurteilung anerkannt werden. Eine weitere Dimension der Beur-teilungsproblematik folgt aus unterschiedlichen Fristigkeiten: Die Vergleichbarkeit von Umweltleistungsdaten wird durch eine ständige Veränderung der Basisparame-ter (Prozesse, Produkte, Dienstleistungen, Standorte, Systemgrenzen, etc.) er-schwert und lässt in der Realität langfristige Messungen und Vergleiche der Um-weltleistung nur in sehr beschränktem Mass zu. Andererseits sind kurzfristige Ver-besserungsmöglichkeiten von Unternehmen i.d.R. sehr bald ausgeschöpft, was strategische Massnahmen zum langfristigen Aufbau und zur Umsetzung von neuen Potenzialen erforderlich macht. Verbunden mit der Tatsache, dass Produktionszah-len und Absatzmengen in der Realität laufend schwanken, ist es für Unternehmun-gen deshalb kaum möglich, über einen längeren Zeitraum hinweg kontinuierlich Verbesserungen der absoluten und relativen Umweltleistung auszuweisen.

Die wissenschaftlich fundierten Methoden zur Messung und Beurteilung der Um-weltleistung bieten denn auch nicht mehr als eine Momentaufnahme, deren Validi-tät und Aussagekraft zudem in hohem Mass von den getroffenen Annahmen und festgelegten Systemgrenzen abhängt. Aus den dargelegten praktischen Gründen ist ihr Nutzen für Langzeitbeobachtungen stark eingeschränkt. Daraus erwächst die Gefahr, in der Beurteilung des KVP und in der Verwendung der erhobenen Daten als Entwicklungsgrundlage einer Scheingenauigkeit zu verfallen. Alternative Me-thoden sind allerdings bislang nicht in Sicht. Entsprechend zentral ist deshalb die Verwendung von zusätzlichen, insbesondere qualitativen Daten, die dazu beitragen, die Kurvenverläufe der Umweltleistung adäquat zu interpretieren. Die von den Zerti-fizierungsgesellschaften in der Schweiz verwendeten Beurteilungskriterien des KVP (vgl. Abschnitt 2.2) sind deshalb zu begrüssen.

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82 Verbesserung der Umweltleistung

Angesichts dieser Komplexitäten, bei welcher die skizzierten methodischen Heraus-forderungen zur Messung und Beurteilung der Umweltleistung an sich noch gar nicht angesprochen sind, ist die Konzeption der ISO 14001, welche die Ope-rationalisierung der KVP-Umsetzung der Praxis überlässt, von Vorteil. Sie lässt so-wohl den Unternehmen als auch den Zertifizierungsorganisationen und der Wissen-schaft den nötigen Raum, um praxisnahe Konzepte zu entwickeln und den indivi-duellen Unternehmenskontext in die praktische Ausgestaltung und Beurteilung des KVP einfliessen zu lassen. Dies offenbart aber auch eine logische Lücke in der Konzeption der Norm: Genau das, was mit ISO 14001 erreicht werden sollte, näm-lich die laufende und messbare Verbesserung der Umweltleistung, kann nur in sehr beschränktem Mass kontrolliert werden. Nicht aus normphilosophischen, sondern aus praktischen Gründen rückt deshalb die Beurteilung der Weiterentwicklung des UMS verstärkt in den Vordergrund: Welche Ziele wurden weshalb definiert, und auf welche Weise und mit welchem (ökologischen) Ergebnis wurden sie erreicht?

Vorgehen in den Fallstudien Als Teilziel dieser Arbeit strebt die empirische Untersuchung eine Antwort auf die Frage an, ob Unternehmen, die seit mehreren Jahren ein ISO-14001-Zertifikat be-sitzen, ihre Umweltleistung verbessert haben. Dazu werden Veränderungen der Umweltleistungsdaten im Zeitablauf ermittelt und – aufgeteilt auf die Bereiche Be-triebsökologie und Produktökologie – verglichen. Die Untersuchung greift dabei auf Daten zurück, die im relevanten Zeitraum von den Unternehmen erhoben und für das interne Umweltcontrolling, für die Bewertung durch die oberste Leitung, für ex-terne Audits und / oder für die externe Umweltberichterstattung verwendet worden sind. Die Veränderungen der Umweltleistung werden in Bezug auf den Einfluss des UMS und im Hinblick auf die in diesem Kapitel skizzierten Bewertungsgrundlagen gewürdigt.

Die folgenden Kapitel 5 und 6 definieren den Bezugsrahmen zur Diskussion des ökologischen Entwicklungsprozesses in den Fallstudien. Dabei werden zunächst Nutzen und Kosten von UMS aus einer umfassenden Perspektive und unter Be-rücksichtigung von Kurz- und Langfristwirkungen beleuchtet. Anschliessend richtet sich der Blick auf Faktoren, die die Weiterentwicklung des UMS und die Verbesse-rung der Umweltleistung entscheidend beeinflussen können.

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5 Ökonomische Wirkungen von UMS

Warum – aus ökonomischer Perspektive – sollten Unternehmen ein Umweltmana-gementsystem aufbauen und betreiben? Welchen wirtschaftlichen Nutzen stiften umweltorientierte Aktivitäten im freiwilligen Bereich, und was kosten sie? Diese Überlegungen gehören mit an den Anfang jeder unternehmerischen Entscheidung, ein UMS zu implementieren und nach ISO 14001 zertifizieren zu lassen. Ausgehend von der Frage „Does it pay to be green“ 217 sind seit der Veröffentlichung von ISO 14001 und EMAS entsprechend verschiedene Untersuchungen zum betriebswirt-schaftlichen Nutzen von UMS durchgeführt worden. Die empirischen Befunde kom-men dabei zum Schluss, dass die „Investition UMS“ ökonomisch äusserst attraktiv sein kann, weist sie doch im Vergleich zu anderen Arten privatwirtschaftlicher Inves-titionen kurze Pay-Back-Zeiten auf.218

Wie aussagekräftig aber sind solche Erkenntnisse, wenn es um Kosten- und Nut-zenbetrachtungen geht, die einerseits umfassend und andererseits langfristig aus-gerichtet sein sollen? Der Komplexität der Thematik entsprechend vermag die Fra-ge nach den monetären Kosten und Nutzen die ökonomischen Wirkungen von UMS nur ungenügend zu erfassen. Die Wirkungen von umweltbezogenen Massnahmen lassen sich nicht in ihrer ganzen Bandbreite mit Zahlen und Statistiken abbilden. Die meisten bisherigen empirischen Befunde basieren zudem auf Studien, die zu einem Zeitpunkt durchgeführt wurden, bei welchem die überwiegende Mehrheit der befrag-ten Unternehmen erst über relativ kurze Erfahrungswerte mit UMS verfügten.219 Ent-sprechend sind die bisherigen empirischen Erkenntnisse als eher kurzfristige Wir-kungen von UMS zu werten, deren Ergebnisse nicht ohne weiteres auf längere Zeiträume extrapoliert werden können.

Im folgenden Kapitel werden die verschiedenen Kosten- und Nutzenpotenziale von UMS systematisiert. In Anbetracht der langfristigen Ausrichtung der KVP-Forderung in ISO 14001 wird es zudem eine Aufgabe sein, die Fristigkeiten unterschiedlicher Kosten- und Nutzenpotenziale in die ökonomische Wirkungsdiskussion von UMS einzubeziehen.

217

Unter diesem Titel veröffentlichten Stuart L. Hart and Gautam Ahuja 1994 eine vielbeachtete Studie zum Zusammenhang zwischen Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit von Unternehmen. Sie befragten dazu 127 Grossunternehmen in den USA und kamen zum Schluss, dass sich die Reduktion von umweltschädigenden Emissionen für die meisten Unternehmen finanziell lohnen würde. Vgl. HART / AHUJA (1994).

218 Vgl. stellvertretend: COMMERZBANK (1996), UNI/ASU (1997), S. 34; HÖPPNER / SIETZ / SEURING (1998), S. 19; S. 39 f.; DYLLICK / HAMSCHMIDT (2000), S. 80. Ähnlich auch: MERTINS ET AL. (2001), S. 5, sowie – illustriert an-hand von zahlreichen Praxisbeispielen – GEGE (1997).

219 Beispielsweise unterscheiden DYLLICK / HAMSCHMIDT (2000), S. 29 f., zwischen „jungen“ und „alten“ UMS. Unternehmen mit „jungem“ UMS betrieben dieses zum Zeitpunkt der Befragung seit max. 2 Jahren. Von den „alten“ UMS kann angenommen werden, dass nur wenige vor den ersten Zertifizierungen im Jahre 1995 in Betrieb genommen worden waren. In Anbetracht der langfristigen Perspektive der ISO-Norm ist für die meis-ten der befragten Fälle trotz dieser Unterscheidung die Bezeichnung „junges“ UMS eher angemessen.

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84 Ökonomische Wirkungen von UMS

5.1 Wirtschaftlicher Nutzen von UMS

Wenn, wie oben erwähnt, empirische Untersuchungen über Kosten und Nutzen von UMS zum Schluss kommen, dass sich der Aufbau eines UMS „lohnt“, dann reflek-tiert dies in erster Linie die „harten Faktoren“ einer monetären Messung von Auf-wand und Ertrag. Die ökonomischen Wirkungen von Umweltschutzmassnahmen sind jedoch deutlich komplexer: Sie betreffen neben finanziellen Aspekten auch die Beziehung zu Anspruchsgruppen, die Lern- und Innovationsfähigkeit der Beteiligten, marktbezogene Chancen und Risiken sowie strategische und operative Sicherheits-aspekte.

Die zahlreichen Nutzenaspekte – Clements diskutiert alleine zwanzig verschieden-artige, ökonomische Potenziale von UMS220 – lassen sich auf unterschiedliche Wei-se systematisieren. So hat sich in der betriebswirtschaftlichen Literatur die Unter-scheidung interner und externer Nutzenwirkungen von UMS weit verbreitet (Vgl. Tab. 9). Potenzielle interne Nutzenwirkungen liegen vor allem in der Syste-matisierung der bisherigen Umweltschutzmassnahmen, in Kosteneinsparungen, in der Verbesserung der Rechtssicherheit und in der Risikovorsorge. Externe Nutzen-potenziale sind die Folge von Aussenwirkungen des UMS, die sich z.B. aus der Nutzung des UMS-Zertifikats für PR-Zwecke, durch Produktinnovationen, durch ein verbessertes Verhältnis zu interessierten Kreisen oder durch eine ökologische Marktpositionierung einstellen können.

Tab. 9: Interne und externe Nutzenpotenziale von UMS221

Ein stärker differenzierender Systematisierungsansatz, der sowohl harte als auch weiche Wirkungspotenziale von UMS beschreibt, ist in Abb. 20 dargestellt. Die Sys-tematik unterscheidet Nutzenfelder und jeweils damit verbundene Nutzenaspekte. Die Nutzenfelder sind Ausdruck unterschiedlicher Perspektiven, aus denen die öko-nomischen Folgen von Umweltschutzaktivitäten beurteilt werden können. So liegt der Fokus des Nutzenfeldes „Innovation und Lernfähigkeit“ auf den Marktleistun-

220

Vgl. CLEMENTS (1996), S. 24 f. 221

Dyllick / Gilgen / Häfliger / Wasmer (1996), S. 8.

• Erleichterungen im Umgang mit Umweltbehörden

• Erkennen von Kostensenkungspotenzialen

• Erleichterungen bei Banken und Versicherungen

• Risikovorsorge und Haftungsvermeidung

• Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit• Motivation der Mitarbeiter

• Verbessertes Image in der Öffentlichkeit• Systematisierung bestehender Umweltmassnahmen

Externe NutzenpotenzialeInterne Nutzenpotenziale

• Erleichterungen im Umgang mit Umweltbehörden

• Erkennen von Kostensenkungspotenzialen

• Erleichterungen bei Banken und Versicherungen

• Risikovorsorge und Haftungsvermeidung

• Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit• Motivation der Mitarbeiter

• Verbessertes Image in der Öffentlichkeit• Systematisierung bestehender Umweltmassnahmen

Externe NutzenpotenzialeInterne Nutzenpotenziale

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Ökonomische Wirkungen von UMS 85

gen (Produkte, Dienstleistungen) und auf dem Managementpotenzial. Wichtige Nut-zenaspekte sind hier Beiträge von umweltbezogenen Aktivitäten zur Entwicklung und Erschliessung neuer Märkte und zur eigengesteuerten Marktgestaltung. Aus dieser Perspektive lassen sich auch Nutzenaspekte in Bezug auf die Mitarbeitermo-tivation und -qualifikation erkennen, die durch Sensibilisierungsmassnahmen und Lernprozesse ausgelöst werden. Relevant sind zudem positive „spill-over“-Effekte des Umweltmanagements auf die allgemeine Geschäftstätigkeit.

Abb. 20: Nutzenfelder und Nutzenaspekte von Umweltmanagementsystemen222

Im Fokus des Nutzenfelds „Stakeholder Value“ liegen externe Anspruchsgruppen und ihre umweltbezogenen Forderungen. Gezielte Umweltmanagementaktivitäten können hier eine Verbesserung der Glaubwürdigkeit und der Legitimität bewirken und dienen teilweise auch dazu, die Wahrnehmung der ökologischen Verantwortung der Unternehmung gegenüber interessierten Kreisen zu dokumentieren. Im Fokus des Nutzenfeldes „Risikominimierung“ liegt die Zukunftssicherung der Unterneh-mung durch proaktives Risikomanagement. Hierzu gehören die Sicherstellung der 222

In Anlehnung an SCHLATTER / HAMSCHMIDT / HILDESHEIMER (1999), S. 21. Die Abbildung gilt nicht als ab-schliessende Konzeption einer Kriterienliste, sondern kann je nach individuellem Unternehmenskontext an-gepasst bzw. ergänzt werden.

RESSOURCENEFFIZIENZRISIKOMINIMIERUNG

KUND

ENBI

NDUN

GINNO

VATION & LERNEN

STAKEHOLDER-VALUE

Nutzen von UMS

Fokus: Managem

ent & Produkte

Fokus: Zukunftss

icherung Fokus: Betriebsökologie

Foku

s: In

tern

e un

d ex

tern

e Ku

nden

Fokus: Externe Anspruchsgruppen

• Kreditsicherung• Reduktion

Haftungsrisiko• Legal Compliance• Schadens-

prävention

• Legitimität• Glaubwürdigkeit• Verantwortungs-

nachweis• Image

• Marktdiversifikation• Kunden-

forderungen• MA-Akquisition• Goodwill /

Vertrauen

• Materialeffizienz• Energieeffizienz• Prozess-

optimierung

• Motivation• Qualifikation• Antizipation• Produkt-

innovation• Marktgestaltung

RESSOURCENEFFIZIENZRISIKOMINIMIERUNG

KUND

ENBI

NDUN

GINNO

VATION & LERNEN

STAKEHOLDER-VALUE

Nutzen von UMS

Fokus: Managem

ent & Produkte

Fokus: Zukunftss

icherung Fokus: Betriebsökologie

Foku

s: In

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Fokus: Externe Anspruchsgruppen

• Kreditsicherung• Reduktion

Haftungsrisiko• Legal Compliance• Schadens-

prävention

• Legitimität• Glaubwürdigkeit• Verantwortungs-

nachweis• Image

• Marktdiversifikation• Kunden-

forderungen• MA-Akquisition• Goodwill /

Vertrauen

• Materialeffizienz• Energieeffizienz• Prozess-

optimierung

• Motivation• Qualifikation• Antizipation• Produkt-

innovation• Marktgestaltung

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86 Ökonomische Wirkungen von UMS

Rechtskonformität sowie die Eindämmung von umweltinduzierten Haftungs- und Kreditrisiken. Unmittelbare monetäre Nutzenpotenziale liegen vielfach im Nutzenfeld „Ressourceneffizienz“. Hier werden Nutzenaspekte im Zusammenhang mit der Betriebsökologie und der Optimierung von Produktionsfaktoren identifiziert. Verbrei-tet sind z.B. Senkungen von Ausgaben für Material-, Stoff- und Energieströme von der Beschaffung bis zur Entsorgung. Als weiteres Nutzenfeld legt die „Kundenbin-dung“ den Fokus auf interne und externe Kundengruppen. Nutzenpotenziale liegen hier in der Förderung von Goodwill und Vertrauen durch Umweltaktivitäten und da-mit verbunden auch in der Unterstützung der Unternehmenswahrnehmung als um-weltfreundlicher, verantwortungsbewusster Marktpartner und Arbeitgeber.

Nutzenpotenziale in zeitlicher Perspektive Eine nähere Betrachtung der Nutzenfelder legt die Vermutung nahe, dass einzelne Potenziale bereits mit dem Aufbau des UMS oder kurz danach erschlossen werden können, während sich andere erst mit der Zeit zu Vorteilen für die Unternehmung entwickeln. Darin kommt gleichzeitig die Unterscheidung verschiedener Phasen im ökologischen Entwicklungsprozess von Unternehmen zum Ausdruck. Analog dem Konzept der kontinuierlichen Verbesserung der Umweltleistung kann somit auch im Zusammenhang mit den ökonomischen Nutzenwirkungen von UMS von einem Ent-wicklungsprozess gesprochen werden. In diesem Sinne wird durch die stetige Weiterentwicklung und den fortwährenden Aufbau von Nutzenpotenzialen der wirt-schaftliche Nutzen des UMS für die Unternehmung laufend erhöht.

Tab. 10 stellt dazu beispielhaft Nutzenaspekte zusammen, die als eher kurzfristige bzw. als mittel- bis langfristige ökonomische UMS-Wirkungen betrachtet wer-den können. Danach manifestiert sich der Entwicklungsprozess im Nutzenfeld „In-novation und Lernfähigkeit“ in der kurzen Frist im Aufbau von Wissens- und Hand-lungspotenzialen. Sie sind die Basis, um in späteren Phasen die Kompetenz für In-novationen in Prozesse, vor allem aber auch in Produkte zu entwickeln, was letztlich die aktive Marktbearbeitung mit ökologischen Argumenten erst ermöglicht. Nutzen-maximierend ist hierbei nicht die Zielsetzung, das vorhandene Umweltbewusstsein der Nachfrager abzuschöpfen, sondern im Sinne einer langfristig angelegten Marke-tingstrategie mit der Ausweitung des Marktpotenzials das ökologische Bewusstsein einer immer grösseren Zahl von Konsumenten durch gezielte Massnahmen zu er-höhen.223 Ökonomische Nutzenpotenziale bietet im Nutzenfeld „Stakeholder Value“ der Übergang von PR-induzierter Kommunikation mit interessierten Kreisen hin zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit diesen. Während PR-Wirkungen in der kurzen Frist auch im Zusammenhang mit der Kunden- und Mitarbeiterinformati-on im Vordergrund stehen, kann die „Kundenbindung“ (intern und extern) erst lang-fristig durch den Aufbau einer Glaubwürdigkeits- und Vertrauensbasis im Zusam-menhang mit dem Umweltschutzverhalten der Organisation voll zur Geltung kom-men. Ähnliches gilt im Nutzenfeld der „Risikominimierung“: Hier liegen die kurzfristi-

223

Vgl. WENKE (o.J.), S. 66.

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Ökonomische Wirkungen von UMS 87

gen Nutzenpotenziale im Aufbau von Wissen im Umgang mit rechtlichen Anforde-rungen und ökologischen Risikopotenzialen. In der langen Frist kann dieses Wissen zu einer hohen Rechtssicherheit und zur Vermeidung ökologisch bedingter Haf-tungsansprüche führen. Beides vereinfacht letztlich auch den Zugang zu betriebs-notwendigen Krediten und Versicherungsschutz. Tab. 10: Beispiele von UMS-Nutzenpotenzialen unterschiedlicher Fristigkeit

Im Nutzenfeld „Ressourceneffizienz“ sind schon in frühen Wirkungsphasen des UMS Kosteneinsparungen und Umsetzungserfolge möglich, wenn technische Opti-mierungsmassnahmen realisiert und dank gezielter Schwachstellenanalysen die richtigen Prioritäten gesetzt werden. Auch bestätigen die bisherigen empirischen Befunde, dass das systematische Durchleuchten der Organisation und die Syste-matisierung der bisherigen Umweltschutzaktivitäten sehr rasch zu organisationalen Nutzenpotenzialen mit nicht nur ökologischem Hintergrund führen können. In der langen Frist sind dagegen strategische Marktvorteile durch kostengünstige Produk-tionsprozesse und durch integrierten Umweltschutz denkbar.

• Glaubwürdigkeit• Vertrauen

• PR-Wirkungen gegenüber Kunden und Markt sowie aktuellen und potenziellen Mitarbeitern

Kundenbindung

• Integration des Umweltschutzes in der allgemeinen Unternehmensführung

• Kosteneffiziente Produktionsprozesse

• Kosteneinsparungen durch technische Optimierung

• Systematisierung des Umweltschutzes

• Transparenz über Aufgaben und Verantwortlichkeiten

• Spill-over-Effekte

Ressourcen-Effizienz

• Rechtssicherheit• Vermeidung von

Haftungsansprüchen• Vereinfachter Zugang zu

Krediten und Versicherungsschutz

• System. Notfallplanung• Lernprozess im Umgang mit

Rechtsgrundlagen• Schaffen von Transparenz• Identifikation ökologisch

bedingter Risikopotenziale

Risiko-minimierung

• Partnerschaftliche Beziehungen zu Behörden und Anspruchsgruppen

• PR-Wirkungen gegenüber StakeholdernStakeholder

Value

• Marktaufbau und -entwicklung

• Innovationskompetenz

• Motivation und Sensibilisierung

• Know-how-Zuwachs

Innovation und Lernfähigkeit

Mittel- bis langfristige Nutzenpotenziale

Kurzfristige NutzenpotenzialeNutzenfeld

• Glaubwürdigkeit• Vertrauen

• PR-Wirkungen gegenüber Kunden und Markt sowie aktuellen und potenziellen Mitarbeitern

Kundenbindung

• Integration des Umweltschutzes in der allgemeinen Unternehmensführung

• Kosteneffiziente Produktionsprozesse

• Kosteneinsparungen durch technische Optimierung

• Systematisierung des Umweltschutzes

• Transparenz über Aufgaben und Verantwortlichkeiten

• Spill-over-Effekte

Ressourcen-Effizienz

• Rechtssicherheit• Vermeidung von

Haftungsansprüchen• Vereinfachter Zugang zu

Krediten und Versicherungsschutz

• System. Notfallplanung• Lernprozess im Umgang mit

Rechtsgrundlagen• Schaffen von Transparenz• Identifikation ökologisch

bedingter Risikopotenziale

Risiko-minimierung

• Partnerschaftliche Beziehungen zu Behörden und Anspruchsgruppen

• PR-Wirkungen gegenüber StakeholdernStakeholder

Value

• Marktaufbau und -entwicklung

• Innovationskompetenz

• Motivation und Sensibilisierung

• Know-how-Zuwachs

Innovation und Lernfähigkeit

Mittel- bis langfristige Nutzenpotenziale

Kurzfristige NutzenpotenzialeNutzenfeld

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88 Ökonomische Wirkungen von UMS

Neben solchen kurzfristigen und mittel- bis langfristigen Nutzenpotenziale lassen sich latente Nutzen von UMS identifizieren sowie Nutzen, die sich zeitlich nicht zu-ordnen lassen. Ein Beispiel latenter Nutzenpotenziale liegt in der Verbesserung der ökologischen Informationslage zum Kostenmanagement. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit dem drastischen Anstieg emissionsbedingter Kosten in den letzten Jahren (z.B. CO2-Abgabe, LSVA, etc.) oder – in ähnlichem Ausmass – mit den steigenden Kosten der Beseitigung und Behandlung von Abfällen. Damit ver-bunden ist auch der latente Nutzen durch verbesserte Informations- und Daten-grundlagen sowohl für die interne als auch externe Umweltberichterstattung.

5.2 Kosten von UMS

Aufbau und Betrieb von UMS sind mit Kosten verbunden. Für ein UMS werden Per-sonalressourcen und Infrastrukturen benötigt, und meist muss Wissen aufgebaut und weiterentwickelt werden. Kosten fallen überdies durch Umweltschutzmass-nahmen sowie gegebenenfalls durch die Aufwendungen für die Zertifizierungs-organisation an. Tab. 11 zeigt die Kosten von UMS, wie sie Dyllick/ Hamschmidt bei ISO-14001-zertifizierten Schweizer Unternehmen ermittelten. Die Analyse erfasst Aufbaukosten, die sich aus internen Kosten (vorwiegend Personalressourcen) und externen Beraterkosten zusammensetzen, Zertifizierungskosten, die durch die externe Überwachung und Auditierung anfallen, sowie Betriebskosten, die sich aus dem Aufwand für Umweltschutzmassnahmen und für den administrativen System-unterhalt ergeben224.

Tab. 11: Durchschnittskosten (in CHF) für Aufbau und Betrieb zertifizierter UMS225

224

Vgl. DYLLICK / HAMSCHMIDT (2000), S. 72 ff. 225

Dyllick / Hamschmidt (2000), S. 73.

• Interne Kosten• Beratungs-

kosten

5’400

16’000

10’000

21’000

33’000

1-49 MA(n = 43)

2’000

79’000

18’000

40’000

139’000

Durchschnitt

277’00072’000

65’00026’000

5001’500Gesamtkosten / MA

155’00040’000Betriebskosten p.a.

25’00016’000Zertifizierungskosten

≥ 249 MA(n = 60)

50-249 MA(n = 53)

Auf

bau-

kost

en • Interne Kosten• Beratungs-

kosten

5’400

16’000

10’000

21’000

33’000

1-49 MA(n = 43)

2’000

79’000

18’000

40’000

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Durchschnitt

277’00072’000

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5001’500Gesamtkosten / MA

155’00040’000Betriebskosten p.a.

25’00016’000Zertifizierungskosten

≥ 249 MA(n = 60)

50-249 MA(n = 53)

• Interne Kosten• Beratungs-

kosten

5’400

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33’000

1-49 MA(n = 43)

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139’000

Durchschnitt

277’00072’000

65’00026’000

5001’500Gesamtkosten / MA

155’00040’000Betriebskosten p.a.

25’00016’000Zertifizierungskosten

≥ 249 MA(n = 60)

50-249 MA(n = 53)

Auf

bau-

kost

en

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Ökonomische Wirkungen von UMS 89

Die Studie ermittelte Aufbaukosten für ein ISO-konformes UMS von durchschnittlich CHF 179’000 sowie Betriebskosten, die sich jährlich auf CHF 79’000 belaufen. Hin-zu kommen wiederkehrende Zertifizierungskosten in Höhe von rund 20% der Be-triebskosten. Zu ähnlichen Verhältnissen zwischen den Kostenblöcken gelangt eine jüngere Erhebung aus Deutschland, nach welcher ein Unternehmen durchschnittlich 183 Arbeitstage für den Aufbau und 61 Arbeitstage für die Aufrechterhaltung des UMS investiert.226

Die hier ausgewiesenen Aufwände sind jedoch Durchschnittswerte, die die grosse Streuung der tatsächlichen Kosten je Unternehmung nur zum Teil abbilden. So reicht die Spannweite der Gesamtkosten227 bei den Teilnehmern der Studie Dyllick / Hamschmidt von 6’300 CHF bis 7,5 Mio. CHF. Die Resultate zeigen, dass diese Kosten mit der Betriebsgrösse korrelieren, sie zeigen aber auch, dass kleine- und mittelgrosse Unternehmen durch Aufbau-, Betriebs- und Zertifizierungskosten pro Mitarbeiter wesentlich stärker belastet werden als Grossunternehmen. Ent-sprechend sind formalisierte UMS für Kleinst- und Kleinunternehmen tendenziell eher ungeeignete Instrumente zur Umsetzung einer ökologischen Umweltpolitik. An-dererseits sind diese ungünstigen Kostenverhältnisse ein wesentlicher Grund dafür, dass gerade in KMU ein wachsender Trend hin zu integrierten Management-systemen zu beobachten ist: Durch die systematische Integration von Umwelt-schutz, Qualitätssicherung, Arbeitnehmerschutz und/oder Risikovorsorge sollen die Kosten für die einzelnen Managementbereiche möglichst minimiert und Synergie-effekte gezielt genutzt werden.228 Unterschiede in den Aufbaukosten von UMS las-sen sich auch auf die individuelle Ausgangslage von Unternehmen zurückführen: Während einzelne Unternehmen schon vor dem Aufbau eines ISO-konformen UMS über grosse Vorerfahrungen und spezifische Strukturen verfügen und lediglich die Normvorgaben in die bestehende Umweltorganisation integrieren müssen, sind an-dere gezwungen, zunächst das notwendige Know-how zu entwickeln und die erfor-derlichen Strukturen völlig neu aufzubauen.229

Die quantitativen Ergebnisse zu den Kosten von UMS sind jedoch mit Vorsicht zu interpretieren, denn die Kostenangaben aus den Erhebungen sind schwach fun-diert. Nur sehr wenige Unternehmen erfassen die Kosten ihres UMS systematisch, und die herkömmlichen Kostenrechnungssysteme erlauben vielfach keine eindeu-tige Kostenzurechnung und die Trennung zwischen Aufbau- und Betriebskosten. Kostendaten für die externe Beratung und die Zertifizierung sind gut bezifferbar,

226

UMWELTBUNDESAMT (2002), S. 44. 227

Die Gesamtkosten – relativ zur Anzahl MA – sind in der Tabelle zwar aufgeführt, ihre Aussagekraft ist aus methodischen Gründen jedoch beschränkt. Sie setzen sich in der Studie DYLLICK / HAMSCHMIDT (2000) aus den Aufbau-, Beratungs-, Zertifizierungs- und Betriebskosten p.a. zusammen. Nach den Regeln der Investi-tionsrechnung müssten zumindest die Aufbaukosten auf die erwartete Lebensdauer eines Investitions-objektes umgelegt und diskontiert werden, um die „jährlichen Gesamtkosten“ zu errechnen. Die in der Studie dargelegten Gesamtkosten umfassen demnach nur die Kosten des UMS-Aufbaus und eines Betriebsjahres und lassen ausser Acht, dass UMS in aller Regel auf einen mehrjährigen Zeitraum ausgerichtet sind.

228 Vgl. hierzu auch Kapitel 6.3.2.

229 Vgl. Dyllick / Hamschmidt (2000), S. 73.

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90 Ökonomische Wirkungen von UMS

während die internen Kosten für den Aufbau des UMS und die Betriebskosten viel-fach nicht erhoben und nur grob geschätzt werden. Die grosse Streuung zwischen obigen Zahlen ist folglich nicht nur auf Unterschiede im tatsächlichen UMS-bedingten Aufwand zurückzuführen, sondern auch auf die unterschiedliche Qualität der zugrunde liegenden Daten.

Ähnlich wie bei den oben beschriebenen Nutzenkategorien sind auch die Kosten von UMS nicht vollständig monetär erfassbar. Hierzu gehören z.B. in der Literatur bislang kaum thematisierte Opportunitätskosten des Umweltengagements im frei-willigen Bereich.230 Opportunitätskosten sind denkbar im Zusammenhang mit der unternehmerischen Entscheidung für freiwilligen Umweltschutz. Die Zertifizierung des UMS und die von zahlreichen Unternehmen damit in Gang gesetzte proaktive Thematisierung des Umweltengagements gegenüber internen und externen An-spruchsgruppen kann die strategischen Freiheitsgrade einschränken. So könnte sich eine spätere (tatsächliche oder als solche wahrgenommene) Reduktion des Umweltengagements negativ auf das Unternehmensimage auswirken. Mögliche Opportunitätskosten liegen z.B. im „Zwang“ zur Aufrechterhaltung der ISO-Zertifizie-rung und zur regelmässigen Veröffentlichung umweltbezogener Daten. Opportuni-tätskosten des forcierten Umweltengagements können auch auftreten, wenn Markt-chancen aufgrund ökologischer Bedenken von Anspruchsgruppen oder aufgrund von Leitlinien der Umweltpolitik nicht genutzt werden können, falls sie diesen wider-sprechen. In den Ausführungen von Meffert / Kirchgeorg lassen sich zudem Risiken einer ökologieorientierten Ausrichtung von Unternehmen im Zusammenhang mit unterschiedlichen internationalen Umweltstandards erkennen. Sie können Unter-nehmen benachteiligen, die (ökologisch bedingte) Produktionsmehrkosten im Welt-handel nicht durch entsprechende Preisforderungen kompensieren können.231 Dies gilt insbesondere für Umweltschutzaktivitäten, die nicht direkt zu einem für den Kon-sumenten wahrnehmbaren Zusatznutzen führen.232

Kostenaspekte in zeitlicher Perspektive Analog zur Diskussion der Fristigkeit von Nutzenaspekten von UMS lassen sich auch die Kosten von UMS in Bezug auf ihre Fristigkeit unterscheiden. In der Früh-phase des UMS-Entwicklungsprozesses treten in erster Linie Aufbaukosten (interne Aufwände für Systementwicklung, Mitarbeiterschulung, Dokumentation und erste Umweltschutzmassnahmen sowie externe Beratungskosten) und die Kosten für die Erstzertifizierung auf. Nach der Implementation des UMS stehen die wiederkeh- 230

Die Bezeichnung Opportunitätskosten tritt in der Nutzendiskussion von UMS zwar auf, jedoch vielmehr im Sinne eines Opportunitätsnutzens. Damit ist die Vermeidung von Kosten angesprochen, die aus dem „Ver-zicht auf Umweltschutz“ resultieren würden. Dazu gehören z.B. längere und aufwändigere Genehmigungs-verfahren für ökologisch bedenkliche Investitionsvorhaben, höhere Kosten der Risikoabsicherung, verrin-gerte Absatzchancen, schlechte Rohstoffqualität und -verfügbarkeit, Imageschäden in der Öffentlichkeit oder – damit verbunden – Attraktivitätseinbussen der Unternehmung als Arbeitgeber. Vgl. u.a. DYLLICK (1990), S. 18 ff.; FISCHER, G. (1996), S. 19 ff.; HOLZE (2001), S. 196 ff.

231 Vgl. hierzu MEFFERT / KIRCHGEORG (1998) zu Internationalisierungsstrategien im Umweltschutz, S. 232 ff. sowie S. 27.

232 Zur Systematisierung von Nutzenpotenzialen ökologischer Produktmerkmale als Individual- und Sozialnut-

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Ökonomische Wirkungen von UMS 91

renden Kosten für den administrativen Systemunterhalt (Betriebskosten) und für die regelmässigen, zum Zertifikatserhalt notwendigen externen Audits im Zentrum von Kostenüberlegungen. Aus der Forderung nach kontinuierlicher Weiterentwicklung des UMS und Verbesserung der Umweltleistung können darüber hinaus Kosten für die Sicherstellung des KVP abgeleitet werden. Insbesondere im Übergang von der ersten zur zweiten Phase des ökologischen Entwicklungsprozesses bzw. für die Entwicklung eines operativ zu einem strategisch verankerten Umweltengagements lassen sich hier erhöhte Aufwände für externe Beraterkosten, Sensibilisierungs- und Weiterbildungsmassnahmen sowie für die Realisierung weiterer Umweltschutz-massnahmen und für umweltschutzbezogene Investitionen annehmen. Opportuni-tätskosten im Zusammenhang mit der Vermeidung negativer Imagewirkungen treten ebenfalls eher in späteren Phasen der UMS-Entwicklung ein.

5.3 Fazit: Kosten-Nutzen-Betrachtung im Zeitablauf

Die Nutzenpotenziale von zertifizierten Umweltmanagementsystemen sind sehr viel-fältig, und empirische Befunde belegen deren positive ökonomische Wirkung. Dies gilt trotz der Erkenntnis, dass die eintretenden Nutzen sich nicht immer mit den er-warteten Nutzen decken und die erzielbaren Nutzen in Art und Ausmass stark bran-chen- und situationsabhängig sind. So zeigen sowohl die Studie Dyllick / Ham-schmidt als auch die FEU-Studie aus Deutschland, dass zwar erhoffte externe Ef-fekte wie die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit – zumindest in der kurzen Frist – vielfach ausbleiben, dass mit UMS aber umfassende interne Nutzen generiert wer-den können.233

Doch Aufbau und Realisierung ökonomischer Nutzenpotenziale durch UMS sind mit Kosten verbunden, und aus ökonomischer Perspektive gehört letztlich das Verhält-nis von Aufwand und Ertrag zu den bedeutendsten Komponenten jeder Erfolgs-beurteilung. Empirische Befunde weisen darauf hin, dass dieses Verhältnis in frühen Phasen der UMS-Entwicklung positiv ist, dass der (Netto-)Nutzen von UMS im Zeit-ablauf jedoch tendenziell abnimmt.234 Allgemeingültige Aussagen zur längerfristigen Kosten-Nutzen-Entwicklung sind aufgrund der derzeitigen Erkenntnisse hingegen nicht möglich. Die vorangegangenen Überlegungen zu den Kosten und Nutzen von UMS verweisen aber auf inkongruente Entwicklungen: Der Aufbau des UMS verur-sacht in den meisten Unternehmen relativ hohe Kosten, während der spätere Be-trieb und andere wiederkehrende Kosten eher regelmässig und auf tieferem Niveau anfallen. Nutzen ergeben sich zunächst durch direkte Kosteneinsparungen und Pro-zessoptimierungen, doch beginnen substanzielle, anhaltende Nutzenpotenziale (vorwiegend Aussenwirkungen) erst nach einiger Zeit zu wirken. Der Nettonutzen

zen sowie zur Ableitung entsprechender Marketingstrategien vgl. MEFFERT / KIRCHGEORG (1998), S. 26 f. 233

FEU (1998), S. 7; DYLLICK / HAMSCHMIDT (2000), S. 84 f. Auch: UMWELTBUNDESAMT (2002), S. 42. 234

Vgl. hierzu insbesondere die von DYLLICK / HAMSCHMIDT (1999) analysierten und einander gegenüber gestell-ten Untersuchungen FBU (1995), UNI / ASU (1997), WI (1997), FEU (1998) und ISO-Institut (1998), sowie FREIMANN (1999), S. 136; DYLLICK / HAMSCHMIDT (2000), S. 83.

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92 Ökonomische Wirkungen von UMS

entwickelt sich gemäss diesen modellhaften Überlegungen zunächst positiv, sinkt dann aber u.U. deutlich ab, bis die längerfristigen Nutzenpotenziale zu wirken be-ginnen und sich der Nettonutzen wiederum verbessert. Gleichzeitig ist längerfristig jedoch auch mit höheren Kosten für Umweltschutzmassnahmen zu rechnen, wenn die leicht realisierbaren Potenziale ausgeschöpft und weitere Verbesserungen nur mit erhöhtem Ressourcenaufwand bzw. mit einer Anpassung von Produktprogram-men oder Marktstrategien realisierbar sind. Ein solcher Entwicklungspfad der öko-nomischen Wirkungen von UMS ist in Abb. 21 wiedergegeben.

Abb. 21: Modellhafte Entwicklung des Kosten-Nutzen- Verhältnisses von UMS

Modelle wie dieses fordern Unternehmen dazu auf, die Entwicklung ihres betrieb-lichen Umweltschutzes aus einer längerfristigen Perspektive zu steuern und zu be-urteilen. Aus ökonomischer Sicht stellt sich jeder zertifizierten Unternehmung die Frage, wie sie die positiven wirtschaftlichen Effekte ihres UMS langfristig aufrecht-erhalten kann. Doch gerade hier vermitteln die bisherigen empirischen Erkenntnisse den Eindruck, dass die aktive, strategische, mittel- bis langfristige UMS-Entwick-lung, die für die Realisierung ökonomischer Nutzenpotenziale notwendig ist, weitge-hend vernachlässigt wird. Es werden weitere Untersuchungen notwendig sein, um zu zeigen, inwiefern diese Defizite auch bei „älteren“ UMS bestehen.

Unabhängig davon weist die Kosten-Nutzen-Analyse von UMS praktische Mängel auf: Zum einen wird in den Unternehmen ein weit verbreitetes Manko bei der Erfas-sung der anfallenden Kosten und generierten Nutzen diagnostiziert. Zum anderen lassen sich verschiedene Kosten und Nutzen kaum sinnvoll quantifizieren und in monetäre Grössen umrechnen. Dennoch ist es notwendig, zur Begründung der Umweltschutzaktivitäten im Unternehmen regelmässige Erfolgskontrollen bzw. Leis-

Zeit

Nutzen

Kosten

Ökonomische Wirkungen von UMS

Zeit

Nutzen

Kosten

Ökonomische Wirkungen von UMS

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Ökonomische Wirkungen von UMS 93

tungsmessungen durchzuführen.235 Dadurch lassen sich nicht nur die ökologischen Nutzen im Sinne der Verbesserung der Umweltleistung, sondern auch Schwach-stellen und Potenziale in Bezug auf ökonomische Erfolgsgrössen erfassen. Dies impliziert auch die regelmässige Überprüfung, ob die aufgebauten Strukturen und Systeme auch tatsächlich auf die Sicherstellung des KVP und damit die gezielte Weiterentwicklung des UMS zur ökonomischen und ökologischen Nutzenmaximie-rung ausgerichtet sind oder ob sie primär die Erhaltung des Status quo zum Ziel haben. Nur so kann verhindert werden, dass sich UMS nach anfänglichen Erfolgen zu ineffizienten, bürokratischen und aus ökologischer und ökonomischer Sicht inef-fektiven Systemen entwickeln.

235

Vgl. CLAUSEN / KOTTMANN (1997), S. 10–13; BREIDENBACH (2002), S. 129–130.

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6 Einflussfaktoren des KVP

Worauf gründen Unternehmensentscheidungen zur Weiterentwicklung von UMS und Umweltleistung, und von welchen Faktoren werden sie beeinflusst? Diese Fra-gen stehen im Zentrum des vorliegenden Kapitels. Die Überlegungen fokussieren dabei die strategische und die operative Ebene der Entscheidungsfindung im Unter-nehmen sowie die Wirkung von Einflussfaktoren des KVP unter gegebenen norma-tiven Voraussetzungen.236

Einen überzeugenden konzeptionellen Ansatz zur Systematisierung solcher Fak-toren bieten Meffert / Kirchgeorg, indem sie zwei wirkungsorientierte Idealtypen un-terscheiden. In ihrem Modell für eine strategische Chancen/Risiken-Analyse existie-ren einerseits Ökologie-Pushfaktoren, die Forderungen bezeichnen, welche eine Internalisierung von Umweltschutzproblemen beinhalten und dadurch Druck auf die Unternehmung ausüben. Andererseits bestehen durch Ökologie-Pullfaktoren Ein-flüsse, die das Unternehmen zu Beiträgen zur Lösung von Umweltschutzproblemen auffordern und damit einen „Nachfragesog“ bewirken.237 Diese Systematisierung ist jedoch explizit auf Einflussdimensionen eines marktbezogenen Umweltmanage-ments beschränkt und daher nicht ausreichend, um die komplexen Wirkungs-zusammenhänge von Einflussfaktoren des KVP adäquat zu beschreiben. In der Praxis sind sehr viele Beweggründe aus sehr unterschiedlichen, gerade auch nicht-marktbezogenen Einflussdimensionen denkbar. Sie können die Unternehmung zur Verbesserung ihrer Umweltleistung auffordern oder aktivierende Anreize für die Lö-sung ökologischer Probleme bieten und auf diesem Weg den ökologischen Entwick-lungsprozess mitgestalten.

Durch die verschiedenen Einflussdimensionen fliessen geschäftliche, rechtliche oder technologische Sachzwänge ebenso wie strategische Entscheidungen oder visionäre Grundeinstellungen in ökologische Fragen der Unternehmensführung mit ein. Unternehmen bewegen sich in ihrem ökologischen Entwicklungsprozess stets zwischen Zwang und Freiwilligkeit, zwischen Obligation und Option, zwischen Adap-tion und Selbstgestaltung mit der Folge, dass der ökologische Entwicklungsprozess sowohl von UMS-endogenen als auch von UMS-exogenen Faktoren beeinflusst wird. Allein der Blick auf staatliche Regulierungstendenzen im Umweltschutz zeigt, dass die Unternehmung nicht immer frei darüber entscheiden kann, ob und was sie

236

In der Praxis dominieren fremdbestimmte Motive, die Unternehmen zu freiwilligen Umweltleistungen bewe-gen. Sie können aber auch intrinsisch motiviert sein und z.B. auf Werthaltungen wie die „Liebe zur Natur“, auf religiöse Motive oder auf das Streben nach freiwilliger, vorbeugender Entschärfung von Konflikten („mehr tun als der Gesetzgeber verlangt“) zurückgeführt werden. Intrinsische Beweggründe sind vielfach in Unter-nehmen anzutreffen, in denen starke Führerpersönlichkeiten als Eigentümer wirken oder genossen-schaftliche Strukturen vorhanden sind. Vgl. dazu STAHLMANN / CLAUSEN (2000), S. 32 ff. Die angesprochene normative Basis bei der Einführung von UMS fliesst in die nachfolgende Fallstudienauswahl ein, indem ge-zielt Unternehmen ausgewählt werden, die eine geringe bzw. hohe intrinsische Motivation für freiwillige Um-weltleistungen aufweisen (vgl. Abschnitt 7.1).

237 Vgl. MEFFERT / KIRCHGEORG (1998), S. 15.

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Einflussfaktoren des KVP 95

zum Umweltschutz beiträgt. Weitere Zwangsmomente gehen z.B. von Schlüssel-kunden aus, die ihre Lieferanten nach ökologischen Kriterien prüfen und auf das Erfüllen ökologischer Mindeststandards oder das Vorhandensein eines UMS-Zertifikates grossen Wert legen, oder von Märkten, in denen die Nichtbeteiligung an der Zertifizierung „schlecht für das Image wäre und eine Negativwerbung“ mit sich brächte238. Damit erhalten die Vorgaben von Normen und Richtlinien sowie deren Interpretation durch die zuständigen Auditoren eine besondere Bedeutung als Ein-flussfaktoren des KVP.

Auf der anderen Seite geniesst die Unternehmung einen individuell bemessenen Gestaltungsspielraum, in welchem sie den ökologischen Entwicklungsprozess im freiwilligen Bereich nach eigenen Vorstellungen steuern kann. Treiber und Einfluss-faktoren sind hier z.B. das ökologische Wissens- und Sensibilisierungsniveau im Unternehmen, der normative und strategische Stellenwert, den Organisations-mitglieder und Eigentümer dem Umweltschutz beimessen, sowie ökologische Diffe-renzierungspotenziale in relevanten Märkten.

Abb. 22: Der KVP zwischen Zwang und Gestaltungsspielraum. Abb. 22 illustriert diese Wirkungsmechanismen sowie die übergeordneten Einfluss-dimensionen des KVP, die in obigen Beispielen zum Ausdruck kommen. Es sind dies erstens das Unternehmensumfeld, aus welchem Forderungen und Signale in Bezug auf künftige Entwicklungsoptionen an die Unternehmung gelangen und die von internen und externen Anspruchsgruppen portiert werden, zweitens die Unter-nehmensstrategie im Sinne einer Antwort auf ökologiebezogene Chancen und Ge-fahren, die die vorhandenen Entwicklungsoptionen bieten, sowie drittens die mit ISO 14000f. verbundenen Wirkungen, Forderungen und Verpflichtungen zur Aufrecht-erhaltung der Zertifizierung. In allen drei Dimensionen sind sowohl zwingende Handlungsimperative als auch gestaltbare ökologische Handlungsspielräume denk-bar. Sie werden in den folgenden Ausführungen näher beleuchtet. 238

Vgl. die entsprechende Aussage eines Mitarbeiters von Mercedes-Benz zur Imagewirkung der EMAS-Validierung, zitiert in VOIGT (1999), S. 148.

ZertifizierungStrategieUmfeld

ZertifizierungStrategieUmfeld

ZertifizierungStrategieUmfeld

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Einfluss-faktoren aus: Einfluss-faktoren aus: Einfluss-faktoren aus:

Einfluss-faktoren aus:

KVPKVPKVP

Zwang zur ökologischenVerbesserung

Gestaltungsspielräume der ökologischen Verbesserung

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Zwang zur ökologischenVerbesserung

Gestaltungsspielräume der ökologischen Verbesserung

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KVPKVPKVPKVPKVPKVP

Zwang zur ökologischenVerbesserung

Gestaltungsspielräume der ökologischen Verbesserung

ZertifizierungStrategieUmfeld

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Zwang zur ökologischenVerbesserung

Gestaltungsspielräume der ökologischen Verbesserung

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Zwang zur ökologischenVerbesserung

Gestaltungsspielräume der ökologischen Verbesserung

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ZertifizierungZertifizierung

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96 Einflussfaktoren des KVP

6.1 Einflussfaktor Unternehmensumfeld

Als theoretischer Bezugsrahmen für eine Konzeption der ökologischen Unterneh-mensentwicklung eignet sich das St. Galler Managementmodell.239 Der darin ver-wendete ganzheitliche Ansatz bettet die Unternehmung in eine Reihe von umgeben-den Sphären ein, die mit ihr in Wechselbeziehung stehen (vgl. Abb. 23). Diese Sphären bezeichnen zentrale Kontexte der unternehmerischen Tätigkeiten, unter-scheiden sich im Einzelfall jedoch deutlich je nach Branche und Tätigkeitsgebiet der Unternehmung. Auch weisen sie eigene Veränderungsdynamiken auf, die in Mana-gementprozessen zu berücksichtigen sind. Inwiefern von diesen Sphären Einflüsse auf den KVP von UMS und Umweltleistung ausgehen, ist Gegenstand der fol-genden Ausführungen.240

Abb. 23: Das Umfeldsystem der Unternehmung241

239

Das St. Galler Managementmodell wurde in den 1970er Jahren von Hans Ulrich und Walter Krieg begründet und 2002 von Rüegg-Stürm überarbeitet. Vgl. ULRICH H./KRIEG (1972; 1974), sowie RÜEGG-STÜRM (2002).

240 In den Modellen von Ulrich/Krieg sowie Rüegg-Stürm werden diese Sphären auch als „Umweltsphären“ be-zeichnet und der Begriff „Umwelt“ und dessen Adaptionen werden für die Gesamtheit der sich ausserhalb der Unternehmung befindlichen, unternehmensrelevanten Systeme verwendet. Diese Begriffsverwendung ist mit dem ökologischen Umweltbegriff, wie er im Rahmen dieser Arbeit Anwendung findet, leicht zu verwech-seln. Daher werden in den folgenden Ausführungen im Unterschied zu den Modellbegründern alternativ die Bezeichnungen „Umfeld“ und „Umsysteme“ mit synonymen Bedeutungen verwendet.

241 In Anlehnung an ULRICH H. (1978), S. 81, sowie RÜEGG-STÜRM (2002), S. 22.

UnternehmungBeschaffungs-

märkte AbsatzmärkteUnternehmungBeschaffungs-

märkte Absatzmärkte

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Einflussfaktoren des KVP 97

6.1.1 Ökologisches Umfeld Wirtschaftliche Aktivität besteht auf der physisch-materiellen Ebene in der Transfor-mation von Rohstoffen und Energie in Produkte und von Produkten in Abfälle. Ein-gebettet in ökologische Wirkungszusammenhänge erscheint Wirtschaften dadurch als Transformationsprozess von natürlichen Gütern.242 Abb. 24 stellt diesen Pro-zess dar und unterscheidet auf der Inputseite Material (Rohstoffe, Vorprodukte, etc.), Energie und direkt aus der Umwelt entnommene Ressourcen. Die Output-ströme setzen sich zusammen aus Produkten und Ab-produkten (Abfälle, Reststof-fe), die in nachgelagerte Stufen einfliessen, sowie direkt in die Ökosphäre abgege-bene Emissionen, dich auch Risiken mit einschliessen. Die Unternehmung, aufge-fasst als ökologisches Subsystem,243 tritt in dieser Perspektive im Wesentlichen als Konsument natürlicher Ressourcen auf und als Nutzer natürlicher Depositions- und Regenerationskapazitäten. Für die Unternehmung stehen im Rahmen der ökolo-gisch-ökonomischen Beziehungen die physische Verfügbarkeit derjenigen natür-lichen Ressourcen im Vordergrund, die für ihre Aktivitäten die unerlässliche stofflich-energetische Basis darstellen, sowie die Verfügbarkeit ausreichender Auf-nahmekapazitäten für Emissionen und Abfälle.

Abb. 24: Der Leistungserstellungsprozess aus stofflich-energetischer Perspektive244

Im ökologischen Umsystem häufen sich durch die starke Beanspruchung der na-türlichen Ressourcen sowie der ständigen Abgabe von Schadstoffen seit Beginn der Industrie- und Konsumrevolution im 16. und 17. Jahrhundert Verknappungs- und

242

Vgl. BINSWANGER (1991), S. 66. 243

Vgl. DYLLICK (1992), S. 400 f. 244

In Anlehnung an WIMMER / ZÜST (2000), S. 36.

Vorgelagerte Stufen

Transformation Nachgelagerte Stufen

Unter-nehmung

Produkte

Ab-Produkte

Material

Energie

Ressourcen direkt aus der Ökosphäre

Emissionen

Vorgelagerte Stufen

Transformation Nachgelagerte Stufen

Unter-nehmung

Produkte

Ab-Produkte

Material

Energie

Ressourcen direkt aus der Ökosphäre

Emissionen

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98 Einflussfaktoren des KVP

Veränderungserscheinungen. Als Umweltprobleme werden im Allgemeinen die Übernutzung regenerierbarer Ressourcen, der Verbrauch nicht-regenerierbarer Ressourcen, die Bodenversiegelung und die Belastung der Umweltmedien Wasser, Luft und Boden durch Emissionen und Abfälle unterschieden. Diese Umweltpro-bleme entstehen in erster Linie nicht autonom, sondern als Folge der genannten anthropogenen Einwirkungen.245 Nachdem in der stofflich-energetischen Perspek-tive zwischen Unternehmung und natürlicher Umwelt keine einseitige Beziehung besteht, stellt sich die Frage, welche Folgen diese Umweltprobleme für die einzelne Unternehmung mit sich bringen. Es muss davon ausgegangen werden, dass Unter-nehmen im Zuge der weitergehenden Verknappung der natürlichen Ressourcen und Verschlechterung der Ressourcenqualität durch Schadstoffeinträge mittel- bis lang-fristig zunehmend direkt betroffen sein werden.246 Je nach Branche, Standort oder anderen Gegebenheiten wird sich eine Verknappung der für die Leistungserstellung benötigten Umweltgüter unmittelbar auf die Unternehmenstätigkeit auswirken. Mef-fert / Kirchgeorg schliessen als Konsequenz eine Neuorientierung ganzer Branchen, in Bezug auf die rohstofferzeugende und -verarbeitende Industrie gar eine existen-zielle Bedrohung nicht aus.247 In der Realität ist der direkte Einfluss des ökologi-schen Umsystems auf Unternehmen mit Ausnahme weniger Branchen zum gegen-wärtigen Zeitpunkt jedoch beschränkt. Handlungsimperative und -optionen aus der Naturverknappung resultieren meist indirekt über gesellschaftliche und marktliche Forderungen. 6.1.2 Technologisches Umfeld Entwicklungen und Bedingungen im technologischen Umfeld der Unternehmung sind für die Entwicklung der Umweltleistung von unmittelbarer Bedeutung. Tech-nische und technologische Innovationen wirken sich sowohl in Produkten als auch in der Produktion und der Entsorgung auf die Umweltnutzung aus. Als technische Umweltschutzmassnahmen können Umweltschutztechnologien, die spezifisch zur Umweltentlastung entwickelt und eingesetzt werden, von Technologien unterschie-den werden, die in Investitions- und Konsumgüter integriert sind und nicht (mehr) explizit als Umweltschutztechnologien erkennbar sind.248 Es ergeben sich folgende Basistechnologien für den Umweltschutz:

• „End-of-Pipe“-Technologien, die den traditionellen Produktions- und Konsuma-tionsprozessen nachgeschaltet werden mit dem Ziel, die negativen ökologischen Konsequenzen dieser Prozesse im Nachhinein zu vermindern,

245

Vgl. SIEBERT (1987), S. 178. Als Gründe für die Beeinträchtigung der Funktionen der ökologischen Umwelt unterscheidet Wicke entwicklungs-, wirtschaftssystem- und sozio-ökonomisch bedingte Ursachen, vgl. WICKE (1991), S. 27 ff.

246 Vgl. MEFFERT / KIRCHGEORG (1998), S. 12 f.

247 Vgl. MEFFERT / KIRCHGEORG (1998), S. 13.

248 Vgl. MEFFERT / KIRCHGEORG (1998), S. 90.

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Einflussfaktoren des KVP 99

• Recyclingtechnologien, die die wiederholte Rückführung von bislang nicht ver-wendeten Wertstoffen oder nicht verwerteter Rückstände in einen Produktions-kreislauf oder in eine andere Verwendung zum Ziel haben,249

• Integrierte Umweltschutztechnologien, die Umweltbelastungen entweder gar nicht oder in erheblich geringerem Umfang entstehen lassen.250

Technischen bzw. technologischen Fortschritt definiert Cansier dann als umwelt-freundlich, wenn „neue Verfahren, Produktionsmittel und Konsumgüter es gestatten, mit gleichem (geringerem) Faktoreinsatz (Arbeit und Kapital) eine grössere (gleiche) Schadstoffmenge zu vermeiden. Die ökologische Produktivität des Faktoreinsatzes erhöht sich. Die realen Stückkosten der Vermeidung von Umweltbelastungen neh-men ab“.251 Damit spricht Cansier sowohl ökonomisch als auch ökologisch bedingte Einflussfaktoren des technischen Umfeldes auf den KVP an. Der technische Fort-schritt zwingt die Unternehmung nicht selten zu verbesserter Effizienz und Wirk-samkeit relativ zum Ressourcenverbrauch. Dieser ökologisch wie ökonomisch bedeutsamen Entwicklung können sich Unternehmen i.d.R. nicht entziehen, sind sie doch gezwungen, aus Konkurrenzgründen zeitgemässe und (gesamt-)kosten-günstige Produktionsprozesse einzusetzen und Produkte herzustellen, die in ihrer Nutzung und Entsorgung möglichst geringe (Gesamt-)Kosten verursachen. Oftmals „unbeabsichtigte“ ökologische Verbesserungen rühren auch daher, dass veraltete Technologien (z.B. auf Investitionsgütermärkten) mitunter kaum oder gar nicht mehr verfügbar sind, und Neuinvestitionen gezwungenermassen mit umweltschonende-ren Technologien realisiert werden „müssen“. Technologische Entwicklungen kön-nen aber auch neue Gestaltungsfreiräume öffnen, wenn sie der Unternehmung ökonomisch interessante Alternativen zu traditionellen Verfahren und Technologien bieten. Sie können als Basis für Marktdifferenzierung, Kostensenkungsstrategien oder Risikominderung genutzt werden. Ein Beispiel für die kommerzielle Anwen-dung einer umweltfreundlichen technologischen Innovation ist der Einsatz von bio-gasbetriebenen Fahrzeugen zum Güter- und Personentransport, mit welchem sich einzelne Transportunternehmen in der Schweiz seit einigen Jahren als Pioniere auf dem Markt profilieren. 6.1.3 Gesellschaftliches Umfeld Die Einbettung der Unternehmung in ökologische Zusammenhänge ist nicht nur ein physisches Problem, sondern wirft vor allem auch die Frage nach der Wahr-nehmung und Bewertung der Beziehungen zwischen Unternehmung, Unterneh-mensaktivitäten und Natur auf. Die Unternehmung wird mit Veränderungen in der Umwelt nur selten direkt konfrontiert. Hier spielen gesellschaftliche252 Gruppie-

249

Vgl. JAHNKE (1986). 250

Solche Technologien werden deshalb auch als „Vermeidungstechnologien” oder „clean technologies” be-zeichnet, vgl. ANTES (1988).

251 Vgl. CANSIER (1978), S. 148.

252 Der Begriff „Gesellschaft“ steht hier als Oberbegriff für „Öffentlichkeit“ und „Politik“.

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100 Einflussfaktoren des KVP

rungen (auch als „Stakeholder“, „Bezugs-“ oder „Interessengruppen“ bezeichnet) und ihre ökologischen Ansprüche an die Unternehmung eine bedeutsame Rolle. Sie nehmen denn auch im Rahmen des St. Galler Managementmodells und insbe-sondere in dessen Erweiterung von Rüegg-Stürm breiten Raum ein.253

Freeman versteht den Stakeholderbegriff in einem umfassenden Ansatz wie folgt: „Simply put, a Stakeholder is any group or individual who can affect, or is affected by, the achievement of the company’s purpose. Stakeholders include employees, customers, suppliers, stockholders, banks, environmentalists, government and other groups who can help or hurt the corporation”.254 Dabei ist es unerheblich, ob diese Stakeholder in legitimer Weise in das unternehmerische Geschehen eingreifen oder nicht. Das auf diesem Verständnis entwickelte Anspruchsgruppenkonzept 255 geht davon aus, dass die Unternehmung die gesellschaftliche Legitimation nur dann er-halten kann, wenn sie in ihrer Ziel- und Entscheidungsfindung auch die Interessen nicht-marktlicher Gruppen berücksichtigt. Insbesondere Grossunternehmen lassen sich damit als „quasi-öffentliche Institution“ bezeichnen.256

Die Bandbreite der relevanten Anspruchsgruppen präsentiert sich für kleine und mittelgrosse Unternehmen oft deutlich anders als für Grossunternehmen: Je nach Branche ergibt sich für KMU ein eher lokaler oder regionaler Bezugsradius, wäh-rend Grossunternehmen neben den standortbezogenen Anspruchsgruppen auch den Interessen globaler Organisationen und Institutionen gegenüber stehen.257 Die Identifikation der für die langfristige Überlebenssicherung bedeutsamen Stakeholder geht somit von der individuellen und aktuellen Situation des jeweiligen Unterneh-mens aus. Allgemein lassen sich die in Tab. 12 dargestellten Anspruchsgruppen und Interessen ermitteln.

253

Vgl. dazu RÜEGG-STÜRM (2002), Kapitel 4 und 5. 254

Vgl. FREEMAN (1984), S. 31. 255

Der Stakeholder-Ansatz geht auf die Reflexion der Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft in den 1970er Jahren zurück. So löste das Buch „Taming the Giant Corporation“ von NADER, GREEN und SELIGMAN (1976) in den USA eine intensive Diskussion über die gesellschaftliche Verantwortung von Grossunternehmen aus, die auch im politischen Raum Widerhall fand. Die darin erhobene Forderung nach einer besonderen corpora-te social responsibility gründet auf dem Fehlen direkter Kontrollmöglichkeiten über die Macht der Manager von Publikumsgesellschaften. In die Diskussion floss der Ansatz des societal marketing ein, der zur gleichen Zeit entstand und die Frage in den Vordergrund rückte, wie die von Unternehmungen produzierten Leistun-gen am besten auf die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppen zugeschnitten werden können. Der Ansatz forderte angesichts zunehmender ökologischer und sozialer Probleme die Ablösung des traditionellen Mar-keting-Denkens und verlangte, dass Unternehmen neben dem Streben nach der Erhöhung des Unterneh-menswertes auch Ergebnisse anstreben, die für die Gesellschaft als Ganzes langfristig optimal sind (vgl. MEIER-SCHERLING (1996), S. 103 ff.) Diese beiden Ansätze trugen wesentlich zur Entwicklung des Stakehol-der-value-Ansatzes bei. Vgl. hierzu weiterführend: BLEICHER (1996), S. 121.

256 Vgl. ULRICH P. (1977). Diese Sicht wird durch die Theorie der externen Lenkungssysteme unterstrichen, die in Markt, Politik und Öffentlichkeit bedeutende Einflussfaktoren für die Unternehmung identifiziert (DYLLICK, 1989). Damit wird die akteursbezogene Perspektive des Anspruchsgruppenkonzepts durch eine funktionale Sichtweise ergänzt mit der Folge, dass dieselbe Anspruchsgruppe über verschiedene Wege auf die Unter-nehmung einwirken kann. Im Zusammenhang mit ökologischen Ansprüchen nennt hier Fichter das Beispiel von Greenpeace, „die gegenüber Unternehmen einmal durch publizitätsträchtige Aktionen wie im Falle der Bohrinsel Brent Spar (Öffentlichkeit), ein anderes Mal durch Einwendungen bei Genehmigungsverfahren (Politik) oder sogar im Falle des FCKW-freien Kühlschrankes durch aktive Produktentwicklung (Markt) Ein-fluss auszuüben“ versucht. FICHTER (1998), S. 7.

257 Vgl. STAHLMANN / CLAUSEN (2000), S. 61.

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Einflussfaktoren des KVP 101

Tab. 12: Umweltrelevante Forderungen von Anspruchsgruppen258 Welche Anspruchsgruppen wann und mit welcher Intensität ökologiebezogene For-derungen an die Unternehmung herantragen, kann auf der Grundlage des Lebens-zyklusmodells gesellschaftlicher Anliegen 259 differenziert analysiert werden.260 Gegenstand dieses Modells ist die Beschreibung der Diffusion von Ereignissen im Umsystem der Unternehmung als öffentliche Diskussionsthemen. Es ermöglicht Unternehmen, bis zu einem gewissen Grad den Verlauf und die Ergebnisse gesell-schaftlicher Definitionsprozesse frühzeitig zu erkennen und damit einen Zeitvor-sprung für eventuell notwendige Massnahmen zu erlangen. Dadurch lässt sich das Lebenszyklusmodell bzw. die Diffusionskurve als Prognoseinstrument der öffent-lichen Meinungsdynamik verwenden.261 Dyllick unterscheidet fünf Entwicklungs-phasen im Lebenszyklus öffentlicher Anliegen262:

258

Vgl. COENENBERG ET AL. (1994), S. 97f; ULRICH P. / FLURI (1995), S. 79; CLAUSEN / FICHTER (1996), S. 24 ff. Systematisierung in Anlehnung an HELLENTHAL (2001), S. 55 f.

259 DYLLICK (1989), S. 241 ff.

260 Lebenszyklusmodelle knüpfen am biologischen Prozess von Entstehung und Niedergang von Organismen an und wurden als theoretische Denkmodelle vielfach auf eine Reihe anderer Wissenschaftsgebiete übertra-gen. Beispiele sind die Entwicklung der Moral (KOHLBERG, 1969), des Kindes (PIAGET, 1975) oder der Organi-sation (KIMBERLEY / MILES, 1980). In den 1980er und 1990er Jahren sind Ansätze zur Unternehmensentwick-lung entstanden, die auf den Gründzügen der Lebenszyklustheorie basieren, z.B. GREINER (1982), MINTZ-BERG (1983), S. 503–515; MINTZBERG (1984), S. 213ff; BLEICHER (1991), S. 332–365;. Vgl. auch: PÜMPIN / PRANGE (1991). In der ökologieorientierten betriebswirtlichen Diskussion basiert insbesondere das Modell des Produktlebenszyklus auf den Grundzügen der Lebenszyklustheorie (vgl. auch Abschnitt 4.1).

261 Vgl. STEGER (1993), S. 249ff

262 Vgl. DYLLICK (1989), S. 243ff; MEFFERT / KIRCHGEORG (1998), S. 97 f.

• Umweltfreundliches Verhalten als Beitrag zur Kreditsicherung und zur Schadensprävention

Banken, Versicherungen

• Umweltfreundliche Produkte im Ge- und Verbrauch und in der Entsorgung

• Umweltfreundliche Herstellungsmethoden

Handel, Konsumenten, Verbraucherorganisationen

• Einhaltung umweltrelevanter Normen und Gesetze, Umweltschutz

Staat

• Verschiedenste Forderungen, häufig als Stellvertreter für die natürliche Umwelt

Medien, Bürgerinitiativen, Natuschutzverbände, NGOs, etc.

• Schutz vor Störfällen• Schutz vor langsam eintretenden Belastungen• Schutz vor Lärm und Schadstoffemissionen

Anwohner

• Ethisch und ökologisch vertretbare AnlagemöglichkeitenInvestoren

• Gesundheitsschonendes und risikoarmes Arbeitsumfeld• Verwirklichung der persönlichen umweltfreundlichen

Gesinnung am Arbeitsplatz• Identifikation mit dem ökologischen Verhalten der

Unternehmung

Mitarbeiter

AnsprücheStakeholder

• Umweltfreundliches Verhalten als Beitrag zur Kreditsicherung und zur Schadensprävention

Banken, Versicherungen

• Umweltfreundliche Produkte im Ge- und Verbrauch und in der Entsorgung

• Umweltfreundliche Herstellungsmethoden

Handel, Konsumenten, Verbraucherorganisationen

• Einhaltung umweltrelevanter Normen und Gesetze, Umweltschutz

Staat

• Verschiedenste Forderungen, häufig als Stellvertreter für die natürliche Umwelt

Medien, Bürgerinitiativen, Natuschutzverbände, NGOs, etc.

• Schutz vor Störfällen• Schutz vor langsam eintretenden Belastungen• Schutz vor Lärm und Schadstoffemissionen

Anwohner

• Ethisch und ökologisch vertretbare AnlagemöglichkeitenInvestoren

• Gesundheitsschonendes und risikoarmes Arbeitsumfeld• Verwirklichung der persönlichen umweltfreundlichen

Gesinnung am Arbeitsplatz• Identifikation mit dem ökologischen Verhalten der

Unternehmung

Mitarbeiter

AnsprücheStakeholder

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102 Einflussfaktoren des KVP

• Die Latenzphase, in welcher erste Ereignisse auftauchen und von Einzel-personen und Fachexperten identifiziert und artikuliert werden.

• Die Emergenzphase, in welcher die nunmehr bewusst verfolgten Ereignisse häufiger beobachtet werden und die Thematik im Rahmen von Fachdebatten und Medienberichten mit einem breiteren Interessentenkreis zunehmend in der Gesellschaft diffundiert.

• Die Aufschwungphase, die von einer Überführung der wissenschaftlichen Dis-kussion in eine öffentliche Diskussion (mit Unterstützung von Massenmedien) geprägt ist und sich die Problemstellung in Form öffentlicher und politischer An-sprüche konkretisiert.

• Die Reifephase, in welcher sich die etablierten politischen Kräfte gezwungen sehen, im Hinblick auf die politisierten Anliegen Stellung zu beziehen und eine Regelung anzustreben. Im Vordergrund der Diskussionen stehen die konkrete Lösungsfindung und Regelungsfragen. Die Massenmedien verlieren häufig das Interesse, die öffentliche Aufmerksamkeit stagniert.

• Die Abschwungphase, in welcher die Problematik durch politisch-administrative Instrumente geregelt und kontrolliert wird und die öffentliche Aufmerksamkeit abnimmt.

Abb. 25: Beispielhafter Entwicklungsverlauf eines gesellschaftlichen Anspruchs263

263

In Anlehnung an STEGER (1993), S. 251.

Latenter Anspruch

Befriedigung des

Anspruchs

Konkreter Anspruch

Potent. Öffentl. Anliegen

AnliegenTrendEinzel-ereignisse

SoziopolitischeBedeutung

Anz

ahl I

nter

essi

erte

r

t

Direkt Betroffene, Wissenschaftler, Aktivisten

Massenmedien, PolitikerAnspruchsgruppen

Latenter Anspruch

Befriedi-gung des

Anspruchs

Konkreter Anspruch

Potenzieller Anspruch

Öffentl. Anliegen

AnliegenTrendereignisse

SoziopolitischeBedeutung

Anz

ahl I

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Intellektuelle

Latenter Anspruch

Befriedigung des

Anspruchs

Konkreter Anspruch

Potent. Öffentl. Anliegen

AnliegenTrendEinzel-ereignisse

SoziopolitischeBedeutung

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Direkt Betroffene, Wissenschaftler, Aktivisten

Massenmedien, PolitikerAnspruchsgruppen

Latenter Anspruch

Befriedi-gung des

Anspruchs

Konkreter Anspruch

Potenzieller Anspruch

Öffentl. Anliegen

AnliegenTrendereignisse

SoziopolitischeBedeutung

Anz

ahl I

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essi

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Intellektuelle

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Einflussfaktoren des KVP 103

Als Erkenntnis dieser differenzierten Betrachtung der „Karriere öffentlicher Anliegen“ verweist Dyllick darauf, dass es „im Sinne weiser politischer Voraussicht empfeh-lenswert ist, sich bereits heute mit den brennenden gesellschaftlichen Anliegen zu befassen, da diese einer Regelung zugeführt werden müssen, die auch Unterneh-mungen und ihre Pläne betreffen können“.264 Daraus lässt sich folgern, dass öffentli-che Anliegen in Abhängigkeit ihrer Entwicklungsphase sowohl durch Zwang als auch durch Gestaltungsoptionen Einfluss auf den KVP von UMS und Umwelt-leistung ausüben können. Abb. 25 zeigt das Grundmuster eines „Idealverlaufs“ ei-nes gesellschaftlichen Anspruchs, wie in Steger am Beispiel der FCKW-Diskussion darstellt.

Aktuelle öffentliche und politische Themen können dem KVP als antizipierte Pullfak-toren Impulse verleihen, sofern sie vom Unternehmen aufgenommen werden und zu Aktionen führen, die die Stossrichtung künftiger (potenzieller) gesetzlicher Festle-gungen bereits vorzeitig in unternehmerische Entscheidungen einbeziehen. Bleibt die Unternehmung in diesen ersten Phasen hingegen passiv, kann sie in späteren Phasen über gesetzliche Regelungen und Auflagen zur Internalisierung ökologi-scher Ansprüche in ihr Handeln gezwungen werden. Als Folge der unzureichenden Berücksichtigung des Umweltschutzes im Markt (Marktversagen) legt hierzu der Staat – im demokratischen Verständnis als Ausführungs- bzw. Durchsetzungsin-stanz gesellschaftlicher Anliegen und in der Rolle als „Eigentümer“ der Umweltres-sourcen – die Nutzungsbedingungen mittels umweltpolitischer Massnahmen fest.265 Die Handlungsweise des Staates erfolgt dabei nach drei Prinzipien:266

• Vorsorgeprinzip: Umweltpolitische Massnahmen dienen der Vermeidung künfti-ger Umweltschäden und der Behebung von Schäden aus der Vergangenheit.

• Verursacherprinzip: Die Kosten von Umweltschäden und deren Behebung wer-den demjenigen angelastet, der für ihre Entstehung verantwortlich ist.

• Kooperationsprinzip: Die Durchsetzung umweltpolitischer Massnahmen soll durch eine möglichst weitgehende Beteiligung aller gesellschaftlichen Gruppen und Marktpartner sichergestellt werden.267

Damit verbundene rechtliche Forderungen stellen für die Unternehmung Einfluss-faktoren dar, die sie im Anwendungsfall zu Umweltschutzmassnahmen zwingen. Die Praxis zeigt aber auch, dass sich gesetzgebende Institutionen die Wirkung von vor-gesehenen staatlichen Regelungen zu Nutze machen mit dem Ziel, der Wirtschaft Anreize zur „freiwilligen“ Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes auch in späteren Entwicklungsphasen öffentlicher Anliegen zu bieten. So hat die Legislative

264

Vgl. DYLLICK (1989), S. 246 f. 265

Vgl. MEFFERT / KIRCHGEORG (1998), S. 104. 266

Vgl. MEFFERT / KIRCHGEORG (1998), S. 104. 267

Im Schweizer Umweltschutzgesetz (USG) sind das Vorsorgeprinzip (Art. 1, Abs. 2 USG) und das Verur-sacherprinzip (Art. 2 USG) explizit genannt. Das Kooperationsprinzip lässt sich aus den in der Schweize-rischen Bundesverfassung (BV) festgeschriebenen allgemeinen Handlungs- und Beteiligungsgrundsätze ab-leiten (insbesondere Art. 6 BV).

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104 Einflussfaktoren des KVP

in der Schweiz im Rahmen der CO2-Gesetzgebung von diesem Effekt Gebrauch ge-macht. 268 Staatliche Instrumente, welche ökologisch relevante Verhaltensände-rungen nicht erzwingen, aber die Unternehmung dazu motivieren sollen, können demnach je nach ihrer konkreten Ausgestaltung und nach den individuellen Hand-lungsfreiräumen den KVP von UMS und Umweltleistung durch Zwang oder durch Gestaltungsanreize beeinflussen. Um solche Instrumente handelt es sich ins-besondere bei ökonomischen Anreizinstrumenten (in der Schweiz z.B. bei der Leis-tungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe LSVA), bei Absprachen mit Branchen und Einzelunternehmen, bei Subventionen und anderen finanziellen Fördermitteln sowie bei der informellen Einflussnahme und fachlichen Unterstützung, z.B. durch die Be-reitstellung von Umweltzustandsdaten oder durch die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Forschungsstellen und Unternehmen. 6.1.4 Wirtschaftliches Umfeld Die Entwicklungen in den vorgenannten Umsystemen Natur, Technologie und Ge-sellschaft sind für die Unternehmung primär dann von Interesse, wenn sie sich in einer Veränderung der relevanten Marktbedingungen niederschlagen. Entwick-lungen auf den Beschaffungs- und Absatzmärkten sind hier für die Unternehmung unmittelbar bedeutsam. Um die Konsequenzen für ihre Aktivitäten und Strategien abschätzen, sich ergebende Chancen nutzen und Risiken bewältigen zu können, benötigt die Unternehmung Informationen über entsprechende Entwicklungen auf beiden Seiten. 269

Auf der Beschaffungsseite stellt sich allgemein die Frage nach der Verfügbarkeit der Inputfaktoren. Stahlmann schlägt für die dazu erforderliche ökologische Be-schaffungsmarktanalyse ein ABC / XYZ-Instrument vor, mit welchem die Verfüg-barkeit der einzelnen Ressourcen unter Einbezug gesellschaftlicher, politischer und ökologischer Bedingungen ermittelt werden kann. Tab. 13 zeigt eine Auswahl quali-tativer Bewertungskriterien im ABC-Schema, die im Anwendungsfall mit Mengenkri-terien bzw. mit quantitativen Verbrauchsdaten (XYZ) zu ergänzen sind.

Mit Hilfe solcher Instrumente kann die Transparenz bzgl. der Entwicklungen auf den Ressourcenmärkten verbessert werden, was für die Unternehmensplanung unab-dingbar ist. Der Fokus liegt dabei auf denjenigen Ressourcen, die strategische Rele-vanz haben. Stellmann fordert angesichts der wachsenden, ökologieinduzierten Komplexität zu diesem Zweck eine Professionalisierung des betrieblichen Beschaf-

268

Während der schweizerische Gesetzgeber eine Abgabe auf CO2-Emissionen in Aussicht stellte, schaffte er für die betroffenen Unternehmen gleichzeitig die Möglichkeit, sich durch Realisierung emissionsreduzie-render Massnahmen vor der Einführung der Abgabe von dieser zu befreien. Konkret: Wenn eine Unter-nehmung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eine CO2-Reduktion in festgelegtem Umfang nachweisen kann, ist sie später nicht zur Entrichtung der CO2-Abgabe verpflichtet. Vgl. CO2-GESETZ.

269 Ulrich und Rüegg-Stürm weisen darüber hinaus auf die Bedeutung von Veränderungen auf gesamtwirt-schaftlicher Ebene hin, wie insbesondere die Entwicklung volkswirtschaftlicher Rahmenbedingungen oder die Verfügbarkeit von Kapital und Arbeitskräften. Deren Auswirkungen auf die unmittelbaren wirtschaftlichen Bedingungen auf einzelwirtschaftlicher Ebene sind entsprechend bedeutsame Grundlagen für die strategi-sche Entscheidungsfindung. Vgl. ULRICH, H. (1978), S. 76 ff.; RÜEGG-STÜRM (2002), S. 26.

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Einflussfaktoren des KVP 105

fungsmanagements sowie – analog zur Definition strategischer Geschäftsfelder270 auf der Absatzseite – die Festlegung „strategischer Ressourcenfelder“.271 Diese be-zeichnen genau definierte Inputfaktoren und die zu ihrer Bereitstellung erforder-lichen Naturgüter. Sie beziehen sich auf diejenigen natürlichen Ressourcen, die für die Wettbewerbs- und Überlebensfähigkeit der Unternehmung unerlässlich sind.

Tab. 13: ABC-Analyseinstrument mit ausgewählten ökologischen Bewertungskriterien von Inputfaktoren272

Die Klassifizierung der Inputgüter bezüglich ihrer ökologischen Relevanz einerseits und ihrer strategischen Bedeutung andererseits gibt Hinweise darauf, bei welchen Beschaffungsgütern ökologischer Handlungsbedarf geboten ist und wo Spielraum für beschaffungsseitigen Umweltschutz vorhanden ist. In der Praxis zeigt sich dies z.B. in der Substituierung von Rohstoffen, die zwar in strategisch wichtige Produkte einfliessen, die aufgrund ökologisch bedenklicher Eigenschaften jedoch eine poten-zielle Gefahr für die Unternehmung darstellen, oder auch in der Berücksichtigung ökologischer Kriterien in der Lieferantenauswahl.

270

Zum Begriff der strategischen Geschäftsfelder vgl. ausführlich: PÜMPIN (1983). 271

Vgl. STELLMANN (1997), S. 80. 272

Vgl. STAHLMANN (1994), S. 185 ff. Die in der Abbildung nicht dargestellten quantitativen Daten, die den Stoff- und Energiefluss analog nach einem XYZ-System klassieren, ergeben in Kombination mit der ABC-Analyse die absolute Bedeutung einer Ressource und ihrem Verfügbarkeitsgrad für die Unternehmung.

Ressourcen: Inputfaktoren zur Produktherstellung wie Rohstoffe, Vorprodukte, Halbfabrikate, Verfahren.Klassierung des Handlungsbedarfs: A = hoch / akut; B = mittelfristig / untergeordnet; C = unbedenklich *VNS = Vor- und Nachstufe

Ressource bleibt langfristig verfügbar bzw. Substituierung möglich.

Erschöpfung mittelfristig zu erwarten (30–100 Jahre)

Erschöpfung kurzfristig zu erwarten (bis 30 Jahre)

Erschöpfung nichterneuerbarer Ressourcen

Ressource mit geringen Umweltbelastungen auf VNS

Ressource mit mittleren Umweltbelastungen auf VNS

Ressource mit hohen Umweltbelastungen auf VNS

Externe Effekte: Umweltbelastungen auf VNS*

Kein / kaum Kontrollaufwand

Mittlerer KontrollaufwandHoher Kontroll- und Handlingaufwand, hohe Abschreibungen

Internalisierte Umweltkosten

Kein / kaum ökolog. Risiken und Schadenspotenziale

Mittleres Risiko- und Schadenspotenzial

Hohes Risiko- und Schadenspotenzial

Gefährdungs- und Störpotenzial

Ressource steht ausserhalb jeglicher Kritik

Frühwarnsignale: Fachleute warnen vor Verharmlosung, fordern Auflagen

Ressource steht in gesell. Kritik trotz Einhaltung der Gesetze

Gesellschaftliche Kritik

Keine Auflagen, weder bestehend noch absehbar

Verschärfung der Grenzwerte sind absehbar

Gesetzliche Grenzwerte werden überschritten

Umweltrechtliche und politische Anforderungen

CBAKlassierung Qual. Kriterien

Ressourcen: Inputfaktoren zur Produktherstellung wie Rohstoffe, Vorprodukte, Halbfabrikate, Verfahren.Klassierung des Handlungsbedarfs: A = hoch / akut; B = mittelfristig / untergeordnet; C = unbedenklich *VNS = Vor- und Nachstufe

Ressource bleibt langfristig verfügbar bzw. Substituierung möglich.

Erschöpfung mittelfristig zu erwarten (30–100 Jahre)

Erschöpfung kurzfristig zu erwarten (bis 30 Jahre)

Erschöpfung nichterneuerbarer Ressourcen

Ressource mit geringen Umweltbelastungen auf VNS

Ressource mit mittleren Umweltbelastungen auf VNS

Ressource mit hohen Umweltbelastungen auf VNS

Externe Effekte: Umweltbelastungen auf VNS*

Kein / kaum Kontrollaufwand

Mittlerer KontrollaufwandHoher Kontroll- und Handlingaufwand, hohe Abschreibungen

Internalisierte Umweltkosten

Kein / kaum ökolog. Risiken und Schadenspotenziale

Mittleres Risiko- und Schadenspotenzial

Hohes Risiko- und Schadenspotenzial

Gefährdungs- und Störpotenzial

Ressource steht ausserhalb jeglicher Kritik

Frühwarnsignale: Fachleute warnen vor Verharmlosung, fordern Auflagen

Ressource steht in gesell. Kritik trotz Einhaltung der Gesetze

Gesellschaftliche Kritik

Keine Auflagen, weder bestehend noch absehbar

Verschärfung der Grenzwerte sind absehbar

Gesetzliche Grenzwerte werden überschritten

Umweltrechtliche und politische Anforderungen

CBAKlassierung Qual. Kriterien

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106 Einflussfaktoren des KVP

Absatzseitig wird der KVP durch Entwicklungen der Märkte, der Kundenpräfe-renzen, des Verhaltens der Konkurrenz und weiterer Rahmenbedingungen gefördert oder eingeschränkt. Die relevanten Konstellationen können je nach Ausprägung (Nachfragemacht, faktische Marktbeschränkungen, etc.) die Unternehmung zu Um-weltentlastungen zwingen oder Freiräume für die Gestaltung von Marktleistungen und Marktbeziehungen bieten. Es lassen sich insbesondere die folgenden Einfluss-faktoren unterscheiden:273

Marktsituation • Vorhandensein und Entwicklungsfähigkeit von Teilmärkten, in denen Umwelt-

probleme bestehen (Wachstum, Volumen, Ausschöpfungsgrad, etc.) • Existenz und Entwicklungsfähigkeit ökologisch sensibilisierter Märkte

Kundensituation • Einstellung und Sensibilität der Kunden / Entscheidungsträger zu Umweltthemen • Verhalten bei Produkten, die mit Umweltproblemen behaftet sind (Verzichtbereit-

schaft auf ausgewählte Nutzenelemente oder vollkommene Verzichtbereitschaft) • Akzeptanz, Nachfrage und Honorierbereitschaft ökologischer Produkteigen-

schaften im Sinne eines individuellen oder gesellschaftlichen Zusatznutzens, inkl. umweltschonender Herstellung und Entsorgung

• Merkmale ökologisch bewusster Kundensegmente

Handelssituation • Vertriebskanäle und funktionelles Zusammenwirken der Akteure • Grundhaltung der Handelspartner zu ökologischen Themen • Einstellung der Handelspartner zu ökologischen Produkteigenschaften

(z.B. Verpackung, Redistribution, Recyclingkanäle)

Wettbewerberverhalten • Ökologieorientierung wesentlicher Konkurrenten und der gesamten Branche • Konkurrenzintensität in ökologischen Teilmärkten • Austrittsbarrieren aus Teilmärkten mit Umweltproblemen • Kooperationsbereitschaft der Wettbewerber zur gemeinsamen Lösung

ökologischer Probleme

Umfeldsituation • Staatliche Vorgaben hinsichtlich ökologischer Produkteigenschaften

(Gesetze, Anreize, Auflagen, etc.) • Beeinflussung durch Anspruchsgruppen und Öffentlichkeit • Exponiertheit der Unternehmung und der Branche zu ökologischen Themen • Kooperationsbereitschaft über Branchengrenzen hinweg (vor- und

nachgelagerte Stufen der Wertschöpfungskette) • Ökologische Problemintensität.

273

In Anlehnung an STELLMANN (1997), S. 81, und BRUHN (1992), S. 538 ff. Die Systematisierung entspricht im Kern der allgemeinen Marktanalyse als Grundlage für die Entwicklung von Marketingstrategien, vgl. dazu KOTLER / BLIEMEL (1995), S. 182 ff.

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Einflussfaktoren des KVP 107

Folgerungen Die Herausforderungen, Ansprüche und Entwicklungen, die aus der Analyse der Umfeldsphären resultieren, können den KVP in Form von Handlungsimperativen, -anreizen und -alternativen sehr unterschiedlich beeinflussen. Sie legen den Spiel-raum fest, innerhalb welchem die Unternehmung – ausgehend vom aktuellen Um-weltleistungsniveau – Massnahmen zur zusätzlichen Umweltentlastung ergreifen kann oder muss. So führen nicht nur gesetzliche Verschärfungen zu zwingenden ökologischen Entlastungsmassnahmen, sondern auch die allgemeine, oft unaus-weichliche Ablösung veralteter Produkte und Produktionsverfahren durch ökologisch optimierte Nachfolgetechnologien. Auch direkte und indirekte Forderungen von Kunden, Märkten oder der Gesellschaft können als Imperative für den KVP wir-ken.274 Dies untermauert die Bedeutung der aktiven Beschäftigung des Manage-ments mit den Entwicklungen im Umsystem der Unternehmung: Erst dadurch bietet sich die Möglichkeit, den KVP von UMS und Umweltleistung proaktiv voraus-schauend und adaptiv im Hinblick auf künftige Forderungen und strategische Chan-cen zu steuern.

6.2 Einflussfaktor Unternehmensstrategie

Im vorangegangenen Abschnitt wurde gezeigt, wie die Umsysteme der Unterneh-mung und deren Veränderungen zu Restriktionen, Spielräumen und Anreizen für Unternehmensentscheidungen führen. Der folgende Abschnitt befasst sich mit den strategischen Antworten von Unternehmen auf die ökologisch relevanten Umfeld-bedingungen und mit der Frage der Folgen für den KVP von UMS und Umwelt-leistung. Die Überlegungen knüpfen an der von Tom Peters, Co-Autor des Best-sellers „In Search of Excellence“, bereits 1988 vertretenen Überzeugung an, dass sich Unternehmen ökologischen Themen heute nicht mehr entziehen könnten. Er stellt im Gegenteil fest: „Es besteht kein vernünftiges Szenario, in dem Umwelt-schutz künftig für Unternehmen nicht eine noch wesentlichere Rolle spielen wird“.275

Allgemein unterscheiden sich Unternehmen dahingehend, ob sie ökologischen Her-ausforderungen abwehrend begegnen und versuchen, daraus entstehende Risiken zu vermeiden (defensive Strategieausrichtung), oder ob sie sie als unternehme-rische Chance nutzen und proaktiv gegenüber Markt oder Gesellschaft zur Geltung bringen (offensive Strategieausrichtung). 276 Beide strategischen Verhaltens-weisen können dazu führen, dass Unternehmen ein Umweltmanagementsystem aufbauen, betreiben und evtl. zertifizieren lassen, wenn auch mit völlig anderen Ziel-

274

Ein solches Beispiel konnte beobachtet werden, als im Zuge der öffentlichen Diskussion zur Umwelt-belastung von Waschmitteln in den 1980er Jahren zahlreiche Hersteller die biologische Abbaubarkeit der verwendeten Substanzen deutlich verbesserten und dies sehr aktiv als Verkaufsargument nutzten. Andere Hersteller mussten gleichziehen, um ihre Marktanteile halten zu können.

275 Aussage von Tom Peters anlässlich eines FAZ-Seminars zum Thema Umweltmanagement, München, 1988, zitiert in: BRUNNER ET AL. (1995), S. 20.

276 Vgl. Dyllick / Belz / Schneidewind (1997), S. 76.

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108 Einflussfaktoren des KVP

setzungen. Während es im ersten Fall darum geht, potenzielle Gefahren zu vermei-den, die aus dem Nichtaufbau eines UMS resultieren würden, werden im zweiten Fall ökologischen Herausforderungen als Chance wahrgenommen, die es über ent-sprechende strategische Vorgehensweisen zu nutzen gilt. Es liegt auf der Hand, dass sich diese unterschiedlichen Anwendungsziele von Umweltmanagement-systemen auch auf den KVP von UMS und Umweltleistung auswirken. Daher inte-ressieren im Rahmen der vorliegenden Fragestellungen die strategischen Stossrich-tungen von UMS im Hinblick auf deren Einfluss auf den KVP.

Abb. 26: Strategische Ausprägungen und Zwecke von UMS277 Einen geeigneten Systematisierungsansatz bietet Dyllick, aufbauend auf der Typo-logie ökologischer Wettbewerbsstrategien von Dyllick / Belz / Schneidewind.278 Er unterscheidet UMS aufgrund ihres Strategiebezugs (Gesellschaft oder Markt) und ihrer strategischen Ausrichtung (defensiv oder offensiv) und verdeutlicht den Zu-sammenhang zwischen Ausrichtung und Zweck einerseits und Wettbewerbs-strategie andererseits. Damit lassen sich vier Idealtypen von UMS-Ausprägungen unterscheiden (vgl. Abb. 26).

Der Typ Auditierung steht für ein UMS, dessen Zweck in der defensiven Marktab-sicherung gegenüber gesellschaftlichen Herausforderungen liegt. Das Unternehmen soll möglichst „sauber“ geführt und so vor ökologischen Risiken und Nachteilen be-wahrt werden. Das UMS-Zertifikat dient dazu, das Umweltengagement der Unter-nehmung gegenüber den relevanten Anspruchsgruppen zu dokumentieren. Haupt-aktivitäten sind typischerweise Massnahmen zum Erhalt der Rechtskonformität, zur Risikovorsorge und zur Imagebildung.

277

Nach Dyllick / Belz / Schneidewind (1997), S. 76. 278

Vgl. DYLLICK (1999), S. 126 ff.; DYLLICK / BELZ / SCHNEIDEWIND (1997), S. 75 ff.

Differenzierung„Marketing/PR“• Imagebildung• Differenzierung im

Markt

Marktentwicklung„Public Affairs“• Beeinflussung

politischer und öffentl. Rahmenbedingungen

Offensiv

Kostenstrategien„Controlling“• Lieferfähigkeit• Kostenmanagement

Marktabsicherung„Auditierung“

• Rechtssicherheit• Haftungsvorsorge• Imagebildung

Defensiv

MarktGesellschaft

Strategiebezug

Strategie-ausrichtung

Differenzierung„Marketing/PR“• Imagebildung• Differenzierung im

Markt

Marktentwicklung„Public Affairs“• Beeinflussung

politischer und öffentl. Rahmenbedingungen

Offensiv

Kostenstrategien„Controlling“• Lieferfähigkeit• Kostenmanagement

Marktabsicherung„Auditierung“

• Rechtssicherheit• Haftungsvorsorge• Imagebildung

Defensiv

MarktGesellschaft

Strategiebezug

Strategie-ausrichtung

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Einflussfaktoren des KVP 109

Der Typ Controlling hat die möglichst effiziente Erfüllung ökologischer Anforde-rungen zum Ziel. Das UMS wird eingesetzt, um kostenwirksame Verbesserungspo-tenziale aufzuspüren und zu nutzen. Dies bedingt und fördert die betriebliche Pro-zessbeherrschung. Ansatzpunkt für Massnahmen sind die unmittelbar relevanten Forderungen von Kunden, die ihre Lieferanten nach ökologischen Kriterien beur-teilen, sowie von Mitarbeitern und Management. Für das Controlling bzw. für die Planung, Steuerung und Kontrolle der Umweltleistung und der mit den Umweltwir-kungen verbundenen Kosten werden typischerweise Stoff- und Energieflussrech-nungen, Ökobilanzen und Kennzahlen verwendet.

Der Typ Marketing reflektiert das strategische Ziel der ökologischen Differenzierung im Markt. Durch innovative Produkte und Leistungen, die vom Kunden als ökologi-scher Zusatznutzen wahrgenommen werden, sollen Differenzierungspotenziale er-schlossen, bestehende Marktpositionen gestärkt und/oder ein spezifisches Unter-nehmensimage gefördert werden. Das UMS wird nach aussen als Instrument des Marketings und der Imagebildung genutzt, nach innen soll es die ökologische Pro-duktentwicklung unterstützen. Im Vordergrund stehen damit kommunikative sowie produkt- und marktbezogene Massnahmen.

Das UMS vom Typ Public Affairs ist Ausdruck ökologischer Marktentwicklungsstra-tegien. Ziel ist es, die Rahmenbedingungen in Gesellschaft und Markt so mitzuge-stalten, dass ökologische Wettbewerbsfelder entstehen und sich ausweiten können. Dabei werden Öffentlichkeit, Politik oder Akteure im Umfeld der Zielmärkte gezielt beeinflusst. Die Unternehmung kann durch den aktiven, progressiven Austausch mit externen Anspruchsgruppen zudem die Voraussetzungen schaffen, als legitimer Partner in öffentlichen und politischen Diskursen anerkannt zu werden und sich letztlich als ökologischer Pionier zu profilieren.

Als zusätzliche idealtypische UMS-Ausprägung definieren Dyllick bzw. Dyllick / Hamschmidt 279 im Sinne einer Verfeinerung des Systematisierungsansatzes den UMS-Typ „Infrastruktur“, dem sie eine strategische Ausrichtung jedoch ab-sprechen, weshalb sie in Abb. 26 nicht erwähnt wird. Hier besteht der Zweck des UMS in der Verbesserung der Organisationseffizienz, was durch das Schaffen von Transparenz und Systematik im Umweltschutz sowie durch die Verbesserung der Mitarbeitermotivation erreicht werden soll. Bei zertifizierten UMS betreffen die Aktivi-täten dieses UMS-Typus die Erfüllung der Normforderungen in Bezug auf Planung, Organisation, Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeiter, die Umsetzung der Massnahmen, die Kontrolle und die Korrektur von Abweichungen.

Zwischenfazit und Vorgehen in den Fallstudien Ein Teilziel dieser Forschungsarbeit liegt in der Beschreibung des Entwicklungspro-zesses von UMS nach deren Erstzertifizierung. Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, welche Einflussfaktoren dabei von Bedeutung sind: Kapitel 5 befasste sich mit Aufwand und Ertrag von UMS und betrachtete die ökonomische Nutzenentwick-

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110 Einflussfaktoren des KVP

lung aus mittel- bis langfristiger Perspektive. Die Abschnitte 6.1 und 6.2 diskutierten Einflussfaktoren jenseits der normativen umweltbezogenen Grundeinstellung im Unternehmen: Einflüsse, die sich aus dem Umsystem der Unternehmung und des-sen strategischer Ausrichtung ergeben. Hier zeigt sich, wie ungleich jede einzelne Unternehmung externen Einflussfaktoren ausgesetzt ist und auf welche Weise – aktiv oder passiv, defensiv oder offensiv – sie diesen Kräften begegnen kann. Wel-che Strategie sie wählt, ist nicht zuletzt von normativen Werten abhängig, doch sind auch die tatsächlich vorhandenen Spielräume und Anreize von Bedeutung.

Abb. 27: Ökonomisches Wirkungsmodell von UMS und Unternehmung

In den Fallstudien wird es darum gehen, die Entwicklung des UMS seit der Erstzerti-fizierung im Kontext der Einflussfaktoren aus den Umsystemen und der allgemeinen Unternehmensstrategie aufzuzeigen. Der Analyse liegt ein Modell zugrunde, das von einer Wechselbeziehung zwischen der Unternehmung und dem UMS ausgeht, wie sie analog auch für andere Managementsysteme gilt: Einerseits wirken sich die strategischen Entscheidungen der Unternehmensführung, beeinflusst durch ihre Umsysteme, als KVP-hemmende und -fördernde Faktoren auf die UMS-Entwicklung aus, andererseits erbringt das UMS dem Unternehmen einen Beitrag zur Erreichung ökologischer und ökonomischer Ziele (vgl. Abb. 27).

In der Fallstudienbearbeitung werden zunächst Fragen nach der Art und Bedeutung der Einflussfaktoren auf die UMS-Entwicklung ins Zentrum gerückt. Darüber hinaus ist die Entwicklung des unternehmerischen Nutzens aus dem UMS im Zeitablauf 279

Vgl. DYLLICK (2000a), S. 28; DYLLICK / HAMSCHMIDT (2000), S. 112 ff.

UnternehmungBeschaffungs-

märkte Absatzmärkte

KVP-fördernde und -hemmende

Einflüsse

Beitrag zur Zielerreichung

UMS-Entwicklung

UnternehmungBeschaffungs-

märkte Absatzmärkte

KVP-fördernde und -hemmende

Einflüsse

Beitrag zur Zielerreichung

UMS-Entwicklung

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Einflussfaktoren des KVP 111

von Interesse. Ebenfalls betrachtet wird die Frage, wie eng die Entwicklung des UMS und jene der Unternehmung in der Praxis miteinander gekoppelt sind. Zu die-sem Zweck wird der Entwicklungsprozess des UMS in Phasen unterteilt, die sich an den Effizienz- und Effektivitätsniveaus des UMS zu verschiedenen Zeitpunkten ori-entieren, wodurch sich das in Abb. 28 dargestellte Schema für die Fallstudien-erarbeitung ergibt.

Abb. 28: Schema zur Erhebung und Beurteilung des UMS-Entwicklungsprozesses

Umfeldeinflüsse Umfeldeinflüsse

Strategie Strategie

UMS-Struktur UMS-Struktur

Nutzen des UMS Nutzen des UMS

Phase 1 Phase 2

Zeitablauf

Erst

zert

ifizi

erun

g

Umfeldeinflüsse

Strategie

UMS-Struktur

Nutzen des UMS

Phase ..n

Umfeldeinflüsse Umfeldeinflüsse

Strategie Strategie

UMS-Struktur UMS-Struktur

Nutzen des UMS Nutzen des UMS

Phase 1 Phase 2

Zeitablauf

Erst

zert

ifizi

erun

g

Umfeldeinflüsse

Strategie

UMS-Struktur

Nutzen des UMS

Phase ..n

Umfeldeinflüsse Umfeldeinflüsse

Strategie Strategie

UMS-Struktur UMS-Struktur

Nutzen des UMS Nutzen des UMS

Phase 1 Phase 2

Zeitablauf

Erst

zert

ifizi

erun

g

Umfeldeinflüsse

Strategie

UMS-Struktur

Nutzen des UMS

Phase ..n

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112 Einflussfaktoren des KVP

6.3 Einflussfaktor ISO-Zertifizierung

Im Zusammenhang mit den Einflussfaktoren für den KVP von UMS und Umwelt-leistung interessiert im Folgenden die Frage, ob und inwiefern die ISO-Zertifizierung Entwicklungs- und Verbesserungsprozesse fördern kann. Im vorliegenden Abschnitt werden deshalb die Zusammenhänge zwischen Zertifizierung und KVP heraus-gearbeitet, um damit die Grundlagen für die empirische Untersuchung zu schaffen.

Die Praxis zeigt, dass Organisationen regelmässig einen beträchtlichen Aufwand betreiben, um ihr UMS zertifizieren zu lassen und um das Recht, das Zertifikat nach innen und aussen zu verwenden, beibehalten zu können. Gemäss der Studie von Dyllick / Hamschmidt280 war für 85% aller befragten Schweizer Unternehmen im Jahr 1999 das ISO-14001-Zertifikat ein „wichtiger“ (44%) bzw. „eher wichtiger“ (41%) Grund für die UMS-Einführung. Die „Erlangung des Zertifikats“ lag damit an zweiter Stelle der Begründungen für den UMS-Aufbau, direkt hinter der Zielsetzung „Ver-besserung des Images in der Öffentlichkeit“. Ein vergleichbares Resultat zeigt eine frühere Umfrage von Arthur D. Little, nach welcher 62% der amerikanischen und 60% der britischen Teilnehmerfirmen der Zertifizierung ihres UMS zentrale Bedeu-tung beimassen.281

Warum die Zertifizierung als Entscheidungskriterium für den UMS-Aufbau eine solch dominante Rolle einnimmt, geht aus beiden Umfragen allerdings nicht hervor. Auch lässt sich aus den Ergebnissen nicht eruieren, weshalb Unternehmen, die der Zerti-fizierung ihres UMS keinen hohen Stellenwert einräumen, es dennoch zertifizieren lassen.282 Geht man davon aus, dass die bis dato zertifizierten Unternehmen auch ohne ISO 14001 ein UMS aufgebaut hätten,283 verbleiben durch die Entscheidung für die Zertifizierung die Kosten für die regelmässige Überprüfung des UMS durch externe, unabhängige Begutachter sowie die Aufwendungen für die Aufrecht-erhaltung der Normkonformität. Die Kosten für die Zertifizierung belaufen sich im Durchschnitt auf CHF 18’000.284 Es stellt sich die Frage, wie dieser Aufwand be-gründet und die Kosten gerechtfertigt werden sowie – in Bezug auf die hier interes-sierenden Fragestellungen – welche Wirkung die Anforderungen an eine Zertifizie-rung auf die Entwicklung des UMS bzw. auf den KVP ausüben.

280

Vgl. DYLLICK / HAMSCHMIDT (2000), S. 42. (n=158; mit Mehrfachnennungen) 281

Umfrage zitiert in: SUNDERLAND (1997), S. 135 f. 282

In der Umfrage von Dyllick / Hamschmidt bei ISO-zertifizierten Unternehmen waren es rund 15%, die die Zertifizierung nicht als „wichtig“ oder „eher wichtig“ beurteilten (vgl. DYLLICK / HAMSCHMIDT, 2000, S. 42), in der Untersuchung von Arthur D. Little (vgl. SUNDERLAND (1997), S. 135 f.) rund 30%.

283 Diese Annahme ist empirisch allerdings kaum haltbar, zeigen doch die Resultate der Studie DYLLICK / HAMSCHMIDT (2000), dass für einen grossen Teil der in der Schweiz zertifizierten Unternehmen die mit dem UMS verbundenen Erwartungen direkt oder indirekt an das ISO-Zertifikat gebunden sind. Vgl. auch den fol-genden Abschnitt.

284 Vgl. DYLLICK / HAMSCHMIDT (2000), S. 73. Die Kosten der Zertifizierung korrelieren stark mit der Unter-nehmensgrösse. Die von Dyllick / Hamschmidt erhobenen Zahlen decken nur die direkten Kosten der Zertifi-zierung ab. Darüber hinaus fallen Opportunitätskosten an, indem Organisationen sich an die externen Vor-gaben der Norm halten, anstatt eine eigene, massgeschneiderte Umweltschutzlösung zu konzipieren. Diese Kosten lassen sich jedoch nicht beziffern und können im Einzelfall auch als Gewinn ausfallen, wenn die Normen die Suche nach einer eigenen Lösung erleichtern. Detailliert zu Kosten von UMS vgl. Kapitel 5.

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Einflussfaktoren des KVP 113

Der Begriff Zertifizierung umfasst zweierlei: Zum einen steht er für die Verleihung des ISO-14001-Zertifikates und damit für ein Dokument, das die Konformität des implementierten UMS mit den Vorgaben der ISO-Norm bescheinigt. Darin ist implizit die Aussage eingeschlossen, dass die Organisation in der Lage bzw. fähig ist, die betriebliche Umweltpolitik umzusetzen und die festgelegten Zielsetzungen zu reali-sieren.285 Zum anderen bedeutet die Zertifizierung, dass sich die Unternehmung ei-ner externen Auditierungsroutine während der Gültigkeitsdauer des Zertifikats un-terzieht. Das Zertifikat ist ein reines Kommunikations- und Signalisationsmittel, das nach innen und aussen verwendet werden kann, um das betriebliche Umwelt-engagement zu dokumentieren. Demgegenüber ist der Akt der Zertifizierung eine geregelte Abfolge von Überwachungs- und Rezertifizierungsaudits, bei welchen ei-ne unabhängige Instanz den Einblick in die Strukturen, Abläufe und Ergebnisse des UMS verlangt und diese in Bezug auf die Normvorgaben beurteilt.

Ziel der folgenden Ausführungen ist es, im Hinblick auf die empirische Unter-suchung die Einflussfaktoren von Zertifikat und externer Auditierung auf den KVP zu systematisieren. Dazu werden zunächst mit Hilfe empirischer Untersuchungen die Gründe für die Zertifizierung des UMS zusammengetragen, bevor die Funktionen externer Audits und die Auditsituation unter Berücksichtigung der in der Praxis vor-herrschenden integrierten Managementsystem-Konzeption betrachtet werden. 6.3.1 Gründe für die Zertifizierung Warum Unternehmen ein UMS nicht nur aufbauen, sondern es auch zertifizieren lassen, lässt sich mit Hilfe der eingangs erwähnten empirischen Studien nur in An-sätzen nachvollziehen. Die Gründe sind je nach Unternehmenskontext unterschied-lich. Es fällt aber auf, dass die Argumente, die Unternehmen für die Zertifizierung anführen, meist zwei unterschiedliche Sachverhalte ansprechen:

• Argumente, die untrennbar mit dem Erhalt des ISO-Zertifikats verbunden sind, sowie

• Argumente, die den Aufbau eines UMS, nicht aber dessen ISO-Zertifizierung betreffen.

Hinweise auf die Gründe, weshalb Unternehmen ein Managementsystem zertifizie-ren lassen, finden sich im Zusammenhang mit der ISO-Zertifizierung von Qualitäts-managementsystemen. Diese Erkenntnisse sind zwar nur sehr beschränkt auf die UMS-Zertifizierung übertragbar, da die Rahmenbedingungen, die zum QMS-Aufbau führen, nur in Ansätzen mit jenen des UMS-Aufbaus vergleichbar sind. Mangels ent-sprechender Praxisuntersuchungen im UMS-Bereich geben sie hier dennoch auf-schlussreiche Inputs zur Diskussion von UMS-Zertifizierungsgründen. So zitiert bei-spielhaft Malorny eine Befragung von 325 QMS-zertifizierten Unternehmen286 mit fol-

285

Vgl. FISCHER / PÄRSCH (1995), S. 279. 286

MALORNY / KASSEBOHM (1994), S. 230; MALORNY (1996), S. 32 f.

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114 Einflussfaktoren des KVP

genden Resultaten: 76% der Befragten sahen im Zertifikat einen Vorsprung vor den Wettbewerbern, 60% haben die Zertifizierung aufgrund von Kundenverlangen ange-strebt, jedes zweite Unternehmen verband das Zertifikat mit einer Verbesserung der Produktqualität und ebenso viele versprachen sich Vorteile in Werbung und Marke-ting. Darüber hinaus implementierte und zertifizierte rund ein Viertel der Befragten das QMS aufgrund von Forderungen der Muttergesellschaft. In ähnlicher Weise prä-sentieren sich auch die Zertifizierungsgründe, die die empirische Untersuchung ei-ner BMBF-Forschergruppe287 ermittelte: Hier gaben nur drei Prozent der 129 befrag-ten zertifizierten Unternehmen an, dass sie aufgrund wirtschaftlicher Gesichtspunkte (Kostensenkung) die Zertifizierung vollzogen haben, während 66% Umsetzungs-druck für die Zertifizierung äusserten.288 Betrachtet man diese Begründungen für die Zertifizierung von QMS, wird die Vermischung von Zertifizierungs- und Implemen-tierungsargumenten evident. Betrachtet man zusätzlich die prozentuale Verteilung der angegebenen Zertifizierungsgründe, legt dies den Schluss nahe, dass für eine Mehrheit der Unternehmen das Zertifikat die primäre Zielsetzung des ISO-konformen QMS-Aufbaus darstellt, während ein qualitätsbezogener Mehrwert durch die Zertifizierung des QMS von sekundärer Bedeutung ist.289

In Bezug auf UMS liegen kaum empirische Befunde im Zusammenhang mit Zertifi-zierungsgründen vor. Auch fällt auf, dass sich die Literatur fast nur in den ersten Jahren nach der Publikation der ISO 14001 mit Gründen pro und contra Zertifizie-rung befasst hat und diese Frage seither kaum mehr anspricht. Dies zeigt sich stell-vertretend z.B. auch in der jüngsten Studie des Deutschen Umweltbundesamtes (n = 227), die zwar nach den Hauptgründen für den Aufbau eines ISO-14001-konformen UMS, nicht aber nach den Zertifizierungsgründen gefragt hat.290 Man könnte daraus folgern, dass die Zertifizierung für Unternehmen, die ein UMS aufge-baut haben, mittlerweile zu einer „Selbstverständlichkeit“ geworden wäre. Ob dieser Eindruck stimmt, ist jedoch zumindest fraglich: Nicht nur Unternehmen, die sich mit der Entscheidung für oder wider den Aufbau eines zertifizierten UMS auseinander-setzen, sondern gerade auch bereits zertifizierte Unternehmen müssen sich regel-mässig die Frage nach Aufwand und Ertrag der (Re-) Zertifizierung stellen. Dies deuten erste Fälle in der Schweiz an, bei denen sich Unternehmen der Pioniergene- 287

Vgl. Baethge-Kinsky / Betz / Moldaschl (1994), S. 95 ff. 288

Der Umsetzungsdruck schlüsselt sich auf in 36% Kundenwünsche und -forderungen, 22% Wettbewerbs-druck und 5% EU-Markt / EU-Richtlinien.

289 Ähnlich argumentiert auch Leisenberg für Unternehmen, bei welchen bereits sehr umfassende Qualitäts-sicherungsprozesse implementiert sind und eine QMS-Zertifizierung keine oder kaum zusätzliche Qualitäts- oder Abwicklungsverbesserungen mehr erwarten lässt. (Vgl. ESCH / LEISENBERG (1997), S. 46 f.) Daraus lässt sich hingegen nicht schliessen, dass auch die entsprechenden QMS vor allem im Hinblick auf eine Zertifi-katserlangung aufgebaut wurden. Quentin weist aber auf dieses in der Praxis anzutreffende Motiv hin und bezeichnet es als „plakettenorientierten Ansatz“, wenn Unternehmen ein QMS nur zur Erlangung des Zer-tifikats aufbauen. Er sieht darin gleichzeitig die Gefahr eines Fehlschlags in Bezug auf tatsächliche Qualitäts-verbesserungen, da viele Unternehmen nach der Anstrengung des QMS-Aufbaus „in die alte Routine“ zu-rückfallen würden. Vgl. QUENTIN (1994), S. 183. In ähnlicher Weise verweist Hamschmidt auf die Gefahr, dass eine mangelnde inhaltliche Zielorientierung zum Aufbau einer „umweltorientierten Organisationsfassa-de“ führen kann, wenn Unternehmen ihr UMS ausschliesslich auf Druck des Marktes aufbauen. HAMSCHMIDT (2001), S. 5.

290 Vgl. Umweltbundesamt (2002), S. 41.

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Einflussfaktoren des KVP 115

ration den Schritt weg von der Zertifizierung und hin zu einer Aufrechterhaltung des UMS, des erreichten Umweltleistungsniveaus und des KVPs ohne externe Begut-achtung überlegen und teilweise auch vollziehen.291 Dies sind bisher aber Ausnah-mefälle. Vielmehr ist angesichts des zusätzlichen Aufwandes, der die Zertifizierung mit sich bringt, anzunehmen, dass die meisten Unternehmen an das Zertifikat Er-wartungen knüpfen, die durch die UMS-Implementation allein nicht erfüllt werden können.292 Solche Erwartungen lassen sich bezüglich externen und internen Wirkun-gen der Zertifizierung systematisieren:

Externe Wirkungen der Zertifizierung Externe Wirkungen betreffen die Wirkung des ISO-14001-Zertifikats auf die Aussen-beziehungen der Unternehmung:

• Mit dem Zertifikat kann das Umweltengagement sichtbar gemacht, dokumentiert und kommuniziert werden. Das ISO-14001-Zertifikat ist weltweit bekannt und kann daher auf internationalen Märkten zur Kommunikation des Umweltengage-ments verwendet werden. Dies wird jedoch dadurch eingeschränkt, dass welt-weit erhebliche Unterschiede in den Akkreditierungskriterien der Zertifizierungs-organisationen bestehen und die Voraussetzungen für die Zertifizierung und damit die Aussagekraft des Zertifikats entsprechend variieren können.293

• Durch die Zertifizierung können Unternehmen ihr Engagement für den Umwelt-schutz und die Glaubwürdigkeit ihrer umweltpolitischen Grundsätze unter-mauern. Dies ist umso bedeutender, je stärker umweltbezogene Stakeholder-interessen auf die Unternehmung einwirken oder je „verletzbarer“ die Unterneh-mung in Bezug auf ihre Umweltaspekte ist.294 Die Zertifizierung dient dabei als vertrauensbildende Massnahme gegenüber bestehenden und potenziellen Kun-den, Partnern und Interessengruppen.

• Mit der Zertifizierung können umweltbezogene Forderungen, die für die Marktbe-arbeitung von Bedeutung sind, erfüllt werden. Sie können von staatlicher Seite295 oder von Kunden erhoben werden. Immer mehr Unternehmen verlangen von ih-ren Lieferanten detaillierte Auskünfte über ökologische Leistungen und das Ma-nagement von Umweltaspekten. Der Hinweis auf die ISO-Zertifizierung – auch wenn sie nicht explizit gefordert ist – ist mittlerweile als Leistungsausweis aner-kannt und ersetzt oftmals weitergehende, mit zusätzlichem Aufwand verbundene Prüfungen (z.B. Umweltaudits, die Kunden bei Ihren Lieferanten durchführen).

291

Vgl. dazu beispielhaft den Fall der als „Umweltpionier“ bekannten Firma Geberit AG, die sich 2002 zur Auf-gabe der ISO-14001-Zertifizierung entschlossen hatte und damit in der Schweiz breite Diskussionen auslös-te. Vgl. STROM (NZZ AM SONNTAG, 17.3.2002).

292 Dies gilt analog für die Zertifizierung von Qualitätsmanagementsystemen, weshalb in den folgenden Ausfüh-rungen auch auf Begründungsansätze aus der umfangreicheren QMS-Literatur zurückgegriffen wird.

293 Vgl. SUNDERLAND (1997), S. 133, sowie HOPFENBECK / JASCH / JASCH (1995), S. 47.

294 Vgl. SUNDERLAND (1997), S. 131.

295 Vgl. SUNDERLAND (1997), S. 132, der darauf hinweist, dass einzelne staatliche Institutionen in Lateinamerika, Asien oder Kanada in Erwägung ziehen, von Unternehmen auf der Beschaffungsseite die Zertifizierung nach ISO 14001 zu fordern.

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116 Einflussfaktoren des KVP

Der Rechtfertigungs- und Erklärungsdruck seitens Abnehmer, Lieferanten, Be-hörden und anderen Interessengruppen296 verringert sich entsprechend und ka-nalisiert sich in Richtung der Zertifizierungsorganisation.

• Mit der Aufrechterhaltung der Zertifizierung kann eine wesentliche Imagewirkung verbunden sein. Wie stark diese Wirkung ist, ist weitestgehend nur subjektiv ab-schätzbar und lässt sich in ihrem Ausmass u.U. erst dann erkennen, wenn die Zertifizierung nach Ablauf der Gültigkeitsdauer nicht mehr erneuert wird. Denn je nachdem, von wem und wie stark die Zertifizierung des UMS von den Interes-sengruppen und vom Markt wahrgenommen wird und je nach Bedeutung des Zertifikats für das Unternehmensimage kann eine Zertifikatsaufgabe zu einem erheblichen Imageverlust führen. Die Weiterführung der Zertifizierung ist dabei eine risikomindernde, allenfalls marktabsichernde Massnahme.

Interne Wirkungen der Zertifizierung • Die für die Zertifizierung verlangten Auditierungsroutinen297 führen dazu, dass

das UMS laufend überwacht und der Weiterentwicklung der Unternehmung an-gepasst wird. Dadurch verfügt das Unternehmen jederzeit über ein auf die aktu-ellen Gegebenheiten ausgerichtetes Managementsystem, was dessen Effizienz positiv beeinflusst. Der Zertifizierungsdruck wird damit zu einem wichtigen Trei-ber des KVP. Meier verallgemeinert gar – im Zusammenhang mit QMS – die Er-kenntnis, dass erst der Zertifizierungsdruck dazu führt, dass Lücken im Mana-gementsystem geschlossen werden.298

• Die für die Zertifizierung verlangten schriftlichen Festlegungen (Umweltpolitik, Umweltziele, Massnahmenprogramme, etc.) unterstützen einen zielgerichteten betrieblichen Umweltschutz und damit eine effiziente und effektive Umsetzung des Umweltengagements. Darüber hinaus führt der erforderliche Nachweis der Umweltleistung und deren Veränderung zu einer transparenten Beurteilung der Wirksamkeit des UMS und ist zugleich Ausgangspunkt von weiteren Verbes-serungsmassnahmen.

• Die Zertifizierung wirkt als Treiber ökologischen Verhaltens der Mitarbeiter. Dies gilt in erster Linie für Unternehmen, die eine schwache unternehmenskulturelle Verankerung des Umweltverhaltens aufweisen. 299 Die Zertifizierungsvorgaben wirken dabei sowohl als Anreiz- als auch als Druckmittel für Management und operatives Personal.300

296

Vgl. dazu GANSE / GASSER / JASCH (1997), S. 45 f. 297

ISO 14001 fordert einerseits die regelmässige Durchführung interner Audits, andererseits sind für den Zerti-fikatserhalt externe Überwachungs- und Wiederholaudits notwendig. Obschon beide Auditarten für den KVP von Bedeutung sind, umfasst die Bezeichnung „Auditierungsroutine“ in den folgenden Ausführungen nur die externen Audits durch die Zertifizierungsorganisation.

298 MEIER (1996), S. 22.

299 Vgl. SUNDERLAND (1997), S. 133.

300 Im Hinblick auf die Erstzertifizierung weist van Schwamen darauf hin, dass das Zertifikat als symbolhaftes Ziel eine „Aufbruchstimmung“ im Unternehmen auslösen und neue Kräfte für den Verbesserungsprozess

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Einflussfaktoren des KVP 117

6.3.2 Auditierung Regelmässige Überwachungs- und (Re-)Zertifizierungsaudits sind eine formale Voraussetzung zur Aufrechterhaltung der UMS-Zertifizierung.301 Der „Leitfaden für Audits von Qualitätsmanagement- und/oder Umweltmanagementsystemen“ ISO 19011:2002 definiert das Audit allgemein als „systematischen, unabhängigen und dokumentierten Prozess zur Erlangung von Auditnachweisen und zu deren objekti-ven Auswertung, um zu ermitteln, inwieweit die Auditkriterien erfüllt sind“.302 Die Au-ditierung des UMS kann auch verstanden werden als Verifizierung des Vorhanden-seins eines angemessenen und wirksamen Managementsystems im Unterneh-men.303 Sie prüft demnach nicht einen aktuellen ökologischen Leistungsstand der Unternehmung, sondern die andauernde Konformität der in Betrieb stehenden „Or-ganisationsstrukturen, Planungstätigkeiten, Verantwortlichkeiten, Methoden, Verfah-ren, Prozesse und Ressourcen zur Entwicklung, Implementierung, Erfüllung, Bewer-tung und Aufrechterhaltung der Umweltpolitik“304.

Funktionen externer Audits In der formal abgesicherten Überwachung des UMS liegt die originäre Funktion externer Audits durch die Zertifizierungsorganisation. Sie prüfen periodisch die Übereinstimmung der Dokumentation mit den Normforderungen sowie die Überein-stimmung der Dokumentation mit den gelebten Arbeitsprozessen.305 Indem letztlich die Zertifikatserteilung an die Normkonformität des UMS geknüpft ist, dient die Überwachungsfunktion der Informationsbereitstellung für die Öffentlichkeit bzw. für die interessierten Kreise innerhalb und ausserhalb der Unternehmung. Zur Überwa-chungsfunktion externer Audits gehören sowohl rückblickende als auch präventive, vorausschauende Momente. Die Auditierung wird daher vielfach als Subform des Unternehmenscontrollings verstanden. Die vergangenheitsorientierte Auditierung überprüft den Erreichungsgrad von Zielen in der Vorperiode, die Umsetzung von Korrekturhinweisen aus vorangegangenen Audits und die allgemeine bisherige Entwicklung von UMS und Umweltleistung. Die Ermittlung aktueller Korrekturpoten-ziale (Schwachstellen, Nonkonformitäten) und deren Bearbeitung verleihen der Überwachungsfunktion zusätzlich einen zukunftsgerichteten Aspekt.

Im Zusammenhang mit Qualitätsmanagementsystemen macht Walgenbach in einer empirischen Studie die Beobachtung, dass das dokumentierte Managementsystem

mobilisieren kann. Vgl. VAN SCHWAMEN (1994), S. 190. Walgenbach verweist auf die Beobachtung, dass Füh-rungspersonen externe (QMS-)Audits immer wieder instrumentalisieren und damit mit Hilfe Dritter Forderun-gen bei ihren Mitarbeitern durchsetzen, die sonst nur schwer durchzusetzen sind. Er führt dies auf die „taylo-ristisch anmutende Managementkonzeption“ der ISO 9000 f. zurück, die sich „vor allem deshalb relativ prob-lemlos und ohne grössere Widerstände (…) umsetzen lasse, weil ihre Einführung mit einer Forderung aus der Umwelt“ begründet werden könne. In der Praxis genügt dabei vielfach die Begründung „ISO verlangt das so“ zur Durchsetzung von Anweisungen. WALGENBACH (2000), S. 379.

301 Vgl. Kapitel 2.

302 Vgl. ISO 19011:2002, Punkt 3.1. Analog zu internen Audits: ISO 14001:2004, Punkt 3.14.

303 Vgl. CAHILL (1994), S. 237.

304 Vgl. ISO 14001:1996, Punkt 3.5.

305 Vgl. WALGENBACH (2000), S. 378.

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118 Einflussfaktoren des KVP

in den meisten untersuchten Unternehmen in zahlreichen Bereichen von den eigent-lichen Arbeitsabläufen „entkoppelt“ ist.306 Gleichzeitig ortet er aber auch ein grosses Interesse des Managements darin, eine weitgehende Konsistenz zwischen der Do-kumentation des QMS und den tatsächlichen Arbeitsprozessen zu erreichen mit dem Ziel, die interne Effizienz zu steigern. Daraus ergibt sich für die externe Auditie-rung ein facettenreiches Spannungsverhältnis: Einerseits gilt es, die Auditoren so-weit als möglich „von den Problemen fernzuhalten“, um die „nur aufgesetzten Ele-mente des QMS“ vor einer kritischen Analyse zu bewahren und die Zertifizierung nicht zu gefährden. Andererseits sollen die externen Audits nutzbar gemacht wer-den, um den Steuerungsinteressen des Managements mit Hilfe der Audits Nach-druck zu verleihen. Vor diesem Hintergrund kommt dem externen Auditor eine be-sondere Rolle zu, die in gleichem Masse auch im Zusammenhang mit UMS zum Tragen kommt: Er wird zum einen als „Aufpasser“ und Träger von nicht immer er-wünschten Forderungen wahrgenommen, dem die Auditierten mitunter mit Miss-trauen oder Vorbehalten begegnen.307 Zum andern wird von ihm erwartet, dass er die Unternehmung auf Verbesserungs- und Entwicklungspotenziale hinweist und damit Impulse für organisationale Lernprozesse vermittelt.

Die Umsetzung dieser über die reine Konformitätsprüfung hinausgehenden Poten-ziale und Erwartungen – die in ISO 14050 „Umweltmanagementsystem – Begriffe“ auch explizit als mögliche Inhalte von Zertifizierungsaudits genannt werden308 – hängt sehr stark von der jeweiligen Auditsituation, den beteiligten Akteuren und den konkreten Rahmenbedingungen ab. Als zusätzliche Funktionen der externen Überwachungs- und Zertifizierungsroutine umfassen sie Elemente, die den KVP von UMS und Umweltleistung wirksam fördern können:

● Beratung und Sensibilisierung Im Idealfall ist der externe Auditor in der Lage, seine spezifischen Branchen- und Problemkenntnisse in das Auditgespräch einzubringen und damit zum einen die Fähigkeit der Mitarbeiter in der Erkennung von Zusammenhängen, relevanten Frau-gestellungen und Themenbereichen zu fördern (Sensibilisierung), zum anderen in beschränktem Mass Beratungsleistungen309 (hier verstanden als die Unterstützung bei Problemlösungen310) zu erbringen.

● Innovation und Lernen Zertifizierungsaudits erfüllen insofern eine Schulungs- und Entwicklungsfunktion, als dass durch Reflektion des bestehenden UMS, der Umweltziele, der Umweltpolitik und der bisherigen Erfahrungen Inputs für die zukünftige Entwicklung des UMS und der Umweltleistung vermittelt werden können. 306

Vgl. WALGENBACH (2000), S. 378 f. 307

Ein vergleichbares Rollenverständnis zeigt sich auch bei internen Audits. Vgl. BRÜMMER (2001), S. 56. 308

Vgl. ISO 14050:2002, Punkt 4.1. 309

Externen Auditoren ist es nicht gestattet, Beratungsleistungen für Organisationen zu erbringen, die gegen die formalen Anforderungen der Zertifizierung verstossen. Vgl. ISO/IEC GUIDE 66, Punkt G.4.1.2o.

310 BAUER (1995), S. 202.

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Einflussfaktoren des KVP 119

Auditierung kombinierter bzw. integrierter Managementsysteme UMS werden zwar häufig als separate Managementsysteme aufgebaut, die perso-nell und organisatorisch von den übrigen Managementstrukturen losgelöst sind.311 Eine deutsche Studie aus dem im Jahr 2000 ergab jedoch, dass von den 565 teil-nehmenden ISO-14001-zertifizierten Organisationen (dies entspricht einem Viertel der in Deutschland ausgegebenen ISO-14001-Zertifikate) 86% neben dem UMS auch ein Qualitätsmanagement-Zertifikat vorweisen konnten.312 Auch in der Schweiz ist der gleichzeitige Betrieb eines QMS in UMS-zertifizierten Unternehmen nahezu zur Regel geworden, was sich nicht zuletzt auch im Rahmen der Vorarbeiten zur vorliegenden Fallstudienuntersuchung bestätigt hat.

Bestehen solche Systeme nebeneinander, müssen sie separat aufrechterhalten, do-kumentiert und systematisch im Hinblick auf Verbesserungsprozesse evaluiert wer-den. Damit wächst die Gefahr, dass Managementstrukturen mit geringer Effizienz und Effektivität, mit Doppelspurigkeiten und Schnittstellenproblemen entstehen, die einen hohen Abstimmungs- und Koordinationsaufwand erfordern. Bei zertifizierten Managementsystemen gilt es zudem, für jedes von ihnen die erforderlichen Zertifi-zierungs- und Überwachungsroutinen einzuhalten, was letztlich den Auditaufwand multiplizieren und einen „Audit-Tourismus“ zur Folge haben kann.313 Aufgrund dieser Nachteile isolierter Einzelsysteme geht mit obigen Zahlen ein Trend hin zu kombi-nierten und in unterschiedlicher Intensität integrierten Systemen einher, die UMS, QMS und teilweise auch andere Managementsysteme umfassen. Ziel der Kombi-nation und Integration der Managementsysteme ist die Nutzung von Synergien, die auf struktureller und prozessualer Ebene bestehen können.314 Es lassen sich grund-legend verschiedene Integrations- bzw. Kombinationsformen unterscheiden:315

• Bei der additiven Integration wird ein neu einzuführendes Managementsystem einem bereits bestehenden System hinzugefügt. Dies ist verbreitet dann der Fall, wenn in einem Unternehmen ein QMS implementiert ist, das nachträglich mit ei-nem UMS ergänzt werden soll. Dabei werden die schon vorhandenen Strukturen, Dokumentationen und Abläufe nur unwesentlich verändert, indem sie um umweltbezogene Aspekte additiv erweitert werden.316

311

Vgl. DYLLICK (1999), S. 123. 312

Vgl. UMWELTBUNDESAMT (2002), S. 7; S. 36. 313

Vgl. WINZER (2002), S. 47. 314

Der Aufbau kombinierter Qualitäts- und Umweltmanagementsysteme hat spätestens mit der Revision der ISO 9000 f., die eine konzeptionelle Annäherung an das prozessorientierte ISO 14001 zur Folge hatte, an Aktualität und Attraktivität gewonnen. Vgl. NAGEL (2000), S. 245. Bereits ISO 14001:1996 enthielt in Anhang B eine Auflistung der Zusammenhänge zwischen ISO 9001:1994 und ISO 14001:1996 mit dem Ziel, „die Kombinierbarkeit beider Systeme jenen Organisationen zu zeigen, die bereits nach einer dieser interna-tionalen Normen arbeiten und den Wunsch haben, nach beiden internationalen Normen zu arbeiten.“ Die Kombination der Systeme ist mittlerweile auch in Normierungsarbeiten zur kombinierten Auditierung einge-flossen (ISO 19011:2002). Vgl. dazu die weiteren Ausführungen in diesem Abschnitt.

315 Vgl. SNV (1998b), MÜLLER-CHRIST (2001), S. 207ff; WINZER (2002), S. 48 ff.

316 Die additive Integrationsform wird in der Literatur auch als summarische Integration bezeichnet. Bei Unter-nehmen, die auf Basis der – mittlerweile nicht mehr geltenden – kapitel- bzw. elementorientierten ISO-9000 f.-Versionen (z.B. ISO 9001:1994) eine kapitelorientierte QMS-Dokumentation aufgebaut hatten, konkreti-

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120 Einflussfaktoren des KVP

• Ähnlich dazu werden bei der adaptiven Integration die Aspekte des neuen Sys-tems in das vorhandene Managementsystem eingegliedert. Dies wird z.B. in der Festlegung gemeinsamer Strukturen, Abläufe und Verantwortlichkeiten sichtbar.

• Ein umfassend integriertes Managementsystem unterscheidet sich von den vorangegangenen Integrationsformen durch die konsequente Anbindung von (z.B.) UMS und QMS an das allgemeine Managementsystem der Unterneh-mung. Hier werden Umwelt- und Qualitätsziele in die reguläre Unterneh-mensplanung und Budgetierung integriert. Auch sind Umweltschutz und Quali-tätssicherung nicht in Stabsstellen, sondern als Linienverantwortung implemen-tiert und Ziele und Leistungen werden integral beurteilt.

Mit dem Aufkommen integrierter Managementsysteme streben Unternehmen immer häufiger auch kombinierte Zertifizierungs- und Überwachungsaudits an mit dem Ziel, den internen und externen Aufwand zusätzlich zu minimieren. Sie werden heu-te – nach anfänglichem Zögern – von allen bedeutenden Zertifizierungsgesell-schaften als Standardleistung angeboten. Eine Umfrage des deutschen Umwelt-bundesamtes kommt zum Ergebnis, dass 44% aller UMS-Audits gleichzeitig auch andere Managementsysteme betreffen, wovon es sich dabei vor allem um QMS handelt. Weitere 31% kombinieren die ISO-14001-Zertifizierung und die EMAS-Begutachtung, und nur jedes vierte Zertifizierungsaudit hat ausschliesslich ISO 14001 zum Gegenstand.317

Integrierte Audits stellen eine Subform der kombinierten Auditierung dar. Kombi-niert sind Audits immer dann, wenn sie gleichzeitig mehrere Managementsysteme betreffen, doch kann der eigentliche Auditakt auch isoliert für die einzelnen Systeme erfolgen. Dies ist in der Praxis häufig dann der Fall, wenn die Auditierung durch ein Team spezialisierter Fachauditoren vorgenommen wird, von denen jeder ein Teil-system (z.B. UMS oder QMS) prüft. Bei integrierten Audits werden die Systeme, Prozesse und Strukturen soweit als möglich gleichzeitig aus ökologischer und quali-tätsorientierter Perspektive begutachtet.318 Ein hoher Integrationsgrad der einzelnen Systeme erleichtert hierbei die integrierte Auditierung. Sie stellt jedoch auch höhere Anforderungen an das Auditpersonal. So muss der Auditakt insbesondere die For-derungen aller relevanten Normen berücksichtigen und systematisch prüfen. Zudem sollte – im Hinblick auf Verbesserungspotenziale – sowohl eine spezifische als auch eine integrale Sichtweise über die auditierten Bereiche und Prozesse ermöglicht werden. Dazu müssen die Auditoren über mehrfache Qualifikationen (z.B. als Quali-tätsmanagement-, Umweltmanagement- und/oder Arbeitssicherheits-Auditoren) ver-

sierte sich die summarische Integration des UMS vielfach durch Hinzufügen eines zusätzlichen Kapitels, das alle UMS-relevanten Aspekte, Strukturen und Verfahren umfasste. Die bestehende QMS-Dokumentation wurde dabei kaum verändert.

317 Vgl. Umweltbundesamt (2002), S. 39.

318 Auch Audits, die von Spezialistenteams durchgeführt werden, können Ansätze der integrierten Auditierung aufweisen, wenn die Ergebnisse am Ende der Auditierung zusammengefügt und integral beurteilt werden. Die (im weiteren Textverlauf angeführten) erhöhten Anforderungen gelten in diesen Fällen zumindest für den leitenden Auditor.

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Einflussfaktoren des KVP 121

fügen. Sie sollten darüber hinaus befähigt sein, ein integriertes Managementsystem in Bezug auf die Angemessenheit und Wirksamkeit zur Erfüllung der Unternehmen-spolitik und der Unternehmensziele zu beurteilen.319

Fazit und Vorgehensweise in den Fallstudien Das ISO-14001-Zertifikat ist für den überwiegenden Teil der zertifizierten Unterneh-men von besonderer Bedeutung, verbinden sie damit doch eine Reihe interner und externer Nutzenpotenziale, die mit dem Aufbau des UMS allein nicht generiert wer-den könnten. Für Aussagen darüber, inwiefern diese Nutzenpotenziale ausreichen, um Unternehmen auf Dauer zu einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu motivieren, genügt die vorhandene empirische Erkenntnisbasis zwar nicht. Es ist jedoch ist anzunehmen, dass die Bedeutung des Zertifikats längerfristig sehr stark davon abhängt, welche strategischen Ziele die ISO-Zertifizierung unterstützen soll und inwiefern die erwarteten Nutzen tatsächlich eintreffen.

Materiell bedeutsamer als die (kommunikationsorientierten) Wirkungen des ISO-Zertifikats sind die Wirkungen, die aus der für die Zertifizierung erforderlichen Audi-tierungsroutine hervorgehen. Sie bestehen erstens darin, dass sich die Organisa-tionsmitglieder, d.h. beteiligte Mitarbeiter, Führungskräfte und Unternehmensleitung, regelmässig aktiv mit dem UMS befassen müssen und zur Erfüllung der KVP-Forde-rung der Norm immer wieder zur Realisierung neuer Umweltschutzmassnahmen aufgefordert werden. Damit können Sensibilisierungs- und Lernprozesse ausgelöst werden, die den KVP weiter unterstützen und neue Suchfelder für Umweltentlas-tungsmassnahmen erschliessen helfen. Zweitens ist die Unternehmung in jedem externen Audit mit der Person des Auditors bzw. mit einem Auditorenteam konfron-tiert, das eigene Vorstellungen zur Umsetzung der KVP-Forderung an die Unterneh-mung heranträgt. Je nachdem, welche Nachweise verlangt und welche Beurtei-lungskriterien im Einzelfall angewendet werden, und je nachdem, welchen Qualifika-tionshintergrund die Auditoren dabei mitbringen und welche Impulse sie der Unter-nehmung für die weitere Systementwicklung vermitteln, kann sich dies hemmend oder fördernd auf den KVP auswirken.

Die Fallstudien in dieser Arbeit werden in diesem Sinne den Fragen nachgehen, wie Zertifizierungsaudits in der Praxis durchgeführt werden, welche Anforderungen der Auditor an den KVP stellt, wie Audits den KVP unterstützen und welchen Nutzen Unternehmen aus der Zertifizierung und den damit verbundenen externen Auditie-rungsroutinen ziehen.

319

Die ISO-Gremien haben zu diesem Zweck im Jahr 2002 die Norm ISO 19011 veröffentlicht, um eine Grund-lage für kombinierte Qualitäts- und Umweltmanagementsystem-Audits bereitzustellen. Sie ist sowohl für in-terne als auch für externe Audits, inklusive Audits von Zertifizierungsgesellschaften, im Sinne einer Anleitung anwendbar. Vgl. ISO 19011:2002. Diese Norm löste die bis dahin gültigen Normen ISO 10011, ISO 14010, 14011 und 14012 ab, die die Anforderungen an QMS- bzw. UMS-Auditoren umfassten.

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Teil II

Empirische Untersuchung

7 Einführung in die Fallstudien

In den vorangegangenen Kapiteln wurde der KVP-Begriff der ISO-Norm hinsichtlich Weiterentwicklung des UMS und Verbesserung der Umweltleistung operationalisiert sowie wesentliche Faktoren diskutiert, die die Verbesserungs- und Entwicklungspro-zesse beeinflussen. Damit wurde das Vorverständnis für die Thematik offen gelegt und der Bezugsrahmen für die Beantwortung der eingangs gestellten Forschungs-fragen definiert.320 Auf dieser Grundlage können nun Wirkung und Wirksamkeit der KVP-Forderung in ISO 14001-zertifizierten Schweizer Unternehmen untersucht und analysiert werden. In diesem Kapitel wird zunächst das Vorgehen für die empirische Datenerhebung und -auswertung dokumentiert, um den Forschungsprozess nach-vollziehbar zu machen. Im Anschluss daran erfolgt ein einführender Überblick über den für diese Untersuchung ausgewählten Wirtschaftszweig – die metallverarbei-tende Industrie (MVI) in der Schweiz – und über die wichtigsten dort auftretenden ökologischen Herausforderungen. Den Aufbau des Kapitels illustriert Abb. 29.

Abb. 29: Aufbau Kapitel 7.

320

Vgl. MAYRING (2002), S. 30.

7.1 Forschungsansatz und Auswahl der Fallstudien

7.3 Einführung in die MVI

Ökologische Betroffenheit

der MVI

Umweltaspekte von Aluminium

und Stahl

Verarbeitungs-prozesse in der

MVI

7.2 Methodisches Vorgehen

7.1 Forschungsansatz und Auswahl der Fallstudien

7.3 Einführung in die MVI

Ökologische Betroffenheit

der MVI

Umweltaspekte von Aluminium

und Stahl

Verarbeitungs-prozesse in der

MVI

7.3 Einführung in die MVI

Ökologische Betroffenheit

der MVI

Umweltaspekte von Aluminium

und Stahl

Verarbeitungs-prozesse in der

MVI

7.2 Methodisches Vorgehen

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124 Einführung in die Fallstudien

7.1 Forschungsansatz und Auswahl der Fallstudien

Die empirische Untersuchung hat zum Ziel, die praktische Wirkung und Wirksamkeit der KVP-Forderung von ISO 14001 in ausgewählten Unternehmungen zu erfassen und zu analysieren. Damit soll die Beantwortung der im Einführungskapitel ent-wickelten Erkenntnisziele ermöglicht werden:

• Wie konkretisiert sich der mittel- bis langfristige KVP von ISO 14001-zertifizierten Unter-nehmen hinsichtlich UMS und Umweltleistung?

• Welchen Entwicklungsprozess durchlaufen ISO 14001-zertifizierte UMS mittel- bis lang-fristig unter Berücksichtigung der allgemeinen Unternehmensentwicklung?

• Welches sind die wesentlichen Einflussfaktoren des KVP und welchen unternehme-rischen Nutzen erbringen UMS im Zeitablauf?

• Kann die ISO-Zertifizierung bzw. die damit verbundene externe Überwachung durch die Zertifizierungsgesellschaft den KVP von UMS und Umweltleistung beeinflussen?

Der Erkenntnisgewinn erfolgt nach den Methoden der qualitativen Sozialforschung. Die qualitative Forschung ist allgemein zu charakterisieren als „jede Art von For-schung, deren Ergebnisse keinen statistischen Verfahren oder anderen Arten der Quantifizierung entspringen“.321 Insofern verzichten qualitative Forschungsansätze im Gegensatz zu quantitativen auf die Analyse von Messwerten und arbeiten statt-dessen mit Interpretationen verbalen Materials. Die Zielsetzung liegt darin, den Ge-halt des interessierenden Materials in seinem Bedeutungsfeld zu interpretieren.322 Auswahl der Fallstudien Die Auswahl der Studienobjekte für die vorliegende Untersuchung erfolgt in zwei Schritten: Der erste Schritt legt die Grundmenge fest, im zweiten Schritt werden die Fallstudien-Unternehmen ausgewählt. Die Grundmenge des Samples umfasst alle vor dem 30. Juni 1997 nach ISO 14001 zertifizierten Unternehmen. Die daraus aus-zuwählenden Unternehmen erfüllen die Voraussetzung, dass sie die ISO 14001-Zertifizierung entweder bis dato aufrechterhalten oder nach der Erstzertifizierung mindestens ein Wiederholaudit erfolgreich bestanden haben. Des Weiteren ist die Grundmenge auf die metallverarbeitende Industrie eingeschränkt und auf Unterneh-men, die vorwiegend passive Produkte herstellen.323 Diese Festlegungen beruhen auf folgenden Überlegungen:

321

STRAUSS / CORBIN (1996), S. 3. 322

BORTZ / DÖRING (1995), S. 271 und S. 304. Für eine Gegenüberstellung qualitativer und quantitativer Verfah-ren siehe auch: S. 274ff.

323 Als passiv werden Produkte bezeichnet, deren Nutzung keine Umweltbelastungen (z.B. in Form von Ener-gieverbrauch) verursachen. Typische Beispiele sind Möbel oder Eisenbahnschienen. Aktive Produkte sind z.B. Autos oder Kühlschränke. Die Unterscheidung ist auf den ersten Blick zweckmässig zur Produkteklassi-fizierung, bei genauerer Betrachtung aber unscharf, da sie die Produkte aus ihrem Systemzusammenhang isoliert. So lassen sich z.B. Produkte, die gekühlt werden müssen (z.B. Speiseeis) oder solche, die der pas-siven Gebäudeisolation dienen, kaum sinnvoll in diese Systematik einordnen.

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Einführung in die Fallstudien 125

• Bis Mitte 1997 wurden rund 80 Unternehmen in der Schweiz nach ISO 14001 zertifiziert. Die MVI war damals mit 11 Betrieben einer der am besten vertre-tenen Wirtschaftszweige.324 Die Branchen- und Unternehmensstruktur sowie die für die Untersuchungsziele ausreichend grosse Grundmenge sind geeignete Voraussetzungen für eine empirische Betrachtung.

• Die Fallstudienunternehmen zeichnen sich durch einen ähnlichen Einstiegszeit-punkt in die ISO-14001-Zertifizierung des UMS und durch eine vergleichbare ökologische Betroffenheit aus (vgl. unten).

• Durch die Auswahlkriterien soll im Vorhinein bewusst keine Unterscheidung in Bezug bisherige Umweltentlastungserfolge bzw. in Bezug auf ein bestimmtes Umweltleistungsniveau erfolgen. Vielmehr soll untersucht werden, ob und in welchem Ausmass bei diesen Unternehmen nach der Erstzertifizierung über-haupt eine Verbesserung der Umweltleistung beobachtet werden kann.

• Die Einschränkung des Untersuchungsgegenstands auf eine bestimmte Branche erhöht die Vergleichbarkeit der Resultate der Fallstudien und damit die Validität der Aussagen. Andererseits erhebt die Untersuchung keinen Anspruch auf Re-präsentativität. Ihr Ziel liegt vielmehr darin, anhand von ersten beobachtbaren Praxisfällen die Grundlagen und Zusammenhänge des KVP von UMS und Um-weltleistung aufzuzeigen und illustrativ zu untermauern.

Der zweite Schritt, die Wahl der Unternehmen, erfolgt nach der Methode des theo-retical sampling, einem zentralen Differenzierungsmerkmal der qualitativen Sozial-forschung325. Bei diesem Vorgehen geht es nicht um die Untersuchung einer mög-lichst grossen Zahl von Objekten, sondern um das Erfassen von für die Frage-stellungen typischen Fällen.326 Zu diesem Zweck wurde ein zweidimensionales Ras-ter entwickelt, das von der Annahme ausgeht, dass die (mittel- bis langfristige) Weiterentwicklung von UMS und Umweltleistung von ökologischen und ökonomi-schen bzw. von normativen und wettbewerbsstrategischen Faktoren327 abhängig ist. Demnach lassen sich Unternehmen aufgrund folgender Dimensionen idealtypisch unterscheiden:

a) Intrinsische Motivation zu freiwilliger Umweltleistung (bzw. „interner Druck“) Die intrinsische Motivation besteht im normativen Willen, den betrieblichen Um-weltschutz aktiv voranzutreiben. Ausdruck einer hohen intrinsischen Motivation ist z.B. eine nachweisbar langjährige Umweltschutz-Tradition im Unternehmen be-

324

Vgl. Kapitel 1. 325

Vgl. GLASER / STRAUSS (1998), S. 53: LUEGER (2000), S. 80f. 326

Vgl. LAMNEK (1995), S. 195. 327

Nach Günther agierten die ersten Umweltpioniere aus „Überzeugung“. Heute würden sie durch „wachsenden politischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und moralischen Druck zur Umsetzung einer umweltorientierten Un-ternehmensführung gezwungen.“ (Vgl. GÜNTHER (1992), S. 134.) Die Typologisierung der Fallstudienunter-nehmen aufgrund von Motivationskriterien zur Implementierung eines UMS weicht von dieser Einschätzung insofern ab, als dass sie davon ausgeht, dass „Überzeugung“ und wirtschaftliche Überlegungen durchaus auch nebeneinander bestehen können.

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126 Einführung in die Fallstudien

reits vor dem Aufbau von UMS-Strukturen. Eine geringe intrinsische Motivation ist z.B. dann anzunehmen, wenn ein UMS ausschliesslich aufgrund spezifischer Forderungen externen Ursprungs aufgebaut wurde.

b) Wettbewerbsstrategische Bedeutung des UMS (bzw. „externer Zug“) Die wettbewerbsstrategische Bedeutung des UMS ist abhängig von Art und Aus-mass der marktbezogenen Chancen und Gefahren, die mit umweltfreundlichem Verhalten und / oder dem ISO-14001-Zertifikat genutzt bzw. abgewendet werden können. Sie ist gering, wenn ökologische Produkt- oder Imagemassnahmen die Wettbewerbssituation nicht positiv beeinflussen (können) oder dies nicht das stra-tegische Ziel des UMS ist, und sie ist hoch, wenn die Unternehmung davon aus-geht, dass mit dem UMS z.B. Marktbarrieren überwunden oder neue Märkte auf-gebaut werden können.

Aus diesem Raster ergeben sich vier Idealtypen von Unternehmen (vgl. Abb. 30). In Quadrant 1 finden sich „idealistisch“ agierende Unternehmen, die Umweltschutz aus intrinsischer Motivation betreiben, ohne das Ziel zu verfolgen, ökologische Leis-tungen als strategisches Argument auf den Zielmärkten einzubringen. Anders die Unternehmen in Quadrant 2, die als ökologisch „engagiert“ vorgehen und nicht nur Verbesserungen der Umweltleistung anstreben, sondern auch eine ökologische Marktbearbeitungs- oder Marktentwicklungsstrategie verfolgen, die sich insbeson-dere auf die Marktleistungsgestaltung überträgt. Den Quadranten 3 und 4 sind Un-ternehmen zugeordnet, die ein UMS aufgebaut haben, obwohl ökologische Themen einen niedrigen normativen Stellenwert aufweisen. Quadrant 3 umfasst jene Fälle, bei welchen das mit dem UMS gesteigerte Umweltengagement gleichzeitig auch keine wettbewerbsstrategische Bedeutung aufweist. Dem UMS-Aufbauentscheid dieser Unternehmen liegen z.T. falsch eingeschätzte wettbewerbsstrategische Überlegungen oder eine zu optimistische Interpretation der unternehmenskulturellen Voraussetzungen für ein UMS zugrunde. UMS können von Unternehmen in diesem Quadranten im Sinne eines Trial-and-Error-Vorgehens aufgebaut werden, sie kön-nen aber auch auf allgemeine gesellschaftliche, markt- oder branchenbezogene Entwicklungen zurückgeführt werden, die – fälschlicherweise – als Zwangsmomente für den UMS-Aufbau interpretiert werden. In beiden Fällen kann die Vorgehenswei-se bildhaft als „oberflächlich“ bezeichnet werden. In Quadrant 4 finden sich schliesslich „opportunistisch“ agierende Unternehmen, die zwar ebenfalls eine geringe intrinsische Motivation für ökologische Leistungen aufweisen, bei denen jedoch ein gesteigertes Umweltengagement mit realen Wettbewerbsvorteilen ver-bunden ist. Hier kann ein UMS-Zertifikat entweder strategische Vorteilen bieten oder aber drohende Nachteile abwenden.

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Einführung in die Fallstudien 127

Abb. 30: Motivationstypen und Verteilung der MVI-Unternehmen zum Zeitpunkt der Erstzertifizierung des UMS

Auf der Grundlage dieses Raster wurden alle elf Unternehmen der Grundmenge in einem Kurzinterview befragt mit dem Ziel, sie einem der Idealtypen zuzuordnen. Die Einordnung erfolgte aufgrund der Motivationslage zum Aufbau des UMS zum Zeit-punkt der Erstzertifizierung. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass sich die Zuordnung mit zunehmender Dauer der Zertifizierung geändert haben könnte, indem z.B. ein Unternehmen, das zunächst nur seine ökologischen Grund-überzeugungen im eigenen Betrieb realisieren wollte, heute dem Umweltmanage-ment hohe strategische Bedeutung beimisst.328 Die Resultate sind in Abb. 30 einge-tragen. Für die Fallstudien wurde aus den Quadranten 1, 2 und 3 je ein Unterneh-men ausgewählt. Aus Quadrant 4 fand sich kein geeignetes Fallstudienobjekt.

Eines der gewählten Unternehmen diente als Pilot-Fallstudie. Sie hatte den Zweck, die Datenerfassung vor der Untersuchung der nachfolgenden Fallstudien weiter zu verfeinern und im Sinne eines iterativen Prozesses die konzeptionellen Vorstellun-gen zur kontinuierlichen Verbesserung von UMS und Umweltleistung aus der prakti-schen Perspektive weiter zu entwickeln.329

328

Andererseits schliessen CLAUSEN / KEIL / JUNGWIRTH (2002) aus der empirischen Untersuchung von HITCHENS ET AL. (2002) bei 300 europäischen KMUs, dass implementierte UMS nicht in der Lage sind, intrinsische Mo-tivation zu kreieren oder zu fördern. Hingegen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen ein UMS implementiert, mit dem Grad der intrinsischen Motivation des Top-Managements. Letzteres bestätigt sich auch in der Verteilung der hier befragten elf Unternehmen der MVI, wenngleich die geringe Anzahl der be-fragten Unternehmen keine Verallgemeinerung zulässt.

329 Vgl. YIN (2003), S. 78f.

hoch

gerin

g

gering hoch

FS: Lista AG

FS: Otto Keller AG

Wettbewerbsstrategische Bedeutung des UMS

entspricht je einem Unternehmen aus der Grundmenge FS: Aus gew ä hltes Fallstudienunternehmen

„idealistisch“

Wettbewerbsstrategische Bedeutung des UMS

Unternehmen aus der eingeschränkten Grundmenge FS: ausgewähltes Fallstudienunternehmen

„opportunistisch“„oberflächlich“

„engagiert“In

trin

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MS

hoch

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g

gering hoch

FS: Lista AG

FS: Otto Keller AG

FS: Ernst Schweizer AGho

chge

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gering hoch

FS: Lista AG

FS: Otto Keller AG

Wettbewerbsstrategische Bedeutung des UMS

entspricht je einem Unternehmen aus der Grundmenge FS: Aus gew ä hltes Fallstudienunternehmen

„idealistisch“

Wettbewerbsstrategische Bedeutung des UMS

Unternehmen aus der eingeschränkten Grundmenge FS: ausgewähltes Fallstudienunternehmen

„opportunistisch“„oberflächlich“

„engagiert“In

trin

sisc

he M

otiv

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n zu

m A

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MS

hoch

gerin

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gering hoch

FS: Lista AG

FS: Otto Keller AG

FS: Ernst Schweizer AG

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128 Einführung in die Fallstudien

7.2 Forschungsmethodisches Vorgehen

Erhebungsmethoden Die Fallstudien wurden mittels Dokumentenanalyse und problemzentrierten, teil-strukturierten Interviews erarbeitet. Beide Erhebungsmethoden sind für die empiri-sche Untersuchung zentral, erfüllen aber unterschiedliche Zwecke:

Die Dokumentenanalyse wird verwendet, um bereits bestehendes Material zu er-schliessen, das relevante Informationen zur Beantwortung der Fragen beinhalten kann. Sie ist insbesondere für empirische Untersuchungen von Bedeutung, die wie im vorliegenden Fall frühere Entscheidungen und Veränderungen dokumentieren.330 Im Zusammenhang mit den hier interessierenden Fragestellungen waren nicht nur die Inhalte der Dokumente aussagekräftig, sondern auch die Vielfalt und Form der schriftlich bzw. elektronisch vorliegenden Daten. Dies galt insbesondere im Zusam-menhang mit der Erfassung und Darstellung der Umweltleistung. Ein weiterer Vorteil bestehender Dokumente liegt darin, dass diese Daten nicht retrospektiv neu erho-ben werden müssen und so Fehler vermieden werden können. Andererseits dient die Dokumentenanalyse dazu, die Validität von Daten, die mittels anderer Methoden erhoben worden sind, zu verbessern. Eine allgemeine Übersicht über die für die Fallstudien analysierten Dokumente gibt Tab. 14.

Als problemzentrierte Interviews werden alle Formen der offenen, teilstruktu-rierten Befragung bezeichnet.331 Die befragte Person erhält bei einem offenen Inter-view keine Antwortvorgaben, sondern äussert sich frei zu den gestellten Fragen. Das Interview folgt nicht einem fixen Ablaufschema, es liegt ihm aber ein strukturier-ter Leitfaden zugrunde. Inhaltlich konzentriert sich das Interview auf einen begrenz-ten Themenbereich. Der Forschende spricht die im Voraus festgelegten Themen in Form von frei formulierten Fragen an. Grundlage für die Festlegung des Interview-leitfadens sind die theoretischen Vorkenntnisse des Forschenden zum Themenbe-reich. Die entwickelten theoretischen Vorstellungen bleiben gegenüber dem Befrag-ten jedoch verborgen, um ihn nicht zu beeinflussen.

Als Interviewpartner dienten bei allen Fallstudien Personen in vergleichbaren Stel-lungen innerhalb der Unternehmung und mit einem ähnlichen Aufgabengebiet. Je nach Unternehmenssituation wurden jeweils mit drei Personen Interviews geführt: Mit dem Umweltbeauftragten, mit einem Mitglied der Unternehmensleitung und mit dem zuständigen externen ISO-Zertifizierungsauditor. Die in den Interviews verwen-deten Leitfäden unterschieden sich je nach Ansprechpartner leicht und basierten auf den theoretischen Konzepten, wie sie in den vorangegangenen Kapiteln vorgestellt worden sind. Die einzelnen Themenbereiche wurden im Anschluss an die Ge-spräche der Pilotfallstudie leicht angepasst oder ergänzt.

330

Vgl. MAYRING (2002), S. 46ff.

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Einführung in die Fallstudien 129

Tab. 14: Für die Fallstudien verwendete Dokumentkategorien mit Beispielen

Datenbasis und Datenerfassung Alle kontaktierten Unternehmen zeigten aktives Interesse am Forschungsvorhaben und unterstützten die Datenerhebung, indem Sie Zugang zu den benötigten Unterla-gen sowie Interviews gewährten. Es fiel auf, dass die Personalsituation in den Fall-studienunternehmen zum Zeitpunkt der Erhebung noch weitgehend dieselbe war wie beim Aufbau des UMS, d.h., dass die mit UMS-Aufgaben betrauten Personen auch schon Mitte der 1990er Jahre UMS-bezogene Aufgaben erfüllten. Ent-sprechend ausgeprägt war der Wissensstand der Ansprechpartner im Zusammen-hang mit der Entwicklung und der Zertifizierung des UMS bis zurück zur Aufbau-Entscheidung. 332 Auch konnten die schriftlichen Aufzeichnungen weitgehend bis zum Zeitpunkt der Erstzertifizierung rückverfolgt werden.

331

Vgl. MAYRING (2002), S. 67ff. 332

Bei den Zertifizierungsauditoren war eine nur leicht geringere Kontinuität festzustellen.

• Aufzeichnungen, Messdaten zu Stoff- und Energieflüssen• Umweltberichterstattung• Resultate von Umweltanalysen• Auditberichte (intern und extern)• Anforderungen von Anspruchsgruppen• Rechtliche Forderungen

Entwicklung der Umweltleistung

• Umweltmanagement-Handbuch• Umweltziele seit der Erstzertifizierung • Auditberichte (externe und interne)• Aufzeichnungen zur Bewertung durch die oberste Leitung• Schulungsaktivitäten und Schulungsinhalte auf allen Ebenen• Entwicklung der organisatorischen Verankerung des UMS

(Organigramme, Stellenbeschreibungen, etc.)• Verbreitung des UMS im Unternehmen (inkl. Zertifizierung)• Vorgehensweise für die Umwelt- und

Unternehmenszielsetzung• Vorgehensweise für die Umweltanalyse• Umweltkommunikation, Umweltberichterstattung

Entwicklung des UMS

• Geschäftsberichte• Firmendokumentationen• Produktdokumentationen• Internetauftritt

Allgemeine Firmendokumente

• Aufzeichnungen, Messdaten zu Stoff- und Energieflüssen• Umweltberichterstattung• Resultate von Umweltanalysen• Auditberichte (intern und extern)• Anforderungen von Anspruchsgruppen• Rechtliche Forderungen

Entwicklung der Umweltleistung

• Umweltmanagement-Handbuch• Umweltziele seit der Erstzertifizierung • Auditberichte (externe und interne)• Aufzeichnungen zur Bewertung durch die oberste Leitung• Schulungsaktivitäten und Schulungsinhalte auf allen Ebenen• Entwicklung der organisatorischen Verankerung des UMS

(Organigramme, Stellenbeschreibungen, etc.)• Verbreitung des UMS im Unternehmen (inkl. Zertifizierung)• Vorgehensweise für die Umwelt- und

Unternehmenszielsetzung• Vorgehensweise für die Umweltanalyse• Umweltkommunikation, Umweltberichterstattung

Entwicklung des UMS

• Geschäftsberichte• Firmendokumentationen• Produktdokumentationen• Internetauftritt

Allgemeine Firmendokumente

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130 Einführung in die Fallstudien

Datenanalyse und -interpretation Die Datenanalyse und Interpretation erfolgte in drei Schritten. Zunächst wurden die auf Mini-Disc aufgenommenen Interviews transkribiert und indexiert. Die in Schwei-zerdeutsch geführten Gespräche wurden in die schriftdeutsche Sprache übersetzt. Danach wurden die Aussagen aus den Interviews einem Raster zugeordnet, das auf der Basis der forschungsleitenden Fragestellungen vorgängig entwickelt worden war. Dabei wurden Aussagen, die keinen Beitrag zur Beantwortung der Fragen leis-ten konnten, weggelassen, was eine Fokussierung des Materials auf die relevanten Themenbereiche bedeutete. Inhalte aus der Dokumentenanalyse wurden den In-formationen aus den Interviews gegenübergestellt, um diese weiter zu untermauern, zu vertiefen oder durch zusätzliche Aspekte zu ergänzen. Dies galt insbesondere für die Analyse der Veränderung der Umweltleistung, für welche Messwerte aus den vorangegangenen Jahren zusammengetragen und für die Fallstudien in Form von Zeitreihenvergleichen aufbereitet wurden. In Schritt drei sind die Aussagen im Hin-blick auf die forschungsleitenden Fragestellungen analysiert und interpretiert wor-den.

Die aus dieser Basis entstandenen Fallstudientexte wurden den betreffenden Unter-nehmen zur Validierung und zur Publikationsfreigabe vorgelegt. Sie sind einheitlich entsprechend der Systematik der eingangs gestellten Fragen aufgebaut:

• Vorstellung der Unternehmung und des UMS (Motivation für die UMS-Implementation, Art und Aufbau des UMS, Umwelt-politik, Umweltaspekte)

• Gestaltung des KVP (Ausgestaltung und Funktionsweise des KVP mit Zielsetzungsprozess, Top-down- und Bottom-up-Prozessen, Controlling und Auditierung)

• Bestandsaufnahme der Ergebnisse des KVP (Diffusion in die Breite, Diffusion in die Tiefe, Höherentwicklung, Verbesserung der Umweltleistung bzgl. Stoff- und Energieflüsse)

• Entwicklungsprozess von UMS und Unternehmung (Analyse von Phasen der UMS-Entwicklung: Wesentliche Einflüsse aus dem Umsystem der Unternehmung, strategische Vorgehensweise, Veränderungen der UMS-Struktur, Nutzen des UMS)

• Einfluss der externen Audits auf den KVP (Auditpraxis, Auditierungsaspekt KVP, KVP-Impulse aus externen Audits)

Durch dieses Vorgehen kann der KVP von UMS und Umweltleistung auf unter-schiedliche Weise beleuchtet werden. Redundanzen zwischen den einzelnen Teilen der Fallstudien sind jedoch nicht immer zu vermeiden.

Die Erkenntnisse aus den einzelnen Fallstudien werden in Kapitel 11 einer ver-gleichenden Analyse unterzogen. Ziel dabei ist es, die Gemeinsamkeiten und Un-terschiede zwischen den Fällen herauszuarbeiten, wobei die zentralen Elemente

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Einführung in die Fallstudien 131

der forschungsleitenden Fragestellungen im Mittelpunkt stehen. Aus den Erkennt-nissen (Kapitel 12) werden in Kapitel 13 Handlungs- und Gestaltungsempfehlungen für die Unternehmens- und Zertifizierungspraxis abgeleitet.

7.3 Die Metallverarbeitende Industrie und ihre ökologische Betroffenheit

Die Metallverarbeitende Industrie (MVI) gehört traditionell zu den bedeutendsten Schweizer Wirtschaftszweigen des sekundären Sektors.333 Im Jahr 2000 erzielte sie mit der Herstellung von Metallerzeugnissen in inländischen Betrieben einen Umsatz von 17 Mrd. CHF, rund 60% davon wurden im Exportgeschäft erwirtschaftet. Damit trug der Industriezweig insgesamt 14% zur inländischen Wertschöpfung bei.334 In den 8270 registrierten Unternehmen waren 105’000 Personen beschäftigt. 7921 Betriebe – dies entspricht 96% - waren Kleinbetriebe mit maximal 49 Mitarbeitern, die übrigen Beschäftigten arbeiteten in 313 Mittel- und 36 Grossunternehmen.335 Der überwiegende Anteil der MVI-Unternehmen ist in der Herstellung und Veredelung von Halbfabrikaten tätig, die im Maschinenbau und in der Bauwirtschaft (Hoch- und Tiefbau, Innen und Aussenanwendungen) eingesetzt werden. Aus den damit ver-bundenen Arbeitsprozessen, dem Energiebedarf und den verwendeten Rohstoffen resultieren vielfältige ökologische Herausforderungen, die nicht zuletzt aufgrund ih-rer mengenmässigen Ausdehnung bedeutende Ansatzpunkte für Umwelt-entlastungsmassnahmen in der Schweizer Wirtschaft darstellen. Sie werden des-halb in den folgenden Ausführungen im Detail beleuchtet und diskutiert. 7.3.1 Ökologische Betroffenheit der MVI Der Begriff der ökologischen Betroffenheit gibt an, inwiefern Organisationen oder auch ganze Wirtschaftszweige – zumindest potenziell – ökologisch motivierten An-sprüchen der verschiedenen Stakeholder ausgesetzt sind.336 Eine Vorgehensweise zur Ermittlung der ökologischen Betroffenheit ist die Analyse der ökologischen Be-lastungen sowie – als Pendant – die Analyse der daraus resultierenden Ansprüche. Zum vertieften Verständnis der Situation der Fallstudienunternehmen wird die ökolo-gische Betroffenheit der MVI nachfolgend anhand der ökologischen Belastungen durch die Aktivitäten, Produkte und Dienstleistungen entlang der Wertschöp-fungskette der Branche nachgezeichnet. Die Betrachtung basiert auf der ökologi-

333

Die statistischen Angaben beziehen sich auf den nach der NOGA-Systematik als „Herstellung von Metaller-zeugnissen“ bezeichneten Wirtschaftszweig Nr. 28. vgl. BUNDESAMT FÜR STATISTIK (2003), S. 29.

334 Vgl. SWISSMEM (2003), S. 36. Die Definition der Branche „Metall“, wie sie Swissmem verwendet, weicht leicht von der NOGA-Klassifizierung ab.

335 Daten zum Jahr 2001. Vgl. STATISTISCHES JAHRBUCH (2003), S. 303.

336 In der Literatur besteht keine abschliessende Definition der ökologischen Betroffenheit, da sie aus verschie-denen Perspektiven wahrgenommen werden kann. So findet sich z.B. eine Unterteilung in eine objektive und eine subjektive ökologische Betroffenheit oder eine Klassifizierung nach stofflich-energetischen oder sozio-ökonomischen Gesichtspunkten.

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132 Einführung in die Fallstudien

sche Belastungsmatrix337, mit welcher die ökologischen Auswirkungen, die von der MVI ausgehen, systematisch dargestellt werden können.338 Entlang des Wertschöp-fungsprozesses der MVI lassen sich dabei sechs Branchenstufen unterscheiden: Die Gewinnung von Rohstoffen und Energie, die Vorverarbeitung der Rohstoffe, die Produktion, die Transporte im In- und Ausland, die Produktnutzung sowie die Ent-sorgung der Endprodukte nach deren Lebensdauer. Tab. 15 gibt einen Überblick über die in den einzelnen Branchenstufen anfallenden Umweltbelastungen. Dunkel-graue Felder bedeuten eine hohe, hellgraue Felder eine mittlere und weisse Flä-chen eine geringe bzw. keine Umweltbelastung.339

Tab. 15: Ökologische Belastungen in der metallverarbeitenden Industrie Zu den Rohstoffen zählen neben den Grundstoffen Stahl und Aluminium – abhängig vom Produktsortiment des MVI-Betriebs – auch Holz und Kunststoffe. Die bedeu-tendsten ökologische Belastungen des Wertschöpfungsprozesses fallen in den der MVI vorgelagerten Stufen – der Rohstoffgewinnung – an. Jeder Verfahrensschritt der mehrstufigen Metallgewinnung führt zu Umweltbelastungen in Form von Abfall, Energieverbrauch, Luft-, Wasser- und Bodenkontamination. Die Metalle gelangen in der Regel vorbearbeitet in die MVI-Betriebe, beispielsweise aus Walzwerken, die aus Rohstahl weiterverarbeitungsfähige Bleche herstellen. Einzelne Arbeitsgänge der Herstellung der Endprodukte sind wiederum energieintensiv, so z.B. das Ein-schmelzen und Formen von Metallen. Ökologisch bedeutend sind nicht zuletzt Schmier-, Reinigungs- und Entfettungsmittel, die hier eingesetzt werden und die nach Gebrauch als Sonderabfälle entsorgt werden müssen. Belastend sind zudem

337

Vgl. detailliert: DYLLICK / BELZ / SCHNEIDEWIND (1997). 338

Auf die Analyse der ökologischen Ansprüche auf Branchenebene wird an dieser Stelle verzichtet. Die Forde-rungen aus dem jeweiligen Unternehmensumfeld kommen in den Fallstudien individuell zur Sprache.

339 Die Tabelle zeigt eine grobe relative Bewertung der Umweltbelastungen, die in MVI-Betrieben typischer-weise zum Tragen kommen. Die Grafik beruht nicht auf wissenschaftlich erhobenen Daten. Sie ist vielmehr das Ergebnis der umfangreichen Beschäftigung des Autors mit umweltbezogenem Datenmaterial und Belas-tungstypologien von MVI-Betrieben in der Vorphase dieser Forschungsarbeit. Ein Vergleich mit anderen Wirtschaftszweigen ist nicht möglich.

Ressourcen-verbrauch

Energie

Lärm

Luft

Wasser

Boden

Abfall

EntsorgungNutzungTransporteProduktionVorverarbeitung der Rohstoffe

Rohstoff- und Energie-

gewinnung

Ressourcen-verbrauch

Energie

Lärm

Luft

Wasser

Boden

Abfall

EntsorgungNutzungTransporteProduktionVorverarbeitung der Rohstoffe

Rohstoff- und Energie-

gewinnung

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Einführung in die Fallstudien 133

veredelnde Verfahren wie das Galvanisieren oder Verzinken von Metallen sowie die Lackierung. Viele Unternehmen der MVI weisen einen hohen Spezialisierungsgrad auf und konzentrieren sich z.B. auf die Galvanisierung oder die Verformung von Me-tallen; damit verbunden sind erhebliche Unterschiede in der ökologischen Relevanz von Tätigkeiten und Produkten der einzelnen Betriebe. Die hohe Arbeitsteilung ent-lang der Wertschöpfungskette erfordert deshalb die umfassende Betrachtung der direkten und der indirekten Umweltaspekte.

Im Gegensatz zur Vorproduktions- und Produktionsphase gehen von der Nut-zungsphase der Produkte nur in wenigen Fällen weitere Umweltbelastungen aus, sofern es sich nicht um aktive Produkte handelt. Weitere Belastungen fallen hinge-gen durch den Transport der Ware zu Kunden im In- und Ausland sowie durch die Entsorgung nach deren Lebensdauer an. Die Metalle können i.d.R. rezykliert wer-den, was erneut mit Energieverbräuchen verbunden ist, doch fallen diese deutlich geringer aus als bei der Neugewinnung der Rohstoffe. 7.3.2 Umweltrelevanz von Aluminium und Stahl Jährlich werden in der Schweiz rund 160’000 Tonnen Aluminium und 2,5 Mio. Ton-nen Stahl verarbeitet. 340 Sie kommen vorwiegend im Bauwesen, in der Ver-packungsindustrie, im Transportbereich und im Maschinen- und Apparatebau zum Einsatz. Die beiden Werkstoffe lassen sich gut verarbeiten und können in unter-schiedlichen, für den jeweiligen Verwendungszweck optimierten Qualitäten ange-boten werden. Sie werden bevorzugt dann eingesetzt, wenn die Endprodukte eine hohe Lebensdauer und Formbeständigkeit aufweisen sollen.

Die Aluminiumindustrie bezeichnet Aluminium gern als „nachhaltigen Werkstoff“.341 Damit sind einige typische Eigenschaften von Aluminium angesprochen, die (in ers-ter Linie ökologische) Vorteile gegenüber anderen metallischen Rohstoffen oder Kunststoffen aufweisen. Aluminium ist von geringem spezifischem Gewicht, weist aber trotzdem (bei geeigneter Legierung) eine hohe Steifigkeit auf. Weitere Vorteile sind die Korrosionsbeständigkeit, die eine im Vergleich zu Stahlerzeugnissen eine höhere Produktlebensdauer ermöglicht sowie die hohe Formbarkeit, die einen effi-zienten Ressourceneinsatz erlaubt.

Anderseits ist die Herstellung von Aluminium mit hohen Umweltbelastungen verbun-den. Dies gilt insbesondere für Primäraluminium, das durch Schmelzflusselektrolyse direkt aus Tonerde auf der Basis des Aluminium-Erzes Bauxit gewonnen wird.342. „Primär“ weist auf die Tatsache hin, dass dieser Werkstoff unmittelbar aus dem Rohstoff, d.h. erstmalig rein hergestellt wird. Er besteht denn auch überwiegend aus 340

Datenquellen: Aluminium-Verband Schweiz (Alu-ZAHLENSPIEGEL, 2004); Swiss Steel AG (ZELTNER, 2002). 341

Vgl. z.B. www.alu-scout.com. 342

In der Schmelzflusselektrolyse wird aus der Tonerde extrahiertes Aluminiumoxid unter Einfluss von Gleich-strom zerlegt. Dafür wird es bei 950–970°C in geschmolzenem Kryolith (Na3AlF6) gelöst. Die Zugabe von Kryolith ist nötig, da Aluminiumoxid allein einen zu hohen Schmelzpunkt hat (2050°C). Die Umweltbelas-tungen durch das in der Industrie ebenfalls häufig anzutreffende „Bayer-Verfahren“ sind mit jenen der Schmelzflusselektrolyse vergleichbar.

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134 Einführung in die Fallstudien

Reinaluminium und ist Ausgangsmaterial für Reinstaluminium und Legierungen. Die Erzeugung von Primäraluminium ist aufgrund des Elektrolyseverfahrens sehr ener-gieaufwändig, und auch mit dem Abbau von Bauxit im Tagebau und in Minen gehen bedeutende Umweltbelastungen einher. Im Unterschied dazu wird Sekundäralumi-nium nicht aus Erzen, sondern durch Umschmelzen von Alt- oder Neuschrott343 er-zeugt. Der Energieverbrauch ist hierbei je nach Verfahren bis zu 95% geringer, wo-bei der Aufwand für die Retrologistik und die Materialtrennung hinzuzurechnen sind. Abb. 31 gibt einen Überblick über den ökologischen Rucksack (MIPS-Kennwerte) von Primär- und Sekundäraluminium sowie von der im Handel verbreiteten Qualität „Aluminium 70:30“, die aus 70% Primär- und 30% Sekundäraluminium zusammen-gesetzt ist (vgl. unten).

Abb. 31: Der MIPS-Vergleich von Primäraluminium, Sekundäraluminium und „Aluminium 70:30“344

Ähnlich wie bei der Aluminiumproduktion fallen auch bei der Herstellung von Stahl hohe Umweltbelastungen an. Bis in die 1970er Jahre litten z.B. die Kansai-Region in Japan, das Ruhrgebiet oder die Region von Pittsburgh unter sehr starker perma-nenter Luftverschmutzung als direkte Folge der Staub- und Russbildung durch die Eisenverhüttung. Gleichzeitig wurden über Jahrzehnte hinweg grosse Mengen CO2 emittiert. Die Stahlindustrie wurde deshalb schon früh zu einem Ziel von Umwelt-schutzbewegungen und der Umweltgesetzgebung. Die Folge war eine drastische Verbesserung der Ökoeffizienz: Seit 1960 konnten die deutschen Stahlhersteller die CO2-Emissionen um die Hälfte verringern, während die Staubemissionen um über

343

Bei Neuschrott handelt es sich um Abfälle aus der Produktion von Metallerzeugnissen. 344

Datenquelle: SCHMIDT-BLEEK (1998), S. 297. Zum MIPS-Konzept vgl. Kapitel 4. Die Daten wurden für die beiden Darstellungen (Abb. 31 und Abb. 32) in Prozentwerte umgerechnet, um den Vergleich zwischen Pri-märaluminium (=100%) und anderen Aluminiumerzeugnissen bzw. zwischen Oxydations-Stahl (=100%) und anderen Rohstahlprodukten zu veranschaulichen.

Ökologischer Rucksack von Aluminium

0

20

40

60

80

100

120

abiotisches Material Wasser Luft

in %

(Prim

äral

umin

ium

= 10

0) PrimäraluSekundäraluAlu 70:30

Ökologischer Rucksack von Aluminium

0

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= 10

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Einführung in die Fallstudien 135

90% gesenkt wurden. Weitere Reduktionen des CO2-Ausstosses sind im Rahmen der Umsetzung des Kyoto-Protokolls in Gang.345 Die heutigen MIPS-Werte der drei wichtigsten Stahlsorten, inklusive der 17% Rezyklatanteil enthaltenden Handels-qualität „83:17“ sind in Abb. 32 dargestellt.

Abb. 32: Der MIPS-Vergleich von Oxydationsstahl, Elektrostahl und „Stahl 83:17“346

Von Weizsäcker bezeichnet Stahl als „naturnahen Werkstoff“, der „vergleichsweise ressourcenschonend“ erzeugt werden könne.347 Diese Aussage kann mittlerweile für einen grossen Teil der westeuropäischen und nordamerikanischen Stahlindustrie zutreffen. Sie ist jedoch angesichts veralteter Produktionsverfahren und -anlagen in vielen vorwiegend osteuropäischen und asiatischen Eisenhütten zur Erzeugung von Oxydationsstahl348 zu relativieren. Gleichzeitig lässt Stahl als Massenprodukt bei gegebener Qualität kaum je Rückschlüsse auf den Hersteller zu, zumal der Werk-stoff in der Schweiz ausschliesslich über Handelsagenturen eingekauft werden kann. Damit sind im Stahlhandel Intransparenzen vorhanden, die es dem einzel-nen MVI-Betrieb weitgehend verunmöglichen, die Umweltbelastung der Herstellung des eingekauften und gelieferten Stahls richtig zu beurteilen.

Ökologisch vorteilhaft ist die sowohl physikalisch als auch logistisch bedingt gute Rezyklierbarkeit von Aluminium und Stahl. Aluminium lässt sich ohne jeglichen Qualitätsverlust einschmelzen, giessen und wieder verwenden. Seit zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts das Metall erstmals kommerziell produziert wurde, wur-den gleichzeitig weltweit zahlreiche Umschmelzwerke (Refiners) errichtet, die aus

345

Die Kyoto-Vereinbarung Deutschlands sieht eine CO2-Emissions-Reduktion der Stahlindustrie um 22% bis im Jahr 2012 vor. Bis im Jahr 2000 wurde – im Vergleich zu 1990 – eine Reduktion von 14,5 % erreicht.

346 Datenquelle: SCHMIDT-BLEEK (1998), S. 297. Zur Darstellung der Werte siehe die Ausführungen S. 134.

347 Von Weizsäcker (o.J.).

348 Als Oxydationsstahl wird Stahl bezeichnet, der in Hochöfen aus Eisenerz produziert wird. Zur Kühlung der Öfen wird immer ein Anteil (ca. 10%) Schrott beigefügt, so dass auch Oxydationsstahl teilweise aus Rezyklat besteht.

Ökologischer Rucksack von Stahl

0

20

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136 Einführung in die Fallstudien

Neu- und Altschrott die üblichen Lieferformate von (Sekundär-)Aluminium für die Weiterverarbeitung (vor allem so genannte Masseln oder Barren) sowie Gusslegie-rungen herstellten349. Damit hat sich in der Aluminiumindustrie eine durchgehende Kreislaufwirtschaft etabliert. Rezykliertes Aluminium wird für die Rohstoffmärkte i.d.R. mit Primäraluminium vermischt. Übliche Handelsform für die MVI sind neben Primäraluminium die als „Aluminium 70:30“ bezeichnete Mischvariante mit einem Sekundäraluminium-Anteil von 30%. Nach Angaben des BUWAL werden heute weltweit rund 35% des Aluminiums rezykliert.

Noch weiter ausgebaut ist das Stahlrecycling. Stahl wird im Gegensatz zu Alu-minium zu den „alten“ Metallen gezählt, da es (in seiner Urform Eisen) schon seit Jahrtausenden vom Menschen genutzt wird. Seit ebenso langer Zeit wird es auch rezykliert. Der weltweit gehandelte und verwendete Stahl besteht heute rund zur Hälfte aus Schrott.350 Regional sind die Schrottanteile im Stahl hingegen sehr unter-schiedlich. In Europa, insbesondere in Südeuropa, wurden in den letzten Jahren die meisten Hochöfen für die Erzverarbeitung aufgegeben und an ihrer Stelle Anlagen für die Verarbeitung von Stahlschrott erbaut. Skandinavien, das über eigene Erzvor-kommen verfügt, sowie Deutschland, das Erze zur Stahlproduktion einkauft, sind mittlerweile die letzten verbliebenen europäischen Produktionsstätten für Oxyda-tionsstahl. Dadurch liegt der Rezyklatanteil auf dem europäischen Stahlmarkt bei ca. 80%. 351 Durch das anhaltende überdurchschnittliche Wirtschaftswachstum in China hat sich in den letzten Jahren die Verfügbarkeit von Schrott in Europa jedoch stark verringert. China benötigt seit Jahren mehr Stahl, als es selber herstellen kann. Daher absorbiert die Region derzeit ca. 30% der gesamten globalen Stahlpro-duktion und kauft weltweit grosse Mengen von Schrott ein, um ihn in den eigenen Stahlwerken zu verarbeiten.352 Dies wird sich künftig auch auf den Rezyklatanteil im europäischen Stahlmarkt auswirken.

Als Konsequenz dieser Entwicklung wird es dem einzelnen MVI-Betrieb erschwert, die ökologischen Belastungen der eingekauften Rohstoffe sowohl angemessen zu beurteilen als auch zu beeinflussen. So ist es i.d.R. weder möglich, einen bestimm-ten Rezyklatanteil beim Stahleinkauf zu fordern, noch den Schrottanteil des gelie-ferten Rohmaterials nachträglich zu bestimmen. Einflussmöglichkeiten bestehen einzig in Bezug auf die Herkunftsregion, wenn auch nicht auf den Herstellungsbe-trieb: Angaben des Stahlhandels zufolge steht es dem Kunden i.d.R. offen, die Pro-venienz des Stahls vorzugeben, was sich mitunter auf die Verarbeitungsfähigkeit, 349

Z.B. wird in der Schweiz das Alu-Recycling leerer Verpackungen aus Aluminium logistisch von der IGORA-Genossenschaft – stellvertretend für die einzelnen Refinerbetriebe – koordiniert. Sie betreibt zudem Marke-tingkampagnen zur Förderung des Alu-Recyclings in Privathaushalten und Büros. Im Rahmen einer Nach-haltigkeitsstudie der EMPA wird sie als „unverzichtbares Glied in der Kette des Leichtmetall-Kreislaufes“ be-zeichnet und spielt für die nachhaltige Entwicklung der Aluminiumbranche eine wichtige Rolle. (GILGEN (2001), S. 130). In der Schweiz beträgt die Rücklaufquote von in Privathaushalten, in Büros und zu Verpa-ckungszwecken verwendetem Aluminium 27%, für Getränkedosen allein 91% (2001).

350 Vgl. VON WEIZSÄCKER (o.J.).

351 Vgl. Schweizerische Metallunion (2004).

352 Vgl. Informationen zur Entwicklung auf den internationalen Stahlmärkten: www.kuhfussonline.com, Zugriff: 30. März 2004.

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Einführung in die Fallstudien 137

aber auch auf den Preis auswirken kann. Von diesem Spielraum, der auch aus öko-logischer Perspektive von Bedeutung sein kann, „wird in der Praxis jedoch so gut wie nie Gebrauch gemacht“.353 7.3.3 Verarbeitungsprozesse der MVI Die hauptsächlichen Verarbeitungsprozesse in der MVI sind das Umformen und Zu-schneiden des Rohmaterials, die Oberflächenbehandlung sowie die Montage der Werkstücke. Ökologisch von Bedeutung sind in erster Linie die verschiedenen Ver-fahren der Oberflächenbehandlung und des Korrosionsschutzes: Sie sind u.U. mit erheblichen Umweltbelastungen und Umweltrisiken verbunden. Die wichtigsten Ver-fahren sind dabei das Galvanisieren, das Verzinken, das Lackieren und das Pulver-beschichten.

Galvanisieren und Verzinken Unter Galvanisieren wird allgemein das Beschichten von Metalloberflächen aus dem ionisierten Zustand durch elektrolytisches oder chemisches Abscheiden verstan-den.354 Grundsätzlich wird bei galvanischen Verfahren das Werkstück als Kathode in ein Bad getaucht und mit Metallabscheidungen überzogen. Die dabei aufgetragenen Metallschichten können bis zu Millimeterstärke aufweisen. Ziel des Galvanisierens ist neben der Veredelung (z.B. Verchromung) auch der Korrosionsschutz. Für den dauerhaften Korrosionsschutz eignet sich vor allem das Verzinken, das durch Gal-vanisierungsverfahren oder durch eine Tauchbadlösung (Feuerverzinkung) erreicht werden kann. Ökologische Risiken gehen bei beiden Verfahren von den für die Pro-zesse (Reinigung, Entfettung und Vorbereitung der Werkstücke) und in den Tauch-bädern verwendeten Chemikalien bzw. Schwermetalle wie Zink, Cyanid, Cadmium, Kupfer, Nickel und Chrom aus. Den ökologischen Risiken entsprechend ist die ge-setzliche Regelungsdichte zu diesen Verfahren sehr hoch, und in zahlreichen Bet-rieben sind in den letzten Jahren Kreislaufsysteme eingerichtet worden, die die Umweltrisiken und Umweltbelastungen deutlich reduzieren.

Lackieren In der MVI sind mehrere Verfahren zur Farbbeschichtung von Metallwerkstücken verbreitet. Von grundlegender Bedeutung ist die Unterscheidung von Nasslackie-rung und Pulverbeschichtung (siehe unten). Als Nasslacke werden flüssige Sub-stanzgemische bezeichnet, die nach der Trocknung auf der Oberfläche der Werk-stücke eine fest haftende, geschlossene Schicht bilden. Je nach Verwendungs-zweck enthält die Schicht Farbstoffe, Pigmente, Füllstoffe, Weichmacher, Harze und 353

Aussage eines Vertreters der Schweizerischen Metallunion. 354

Hier wiedergegeben ist das in der MVI gebräuchliche, jedoch eingeschränkte Verständnis der Galvano-technik. Grundsätzlich ist die Galvanotechnik ein Teilgebiet der technischen Elektrochemie und umfasst alle chemischen und elektrochemischen Verfahren der Metallbeschichtung und Umwandlung von Metallober-flächen. Dazu gehören auch Prozesse für die Vor- und Nachbehandlung der Werkstücke wie das oben er-wähnte elektrochemische Abscheiden, das anodische Oxydieren, das chemische Metallabscheiden, das chemische Oxydieren, das Phosphatieren und andere Verfahren. Vgl. dazu SPUR / STÖFERLE (1987), KNAUR (1988), MÜLLER G. (1989), KOCH (2003), www.umweltlexikon-online.de, www.galvaswiss.ch.

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138 Einführung in die Fallstudien

Bindemittel. Neben der Farbgebung hat die Lackschicht auch eine Schutzfunktion gegen Beschädigungen (Kratzer) und Korrosion. Die meisten für die Metallver-edelung eingesetzten Lacke basieren auf (giftigen) Lösungsmitteln. Zunehmend verwenden MVI-Betriebe aber auch (ungiftige) Wasserlacke, deren zuvor stark be-schränktes Einsatzgebiet in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt werden konnte. Als Beschichtungsverfahren sind in der Praxis die Spritzbeschichtung und die elektrostatische Beschichtung weit verbreitet. Bei diesen Verfahren fallen jedoch relativ grosse Mengen an Lackabfällen an, die nicht rezykliert werden können. Mate-rialsparend ist dagegen die Tauchbadlackierung, bei welcher die Werkstücke in eine mit Lack gefüllte Wanne getaucht werden. Durch dieses Verfahren entstehen Lack-abfälle nur bei Farbwechseln oder bei der Wannenreinigung.

Pulverbeschichtung Die Pulverbeschichtung ist ein relativ junges Verfahren, das in der MVI rasch starke Verbreitung gefunden hat. Bei der Pulverbeschichtung wird die Farb- bzw. Schutz-schicht als Pulverlack aufgetragen. Dabei wird das Pulver durch elektrostatische Aufladung des Untergrundes gleichmässig auf dem Werkstück verteilt. Die Schicht-dicken sind im Allgemeinen grösser als bei der Nasslackierung und bieten einen besseren Schutz vor mechanischen Beschädigungen der Oberfläche. Die Beschich-tung findet in abgeschlossenen Kammern statt, die es erlauben, dass alle Pulver-reste aufgefangen und wieder verwendet werden können. Da die Umstellungs- und Rüstprozesse, z.B. bei Farbwechseln, bei der Pulverbeschichtung sehr aufwändig sind, eignet sich dieses Verfahren vor allem für Grossserien.

Metallverarbeitende Unternehmen, die Produkte entwickeln, herstellen und vertrei-ben, lagern die Oberflächenveredelung vielfach an Drittunternehmen aus. So sind Galvanisierung und Verzinkung typische Prozesse, die von spezialisierten, z.T. sehr kleinen Betrieben der MVI als Dienstleistung angeboten werden. Hingegen werden Lackierung und Pulverbeschichtung oft selber durchgeführt, da sich diese Prozesse gut in den Herstellungsprozess der Fertigprodukte eingliedern lassen. Sie sind denn auch wichtige Ansatzpunkte für die ökologische Optimierung der betrieblichen Pro-zesse. 7.3.4 Folgerungen Es ist nicht möglich, ein allgemein gültiges „Umweltbelastungsprofil“ eines MVI-Be-triebs zu zeichnen, da die Unterschiede bezüglich Produkten und Prozessen sehr gross sind. Als typisches Merkmal für Unternehmen, die Metallprodukte herstellen, gilt jedoch die Tatsache, dass der weitaus grösste Teil der Umweltbelastungen in der Herstellung der Rohstoffe und somit für die meisten Betriebe auf den vorge-lagerten Stufen des Wertschöpfungsprozesses stattfindet. An ein effektives Umwelt-management stellt dies hohe Anforderungen, denn es darf sich nicht nur auf be-triebsökologische Prozessoptimierungen, wie sie für die erste Phase des ökologi-schen Entwicklungsprozesses typisch sind, ausrichten. Erst wenn die indirekten

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Einführung in die Fallstudien 139

Umweltbelastungen erkannt und in ihrem Ausmass richtig eingeschätzt worden sind, lässt sich ein adäquates Bild der ökologischen Austauschbeziehungen der Un-ternehmung darstellen. Darüber hinaus gilt es, diese Belastungsarten in die Um-weltzielsetzungen angemessen einzubeziehen und die – wenn auch teilweise be-schränkten – Handlungsspielräume auszunutzen. Wenn die Materialsubstitution nicht möglich ist, stehen folglich ökologische Ansatzpunkte wie die Material-intensität, die Rezyklierbarkeit der Produkte und deren Lebensdauer im Vorder-grund. Im Hinblick auf die nachfolgenden Fallstudien wird es deshalb interessant sein zu beobachten, inwiefern sich die Unternehmen dieser ökologischen Belas-tungssituation bewusst sind, wie sie damit umgehen, und ob das implementierte UMS in der Lage ist, diese Aspekte wirkungsvoll zu erfassen.

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8 Fallstudie Lista AG

Die Lista-Gruppe gehörte im Jahr 2002 mit weltweit 1177 Beschäftigten und einem Umsatz von 295 Mio. CHF zu den grossen Schweizer Unternehmen der metallver-arbeitenden Industrie.355 Das traditionsreiche Familienunternehmen hat eine starke internationale Ausrichtung mit Produktionsstätten in der Schweiz (Erlen, Degers-heim und Arnegg), in Deutschland und in den USA. Der Hauptsitz des 1945 in Heri-sau gegründeten Unternehmens befindet sich seit den 1950er Jahren in Erlen im Kanton Thurgau. Als Familienunternehmen wird Lista heute von der Nachfolge-generation des Firmengründers geführt.

Lista stellt eine breite Palette von funktionalen und flexiblen Büro- und Betriebs-einrichtungen her. Die Produkte werden vorwiegend aus Stahl und teilweise unter Verwendung von Holz- und Kunststoffbestandteilen gefertigt. Die Kernkompetenzen liegen in der Stahlverarbeitung, der Standardisierung der Produkte, deren Lang-lebigkeit und deren Funktionalität. Zentrales Element im Sortiment für Betriebs-einrichtungen ist die Schublade: Sie kommt in den umfangreichen Schrank- und Wandsystemen sowie in den Arbeitsplatzprogrammen zum Einsatz und wird im Werk Erlen produziert, wo alle 15 Sekunden eine Schublade die Herstellungsanla-gen verlässt. Abnehmer der Büro- und Betriebseinrichtungen sind in erster Linie alle Arten von Unternehmen und Organisationen, die Werkstätten, Montagehallen und Büros einrichten. Lista-Erzeugnisse gelangen zunehmend auch in Museen, Kran-kenhäusern und mobilen Arbeitseinrichtungen (z.B. in der Formel 1) zum Einsatz.

Der Bereich Stahlverarbeitung zeichnet sich aus strategischen Gründen durch eine sehr hohe Fertigungstiefe aus. So kauft Lista beispielsweise für die Produktion von Metallschränken und Schubladen gewalzte Stahlbleche ein und bearbeitet und mon-tiert sie in den eigenen Werkstätten. Bei allen übrigen Materialien wurde die Ferti-gungstiefe in den letzten Jahren stark reduziert. Dies wurde insbesondere im Ver-kauf des eigens aufgebauten Kunststoffwerks ersichtlich, und daran, dass dieses Werk für Lista Schweiz noch heute ein wichtiger Lieferant von Kunststoff-Halbfabri-katen ist. Auch kauft Lista sämtliche Holzteile zugeschnitten und lackiert ein, so dass sie nur noch montiert werden müssen. Der Versand der Lista-Produkte wird i.d.R. vom Unternehmen selbst durchgeführt, wobei die Lieferung oft auch Montage-arbeiten beim Kunden beinhaltet.

Als Konsequenz eines konjunkturbedingten Umsatzeinbruchs um 17% im Jahr 2002 entschied sich Lista dazu, die Unternehmenssparten Büroeinrichtungen und Be-triebs- und Lagereinrichtungen in eigenständige Unternehmen aufzuspalten. Diese waren nur wenige Jahre zuvor zusammengelegt worden, doch erwiesen sich die damit geschaffenen Strukturen als ineffizient. Die einzelnen Gruppengesellschaften sind heute unter dem Dach der Lista-Holding AG vereint (vgl. Organigramm, Abb.

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Fallstudie Lista AG 141

33). Durch die Neuorganisation erhofft sich der Verwaltungsrat eine Stärkung der Geschäftsleitungen und verkürzte Entscheidungswege. Die verschiedenen Produk-tions- und Vertriebsgesellschaften sind juristisch und auch in Bezug auf die Mana-gementstrukturen weitgehend eigenständig agierende Organisationseinheiten.356

Abb. 33: Organigramm der Lista-Gruppe

8.1 Das Umweltmanagement

Motivationstyp Lista betreibt seit Jahrzehnten proaktiven Umweltschutz und ergreift Umwelt-schutzmassnahmen, die über den gesetzlichen Rahmen hinausgehen. Ausschlag-gebend dafür waren ursprünglich die besondere ökologische Sensibilisierung des damaligen Unternehmensbesitzers sowie umweltbezogene Überlegungen im Zu-sammenhang mit der Erdölkrise in den frühen 1970er Jahren. Seit jener Zeit wird Umweltschutz von der Firmenleitung als selbstverständliche Managementaufga-be betrachtet und gefördert. Auch für den heutigen Firmeninhaber ist die Ausein-andersetzung mit ökologischen Herausforderungen von Bedeutung, vor allem aus der Motivation heraus, ein „sauberes“ Unternehmen „sauber führen“ zu wollen.357

Die Entscheidung für den Aufbau des UMS im Jahre 1996 und für die ISO-14001-Zertifizierung wird dementsprechend als logische Folge einer lang gelebten Tradi-tion begründet. ISO 14001 bot einen pragmatischen und mit dem Qualitätsmanage-

355

Zahlenangaben aus Lista Geschäftsbericht 2002. 356

Die Perspektive für die vorliegende Fallstudie umfasst die gesamte Lista-Gruppe, da die unternehmens- und umweltpolitischen Ziele von Lista gruppenweit gelten. Inhaltlich konzentriert sie sich jedoch auf die Standorte in der Schweiz.

357 Interview GL.

Lista Holding AG

Lista Europa Lista Amerika Gruppencontrolling

Lista B+L Lista Office Lista Services Lista B+L

B+L = Betriebs- und LagereinrichtungenIn Anlehnung an Lista Geschäftsbericht 2002

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Lista Holding AG

Lista Europa Lista Amerika Gruppencontrolling

Lista B+L Lista Office Lista Services Lista B+L

Lista Holding AG

Lista Europa Lista Amerika Gruppencontrolling

Lista B+L Lista Office Lista Services Lista B+L

B+L = Betriebs- und LagereinrichtungenIn Anlehnung an Lista Geschäftsbericht 2002

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142 Fallstudie Lista AG

ment gut integrierbaren Rahmen, um die bisherigen Umweltschutzbemühungen zu systematisieren. Gleichzeitig beabsichtigte Lista, sich durch die Zertifizierung selbst einen gewissen Druck von aussen aufzuerlegen, um den eigenen Weiterentwick-lungsprozess zu unterstützen. Die Hoffnung auf wettbewerbsstrategische Vorteile wie Image- oder Kostenaspekte waren untergeordnete Motivationsfaktoren für die Zertifizierung.

Abb. 34: Motivationstypisierung von Lista zum Zeitpunkt der

Erstzertifizierung des UMS

Laut dem damals federführenden UMS-Verantwortlichen und heutigen Delegierten der Geschäftsleitung für Umweltthemen gab es zu jenem Zeitpunkt in Degersheim, wo die erste Zertifizierung stattfand, „mehrere Leute aus der Führung, die der Mei-nung waren, dass das eine gute Sache sei“. Sie fanden im Verwaltungsrat und beim Inhaber den notwendigen Rückhalt und ausreichende Förderung für den UMS-Auf-bau. Ein Auslöser lag darin, dass auf einem bislang unbebauten Stück Wiese in De-gersheim eine vollständige neue Fabrik aufgebaut worden war und die Unterneh-mensleitung den damit verbundenen ökologischen Belastungen nachträglich entge-genwirken wollte. ISO 14001 war dazu ein willkommenes neues Instrument, um den ökologischen Handlungswillen in ein systematisches Handeln zu überführen. Mit dieser Grundmotivation und der geringen wettbewerbsstrategischen Relevanz, die mit dem UMS-Aufbau verbunden war, ist Lista zum Zeitpunkt der Erstzertifizierung als „idealistisch“ zu positionieren (vgl. Abb.Abb. 34).

Art und Aufbau des UMS Die einzelnen Lista-Unternehmen betreiben als Folge der Unternehmensaufspal-tung im Jahr 2002 jeweils eigene Managementsysteme. Diese weisen untereinan-der grosse Ähnlichkeiten auf, die durch den Erfahrungsaustausch im Zuge der Auf-

Wettbewerbsstrategische Bedeutung des UMS

„opportunistisch“„oberflächlich“

„engagiert“

„idealistisch“

Intr

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Mot

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zum

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Wettbewerbsstrategische Bedeutung des UMS

„opportunistisch“„oberflächlich“

„engagiert“

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Fallstudie Lista AG 143

bauphase und der zwischenzeitlichen Fusion der Werke358 entstanden sind. Das UMS bildet zusammen mit dem Qualitätsmanagement und dem Arbeitssicherheits-management (EKAS) sowie der Risikovorsorge ein umfassendes integriertes Ma-nagementsystem (IMS) nach der Philosophie des Total Quality Managements (TQM). Mit dieser Integration wollte Lista ein Aufblähen der bürokratischen Struk-turen von Anfang an vermeiden, und die Geschäftsleitung war überzeugt, dass ein in die bisherigen Abläufe integriertes UMS von der Belegschaft wesentlich besser akzeptiert werden würde als ein zusätzliches, entkoppeltes Managementsystem. Die Integration wird besonders in der organisatorischen Verankerung des UMS deutlich, indem die meisten mit dem UMS verbundenen Aufgaben in den normalen Arbeitsabläufen mit berücksichtigt und deren Überwachung auf die verschiedenen Linienfunktionen verteilt sind. Dadurch übernehmen alle Mitarbeitenden und insbe-sondere die Führungskräfte explizit einen Teil der Umsetzungsverantwortung. Basis des IMS ist jeweils eine prozessorientierte Dokumentation der Unternehmens-aktivitäten in den einzelnen Werken.

Das IMS wird an den Schweizer Standorten durch Systemverantwortliche359 geführt und verwaltet. Die Interessen der Konzernleitung werden durch den Delegierten der Geschäftsleitung vertreten, der die Entwicklung des TQM aus übergeordnetem Blickwinkel vorantreibt und dessen Bedürfnisse nach oben vertritt. Er ist gleichzeitig Leiter Technik, Produktion und Logistik der Sparte Betriebs- und Lagereinrichtungen und im Zusammenhang mit UMS sehr erfahren. Die internen Fachpersonen führen ihre UMS-bezogenen Aufgaben im Nebenamt aus, der Leiter Umwelt in Erlen ist z.B. gleichzeitig auch Leiter Technik / Dienste und damit verantwortlich für die Fab-rikationsplanung. Diese Konstellation erlaubt einen guten Überblick über alle im Werk stattfindenden Prozesse, gerade auch im Hinblick auf die Identifikation ökolo-gischer Verbesserungspotenziale. Allein mit internen Ressourcen ist Lista somit in der Lage, das Umweltmanagement weitgehend ohne externe Beratung zu führen und weiter zu entwickeln. Punktuell werden jedoch Spezialisten hinzugezogen, ins-besondere für die Erstellung der Ökobilanz und für spezifische Fragen der Daten-erfassung und -qualifizierung.

Umweltpolitische Festlegungen Seit 1990 enthält die dokumentierte Unternehmenspolitik Vorgehensleitsätze für den Umgang mit Umweltaspekten. Mit der damaligen Definition wurde allgemein eine möglichst hohe Umweltverträglichkeit angestrebt, wobei der Fokus des Umwelt-engagements auf der Betriebsökologie lag. Neben der damals schon prägenden Forderung nach der wirtschaftlichen Tragbarkeit der Umweltschutzmassnah-men war die Orientierung am Stand der Technik handlungsbestimmend. Die Unter-nehmens- und Umweltpolitik wurde den Mitarbeitern durch Schulung kommuniziert, begleitet durch die Botschaft, dass Lista der Umwelt Sorge tragen wolle, es müsse 358

Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt 8.3.3. 359

Die Systemverantwortlichen werden intern auch als Leiter Umwelt bezeichnet. In den folgenden Ausführun-gen werden beide Bezeichnungen synonym verwendet.

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144 Fallstudie Lista AG

aber „finanziell vertretbar“ sein. Die allgemeinen unternehmenspolitischen Grund-sätze wurden in den späten 1990er Jahren neu definiert und als Broschüre nach innen und aussen kommuniziert. Dort ist dem Umweltengagement wiederum ein eigener Abschnitt gewidmet, der festhält, dass „alle notwendigen Massnahmen er-griffen werden, um Umweltbelastungen zu vermeiden, auf ein Mindestmass zu re-duzieren und die Ressourcen zu erhalten“. Hier ist auch die ISO-14001-Zertifi-zierung aller Lista-Betriebe als explizites Ziel festgehalten. Heute wird das UMS als Teil des Nachhaltigkeitsmanagements von Lista verstanden, mit welchem – weiter-hin unter der expliziten Forderung nach der wirtschaftlichen Tragbarkeit – eine um-welt- und sozialverträgliche Unternehmensentwicklung angestrebt wird. Unver-ändert blieb in dieser Zeit die deutliche Ausrichtung des Umweltengagements auf betriebliche Prozesse und Infrastrukturen.

Umweltaspekte Die Analyse der Umweltaspekte, die dem UMS von Lista zugrunde liegt, ist ent-sprechend stark auf Betriebsökologie und Produktionsprozesse fokussiert. In ihr kommt die hohe Fertigungstiefe in der Stahlverarbeitung zum Ausdruck. Umweltas-pekte rühren daher, dass in den Schweizer Werkstätten zahlreiche Arbeitsgänge mit unterschiedlichen Umweltbelastungen verrichtet werden. So werden die von Walz-werken gelieferten Stahlbleche zugeschnitten, gestanzt, verformt und verschweisst, ehe sie beschichtet und lackiert werden. Direkte Umweltaspekte in der Fertigung sind entsprechend auf die Prozesse Zuschneiden, Schweissen/Löten, Vorbehan-deln, Pulverbeschichten, Einbrennen, Tauch- und Nasslackieren zurückzuführen. Umweltbelastend sind ausserdem die Montage und Verpackung, die Auslieferung und die Raumwärmeversorgung der Werkhallen. Trotz dieser umfangreichen Palet-te an direkten Umweltaspekten fallen die grössten Umweltbelastungen auf vorgela-gerten Wertschöpfungsstufen an, vor allem bei der Stahlherstellung. Die Ökobilanz aus dem Jahr 2000 im Werk Erlen zeigt auf, dass nur gerade 2% der gesamten Umweltbelastung am Standort entstehen, während weitere 11% auf die Energiever-sorgung und die Entsorgung von Abfällen zurückzuführen sind. Der überwiegende Anteil der knapp 36 Mio. kUBP360 wird mit den verwendeten Materialien „einge-kauft“, wovon 83,8% auf den Stahl entfallen.

8.2 Gestaltung des KVP

Die nachhaltigkeitsorientierte Unternehmensentwicklung umfasst für Lista „viele kleine Schritte, und hie und da eine Grosstat“361. Zur Verbesserung der Umwelt-leistung stehen, der Umweltpolitik entsprechend, pragmatische Massnahmen im Bereich der Betriebsökologie im Vordergrund. Ökologisch relevante Fortschritte sol-

360

Lista misst die Umweltbelastung in Umweltbelastungspunkten (UBP) (1000 UBP = 1kUBP), vgl. Kap. 4.1.2. 361

Interview UB.

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Fallstudie Lista AG 145

len erreicht werden, indem jeder Mitarbeiter seinen Beitrag dazu leistet und der Ziel- und Massnahmenkatalog durch einen Top-down- sowie einen Bottom-up-Prozess alimentiert wird.

Ökologische Zielsetzungen Ökologische Zielsetzungen orientieren sich weitgehend an den seit Jahrzehnten vorherrschenden Handlungsfeldern des Umweltmanagements. Während das Errei-chen einer möglichst hohen Ökoeffizienz in der Produktion als „Pflicht“ wahrgenom-men wird, sind ökologische Produktinnovationen, wie in internen Unterlagen für die Verkaufsmitarbeiter beschrieben „eher Kürprogramm“. In der Produktökologie ist Lista davon überzeugt, dass die heutigen Lösungen bereits in hohem Mass umwelt-verträglich sind und kaum weiteres Verbesserungspotenzial bieten. Daher verfolgen fast alle Umweltziele und Massnahmen die Reduktion des Energieverbrauchs, der Abfälle und der Emissionen, die in den Werken entstehen. Eine weitere bedeuten-de Zielsetzung liegt in der Nutzung des UMS als Planungs- und Führungsinstru-ment, das der Motivation der Mitarbeiter dienen soll und zwischen den einzelnen Schweizer Standorten zum Benchmarking eingesetzt wird. In frühen Phasen waren zudem die Rechtskonformität und die Risikominimierung explizite Ziele des UMS. In beiden Bereichen konnte sehr schnell ein hohes Niveau erreicht werden, so dass es heute in diesem Zusammenhang darum geht, den guten Stand auf Dauer zu erhal-ten und die Entwicklung der gesetzlichen Forderungen aktiv mitzuverfolgen.

Top-down werden auf der Ebene der Unternehmensbereiche periodisch Umwelt-ziele definiert, nicht aber auf Konzernebene. Sie werden gemeinsam durch die Ge-schäftsleitung und die Leiter Umwelt der jeweiligen Unternehmensbereiche unter Einbezug der Linienverantwortlichen festgelegt und sind weitgehend quantifiziert. Alle Ziele sind für einen mehrjährigen Zeitraum definiert und sind die Basis für jährli-che Subziele. Tab. 16 gibt beispielhaft einen Überblick über die Umweltziel-setzungen, die im Jahr 2003 von der Sparte Betriebs- und Lagereinrichtungen be-schlossen worden sind.

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146 Fallstudie Lista AG

Tab. 16: Mittel- und kurzfristige Umweltziele der Lista Erlen362

Bottom-up-Prozess Das IMS von Lista kennt drei Instrumente zur Erfassung von umwelt-, qualitäts- und sicherheitsrelevanten Verbesserungsvorschlägen der Belegschaft. Für einfache Optimierungsvorschläge stehen unter dem Stichwort KVP überall auf den Werks-geländen Zettelboxen bereit, die jedem Angestellten das formlose Einreichen von Vorschlägen ermöglichen. Über die Nutzung dieses Instruments wird eine Statistik geführt und intern unter Namensnennung der aktivsten Mitarbeiter veröffentlicht. Ur-sprünglich hoffte die Geschäftsleitung, auf diese Weise fünf bis zehn Verbes-serungsvorschläge je Mitarbeiter und Jahr zu erhalten, heute liegen die Werte je-doch deutlich darunter.

Formal anspruchsvoller ist das betriebliche Vorschlagswesen, das für komplexere Anregungen bis hin zu Innovationen vorgesehen ist. Die hier eingereichten Vor-schläge werden nach einem standardisierten Berechnungsschema prämiert. Aus den normierten Managementsystemen ist als drittes Instrument der Ablauf Korrek-

• Meldung Störfälle

• Pendenzenliste

• Korrekturmassnahmen rechtzeitig einleiten

• Umweltberichte erstellen

• Keine Reklamationen bezüglich Umwelt

• Keine Reklamationen bezüglich UmweltFeedback ex-

terner Kreise

• Unfallstatistik• Meldung

Störfälle• Wächterraporte

• Mitarbeiterschulungen, auch neue Mitarbeitende

• Fast-Störfälle melden für Korrekturen

• Checklisten anwenden

• Ziel: halten• Max. 20 Unfälle• Max. 2200 h Ausfall

• Kein Störfall (kein Umweltverschmutzen über deklariertes Mass); gute Arbeitssicherheit

Sicherheit

• Erfassung pro Quartal durch Verursacher

• Pulver intern verwenden• Abfälle reduzieren und noch

besser trennen• Wiederverwertung forcieren• Ölproben vor Ölwechsel• Beleuchtungen langlebig

• Anteil Wiederverwertung bei 40% halten

• Sondermüll max. 6 t• Klärschlamm <5 t

• Anteil Wiederverwer-tung zu Abfall =35:65

• Sondermüll: 6 t / JahrRecycling / Entsorgung

• Entwicklungs-plan

• Öko-Konten-rahmen

• Checklisten• Ökobilanzen

• Arbeiten nach Produkt-entwicklungsprozess

• Schulung der Entwickler und Beschaffer

• Produktökobilanz für ein Hauptprodukt

• Kennzeichnung der Kunststoffe

• PVC langfristig eliminieren

• Produktoptimierung bei Schränken

• e-Lock, Space• Konzeptphase für

getrennte Front bei Schubladen

• Teilprojektziel: 5% weniger Material-einsatz

• Ökologische Produktentwicklung(wenig Ressourcen, problemlose Stoffe, Trennbarkeit).

• Bei Holzlieferanten Ökoeffizienz um 20% verbessern

Umweltver-träglicheProdukte

• Monatliche Rechnungen

• Energiesparprogramm• neue Anlagen• Frequenzumformer• Energiesparwochen• Rückgewinnung• Dünnschichtverfahren• Einsatz Niedertemperatur-

pulver

• Totalenergie pro PE max. 90 kwh

• Pulververbrauch 125 gr/m2 (halten trotz Ersatz Band 1)

• 6% Energie-Reduktion• 15% Pulververbrauch-

ReduktionRessourcen / Energie

• Monatliche Energie-messungen

• Lackverbrauch pro Quartal

• VOC-Anteil reduzieren• Brennereinstellungen, evtl.

neue Brenner• Oberflächentechnik-Anlagen

optimieren• Gebäude isolieren• Tourenplanung Lkw

• 25 kUBP je PE• Reduktion der Lkw-

km um 4%• LRV einhalten

• 6% Reduktion der UBP• 20% Reduktion der

Lkw-Kilometer• LRV einhaltenEmissionen

Lenkung, Überwachung

Programm bis 2005 (mögliche Massnahmen)Ziele 2003Ziel je Produkt-

einheit (PE)Bewertungs-

Kriterien

• Meldung Störfälle

• Pendenzenliste

• Korrekturmassnahmen rechtzeitig einleiten

• Umweltberichte erstellen

• Keine Reklamationen bezüglich Umwelt

• Keine Reklamationen bezüglich UmweltFeedback ex-

terner Kreise

• Unfallstatistik• Meldung

Störfälle• Wächterraporte

• Mitarbeiterschulungen, auch neue Mitarbeitende

• Fast-Störfälle melden für Korrekturen

• Checklisten anwenden

• Ziel: halten• Max. 20 Unfälle• Max. 2200 h Ausfall

• Kein Störfall (kein Umweltverschmutzen über deklariertes Mass); gute Arbeitssicherheit

Sicherheit

• Erfassung pro Quartal durch Verursacher

• Pulver intern verwenden• Abfälle reduzieren und noch

besser trennen• Wiederverwertung forcieren• Ölproben vor Ölwechsel• Beleuchtungen langlebig

• Anteil Wiederverwertung bei 40% halten

• Sondermüll max. 6 t• Klärschlamm <5 t

• Anteil Wiederverwer-tung zu Abfall =35:65

• Sondermüll: 6 t / JahrRecycling / Entsorgung

• Entwicklungs-plan

• Öko-Konten-rahmen

• Checklisten• Ökobilanzen

• Arbeiten nach Produkt-entwicklungsprozess

• Schulung der Entwickler und Beschaffer

• Produktökobilanz für ein Hauptprodukt

• Kennzeichnung der Kunststoffe

• PVC langfristig eliminieren

• Produktoptimierung bei Schränken

• e-Lock, Space• Konzeptphase für

getrennte Front bei Schubladen

• Teilprojektziel: 5% weniger Material-einsatz

• Ökologische Produktentwicklung(wenig Ressourcen, problemlose Stoffe, Trennbarkeit).

• Bei Holzlieferanten Ökoeffizienz um 20% verbessern

Umweltver-träglicheProdukte

• Monatliche Rechnungen

• Energiesparprogramm• neue Anlagen• Frequenzumformer• Energiesparwochen• Rückgewinnung• Dünnschichtverfahren• Einsatz Niedertemperatur-

pulver

• Totalenergie pro PE max. 90 kwh

• Pulververbrauch 125 gr/m2 (halten trotz Ersatz Band 1)

• 6% Energie-Reduktion• 15% Pulververbrauch-

ReduktionRessourcen / Energie

• Monatliche Energie-messungen

• Lackverbrauch pro Quartal

• VOC-Anteil reduzieren• Brennereinstellungen, evtl.

neue Brenner• Oberflächentechnik-Anlagen

optimieren• Gebäude isolieren• Tourenplanung Lkw

• 25 kUBP je PE• Reduktion der Lkw-

km um 4%• LRV einhalten

• 6% Reduktion der UBP• 20% Reduktion der

Lkw-Kilometer• LRV einhaltenEmissionen

Lenkung, Überwachung

Programm bis 2005 (mögliche Massnahmen)Ziele 2003Ziel je Produkt-

einheit (PE)Bewertungs-

Kriterien

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Fallstudie Lista AG 147

tur- und Vorbeugemassnahmen entstanden, über welches von Mitarbeitern und Pro-zessverantwortlichen Hinweise auf mangelhafte Prozesse oder vorbeugende Mass-nahmen zur Verhinderung von Fehlern erwartet werden.

Die beiden letztgenannten Instrumente werden sehr wenig aktiv genutzt. Deshalb sind die (spezifisch geschulten) Führungskräfte dazu aufgefordert, bei jeder Mitar-beitersitzung das Thema Nachhaltigkeit anzusprechen, um die Thematik in Diskus-sion zu halten und den Mitarbeitern eine zusätzliche Möglichkeit zu bieten, Vor-schläge einzubringen. Die Umsetzung dieser Weisung ist jedoch stark vom persön-lichen Engagement der Sitzungsleiter abhängig und wird sehr unterschiedlich ge-handhabt. Der Leiter Umwelt muss immer wieder Mitarbeiter, die auf andere, infor-melle Weise Vorschläge einbringen, zur formellen Erfassung ihrer Ideen und Beo-bachtungen motivieren, sie dabei unterstützen oder die Erfassung selber vorneh-men. Erschwerend wirkt sich hier aus, dass die verschiedenen Instrumente nicht genügend voneinander abgegrenzt werden. So ist es für den Mitarbeiter nicht immer klar, ob eine bestimmte Anregung eher als Korrektur- und Vorbeugemassnahme oder als formlose KVP-Eingabe erfasst werden sollte, oder ob eher ein Hinweis bei der nächsten Teamsitzung angebracht wäre. Diese Hemmnisse im Bottom-up-Prozess sind intern zwar erkannt worden, zur Klärung der Situation fehlt derzeit je-doch der erforderliche interne Handlungsdruck.

Tab. 17: Auszug aus der Massnahmenliste der Werke Erlen, Degersheim und Arnegg363

362

Interner Umweltbericht 2002, Werk Erlen. 363

Die Massnahmenliste wird in dieser Form für Controllingzwecke verwendet. Insgesamt umfasst sie im Zeit-raum 1996 bis 2002 für die drei Schweizer Werke 139 Einzelmassnahmen, davon 117 mit ökologischen Wir-kungen. Die restlichen Massnahmen betreffen die Arbeitssicherheit.

erledigt02/0301/03-250 m3 H2O

-7500 kWh therm. Energie

-14001000

EPV-Farbbad (verwor-fenes, ungenutztes Wasser dem Kreislauf zurückführen)

erledigt12/0209/02-29’960 kWh-1528200Laufzeiten der Kühlwasserpumpen optimieren

In Bearbeitung201009/01Evtl. Einsparungen von CHF 50’000–100’000/a6000/a

Reduktion CO2-Ausstoss; Vermeiden einer CO2-Abgabe

erledigt10/0107/01-11,7% Emissionen-63008000

„Eco-Drive“-Kurs für Vielfahrer (20 MA) Ziel: Senken des Treibstoffverbrauchs

erledigt06/0209/01GL-Beschluss vom 19.4.01: Trotz Mehrkosten von ca. CHF 6000/a Einsatz von Ökopapier

Verwendung Öko-papier (Richtlinie für Beschaffer erstellen)

Massnahme nicht ausgeführt

erledigt12/0208/01Elektrische

EnergieAus Kostengründen nicht realisiertLicht in den Büroräumen zu lange eingeschaltet

erledigt01/0202/01Als Teilziel erreicht:

-9300 kWh elektrische Energie-290’000 kWh thermische Energie

550’000Halle 610 renovieren (Energie sparen als Teilziel)

StatusEndeStartReduktion der

Umweltbelastung pro Jahr

Ersparnis bzw. Mehrkosten CHF

pro Jahr

Investition in CHFMassnahme

erledigt02/0301/03-250 m3 H2O

-7500 kWh therm. Energie

-14001000

EPV-Farbbad (verwor-fenes, ungenutztes Wasser dem Kreislauf zurückführen)

erledigt12/0209/02-29’960 kWh-1528200Laufzeiten der Kühlwasserpumpen optimieren

In Bearbeitung201009/01Evtl. Einsparungen von CHF 50’000–100’000/a6000/a

Reduktion CO2-Ausstoss; Vermeiden einer CO2-Abgabe

erledigt10/0107/01-11,7% Emissionen-63008000

„Eco-Drive“-Kurs für Vielfahrer (20 MA) Ziel: Senken des Treibstoffverbrauchs

erledigt06/0209/01GL-Beschluss vom 19.4.01: Trotz Mehrkosten von ca. CHF 6000/a Einsatz von Ökopapier

Verwendung Öko-papier (Richtlinie für Beschaffer erstellen)

Massnahme nicht ausgeführt

erledigt12/0208/01Elektrische

EnergieAus Kostengründen nicht realisiertLicht in den Büroräumen zu lange eingeschaltet

erledigt01/0202/01Als Teilziel erreicht:

-9300 kWh elektrische Energie-290’000 kWh thermische Energie

550’000Halle 610 renovieren (Energie sparen als Teilziel)

StatusEndeStartReduktion der

Umweltbelastung pro Jahr

Ersparnis bzw. Mehrkosten CHF

pro Jahr

Investition in CHFMassnahme

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148 Fallstudie Lista AG

Für die Beurteilung eingegangener Anregungen ist der von der Geschäftsführung definierte Zielkatalog (siehe Tab. 16) massgebend, womit ökologische, ökono-mische und qualitative Rahmenbedingungen weitgehend festgelegt sind. Ideen und Vorschläge werden i.d.R. realisiert, wenn sie kostenneutral sind oder sich positiv auf das Ergebnis auswirken. Lässt die wirtschaftliche Situation eine Massnahme nicht zu, wird sie allenfalls zurückgestellt und später realisiert. Für ökologisch relevante Vorschläge wird sowohl eine ökonomische Kosten-Nutzen-Rechnung angestellt als auch der Nutzen bezüglich der Umweltleistung aufgezeigt. In Tab. 17 sind aus-gewählte Massnahmen aus drei Jahren zusammengeführt und Hinweise auf deren Umsetzungsstatus ersichtlich; sie belegen die konsequent ökonomisch-ökologische Argumentation in der Beurteilung von Massnahmenvorschlägen, geben aber auch Hinweise auf Ausnahmen, in welchen sich ökologische Überlegungen trotz wirt-schaftlicher Gegenargumente durchsetzen konnten.

Controlling und Auditierung Lista legt grossen Wert auf die Transparenz der IMS-Wirksamkeit. Kennzahlen zur Überprüfung der Zielerreichung spielen eine bedeutende Rolle. Im Umweltbereich sind einzelne Daten bis in die 1970er Jahre rückverfolgbar, und seit der Erstzertifi-zierung des UMS werden ausgewählte Kennzahlen im Zeitreihenvergleich nach in-nen und aussen kommuniziert. Das UMS-Controlling findet auf Ebene der einzelnen Werke statt. Dasselbe gilt für die Bewertung durch die oberste Leitung, wie sie von ISO 14001 vorgeschrieben wird. Auf Stufe Konzernleitung fehlt die systematische Thematisierung von Umweltzielen, ihrer Umsetzung und der Wirksamkeit des UMS.

Ein wesentliches Element des IMS-Controllings bilden interne Audits. Sie werden jährlich durchgeführt. Während mehrerer Tage werden alle Schweizer Standorte au-ditiert und es wird ein übergreifender Bericht ablegt. Geprüft werden u.a. die Legal Compliance, die Normkonformität zu ISO 9000 und ISO 14001 sowie die Umset-zung der Zielsetzungen. Wert wird auch auf den Umgang und die Kenntnis der IMS-Dokumentation gelegt. Eine wichtige Basis interner Audits sind die Auditberichte der Vorperiode und die dort aufgezeigten Schwachstellen und Verbesserungspoten-ziale. Dadurch, dass interne Audits jeweils kurz vor den externen Überwachungs- und Rezertifizierungsaudits durchgeführt werden, hat die Kontrollfunktion einen ho-hen Stellenwert. Dennoch werden sie immer auch als Gelegenheit genutzt, um Ent-wicklungsperspektiven zu diskutieren und die Mitarbeiter zu schulen.

Insgesamt ist der KVP von UMS und Umweltleistung bei Lista sowohl als Begriff als auch als Prozess und allgemeine Zielsetzung auf allen Stufen der Unternehmung verankert, wenn auch in unterschiedlichem Formalisierungsgrad. Die Realisierung soll mit strukturellen und ausbildungsorientierten Massnahmen gefördert und mit spezifischen Controllinginstrumenten transparent gemacht werden. Inwiefern mit diesem Vorgehen seit der Erstzertifizierung des UMS Verbesserungen erzielt wer-den konnten und welche Einflüsse den KVP beeinflussen, ist Gegenstand der fol-genden Ausführungen.

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Fallstudie Lista AG 149

8.3 Ergebnisse des KVP

Die Analyse der KVP-Ergebnisse folgt den in Kapitel 3 vorgestellten Entwicklungs-dimensionen von UMS: Diffusion in die Breite, Diffusion in die Tiefe und Höherent-wicklung. Anschliessend wird die Veränderung der Umweltleistung seit der Erstzerti-fizierung des UMS untersucht. 8.3.1 Diffusion des UMS in die Breite Im Jahr 1994 baute Lista im Werk Erlen das erste ISO 9001-konforme Qualitäts-managementsystem innerhalb der Gruppe auf und dokumentierte dieses in einem nach der Struktur der „zwanzig Kapitel“ konzipierten Managementhandbuch.364 Als zwei Jahre später das System auch von Degersheim/Arnegg übernommen werden sollte, veröffentlichte die SNV eine erste Vorversion der ISO 14001. Lista erkannte in den beiden Systemen Synergiepotenziale und entwickelte schliesslich ein integ-riertes QMUM-System. In der Folge erhielt Lista Degersheim im Januar 1996 als viertes Unternehmen in der Schweiz das ISO-14001-Zertifikat. Im selben Jahr wur-de die ISO-9000-Zertifizierung auch in Deutschland und in den schweizerischen Vertriebsgesellschaften erreicht.

Nachdem in Degersheim/Arnegg über zwei Jahre Erfahrungen mit dem integrierten QMUM-System gesammelt worden waren, entschied sich die Geschäftsführung, ISO 14001 auch in das QMS von Erlen zu integrieren. Gleichzeitig sollte das Sys-tem eine prozessorientierte Struktur erhalten. Die Aufbauarbeiten führten zu einer deutlich verbesserten Vernetzung und Zusammenarbeit zwischen den Standorten, dank welcher Erlen stark von den Erfahrungen in Degersheim/Arnegg profitieren konnte. Die Diffusion führte damit auch zu sozialen Lernprozessen jenseits umwelt-relevanter Zusammenhänge, nachdem in den Jahren zuvor zwischen den Werken „eher ein Konkurrenzdenken“ geherrscht hatte.365

Im Anschluss an die Aufbauarbeiten in Erlen entschloss sich die Geschäftsführung zur Zusammenlegung der einzelnen Unternehmenssparten in der Schweiz. In der Folge sollten auch die in den Organisationseinheiten entstandenen Management-systeme zu einem werksübergreifenden System zusammengeführt werden. Dies gelang nach aufwändigen Anpassungsarbeiten, und 1999 konnte schliesslich der Geltungsbereich des ISO-14001-Zertifikats von Degersheim/Arnegg auf das Werk Erlen erweitert werden. Die erneute Restrukturierung im Jahr 2002, die wiederum zur Aufspaltung der Geschäftseinheiten führte, wurde in der Folge mit dem IMS ebenfalls nachvollzogen.

364

Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 6. 365

Dieses Konkurrenzdenken hatte i.d.R. die Entwicklung eigener Lösungen in den einzelnen Werken zur Fol-ge, die dann nachträglich aber zwischen den Standorten ausgetauscht wurden. Eine gemeinsame Lösungs-findung gab es jedoch nicht. Interview UB.

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150 Fallstudie Lista AG

Während das QMS inzwischen auch von den ausländischen Niederlassungen über-nommen wurde, blieb die Diffusion des UMS auf die Schweizer Standorte be-schränkt. Der Delegierte der Geschäftsleitung begründet dies damit, dass Lista „keine derart straffe Führung kennt“ und solch bedeutsame Managemententschei-dungen dem lokalen Management überlässt, dass an diesen Standorten aber „keine Leute waren, die das wollten“. Der Diffusionsprozess wurde zudem dadurch ge-hemmt, dass das UMS „im Verwaltungsrat in den letzten fünf bis sieben Jahren nicht mehr die Priorität genossen hat, wie wir uns das gewünscht hätten“.366 Trotz dieser nachlassenden Unterstützung durch das Top-Management sind die Vorteile des UMS zwischen den Standorten kommuniziert worden und haben auch im Aus-land dazu geführt, dass die dortigen Werke heute „einen guten Stand“ erreicht hät-ten.367 Darin lässt sich ein Diffusionsprozess erkennen, der zwar nicht das Manage-mentsystem an sich betraf, doch aber einzelne Elemente, Erfahrungen und Kon-zeptideen, die letztlich ausserhalb des zertifizierten Systems ebenfalls Verbesse-rungen der Umweltleistung bewirken konnten.

8.3.2 Diffusion in die Tiefe Mit dem Fokus auf die Betriebsökologie als wichtigstem Handlungsfeld des UMS war das Umweltengagement schon vor der Zertifizierung sehr stark auf die Einspa-rung von Produktionsenergie und die Reduktion des Lackverbrauchs in der Ober-flächenbehandlung ausgerichtet. Beide Bereiche sind auch heute noch Schwer-punkte des betrieblichen Umweltschutzes. Mit der systematischen Erhebung der Umweltaspekte in der Produktion hat Lista im Zuge des UMS-Aufbaus die Ansatz-punkte für Umweltschutzmassnahmen jedoch deutlich erweitert. Die Umweltanalyse orientiert sich nicht mehr ausschliesslich an Inputfaktoren, sondern schliesst – wie der obige Zielkatalog zeigt – auch Abfälle (insbesondere Giftstoffe) und Emissionen sowie Forderungen externer Anspruchsgruppen mit ein.

Auslöser für umweltentlastende Investitionsentscheidungen und Verfahrensände-rungen sind in vielen Fällen betrieblich notwendige Modernisierungsmass-nahmen, und seltener auch Forderungen, die sich aus dem rechtlichen Umfeld des Unternehmens neu ergeben (z.B. aus der Luftreinhalteverordnung). Der Leiter Um-welt umschreibt dies wie folgt: „Wir haben uns zwar immer Umweltziele gesetzt, zum Beispiel zur Energieeinsparung. Diese wurden aber oft nicht systematisch er-reicht, indem wir uns gezielt Massnahmen überlegt hätten, sondern durch Mass-nahmen, die aus wirtschaftlichen oder produkttechnischen Gründen kamen, also aus ganz ‚normalen‘ unternehmerischen Überlegungen. Diese haben ja auch immer einen ökologischen Aspekt. Wir haben diesen dann herausgeschält und uns gesagt, das sei jetzt der Anteil Ökologie aus diesem Projekt. Es wäre deshalb falsch zu be-haupten, das Projekt wurde letztlich als Folge ökologischer Überlegungen in Angriff

366

Interview GL. Siehe auch Abschnitt 8.4 in dieser Fallstudie. 367

Interview GL.

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Fallstudie Lista AG 151

genommen.“ In Bezug auf die Massnahmenplanung ergab sich die Reichhaltigkeit des UMS dementsprechend eher aus der allgemeinen Unternehmensentwicklung als aus einem primär ökologisch begründeten Handlungsbedarf. Hierin zeigt sich aber auch eine Folge der Diffusion des UMS in die Kern- und Führungsprozesse mit der Integration ökologisch sensibilisierter Handlungsmaximen in die Entscheidungs-findung.

Von der Diffusion des UMS wurde auch die externe und interne Kommunikation erfasst. Lista veröffentlicht seit 1998 regelmässig einen Umweltbericht, und seit En-de der 1990er Jahre signalisiert ein eigens lanciertes Umweltlabel, das auf tauch-lackierten Produkten angebracht wird, die Umweltfreundlichkeit des Herstellungs-verfahrens. Intern wurden in den ersten Jahren nach dem UMS-Aufbau Öko-Aktionen wie z.B. Energiesparwochen durchgeführt, die die ganze Belegschaft in-volvierten. Der Delegierte der Geschäftsleitung bezeichnet die Entwicklung der Kommunikation jedoch als „wellenförmig“ und beurteilt die aktuelle Situation „eher als Wellental: Da hatten wir eine Zeitlang einen guten Stand (...) aber im Moment ist da gar nichts“.368 Dies gilt auch für die Kommunikation gegenüber den Zielmärkten: Einzelne Produktlinien werden in der Werbung zwar als besonders umweltfreundlich gekennzeichnet, eine gezielt ökologische Marktbearbeitung stellen diese Mass-nahmen jedoch nicht dar.

In Produktbereich umfasst die Reichhaltigkeit des UMS die Aspekte Materialinten-sität, Toxizität der Roh- und Hilfsstoffe, Lebensdauer und Entsorgung. Eine Produkt-lebenszyklus-Analyse wurde bisher nicht durchgeführt, dennoch sind quantifizierte Ziele zu diesen Aspekten definiert worden.369 Um die Toxizität zu reduzieren, wurde schon vor dem UMS-Aufbau mit der Umstellung von lösungsmittel- auf wasserba-sierende Lacke begonnen. Die Lebensdauer der Produkte – ein zentrales Verkaufs-argument für Lista-Produkte – ist im Wesentlichen auf die Verwendung von Stahl als Basisrohstoff zurückzuführen, womit Stahl eine hohe strategische Bedeutung erhält. Produktveränderungen zur Reduktion oder Substitution von Stahl aus ökologischen Gründen werden daher nicht angestrebt. Im Gegenteil: Der Delegierte der Ge-schäftsleitung verbindet Stahlverwendung mit deutlichen ökologischen Vorteilen: „Wir sind überzeugt davon, dass Stahl sehr umweltfreundlich ist. Nur schon im Be-trieb sieht man, dass jedes Stück Stahl wieder in die Verarbeitung zurückgegeben werden kann, nichts geht verloren.“ Dennoch lancierte Lista kurz nach der Erstzerti-fizierung des UMS ein ökologisches Pilotprodukt mit dem Ziel, die Materialeffizienz in der Produktion zu verbessern und die Abfälle aus der Pulverbeschichtung zu re-duzieren (siehe Kasten unten) Ähnliche Projekte im Bereich der Produktökologie sind seither aber nicht mehr gestartet worden. Die Geschäftsleitung ist der Auffas-sung, dass die Zielmärkte einen ökologischen Mehrwert der Produkte nicht aus-reichend honorieren würden.

368

Interview GL. 369

Vgl. Abschnitt 8.2.

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152 Fallstudie Lista AG

Exkurs: Projekt „Regal mit umweltfreundlicher Lackierung“

Ein ökologisches Problem der Pulverbeschichtung ergibt sich aus den Abfällen des Beschichtungsprozesses. Diese lassen sich nach heutigem technologischen Stand nicht vermeiden. Die Farbpulverabfälle können entweder aufwändig ent-sorgt oder aber in minderwertige Produkte eingebracht werden. Lista war mit den bestehenden Möglichkeiten nicht zufrieden und suchte deshalb nach einer um-weltfreundlicheren Alternative. Die Idee war folgende: Ein Hauptprodukt von Lista Betriebs- und Lagereinrichtungen sind Regale. Viele Kunden nutzen diese zur Dokumentenarchivierung und montieren sie in Kellerräumen, die keine reprä-sentativen Zwecke erfüllen müssen. Entsprechend spielt die Farbgebung der Re-gale eine untergeordnete Rolle. Lista entwickelte deshalb eine „Umweltfarbe“, die sich aus jenen Farbpulverrückständen und Beschichtungsreststoffen zusammen-setzte, die im normalen Pulverbeschichtungsprozess täglich anfallen. Diese Stof-fe wurden aufbereitet und für die Beschichtung der Regale verwendet. Die quali-tativen Eigenschaften der so behandelten Regaloberflächen entsprachen in jeder Beziehung den normalfarbenen Beschichtungen.

Die Akzeptanz des neuen Produkts wurde in Schweizer Pilotmärkten getestet. Die Kunden zeigten volles Verständnis für die umweltfreundliche Farbgebung, waren aber der Meinung, dass diese Produkte wesentlich billiger sein müssten als die Standardprodukte, da Lista Reststoffe verwenden würde. Kostenverglei-che in der Herstellung zeigten jedoch, dass die damit verbunden Einsparungen durch den Mehraufwand aufgewogen werden. Schliesslich kam Lista mit der Lan-cierung dieses Produkts unter einen Preisdruck, der sich auch auf die Standard-produkte übertrug, sodass die Geschäftsführung entschied, das Produkt wieder aus dem Sortiment zu nehmen.

Dass die Kundschaft auf dieses Produkt so reagieren würde, scheint plausibel. Auch wenn die – technisch definierte – Qualität der Regale mit jener der Stan-dardprodukte identisch war, so wiesen sie eine geringere Flexibilität im Gebrauch auf, da sie nicht überall eingesetzt werden konnten. Lista erwartete demnach von den Kunden die Bereitschaft, bei gleichem Preis eine potenzielle individuelle Nut-zeneinbusse in Kauf zu nehmen, und es gelang nicht, die Nutzeneinbusse z.B. durch entsprechende Marketingbotschaften mit einem (ideellen) Mehrwert zu kompensieren. Da der ökologische Nutzen, der hier nicht dem Käufer, sondern der Allgemeinheit zugute kam, bei solchen Produkten wesentlich schwieriger zu vermitteln ist als z.B. bei Nahrungsmitteln, wäre möglicherweise eine Preisreduk-tion bzw. Quersubventionierung der Regale Erfolg versprechender gewesen.

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Fallstudie Lista AG 153

Lista ist sich darüber bewusst, dass der überwiegende Teil der Umweltbelastung über Vorprodukte „eingekauft“ wird, und strebt daher gezielt die Nutzung öko-logischer Spielräume bei der Beschaffung von Roh- und Hilfsstoffen an. Dies gilt jedoch nicht bei der Stahlbeschaffung, wo die Wirkung solchen Verhaltens am grössten wäre. Begründet wird dies einerseits mit einer zu geringen Nachfrage-macht, die es Lista nicht erlauben würde, irgendwelche Auflagen an die Lieferanten zu stellen, sowie, und dies scheint entscheidend zu sein, mit der knappen Verfüg-barkeit von Stahl auf den Beschaffungsmärkten. Anders präsentiert sich die Situati-on beim Holzeinkauf: Hier arbeiten die Werke Degersheim und Arnegg mit einem Schweizer Holzlieferanten zusammen, der zu 95% für Lista produziert und der „alle ökologischen Mindeststandards, zu denen wir uns verpflichten, ebenfalls einhalten muss und deshalb einen hervorragenden Stand bezüglich Ökologie aufweist. Das prüfen wir auch.“370 Vom Holzlieferanten wird mitunter verlangt, neue Verfahren und Technologien einzuführen, wie etwa bei der Umstellung auf wasserlösliche Lacksys-teme zur Oberflächenbehandlung. Eine ähnliche Einkaufspolitik wird gegenüber den Hauptlieferanten von Kunststofffabrikaten angewendet. Lista fordert zwar nicht die ISO-14001-Zertifizierung ihrer Lieferanten, erwartet von diesen hingegen einen be-wussten und verantwortungsvollen Umgang mit Umweltaspekten. Sie prüft dies an-lässlich von Betriebsbesichtigungen vor Ort, führt jedoch keine eigentlichen Umwel-taudits bei Lieferanten durch.

Im Zuge der politischen Entwicklungen zur Einführung einer Abgabe auf CO2-Emis-sionen in der Schweiz ist Lista horizontale Kooperationen mit Dritten eingegangen. So schloss sich das Werk Erlen mit einer Anzahl Unternehmen aus der Region zu-sammen, um mit den Umweltschutzbehörden eine CO2-Reduktionsvereinbarung zu treffen. Ziel ist es, bis zu einem vordefinierten Zeitpunkt Massnahmen einzuleiten und die CO2-Emissionen in der Region zu senken, um später von einer CO2-Abgabepflicht befreit zu werden.371 Des Weiteren ist Lista im so genannten Industrial Sourcing Network engagiert, einem Einkaufspool mit rund zehn Ostschweizer Unter-nehmen. Ökologische Fragen spielen in den Zielen dieser Interessengemeinschaft bislang aber eine untergeordnete Rolle: „Hier geht es ausschliesslich um den Preis, ökologische Aspekte sind nur ganz selten ein Thema“372. Ein Grund dafür ist das mangelnde Interesse der übrigen Poolmitglieder. 8.3.3 Höherentwicklung Auf allen Stufen der zertifizierten Organisationseinheiten haben nach der Erstzertifi-zierung des UMS ökologische Lernprozesse stattgefunden. Sie zeigen sich vor-nehmlich in der Erweiterung des umweltbezogenen Know-hows und im Schaffen

370

Gemäss dem Delegierten der Geschäftsleitung entspricht die verwendete Holzqualität den Anforderungen des Forest Stewardship Council und damit dem FSC-Label. Dennoch wird diese Zertifizierung nicht ange-strebt, da für einzelne Kunden Spezialanfertigungen mit Hölzern gemacht werden, bei denen der FSC-Nachweis nur schwierig zu erbringen wäre. Interview GL.

371 Vgl. Anmerkung zur CO2-Gesetzgebung S. 104.

372 Interview GL.

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154 Fallstudie Lista AG

von Abläufen und Strukturen zur Sicherstellung des KVP. Hingegen konnte der öko-logische Bezugsrahmen bislang nur geringfügig erweitert werden. Der ökologische Entwicklungsprozess zeigt dennoch Ansätze einer strategischen Untermauerung des Umweltengagements.373

Hemmend für die Höherentwicklung des UMS wirkt sich die Tatsache aus, dass das UMS nach wie vor als pragmatisch ausgerichtetes Instrument zur Förderung einer „sauberen“ Unternehmensführung verstanden wird. Zwar sind langfristige, visio-näre Ziele in Ansätzen erkennbar, indem z.B. explizit eine nachhaltigkeitsorientierte Unternehmensentwicklung angestrebt und in einigen Aspekten auch zu spezifischen Massnahmenprogrammen herunter gebrochen wird. Doch sind damit keine lang-fristigen Entwicklungsperspektiven verbunden. Eine Folge davon ist die anhaltende Beschränkung des Umweltengagements auf betriebsökologische Inhalte, auf techni-sche Einzelmassnahmen und auf die transparente ökologische Leistungserfassung.

Dass die Produkte weitgehend ausgeblendet bleiben, ist aber auch auf deren typi-scherweise geringes ökologisches Entwicklungspotenzial und auf die langfristige Sortimentsstrategie von Lista zurückzuführen. Dies hemmt die ökologische Pro-duktentwicklung, obwohl Lista eine ausgeprägte Innovationsfähigkeit bekundet, die sich auch auf umweltrelevante Anwendungsgebiete erstreckt. Diese Fähigkeit zeigte sich eindrücklich in der unter grossem internem Versuchs- und Entwicklungs-aufwand erreichten Umstellung auf lösungsmittelfreie Lackierverfahren. Eine Grund-lage dafür ist die mit dem Aufbau des UMS verbundene Weiterentwicklung der ökologischen Wissensbasis, nachdem vor der UMS-Einführung Umweltschutz-massnahmen realisiert worden waren, ohne dass Lista über einen systematischen Ansatz zum Management von Umweltaspekten verfügt hätte. So wurde damals nie eine umfassende Analyse der Umweltsituation vorgenommen, und einen spezifi-schen Zielsetzungs- und Überwachungskreislauf im Umweltbereich gab es nicht. Die Prioritätenliste für Ansatzpunkte und Umweltschutzmassnahmen beruhte viel-mehr auf Intuition und ökonomischen Überlegungen. Mit der Erstzertifizierung war hingegen ein deutlicher Ausbau der Kompetenzen zur Erfassung von Stoff- und Energieflussdaten verbunden, was zu einer ersten systematischen Umweltanalyse führte, wenn sich auch weiterhin stark von den prioritären, betriebsökologischen Zielen des UMS geprägt blieb.

Weniger weit entwickelt als die Kompetenzen in der Datenerfassung war anfänglich die Fähigkeit, die erhobenen Daten aus ökologischer Perspektive zu inter-pretieren. Die Umweltrelevanz der Stoff- und Energieflüsse wurde ohne methodi-sche Grundlage „hemdsärmlig“ bestimmt. 374 Als Entscheidungsgrösse dienten in erster Linie die verbrauchten Mengen. Durch die damit verbundene Unsicherheit wuchs das Bedürfnis, die Umweltanalyse naturwissenschaftlich zu untermauern. Deshalb wurde im Jahr 2000 im Werk Erlen erstmals eine Ökobilanz nach der Me-

373

Siehe Diskussion der zwei Phasen des ökologischen Entwicklungsprozesses in Kapitel 3.4. 374

Interview UB.

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Fallstudie Lista AG 155

thode der ökologischen Knappheit375 durchgeführt. Darauf aufbauend konnte für alle Kernprozesse die ökologische Belastung in UBP ermittelt werden, wodurch die Umweltbelastung der Betriebsprozesse transparent wurde. Der Leiter Umwelt wertet die Erkenntnisse aus der Ökobilanzierung als echten Lernerfolg, obschon die Resul-tate auch zeigen, dass sich in der Prioritätenliste der Umweltaspekte kaum Verän-derungen ergeben haben: „Aber wir wissen nun, dass wir auf dem richtigen Weg sind“.

Der Umgang mit UBP hat sich mittlerweile in der gesamten Unternehmung etabliert, was durch zeitweise verstärkte interne Kommunikations- und Schulungsaktivitäten gefördert wurde. Die Schulungen waren vor allem während des UMS-Aufbaus spe-zifisch auf das Umweltmanagement ausgerichtet und erreichten die gesamte Beleg-schaft. Nach der Aufbauphase wurden die Schulungsaktivitäten im Umweltbereich wieder stark eingeschränkt und durch gezielte Aktionen wie die unternehmensweite „Energiesparwoche“ ersetzt mit dem Erfolg, dass sowohl Wissen als auch Sensibili-sierung weiter gesteigert und aufgefrischt werden konnten. Gefördert durch den mittlerweile hohen Integrationsgrad des UMS in den Arbeitsabläufen wird umwelt-spezifisches Wissen heute aber vor allem im Rahmen der allgemeinen Arbeitsplatz-schulungen vermittelt. Diese verschiedenen Massnahmen und Lernprozesse haben dazu geführt, dass seit der Erstzertifizierung des UMS immer wieder Anstösse zu technischen und ablauforganisatorischen Verbesserungsmassnahmen generiert und – wie im Falle der Entwicklung des Regals mit umweltfreundlicher Farbgebung (siehe oben) oder in der Umstellung von Lösungsmittellacken auf Wasserlacke – innovativ umgesetzt wurden.

Als organisatorische Innovation wurde 1997 ein spezielles Öko-Team aufgebaut. Es diente vorab als interdisziplinäre und organisatorische Verbindungsstelle und als Diskussionsforum für ökologische Fragestellungen zwischen den Werken. Seine Aufgabe lag darin, als „Motor“ das Umweltmanagement weiter zu entwickeln und den KVP aufrecht zu erhalten. Das fünfköpfige Team kam jährlich drei bis fünf Mal zusammen und wurde bei spezifischen Fragestellungen durch interne Spezialisten ergänzt. Das Öko-Team erarbeitete aufgrund der Vorgaben der Unternehmenslei-tung die Umweltziele für die schweizerischen Werke und definierte Massnahmen zur Schulung, Sensibilisierung und Kommunikation im Umweltbereich. Auch flossen hier die von den Mitarbeitern eingereichten Verbesserungsvorschläge zusammen. Im Zuge der Restrukturierung des Unternehmens im Jahr 2002 wurde das Öko-Team aber wieder aufgelöst. Eine Kommunikation zwischen den UMS-Verantwort-lichen der einzelnen Werke findet seither nur noch selten statt. Der Umweltdele-gierte der Geschäftsleitung sieht daher in der Auflösung „sicher einen Nachteil der Organisationsänderung, weil man im Bereich Umweltmanagement vielleicht nicht mehr alle Synergien nutzt“376. Dass sowohl interne als auch externe Audits auch heute noch in allen Schweizer Werken gleichzeitig durchgeführt werden und jeweils 375

Lista verwendet in diesem Zusammenhang die Bezeichnung „öbu-Methode“. Vgl. dazu Kapitel 4.1.2. 376

Interview GL.

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156 Fallstudie Lista AG

ein gemeinsamer Bericht erstellt wird, unterstreicht hingegen die Verbundenheit der Organisationseinheiten über die Werksstandorte hinweg und wirkt auch als Basis für standortübergreifende umweltbezogene Massnahmen.

Darin kommt nicht zuletzt eine besondere, den KVP fördernde Interaktions-fähigkeit zum Ausdruck. Sie wirkt sich auch auf die Aussenbeziehungen aus, in-dem Lista einen offenen und dialogorientierten Umgang mit den relevanten An-spruchsgruppen pflegt. Seit dem UMS-Aufbau werden Umweltaspekte wesentlich stärker als Elemente im Zusammenhang mit Beziehungen zu internen und externen Anspruchsgruppen wahrgenommen und sind nicht mehr einfach „Kennzahlen aus der Produktion“. Daraus ist eine proaktive Kommunikationskultur entstanden, die Behörden und Anwohner, aber auch Kunden und Lieferanten mit einschliesst. Der Leiter Umwelt und der Delegierte der Unternehmensleitung pflegen darüber hinaus aktive Austauschkontakte zu branchenneutralen Institutionen (z.B. öbu, Universi-täten) und zu unternehmensübergreifenden Erfahrungsgruppen. Dadurch fliessen immer wieder neues Wissen und neue Impulse in die Unternehmung ein und kön-nen den KVP von UMS und Umweltleistung weiter fördern. Deren praktische Wir-kung ist allerdings beschränkt, denn nach Auffassung des Delegierten der Ge-schäftsleitung ist die Motivation zur Umsetzung umweltpolitischer Ziele und Mass-nahmen „stark der Mode unterworfen“ und vor allem vom aktuellen Geschäftsgang abhängig. Angesichts der derzeit zunehmend schwierigen wirtschaftlichen Situation hat die kritische Hinterfragung von Umweltzielen und Umweltschutzmassnahmen stark zugenommen und der Rechtfertigungsdruck ist heute deutlich höher als noch vor einigen Jahren. In dieser Situation wirkt die umweltfreundliche Grundhaltung des Firmeninhabers zwar nicht als treibende Kraft, zumindest aber als Unterstützung für den KVP. Zudem sind die wesentlichen Träger und Treiber des UMS, der Leiter Umwelt und der Delegierte der Unternehmensleitung, nach wie vor sehr motiviert, alle Möglichkeiten für weitere Umweltschutzmassnahmen auf ihre Realisierbarkeit hin zu prüfen, intern zu protegieren und umzusetzen.

Zusammenfassend zeigt die Analyse unterschiedlich ausgeprägte Voraussetzungen für die Höherentwicklung des UMS. Das mittlerweile kumulierte umweltrelevante Know-how, die Innovationskraft sowie die Impulse durch die aktive Interaktion mit externen Akteuren sind eine gute Basis für die künftige Erschliessung von Ansatz-punkten des KVP. Sie werden bislang allerdings wenig genutzt, und die Bereitschaft für weitere Verbesserungen der Umweltleistung ist im Unternehmen unterschiedlich verteilt: Während bei den Protagonisten des UMS die Motivation stark ausgeprägt ist, ist sie bei Teilen der Belegschaft und insbesondere im Management beschränkt. Die übergeordnete Zielsetzung, die „saubere“ Unternehmensführung, wird von ei-nem grösser werdenden Mitarbeiterkreis als weitgehend erreicht wahrgenommen.

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Fallstudie Lista AG 157

8.3.4 Veränderung der Umweltleistung Konnte Lista nach der Zertifizierung des UMS die Umweltleistung verbessern? Der folgende Abschnitt vergleicht die Stoff- und Energieströme zwischen 1996, dem Jahr der Zertifizierung in Degersheim und Arnegg, und dem Berichtsjahr 2002. Der Vergleich wird dank der kontinuierlichen Datenerhebung möglich, die Lista seit Jah-ren durchführt.

Die Daten aus der Umweltberichterstattung weisen die physikalischen Messgrössen der Stoff- und Energieflüsse auf und sind daher nicht aggregierbar. Die für das Be-richtsjahr 1999 durchgeführte Ökobilanz für den Standort Erlen auf Basis von Um-weltbelastungspunkten (UBP) vermittelt jedoch einen Eindruck über die Anteile der einzelnen Belastungsarten an der Gesamtbelastung (vgl. Abb. 35). Darin wird die dominante Rolle des Stahls als hauptsächlicher Belastungsfaktor der Komplemen-tärbilanz besonders deutlich, während in der Kernbilanz primär die verschiedenen Energiearten als ökologische Belastungen zum Tragen kommen.

Abb. 35: Prozentuale Verteilung der Umweltbelastungen in der Kern- und Komplementärbilanz von Lista Erlen

Die Datenreihen in Abb. 36 zeigen, wie sich die wichtigsten Input- und Output-grössen zwischen 1996 und 2002 verändert haben. Die Veränderungen sind in In-dexwerte umgerechnet worden (Basis 1996 = 100%)377 und geben somit die prozen-tualen Veränderungen nach der Erstzertifizierung wider. Damit werden die Erfolge in der Verbesserung der Umweltleistung bei den verschiedenen Messgrössen ersicht-lich. Zur Berechnung der relativen Stoff- und Energieströme wurden die absoluten 377

Ausnahme: Die Daten der Abfallstatistik lassen sich erst ab 1998 miteinander vergleichen. Daher beziehen

Kern- und Komplementärbilanz Lista AG, Werk ErlenProzentuale Umweltbelastungen in UBP

84% Stahl

9% Gütertransport 2% Holz5% Übriges

66% Strom

17% Erdgas

5% Pkw

12% Übriges

Komplementärbilanz 87%

Kernbilanz 13%

Kernbilanz Komplementärbilanz

Kern- und Komplementärbilanz Lista AG, Werk ErlenProzentuale Umweltbelastungen in UBP

84% Stahl

9% Gütertransport 2% Holz5% Übriges

66% Strom

17% Erdgas

5% Pkw

12% Übriges

Komplementärbilanz 87%

Kernbilanz 13%

Kernbilanz Komplementärbilanz

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158 Fallstudie Lista AG

Ausgangswerte mit der Anzahl Produkteinheiten (PE) in Beziehung gesetzt.378 Eine Ausnahme dazu bildet der Lackverbrauch, der auf die Gesamtfläche des eingefärb-ten Stahls bezogen ist.

Abb. 36: Stoff- und Energieflussentwicklung von 1996 bis 2002379

Betriebsökologie Seit der Erstzertifizierung 1996 weist Lista deutliche Fortschritte in der Betriebsöko-logie aus, insbesondere in der Stoff- und Prozessoptimierung. Geschlossene Pro-duktionsverfahren mit Stoffkreisläufen haben zur Reduktion des Frischwasser- und Lackverbrauchs geführt. So wurde 1996 im Werk Arnegg die Wiederverwertung von Altpulver aus der Pulverbeschichtung und 1997 die Abwärmenutzung aus dem Pul-versinterofen realisiert. Die ökologisch besonders schädlichen VOC-Emissionen konnten seit 1996 sowohl absolut als auch bezogen auf die Produktionseinheit um

sich die Indexwerte für die Abfälle auf das Basisjahr 1998.

378 Diese Bezugsgrösse verwendet Lista für die Beschreibung einer fiktiven Produktionsmenge als Alternative zu den realen Produkten wie Möbel, Einrichtungen und Ersatzteile. Sie wird intern für die Berechnung der re-lativen Umweltbelastung, aber auch z.B. für finanzwirtschaftliche Kennzahlen verwendet. Dieses Vorgehen vereinfacht den Umgang mit und die Darstellung von relativen Daten. Aus ökologischer Perspektive ist die Aussagekraft solch aggregierter, wenig realitätsnaher Grössen jedoch gering. Hier wären „funktionale Einhei-ten“ vorzuziehen, die eine ökologische Belastung einem bestimmten Produktnutzen zurechnen. (Vgl. dazu auch Abschnitt 4.1.2.).

379 Lista Umweltberichte 2000 und 2003. Die Zahlen beruhen auf den aggregierten Werten der drei Werke in der Schweiz. Für die Werke im Ausland fehlen vergleichbare Daten.

Stoff- und Energieflüsse Lista AGSäulen = Absolute Stoff- bzw. Energieflüsse Linien = Relative Stoff- bzw. Energieflüsse

Veränderung der realen Messwerte, Zeitraum 1996 bis 2002, 1996 = 100% (Ausnahme: Abfälle)

CO2

Sondermüll

AbfälleVOCWasserLackEnergie

Stahlblech

0.0%

50.0%

100.0%

150.0%

200.0%

250.0%

1996 ….. 2002 1996 .…. 2002 1996 ….. 2002 1996 ….. 2002 1996 ….. 2002 1998 ….. 2002 1996 ….. 2002 1996 .…. 2002

Stoff- und Energieflüsse Lista AGSäulen = Absolute Stoff- bzw. Energieflüsse Linien = Relative Stoff- bzw. Energieflüsse

Veränderung der realen Messwerte, Zeitraum 1996 bis 2002, 1996 = 100% (Ausnahme: Abfälle)

CO2

Sondermüll

AbfälleVOCWasserLackEnergie

Stahlblech

0.0%

50.0%

100.0%

150.0%

200.0%

250.0%

Stoff- und Energieflüsse Lista AGSäulen = Absolute Stoff- bzw. Energieflüsse Linien = Relative Stoff- bzw. Energieflüsse

Veränderung der realen Messwerte, Zeitraum 1996 bis 2002, 1996 = 100% (Ausnahme: Abfälle)

CO2

Sondermüll

AbfälleVOCWasserLackEnergie

Stahlblech

0.0%

50.0%

100.0%

150.0%

200.0%

250.0%

1996 ….. 2002 1996 .…. 2002 1996 ….. 2002 1996 ….. 2002 1996 ….. 2002 1998 ….. 2002 1996 ….. 2002 1996 .…. 20021996 ….. 2002 1996 .…. 2002 1996 ….. 2002 1996 ….. 2002 1996 ….. 2002 1998 ….. 2002 1996 ….. 2002 1996 .…. 20021996 ….. 2002 1996 .…. 2002 1996 ….. 2002 1996 ….. 2002 1996 ….. 2002 1998 ….. 2002 1996 ….. 2002 1996 .…. 2002

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Fallstudie Lista AG 159

rund 70% gesenkt werden. Dies wurde durch die 1990 eingeleitete und sehr auf-wändige, weil technisch damals noch nicht ausgereifte Umstellung von lösemittel-haltigen Lacken auf Wasserlacke möglich. Der heutige VOC-Ausstoss resultiert praktisch nur noch aus Reinigungsmitteln.

Der Energieverbrauch, der seit den 1970er Jahren immer zu den wichtigsten Ziel-bereichen der Umweltaktivitäten von Lista gehörte, war auch nach der UMS-Zertifi-zierung trotz der geringer gewordenen Verbesserungspotenziale stets Ziel von Opti-mierungsmassnahmen. Ein wichtiger Auslöser für weitere Verbesserungen war die geplante Einführung der oben erwähnten CO2-Abgabe. Sie führte zu Massnahmen im Energiebereich, dank welchen die absolute CO2-Emissionsmenge bis 2002 ge-genüber 1996 um 10,4% gesenkt werden konnte. Je Produktionseinheit bedeutete dies eine Emissionsreduktion um 2,5%. Weitere Verbesserungen wären durch ein Outsourcing im Bereich der Oberflächenbehandlung bei der Stahlverarbeitung mög-lich, was aus unternehmensstrategischen Überlegungen aber nicht in Betracht kommt. Bei den Abfällen konnte die Recycling-Quote verbessert werden, so dass die Restmüllmenge erheblich zurückging. Die Sonderabfallmengen zeigen 1997 und 1999 deutliche Zunahmen, die auf die Umstellung von Nasslack- auf Pulverlack-verfahren und der damit verbundenen einmaligen Entsorgung von Restlack zurück-zuführen sind. Heute besteht der Sondermüll zu 90% aus Altöl und Emulsionen. Nicht in den Grafiken enthalten ist die Tatsache, dass dank Prozessverbesserungen und der Integration von UMS und Risikomanagement die Anzahl betrieblicher Stör-fälle praktisch auf Null verringert werden konnte. Dies gilt in erster Linie für Gewäs-serverschmutzungen, die früher häufiger vorkamen.

Produktökologie Im Vordergrund produktökologischer Massnahmen von Lista stehen die Langlebig-keit und die sortenreine Trennbarkeit der Materialien am Ende des Produktlebens-zyklus’. Beides sind Zielbereiche, in welchen das Produktsortiment bereits zum Zeitpunkt der Erstzertifizierung ein hohes Niveau aufwies und entsprechend geringe Verbesserungspotenziale bot. Diese Ziele sind mit der Kennzahlensystematik von Lista jedoch kaum abzubilden. Hingegen weisen die erhobenen Stoff- und Energie-flussdaten auf anderweitige produktökologische Veränderungen hin. So stellt der im Vergleich zu 1996 um 14,5% geringere Lackverbrauch je Quadratmeter lackierter Fläche eine deutliche Reduktion der Materialintensität dar. Andererseits erhöhte sich der Stahlverbrauch je Produkteinheit (PE) seit 1996 um 16% – eine Aussage, die sich aufgrund der geringen ökologischen Aussagekraft der Einheit PE jedoch kaum interpretieren lässt. Als positive – wenn auch bislang nicht messbare – Ent-wicklung ist hingegen die Berücksichtigung von Umweltaspekten im Produktentwick-lungsprozess zu werten. Dies geschieht z.B. durch die Verwendung eines Öko-Kontenrahmens380 und durch die Weisung an die F&E, neue Rohstoffe auf ihre Um-weltverträglichkeit hin zu prüfen. Eine grundlegende aktuelle Zielsetzung ist hier 380

Der Öko-Kontenrahmen zeigt die ökologischen Eigenschaften von Werk- und Hilfsstoffen und klassifiziert die für die Produktentwicklung in Frage kommenden Stoffe nach ihrem ökologischen Belastungsprofil.

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160 Fallstudie Lista AG

beispielsweise die langfristige Eliminierung von PVC aus den Lista-Produkten. Die Förderung der Umweltverträglichkeit der Produkte geschieht entsprechend als rol-lender Prozess: Wenn Produkte neu entwickelt oder verändert werden, schreibt das IMS die Prüfung von Möglichkeiten zur Substituierung bisher verwendeter Rohstoffe durch umweltfreundlichere Alternativen vor.

Zusammenfassend zeigt die Datenentwicklung bei den meisten Input- und Output-grössen Verbesserungen der Umweltleistung. Mit Prozessoptimierungen und der Nutzung von Technologiefortschritten konnte Lista die Öko-Effizienz der Produk-tionsabläufe verbessern, wenn auch in unterschiedlichem Ausmass. Während z.B. der Wasserverbrauch, die Abfallmenge und der VOC-Ausstoss erheblich gesenkt werden konnten, waren die Verbesserungen beim Energieverbrauch, bei den CO2-Emissionen und beim Sondermüll (relativ) geringer. Dass das Umweltleistungs-niveau zum Zeitpunkt der Erstzertifizierung in einigen Bereichen bereits sehr hoch war, kann als wichtige Ursache dieser Entwicklung angenommen werden.

Abb. 37: Entwicklung der Produktionsmenge (in PE) von 1996 bis 2002 Die hier beobachteten absoluten Verbesserungen bei den meisten Umweltdaten können verschiedene Ursachen haben. Sie können dann eintreten, wenn die ver-besserte Öko-Effizienz eine Erhöhung der Produktionsmenge mehr als kompensiert, wenn Input- oder Outputgrössen substituiert oder qualitativ verändert werden oder wenn die Produktionsmenge bei mindestens gleich bleibender Öko-Effizienz sinkt. Bei Lista spielen alle drei Ursachen eine Rolle. Neben Verbesserungen der Öko-Effizienz führte ein verbessertes Abfallmanagement (erhöhte Recyclingquote) und die Eliminierung von Lösungsmitteln in Lacken zu absoluten Umweltentlastungen. Betrachtet man zusätzlich die Entwicklung der Produktionsmenge (vgl. Abb. 37), erkennt man zwischen 1996 und 2001 eine kontinuierliche Steigerung gefolgt von einem Rückgang auf 91.9% im Jahr 2002. Dies ist ein Indiz dafür, dass der geringe-re absolute Energie- und Lackverbrauch sowie teilweise die geringeren CO2-Emis-

Produktionsmengen-Entwicklung Lista AG(in Prozent, 1996=100%)

100.0% 103.3% 107.7% 108.9%116.8% 118.8%

91.9%

0.0%

20.0%

40.0%

60.0%

80.0%

100.0%

120.0%

140.0%

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002

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Fallstudie Lista AG 161

sionen und das Sondermüllaufkommen hier die Ursache haben. Zu erkennen ist aber auch die Tatsache, dass sich der Rückgang der Produktionsmenge nicht linear auf die Umweltbelastung ausgewirkt hat, was auf eine „ökologische Fixbelastung“ hinweist. Dies spiegelt sich in den relativen Input- und Outputdaten wider, die sich 2002 im Vergleich zum Vorjahr in den Bereichen Energie, Wasser, VOC, Sonder-müll und CO2 verschlechtert haben.

Fazit: Ergebnisse des KVP Weiterentwicklungs- und Verbesserungsprozesse sind bei Lista in erster Linie in den Strukturen des UMS und in der Professionalität der beteiligten Mitarbeiter fest-zustellen. Hier sind Lernprozesse erkennbar, die sich auf die täglichen Arbeits-abläufe der Mitarbeiter, auf die produkt- und prozessbezogene Forschung und Ent-wicklung und auf die betrieblichen Infrastrukturen auswirken. Die Veränderungen bewegen sich weitgehend im von der Unternehmensführung angestrebten Ziel, das Unternehmen „sauber“ zu führen, d.h. die Gesetze einzuhalten, Störfälle zu vermei-den, jeglicher Verschwendung von Energie entgegenzutreten sowie Ressourcenver-bräuche und Abfallaufkommen so gering wie möglich zu halten. Weitergehende Schritte, insbesondere solche, die die allgemeinen strategischen Unternehmens-ziele tangieren würden, werden von der Unternehmensführung in wesentlich gerin-gerem Mass unterstützt. Verbesserungen der Umweltleistung sind entsprechend weitgehend begrenzt auf direkte Umweltaspekte im Zusammenhang mit der Pro-duktherstellung.

8.4 Entwicklungsprozess von UMS und Unternehmung

In der Weiterentwicklung des UMS von Lista nach der Erstzertifizierung lassen sich drei Phasen erkennen: Eine Phase der Professionalisierung des Umweltengage-ments, eine Phase der Konsolidierung und der zunehmenden Verankerung des UMS und eine bis heute andauernde Phase, in welcher das Kosten-Nutzen-Ver-hältnis des UMS intern immer stärker hinterfragt wird. Dieser Entwicklungsprozess wird im Folgenden näher analysiert.

Die erste Phase umfasste den Aufbau des UMS mit der Anpassung der bisherigen Umweltschutzaktivitäten an die Erfordernisse der ISO 14001. Zum Zeitpunkt der Normenpublikation befasste sich Lista stark mit Managementfragen im Bereich der Qualitätssicherung, und in ISO 14001 erkannte sie zahlreiche Effizienz- und Effek-tivitätsvorteile für das Erreichen der umweltpolitischen Zielsetzungen. Interne Tradi-tionen und Überzeugungen, verbunden mit dem Streben nach optimalen, systema-tischen und transparenten Managementlösungen, waren die auslösenden Faktoren für den UMS-Aufbau. Externe Einflussfaktoren waren von nebensächlicher Bedeu-tung, eine Aussenwirkung des UMS war nicht explizit beabsichtigt, auch wenn Lista mit der seit langem verfolgten Differenzierungsstrategie davon überzeugt war,

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162 Fallstudie Lista AG

dass hier „die Ökologie auch eine Rolle spielen“ müsse. 381 Doch mit der Zertifizie-rung des UMS verfolgte Lista keine wettbewerbsstrategischen Ziele, und auch von Seiten der Zielmärkte waren keine Einflüsse erkennbar.

Die Professionalisierung des Umweltengagements wurde vor allem im Bereich der UMS-Strukturen evident. Sie führte zur Integration des betrieblichen Umwelt-schutzes in die Unternehmensprozesse, zur klaren Zuweisung von Verantwortlich-keiten, zum Aufbau internen Know-hows und zur Einrichtung eines effektiven Con-trollings, mit welchem sich z.B. die Einhaltung der relevanten Grenzwerte steuern liess. Materiell waren die Vermeidung von Umweltrisiken (Emissionen in Gewässer und Luft, Lärm, etc.) und die dauerhafte Sicherstellung der Rechtskonformität be-deutende Ausgangspunkte für Umweltschutzmassnahmen.

Damit waren Transparenzverbesserungen verbunden, die als grösster interner Nut-zen des UMS zu dieser Zeit gewertet werden können. Für Mitarbeiter und Füh-rungskräfte brachte die UMS-Einführung, insbesondere durch rege Schulungs-tätigkeiten, neue Impulse für umweltfreundliches Verhalten und verbesserte die Umweltsensibilisierung an den Arbeitsplätzen. Dies führte bald zu einer Vielzahl von ökologisch und ökonomisch vorteilhaften Verbesserungsmassnahmen, insbeson-dere in den Bereichen Energie und Abfall. Die positiven Erfahrungen führten zudem zu einer hohen Diffusionsdynamik im Hinblick auf die Zertifizierung der Schweizer Werke und die Verbreitung ökologischer Verbesserungsansätze an den aus-ländischen Standorten. Extern zeigte sich bald, dass das UMS eine solide Grund-lage zur Förderung guter Beziehungen zu externen Anspruchsgruppen bot, nach-dem die Produktionsprozesse an den Standorten in den vorangegangenen Jahren immer wieder Forderungen von Anwohnern und Behörden ausgesetzt waren. Diese Beziehungen erwiesen sich vor allem dann als strategisch bedeutsam, als bewil-ligungspflichtige betriebliche Aus- oder Umbauten erfolgen sollten.

In der zweiten Phase führten zunehmend schwierigere Bedingungen auf den Ab-satzmärkten zu einer Umstrukturierung des allgemeinen Managementsystems, wo-von auch das UMS betroffen war. Zum einen nahm die Konkurrenz durch internatio-nale Anbieter zu, die in ihren Heimatländern zu wesentlich günstigeren Konditionen produzieren konnten, zum andern verkleinerten sich die finanziellen Spielräume der angestammten Kundengruppen, z.B. öffentlicher Institutionen. Flexiblere und kos-tengünstigere Produktionsprozesse waren notwendig, um konkurrenzfähig bleiben zu können. Lista reagierte zunächst mit einer Zusammenlegung, später mit einer erneuten Aufspaltung der Sparten in organisatorisch getrennte Unternehmensbe-reiche. Diese Umstrukturierungen führten zu einem umfangreichen Anpassungs-bedarf des IMS. Gleichzeitig wurden ökologische Produkteigenschaften und Pro-duktionsbedingungen auf den Absatzmärkten nach wie vor nicht honoriert. Dies bestätigte sich unter anderem in der erfolglosen Lancierung des spezifisch für öko-logisch sensibilisierte Kundengruppen entwickelten Regals (vgl. Kasten S. 152). Als

381

Interview GL.

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Fallstudie Lista AG 163

Folge dieser Rahmenbedingungen und Erfahrungen lässt sich in dieser Phase ein abnehmendes Interesse des Managements an einer forcierten Weiterentwicklung des UMS beobachten, an der Einhaltung und Umsetzung der betrieblichen Umwelt-politik sollte dennoch festgehalten werden.

Obwohl der KVP an Dynamik verlor, konnte Lista auch in dieser Phase in einzelnen Bereichen des UMS Fortschritte erzielen. Generell erfuhr das UMS eine weiter zu-nehmende Integration in die allgemeinen Arbeitsprozesse, hingegen kam die Brei-tendiffusion des (zertifizierten) UMS zum Stillstand. Die UMS-Organisations-strukturen wurden mit einem standortübergreifenden Gremium zur Aufrecht-erhaltung des KVP erweitert (Öko-Team, siehe oben) und die Wissensbasis bzgl. Umweltaspekte und Umweltwirkungen wurde weiter vertieft (Ökobilanzierung). Das UMS wurde nun vermehrt auch für die externe Kommunikation mit der Einführung eines Umweltlabels und mit der systematischen Umweltberichterstattung genutzt. Nach den zahlreichen in der Aufbauphase realisierten Verbesserungsmassnahmen hatten die potenziellen Ansatzpunkte für betriebliche Optimierungsmöglichkeiten jedoch stark abgenommen. Weitere Verbesserungen der Umweltleistung erforder-ten – je länger, je mehr – grössere Investitionen, doch genügten angesichts der enger werdenden ökonomischen Spielräume ökologische Argumente nicht (mehr), um entsprechende Investitionsanträge intern durchzusetzen. Dieser Auslöser von Umweltschutzmassnahmen wurde vielmehr abgelöst durch die Aufnahme ökologi-scher Kriterien in die normalen Bewertungsrichtlinien von allgemeinen Erneuerungs- und Modernisierungsinvestitionen. In dieser Phase verlor auch die ursprünglich zentrale UMS-Zielsetzung „Sicherung der Rechtskonformität“ stark an Bedeu-tung, nachdem hier bereits in der Aufbauphase solide Grundlagen geschaffen und ein guter Stand erreicht worden war.

In der dritten Phase, die 2002 ihren Anfang nahm, verschärfte sich die Konkurrenz-situation abermals. Lista musste das Jahr 2002 mit einem Umsatzrückgang von 17% abschliessen. In dieser Phase ist die Zunahme kritischer Stimmen aus allen Bereichen und Ebenen, insbesondere auch aus der Konzernleitung und dem Ver-waltungsrat, der bestimmende Einflussfaktor des KVP. Die Hinterfragung des Um-weltengagements gründet auf enger werdenden ökonomischen Spielräumen, die von Sachzwängen gezeichnet sind und kaum Freiraum für weitere ökologische Leis-tungen im freiwilligen Bereich zulassen würden.

Lista hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt weit über ihre Märkte hinaus als ökologi-sches Pionierunternehmen etabliert. Sie verfolgte grundsätzlich weiterhin eine quali-täts- und funktionalitätsorientierte Differenzierungsstrategie. Das Differenzierungs-potenzial über ökologische Argumente ist hingegen nach wie vor gering und ökolo-gische motivierte Nachfragesignale bleiben weiterhin aus. Der Delegierte der Ge-schäftsleitung führt dies unter anderem darauf zurück, dass bei den angebotenen Produktgattungen der individuelle ökologische Zusatznutzen zu gering sein würde. Dies scheint mit ein Grund dafür zu sein, dass bei Submissionen der öffentlichen Hand oder von Grosskunden zwar zunehmend Auskünfte zu ökologischen Produkt-

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164 Fallstudie Lista AG

kriterien und UMS verlangt werden, dass dies in der Angebotsbeurteilung aber nur schwach gewichtet wird und die Kaufentscheidung nicht massgeblich beeinflusst. Der Konkurrenzkampf verlagert sich daher noch stärker auf Kostenargumente mit der Konsequenz, dass die angestrebte Differenzierungsstrategie nur teilweise auf-rechterhalten werden kann. Strategisch ist das UMS als Differenzierungsargument in dieser Phase denn auch von sehr geringer Bedeutung, wie der Delegierte der Geschäftsleitung festhält: „Heute stehen ganz andere Fragen im Vordergrund: Wirt-schaftlichkeit, Sicherung von Arbeitsplätzen – überhaupt das langfristige Überleben des Unternehmens. Es geht darum, im Vergleich mit unseren Wettbewerbern mög-lichst konkurrenzfähig zu sein, denn diese sind in anderen Ländern zu Hause und produzieren unter ganz anderen Bedingungen als wir. Da sind uns heute spürbare Grenzen gesetzt.“382

Für die internen Träger und Treiber des UMS geht es in dieser Phase entsprechend darum, den Status quo aufrecht zu erhalten. Die Verabschiedung neuer Umwelt-schutzmassnahmen im Sinne des KVP ist in den meisten Fällen nur noch dann möglich, wenn sie intern mit einem positiven Kosten-Nutzen-Verhältnis gerecht-fertigt werden können. Dies wird durch die gleichzeitig steigende Komplexität po-tenzieller Ansatzpunkte zusätzlich erschwert. Der Rechtfertigungsdruck erfasst nicht nur neue Umweltschutzmassnahmen, sondern auch das implementierte Sys-tem und den damit verbundenen Arbeitsaufwand. Förderlich für den KVP ist hinge-gen die hohe Kontinuität bei den Stelleninhabern (Delegierter der Geschäfts-leitung, Leiter Umwelt), deren persönliches Engagement, ihr mittlerweile weit-reichendes umweltbezogenes Wissen und ihre insgesamt zentrale Rolle im Unter-nehmen. Förderlich ist zudem die anhaltende Unterstützung des Firmeninha-bers, der den Aufwand für das UMS durch die damit gewonnene Rechtssicherheit, Transparenz und Risikovorsorge weiterhin als gerechtfertigt beurteilt.

Folgerungen Der ökologische Entwicklungsprozess von Lista zeigt nach der Erstzertifizierung zunächst eine hohe Dynamik und mit zunehmendem Alter des UMS ein Abflachen des Aktivitätsniveaus. Drei Gründe können dafür angeführt werden: Erstens verbin-det Lista mit dem UMS keine strategischen Ziele, die den mittel- bis langfristigen Aufbau von Nutzenpotenzialen erfordern würden, und damit beschränkt sich, zwei-tens, der Einflussbereich des UMS auf wenige Potenzialbereiche für weitere Ver-besserungen. Diese sind nach mehreren sehr aktiven Jahren des Umweltschutzes weitgehend ausgeschöpft oder können nur mit stetig wachsendem Ressourceninput weiter genutzt werden. Drittens nimmt das Interesse der Geschäftsleitung am UMS aufgrund äusserer Einflüsse (Kostendruck der Märkte bei gleichzeitig ausbleibender positiver Reaktion auf ökologische Leistungen) zusehends ab.

Das Leistungsniveau des UMS hat mittlerweile einen Punkt erreicht, bei welchem es schwierig wird, den Aufwand für weitere, neue Umweltschutzmassnahmen mit der 382

Interview GL.

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Fallstudie Lista AG 165

Erschliessung zusätzlicher Nutzenpotenziale für Lista intern zu rechtfertigen. Dies beruht nicht zuletzt darauf, dass das UMS bzw. das integrierte Managementsystem sehr gut implementiert, effizient und effektiv ist – mit der Konsequenz, dass im Un-ternehmen und insbesondere bei den Entscheidungsträgern derzeit der ökologische und ökonomische Nutzen weiterer Entwicklungsschritte im Sinne eines KVP als ge-ring erachtet wird.

8.5 Rolle der Zertifizierungsaudits für den KVP

„Die Zertifizierung strebten wir ganz klar an, um uns selber ein bisschen Druck zu geben. Anders ist es sehr viel schwieriger, ein solches Managementsystem wirklich zu pflegen, aufrecht zu halten und ständig zu verbessern. Das ist viel besser mög-lich durch äusseren Druck, auch wenn wir ihn uns selbst auferlegt haben.“383 Diese Aussage des Delegierten der Geschäftsleitung unterstreicht die deutliche Dominanz interner Nutzenerwartungen aus dem Zertifizierungsentscheid. Ob sie erfüllt wurden und wie die damit verbundenen externen Auditierungsroutinen den KVP von UMS und Umweltleistung beeinflussten, ist Gegenstand der folgenden Ausführungen.

Auditpraxis Der Auditor der Zertifizierungsgesellschaft betreut Lista seit mittlerweile vier Jah-ren. Schon sein Vorgänger, der für dieselbe Gesellschaft tätig war, war über mehre-re Jahre für Lista zuständig. Der heutige Auditor ist Maschinenbau- und Betriebsin-genieur sowie zertifizierter Lead-Auditor für UMS und QMS. Er plant die Audits in der Regel über einen Zeitraum von zwei Tagen und schliesst dabei alle drei Lista-Produktionswerke in der Schweiz mit ein. Bei Wiederholaudits wird mindestens ein zusätzlicher Auditor hinzugezogen, Überwachungsaudits führt der Lead-Auditor al-lein durch.

Die Auditplanung wird vom Delegierten der Geschäftsleitung mitgestaltet. Er er-achtet die Audits nicht einfach als „unabhängige Prüfung durch eine externe Stelle“, sondern versucht, sie wenn immer möglich auch als Führungsinstrument zu nutzen. Überwachungs- und Rezertifizierungsaudits sollen gezielt jene Bereiche erfassen, in denen seiner Meinung nach der Umsetzung des IMS wenig Bedeutung beigemes-sen wird, und in welchen er deshalb Schwachstellen vermutet. Damit wird der mit der Zertifizierung gesuchte externe Druck auf ausgewählte Organisationseinheiten und Prozesse gelenkt: „Das können wir mit dem Auditor und seinen Leuten ganz gut steuern. Es sieht dann so aus, als ob der Auditor auf diese schwachen Punkte den Daumen legen würde. Damit kann man manchmal mehr bewegen als in internen Audits.“384 Für die Belegschaft sind die Audits zu einer mittlerweile akzeptierten – wenn auch nicht beliebten – Routine geworden: „Eine Auditierung wird auch bei Lista immer als Schikane, Kontrolle oder Prüfung wahrgenommen, das liegt in der 383

Interview GL. 384

Interview GL.

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166 Fallstudie Lista AG

Natur der Sache. Es ist aber nicht so, dass sich die Leute sehr sträuben oder dass das ein solches Problem bei uns wäre.“ 385

Thematisch umfassen die externen Audits immer das gesamte IMS, doch steht nach Auffassung des Leiters Umwelt das Qualitätsmanagement „natürlich immer im Vordergrund.“ Dafür, dass andere Bereiche und allen voran das UMS anlässlich der Audits deshalb stark im Hintergrund bleiben, zeigt er Verständnis, denn „das QMS ist auf dem Markt oftmals eine explizite Forderung in der Kundenakquisition, z.B. dann, wenn man die Autoindustrie beliefern will.“ Diese Haltung reflektiert einen deutlich höheren Stellenwert des QMS gegenüber dem UMS, wie sie sowohl im Management als auch in der Belegschaft eingenommen wird. Dass im Rahmen der Audits deshalb kaum Raum bleibt, um spezifisch UMS-relevante Punkte aus-reichend zu diskutieren, wird deshalb von allen Beteiligten akzeptiert.

Auditierungsaspekt KVP Der KVP von UMS und QMS ist für den Auditor ein zentrales Prüfelement, dessen Thematisierung in den direkten Auditgesprächen meist implizit erfolgt. Der Fokus liegt dabei auf dem Tätigkeits- und Einflussbereich der jeweils auditierten Stelle. Eine explizite Thematisierung des KVP ist eher selten. Der Auditor versteht den KVP als „Prozessverbesserung im Sinne eines ständigen Bemühtseins, in allen Be-reichen Verbesserungen zu erzielen“ und somit „vor allem als eine Verhaltensfrage“, die sich je stärker stellt, je mehr Verantwortung eine Person innehat.386 Dies bedeu-tet, dass z.B. an Führungskräfte andere Erwartungen in Bezug auf den KVP gestellt werden als an Mitarbeitende mit einem eingeschränkten Aktionsbereich. Verbes-serungen erwartet der Auditor zur Hauptsache in den Führungskreisläufen und – im Zusammenhang mit dem UMS – im Umgang mit Umweltaspekten. Verbesserungen der Umweltleistung werden unter Berücksichtigung der Kontextfaktoren wie bishe-rige Leistungen, aktuelles Leistungsniveau und realisierbare Handlungsspielräume relativiert. In Fällen wie Lista sieht der Auditor die Problematik, dass solche Unter-nehmen bereits ein derart hohes Umweltschutzniveau aufweisen, dass weitere Umweltleistungsverbesserungen nur durch Erneuerungsinvestitionen möglich sind, deren Realisierung wiederum von der Wirtschaftslage und den strategischen Unternehmenszielen abhängig ist. Konkret bedeutet dies, dass „wir Auditoren natür-lich herauszufinden versuchen, wo die Umweltleistungen sind, wir müssen aber auch in Kauf nehmen, dass diese manchmal sehr gering sein können.“ – eine Aus-sage, die zum einen eine sehr pragmatische Auslegung der ISO-Norm illustriert, zum andern aber auch eine Konsequenz der fehlenden Minimalvorgaben zum KVP in der Norm darstellt.387

385

Interview UB. 386

Interview AU. 387

Zu den Normvorgaben zum KVP vgl. ausführlich Kapitel 2.2 und 6.3 in dieser Arbeit.

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Fallstudie Lista AG 167

KVP-Impulse aus externen Audits Vermögen die externen Audits, dem KVP von UMS und Umweltleistung fördernde Impulse zu vermitteln? Die Erwartungen und Erfahrungen aus den vergangenen Jahren sind bei den Beteiligten sehr unterschiedlich. Der Auditor attestiert Lista ein UMS, bei dessen weit fortgeschrittenem Stand er kaum inhaltliche Anregungen für die Weiterentwicklung geben könne. Im Gegenteil: „Ich kann hier viel lernen, und darauf ist man als Auditor auch angewiesen“.388 Lista sei hier ein Ausnahmefall, der für Auditoren sehr wertvoll ist, und diese Erfahrungen können wiederum in andere zu auditierende Unternehmen getragen werden. Für den Leiter Umwelt im Werk Erlen wären konkrete Anregungen seitens des Auditorenteams jedoch sehr willkom-men: „Zwischendurch ist es zwar schön, Erfolgserlebnisse zu haben, doch wären neue, höhere Messlatten und ein gewisser Ansporn wesentlich befriedigender, um als Firma und auch persönlich weiter zu kommen und dazu zu lernen.“389 Auf der operativen Ebene des Umweltmanagements wird der Wert der Auditroutinen für den KVP entsprechend relativiert. Seitens der Geschäftsführung werden inhaltliche In-puts für die Weiterentwicklung von UMS und Umweltleistung als Ergebnis externer Audits gar nicht erst erwartet. Viel wichtiger sei es, dass die regelmässigen Audits in den einzelnen Organisationseinheiten und in der Unternehmensführung jedes Mal Aktualisierungs- und Weiterentwicklungsprozesse auslösen.390 Für den Delegierten der Geschäftsleitung ist dieser Anstoss unbedingt erforderlich. Mit einem Verweis auf den Fall Geberit391 meint er: „Bei uns würde es ohne externen Druck sicher nicht funktionieren. Wir sind froh um diesen Druck.“392 Die Nutzenerwartungen an die Zer-tifizierung haben sich seiner Meinung nach vollumfänglich erfüllt.

Folgerungen Bei Lista zeigt sich deutlich, welch divergierende Erwartungen die beteiligten Ak-teure mit den Überwachungs- und Wiederholaudits verbinden: Die Geschäftsleitung setzt die Zertifizierung über die dafür erforderlichen Audits als Druckmittel gegen-über den Organisationseinheiten ein, um die UMS-Zielerreichung zu unterstützen; für den Umweltbeauftragten kommen die Audits einer Bestätigung für geleistete Ar-beiten gleich, und er erhofft sich externe, fachkundige Impulse für den KVP; und für die Mitarbeiter der auditierten Unternehmensbereiche stellen die Audits eine Prü-fung dar, die bestanden werden muss und daher im Vorfeld Anpassungs- und Wei-terentwicklungsaktivitäten notwendig machen. Demgegenüber haben für den exter-nen Auditor die Audits in erster Linie Überwachungscharakter, während er gleichzei-tig Lista als Lernmodell für sich selber nutzt.

Als Impulsgeber für den KVP wirken externe Audits entsprechend vor allem durch den Konformitätsanspruch des zertifizierten UMS mit der ISO-Norm. Die Geschäfts- 388

Interview AU. 389

Interview UB. 390

Interview GL. 391

Siehe den entsprechenden Hinweis in Abschnitt 6.3.1. 392

Interview GL.

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168 Fallstudie Lista AG

leitung verstärkt den damit verbundenen Druck zusätzlich, indem sie Einfluss auf die Auditplanung nimmt. Externe Audits werden damit in erster Linie als wirkungsvolles Führungsinstrument eingesetzt, das aus Sicht der Unternehmensführung den Auf-wand rechtfertigt. Materiell hingegen, d.h. in Form von Impulsen in Bezug auf UMS und Umweltschutzmassnahmen, sind die Audits wenig förderlich.

Ein Grund dafür liegt in der praktischen Auditdurchführung. Die weitgehende Inte-gration des UMS mit dem QMS, der Arbeitssicherheit und dem Risikomanagement macht es sinnvoll, zumindest die zertifizierten Systeme gleichzeitig zu auditieren. Anderseits zeigt sich bei Lista der Nachteil, dass das UMS in der Auditpraxis nur schwach gewichtet wird. Dadurch bleibt wenig Raum, umweltspezifische Themen gezielt und umfassend anzusprechen. Diese Erkenntnis deutet darauf hin, dass die Kombination der Auditinhalte bei einer dominierenden Stellung des QMS eine eher hemmende Wirkung auf Lernprozesse im Umweltbereich haben kann.

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9 Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau

Die Ernst Schweizer AG, Metallbau, ist ein traditionsreiches Familienunternehmen, das seit 1985 in der zweiten Generation von H.R. Schweizer geführt wird. Die Fir-mengruppe mit Hauptsitz in Hedingen bei Zürich beliefert die gesamte Schweiz und das nahe Ausland mit qualitativ hochstehenden Metallbau-Erzeugnissen für den gewerblichen und privaten Hausbau. Neben der Hauptproduktionsstätte bestehen rund zehn regionale Verkaufsbüros in der Deutsch- und der Westschweiz. Zur Ernst Schweizer-Gruppe gehört zudem die Meko Systeme AG, die in Muttenz bei Basel Aluminiumkomponenten für Holz/Metall-Fenster herstellt. Von den 472 Mitarbei-tenden (2002) sind rund 90% in den Produktionswerken und den Verkaufsbüros tätig, der Rest wird in der Montage der Bauteile vor Ort eingesetzt. Im Jahr 2002 erzielte die Ernst Schweizer-Gruppe einen Betriebsertrag von 109 Mio.

Mehr als jeder vierte Briefkasten in der Schweiz ist ein Erzeugnis der Ernst Schwei-zer AG. Das Unternehmen ist in diesem Bereich der unbestrittene nationale Markt-führer. Führende Marktpositionen bestehen zudem in anderen Produktsparten der Gruppe, wie z.B. in den Bereichen Fassadenbau, Holz/Metall-Rahmen, Glasfalt-wände oder Brandschutztüren. Ergänzt wird das breite Sortiment durch den Bereich Sonnenkollektoren für die Warmwasser-Erzeugung, den Schweizer vor rund 25 Jah-ren als Pionierunternehmen in der Nutzung von Sonnenenergie aufgebaut hat. Die-se Sparte verzeichnete in den letzten Jahren deutliche Zuwachsraten, gerade auch im Exportgeschäft. Diese Entwicklung reflektiert im Wesentlichen ein gesteigertes Interesse der Privat- und Grosskunden an energiesparenden Bauelementen, wel-ches auf die zunehmende Nachfrage nach Produkten mit Minergiestandard393 zu-rückzuführen ist. Ein Grossteil der Erzeugnisse der Ernst Schweizer-Gruppe sind Standardprodukte, doch insbesondere im Bereich Fassadenelemente werden sehr oft individuelle Lösungen verlangt. Sie werden in Projektarbeit entwickelt und ausge-führt. Die F&E sowie die Herstellung von Prototypen und Einzelanfertigungen in Zu-sammenarbeit mit dem Kunden sind entsprechend wichtige Unternehmens-prozesse.

393

Minergie ist ein Qualitätslabel für neue und sanierte Gebäude in der Schweiz. Der spezifische Energie-verbrauch gilt als Leitgrösse, um die geforderte Bauqualität zu quantifizieren. Minergie definiert fünf Anforde-rungen an ein Gebäude: Primäranforderungen an die Gebäudehülle; Grenzwerte für den Energieverbrauch; die Installation und der Betrieb einer mechanischen Lufterneuerungsanlage; Zusatzanforderungen je nach Gebäudekategorie sowie die Anforderung, dass die Mehrinvestitionen gegenüber konventionellen Ver-gleichsobjekten höchstens 10% betragen dürfen. Derzeit sind ca. 3500 Gebäude in der Schweiz mit einer beheizten Nutzfläche von 3 Mio. m2 in Neu- und Umbauten realisiert. Vgl. www.minergie.ch.

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170 Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau

9.1 Das Umweltmanagement

Motivationstyp Der bewusste Umgang mit der Natur ist schon seit Jahrzehnten fester Bestandteil der Unternehmenskultur von Schweizer. Dem Management, vor allem aber auch der Eigentümerfamilie, liegt viel an einer nachhaltigen Unternehmensführung, die hohen ökonomischen, ökologischen und sozialen Ansprüchen gerecht wird. Dies wird durch eine Reihe von Auszeichnungen, die dem Unternehmen in den letzten Jahren vor allem im Bereich Solarenergie verliehen wurden, eindrücklich bestä-tigt.394 Daneben ist es Schweizer ein wichtiges Anliegen, qualitativ hoch stehende Leistungen auf den Märkten anzubieten, um den „traditionellen Qualitätspro-blemen“395 in der Baubranche aktiv zu entgegnen. Deshalb entwickelte Schweizer 1987 so genannte Schweizer Erfolgs-Punkte (SEP), mit welchen eine qualitäts-begründete Differenzierung auf den Zielmärkten erreicht werden sollte.396 Im Zuge dieser Diskussionen wurde schliesslich auch die Minimierung der Umweltbelastung als Qualitätsmerkmal erkannt und in die SEP-Definitionen einbezogen. Die Bearbei-tung von konventionellen und Nischenmärkten mit umweltfreundlichen Produkten ist seither zu einem zentralen strategischen Element der Unternehmensentwicklung geworden. Schweizer weist somit nicht nur eine ausgeprägte intrinsische Motiva-tion für umweltverträgliches Verhalten auf, sondern schafft und nutzt auch gezielt wettbewerbsstrategische Potenziale. Das Unternehmen ist deshalb dem Motivationstypus „engagiert“ zuzuordnen (vgl. Abb. 38).

Abb. 38: Einordnung der Ernst Schweizer AG als „engagiertes“ Unternehmen

394

Unter zahlreichen anderen erhielt H.R. Schweizer 1995 den „Schweizer Solarpreis für engagierte Persön-lichkeiten“ sowie 2003 den Firmenpreis der „Stiftung für besondere Leistungen im Umweltschutz“.

395 Interview GL.

396 SEPs sind strategische Differenzierungsmerkmale, auf deren Grundlage die Ernst Schweizer AG alle Pro-dukte und Dienstleistungen entwickelt und anbietet. Sie werden in Abschnitt 9.4.3 näher vorgestellt.

Wettbewerbsstrategische Bedeutung des UMS

„opportunistisch“„oberflächlich“

„engagiert“

„idealistisch“

Intr

insi

sche

Mot

ivat

ion

zum

Auf

bau

des

UM

S

hoch

gerin

g

gering hoch

SchweizerSchweizer

Wettbewerbsstrategische Bedeutung des UMS

„opportunistisch“„oberflächlich“

„engagiert“

„idealistisch“

Intr

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Wettbewerbsstrategische Bedeutung des UMS

„opportunistisch“„oberflächlich“

„engagiert“

„idealistisch“

„opportunistisch“„oberflächlich“

„engagiert“

„idealistisch“

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SchweizerSchweizer

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Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau 171

Art und Aufbau des UMS Der Aufbau des UMS erfolgte ursprünglich unabhängig von einer späteren Zertifizie-rung. Ziel war es, die bestehenden Umweltschutzmassnahmen im Betriebs- und Produktbereich zu systematisieren. Das UMS sollte Teil der nachhaltigen Unterneh-mensentwicklung sein und die ökologische Produktgestaltung und -herstellung vor-antreiben. Erst nach langen Diskussionen entschloss sich die Geschäftsleitung zur Zertifizierung, insbesondere deshalb, weil sie sich durch die regelmässige externe Überprüfung Impulse für die Weiterentwicklung erhoffte. Als Schweizer 1995 ver-schiedenen Zertifizierungsorganisationen die Idee unterbreitete, die Dokumentation des neuen Qualitäts- und Umweltmanagementsystems prozessorientiert aufzu-bauen, weigerten sich mehrere Gesellschaften, ein Zertifizierungsaudit auf dieser Basis durchzuführen und verlangten stattdessen ein kapitelorientiertes Konzept. Dem wollte Schweizer nicht entgegenkommen und setzte die Prozessorientierung ein Jahr später dennoch um. Entstanden ist damals ein integriertes QMUM-System, welches zusätzlich das Sicherheitsmanagement umfasste.397

Von Anfang an sollte die Systemführung möglichst schlank gestaltet werden. Heu-te ist im Werk Hedingen ein Mitarbeiter mit einem Anstellungsgrad von 50% für die Führung des integrierten Qualitäts-, Umwelt- und Arbeitssicherheitsmanagements zuständig. Er wurde in den Jahren nach der Erstzertifizierung durch ein ehemaliges Mitglied der Geschäftsleitung, das am Aufbau des UMS massgeblich beteiligt war und später als externer Berater die Firma betreute, unterstützt. Als Delegierter der Geschäftsleitung zeichnet heute der Leiter Finanzen verantwortlich. Mit Ausnahme der Führung und Überwachung des UMS sind alle wichtigen Aufgaben wie die Um-setzungsverantwortung auf die Linie verteilt: „Die Stabstelle muss einfach schauen, dass die Infrastruktur steht und dass das Minimum dessen vorhanden ist, was wir betreiben müssen. Alles andere ist Aufgabe der Linie. (…) Es geht ja nur darum, dass die Aufgaben aus dem IMS in den Köpfen sowie in den persönlichen Jahres-zielen verankert ist“. Dieser integrative Ansatz ist in der Realität weit fortgeschritten und auf allen Stufen deutlich erkennbar.

Umweltpolitik Erste Ansätze einer ökologisch bewussten Unternehmensführung finden sich in der Unternehmenspolitik von 1978. Der damalige Fokus auf die Energieeffizienz hing mit dem gleichzeitigen Aufbau der Sparte Solarenergie zusammen: Die Geschäfts-leitung wollte es vermeiden, umwelttechnologische Innovationen zu vermarkten, während in den eigenen Werkhallen „Energie verschwendet“398 wurde. Dieser Hal-tung folgten schon bald für die damalige Zeit innovative Taten: So wurden z.B. Mit-arbeiteraktionen durchgeführt (z.B. zur Förderung der Fahrradbenützung auf dem Arbeitsweg) und umfassende Energiesparprojekte eingeleitet.

397

Diese Systemkonzeption wird im Folgenden als integriertes Managementsystem (IMS) bezeichnet. 398

Interview GL.

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172 Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau

Abb. 39 gibt einen Überblick über die Entwicklung der ökologischen Aktivitätenpa-lette aus vier Jahrzehnten, die immer auch produktorientierte Massnahmen ein-schloss. Hier lässt sich erkennen, wie sich das Umweltengagement in den 1980er und 1990er Jahren zunehmend zu einer strategischen Komponente entwickelte, die bald auch die Produktentwicklung anderer Sparten als der Solarenergie erfasste. Eine umfassende Erweiterung erfuhr das Unternehmensleitbild, als es im Jahr 2000 neu definiert wurde und seither auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung ausgerichtet ist. Die Neudefinition stärkte die Bedeutung der Nachhaltigkeitsgrund-sätze, und die Ernst Schweizer AG setzte sich fortan zum Ziel, „mit innovativen Leistungen in den Bereichen Fassaden, Fenster, Metallbau und Sonnenenergie ei-nen nachhaltigen Nutzen für Kunden, Mitarbeitende sowie für die Gesellschaft und die Umwelt zu bewirken und damit den wirtschaftlichen Erfolg zu sichern“.399

Abb. 39: Entwicklung der ökologischen Unternehmensführung über vier Jahrzehnte400

Umweltaspekte Schweizer analysiert systematisch die unterschiedlichen Umweltbelastungsarten, die mit dem breiten Produktesortiment und den entsprechenden Prozessen ver-bunden sind. Bei den direkten Umweltaspekten stammen die grössten Belastungen aus dem Geschäftsverkehr bzw. aus der Lieferung der Produkte und der Anreise der Monteure an die Montageplätze. In den Werkhallen erweist sich der Energie-verbrauch als wichtigster Belastungsfaktor. Sowohl für die Heizung als auch zur Be-reitstellung der Prozessenergie wird im wesentlichen Propangas verwendet, das regelmässig mit Lkws angeliefert wird. Die Umweltbelastungen durch die Lackier- 399

Vgl. Leitbild Ernst Schweizer AG. 400

In Anlehnung an Ernst Schweizer AG.

1970er Jahre 1980er Jahre 1990er Jahre

Produkte● Isoliertes Alu-Profil-

Fassaden /Fenster / Türen

● Start ProduktionSonnenkollektoren

Produkte● Wärmepumpen● Glasfaltwände

Produkte● Transparente Isolation

Produkte

● Holz/Metall-Fenstersystem für Minergiebauten

● Hochisolierte Glasfaltwand

Ab Jahr 2000

Betriebliche UMS-Aktiviten

Produkte

System fürProdukte

Produkte

● Montagesystem für Fotovoltaik-Anlagen

● Neues isoliertes Alu-Profilsystem

● Veloaktion● Firmenleitbild, Kapitel

Energie, Umwelt● Energiekonzept

Betrieb

● Leitbild und Strategie,Ökologie als Schwerpunkt

● Abfallsortierung● Energetische

Sanierungen● Abgabe Halbtax-Abo● ÖBU

● Ökologie als SEP● Umweltbeauftragter● Betriebsökobilanz● Neubau Lackieranlage● Umweltseminare● Ökomarketingseminare● Energetische

Sanierungen● UMS nach ISO 14001

● Sonnenenergie:Gewinnung eines Kunden imAusland

● Wegentschädigung ÖV● Eco-Fahrkurse● Neue Transformatoren● Solarstromanlage● WRG-

Kompressoren

Betriebliche UMS-Aktiviten

Betriebliche UMS-Aktiviten

Betriebliche UMS-Aktiviten

1970er Jahre 1980er Jahre 1990er Jahre

Produkte● Isoliertes Alu-Profil-

Fassaden /Fenster / Türen

● Start ProduktionSonnenkollektoren

Produkte● Wärmepumpen● Glasfaltwände

Produkte● Transparente Isolation

Produkte

● Holz/Metall-Fenstersystem für Minergiebauten

● Hochisolierte Glasfaltwand

Ab Jahr 2000

Betriebliche UMS-Aktiviten

Produkte

System fürProdukte

Produkte

● Montagesystem für Fotovoltaik-Anlagen

● Neues isoliertes Alu-Profilsystem

● Veloaktion● Firmenleitbild, Kapitel

Energie, Umwelt● Energiekonzept

Betrieb

● Leitbild und Strategie,Ökologie als Schwerpunkt

● Abfallsortierung● Energetische

Sanierungen● Abgabe Halbtax-Abo● ÖBU

● Ökologie als SEP● Umweltbeauftragter● Betriebsökobilanz● Neubau Lackieranlage● Umweltseminare● Ökomarketingseminare● Energetische

Sanierungen● UMS nach ISO 14001

● Sonnenenergie:Gewinnung eines Kunden imAusland

● Wegentschädigung ÖV● Eco-Fahrkurse● Neue Transformatoren● Solarstromanlage● WRG-

Kompressoren

Betriebliche UMS-Aktiviten

Betriebliche UMS-Aktiviten

Betriebliche UMS-Aktiviten

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Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau 173

anlage sind im Verhältnis zum Energieverbrauch sehr gering, seit Schweizer im Jahr 1992 die Anlage, primär aus Umweltschutzgründen, ersetzt hat. Schweizer erhebt überdies Zahlen zu den Umweltbelastungen, die die Angestellten auf ihrem Arbeitsweg verursachen und dabei rund ein Viertel zu den direkten Umwelt-belastungen beitragen. Rund 90% der Gesamtbelastung ist jedoch auf die indirek-ten Umweltaspekte zurückzuführen: Die Herstellung der benötigten Aluminium-bleche und -profile auf vorgelagerten Wertschöpfungsstufen, die ökologische Vorbe-lastung durch die Stahl- und Glasherstellung sowie die von Subunternehmern ein-gekauften Materialien und Dienstleistungen.

Ein Teil des Produktesortiments von Schweizer sind aktive Produkte, die in der Nut-zungsphase umweltrelevant sind. Die Fenster und Fassadenverkleidungen benö-tigen zwar nicht selber Energie, sind aber ein entscheidender Faktor in der Ge-bäudeisolation und damit in der Wärmedämmung. Angesichts der Langlebigkeit der Produkte können sich bereits geringe Unterschiede in den Dämmwerten erheblich auf die absoluten Umweltbelastungen über die Produktlebensdauer hinweg auswir-ken.401 Daher ist die Berücksichtigung der Produkteigenschaften notwendig, um ein Gesamtbild der Umweltaspekte zu erhalten. Ähnliches gilt für die Solarenergie-anlagen.

9.2 Gestaltung des KVP

Der KVP ist in der nachhaltigkeitsorientierten Unternehmenskultur von Schweizer fest verankert. Die ökologische Dimension der Unternehmensentwicklung ist dabei nur eines der Handlungsfelder. Treiber und Träger sind auf allen Unternehmens-ebenen zu finden. Zur Unterstützung und Aufrechterhaltung des Verbesserungspro-zesses sind verschiedene Managementinstrumente und Führungszyklen implemen-tiert. Ein gering formalisierter Bottom-up-Prozess unterstützt den KVP und dient als Sensibilisierungsinstrument für die Mitarbeiter. Die nachfolgenden Ausführungen beschreiben die Elemente Zielsetzungsprozess, Mitarbeitereinbezug, Controlling und Auditierung als zentrale Regelkreiselemente des KVP.

Ökologische Zielsetzungen Die Festlegung der ökologischen Ziele erfolgt jeweils im Rahmen der Jahrespla-nungstagung (Zeitraum Budgetphase September – November), in welcher auch die übrigen Unternehmensziele von der Geschäftsleitung definiert werden. Grundlage dazu sind vom Verwaltungsrat vorgegebene ökologische Grobziele, wie z.B. die Reduktion der Umweltbelastung um X% im folgenden Zeitraum. Die Umweltpolitik öffnet dazu einen breiten Rahmen für betriebs- und produktökologische Ansatz-punkte. Aufgabe der Stabsstelle im Zielsetzungsprozess ist es, auf Basis dieser

401

Eine wichtige Grösse im Fassadenbau ist z.B. der Wärmedurchgangskoeffizient, auch U-Wert genannt. Der U-Wert ist ein Mass für den Wärmestrom, der bei einer Temperaturdifferenz von 1 Kelvin durch ein 1 m2 grosses Bauteil fliesst. Einheit: W/m2K. Der U-Wert löste vor kurzem den identischen k-Wert ab.

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174 Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau

Rahmenbedingungen mögliche Vorgehensweisen und Ansatzpunkte zur Erreichung der Grobziele zu entwickeln. Auf Bereichsebene werden diese Vorschläge weiter konkretisiert und in die Budgetplanung aufgenommen, bevor die Geschäftsleitung die definitive Vorgehensweise diskutiert und verabschiedet. Dabei werden „grössere Investitionen ganz normal, also unter ökologischen und ökonomischen Aspekten“ geprüft und bewertet,402 was sich z.B. darin zeigt, dass Kosteneinsparungen aus ökologischen Massnahmen wie andere Erfolgsposten in die Budgetierung einfliessen.

Tab. 18: Übersicht über die Umweltziele für das Jahr 2001403

Inhaltlich umfassen die Zielsetzungen systematisch die Bereiche Betrieb, Produkte und Management. In der Betriebsökologie stehen Ziele und Massnahmen zur Energieeinsparung im Vordergrund, wobei die Systemgrenzen nicht nur die Werk-hallen, sondern auch die Spedition und Geschäftsfahrten umfassen. In der Produkt-ökologie versucht Schweizer, auf die Materialintensität einzuwirken sowie die Aus-schussproduktion und die Verwendung von ökologisch belastenden Roh- und Hilfs-stoffen zu minimieren. Zum Zielbereich Management wird neben dem Betrieb des integrierten Managementsystems auch auf die Minimierung von Umweltrisiken wert gelegt. Darüber hinaus ist die Mitarbeit in Verbänden und Interessengruppen in ers- 402

Interview GL.

Mitarbeit in Verbänden

Umweltrisiken

Managementsystem

Produkte• Reduktion Aluminiumverbrauch

um 15 t• Erhöhung Rezyklatanteil bei

Aluminium• Werkstoffwahl bei neuen

Produkten

Verkehr• Reduktion Treibstoff um 5%

Strom und Wärme• Reduktion Stromverbr. um 5%• Reduktion Öl-, Gasverbr. um 5%

Ziele

• Durch aktive Mitarbeit ist es möglich, Trends frühzeitig zu erkennen, gemeinsam Lösungen zu suchen und zu realisieren

• Optimierung der Kennzahlen, um diese als Führungsinstrument nutzbringend einzusetzen

• Förderung des Verhaltens gemäss den Schweizer-Erfolgs-Punkten durch gezielte Aktionen

• Audits und Schulungen einsetzen zur Verbesserung der Umweltleistung, der Prozesse und des Verhaltens

• Konsequentes Umsetzen des Managementsystems (Qualität, Umwelt und Arbeitssicherheit)

• Materialsparende Konstruktionen bei Produktverbesserungen und Neukonstruktionen

• Einsatz von ökol. optimierten Materialien bei Neuentwicklungen• Reduktion von Ausschuss und Abfällen (Materialeinsparungen)• Weitere Mitarbeit bei der Verbandslösung für einen

geschlossenen Recyclingkreislauf• Einsatz von Ökobilanzen zur Beurteilung von Materialvarianten

nach ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten

• Umsetzung Speditionskonzept• Konsequente Planung der Geschäftsfahrten• Einsatz des Programms „Erfassung und Auswertung des

individuellen Benzinverbrauches/km“ als Führungsinstrument• Vermehrte Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel

• Anwendung des Energiemanagementsystems• Laufende Prozessoptimierung• Inbetriebnahme neues Blockheizkraftwerk

Massnahmen

Bet

rieb

Prod

ukte

M

anag

emen

t

Mitarbeit in Verbänden

Umweltrisiken

Managementsystem

Produkte• Reduktion Aluminiumverbrauch

um 15 t• Erhöhung Rezyklatanteil bei

Aluminium• Werkstoffwahl bei neuen

Produkten

Verkehr• Reduktion Treibstoff um 5%

Strom und Wärme• Reduktion Stromverbr. um 5%• Reduktion Öl-, Gasverbr. um 5%

Ziele

• Durch aktive Mitarbeit ist es möglich, Trends frühzeitig zu erkennen, gemeinsam Lösungen zu suchen und zu realisieren

• Optimierung der Kennzahlen, um diese als Führungsinstrument nutzbringend einzusetzen

• Förderung des Verhaltens gemäss den Schweizer-Erfolgs-Punkten durch gezielte Aktionen

• Audits und Schulungen einsetzen zur Verbesserung der Umweltleistung, der Prozesse und des Verhaltens

• Konsequentes Umsetzen des Managementsystems (Qualität, Umwelt und Arbeitssicherheit)

• Materialsparende Konstruktionen bei Produktverbesserungen und Neukonstruktionen

• Einsatz von ökol. optimierten Materialien bei Neuentwicklungen• Reduktion von Ausschuss und Abfällen (Materialeinsparungen)• Weitere Mitarbeit bei der Verbandslösung für einen

geschlossenen Recyclingkreislauf• Einsatz von Ökobilanzen zur Beurteilung von Materialvarianten

nach ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten

• Umsetzung Speditionskonzept• Konsequente Planung der Geschäftsfahrten• Einsatz des Programms „Erfassung und Auswertung des

individuellen Benzinverbrauches/km“ als Führungsinstrument• Vermehrte Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel

• Anwendung des Energiemanagementsystems• Laufende Prozessoptimierung• Inbetriebnahme neues Blockheizkraftwerk

Massnahmen

Bet

rieb

Prod

ukte

M

anag

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t

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Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau 175

ter Linie aus strategischen Gründen ein Handlungsfeld für umweltrelevante Ziele, geht es hier doch darum, Entwicklungen in den Beschaffungs- und Absatzmärkten nicht nur frühzeitig zu erkennen, sondern auch zu beeinflussen. Die so definierten Zielsetzungen sind in Tab. 18 beispielhaft für das Jahr 2001 zusammengestellt.

Mitarbeitereinbezug Ein formales betriebliches Vorschlagswesen (BVW) ist bei Schweizer nicht imple-mentiert. Die Geschäftsleitung ist der Ansicht, dass der Betrieb eines BVW eine oftmals zu grosse Herausforderung für ein Unternehmen darstellt, wenn es dauer-haft erfolgreich genutzt werden soll: „Das ist keine banale Angelegenheit, und wenn man das nicht wirklich gut macht, soll man es besser lassen.“404 Diese Erfahrung machte Schweizer gerade auch bei der Einführung des UMS. Damals „gab es innert kurzer Zeit eine Flut von Vorschlägen, und es war sehr schwierig für uns, diese innert nützlicher Frist angemessen zu beurteilen und umzusetzen“.405 Stattdessen werden die Mitarbeiter heute durch spezielle, themenzentrierte Aktionen zur Ein-reichung von Vorschlägen und Ideen motiviert. So organisiert die Stabstelle z.B. verschiedentlich Veranstaltungswochen zum Thema „Energie sparen“ und lädt die Mitarbeiter zu Workshops und Ideenaktionen ein. Sie sollen motiviert werden, die Thematik in ihren Arbeitsgruppen zu diskutieren, um so den Bottom-up-Prozess „immer wieder von neuem zu beleben“. Alle sechs Monate werden im Rahmen der allgemeinen Einführungsschulungen für neu eingetretene Angestellte halbtägige UMS-Seminare durchgeführt, „um den frischen und unverbauten Blick neuer Mitar-beiter zu nutzen.“406 Durch dieses Vorgehen versucht Schweizer, dem KVP regel-mässig neue Impulse zu verschaffen und gleichzeitig die Bandbreite der eingereich-ten Vorschläge thematisch auf die definierten Umweltziele auszurichten.

Controlling und Audits 1993 erstellten der damalige Produktionsleiter und sein Assistent im Rahmen einer Weiterbildungsarbeit die erste Ökobilanz für Schweizer. Dies war zugleich eine der ersten Anwendungen der Ökobilanzierung mittels Umweltbelastungspunkten in der Schweiz. Sie wurde in Zusammenarbeit mit dem Betriebswissenschaftlichen Insti-tuts der ETH Zürich (BWI) durchgeführt. Die damals definierten Kennzahlen und Bezugsgrössen sind über Jahre hinweg unverändert verwendet worden und bildeten in dieser Zeit die Grundlage für das Umweltleistungscontrolling.407

403

In Anlehnung an Ernst Schweizer AG. 404

Vgl. Interview GL. 405

Vgl. Interview GL. 406

Vgl. Interview GL. 407

Nach Fertigstellung dieser Fallstudie wurde das UMS von Schweizer in zahlreichen Elementen überarbeitet und weiterentwickelt. Davon betroffen war auch das UMS-Controlling, das nun in eine alle zentralen Füh-rungsbereiche umfassende, ebenfalls neu entwickelte Balanced Scorecard integriert ist. Im vorliegenden Text dargestellt ist der Stand vor diesen Neuerungen, in relevanten Bereichen wird jedoch ergänzend auf sie hingewiesen.

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176 Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau

Abb. 40: Der KVP-Regelkreislauf der Ernst Schweizer AG408

Zusammen mit dem Controlling des Qualitäts- und Sicherheitsmanagements ist das UMS-Controlling in das monatliche Finanzcontrolling integriert. Auf diese Weise wird das kurzfristige Reagieren auf zielabweichende Entwicklungen ermöglicht. Zu-dem führt Schweizer vierteljährliche Audits des Managementsystems durch, um die Strukturen und Prozesse zu optimieren und „den Nutzen für das Unternehmen lau-fend zu erhöhen“409. Diese Audits werden zumeist mit eigenen Angestellten, regel-mässig aber auch mit externem Personal durchgeführt, worin der Beauftragte der Geschäftsleitung grosse Vorteile gegenüber Zertifizierungsaudits erkennt: „Auch wenn wir hier mit externen Leuten Audits durchführen, ist das wie bei internen Au-dits, bei denen man schonungslos auf die heiklen Punkte zusteuern kann. Bei ei-nem internen Audit ist es einfach zu sagen, geht dorthin oder dorthin. Das kann man wesentlich gezielter, und wenn der Auditor auch noch ein Externer ist, verbessert das zusätzlich die Wirkung.“

Die Management-Review als formales Erfordernis der ISO 14001 wird jährlich in Form eines internen Umweltberichtes zu Händen des Verwaltungsrats (VR) auf Stufe Geschäftsleitung erarbeitet. Der Bericht wird in die Geschäfts- bzw. Finanz-berichterstattung integriert, in die auch die Qualitäts- und Sicherheitsberichte ein-fliessen. Die Inhalte zu allen drei Themenbereichen werden von den verantwort-lichen Bereichsleitern erarbeitet und den Zielvorgaben gegenüber gestellt. Für den VR ist der Bericht ein wichtiges Instrument zur Überprüfung der Wirksamkeit des UMS. Zudem bildet er die Grundlage für die weiteren Zielsetzungen.

408

Quelle: Referat „Ökologische Unternehmensführung“, Ernst Schweizer AG. 409

Homepage Schweizer, www.schweizer-metallbau.ch, 22.01.2004.

Übergeordnete Planungsvorgaben

(1) Überprüfen von Tages-, Wochen-, Monatszielen, Projektzielen etc. sowie entsprechenden Massnahmen (Kostenstellen- /Stunden- /Bereichscontrolling, ERFA-Meetings, Audits, Management-Review, Jahresabschluss etc.)

PlanenFestlegen von Zielen und

Massnahmen

Umsetzen

Überprüfender Zielerreichung und

Massnahmenumsetzung(1)

Verbessern

Übergeordnete PlanungsvorgabenÜbergeordnete Planungsvorgaben

(1) Überprüfen von Tages-, Wochen-, Monatszielen, Projektzielen etc. sowie entsprechenden Massnahmen (Kostenstellen- /Stunden- /Bereichscontrolling, ERFA-Meetings, Audits, Management-Review, Jahresabschluss etc.)

PlanenFestlegen von Zielen und

Massnahmen

Umsetzen

Überprüfender Zielerreichung und

Massnahmenumsetzung(1)

Verbessern

PlanenFestlegen von Zielen und

Massnahmen

Umsetzen

Überprüfender Zielerreichung und

Massnahmenumsetzung(1)

Verbessern

Übergeordnete Planungsvorgaben

(1) Überprüfen von Tages-, Wochen-, Monatszielen, Projektzielen etc. sowie entsprechenden Massnahmen (Kostenstellen- /Stunden- /Bereichscontrolling, ERFA-Meetings, Audits, Management-Review, Jahresabschluss etc.)

PlanenFestlegen von Zielen und

Massnahmen

Umsetzen

Überprüfender Zielerreichung und

Massnahmenumsetzung(1)

Verbessern

Übergeordnete PlanungsvorgabenÜbergeordnete Planungsvorgaben

(1) Überprüfen von Tages-, Wochen-, Monatszielen, Projektzielen etc. sowie entsprechenden Massnahmen (Kostenstellen- /Stunden- /Bereichscontrolling, ERFA-Meetings, Audits, Management-Review, Jahresabschluss etc.)

PlanenFestlegen von Zielen und

Massnahmen

Umsetzen

Überprüfender Zielerreichung und

Massnahmenumsetzung(1)

Verbessern

PlanenFestlegen von Zielen und

Massnahmen

Umsetzen

Überprüfender Zielerreichung und

Massnahmenumsetzung(1)

Verbessern

Übergeordnete PlanungsvorgabenÜbergeordnete Planungsvorgaben

(1) Überprüfen von Tages-, Wochen-, Monatszielen, Projektzielen etc. sowie entsprechenden Massnahmen (Kostenstellen- /Stunden- /Bereichscontrolling, ERFA-Meetings, Audits, Management-Review, Jahresabschluss etc.)

PlanenFestlegen von Zielen und

Massnahmen

Umsetzen

Überprüfender Zielerreichung und

Massnahmenumsetzung(1)

Verbessern

PlanenFestlegen von Zielen und

Massnahmen

Umsetzen

Überprüfender Zielerreichung und

Massnahmenumsetzung(1)

Verbessern

Übergeordnete PlanungsvorgabenÜbergeordnete Planungsvorgaben

(1) Überprüfen von Tages-, Wochen-, Monatszielen, Projektzielen etc. sowie entsprechenden Massnahmen (Kostenstellen- /Stunden- /Bereichscontrolling, ERFA-Meetings, Audits, Management-Review, Jahresabschluss etc.)

PlanenFestlegen von Zielen und

Massnahmen

Umsetzen

Überprüfender Zielerreichung und

Massnahmenumsetzung(1)

Verbessern

PlanenFestlegen von Zielen und

Massnahmen

Umsetzen

Überprüfender Zielerreichung und

Massnahmenumsetzung(1)

Verbessern

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Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau 177

Die Ausführungen zeigen, dass die Strukturen und Prozesse im Zusammenhang mit dem UMS gezielt auf die Aufrechterhaltung des KVP ausgerichtet sind. Sie sind in Abb. 40 als Elemente des PDCA-Zyklus dargestellt. Im folgenden Abschnitt gilt es nun, die Wirksamkeit dieses Systems zu analysieren, indem die Ergebnisse des KVP zusammengetragen werden und diskutiert werden.

9.3 Ergebnisse des KVP

9.3.1 Diffusion des UMS in die Breite Der Gültigkeitsbereich des kombinierten UMS/QMS-Zertifikats aus der Erstzertifizie-rung umfasste sowohl den Standort Hedingen als auch sämtliche Verkaufsbüros in der Schweiz. 1998 kaufte Schweizer verschiedene Aktiven aus einem Konkursver-fahren und gründete daraufhin die Tochterfirma HM-Systeme AG in Muttenz, mit welcher die bisherige Produktion von Holz/Metall-Rahmen ausgeweitet werden konnte. Das Unternehmen wurde später in Meko-Systeme AG umbenannt. Es ent-sprach der Philosophie von Schweizer, die ökologischen Ziele und Vorgehens-weisen auch auf Meko zu übertragen. Allerdings waren die notwendigen Umstruktu-rierungen und Wiederaufbauarbeiten sehr aufwändig, sodass vorderhand auf den Aufbau eines zertifizierungsfähigen Managementsystems verzichtet wurde. Heute hat der Geschäftsbereich Holz/Metall mit den Marken Schweizer, Meko und Home-na in der Schweiz grossen Erfolg, was insbesondere auf die automatisierte Ferti-gung und die innovativen Produkte zurückzuführen ist. Diese Situation verbessert auch die Voraussetzungen, um über die dringend notwendigen Sanierungsarbeiten hinaus moderne Unternehmensstrukturen aufzubauen. Derzeit werden nach und nach Elemente der Führungssysteme von Hedingen auf Meko ausgeweitet bzw. dort analog aufgebaut und verbunden, doch mit der Zertifizierung von UMS und QMS will man noch warten, bis die dortigen Prozesse praxisgerecht dokumentiert und strukturiert sind.

1999 übernahm Schweizer von der Firma Karl Steiner AG den Bereich Fassaden-bau am Standort Zürich-Oerlikon. Die dortigen Führungsansätze, die Ziele und die Prozesse wiesen bereits eine Reihe von Parallelen zu Schweizer auf. Differenzen gab es hinsichtlich der Einstellung zu Umweltthemen, doch zeigte sich bald, dass sich diese auf wenige Mitarbeiter und auf den Betriebsleiter konzentrierten. Gleich-zeitig waren bei Karl Steiner aber auch mehrere Personen tätig, die zuvor bei Schweizer in Hedingen gearbeitet hatten und dessen Managementkonzepte aus der Praxis kannten. Nach einer ersten Phase des Widerstandes überzeugten deren Er-fahrungen den Grossteil der übrigen Mitarbeiter, die in der Folge den Aufbau der ISO-konformen Systeme in Oerlikon aktiv förderten und unterstützten. Der Gültig-keitsbereich der ISO-Zertifikate konnte somit nach einer kurzen Aufbauphase um den neuen Standort erweitert werden. Mittlerweile ist die Produktionsstätte in Oerli-kon aufgehoben und nach Hedingen verlegt worden.

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178 Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau

Insgesamt reflektiert sich in der Diffusion des UMS in die Breite das Bestreben des Managements, alle Organisationseinheiten in den ökologischen Entwicklungspro-zess einzubeziehen. Dies wird zielstrebig umgesetzt, auch wenn die Realität vor Ort den UMS-Aufbau zeitlich verzögern kann. Von besonderer Bedeutung erwiesen sich in den genannten Fällen wirtschaftliche und z.T. unternehmenskulturelle Rahmenbedingungen, die Schweizer vor dem Aufbau des UMS zunächst gezielt bereinigt, um damit die Grundlage für den ökologischen Entwicklungsprozess in neuen Organisationseinheiten zu schaffen. 9.3.2 Diffusion in die Tiefe Das UMS von Schweizer erschliesst praktisch alle für die Entlastung der Umwelt re-levanten Themenbereiche. Organisatorisch wurde das UMS im Zuge der Erstzertifi-zierung in der Produktion angesiedelt. Für den damaligen Produktionsleiter ist die-ses Vorgehen nach wie vor die beste Lösung, denn so könne man direkt in die Her-stellung und in die Produktionsentwicklung eingreifen, um die Umweltbelastung zu steuern. Das Ergebnis ist eine breite Palette betriebs- und produktökologischer An-satzpunkte, ergänzt mit Massnahmen und Aktionen, die systematisch auf das Mitar-beiterverhalten wirken.

Vor dem Aufbau des UMS waren die Produktökologie (mit der Entwicklung der solartechnologischen Lösungen) und die Reduktion des Energieverbrauchs im Be-trieb die vorherrschenden ökologischen Handlungsfelder. Bereits in den 1980er Jah-ren wurde offensichtlich, dass die damaligen Herstellungsprozesse alles andere als optimal waren. Der damals für die Einführung eines Energiesparprogramms zustän-dige Entwicklungsleiter bemerkt dazu rückblickend: „Wir hatten eine riesige Ver-schwendung, deshalb war es enorm, was wir am Anfang einsparen konnten“. Diese positiven Erfahrungen bewirkten, dass Schweizer damit begann, „das etwas syste-matischer anzugehen, wenn auch noch ohne Managementsystem“.410 Die Folge waren einerseits Massnahmen an der Gebäudehülle, andererseits bei der Produk-tion, z.B. bei der Investition in eine neue Lackieranlage. Die zahlreichen zu jener Zeit durchgeführten Analysen und Massnahmen hatten dazu geführt, dass bei der Erstzertifizierung des UMS bereits ein weitreichendes Know-how zur Verbesserung der Energieeffizienz im Unternehmen vorhanden war. Allerdings „haben wir damals einfach über Energie geredet, aber nicht nur aus Kostengründen, sondern es war uns ein Anliegen, Sonnenkollektoren nicht mit energetisch bedenklichen Prozessen herzustellen.“

Doch erst die Ökobilanz, die zwei Jahre vor der Erstzertifizierung vorlag, führte da-zu, dass der Energieverbrauch bewusst auch aus einer ökologischen Perspektive als relevant wahrgenommen wurde. Als Konsequenz dominierten in den ersten Jah-ren energiefokussierte Umweltentlastungen beinahe sämtliche Umweltschutz-aktivitäten, indem die Geschäftsführung von 1996 – 1998 jeweils eine fünfprozen-

410

Vgl. Interview GL.

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Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau 179

tige absolute Einsparung des Energieverbrauchs als Jahreszielsetzung vorgab. Auch in den darauf folgenden Jahren gehörte die Energieeinsparung immer wieder zu den Hauptzielen des UMS. Die Ziele wurden durch technische Optimierung der Produktionsanlagen, durch Verbesserung der Arbeitsabläufe und durch Erneue-rungsinvestitionen umgesetzt. Ein typisches Beispiel von 1999 zeigte sich darin, dass trotz einer Zunahme der lackierten Stahl- und Aluminiumfläche um 31% die dafür notwendige Prozesswärme nur um knapp 22% zugenommen hatte. Ein Er-gebnis, das Schweizer dank der Kombination technischer und organisatorischer Massnahmen erzielen konnte: Erstens durch den Einsatz neuer Gehänge, die ein dichteres Hängen der Profile für den Lackiervorgang erlaubten, zweitens durch kon-sequente Überwachung der Anlage und drittens durch eine verbesserte Planung des Personaleinsatzes und der Aufträge.411

Als weitere Ansatzpunkte der Betriebsökologie wurden ab 1999 die geschäftsbe-dingten Personen- und Warentransporte zum Gegenstand von Umweltschutzakti-vitäten. Betroffen waren sowohl die Fahrzeuge als auch die Routenplanung und das Fahrverhalten der Mitarbeiter. Da der Verkehr einen wesentlichen Teil der direkten Umweltbelastung von Schweizer ausmacht, konnten hier Verbesserungspotenziale geortet werden, die sowohl ökologisch als auch finanziell interessant waren. Spezifi-sche Massnahmen galten der Wegoptimierung für Warenlieferungen und für Kun-denbesuche, der Leerfahrtenreduktion und der umweltschonenden Fahrweise (Eco-Drive). 2003 wurde zudem die absolute Reduktion der gefahrenen Kilometer als ex-plizites Ziel formuliert.

Produktökologische Ansatzpunkte des UMS sind auf die Art der Produkte und deren Beschaffenheit ausgerichtet. Die Produktpalette von Schweizer ist auch aus-serhalb der Sparte Solartechnologie in wesentlichen Teilen Ausdruck des ökologi-schen Engagements des Unternehmens. In den Sparten Gebäudehülle, Licht und Wärme bietet Schweizer eigens entwickelte Lösungen an, die die Minergie-Stan-dards erfüllen oder übertreffen. Diese Produkte sind so konzipiert, dass sie in der Nutzungsphase möglichst wenig Energie selber benötigen oder den Energieverlust (z.B. durch Wärmedämmung) minimieren (siehe oben). Andere Geschäftsbereiche hingegen bieten kaum ökologisch relevantes Verbesserungspotenzial. Dies zeigte sich z.B. bei den Briefkästen, bei welchen eine Produktlebenszyklus-Analyse zum Schluss kam, dass die bisherigen Kunststoff/Metall-Konstruktionen reinen Metall-konstruktionen ökologisch überlegen sind. Bei den Brandschutztüren wären grund-sätzlich produktökologische Spielräume vorhanden, weshalb der Zertifizierungs-auditor im Auditbericht 2001 festhielt, dass hier noch Verbesserungspotenziale brachliegen würden. Abklärungen ergaben jedoch, dass die Umweltbelastungen in erster Linie von Werkstoffen ausgehen, die gesetzlich vorgegeben sind: Brand-schutzglas, Steinwollisolation, Gipsplatten, Stahlblech. Da es sich zwingend um Schweisskonstruktionen handelt, ist auch die Materialtrennung zum Rezyklieren relativ aufwändig.

411

Vgl. Management-Review 1999.

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180 Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau

Produktökologische Ansätze zur Umweltentlastung finden sich in den formalen Um-weltzielen seit 1999. Neben der Förderung von Mehrwegverpackungen liegen sie in erster Linie in der Konstruktion der Bauelemente, wo die grössten Verbesserungs-potenziale identifiziert werden: „Wenn man die Umweltbelastung anschaut, wird deutlich, welch entscheidende Rolle die Produkte einnehmen, z.B. durch die graue Energie. Wenn ich irgendwo 5% Gewicht einsparen kann, dann habe ich einen viel grösseren Effekt als wenn ich intern etwas Mühsames mache. Wir sprechen hier von Zehnerpotenzen (…).“412 So wurde konkret die Zielsetzung formuliert, den Alu-miniumverbrauch für die Profile absolut um 15 Tonnen zu reduzieren. Bei gleich bleibender oder steigender Produktionsmenge konnte dies nur erreicht werden, in-dem die Profile mit einer geringeren Materialintensität konstruiert wurden. Bei ein-zelnen Aluminiumprofilen gelang es den Entwicklungsingenieuren, den Querschnitt um 15% zu verringern, ohne dass dadurch qualitative Einbussen in Kauf genommen werden mussten.413 Ein ähnliches Vorgehen wurde 2002 auch für die Stahlprofile definiert, bei welchen sich die Spielräume allerdings als deutlich geringer erwiesen.

Die Kommunikationsstrategie der Unternehmensführung reflektiert die allgemeine und konsequent vertretene betriebliche Nachhaltigkeitspolitik von Schweizer. Ökolo-gische Informationen sind ein wichtiger Bestandteil der Kommunikation gegenüber allen relevanten Anspruchsgruppen und umfassen eine Reihe von Umweltleistungs-daten, die vom UMS bereitgestellt und veröffentlicht werden. Gegenüber Kunden und Märkten werden darüber hinaus ökologische Produktinformationen thematisiert. Indem das Umweltengagement durch die Geschäftsführung auf diese Wiese stets als eine der obersten Unternehmensmaximen vertreten wird, sind die Mitarbeiter für die Thematik und die damit verbundenen Herausforderungen sensibilisiert. Dies wird durch die gezielte und weitreichende Verankerung der ökologischen Verant-wortung in der Linie gefördert. In Einzelaktionen werden die Mitarbeiter zudem mit spezifischen Aspekten ökologischer Problembereiche konfrontiert. Als anschauli-ches Beispiel dafür wurden im Rahmen der oben erwähnten Energiesparwoche 2003 in einem separaten Raum mehrere PCs aufgebaut und mit Strommessgeräten ausgerüstet. Jeder Mitarbeiter konnte an diesen Geräten testen, wie sich der Stromverbrauch verändert, wenn z.B. ein Bildschirmschoner installiert ist, wenn das Gerät normal arbeitet, wenn es im Stand-by-Betrieb läuft oder wenn der Bildschirm ausgeschaltet ist. Der unmittelbare Erfolg solcher Aktionen wird jeweils in den Folgewochen anhand des Energieverbrauchs an den Arbeitsplätzen sofort gemessen und fliesst in die weitere Massnahmenplanung mit ein.

Zusammenfassend lässt sich somit ein Diffusionsprozess feststellen, der in allen vier in Kapitel 3.3 eingeführten Handlungsfeldern zu aktiv bearbeiteten ökologischen Ansatzpunkten des UMS geführt hat. Dominierten zum Zeitpunkt der Erstzertifi-zierung vor allem die Betriebsökologie und dort der Energieverbrauch den Umwelt-schutz, so hat sich die Massnahmenpalette von Jahr zu Jahr auf neue Bereiche, 412

Interview GL. 413

Vgl. Management-Review 2000.

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Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau 181

insbesondere auch auf die ökologisch sehr bedeutsamen Produkte und den Roh-stoffeinsatz ausgeweitet. Auch ist Umweltschutz nicht mehr ein Thema, das wenige Führungskräfte und Stabsmitarbeiter betrifft, sondern mittlerweile alle Arbeitsplätze und Hierarchieebenen im Unternehmen erfasst. 9.3.3 Höherentwicklung Der hohe Stellenwert des Umweltengagements hat seit der Erstzertifizierung des UMS zahlreiche ökologische Lernprozesse ausgelöst und die Erweiterung des öko-logischen Bezugsrahmens erheblich gefördert. Dies zeigte sich in der oben dar-gestellten Diffusion des UMS und reflektiert die Ausprägung der wesentlichen, im Folgenden analysierten soft factors414.

Ausdruck der visionären Denkweise der Unternehmensführung von Schweizer ist die Orientierung an ökonomischen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeits-grundsätzen, die sich auf der strategischen Ebene in den oben erwähnten Schwei-zer-Erfolgs-Punkten (SEP) konkretisieren. Seit sie 1999 überarbeitet und erweitert worden sind, stellen sie die vier Pfeiler des unternehmerischen Selbstverständnis-ses der Ernst Schweizer AG dar. Konkret sind dies die Kundenorientierung der Leis-tungen, ein Bekenntnis zur Verantwortung gegenüber Mitarbeiter und Gesellschaft, die Schonung der Umwelt und die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit durch effi-ziente und wirtschaftliche Handlungsweisen (vgl. Abb. 41).415 Die SEPs sind auch in der Realität des Unternehmens in bemerkenswertem Ausmass gleichgestellt und verkörpern damit eine eindrückliche Orientierung an den Prinzipien für eine nachhal-tige Wirtschaftsweise.

Abb. 41: Die vier Schweizer-Erfolgs-Punkte (SEP)416

414

Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt 3.4. 415

Vgl. Schweizer Nachhaltigkeitsbericht 2003, Broschüre „Schweizer-Erfolgs-Punkte“, 1998. 416

In Anlehnung an: Schweizer Nachhaltigkeitsbericht 2003, S. 4.

Kundenorientierte LeistungenZuverlässigkeit und Innovation prägen die Leistungen für unsere Kunden.

MitarbeiterInnen und GesellschaftWir arbeiten fair und verantwor-tungsvoll zusammen – im Unter-nehmen und mit unseren Partnern.

Umwelt

Wir tragen Sorge zur Umwelt –bei allen Produkten und im ganzen Unternehmen.

WirtschaftlichkeitEffizienz und Wirtschaftlichkeit sichern unsere Wettbewerbs-fähigkeit und Weiterentwicklung.

Kundenorientierte LeistungenZuverlässigkeit und Innovation prägen die Leistungen für unsere Kunden.

MitarbeiterInnen und GesellschaftWir arbeiten fair und verantwor-tungsvoll zusammen – im Unter-nehmen und mit unseren Partnern.

Umwelt

Wir tragen Sorge zur Umwelt –bei allen Produkten und im ganzen Unternehmen.

WirtschaftlichkeitEffizienz und Wirtschaftlichkeit sichern unsere Wettbewerbs-fähigkeit und Weiterentwicklung.

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182 Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau

Damit sind die SEPs mehr als jene primär wettbewerbsstrategisch bedeutsamen Differenzierungsmerkmale, als die sie 1987 entwickelt worden waren: Sie sind nach-haltigkeitsorientierte Leitgedanken, auf die die gesamte Unternehmensentwicklung ausgerichtet ist. Die Konsequenz, mit welcher Eigentümer und Geschäftsleitung die Visionen zu Handlungsgrundsätzen erheben, sowie Anreizsysteme, mit welchen insbesondere die Führungskräfte zur Erreichung (auch) der Umweltziele angespornt werden sollen, haben die Unternehmenskultur und mit ihr die Motivation zu einer ökologischem Verhaltensweise in der Vergangenheit stark beeinflusst und gefördert. Dennoch ist der Wille, Umweltleistungsverbesserungen zu erzielen, nicht bei der gesamten Belegschaft gleichermassen ausgeprägt. So hält der Zertifizierungsaudi-tor in einem Auditbericht im Jahr 2000 fest, dass „ein gewisses Defizit an Überein-stimmung zwischen angestrebter Firmenkultur und der Wahrnehmung durch die Mitarbeiter“ zu beobachten sei.417 Ein Grund dafür waren die anfänglichen Wider-stände im Zusammenhang mit dem UMS-Aufbau in Oerlikon (vgl. Abschnitt 9.4.1), für deren Mitarbeiter der hohe Stellenwert ökologischer Themen ein unternehmens-kulturelles Novum darstellte, was sich auf den Integrationsprozess der beiden Un-ternehmen insgesamt hemmend auswirkte.418

Ökologische Lernprozesse wurden bislang dadurch unterstützt, dass Innovations-fähigkeit eine Grundvoraussetzung für den Geschäftserfolg von Schweizer dar-stellt. Zwar bestehen in der Bauzulieferbranche verschiedenartige Sachzwänge (Gesetze, Normvorgaben, etc.), die für Produktentwicklungen oft wenig Raum las-sen, doch führen neue Materialien, Technologien und herausfordernde Kundenwün-sche immer wieder zu Möglichkeiten, neue und innovative Produkte auf den Markt zu bringen. Aus der Fähigkeit zur Umsetzung neuer Ideen und dem Willen der Mit-arbeiter, auch ökologische Überlegungen einzubringen, sind dabei in der Vergan-genheit regelmässig umweltschonende Lösungen entstanden. Dies belegt ein Bei-spiel aus dem Jahr 2004: Für die Tragkonstruktion in einem neuen Einkaufszentrum in Zürich errechnete die Entwicklungsabteilung zunächst, ausgehend von der Stan-dardlösung, einen Materialbedarf von 40 Tonnen Aluminium. Alternativ errechnete der zuständige Ingenieur eine Variante, die zwar dieselben statischen und funktio-nalen Eigenschaften aufwies, jedoch eine Hohlkonstruktion der Träger vorsah. Letztlich konnte der Auftrag mit einem Materialeinsatz von nur 12 Tonnen Alumini-um ausgeführt werden, was einer Materialeinsparung von 70% ohne Qualitäts- oder Sicherheitseinbussen entsprach. Die auf solche Weise gewonnenen Erfahrungen nutzt Schweizer gezielt für die Weiterentwicklung der Standardprodukte sowie für neuartige Anwendungen und multipliziert damit den ökologischen Nutzen solcher Lernprozesse.

417

Vgl. Bericht zum Überwachungsaudit 2000. 418

So nahmen z.B. Führungsverantwortlichen des Werks Oerlikon interne Umweltaudits anfänglich als eher „lästige Zusatzaufgabe“ wahr, während sie von den Bereichsleitern im Stammbetrieb als fruchtbare Möglich-keit zur Schulung und Entwicklung der Beteiligten genutzt wurden.

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Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau 183

Impulse für Lernprozesse sucht Schweizer auch in der gezielten Vernetzung und Interaktion mit Anspruchsgruppen, Drittunternehmen und anderen interessierten Kreisen. Der Eigentümer selbst agiert als sehr aktives Mitglied in unternehmens- und branchenübergreifenden Gremien, und der ehemalige Delegierte der Ge-schäftsleitung für Umweltfragen, der heute als externer Berater für Schweizer arbei-tet, engagiert sich im Vorstand von S.A.F.E., der Schweizerischen Agentur für Energieeffizienz. Zur Förderung des Austauschs mit den Anwohnern lädt Schweizer die lokale Bevölkerung zusammen mit den Kunden jährlich zu einem „Tag der offe-nen Tür“ ein. Das Management wird mittlerweile selbst als Expertengremium in Um-welt- und Energiefragen von externen Kreisen konsultiert, und die F&E arbeitet re-gelmässig mit Architekten, Planern und Forschern zusammen, um ökologisch vor-teilhafte Produkte zu entwickeln. Die so in verschiedener Hinsicht gelebte Interak-tionsfähigkeit, unter anderem mit der offenen, teilweise selbstkritischen Kommunika-tion von Umweltleistungsdaten, hilft Schweizer, sich gegenüber Anspruchsgruppen, Kunden und Märkten als transparenter und glaubwürdiger Partner zu profilieren.

Der ökologische Entwicklungsprozess weist damit deutliche Merkmale der von Pfriem beschriebenen zweiten Phase mit der strategischen Fundierung des Umwelt-engagements auf.419 Es ist jedoch festzuhalten, dass dieser Prozess bereits einige Jahre vor der Erstzertifizierung eingesetzt hatte und der Einfluss des zertifizierten UMS als Ursache für diesen hohen Entwicklungsstand als entsprechend gering ein-zustufen ist. Dennoch: Der Managementkreislauf des UMS führt zu einer regel-mässigen und systematischen Auseinandersetzung mit ökologischen Fragestellun-gen, was den KVP beschleunigt. Die vom Verwaltungsrat jeweils vorgegebenen Grobziele zur Umweltentlastung und deren Budget- und Bonusrelevanz lösen z.B. Lernprozesse in den Linienfunktionen aus, die notwendig sind, um die Zielvorgaben zu erfüllen. Das weitreichende ökologische Know-how entfaltet hier eine KVP-fördernde Eigendynamik, indem durch die Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten jeweils auch ein erneuter Wissenszuwachs generiert wird. Unterstützend wirkt zu-dem das vor kurzem neu eingeführte Controllingsystem auf der Basis der Balanced Scorecard, mit welcher ökologische Leistungsdaten auf gleicher Stufe wie öko-nomische Daten erfasst und integral ausgewertet werden können. 9.3.4 Veränderung der Umweltleistung Wie hat sich die Umweltleistung von Schweizer seit der Erstzertifizierung verändert? Die vom Unternehmen lückenlos erhobenen Daten ermöglichen eine Rückschau, die über die Wirksamkeit des UMS und der Umweltschutzmassnahmen umfassend Aufschluss gibt. Seit der ersten Ökobilanz 1993 haben sich weder die Erhebungs-methoden noch die erhobenen Datenkategorien grundlegend verändert, sodass die Vergleichbarkeit der Zahlen im Zeitablauf gewährleistet ist.420 Hingegen ist der Er- 419

Vgl. Abschnitt 3.4. 420

Das Kennzahlensystem von Schweizer wurde kurz nach dieser Erhebung im Jahr 2004 z.T. grundlegend überarbeitet. Dabei wurden unter anderem Inventarwerte auf Basis von ecoinvent v1.01 verwendet, einer In-ventardatenbank, die die Berechnung von UBP für ökologische Belastungen verschiedenartiger Herstel-

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184 Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau

hebungsraum in dieser Zeit erweitert worden. Da für eine Berechnung der relativen Belastung je Leistungseinheit die Aggregierung der sehr unterschiedlichen Produkt-arten (Sonnenkollektoren, Brandschutztüren, Fassadenelemente, Briefkästen, etc.) kaum sinnvoll ist, wählte das Unternehmen den Betriebsertrag in CHF als Bezugs-grösse zur Bestimmung der Öko-Effizienz (vgl. auch Kasten Seite 187). Schweizer erhebt alle Daten in Form von Umweltbelastungspunkten (UBP). Die nachfolgende Diskussion der Umweltleistung folgt der von Schweizer verwendeten Systematik und unterscheidet zwischen Kern- und Komplementärbilanz.

Abb. 42: Kern- und Komplementärbilanz der Ernst Schweizer AG

Umweltbelastung in der Kern- und Komplementärbilanz Abb. 42 stellt die verschiedenen Belastungsarten anteilmässig dar. Die Kernbilanz fasst die direkten, die Komplementärbilanz die indirekten Umweltbelastungen zu-sammen. Aus der Abbildung wird deutlich, dass die direkten Umweltbelastungen mit einem Anteil von 7,7% relativ zur Gesamtbelastung sehr gering sind. In ihr werden die Belastungsquellen Geschäftsverkehr, Arbeitsverkehr, Energieverbrauch und Lackierprozess unterschieden. Insgesamt ist der Geschäftsverkehr für die Hälfte der direkten Umweltbelastungen verantwortlich, gefolgt vom Arbeitsverkehr mit rund

lungs- und Arbeitsprozesse erlaubt. Diese Grunddaten weisen im Vergleich zu den bis dahin verwendeten Ökofaktoren ‘97 in relevanten Bereichen erhebliche Unterschiede auf. Die Berechnung der UBP hängt des-halb entscheidend von diesen Basiswerten ab. Die obigen Ausführungen stützen sich auf die vor der Umstel-lung gültigen Basiswerte und Kennzahlen. Vgl. www.ecoinvent.ch.

Kern- und Komplementärbilanz Ernst Schweizer AGProzentuale Umweltbelastungen in UBP

4.4% Glas2% Briefkästen

Kernbilanz 7.7%

23.5% Arbeitsverkehr

50.3% Geschäfts-fahrten

26.1% Energie*

<0.1% Lackier-prozess*

60.5% Alu-Profile

20.5% Alu-Bleche

12.5% Stahl

Komplementär-bilanz 92.3%

Kernbilanz Komplementärbilanz* ohne Energieverbrauch. Dieser ist in den Daten zum Gesamtenergieverbrauch enthalten und umfasst 9% der

Umweltbelastung in der Kernbilanz.

Kern- und Komplementärbilanz Ernst Schweizer AGProzentuale Umweltbelastungen in UBP

4.4% Glas2% Briefkästen

Kernbilanz 7.7%

23.5% Arbeitsverkehr

50.3% Geschäfts-fahrten

26.1% Energie*

<0.1% Lackier-prozess*

60.5% Alu-Profile

20.5% Alu-Bleche

12.5% Stahl

Komplementär-bilanz 92.3%

Kernbilanz Komplementärbilanz* ohne Energieverbrauch. Dieser ist in den Daten zum Gesamtenergieverbrauch enthalten und umfasst 9% der

Umweltbelastung in der Kernbilanz.

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Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau 185

26%. Auf den Energieverbrauch an den Standorten fallen weitere 23%, der Anteil der Umweltbelastung durch die Lackieranlage liegt unterhalb der Promillegrenze. In der Komplementärbilanz werden die verschiedenen Rohstoffarten unterschieden, wobei der Aluminium- und Stahlverbrauch für über 90% der Umweltbelastung ver-antwortlich sind. Diese Verhältnisse beziehen sich auf das Berichtsjahr 2002, sie haben sich seit 1996 jedoch nur unwesentlich verändert.421 Kernbilanz

Abb. 43: Kernbilanz der Ernst Schweizer AG 1996 – 2002

Abb. 43 zeigt die Entwicklung der absoluten und relativen Umweltbelastungen in der Kernbilanz im Vergleich zum Jahr der Erstzertifizierung. Zur Darstellung wurden die realen Werte in Prozentwerte umgerechnet und indexiert (1996 = 100%). Damit wird ersichtlich, dass sich die absolute ökologische Gesamtbelastung durch die von der Kernbilanz erfassten Belastungsarten in diesem Zeitraum um 4,4% erhöht hat. Un-ter Berücksichtigung der Integration des Fassadenbau-Bereichs der Karl Steiner AG ab 1999 in die Ökobilanzierung und der Zunahme des Betriebsertrags im Berichts-zeitraum um insgesamt 51% kann gleichzeitig eine deutliche Abnahme der relativen Umweltbelastung um 31% festgestellt werden. Die in der Abbildung ausgewiesenen Geschäftsfahrten umfassen sowohl Personen- als auch Warentransporte. Hier zeigt sich, dass die absolut zurückgelegten Kilometer gegenüber 1996 um 2,6% zugenommen haben, was bezogen auf den Betriebsertrag einer Abnahme der ge-fahrenen Kilometer um 32% entspricht. Nicht zuletzt als Folge der LSVA-Einführung Anfang 2001, aber auch als Folge veränderter Kundenbedürfnisse konnte bei den 421

Nach der neuen Berechnungsweise wäre das Verhältnis Kernbilanz zu Gesamtbilanz 14,9% zu 85,1%.

Kernbilanz Ernst Schweizer AGSäulen = Absolute Umweltbelastung; Linien = Relative Umweltbelastung

Veränderungen in % UBP, Zeitraum 1996–2002, 1996=100%

Lackieranlage

EnergieArbeitsverkehrGesamtbelastung

Geschäftsfahrten

0

20

40

60

80

100

120

140

160

180

200

1996 …. 2002 1996 …. 2002 1996 …. 2002 1996 …. 20021996 …. 2002

Kernbilanz Ernst Schweizer AGSäulen = Absolute Umweltbelastung; Linien = Relative Umweltbelastung

Veränderungen in % UBP, Zeitraum 1996–2002, 1996=100%

Lackieranlage

EnergieArbeitsverkehrGesamtbelastung

Geschäftsfahrten

0

20

40

60

80

100

120

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1996 …. 2002 1996 …. 2002 1996 …. 2002 1996 …. 20021996 …. 2002

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186 Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau

gefahrenen Lkw-Kilometern einen deutlicher Rückgang um 35% festgestellt werden, der zum grössten Teil in den Jahren 2001 und 2002 erreicht wurde. Hingegen ha-ben die Fahrten mit Lieferwagen (bis 3,5 t) seit 1996 um 31% zugenommen. Da der Lieferwagenverkehr gegenüber dem Lkw-Transport ökologische Nachteile mit sich bringt, kam es dadurch zu einer leicht höheren Umweltbelastung je Kilometer Transportleistung (plus 2,9% seit 1996).422

Die Bemühungen, die Mitarbeiter in einer ökologischen Fahrweise weiterzubilden, kommen weder in den Zahlen zum Geschäftsverkehr (Pkw, Lieferwagen, Lkw) noch im Arbeitspendelverkehr zum Ausdruck. Dies ist eine Folge davon, dass seit 1996 die gefahrenen Kilometer mit demselben Umrechnungssatz in UBPs umgerechnet werden, womit der tatsächliche Treibstoffverbrauch in den Kennzahlen nicht berück-sichtigt wird. Hingegen kann eine Reduktion des Arbeitnehmerverkehrs auf der Strasse bei gleichzeitiger Zunahme der Bahnkilometer ausgewiesen werden. Der Energieverbrauch in der Produktion und in der Gebäudeheizung wurde bereits vor der Erstzertifizierung durch zahlreiche Massnahmen optimiert, sodass hier seit 1996 nur noch geringe weitere Verbesserungen ausgewiesen werden konnten.423

Komplementärbilanz Die Komplementärbilanz weist im Mittel seit der Erstzertifizierung eine rund zehnmal höhere Umweltbelastung auf als die Kernbilanz (siehe oben). Schweizer berücksich-tigt hier jene Umweltbelastungen, die durch den Einsatz von Rohstoffen und Vorpro-dukten auf vorgelagerten Wertschöpfungsstufen anfallen: Die Herstellung von Alu-minium, Stahl, Glas und dem Halbfabrikat „Briefkastenkübel“ – Rohstoffe, welche die Umwelt in sehr unterschiedlichem Ausmass belasten. Als Konsequenz davon spielen die Anteile von Aluminium und Stahl, die zusammen für rund 94% der indi-rekten Umweltbelastung verantwortlich sind, eine entscheidende Rolle in der Ent-wicklung der absoluten Umweltbelastung in der Komplementärbilanz. Die Anteile dieser beiden Rohstoffe sind wiederum direkt von den Entwicklungen auf den Kun-denmärkten und dem nachgefragten Produktemix abhängig.

Abb. 44 zeigt, dass die absolute Gesamtbelastung aus der Komplementärbilanz zwischen 1996 und 2002 um 15,8% zugenommen hat, während sie relativ zum Be-triebsertrag um 23% gesunken ist. Vergleicht man die – in Abb. 44 nicht ersicht-lichen – Verbrauchsdaten von 1996 mit jenen von 2002 (in kg), so stellt man einen nur unwesentlich veränderten Gesamtverbrauch von Aluminium und Stahl fest (+3,5%). Die Umweltbelastung durch diese beiden Belastungsquellen ist im selben Zeitraum jedoch um 16,2% angestiegen, womit auch der grösste Teil der absoluten Gesamtzunahme der Umweltbelastung in der Komplementärbilanz erklärt werden 422

Für diesen Vergleich wurde berechnet, welche Umweltbelastung (in UBP) im Jahr 2002 angefallen wäre, wenn derselbe Lkw/Lw-Mix wie 1996 eingesetzt worden wäre. Der grösste Teil dieser Zunahme (2,7 Pro-zentpunkte) lässt sich auf den Zeitraum 2000–2002 zurückführen, dem Jahr vor und den beiden ersten Jah-ren nach Einführung der LSVA.

423 Der Energieverbrauch im seit 1999 erfassten Werk Oerlikon wurde nicht real gemessen, sondern durch Extrapolation der Werte aus Hedingen ermittelt. Mögliche Unterschiede im Energieverbrauch der beiden Standorte kommen in den Daten deshalb nicht zum Ausdruck. Der Standort Oerlikon ist mittlerweile aufge-hoben und in das Werk Hedingen integriert worden.

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Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau 187

kann. Der Grund für diesen Anstieg liegt darin, dass das Verhältnis Aluminium / Stahlverbrauch 1996 bei 1 kg Aluminium zu 1,06 kg Stahl lag, 2002 jedoch bei 1 kg Aluminium zu 0,74 kg Stahl. Jedes Kilogramm Aluminium-Profile fliesst mit 3308 UBP in die Ökobilanz ein, bei den Aluminium-Blechen sind es 3051 UBP und beim Stahl 759 UBP. Damit können sich bereits leichte Anteilsschwankungen zwischen Stahl- und Aluminiumprodukten in der Gesamtbelastung deutlich niederschlagen. Der Bedarf an Aluminiumprofilen für den Fenster- und Fassadenbau ist seit 1997 kontinuierlich angestiegen, während der Stahlverbrauch – trotz erheblicher Schwan-kungen in den einzelnen Jahren – tendenziell zurückgegangen ist.

Abb. 44: Komplementärbilanz der Ernst Schweizer AG 1996 – 2002 Zusammenfassend zeigen die Daten eine eindrückliche Reduktion der relativen Umweltbelastung je CHF Betriebsertrag. Gering bleibt andererseits der Einfluss des UMS auf die absolute Umweltbelastung: Trotz zahlreicher und erfolgreich imple-mentierter Umweltschutzmassnahmen weisen die Zahlen eine Zunahme der um-weltbelastenden Stoff- und Energieströme aus. Dies ist letztlich auf die wachsende Betriebsgrösse, die Produktionsmengen und die Nachfrageentwicklung zurückzu-führen, die ihre Wirkungen in der Komplementärbilanz entfalten. Schweizer kann die Entwicklung der Umweltleistung gerade dort kaum beeinflussen, wo die Hebel am längsten wären – beim Produktemix. In vielen Bereichen verweisen die Ökobilanzen seit 1996 dennoch auf substanzielle Verbesserungen, und die Tatsache, dass trotz der Ausweitung des Bilanzraums durch das Firmenwachstum die absolute Umwelt-belastung nur geringfügig zugenommen hat, ist ein Hinweis auf ein äusserst wirk-sames, weit entwickeltes und angemessenes Umweltmanagementsystem.

Gesamtbelastung Stahl Profile/Bleche

Glas

Aluminium (Bleche)

Aluminium (Profile)

Briefkästen

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Komplementärbilanz Ernst Schweizer AGSäulen = Absolute Umweltbelastung; Linie = Relative Umweltbelastung

Veränderungen in % UBP, Zeitraum 1996–2002, 1996=100%

Gesamtbelastung Stahl Profile/Bleche

Glas

Aluminium (Bleche)

Aluminium (Profile)

Briefkästen

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1996 …. 2002 1996 …. 2002 1996 …. 2002 1996 …. 20021996 …. 20021996 …. 2002

Komplementärbilanz Ernst Schweizer AG

Gesamtbelastung Stahl Profile/Bleche

Glas

Aluminium (Bleche)

Aluminium (Profile)

Briefkästen

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40

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1996 …. 2002 1996 …. 2002 1996 …. 2002 1996 …. 20021996 …. 20021996 …. 2002

Komplementärbilanz Ernst Schweizer AGSäulen = Absolute Umweltbelastung; Linie = Relative Umweltbelastung

Veränderungen in % UBP, Zeitraum 1996–2002, 1996=100%

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188 Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau

Exkurs: Kennzahlenprobleme und Lösungsansätze

Die relativen Umweltleistungs-Kennzahlen von Schweizer wiesen nach der Erst-zertifizierung des UMS regelmässig Verbesserungen aus. Dies änderte sich mit der Ökobilanz 2002. Hier zeigte sich – für die Beteiligten unerwartet – eine Zu-nahme der Umweltbelastung um rund 10% gegenüber 2001 oder rund 15% ge-genüber 1996. Das kontinuierliche Sinken der relativen Umweltbelastung je CHF Betriebsleistung wurde gestoppt, der Trend zeigt plötzlich wieder nach oben. Dies, obwohl wiederum zahlreiche Massnahmen zur Senkung der Umwelt-belastung realisiert werden konnten.

Es stellt sich nun die Frage, wie die Zunahme der Zahlen zu erklären ist. Dabei gilt es, zwischen den erhobenen und errechneten Daten einerseits und der Rea-lität andererseits zu unterscheiden. Die Daten wurden nach denselben Verfahren wie schon bei der ersten Ökobilanzierung 1993 erhoben und sind somit grund-sätzlich vergleichbar. Durch die Integration des Bereichs Fassadenbau der Karl Steiner AG und die Ausweitung des UMS auf die Meko-Systeme AG hat sich der Bilanzraum jedoch erheblich erweitert. Dazu kommt ein Produktsortiment, das sich nur schwer auf eine Einheitsgrösse reduzieren lässt, die eine sinnvolle Basis für die Berechnung einer relativen Umweltbelastung bieten würde. Absolute Da-ten sind daher sinnvoller, führen aber in Fällen wie diesen ebenfalls zu Pro-blemen. Für Zeitreihenanalysen müssten sie auf einer vergleichbaren Grundlage berechnet werden können, um gültige Aussagen zu ermöglichen. Das heisst, dass absolute Daten von 2002 nur dann mit jenen von 1996 verglichen werden könnten, wenn sie auch dasselbe messen, was angesichts der veränderten Un-ternehmensstruktur und des Produktesortiments kaum der Fall ist. Schweizer be-müht sich zwar erfolgreich, durch die Definition von absoluten Umweltzielen wie der Senkung des Aluminium- und Stahlverbrauchs die Umweltbelastung zu redu-zieren. Letztlich müssen jedoch auch diese Zielsetzungen aus einer relativen Perspektive betrachtet werden, da in der Realität kein Unternehmen einen Auf-trag ablehnen würde, um den absoluten Rohstoffverbrauch niedrig zu halten (was in einer Marktwirtschaft mit vielen Anbietern ohnehin nur dazu führen würde, dass der Kunde in einem solchen Fall einfach den Anbieter wechselt, womit die Um-weltbelastung dennoch anfallen würde). Die Reduktion des Rohstoffverbrauchs kann entsprechend nur durch eine geringere Materialintensität der Produkte er-zielt werden, wie dies Schweizer z.B. bei der Konstruktion von Aluminiumprofilen anstrebt.

Zur Überwindung dieser Probleme hat Schweizer die Kennzahl „UBP je CHF Be-triebsertrag“ definiert. Damit soll ausgedrückt werden, wie viel Umweltbelastung anfällt, um einen Ertrag von einem Franken zu erzielen. Nachdem dieser Wert für das Berichtsjahr 2002 trotz realisierter neuer Umweltschutzmassnahmen eine Verschlechterung der Umweltleistung andeutet, ist es angebracht, die Taug-lichkeit dieser Kennzahl näher zu prüfen. Der Betriebsertrag ist bei Schweizer mit

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Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau 189

dem Umsatz gleichzusetzen. Die eigene Wertschöpfung macht dabei nur einen Teil dieser Grösse aus. Der Rest entfällt auf die Kosten der Rohstoffe und der üb-rigen eingekauften Waren, die weiterverkauft werden. Bleiben diese Anteile kon-stant, so sind Zeitreihenvergleiche aussagekräftig. Ändern sie sich aber, so ist die Eignung dieser Bezugsgrösse u.U. neu zu beurteilen. Werden Rohstoffe und da-mit die Endprodukte teurer, so steigt der Umsatz, ohne zusätzliche Umwelt-belastungen zu verursachen. Die relativen Umweltkennzahlen, die sich auf diese höheren Umsatzzahlen beziehen, sinken dadurch, ohne auf tatsächlichen Ver-besserungen zu beruhen. Umgekehrt verhält es sich bei sinkenden Verkaufsprei-sen, wie dies auch bei Schweizer z.T. zu beobachten war. Daher könnte es z.B. sinnvoller sein, anstelle des Umsatzes die eigene, teuerungsbereinigte Wert-schöpfung als Bezugsgrösse zu wählen, wobei auch hier Veränderungen im Zeit-ablauf berücksichtigt werden sollten. Zudem wäre ein erweitertes Kennzahlen-system sinnvoll, das die Umweltbelastung nach den Belastungsquellen differen-ziert darstellt.

Allerdings stellt sich im vorliegenden Fall auch die Frage, ob eine generelle Neu-konzeption der Kennzahlen, die die eigenen ökologischen Leistungen besser er-fassen würde, nicht sinnvoll wäre. Zu denken ist hier vor allem an die Verwen-dung von funktionalen Einheiten (z.B. Umweltbelastung je m2 lackierter Fläche oder Umweltbelastung je erzeugter Einheit Warmwasser), die dann mit den marktüblichen Lösungen verglichen werden können. Eine andere Möglichkeit sind Benchmarkings mit vergleichbaren Unternehmen.

Fazit zu den Ergebnissen des KVP Das UMS von Schweizer erweist sich als Instrument zur effektiven Umsetzung visi-onärer und strategischer Unternehmensziele. In diesem Sinn sind auch die Weiter-entwicklungs- und Verbesserungsprozesse zu reflektieren. Das UMS ist schlank und zielgerichtet konzipiert, und die Unternehmensführung ist bemüht, die Struk-turen des UMS möglichst effizient zu gestalten und Bürokratisierungstendenzen zu vermeiden. Die Integration in die Arbeitsprozesse wird gefördert durch den hohen Stellenwert, der der Umsetzung ökologischer Ziele beigemessen wird und durch die Einbettung des UMS in die Nachhaltigkeitsgrundsätze des Unternehmens. Materiell hat sich das UMS seit dessen Erstzertifizierung nur wenig verändert, es zeigte schon damals eine weit entwickelte thematische Reichhaltigkeit, die Produkte, Be-triebsprozesse und Führungsaufgaben umfasste. Das umfassende und kon-sequente Vorgehen von Schweizer zeigt sich deutlich in der Verbesserung der Um-weltleistung, indem die Zunahme der absoluten Umweltbelastungen trotz Auswei-tung des Bilanzraums auf tiefem Niveau gehalten werden konnte und erhebliche relative Verbesserungen erzielt wurden. In der Umweltleistungsmessung sind aber auch methodische Defizite erkennbar, die es erschweren, die tatsächlichen öko-logischen Folgen von Umweltschutzmassnahmen trotz regelmässiger Messungen

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190 Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau

und Berechnungen adäquat abzubilden. Auch wenn diese Probleme nur teilweise „hausgemacht“ sind, so lassen sich in diesem Zusammenhang Defizite in der Wei-terentwicklung der eingesetzten Instrumente zur Erhebung der Umweltleistung und zu deren Darstellung feststellen424.

9.4 Entwicklungsprozess von UMS und Unternehmung

Im Folgenden wird die Entwicklung von UMS und Unternehmung aus zeitlicher Per-spektive analysiert. Dabei lassen sich zwischen 1996 und 2002 zwei Phasen skiz-zieren: Eine relativ kurze Implementierungsphase und eine Phase, in welcher das UMS stetig weiter professionalisiert wird und der Unternehmung deutliche wirt-schaftliche Nutzen generiert. Anhand dieser Phasen werden die oben dargestellten Ergebnisse des KVP mit den jeweils dominierenden Einflussfaktoren aus dem Un-ternehmensumfeld und der Unternehmensstrategie in Beziehung gesetzt.

Die erste Phase umfasst die systematische Konzeption, Dokumentation und Imple-mentation des UMS im Unternehmen. Angestossen wurde der UMS-Aufbau durch den Aufbau des QMS und den Impuls eines prozessbegleitenden externen Bera-ters. Dieser empfahl Schweizer, Konzeption und Vorgaben der kurz vor der Veröf-fentlichung stehenden ISO 14001 gleich mit dem neuen QMS zu kombinieren. Er begründete dies mit dem damals hohen Niveau in Umweltfragen und deren Bedeu-tung im Unternehmen, mit der vorhandenen Erfahrung im praktischen Umweltschutz und in der Ökobilanzierung sowie mit den bereits erzielten Verbesserungen. Indirekt aber reflektierte die Aufbauentscheidung die Umsetzung der oben angesprochenen SEPs. Zwar stand die Baubranche schon damals unter einem latenten öffent-lichen Druck zu umweltschonendem Verhalten, dieser Druck genügte jedoch nicht, um spezifische ökologische Massnahmen einzelner Betriebe zu erzwingen. Auch von den Märkten kamen zu jener Zeit kaum Signale, die eine ökologische Unter-nehmensentwicklung forciert oder honoriert hätten. Dennoch hielt Schweizer an den durch die SEPs Ende der 1980er Jahre definierten Elementen der Differenzierungs-strategie fest und sah im UMS die Chance, gezielt ein Image als Öko-Pionier-Unternehmen aufzubauen.

Die Baubranche befand sich zu jener Zeit in einem typischerweise lang anhaltenden Konjunkturtief, was auch Schweizer dazu zwang, Kosten zu reduzieren. Dies hatte direkte folgen für den UMS-Aufbau: „Wir kamen zum Schluss, dass wir uns als Fir-ma unserer Grösse mit damals ca. 300 Angestellten nicht jemanden leisten konn-ten, der zu 100% nur das Managementsystem betreut.“425 Die verfügbaren Mittel für die Systempflege nach der Aufbauphase waren entsprechend beschränkt, was aus-

424

Die inzwischen vorgenommenen Weiterentwicklungsarbeiten, wie sie weiter oben angemerkt wurden, sind ein Indiz dafür, dass verschiedene der angesprochenen Probleme inzwischen erkannt wurden. In einzelnen Bereichen wie im UMS-Controlling gehen sie deutlich über die Optimierung bestehender Strukturen hinaus.

425 Interview GL.

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Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau 191

schlaggebend dafür war, dass die Aufgaben und Verantwortlichkeiten schon früh aus dem UMS herausgelöst und weitgehend in die Linienfunktionen vergeben wur-den. Damit konnten die zentralen Systemstrukturen auf minimalem Niveau gehal-ten werden: Das QMS wurde durch einen teilzeitbeschäftigten QM-Fachmann be-treut, das UMS vom Assistenten des Produktionsleiters.

Intern profitierte Schweizer in dieser ersten Phase von einem Sensibilisierungs-schub bei der Belegschaft, von dem zahlreiche Impulse für den KVP ausgingen, sowie von systematischen und transparenten Abläufen im Umweltschutz. Materiell dominierten formale Aspekte den Aufbauprozess, während damit zunächst nur in geringem Ausmass zusätzliche ökologische Lernprozesse verbunden waren. Lern-prozesse konnten hingegen in der Vorphase beobachtet werden: „Als wir 1992 zum ersten Mal eine Ökobilanz machten mit den Assistenten des BWI, da wurde uns bewusst, dass es nicht nur um Energie ging, sondern um das Ganze.“426 Das auf dieser Basis entwickelte umfassende Verständnis ökologischer Austauschbeziehun-gen floss in den UMS-Aufbau mit ein, indem betriebs- und produktökologische As-pekte sowie der Umgang mit interessierten Kreisen von Anfang an gleichermassen einbezogen wurden. Die Erweiterung des ursprünglich auf das QMS beschränkten Managementsystem-Aufbaus mit dem UMS und den kombinierten Aufbauprozess bezeichnet der damalige Delegierte der Geschäftsleitung auch im Rückblick als „strategisch sehr gute Idee“. Im Hinblick auf die Marktbearbeitung und bezüglich Be-ziehungen zu Anspruchsgruppen konnte Schweizer dadurch die SEPs weiter kon-kretisieren und intern und extern besser verankern.

Seit dem Übergang in die zweite Phase der UMS-Entwicklung, die bis heute anhält, wird das Managementsystem zunehmend als Instrument der nachhaltigen Unter-nehmensführung genutzt und der Stellenwert ökologischer Ziele weiter erhöht. Mit Hilfe von UMS und ISO-Zertifizierung kann sich Schweizer noch stärker als zuvor als ökologisches Vorzeigeunternehmen auf den Märkten und in der Öffentlichkeit etablieren. Hingegen verschärft sich die wirtschaftliche Situation konjunkturbedingt weiter, und die Marktresonanz für ökologische Produktargumente stagniert in allen Produktsparten auf tiefem Niveau. Als Spezialist für die Entwicklung neuer Kunden-lösungen nutzt Schweizer zwar auch in dieser Zeit seine Innovationskraft für die Weiterentwicklung der Produkte, die individuellen Kundenforderungen liegen jedoch grösstenteils in den Bereichen Statik oder Ästhetik. So wird insbesondere die Re-duktion von Profilquerschnitten ausschliesslich vom UMS, nicht aber von den Auf-traggebern induziert. Ökologische Forderungen seitens der Kunden sind i.d.R. höchstens dann ein Thema, wenn die Bauherrschaft dem Architekten einen bestim-mten Isolationsgrad für Fassaden oder Fenster vorgibt. In den Submissionskriterien von Baugenossenschaften beschränken sich Umweltkriterien ebenfalls meist auf die Isolationswerte von Fenstern. Bei privaten Bauherren überträgt sich die individuelle ökologische Sensibilisierung in der Regel auch auf die Auswahl der Bauelemente, doch ist die Bereitschaft, für ökologisch vorteilhaftere Alternativen mehr Geld aus-

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192 Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau

zugeben als für herkömmliche Bauweisen, gering. Dies liegt bei allen Kundengrup-pen von Schweizer auch daran, dass die Kaufentscheidung oft nicht von den Total Cost of Ownership (TCO)427, sondern vom Anschaffungspreis ausgeht, was gerade bei der Wahl zwischen der Warmwasseraufbereitung mit Solartechnologie oder mit fossilen Brennstoffkammern deutlich zum Tragen kommt.

Andererseits bringt die Verbreitung des Minergiestandards in dieser Phase dem Markt neue Impulse und fördert bei Architekten und Investoren, die ihre Liegen-schaften nach der Erstellung weiterverkaufen wollen, das Interesse an ökologischen Produktkriterien. Die Innovationsaktivitäten von Schweizer orientieren sich jedoch nur zum Teil an diesen Standards, bewegen sie sich doch heute auf einem so tiefen Niveau, dass „besonders umweltfreundliche Leistungen“ 428 gar nicht erforderlich sind, damit Anbieter ihre Produkte entsprechend kennzeichnen können. Dies wirkt sogar hemmend auf die ökologische Produktentwicklung, denn der Markt erwartet keine über Minergie hinausgehenden ökologischen Leistungen, und „dies ist z.T. schlecht für uns, da wir die oft deutlich besseren Werte unserer Produkte kaum als Verkaufsargument verwenden können.“429 Schweizer hält dennoch an der Differen-zierungsstrategie fest und unterstreicht die Bedeutung ökologischer Leistungs-merkmale in der – oben erwähnten – Weiterentwicklung der SEPs.

Das integrierte Managementsystem wird im Jahr 2000 mit Managementstrukturen zur Arbeitssicherheit (ASi) ergänzt. Die UMS-Struktur bleibt in weiten Teilen unver-ändert, zumal auch der Bericht zum Überwachungsaudit 2000 festhält: „Das UMS wird als Führungsinstrument verstanden und eingesetzt. Es braucht nicht mehr die intensive Weiterentwicklung, wie dies in den ersten Jahren seit der Einführung und Zertifizierung der Fall war.“ Dennoch werden UMS, QMS und ASi noch stärker in-tegriert und in den Arbeitsprozessen verankert. Die zentralen Aufgaben bei der Betreuung des IMS werden zusammengeführt und unter der Verantwortung des Leiters Finanzen von einem Teilzeitangestellten betreut. Auf Managementebene wird eine Balanced Scorecard als Führungsinstrument implementiert, die nach den vier Handlungsfeldern des Leitbilds bzw. der SEPs aufgebaut ist. Das UMS wird dabei einerseits genutzt, um die übergeordneten unternehmerischen Zielsetzungen umzusetzen, und dient andererseits dem Controlling der Umweltleistung und der Informationsbereitstellung. Die Prozessorientierung des IMS ist letztlich auch aus-schlaggebend für eine prozessorientierte Umgestaltung der allgemeinen Organisa-tionsstrukturen.

Die Unternehmensführung beschäftigt sich dank dieser Konzeption regelmässig mit ökologisch motivierten Fragestellungen. Dadurch kann der durch festgelegte Pla-nungszyklen institutionalisierte KVP gezielt gesteuert und der Nutzen des UMS für

426

Interview GL. 427

Unter TCO werden in der Betriebswirtschaft die gesamten Investitions-, Betriebs-, Service-, Reparatur- und Entsorgungskosten eines Produktes bzw. einer Lösungsalternative zusammengefasst.

428 Interview GL.

429 Interview GL.

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die Unternehmung optimiert werden. In der Betriebsökologie werden nach wie vor primär in den Bereichen Energie und Entsorgung Nutzenpotenziale geortet und rea-lisiert. Sie führen vielfach zu Kosteneinsparungen, die in der Jahresplanung budge-tiert werden. Darüber hinaus ist das UMS vor dem Hintergrund des SEPs „Umwelt“ einer der wichtigsten Treiber von Produkt- und Prozessinnovationen.

Fazit Als Schweizer sich für die Implementation des UMS nach ISO 14001 entschied, hat-te die Geschäftsleitung klare Vorstellungen davon, was sie damit erreichen wollte. Dies zeigt sich im gesamten Entwicklungsprozess des UMS seit der Aufbauphase. Zum einen wurde das UMS über die Jahre hinweg stets aus einer Nutzen-perspektive betrachtet und so weiterentwickelt, dass es sowohl Führungsziele als auch Marktziele effizient unterstützt. Zum anderen offenbart der Entwicklungsverlauf auch das über ökonomische Grössen hinausgehende Nutzenverständnis der Unter-nehmensführung. Mit der Integration ökologischer Qualitätsaspekte in die Marktstra-tegien und mit den auch für die Zukunft klaren Zielvorstellungen wird das Aktivitäts-niveau mit ökologischem Bezug und damit die Dynamik des KVP im weiteren Ent-wicklungsprozess kaum abnehmen. Welchen Beitrag die ISO-14001-Zertifizierung hierzu zu leisten vermag soll der folgende Abschnitt verdeutlichen.

9.5 Rolle der Zertifizierungsaudits für den KVP

Der Entscheidung zur Zertifizierung des UMS lagen externe und interne Nutzenziele zugrunde. Extern sollte mit dem Zertifikat die Kommunizierbarkeit des Umweltenga-gements erleichtert, gegenüber Markt und Anspruchsgruppen ein Zeichen gesetzt und die Glaubwürdigkeit des SEP Umwelt gestärkt werden – eine Zielsetzung, de-ren Erreichung sich im Fall von Schweizer zwar weitgehend, aber nicht ausschliess-lich subjektiv beurteilen lässt. So konnte das Unternehmen – wenn auch erst neun Jahre nach der Erstzertifizierung – einen umfangreichen Kundenauftrag direkt auf das UMS-Zertifikat zurückführen, und dies, obwohl Schweizer nicht der billigste An-bieter in der betreffenden Submission war.

Ausschlaggebend für die Zertifizierung des UMS waren jedoch die internen Ziele. Die Unternehmensführung wollte sich bewusst dem Druck durch die regel-mässigen externen Audits aussetzen. Damit sollte der KVP gefördert, das UMS am Leben erhalten und dessen Nutzen für die Unternehmung auf Dauer gesichert werden. Der damalige Delegierte der Geschäftsleitung meint dazu: „Wenn jedes halbe Jahr ein externer Auditor vorbeikommt und ein paar Fragen stellt, dann ist es normal, dass man dann auch etwas tut. Das bringt schon was.“ Der Systemverant-wortliche von Schweizer, der selbst als Zertifizierungsauditor für UMS und QMS an-dere Unternehmen im Auftrag einer Zertifizierungsgesellschaft betreut, sieht sich durch seine Erfahrungen bestätigt. „Ich bin einfach nicht überzeugt davon, dass man sich ohne Zertifikat kontinuierlich verbessern kann.“

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194 Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau

Auditpraxis Schweizer wird seit der Erstzertifizierung vom selben Auditor betreut. Er ist ur-sprünglich Chemiker und weist eine sehr lange Auditierungserfahrung für Qualitäts- und Umweltmanagementsysteme sowohl in der chemischen Industrie als auch in anderen Industriezweigen aus. Er ist zudem Leiter des Bereichs UMS seiner Zertifi-zierungsorganisation und ist damit verantwortlich für die fachliche Führung von mehreren anderen UMS-Auditoren.

Für die Überwachungsaudits werden generell zwei Arbeitstage verwendet, wobei das eigentliche Audit einen Tag dauert und vom Auditor allein durchgeführt wird. Für Zertifizierungs- und Rezertifizierungsaudits werden sechs Arbeitstage aufgewendet, meist aufgeteilt auf zwei Auditoren à drei Tage oder umgekehrt. Bei Schweizer wer-den UMS und QMS immer integriert geprüft. Die Praxis zeigt hier, dass insbeson-dere bei den Arbeitsabläufen eine Trennung der beiden Systembereiche im Audit-prozess kaum möglich und wenig sinnvoll ist, wie der Systemverantwortliche für seinen Betrieb beobachtet: „Wenn ich z.B. unsere Herstellungsprozesse qualitativ im Griff habe, habe ich keinen Ausschuss, und wenn ich keinen Ausschuss habe, dann habe ich keinen Abfall und wenn ich keinen Abfall habe, dann belaste ich auch die Umwelt nicht.“ Eine getrennte Auditierung ist daher nur für spezifische UMS-Elemente wie dem Nachweis zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften oder der Analyse der Umweltaspekte vorgesehen. Welcher Stellenwert dem UMS bei kombi-nierten Audits beigemessen wird, macht der Auditor vom Aufbau des Systems und von der Person des Auditors abhängig, doch sei dies in den letzten Jahren kaum je zum Problem geworden. Dies sei früher eher der Fall gewesen, als das UMS gera-de bei kapitelorientierten Systemen oft als separates Kapitel dem QMS „aufge-pfropft“ worden sei, ohne eine tatsächliche Integration zu erreichen. Mit Blick auf die Praxis führt er jedoch auch an, dass „der administrative Aufwand für das QMS nor-malerweise grösser“ ist und es deshalb vorkommen kann, dass „mehr über das QMS gesprochen wird als über das UMS.“

Generell wird die Planung der Audits vom Auditor durchgeführt. Für Über-wachungsaudits steht eine standardisierte Prüfliste der Zertifizierungsorganisation mit festgelegten Auditaspekten zur Verfügung, ein detailliertes Programm ist bei kleineren Firmen meist nicht nötig. Bei grösseren Firmen und bei Rezertifizie-rungsaudits wird hingegen ein detailliertes Programm erarbeitet. Der Auditor fordert die jeweiligen Unternehmen dazu auf, für die Audits Vorschläge inhaltlicher und organisatorischer Art zu unterbreiten, die er dann mit den eigenen Auditzielen ab-gleicht. Die Vorschläge seien deshalb hilfreich, weil die Unternehmung die Abläufe am besten kennt und weil dadurch die Audittage sinnvoller und effizienter gestaltet werden könnten. Bedenken, dass die Unternehmung diese Möglichkeit nutzt, um mit Hilfe der Auditplanung mögliche Problembereiche zu umgehen, hat der Auditor nicht: „Es ist nicht so, dass der Kunde vor uns Auditoren etwas verbergen oder uns von Problemen ablenken will. Im Gegenteil, oft ist er gar erpicht darauf, dass er mit uns seine Probleme ansprechen und diskutieren kann. Auch wenn das nicht überall

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Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau 195

so ist.“ Auch Schweizer nutzt die Einladung zur Mitgestaltung der Audits. Sie sollen nicht primär der Überwachung und Zertifikatserhaltung dienen, sondern einen mög-lichst hohen Nutzen für die Unternehmung generieren. Mit Blick auf die Kosten der Audits meint der Systemverantwortliche: „Gratis ist das nicht. Ich sage den Audi-toren deshalb: Ihr kostet 2000 Franken im Tag und mehr, also bringt auch etwas dafür. Einen Nutzenbeitrag, der über die Überwachung und das Zertifikat hinaus-geht, müssen sie also leisten. Für dieses Geld will ich etwas.“ Damit dieser Nutzen maximiert werden kann, definiert er jeweils drei bis vier spezifische Ziele, die mit dem vorgesehenen Audit erreicht werden sollen. Darüber hinaus stellt er ein detail-liertes Auditprogramm zusammen, das unter anderem auf diese Ziele ausgerichtet ist. Da er – wie oben erwähnt – selber als Zertifizierungsauditor im Nebenamt arbei-tet, sind ihm diese Planungsarbeiten vertraut. Der so entstandene Detailvorschlag wird vom Auditor in der Regel nur noch geringfügig angepasst.

Auditierungsaspekt KVP Die Prüfung des KVP anlässlich der Audits ist in den Standardvorgaben der Zertifi-zierungsorganisation fix vorgegebenen. Der Auditor versteht darunter grundsätzlich die ständige Weiterentwicklung der Kernelemente des UMS nach dessen Aufbau. Dies wird wenn immer möglich explizit geprüft, wobei er von den Unternehmen die Definition von Kenngrössen erwartet, die diese Veränderungen nachvollziehbar ma-chen. Verbesserungen des Systems genügen seiner Ansicht nach jedoch nicht, sondern „… müssen sich irgendwann auch in Form objektiv feststellbarer Daten“ bzw. in Verbesserungen der Umweltleistung auswirken. Er sieht hingegen die Prob-lematik, dass der KVP im Sinne der Norm langfristig ausgerichtet sein sollte, was mit den relativ kurzen (jährlichen) Prüfintervallen nicht optimal nachvollzogen wer-den kann. Eine weitere Problematik liegt seines Erachtens darin, dass viele Unter-nehmen, die wie Schweizer „… einen langen Track-Record im Umweltbereich“ auf-weisen, Mühe bekunden, bei jedem Audit auf neue Verbesserungen zurückblicken zu können. Gerade deswegen sei es notwendig, den KVP nicht nur anhand harter, sondern auch bezüglich weicher Faktoren zu prüfen, was die Bewertung bzw. die Interpretation jedoch erschwert.

Im Fall von Schweizer ist der KVP auch implizit immer ein Teilaspekt der Audits. Der Auditor führt dies auf das grosse Interesse der Unternehmensführung und der Systemverantwortlichen zurück, die nachhaltige Unternehmensentwicklung stetig voranzutreiben. So ist der Eigentümer des Unternehmens bei jedem Überwach-ungs- und Rezertifizierungsaudit dabei und gibt jeweils einen ausführlichen Über-blick über die seit der letzten Auditierung eingetretenen Veränderungen, über die Wirksamkeit und Leistungen der Systeme und über Ideen und Vorgehensweisen für die künftige Weiterentwicklung.

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196 Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau

KVP-Impulse aus externen Audits Die Problematik, dass Unternehmen an Entwicklungsgrenzen von UMS und Um-weltleistung stossen, führt bei den Audits regelmässig zu ausführlichen Gesprä-chen: „Die Leute sind dann vielleicht nicht gerade verzweifelt, aber das gibt immer eine gute Diskussionsgrundlage.“ Ziel dabei ist es, zusammen mit dem Unterneh-men „… zu schauen, wo überhaupt Möglichkeiten für Verbesserungen bestehen, und ob es neue Aspekte gibt, an denen man ansetzen kann“430. Dem Auditor ist es wichtig, bei diesen Diskussionen den Anstoss für den KVP zu geben, was jedoch sehr stark von der Offenheit des Gesprächspartners abhängig ist. Schweizer sucht diesen Anstoss explizit, indem z.B. wie oben erwähnt spezifische Auditziele vorgän-gig definiert werden. Auch sind die Vorschläge des Systemverantwortlichen für die Auditplanung so gestaltet, dass gezielt solche Bereiche geprüft werden, in denen Verbesserungspotenzial vermutet wird und zu welchen Inputs der externen Fach-leute erwartet werden.

Die Beteiligten sind übereinstimmend der Meinung, dass die Audits jeweils sehr fruchtbar sind und den KVP gut unterstützen. Dass sich der Auditor und die An-sprechpartner von Schweizer mittlerweile gut kennen, wird in diesem Fall kaum als nutzenminderndes Problem wahrgenommen, sondern ermöglicht eine entspannte und konstruktive Gesprächskultur: „Da wird natürlich offen mit dem Auditor dis-kutiert und man sagt ihm, das dieses oder jenes nicht gut sei, und dass man das besser machen könnte.“ Bezeichnend sind z.B. die Erfahrungen aus dem Über-wachungsaudits vom August 2004: „Da sind gewaltige Dinge zum Vorschein ge-kommen und diskutiert worden, und wenn wir das gut umsetzen, haben wir einen sehr grossen Nutzen davon.“431 Der dazugehörige Bericht des Auditors enthält zu-sammenfassend z.B. die Aussage: „Das Managementsystem hat zwar viele Ver-besserungen gebracht, konnte jedoch gravierende Fehler, insbesondere bei gros-sen Auftragsprojekten, nicht verhindern.“ Dies war für Schweizer der Auslöser, um die Instrumente von UMS und QMS auf die Kompatibilität mit dem Projektgeschäft eingehend zu prüfen und weiter zu verbessern. Bezeichnend ist aber auch das Feedback des Eigentümers an die Adresse des Auditors: „Es ist erstaunlich, was ein Auditor alles in einem Tag an Schwachpunkten und Ansatzpunkten heraus-finden kann.“

Folgerungen Obwohl eine ausgeprägt umweltfreundliche Gesinnung in der Unternehmenskultur von Schweizer tief verankert ist, ist die Unternehmensführung der Ansicht, dass erst die Zertifizierung des UMS Gewähr für die Aufrechterhaltung des KVP bietet. Sie sieht den externen Druck durch die regelmässigen Überwachungs- und Rezertifi-zierungsaudits als entscheidenden Vorteil der Zertifizierung. Tatsächlich zeigt die Untersuchung, dass die externen Audits den KVP von Schweizer nachhaltig unter-

430

Interview AU. 431

Interview UB.

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Fallstudie Ernst Schweizer AG, Metallbau 197

stützen und der Unternehmung Nutzen stiften. Der äussere Druck scheint hier je-doch nicht die wesentliche Rolle zu spielen. Er ist zwar vorhanden, ist jedoch primär im Innenverhältnis des Unternehmens wirksam und wird vom Management zur Mit-arbeiterführung instrumentalisiert. Der drohende – auch wenn nicht sehr wahr-scheinliche – Verlust des Zertifikats wird genutzt, um internen Entwicklungs- und Verhaltenszielen Nachdruck zu verleihen.

Für den KVP wesentlich bedeutsamer ist die Art und Weise, wie die externen Audits als Lernplattform genutzt werden. Die Audits dienen Schweizer dazu, einen Spiegel vorgehalten zu bekommen und von kompetenten Sparringpartnern Feedbacks für vorhandene Ideen und Entwicklungen im Betrieb, in der Produktgestaltung und in der Unternehmensführung zu erhalten. Indem das Unternehmen im Vorfeld jeweils spezifische Auditziele definiert, kann es den Fokus auf die eigenen Fragestellungen lenken und zusammen mit den externen Fachleuten ausgewählte Themen diskutie-ren. Dass die Audits auf diese konstruktive Weise wahrgenommen und genutzt werden zeigt, dass nicht der äussere Druck, sondern das unternehmerische Inte-resse und die Motivation auf allen Stufen des Unternehmens die eigentlichen Moto-ren des KVP sind.

Um unter diesen Bedingungen die generische Funktion der Audits zur Überwachung der Normkonformität (von UMS und QMS) nicht zu vernachlässigen, muss der Audi-tor fähig sein, die eigenen Auditziele ausreichend und unabhängig im Sinne der Normforderungen durchzusetzen. Bei Schweizer scheinen diese unterschiedlichen Auditinteressen sinnvoll in Einklang gebracht worden zu sein. Von Bedeutung ist hier nicht zuletzt auch die fortgeschrittene Reife des UMS, die hohe Qualifikation der Beteiligten und die Routinisierung, nachdem sich die Belegschaft über Jahre hinweg an externe Auditsituationen gewöhnen konnte.

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10 Fallstudie Otto Keller AG

Die Otto Keller AG ist 1955 gegründet worden und beschäftigte Anfang 2004 rund 62 Mitarbeiter. Der Firmengründer hatte das Unternehmen bis ins hohe Alter aktiv geführt und die Eigentümerschaft danach seinen Nachkommen übergeben, die wei-terhin als Mitglieder des Verwaltungsrates die Firma leiten. Der Hauptsitz der Grup-pe ist seit der Gründung in Arbon, daneben bestehen derzeit Niederlassungen in St. Gallen, Herisau und Frauenfeld.

Otto Keller ist in den beiden Sparten Heizung/Lüftung/Klima (HLK) und Filtertech-nologie tätig. Im Bereich HLK plant und installiert sie Komplettlösungen für Industrie- und Wohnbauten. Kern der Leistungen sind die Planung und die Installation der An-lagen, während sämtliche für die Ausführung benötigten Komponenten wie Steue-rungen, Radiatoren und Rohre eingekauft werden. In den drei Niederlassungen werden in erster Linie Planungs- und Koordinationsarbeiten für den HLK-Bereich ausgeführt. Sie dienen zudem als Backoffice für die rund 30 Monteure, die die Anla-gen auf den Bauplätzen realisieren.

Der Bereich Filtertechnologie produziert und verkauft Entstaubungsanlagen bzw. Filterkästen für den Aussen- und Innengebrauch. Sie kommen im industriellen Um-feld aller produzierenden Branchen zum Einsatz. Die Kästen werden aus Stahlblech selber hergestellt, lackiert und beim Kunden installiert. Zum Bereich Filtertechnolo-gie gehört zudem ein Sortiment von Sauggeräten, die Otto Keller von Drittherstel-lern einkauft und in der Schweiz vertreibt. Ein zunehmend wichtiges Geschäftsfeld neben dem Anlagenverkauf bilden im Bereich Filtertechnologie mehrjährige Service- und Wartungsverträge mit den Abnehmern.

Aus den beiden Sparten ergeben sich zwei sehr unterschiedliche Kundenkreise und Märkte: Auf der einen Seite sind dies Architekten, Bauherren und Generalunter-nehmer für die HLK-Produkte, auf der anderen Seite produzierende Unternehmen aus der Industrie sowie Hersteller von Produktionsanlagen, die Lösungen zur Ent-staubung von Arbeitsumgebungen nachfragen.

10.1 Das Umweltmanagement

Die Otto Keller AG erhielt im September 1996 als eines der ersten Unternehmen der Branche ein kombiniertes Zertifikat nach ISO 9001 und ISO 14001. Drei Jahre spä-ter wurde ein Rezertifizierungsaudit durchgeführt, das die Normkonformität des kombinierten QMUM-Systems erneut bestätigte. Auf ein weiteres Rezertifizierungs-prozedere im Jahr 2002, das die Gültigkeitsdauer des Zertifikats erneut um drei Jah-re verlängert hätte, verzichtete das Unternehmen und führt seither auch keine ex-ternen Überwachungs- und Wiederholaudits mehr durch. In den folgenden Aus-

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Fallstudie Otto Keller AG 199

führungen werden zunächst die Gründe für die ursprüngliche Einführung des Mana-gementsystems (fokussiert auf das UMS) ausgeführt und das UMS vorgestellt. Wie sich das UMS seither entwickelt hat und wie es zum Verzicht auf die Aufrechterhal-tung der Zertifizierung kam, wird in den Abschnitten 10.3, 10.5 und 10.6 ausführlich dargestellt und diskutiert.

Motivationstyp In den Jahren 1993/94 nahm Otto Keller erste Signale wahr, die auf ein gesteigertes Interesse des Marktes an qualitätszertifizierten Zulieferbetrieben hindeuteten. In ers-ter Linie schien sich die Vergabepolitik von Aufträgen der öffentlichen Hand in diese Richtung zu entwickeln. Inoffiziellen Angaben zufolge sollten künftig bei Submissio-nen nur noch Betriebe berücksichtigt werden, die ein ISO-9001-Zertifikat vorweisen konnten. Eine ähnliche Entwicklung zeigte sich auch bei Kunden in Deutschland, die sich „lange Zeit als sehr qualitäts- und zertifikatsorientiert“ erwiesen hatten“432. Für Otto Keller waren solche Marktsignale der hauptsächliche Auslöser zum Aufbau des QMS.

Als parallel zu den entsprechenden Diskussionen im Verwaltungsrat die UMS-Norm der ISO publiziert wurde, erwirkte der Geschäftsführer eine Ausweitung des Pro-jektrahmens mit der Integration des UMS in das neue Managementsystem. Damit erhoffte er sich einen strategischen Vorteil für den Fall, dass die öffentliche Hand ihre Vergabekriterien auch auf das UMS erweitern würde. Im Bereich Filtertech-nologie sah die Unternehmensführung zudem die Möglichkeit zur Differenzierung und zur Verbesserung des Firmenimages. Hintergrund war die Überlegung, dass die Entstaubungsanlagen eine Verbesserung der Umweltbedingungen an den Ar-beitsplätzen in Fabrikhallen und in der Umgebung von Produktionsanlagen bewirken würden. Die UMS-Zertifizierung sollte als Instrument dienen, um diesen Gedanken nach aussen zu kommunizieren und Ökologie als Verkaufsargument zu ent-wickeln. Daher wirkte auch der damalige Verkaufsleiter und Betreuer der deutschen und französischen Märkte als treibende Kraft für die UMS-Einführung.

Eine intrinsische Motivation zur Wahrnehmung der ökologischen Verantwortung als Unternehmer ist beim Geschäftsführer zwar spürbar, sie bleibt jedoch im Hinter-grund. Der UMS-Aufbauentscheidung lagen vielmehr wettbewerbsstrategische Argumente zugrunde. Im Nachhinein stellte sich aber heraus, dass die wett-bewerbsstrategische Bedeutung des UMS in der Realität wesentlich geringer war als ursprünglich angenommen, wie der Geschäftsführer in Bezug auf die öffentliche Auftragsvergabe feststellt: „Der politische Wille zur stärkeren Berücksichtigung von Qualitäts- und Umweltkriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge wurde zwar wiederholt signalisiert, er hat sich aber nicht durchgesetzt“. Mit der geringen intrinsi-schen Motivation und der in der Realität ebenfalls geringen wettbewerbsstrate-gischen Bedeutung des UMS ist Otto Keller daher dem Idealtypen des dritten Quad-ranten zuzuordnen (vgl. Abb. 45). 432

Interview UB.

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200 Fallstudie Otto Keller AG

Abb. 45: Motivationstypisierung der Otto Keller AG zum Zeitpunkt der UMS-Erstzertifizierung

Art und Aufbau des UMS Als die Entscheidung zur Implementation des UMS fiel, waren die Aufbauarbeiten für das QMS bereits in vollem Gang und kamen sehr schnell voran. Gemäss dem damaligen Leiter QMUM führte die „Zusatzaufgabe UMS“ dazu, dass sich das Pro-jekt, das bereits nach drei Monaten hätte abgeschlossen sein können, um weitere sechs Monate ausdehnte. In diesem dennoch vergleichsweise kurzen Zeitraum wurde ein kapitelorientiertes QMS aufgebaut, das mittels eines Zusatzkapitels auch die Vorgaben der ISO 14001 erfüllte. In den täglichen Arbeitsabläufen war damals schon eine weitergehende Integration von UMS und QMS erkennbar, als aufgrund der Dokumentation angenommen werden konnte. Sie wurde im Jahr 2000 noch verstärkt, als das QMUM-System zu einem prozessorientierten und integ-rierten Managementsystem (IMS) überführt wurde (vgl. dazu Abschnitt 10.4).

Umweltpolitik Normative Basis des UMS ist die allgemeine Unternehmenspolitik von Otto Keller, in welcher unter anderem ökologische Leitsätze definiert sind. Die Zielsetzung für das IMS ist darin sehr offen formuliert: „Wir wollen zu den kunden- und umweltfreund-lichsten Unternehmen der Branche gehören“. Im Zuge des UMS-Aufbaus wurden hierzu umweltorientierte Verhaltensgrundsätze definiert. Der Geschäftsführer und Vertreter der Eigentümerschaft von Otto Keller führte während dem UMS-Aufbau sämtliche Mitarbeiter an allen Standorten des Unternehmens persönlich in diese neuen Grundsätze ein und leitete entsprechende Schulungen. So war es möglich, die anfänglich vorhandene Skepsis von Teilen der Belegschaft gegen das neue Managementsystem deutlich zu verringern. Die Lücke zwischen den schriftlich fest-gelegten Umweltleitsätzen und der gelebten Umweltpolitik im Unternehmen konnte dennoch nicht vollständig geschlossen werden.

Wettbewerbsstrategische Bedeutung des UMS

„opportunistisch“

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Fallstudie Otto Keller AG 201

Umweltaspekte Die Hauptprozesse der Otto Keller AG liegen in der Herstellung der Entstaubungs-apparate aus Stahlblech sowie in der Planung und Ausführung von Heizungs-, Lüf-tungs- und Klimaanlagen. Für diese Bereiche im Baunebengewerbe werden sämt-liche Komponenten eingekauft und montiert. Der Fokus der ersten Umweltanalyse im Rahmen des UMS-Aufbaus 1996 war auf diese Prozesse ausgerichtet und um-fasste damit ausschliesslich betriebsökologische Aspekte der Unternehmens-aktivitäten.

Tab. 19: Die Umweltrelevanzmatrix der Otto Keller AG.

Die umweltrelevanten Prozesse haben sich seither kaum verändert, und die damals erarbeitete Umweltrelevanzmatrix (vgl. Tab. 19) behielt bis dato ihre Gültigkeit. Sie weist prozessorientiert die ökologischen Belastungen in der Produktion und im An-lagenbau aus. Otto Keller kommt darin zum Schluss, dass drei Umweltaspekte mit besonderen Umweltbelastungen verbunden sind: Zum einen führen die Herstel-lungsprozesse für die Filterapparate sowie die Beleuchtung der Produktionshalle zu einem hohen Energieverbrauch, zum anderen kommen bei der Oberflächen-behandlung der Stahlbleche (Grundieren, Lackieren) Materialien zum Einsatz, de-ren Restmengenentsorgung und Emissionen (VOC, Lösungsmittel) als umweltbe-lastend eingeschätzt werden, und letztlich fallen durch Stanzen und Abkanten er-

Beschaffung

Montieren vor Ort

Transport

EntsorgungLagernSpedierenMontieren

Schleifen

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Stanzen

Abkanten

Lackieren

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Entfetten

Beschaffung

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A = Sehr relevanter Umweltaspekt B = Relevanter Umweltaspekt C = Wenig relevanter Umweltaspekt

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202 Fallstudie Otto Keller AG

hebliche Mengen von Reststoffen an. Darüber hinaus werden sämtliche Transporte sowie die Rohstoffbeschaffung als umweltbelastend eingestuft. Produktspezifische Umweltaspekte, insbesondere im Zusammenhang mit den benötigten Rohmateria-lien, bleiben in der Umweltanalyse unberücksichtigt.

10.2 Zielsetzungsprozesse, interne Audits und Controlling

In den folgenden Ausführungen werden Elemente des Managementkreislaufs skiz-ziert, die für die Aufrechterhaltung des KVP von Bedeutung sind. Dabei ist zu be-achten, dass Otto Keller seit der Zertifikatsaufgabe auf eine Reihe von Formalis-men und Routinen verzichtet. Insbesondere wird der Regelkreislauf nicht mehr konsequent aufrechterhalten. Die folgenden Ausführungen zeichnen daher zum ei-nen das Bild nach, das unter dem zertifizierten UMS Bestand hatte, zum anderen sprechen sie Veränderungen an, die nach der Zertifikatsaufgabe eingetreten sind.

Ökologische Ziele und Zielsetzungsprozess Otto Keller definierte die Umweltziele seit dem UMS-Aufbau als Bestandteil der Un-ternehmenszielsetzungen. In diesen Zielen ist die betriebsökologische Ausrichtung des UMS gut erkennbar. Sie liegen in erster Linie in den Bereichen Abfall-vermeidung und Abfallverminderung sowie in der Minimierung des Energiever-brauchs in der Produktion. Daneben wurden in den ersten Jahren nach dem UMS-Aufbau verschiedene weitere umweltrelevante Ziele definiert, die überwiegend auf die operative Verminderung von Umweltbelastungen ausgerichtet waren. Über Jahre hinweg standen z.B. die sukzessive Umstellung der Pkw-Flotte mit den Fahr-zeugen der Monteure auf Dieselbetrieb sowie die Verwendung von Lacken auf Wasserbasis im Vordergrund der Umweltschutzmassnahmen.

Der Zielsetzungsprozess verlief jeweils sehr pragmatisch: „In der Regel war immer ein Auslöser da, der die Basis für unsere Umweltzielsetzung war. Viele Umweltziele waren Ableitungen von Vorkommnissen, die im Laufe des Geschäftsjahres zu Tage getreten sind.“433 Teilweise wurden auch Anregungen von Mitarbeitenden, denen formell das BVW-ähnliche Instrument „Änderungsanträge Managementsystem“ zur Verfügung stand, in die Zielformulierung aufgenommen. Ausgearbeitet wurden die Umweltziele für eine Jahresperiode jeweils vom Geschäftsführer in Zusammen-arbeit mit dem Leiter Qualität und Umwelt, bevor sie der Geschäftsleitung zur Ge-nehmigung vorgelegt wurden. Seit der Aufgabe der Zertifizierung des UMS werden Umweltziele zwar nicht mehr explizit formuliert und schriftlich festgehalten, implizit wird aber noch immer die Abfallverminderung und die Optimierung des Energie-verbrauchs verfolgt, da in diesen Bereichen weitere Kostensenkungspotenziale vermutet werden.

433

Interview UB.

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Fallstudie Otto Keller AG 203

Controlling und Auditierung Im Zuge des UMS-Aufbaus entwickelte Otto Keller ein Kennzahlenkonzept, welches das Controlling einzelner Umweltzielsetzungen ermöglichte. Dazu wurden Daten bezüglich Abfallaufkommen, Abfallrecycling und Energieverbrauch erfasst. Sie wur-den in einer jährlichen internen Berichterstattung zusammengeführt und wiesen zum Teil Mengenangaben, vor allem aber die damit verbundenen Kosten (z.B. Entsor-gungskosten) auf. Daneben wurden Routinen zur Überprüfung des pH-Wertes der Abwässer aus der Lackierung sowie der Schwermetallfracht implementiert. Die da-mals aufgebauten Controllingverfahren werden auch heute noch weitgehend in glei-chem Masse angewendet, insbesondere in jenen Bereichen, die von der Umwelt-schutzgesetzgebung tangiert werden. Ein formeller interner Umweltbericht, welcher jährlich zu Controllingzwecken die erhobenen Daten zu Händen der Geschäftslei-tung aufbereitete, wird heute nicht mehr verfasst.

Für die Durchführung interner Audits im Sinne der ISO-Normen war der Leiter Qualität und Umwelt (im Folgenden auch als QMUM-Leiter bezeichnet) verantwort-lich. Er selber wurde jeweils vom Geschäftsführer auditiert. Regelmässig wurden sowohl der Hauptsitz und die Produktion in Arbon als auch die Niederlassungen in der Schweiz internen Audits unterzogen. Dazu kamen Audits auf den Baustellen und Montageplätzen. Diese kombiniert durchgeführten Audits stellten für den QMUM-Leiter ein wichtiges Instrument zur Verankerung des Managementsystems in allen Betriebsbereichen dar und boten einen praxisnahen Ausgangspunkt für die Identifikation von Verbesserungspotenzialen. Im Gespräch mit den Verantwortlichen der Bereiche und den Monteuren vor Ort konnten auf diese Weise immer wieder Lösungen zur Verbesserung von umwelt- und qualitätsrelevanten Prozessen erar-beitet werden. Indem sich die verwendeten Checklisten teilweise stark an den Normvorgaben orientierten, dienten die Audits zudem der Sicherstellung der Norm-konformität von QMS und UMS. Solche Audits werden trotz der Zertifikatsaufgabe weiterhin durchgeführt, wenn sie auch heute viel stärker entwicklungsbezogen sind und Konformitätsaspekte und formale Inhalte deutlich im Hintergrund bleiben.

10.3 Ergebnisse des KVP

10.3.1 Diffusion des UMS in die Breite Das QMUM-System erfasste von Anfang an alle Standorte der Otto Keller AG, und das ISO-Zertifikat galt sowohl für den Hauptsitz in Arbon als auch für sämtliche Nie-derlassungen in der Schweiz. Nach der Erstzertifizierung des UMS kam es zu ver-schiedenen Zusammenlegungen und Neugründungen von Standorten in der Ost-schweiz, und sowohl das Managementsystem als auch die Zertifizierung wurden jeweils umgehend angepasst und erweitert. Auch ausserhalb der Region erweiterte Otto Keller die Standortbasis und eröffnete im Jahr 1997 eine Niederlassung in Köln. Dort wurden primär Grossentstaubungsanlagen geplant, während die Ausfüh-

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204 Fallstudie Otto Keller AG

rungsarbeiten an Drittunternehmen vergeben wurden. Ursprünglich war vorgese-hen, dass auch in Köln das bestehende Managementsystem implementiert werden sollte, weshalb der designierte Niederlassungsleiter vom QMUM-Leiter und vom Ge-schäftsführer in Arbon in den Aufbau und die Wirkungsweise des Management-systems eingeführt wurde. Das Managementsystem wurde in der Folge dort auch aufgebaut, doch da die Niederlassung weitgehend unabhängig vom Hauptsitz ge-führt werden sollte, wurde auf die formelle Integration des neuen Standorts unter das Dach des in der Schweiz bestehenden Managementsystems verzichtet. Auch wurde die ISO-Zertifizierung nie auf Deutschland ausgeweitet. Drei Jahre später übernahm Otto Keller den Produktionsbetrieb eines ehemaligen Konkurrenten im Raum Basel und beabsichtigte, auch hier das Managementsystem aus Arbon zu übernehmen. Es zeigte sich aber bald, dass die Produktionsbedingungen vor Ort suboptimal waren und eine Reihe von strukturellen Problemen dringend gelöst wer-den mussten. Die Implementierung des QMUM-Systems wurde in der Folge zurück gestellt und schliesslich nur teilweise umgesetzt, ohne je die Zertifizierungsfähigkeit zu erlangen.

Zusammenfassend zeigte das Management von Otto Keller zwar Bestrebungen zur Ausweitung des UMS auf neue Organisationseinheiten, realisiert wurde dies jedoch nur in der Ostschweiz. Sowohl in Basel als auch in Deutschland konnte die Diffusion in die Breite nur in Ansätzen erreicht werden. Erfolgreich war die Entwicklung der Reichweite somit an hauptsitznahen Standorten, die auch geschäftlich eng mit der Zentrale verbunden waren, während bei den führungsstrukturell und aufgabenbe-zogen weitgehend selbständigen Einheiten der QMUM-Aufbau und dessen Zertifi-zierung nicht durchgesetzt wurden. 10.3.2 Diffusion in die Tiefe In der Frühphase nach der Erstzertifizierung des UMS versuchte Otto Keller, die Umweltauswirkungen von immer zahlreicheren betrieblichen Aktivitäten und Pro-zessen zu optimieren. Das Management erkannte, dass mit der systematischen Be-trachtung der Unternehmung aus ökologischer Perspektive zahlreiche Optimie-rungspotenziale aufgespürt werden konnten, die nicht nur ökologisch von Nutzen waren. Das UMS war z.B. der Auslöser, um seit Jahren erstmals die Abwas-serkanäle und die darin festgesetzten Farbreste gründlich durchzuspülen – ein Vor-gang, der heute jährlich wiederholt wird, da er die Wasserzirkulation erheblich ver-bessert. Auch die heute routinemässig durchgeführten pH-Messungen des Ab-wassers sind auf das UMS zurückzuführen: Hier konnte – im Rahmen der Überprü-fung der Legal Compliance – zusammen mit dem kantonalen Amt für Umweltschutz eine praxistaugliche und kostengünstige Lösung gefunden werden, um die Rechts-konformität bezüglich Schmutzwassereinleitungen periodisch nachzuweisen. Eben-falls auf die Einführungsphase des UMS ist das noch heute geltende Störfall- und Notfallkonzept zurückzuführen.

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Fallstudie Otto Keller AG 205

Neben diesen Massnahmen, die die Ergebnisse der betriebsökologisch ausgerich-teten Umweltanalyse deutlich widerspiegeln, bestanden nach Ansicht des Ge-schäftsführers aber nur wenige Potenziale, bei denen Handlungsbedarf ersichtlich war: „Da wir einen Produktionsbetrieb gehabt haben, der erst 20 Jahre alt war und den man damals nach den neusten Grundsätzen gebaut hatte, mussten wir prak-tisch nicht mehr viel machen. Wir verfügten bereits über eine moderne Wärme-rückgewinnungsanlage für die ganze Abluft inkl. Lackiererei, Entfettung, Spritzerei etc.“ Dennoch zeigt der Umweltzielkatalog für die Jahre 1997/98 auch Ansätze, die den Rahmen der betrieblichen Optimierungsmassnahmen zu sprengen versuchten:

• Es sollte ein Anforderungskonzept erstellt werden, das eine ökologische Beur-teilung der Lieferanten erlaubte. Auf dieser Basis sollte die Auswahl von Subun-ternehmern, Rohwaren- und Betriebsmittellieferanten ökologisch und qualitäts-bezogen verbessert werden. Das Konzept wurde zwar erarbeitet, die Lieferan-tenbeurteilungen jedoch nach kurzer Zeit wieder eingestellt. In der internen Be-richterstattung wird der Projektabbruch mit „mangelnder Kooperation der Liefe-ranten“ begründet.434

• Im Bereich Heizung sollten Massnahmen zur Förderung alternativer Energien geprüft werden. Das Projekt wurde 1998 abgeschlossen, hatte jedoch keinen Einfluss auf die Produktgestaltung.

Letztere war eine der wenigen Aktivitäten im Rahmen des UMS, die produktökolo-gische Ziele verfolgten. Erfolgreicher erwies sich die Verminderung der produkt-bezogenen Umweltbelastung, die durch die Oberflächenbehandlung der Stahlteile verursacht wurde. Die Umstellung von lösungsmittelhaltigen Lacken auf wasserlös-liche Farben bereitete aber Probleme: „… da war der Markt noch nicht soweit. Die Qualität war schlecht, und wir haben uns mit diesem Entscheid grosse Probleme aufgeladen. Wir sind jetzt etwas weiter, aber dort, wo Qualität gefragt ist, etwa wenn man ein Gerät im Freien aufstellen muss, da müssen wir lösungsmittelhaltige Farbe verwenden. Letztlich entscheidet der Kunde, und wenn die Filterapparate zu rosten beginnen, müssen wir mit Garantieansprüchen rechnen.“ 435 Dennoch verwendet Otto Keller heute zu knapp 80% lösungsmittelfreie Farbe, und in vielen Fällen, bei denen Lösungsmittellacke benötigt werden, achten die Mitarbeiter in der Produktion darauf, dass zumindest die Grundierung mit Wasserlacken ausgeführt wird.

Insgesamt haben sich weder die Produkte noch das Produktsortiment seit 1996 we-sentlich verändert. Dies lässt sich teilweise mit der geringen Komplexität der Produkte und den spezifischen Produktanforderungen der Kunden erklären. Weder von Seite des Marktes noch seitens der Konkurrenten ist ein Innovationsdruck spürbar. Der Geschäftsführer führt dies auch auf den geringen Stellenwert ökologischer Produkteigenschaften zurück und nennt dazu ein Beispiel aus dem Einkauf von Komponenten für die Entstaubungsapparate: „Die Frage, ob wir z.B. bei Hoval oder bei Vissmann einkaufen sollen, weil Hoval wasserlösliche Farben für die 434

Qualitäts- und Umweltbericht 1997. 435

Interview GF.

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206 Fallstudie Otto Keller AG

bei Vissmann einkaufen sollen, weil Hoval wasserlösliche Farben für die Produkt-lackierung benutzt, während Vissmann das nicht macht, kommt bei einer Produktbe-urteilung erst an zwanzigster Position. Die Produkte müssen kundengerecht sein, der Preis muss stimmen, und und und. – Wenn dann auch noch wasserlösliche La-cke verwendet werden, dann ist das gut so, aber um die Produkte derart detailliert zu prüfen, dazu fehlt uns schlicht die Zeit.“

Die Diffusion in die Tiefe blieb nach der Erstzertifizierung somit auf jene Bereiche beschränkt, die bereits während dem UMS-Aufbau im Zentrum umweltbezogener Aktivitäten standen. Vor- und nachgelagerte Branchenstufen blieben weitgehend ausgeklammert mit der Begründung, dass die Handlungsspielräume zu eng und sowohl Interesse als auch Kooperationsbereitschaft der beteiligten Akteure zu ge-ring seien. Hier erweist sich aber auch die tendenziell tagesgeschäftsorientierte Un-ternehmensführung als Hemmnis für den Entwicklungsprozess, die für eine vertiefte Auseinandersetzung mit ökologischen Fragestellungen kaum genügend Freiräume zulässt.

10.3.3 Höherentwicklung Die Höherentwicklung des UMS nach der Erstzertifizierung beschränkt sich auf die erste der von Pfriem definierten Phasen des ökologischen Entwicklungspro-zesses.436 Zu erkennen sind Lernprozesse erster Ordnung, die in Teilbereichen zu einem Wissensaufbau und zu effizienten und effektiven Strukturen zur Verhütung betrieblicher Umweltbelastungen führten. Die nachfolgende Analyse der wesent-lichen soft factors lässt darauf schliessen, dass der ökologische Entwicklungspro-zess weitgehend abgeschlossen ist.

In erster Linie sind dafür die normativen Grundlagen der Geschäftsführung und der Eigentümer verantwortlich. Otto Keller ist ein Unternehmen mit einer Familien-tradition, die bis in die 1950er Jahre zurückreicht. Die heutige Eigentümergenera-tion, die das Unternehmen nach dem Ausscheiden des Firmengründers übernom-men hat, sieht die vornehmliche Zielsetzung darin, den Betrieb auch in den derzeit angespannten Zeiten aufrecht zu erhalten. Die Arbeitsplätze sollen auf Dauer gesi-chert und in der Schweiz belassen werden können. Dazu ist es notwendig, die Un-ternehmung kosteneffizient zu leiten, um so wettbewerbsfähig zu bleiben. Ein Ver-lassen der angestammten Produkt- oder Marktsegmente kommt dabei nicht in Be-tracht. Hingegen soll die Unternehmung verantwortungsvoll geführt und gesell-schaftlichen Anliegen im Rahmen des wirtschaftlich Tragbaren konstruktiv begegnet werden. Für die Entwicklung weitergehender Visionen oder für eine langfristige Ent-wicklungsperspektive – mit oder ohne ökologischen Bezug – besteht unter diesen Bedingungen wenig Raum. Sie war auch keine treibende Kraft beim Aufbau von UMS und QMS.

In Anbetracht der Zielsetzung, auch künftig innerhalb des bisherigen Markt/Produkt-Gefüges zu überleben, und unter Berücksichtigung des geringen Entwicklungs-

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Fallstudie Otto Keller AG 207

potenzials der Produkte, ist Innovationsfähigkeit keine strategisch notwendige Ei-genschaft für Otto Keller. Vielmehr fordert der Markt klar definierte Produktmerk-male, die es zu erfüllen gilt. Lern- und Innovationsprozesse sind denn auch nicht auf die Entwicklung spezifischer Produkteigenschaften ausgerichtet, sondern auf kos-tenoptimierende Massnahmen in der Produktion. Die Motivation für ökologische Verbesserungsmassnahmen bleibt entsprechend im Hintergrund: Die Bereitschaft, den ökologischen Bezugsrahmen zu erweitern und „über den Tellerrand zu schau-en“ – etwa hinsichtlich ökologischer Aspekte der Wertschöpfungskette oder des Produktlebenszyklus’ – ist kaum erkennbar.

Hemmend auf die Höherentwicklung wirkt hier vor allem die Überzeugung der Betei-ligten im Unternehmen, dass nach den anfänglich erfolgreichen Umweltschutzakt-ivitäten kaum weitere Verbesserungspotenziale bestehen würden und alle ökono-misch vertretbaren Massnahmen bereits realisiert sind: „Wir sind schon weit oben. Wir haben von Anfang an schon Mühe gehabt, Umweltziele zu definieren. Was kön-nen wir noch machen, wenn wir überall [in der Umweltrelevanzmatrix, Ergänzung des Autors] ein „C“ haben, und der Betrieb läuft?“ 437 Auch bei den Produkten – ins-besondere bei der Verwendung von Stahl und Aluminium – sieht der Geschäftsfüh-rer keinen Handlungsbedarf, im Gegenteil: „Zum einen kann der grösste Teil der Produkte recycelt werden, zum andern ist – wenn man den Lebenszyklus betrachtet – die lange Produktlebensdauer ökologisch sehr positiv.“

Verschiedene Lernprozesse wirkten sich dennoch positiv auf das umweltrelevante Handeln im Unternehmen aus. Der Aufbau von UMS und QMS hatte die vertiefte Auseinandersetzung der Mitarbeiter und der Führungskräfte mit den Abläufen im Betrieb zur Folge, was insgesamt das Prozessverständnis aller Beteiligten förderte. Im Zusammenhang mit dem UMS wurden erstmals die Entsorgungs- und Energie-kosten näher betrachtet und darin Kostensenkungspotenziale erkannt, die letztlich auch zu ökologisch relevanten Verbesserungen – insbesondere in der Entsorgung – geführt haben (siehe Beispiel unten). Erfahrungen wie diese förderten das Kosten-bewusstsein auch in anderen Bereichen. Deutliche Lernfortschritte konnten zudem in Kenntnis und Umgang mit umweltgesetzlichen Vorgaben erzielt werden, was auch in anderen Rechtsthemen (Arbeitssicherheit, etc.) das Rechtsverständnis und die Transparenz unterstützte.

Hingegen konnte die ökologische Wissensbasis zur Erfassung und Bewertung der Umweltbelastungen nicht entscheidend erweitert werden. Für die initiale Aus-arbeitung der Umweltrelevanzmatrix standen dem Projektleiter ein externer UMS-Berater sowie ein Chemiker zur Seite, die ihre Fachkenntnisse einbringen konnten. Bei der Analyse der Rechtslage war das kantonale Amt für Umweltschutz eine gros-se Unterstützung. Die Analyse der Umweltaspekte und der Umgang mit unterneh-mensbezogenen ökologischen Fragen war aber für alle Beteiligten, auch für die Au-

436

Vgl. Kapitel 3.4.3. 437

Interview GF.

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ditoren der Zertifizierungsgesellschaft, damals eine neue Herausforderung, und Vorgehensweisen und Kriterien mussten von Grund auf neu erarbeitet werden. Der Projektleiter beschreibt den Vorgang anhand des Prozesses zur Umweltanalyse wie folgt: „Wir haben alle umweltrelevanten Aspekte zusammengeführt und sie klassifi-ziert. Wir haben jeden Aspekt angeschaut und die Umweltauswirkungen qualitativ untersucht. Primär, wenn etwas ausläuft, z.B. Grundwasserverseuchung, Störfälle, etc. Wir haben gefragt: Wie gross sind die Auswirkungen auf die Umwelt, wenn in einem bestimmten Prozess etwas passieren würde. Das war die Definitionsphase. Wo wir keinen Einfluss hatten, haben wir ein C vergeben.“438 Dies war mit ein Grund, warum indirekte Umweltaspekte generell als relativ geringe Umweltbelas-tungen eingestuft worden sind.

Nach der Erstzertifizierung verblieb die Verantwortung für die Pflege und die Wei-terentwicklung des Managementsystems beim Projektleiter. Als Folge der prak-tischen Anwendung des UMS und in seiner Funktion als Produktionsleiter konnte er sich in dieser Zeit zusätzliches spezifisches Wissen erarbeiten und dieses insbe-sondere in Form interner Audits in die Bereiche tragen. Insgesamt aber blieben die ökologischen Lerneffekte auf wenige, direkt involvierte Mitarbeiter beschränkt. Auch ist nach dem UMS-Aufbau keine neue, auf verfeinerten, wissenschaftlich fun-dierten Kriterien basierende Umweltanalyse durchgeführt worden, die allenfalls neue Ansatzpunkte für Umweltschutzmassnahmen ergeben hätte.

Zusammenfassend konzentriert sich die Höherentwicklung des UMS somit auf weni-ge Teilbereiche mit Fokus auf die Betriebsökologie. Darüber hinaus wurde die Sen-sibilisierung der Mitarbeiter insofern verbessert, als dass Einzelfragen zu Prozessen und Handlungsweisen heute auch aus einer ökologischen Perspektive betrachtet werden. Dies gilt vor allem dann, wenn sie zu direkt erlebbaren Umweltbelastungen führen. Insgesamt hemmen aber die vorherrschenden visionären Ziele der Unter-nehmung sowie die Ausprägung der soft factors Motivation und Innovationsfähigkeit die Höherentwicklung des UMS. Dies kommt in der grundlegend operativen Ausrich-tung des KVP und im starr definierten ökologischen Bezugsrahmen deutlich zum Tragen.

Exkurs: Kostensenkung durch Neuorganisation der Entsorgung

Die Entsorgung der Schnitt- und Abkantabfälle aus der Produktion wurde über Jahre hinweg durch einen einfachen Abhol- und Lieferdienst einer Entsorgungs-firma sichergestellt. Diese stellte der Otto Keller AG eine Mulde zur Verfügung, in welcher die Abfälle deponiert wurden, und wechselte sie jede Woche automatisch durch eine leere Mulde aus, unabhängig von der Menge der in der Zwischenzeit angefallenen Metallreste. Dafür erhielt Otto Keller jedes Mal eine Rechnung für die Abholung sowie eine Gutschrift für das Altmetall, die die Fahrtenrechnung je-weils nur unwesentlich verminderte.

438

Interview UB.

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Im Zuge der Neubeurteilung der Entsorgungsprozesse – als Folge der Umwelt-analyse – wurde auf Initiative des QMUM-Leiters die Abholfrequenz erheblich verringert: Er bestellte anstelle von einer Mulde zehn Mulden und änderte die re-gelmässige Abholung auf eine Abholung auf Abruf. In der Folge wurde der Lkw der Entsorgungsfirma nur noch dann bestellt, wenn alle Mulden voll waren. Dies brachte sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile: Da bei deutlich weni-ger Fahrten jeweils grössere Metallmengen transportiert wurden, konnten die Umweltbelastungen sowohl absolut als auch relativ verringert werden, und Otto Keller erhält seither nicht mehr Nettorechnungen, sondern Nettogutschriften, weil die Vergütungen für die Rezyklate die Kosten für die Transporte jeweils über-wiegen.

10.3.4 Veränderung der Umweltleistung Eine Betrachtung der Umweltleistung der Otto Keller AG ist aufgrund der Datenlage nur beschränkt möglich. Im Jahr 1996 wurde eine einfache Ökobilanz erstellt, die Umweltleistungsdaten in den Bereichen Energieverbrauch, Boden, Frisch- und Ab-wasser, Emissionen und Abfälle aufzeigt. Diese Bilanz wurde später nur noch für Energie und Abfälle aufdatiert und in die interne Umweltberichterstattung integriert. In Teilbereichen liegen hingegen Verbrauchsdaten bis zurück ins Jahr 1993 vor. Produktspezifische Umweltauswirkungen waren zu keinem Zeitpunkt Gegenstand der ökologischen Datenerfassung von Otto Keller.

Die erhobenen Daten zeigen, mit wenigen Ausnahmen, nicht physikalische Grös-sen, sondern die mit den Stoff- und Energieflüssen verbundenen Geldwerte (Ent-sorgungskosten, Energiekosten, etc.). Sie wurden immer als absolute Werte aus-gewiesen und nie auf geld- oder leistungsmässige Einheiten bezogen. Somit liegen heute weder ökologisch relevante Angaben zu absoluten Stoff- und Energieflüssen noch Belastungsdaten je Produkt- oder Umsatzeinheit vor. Der Geschäftsführer be-gründet dieses Vorgehen mit dem ungünstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis, das eine verfeinerte Datenerfassung mit sich bringen würde: „Wir haben das nur global für den Betrieb gemacht und nicht auf die Produkteinheiten bezogen, so tief konnten wir nicht gehen, dazu hätten wir mehr Personal gebraucht. Wir sind ein KMU mit 65 Mitarbeitenden und wir können das nicht ‚l’art pour l’art’ machen. Ich will damit nicht sagen, dass wir nur am finanziellen Ergebnis gemessen werden, sonst hätten wir das überhaupt nicht machen müssen. Aber wir wollten sehen, was uns die Umwelt-schutzmassnahmen bringen und wohin wir uns bewegen“. Die Erfassung von Kenn-zahlen zum UMS-Controlling ist somit auf ökonomische Ziele ausgerichtet, in Bezug auf Veränderungen der Umweltleistung lassen sich aus ihnen dennoch eini-ge wenige Aussagen ableiten:

• Der Stromverbrauch in der Produktion und der Administration konnte seit 1993 um rund 15% gesenkt werden. Der grösste Rückgang erfolgte 1994, seither be-wegt sich der Verbrauch auf einem relativ stabilen Niveau. Damit zeigt der Kur-

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venverlauf der Verbrauchsdaten keinen signifikanten Zusammenhang mit der Einführung des UMS 1996. Es sind zwar zahlreiche Massnahmen zur Reduktion des Stromverbrauchs realisiert worden, ihre Wirkungen sind jedoch in den Kennzahlen nicht feststellbar. Hier ist zudem zu vermuten, dass sich der grösste Teil der Schwankungen im absoluten Stromverbrauch mit unterschiedlichen Aus-lastungsgraden der Produktion erklären lässt.

• Der Wasserverbrauch konnte seit 1993 um rund 25% gesenkt werden. Die grösste Reduktion fand 1997 statt, ein Jahr nach der Erstzertifizierung. Der Was-serverbrauch war jedoch nie Gegenstand expliziter Umweltzielsetzungen.

• Seit 1996 Messroutinen für die Abwässer eingeführt wurden, können die pH-Werte und Schadstofffrachten wesentlich besser überwacht und gesteuert wer-den. Überbelastungen der ARA oder andere Störfälle treten seither nicht mehr auf und die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte ist sichergestellt.

• Die Abfälle werden bezüglich der Entsorgungskosten für „Siedlungsabfall“, „Sonderabfälle“ und „rezyklierbare Abfälle“ erfasst, die Abfallmengen werden nur teilweise ausgewiesen. Dieser auch im Rezertifizierungsbericht von 1999 be-mängelte Umstand erlaubt es nicht, Veränderungen des Abfallaufkommens zu verfolgen. Hingegen hat Otto Keller auf Basis des UMS ein effizientes und pra-xisgerechtes Recyclingkonzept implementiert, das mittlerweile auch die Abfälle von den Baustellen erfasst. Insgesamt konnte so die Sortenreinheit und damit die Rezyklierfähigkeit der Abfälle erheblich verbessert werden.

• Weitere Umweltentlastungen sind bei Umweltaspekten zu vermuten, zu denen kaum und gar keine Zahlen erfasst werden, wie z.B. Verbesserungen durch die Umstellung der Pkw-Flotte auf verbrauchsarme dieselbetriebene Fahrzeuge oder die Reduktion von Schadstoffen durch den Ersatz lösungsmittelhaltiger La-cke durch Lacke auf Wasserbasis.

Zusammenfassung der Ergebnisse des KVP Otto Keller hat sich im Zuge des UMS-Aufbaus und nach der Erstzertifizierung im-mer wieder bemüht, das UMS weiterzuentwickeln und die Umweltleistung gezielt zu verbessern. Diese Bemühungen waren stets auf die Optimierung der eingespielten Arbeitsprozesse ausgerichtet. Hier konnten denn auch rasch Fortschritte erzielt werden, die sich insbesondere in der Prozessoptimierung und in einem verbes-serten ökologischen Bewusstsein der Belegschaft äusserten. Einige der Verbesse-rungen sind mittlerweile derart weit in die Abläufe integriert, dass sie heute weder vom Management noch von den Mitarbeitern bewusst auf das UMS zurückgeführt werden, wie z.B. die regelmässigen pH-Messungen des Abwassers oder das mitt-lerweile als selbstverständlich erachtete Stör- und Notfallkonzept.

Weitergehende Entwicklungsprozesse waren in keiner der Entwicklungsdimensio-nen des UMS festzustellen. Dies belegen die auf die Ostschweizer Standorte be-schränkte Breitendiffusion und die fast ausschliesslich auf bestehende betriebliche

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Fallstudie Otto Keller AG 211

Abläufe limitierte Erweiterung der Reichhaltigkeit des UMS. In beiden Dimensionen lässt sich die Ausprägung der soft factors zur Höherentwicklung erkennen. Der KVP führte somit in keinem Bereich zu Veränderungen, die über die zum Zeitpunkt der Erstzertifizierung erkannten Handlungsspielräume hinausgegangen wären. Den-noch: Wenn auch die erhobenen Daten quantitative Aussagen über die ökologische Wirksamkeit des UMS nicht zulassen, so kann in vielen Bereichen eine – wenn auch geringe – UMS-induzierte Umweltentlastung verzeichnet werden.

10.4 Entwicklungsprozess von UMS und Unternehmung

Im folgenden Abschnitt wird der KVP von UMS und Umweltleistung im Zeitablauf beleuchtet und der Entwicklungsprozess in drei Phasen skizziert: Einer Phase des UMS-Aufbaus, einer Phase der Stagnation und einer Phase, in welcher umfassende Anpassungen des UMS an die prozessorientierten und strukturellen Bedürfnisse der Unternehmung vorgenommen wurden und die letztlich zur Zertifikatsaufgabe führ-ten:

Die erste Phase mit dem Aufbau des UMS war von relativ kurzer Dauer und sehr eng mit dem Aufbau des QMS verbunden. Auf den relevanten Märkten – zunächst in Deutschland, später in der Schweiz – zeichnete sich ab, dass die QMS-Zertifizie-rung zu einem strategischen Faktor und teilweise gar zu einer Eintrittsbarriere wer-den würde (vgl. Abschnitt 10.2). Eine UMS-Zertifizierung war hingegen kaum ein Thema, doch gab es auch hier Signale, aus denen sich eine künftige Markt- und Kundenforderung nach einem verantwortungsvollen Umgang mit umweltbezogenen Fragestellungen ableiten liess. Ein Beispiel war der Umgang mit Abfällen auf den Bau- und Montageplätzen, zu deren Entsorgung die Bauherren immer weniger be-reit waren – ein Zeichen dafür, dass die Baubranche zunehmend knapper kalku-lierte und immer mehr Kosten auf die Zulieferer abwälzte. Gleichzeitig waren bereits zu jenem Zeitpunkt die Teilmärkte der Otto Keller AG stark umkämpft, und ange-sichts der Nachfragesituation und der wenig komplexen Produkte war die Preisges-taltung das wichtigste Verkaufsargument. In dieser Situation sollten die zertifizierten Managementsysteme von Otto Keller die Kostenstrategie unterstützen und durch strategische Differenzierungspotenziale ergänzen.

Da das Unternehmen bis 1996 über keinerlei Vorerfahrungen, Strukturen oder Sys-teme im Zusammenhang mit Umweltschutzsaktivitäten verfügte, musste das UMS im Hinblick auf die ISO-14001-Zertifizierung vollständig neu aufgebaut werden. Diese Herausforderung stiess in den Abteilungen und Niederlassungen auf unter-schiedliche Resonanz. In dieser Phase leistete der Geschäftsführer viel Überzeu-gungsarbeit und war bei den internen Schulungen aller Mitarbeiter aktiv beteiligt. Die Verantwortung für die Schulungen wurden schon früh an die Vorgesetzten der einzelnen Bereiche übertragen, was die interne Verankerung des UMS förderte. Spezifisches ökologisches Fachwissen, das mehrheitlich durch externe Fachperso-nen in die Unternehmung getragen wurde, verteilte sich hingegen auf nur wenige

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212 Fallstudie Otto Keller AG

Schlüsselpersonen wie den QMUM-Leiter und den Geschäftsführer. Dass kurz zuvor bereits der Aufbau des QMS an die Hand genommen wurde, vereinfachte den Einführungsprozess und führte zu einer weitestgehend additiven Integration der beiden Systeme.

Im Zuge des Systemaufbaus wurden alle Unternehmensprozesse im Hinblick auf Qualitäts- und Umweltaspekte durchleuchtet, was zu allgemeinen Prozessanpas-sungen und Effizienzsteigerungen führte. Verschiedene spezifische Nutzenpoten-ziale des UMS stellten sich auf diese Weise rasch ein, wie insbesondere die oben genannten Kosteneinsparungen, die verbesserte Notfallvorsorge und die Sicherstel-lung der Legal Compliance. Zudem konnten die Beziehungen zu Behörden und – in geringerem Mass – zu anderen Anspruchsgruppen verbessert werden. Die System-arbeiten führten schliesslich auch zu Spill-over-Effekten in anderen Management-bereichen wie z.B. im Bereich der Arbeitssicherheit.439

Das implementierte UMS wie auch das QMS wurden in der Folge kaum verändert. Die Systementwicklung trat in eine Phase der Stagnation, die ca. bis ins Jahr 2000 andauerte. Die erhofften Marktreaktionen und der strategische Vorteil der ISO-Zertifizierung blieben aus. Ökologische Produktargumente hatten keinen wahrnehm-baren Einfluss auf die Kaufentscheidung der Kunden. Auch die Bevorzugung zertifi-zierter Anbieter bei Submissionen der öffentlichen Hand setzte sich nicht wie erwar-tet durch. Der Kostendruck auf den Märkten nahm weiter zu und die Wettbewerbs-situation verschärfte sich. Im Bereich Filtertechnologie setzte sich eine Markt-veränderung fort, die schon Mitte der 1990er Jahre eingesetzt hatte: Während der Kunde zuvor meist Filterapparate einkaufte und diese selber in seine Prozesse ein-fügte, erwartete er nun zunehmend umfassende Lösungen, die auch Planungs-arbeiten und andere Dienstleistungen beinhalten. Otto Keller sieht sich deshalb „heute viel näher am Kunden als früher“. Andererseits sind die Mengengerüste nach 1990 um bis zu 70% zurückgegangen. Der Geschäftsführer sieht darin eine direkte Folge davon, dass viele frühere Industriekunden die Produktion in der Zwischenzeit ins Ausland verlagert hätten. Der Schweizer Markt ist entsprechend gesättigt, und von den Anbietern im Beriech Filtertechnologie werden weitere substanzielle Preis-zugeständnisse gefordert. Umso wichtiger sind tiefe Produktionskosten, um im Wettbewerb bestehen zu können. Obwohl Otto Keller hier in den letzten Jahren sehr viel erreicht hat, bleiben ausländische Märkte in diesen Segmenten aufgrund der Kostenstrukturen ausser Reichweite.

Otto Keller versucht zwar auch in dieser Phase, die Diffusion des UMS voranzutrei-ben, doch bleiben die Erfolge weitgehend aus. Nach einer anfänglichen Ausweitung der Reichhaltigkeit des UMS setzt nun vielmehr eine tendenzielle Reduktion der Tiefendiffusion ein, wie eine Analyse der Zielkataloge aus den Jahren 1996 –2000 ergibt. Mögliche Ansatzpunkte, die zu Verbesserungen der Umweltleistung führen sollten, werden wieder aus dem Aktionsradius des UMS entfernt, nachdem deren

439

Vgl. dazu die Ausführungen zur Höherentwicklung des UMS in Abschnitt 8.3.3.

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Fallstudie Otto Keller AG 213

Realisierung scheitert (siehe auch Abschnitt 8.3.2). Dazu kommt, dass in Bereichen wie der Administration oder Teilen der Produktion die identifizierten Verbesserungs-potenziale nach kurzer Zeit erschöpft sind und keine neuen Potenziale gefunden bzw. geschaffen werden. Beispielsweise sind alle umweltrelevanten Verbesse-rungen bei den Büroarbeitsplätzen nach kurzer Zeit realisiert, sodass administrative Bereiche nicht weiter expliziter Gegenstand der Zielfestlegung oder des Controllings des UMS sind. Gleichzeitig fehlen für ökologische Produktinnovationen sowohl die Ansatzpunkte (die Produkte bieten kaum Raum für Weiterentwicklungen) als auch das Interesse der Kunden, und auf vorgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette verweigern die Lieferanten die Kooperation bzw. die Offenlegung ihres ökologischen Verhaltens. Für den Entwicklungsprozess von UMS und Umweltleistung hat dies eine deutliche Verlangsamung zur Folge.

Dennoch können auch in dieser Phase ökonomische Nutzenpotenziale, vorab in den Bereichen Energie- und Entsorgungskosten, realisiert werden. Auf die Produk-tionskosten wirken sich die geringeren Entsorgungskosten jedoch nur bedingt aus, denn die Einsparungen erhöhen den internen Aufwand wie z.B. für die Sortierung und Bereitstellung der einzelnen Reststoffe. Nach Auffassung des Geschäftsführers leidet das Kosten-Nutzen-Verhältnis des UMS zudem unter relativ hohen und wie-derkehrenden Zertifizierungskosten. Zusammen mit der erschwerten wirtschaft-lichen Situation führt dies dazu, dass intern der Nutzen der ISO-Zertifizierung von Mitarbeitern und Führungskräften zunehmend hinterfragt wird.

Die Kritik steht auch in engem Zusammenhang mit praktischen Fragen des QMS. Hier konnten zwar gerade in der Auftragsabwicklung dank der Definition von Stan-dardprozessen grosse Fortschritte erzielt werden. Doch liessen es branchenüblich knappe Zeitfenster oft nicht zu, die formalen Prozessvorgaben auch einzuhalten: „… wenn es nach dem Managementsystem ginge, dann dürften wir vermutlich die Hälf-te der Aufträge gar nicht annehmen, denn es fehlen Unterlagen oder die Architekten und die Ingenieurbüros kommen mit ihrer Arbeit nicht nach. Zwar ist der Ablauf ganz klar beschrieben mit Offertphase, Kalkulation, Machbarkeitsprüfung, etc., doch die entsprechenden Dokumente erhalten unsere Leute teilweise erst, wenn der Auftrag schon in der Ausführung ist. Oder sie müssen dann situativ reagieren. Jeder Auftrag ist anders.“440 Einzelne Prozessanforderungen, die ursprünglich im QMS verankert worden waren, wurden deshalb wieder aufgegeben, da sie sich als nicht praktikabel erwiesen hatten. Auf das UMS hatte dies keinen direkten Einfluss, indirekt nährte es dennoch Vorbehalte gegenüber den formalen Anforderungen der normierten Sys-teme.

Die dritte Phase wurde 2001 durch den Entscheid der Geschäftsleitung zur Auf-gabe der Zertifizierung von UMS und QMS und zur strukturellen Anpassung des integrierten Managementsystems an die Unternehmensbedürfnisse ausgelöst. Dies geschah primär aus Kosten-Nutzen-Überlegungen sowie aus Enttäuschung über die

440

Interview UB.

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214 Fallstudie Otto Keller AG

nicht eingetretenen Markteffekte. Der Geschäftsführer, der einen engen Kunden-kontakt pflegt, kann sich an kein Verkaufsgespräch seit der Erstzertifizierung erin-nern, an welchem die Zertifikate ein wichtiger Verhandlungsaspekt gewesen wären. Und der damalige QMUM-Leiter erinnert sich gar daran, dass die Hinweise auf die Zertifizierung an den Fahrzeugen wieder entfernt werden mussten, da „unsere Kun-den meinten, dass wir nun teurer seien als die Konkurrenz, weil wir zertifiziert sind“. Den ausbleibenden externen Nutzeneffekten standen die erwähnten internen und externen Aufwände gegenüber, die der Kostenstrategie zuwider liefen. Die Kosten für die Zertifizierung – sie beliefen sich pro Jahr auf rund CHF 10’000 – sind „… nur der kleinste Part. Es ist auch der Mann im Betrieb, der QMUM-Leiter, den man ab-setzen muss. Und wenn man das zusammenzählt, kostet das rasch CHF 60’000 bis 80’000, und das liegt nicht mehr drin, denn das bezahlt uns niemand.“441

Von primär nicht-marktlichen und internen Nutzeneffekten von UMS und QMS war die Geschäftsleitung von Otto Keller dennoch überzeugt, zumal nach Aussage des Geschäftsführers „Nicht-handeln“ im Umweltbereich „immer Geld kostet“. Er führt allen voran Sicherheits- und Kostenüberlegungen als Massnahmenschwer-punkte an, „… die jedem KMU gut tun, wenn es das macht.“ Dies war mit ein Grund, warum im Jahr 2000 das Managementsystem im Hinblick auf die Revision von ISO 9000f. noch mit viel Aufwand von der bisherigen Kapitelorientierung in ein prozess-orientiertes System überführt worden war. Die Hoffnung, dem System damit neue Impulse zu vermitteln und das Kosten-Nutzen-Verhältnis zu verbessern, konnte aber trotz Optimierungserfolgen nicht erfüllt werden. Dass kurz darauf der langjähri-ge QMUM-Leiter als wichtigster Know-how-Träger in Bezug auf System und Norm-anforderungen aus dem Unternehmen ausschied, war ein weiterer Grund für die Zertifikatsaufgabe.

Dem Verzicht auf die weitere Zertifizierung ging eine Analyse der zukünftigen KVP-Potenziale voraus. Die Geschäftsleitung kam mit Hilfe eines externen Bera-ters zum Schluss, dass die noch vorhandenen ökologischen Verbesserungsmög-lichkeiten, die ökonomisch vertretbar gewesen wären, als gering einzustufen wären. Beispielsweise wurde im Energiebereich erkannt, dass sich gewisse Spitzenver-bräuche theoretisch zwar hätten beseitigen lassen. Es zeigte sich jedoch, dass die Umsetzung der dazu erforderlichen organisatorischen Massnahmen nicht verhält-nismässig gewesen wäre: „Wir mussten uns sagen: Wenn jetzt einer an dieser Ma-schine arbeiten soll, dann können wir nicht eine andere abschalten, an der auch gearbeitet wird, nur um die Spitze zu brechen. Es ist ein Organisationsproblem. Wir sind in einer Grösse, bei der man sich sagen muss: Es ist halt einfach so!“. Fehlen-de Optionen für weitere Verbesserungsmöglichkeiten und eine geringe Umwelt-relevanz der Prozesse, verbunden mit fehlenden Einflussmöglichkeiten bei indi-rekten Umweltaspekten, führt der Geschäftsführer – neben Kostenargumenten –denn auch als Hauptgrund für die Zertifikatsaufgabe an: „Es ist wie beim Pokern – wenn man mal vier Asse hat, dann kann man sich nicht mehr verbessern.“

441

Interview GF.

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Fallstudie Otto Keller AG 215

Das integrierte Managementsystem wurde nicht aufgegeben, aber vereinfacht. Die UMS-Struktur enthält heute nur noch diejenigen Elemente, von denen sich das Un-ternehmen einen Mehrwert verspricht. Zahlreiche Dokumentationspflichten, die „von den Auditoren gerne geprüft werden“442, wurden abgeschafft. Laut dem Geschäfts-führer ist es z.B. nicht sinnvoll, jährlich einen umfassenden Qualitäts- und Umwelt-bericht zu verfassen, nur um schriftlich festzuhalten, dass alles wie gewünscht läuft, während sich inhaltlich und auch in Bezug auf die Unternehmensprozesse kaum etwas ändert. Das Fazit des Geschäftsführers offenbart die damit verbundenen Lernprozesse auf sehr pragmatische Weise: „Für unseren Betrieb mussten wir nach einer Analyse sagen: Gut, wir haben das Geld aufgeworfen, um das zu ma-chen, das war eine gute Sache, und sie hat gewisse Strukturen in den Betrieb ge-bracht. Aber die Langzeitwirkung bringt lange nicht das, was wir brauchen, und wir sind selber in der Lage, interne Audits durchzuführen und die Leute im Griff zu ha-ben. Das machen wir auch, und die Strukturen und das Prozesshandbuch werden beibehalten. Aber wir machen das nicht mehr so explizit und konsequent, wie wir das vorher gemacht haben. Wenn mal irgendwo auf einem Formular ein Datum oder eine Unterschrift fehlt, dann ist das nicht so schlimm.“ Weitergeführte UMS-Elemente sind primär die Verfahren zur Aufrechterhaltung der Rechtskonformität und zur Erfassung von Energie-, Entsorgungs- und anderen Stoffflussdaten. Mana-gement-Reviews zu UMS und QMS werden nicht mehr durchgeführt. Vorderhand werden auch keine Umweltziele mehr festgelegt, welche ökologische Verbesse-rungsprozesse im freiwilligen Bereich zur Folge hätten.

Die Aufgaben des UMS von Otto Keller liegen heute somit nicht mehr in der Verbes-serung der Abläufe, der zunehmenden Umweltentlastung und der Imagebildung. Sie liegen vielmehr im Erhalt des Status quo, insbesondere der Rechtskonformität, sowie in der Identifizierung und Nutzung von kostenrelevanten Optimierungspoten-zialen im Betrieb. Der KVP von UMS und Umweltleistung kam damit weitgehend zum Erliegen. Gleichzeitig hat Otto Keller nun ein Managementsystem, das sehr gut an die spezifischen Unternehmensbedürfnisse angepasst ist und sich auch künftig – ohne Rücksicht auf formale Ansprüche der Normen – an veränderte Begebenheiten anpassen lässt. Der Aufwand für die Aufrechterhaltung des Systems hat sich da-durch stark verringert: „Beispielsweise führen wir viele Statistiken nicht mehr weiter. Müssen wir auch nicht, für wen denn? Wir kennen die Rechnungen für Wasser und Strom, und wenn nicht, schaut man auf dem Konto nach, da müssen wir das nicht mehr auf Papier bringen. Wenn die Stromrechnung gegenüber dem Vorjahr drei Prozent höher ist, dann sind die Maschinen eben etwas mehr gelaufen.“ Ein weite-rer Effekt der Zertifikatsaufgabe ist die verbesserte Akzeptanz des Management-systems443 in der Belegschaft, wodurch die Verankerung von UMS und QMS in den Arbeitsprozessen weiter zugenommen hat. 442

Interview GF. 443

Ob hier die Bezeichnung Managementsystem nach der Aufgabe einzelner Systemelemente noch zutrifft, ist hinsichtlich des Begriffsverständnisses der ISO-Normen zumindest fraglich und davon abhängig, ob der Füh-rungskreislauf, aufbauend auf dem PDCA-Zyklus, aufrechterhalten wird.

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216 Fallstudie Otto Keller AG

Folgerungen Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Entwicklungsprozess des UMS nach der Erstzertifizierung von zwei wesentlichen Einflussfaktoren dominiert wurde: Erstens haben sich die Marktsignale, die ursprünglich zum Aufbau des UMS führ-ten, wider den damaligen Erwartungen nicht weiter entfaltet. Die Marktverhältnisse haben sich vielmehr so entwickelt, dass sie den ökologischen Fortschritt von Unter-nehmen wie Otto Keller eher hemmen: Für den Markterfolg zählt mehr denn je aus-schliesslich der Preis, und es wird eine genau definierte Leistung verlangt. Als Kon-sequenz darf Otto Keller nicht teurer produzieren als die Konkurrenz, wenn sie auf Dauer auf den angestammten Märkten überleben will. Ökologisches Verhalten muss deshalb zumindest kostenneutral sein. Zweitens wird die eigene ökologische Situa-tion als kaum verbesserbar wahrgenommen, was sich auf Sachzwänge, aber auch auf Wissensmängel und eine geringe intrinsische Motivation für freiwillige öko-logische Leistungen zurückführen lässt.

Die Wirkungen dieser prägenden Einflüsse waren vielfältig. Nach den anfänglichen (ökonomischen) Erfolgen wurde das Kosten-Nutzen-Verhältnis des UMS intern als zusehends schlechter wahrgenommen. Lag dies tatsächlich am UMS (bzw. IMS) oder galt dies für dessen ISO-Zertifizierung? Im vorliegenden Fall scheint die Zertifi-zierung keinen (Netto-)Nutzen für die Unternehmung generiert zu haben: Sie verur-sachte Kosten, die der wirtschaftlichen Situation von Otto Keller und dem hohen Kostendruck nicht gerecht werden konnten, und sie erforderte Abläufe und Struk-turen, die das Unternehmen nicht nutzenbringend einsetzen konnte. Gleichzeitig hatten sich die strategischen Ziele des UMS als unrealistisch erwiesen. Anderer-seits hatten UMS und QMS sehr wohl und auf unterschiedliche Weise zu internen Vorteilen geführt. Diese konnten jedoch auch unabhängig von einer Zertifizierung weiterhin genutzt werden. Der Verzicht auf die Weiterführung der Zertifizierung ist aus dieser Perspektive nachvollziehbar.

Eine weitere Folge der oben beschriebenen Einflüsse war, dass die UMS-Entwick-lung bzw. der KVP nicht über einfache, technische Optimierungsmassnahmen und Ablaufverbesserungen hinaus weitergeführt werden konnte. Die ökologischen Ziele, die Otto Keller mit dem UMS verband, waren auf diese Ebene limitiert. Der KVP wurde solange aufrechterhalten, bis diese Ziele erreicht waren, und Otto Keller hatte schon kurz nach der Erstzertifizierung ein Umweltleistungsniveau erreicht, das dem Unternehmen ausreichend erschien. Hier zeigt sich, dass die ISO-Zertifizierung und deren KVP-Forderung im Fall von Otto Keller keinen signifikanten Einfluss auf den ökologischen Entwicklungsprozess ausüben konnten.

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass einzelne Errungenschaften, die direkt durch das IMS ausgelöst worden waren, inzwischen derart weitgehend im Arbeitsalltag in-tegriert sind, dass sie heute weder von Mitarbeitern noch vom Management mit dem UMS oder QMS in Verbindung gebracht werden. Diese Erfolge werden intern denn auch nicht als Nutzen der Managementsysteme wahrgenommen. Daraus lässt sich zwar zum einen auf eine gute, wenn z.T. auch „unbewusste“ Verankerung ökolo-

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Fallstudie Otto Keller AG 217

gischer Verhaltensweisen im Unternehmen schliessen. Zum andern erschwert es jedoch die adäquate Einschätzung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses der Systeme.

10.5 Rolle der Zertifizierungsaudits für den KVP

Für Otto Keller diente die regelmässige externe Auditierung primär der Erfüllung der formalen Erfordernisse zum Zertifikatserhalt. Wie sich die Auditierungsroutinen in der Praxis darstellten und inwiefern sie den KVP fördern konnten wird im Folgenden näher untersucht und analysiert.

Auditpraxis In den sechs Jahren, in denen UMS und QMS der Otto Keller AG ISO-zertifiziert waren, wurde das Unternehmen immer vom selben externen Auditor und derselben Zertifizierungsorganisation betreut. Der Auditor war ursprünglich als UMS-Auditor tätig, bevor er sein Fachgebiet auf Qualitätsmanagementsysteme erweiterte. Dem Geschäftsführer der Otto Keller AG war es sehr willkommen, dass er von Beginn an mit derselben Fachperson für beide Managementsysteme arbeiten konnte. Auch war er von dessen Kompetenz überzeugt, da er als ehemaliger Uhrenkonstrukteur mit den Abläufen und Verhältnissen in einem kleinen Industrieunternehmen gut ver-traut war. Die jährlichen, meist eintägigen Überwachungsaudits führte der Auditor i.d.R. allein durch, nur das Zertifizierungsaudit 1996 und das Wiederholaudit 1999 dauerten jeweils drei Tage, und die Zertifizierungsgesellschaft setzte dazu maximal drei Auditoren ein. Geprüft wurde neben der Produktion, der Geschäftsleitung und der Systemverwaltung regelmässig auch eine Auswahl von Baustellen und/oder Filialbetrieben.

Alle Audits fanden kombiniert für UMS und QMS statt. Für den Auditor ist es selbstverständlich, bei kombinierten Audits der Prüfung beider Systeme ausrei-chend Raum zu lassen: „Das UMS geht auf keinen Fall unter neben dem QMS. Wenn ich ISO 14001 auditiere, dann will ich wirklich auch ISO 14001 sehen.“ Gleichzeitig ist der Stellenwert von UMS und QMS im Rahmen der Auditierung je-doch vom implementierten System abhängig. Der Auditor verweist darauf, dass bei „Top-Systemen“ immer beide Aspekte integriert betrachtet werden können, während es andererseits vorkommt, dass „… man etwas Druck machen und die Umwelt-leistung wirklich suchen muss“. Bei vielen Unternehmen führt er dies aber auch auf „Nichtwissen“ und einen „wenig ausgereiften spezifischen Bildungsstand der Audi-tierten zurück“.

Nach Ansicht der Beteiligten seitens Otto Keller stand das QMS im Auditablauf je-weils im Mittelpunkt, während das UMS oftmals nur am Rand angesprochen wur-de. Typischerweise wurde während eines Auditgesprächs zum Beispiel danach ge-fragt, wie der betreffende Mitarbeiter mit dem Abfall umgeht, „... einfach, um zu se-hen, wie die Leute reagieren.“ Laut dem Geschäftsführer lag dies vor allem an der geringen Umweltrelevanz von Prozessen und Produkten mit der Folge, dass das

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218 Fallstudie Otto Keller AG

UMS über die Jahre hinweg nur zu wenigen Aktivitäten und Umweltschutzmass-nahmen geführt hatte: „Wir haben an den Audits – einfach gesagt – gezeigt, dass wir unsere Kennzahlen erhoben, die pH-Werte im Abwasser gemessen und nach und nach die Fahrzeuge durch Dieselfahrzeuge ersetzt haben (…), und mehr war da nicht. Der Auditor hat generell die Dokumentenprüfung gemacht, und wir sind auf die Baustellen zu den Monteuren gefahren, um zu sehen, wie die das handhaben.“ Auch dort wurde schwerpunktmässig die Einhaltung der Vorgaben zur Dokumenten-lenkung und der Projektabläufe aus dem QMS geprüft, während das UMS regel-mässig als Nebenthema angesprochen wurde.

Anforderungen an den KVP Der Auditor erachtet die Prüfung kontinuierlicher Fortschritte als festen Bestandteil von Audits, insbesondere im Zusammenhang mit dem UMS. Ihm geht es dabei zu-nächst um Systemverbesserungen: Die Konsistenz von Leitbild und Umweltzielen, deren Berücksichtigung in der Prozessgestaltung und in den Mitarbeiterzielen sowie die generelle Funktionsweise und Wirksamkeit des PDCA-Regelkreislaufs: „Ich ach-te darauf, wie das System entwickelt wird, ob es verfeinert und optimiert wird, ob die Leute einbezogen werden, und wie sich die Leistung verändert.“ Die auditierte Un-ternehmung wird dazu gezielt nach Verbesserungen befragt: „Ich will wirklich sehen, wo sie sich verbessert haben. Auch will ich über die Zeitachse hinweg die Nachhal-tigkeit und die kontinuierliche Entwicklung nachvollziehen können.“ Um Umweltleis-tungsverbesserungen transparent zu machen, hält er das Vorliegen von Kennzah-len für unbedingt erforderlich. Hier ergibt sich gemäss seiner Erfahrung in der Pra-xis allerdings die Problematik, dass Zeitreihenvergleiche vielfach nur bedingt aus-sagekräftig sind. Ein typisches Beispiel sind Firmen, die Stoff- und Energieflüsse mit Umsatzzahlen in Beziehung setzen. In solchen Fällen können sich die Zahlen auch dann verschlechtern, wenn sich die Umweltleistung de facto (relativ oder absolut) verbessert hat (oder umgekehrt). Daher verwendet der Auditor auch andere Grös-sen, Rahmenbedingungen und Entwicklungen als Grundlage für die Interpretation der Umweltleistungsentwicklung.

Anstelle von Minimalforderungen zum KVP stellt er den Nutzen des KVPs für die Unternehmung in den Vordergrund der Auditgespräche. Seiner Ansicht nach ist es bei zahlreichen Betrieben immer wieder notwendig, die aus dem KVP heraus er-zielten und erzielbaren Verbesserungen, Optimierungen und Innovationen als Nut-zenpotenziale für die gesamte Unternehmung darzustellen. Erst diese rechtfertigen letztlich die Kosten für Qualitäts- und Umweltmanagementsysteme: „Bei gewissen Kunden, die ich gut kenne, sage ich sogar: Schaut, wenn ihr das Geld uns gibt und es bringt Euch nichts, dann ist das schade. Und wenn ihr dieses Geld dann trotz-dem ausgeben möchtet, dann gibt es nicht uns, sondern einer wohltätigen Organi-sation. Damit provoziere ich verschiedentlich meine Kunden, um sie wachzurütteln und zu sagen: Um Himmelswillen, macht doch etwas aus dem Geld!“ Ähnliche Au-dit-Diskussionen wurden auch bei Otto Keller im Zusammenhang mit der Nutzenbe-urteilung von UMS, QMS und kontinuierlichem Fortschritt immer wieder geführt.

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Fallstudie Otto Keller AG 219

KVP-Impulse aus externen Audits Führten die Überwachungs- und Rezertifizierungsaudits zu Impulsen für die Ver-besserung von UMS und Umweltleistung? Für den Auditor ist es eine weit verbrei-tete Tatsache, dass ISO-14001-zertifizierte Unternehmen über kurz oder lang Mühe im Auffinden weiterer Verbesserungspotenziale bekunden. Umso bedeutender schätzt er die Diskussion über mögliche Entwicklungsschritte und das Vermitteln neuer Perspektiven anlässlich der Audits ein: „Ich versuche dann immer, nach neu-en Kriterien zu suchen, die das verfeinern. Beispielsweise könnte man auf die Mit-arbeiter-Ebene gehen und schauen, wie viel CO2 die Angestellten brauchen, um zum Arbeitsplatz zu gelangen. Ich habe das auch schon angeregt, denn auch das ist Umweltleistung, die ein Betrieb indirekt beeinflussen kann.“ Ein Ziel der Audits liegt entsprechend darin, im Gespräch den Betrachtungshorizont der Auditierten zu erweitern und bei Bedarf auch unkonventionelle Ansätze einzubringen.

Seitens Otto Keller werden positive Impulse im Zusammenhang mit dem QMS ge-nerell bestätigt, im Umweltbereich sei dieser Effekt hingegen auf die ersten Jahre nach der Erstzertifizierung beschränkt geblieben: „Zumindest in der Anfangsphase gab es viele ‚Aha-Erlebnisse’, da hatten wir immer Herzklopfen, und die drei Tage waren wirklich hart. 1997/98 war es ähnlich, aber danach haben wir nicht mehr viel profitiert.“444 Auch der Geschäftsführer erinnert sich an Impulse aus den Audits, je-doch „… nur in einem sehr begrenzten Rahmen.“ Tatsächlich kam es anlässlich der Audits oft zu intensiven Diskussionen und zur Frage, was man als Unternehmen mit wenigen verbleibenden Verbesserungspotenzialen machen könne, um sich dennoch kontinuierlich zu verbessern: „An den letzten zwei oder drei Audits war das ein grosses Thema. Auch wenn wir schon ein hohes Niveau haben: Es gibt immer etwas, das man verbessern kann. Aber nur etwas heranziehen, um damit Augenwi-scherei zu betreiben, das wollen wir auch nicht.“445 Im Rahmen dieser Diskussionen wurden sowohl betriebs- als auch produktökologische Ansatzpunkte, z.B. die Re-duktion des Stahlblechverbrauchs oder das Recycling von verbrauchten Verdün-nern, angesprochen, doch erwiesen sich die vorhandenen Potenziale als begrenzt.

Die Hinweise und Inputs der Auditoren wurden auch nicht über den Zertifizierungs-zeitraum hinweg gleichermassen aufgenommen, sondern zunehmend reflektiert und nur umgesetzt, wenn Otto Keller davon überzeugt war. Dies führte zu Lerneffekten, die der Systemverantwortliche wie folgt beschreibt: „In der Anfangsphase haben wir alles gemacht, was die Auditoren sagten. Mit der Zeit merkten wir aber, dass diese Aussagen nicht zwingend umgesetzt werden mussten. Und wenn wir erklärten, aus diesem oder jenem Grund spricht etwas gegen eine Lösungsmöglichkeit, dann meinten die Auditoren sehr bald: ‚Dann lassen wir das halt‘. Anfangs waren wir die, die Informationen hereingeholt haben, doch als sich das System verankert hat und wir immer mehr hinterfragt haben, was sinnvoll ist und was nicht, kam man in einem guten Dialog zusammen mit den Auditoren vielfach auf diejenige Lösung, die wir 444

Interview UB. 445

Interview GF.

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220 Fallstudie Otto Keller AG

schon vorher im Kopf hatten, die aber 1996, in der Zertifizierungsphase, von den Auditoren kaum akzeptiert worden wäre.“

Der damalige QMUM-Leiter beurteilt den Zertifizierungsauditor im Nachhinein als „korrekt“ und „… schon eher scharf“, da er auch bei Detailfragen oft sehr genau hin-geschaut habe. Er glaubt allerdings, dass die Anforderungen für die Zertifizierung heute höher, aber auch praxisgerechter seien als damals. Der äussere Druck durch die Audits half Otto Keller, das Niveau von UMS und QMS aufrecht zu erhal-ten und veranlasste die Mitarbeiter jeweils dazu, die Audits gut vorzubereiten, die Arbeitsdokumente zu prüfen und bei Bedarf zu aktualisieren. Der Geschäftsführer sieht im äusseren Druck deshalb einen positiven Impuls für die Weiterentwicklung der Systeme, kann sich darüber aber wenig freuen: „Eigentlich sollte das nicht so sein. Man macht das ja für sich selber bzw. für die Unternehmung, nicht für den Au-ditor.“ Letztlich sah er denn auch wenig Nutzen in den Entwicklungsschüben, die jeweils vor den Audits festzustellen waren: Sie blieben vor allem an die Forderun-gen der Norm und den Erwartungen des Auditors ausgerichtet und orientierten sich kaum an den Unternehmensbedürfnissen. Ähnlich beurteilt dies auch der damalige Systemverantwortliche, der auf eine zunehmende Routinisierung im Umgang mit den Auditvorbereitungen hinweist und den Nutzen des äusseren Drucks im Zeitab-lauf schwinden sah: „Gebracht haben die Audits so gesehen nicht viel. Wir haben immer gewusst, was gefordert ist. Wir haben gewusst, wo die Schwerpunkte gelegt werden, wir haben auch gewusst, was der Auditor anschauen will, und wir haben uns so eine gewisse Routine erarbeitet. (…) Wenn man eine hohe Auslastung hatte, war das manchmal trotzdem zuviel. Ich habe teilweise auch Prioritäten setzen müs-sen, was die Seriosität anbelangt. Aber wir haben immer versucht, ein offenes Ge-spräch zu führen“.

Der Auditor bestätigt diese Problematik der zunehmenden Routine bei lang-jährigen Kunden, die letztlich auch dazu führen kann, dass die Auditierung weniger Impulse und weniger Nutzen für die Unternehmung bringen: „Wenn man sich länger kennt, dann weiss man natürlich, wo die Stärken und Schwächen der einzelnen Leute liegen. (…) und dass die Diskussion nach dreimal Auditieren nicht mehr die-selbe ist wie nach dem ersten Mal, das ist schon klar.“ Dagegen führt er zwei Mass-nahmen an: Erstens versucht er, die Audits möglichst unterschiedlich und für den Kunden inhaltlich teilweise überraschend zu planen, und zweitens sieht die Zertifi-zierungsorganisation die Möglichkeit vor, den Auditor von sich aus auszuwechseln (üblicherweise nach 6–10 Jahren), was nach Meinung des Auditors auf jeden Fall sinnvoll ist: „Der hat dann vielleicht andere Ansatzpunkte und andere Ideen, das gibt dann wieder neuen Wind.“

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Fallstudie Otto Keller AG 221

Zertifikatsaufgabe Die Gründe für die Zertifikatsaufgabe der Otto Keller AG sehen der Auditor und der Geschäftsführer des Unternehmens unterschiedlich. Für den Geschäftsführer waren neben den geringen Verbesserungspotenzialen vor allem die monetären Folgen der Audits ausschlaggebend, die mit dem Nutzen in einem unbefriedigenden Ver-hältnis standen: „Dass dann jedes Jahr ein Polizist vorbeikommt, um zu prüfen, ob die Firma noch immer systemkonform arbeitet, dass das dann für einen Tag 2’500 bis 3’000 Franken kostet, dass man dann alle 3 Jahre 15’000 bis 20’000 Franken ausgeben muss, weil sie dann zu zweit oder zu dritt die Firma röntgen, da muss man sagen: das ist kein akzeptables Kosten-Nutzen-Verhältnis. Wir haben deshalb beides, ISO 14001 und ISO 9001, nicht mehr zertifizieren lassen. Primär aus Kos-tengründen.“

Der Auditor vergleicht die Entscheidung von Otto Keller, die er eher als ein „Time-out“ denn als eine definitive Absage an die Zertifizierung versteht, mit seinen Erfah-rungen bei anderen Unternehmen. Wirtschaftlichkeitsüberlegungen hätten dabei mit Sicherheit eine Rolle gespielt, nachdem sich die Marktbedingungen für Otto Keller in den letzten Jahren erschwert hätten. Doch sieht er die Problematik vor allem in der mangelnden Verankerung des Systems im Unternehmen. Diese Situation trifft er vorwiegend bei kleinen und mittelgrossen Unternehmen an, in denen sich auch die obersten Führungsebenen fast ausschliesslich mit Akquisitionsaktivitäten be-schäftigen, um genügend hohe Umsätze für das Überleben des Betriebs zu erwirt-schaften. Für die Beschäftigung mit innengerichteten Führungsaspekten und für die Prozessoptimierung fehlt dabei oftmals die Zeit. Dies mache es sehr schwierig, Ma-nagementsysteme am Leben zu erhalten und nach deren Aufbau den KVP weiter-zuführen. Der Geschäftsführer von Otto Keller bestätigt dies, indem er die Proble-matik vor allem für kleinere Unternehmen sieht: „Man braucht eine gewisse Be-triebsgrösse, damit man ein solches System lückenlos aufrechterhalten kann“. Letztlich sind denn auch die externen Audits und die dabei geführten Diskussionen wenig fruchtbar, wie der Auditor rückblickend feststellt: „Ich habe immer das Ge-fühl gehabt, dass wenn ich nach den Audits wieder gegangen bin und die Tür hat sich hinter geschlossen, dann sei all das Diskutierte für das Unternehmen wieder vorbei gewesen. Das ist schade.“

Zusammenfassung und Fazit Wenn der Geschäftsführer der Otto Keller AG den externen Auditor als „Polizist“ bezeichnet, dann vermittelt dies ein adäquates Bild über die Art und Weise, wie die Audits von den beteiligten Mitarbeitern und den Führungskräften wahrgenommen worden waren. Das Unternehmen hatte sich mit dem Aufbau des Management-systems auf der Grundlage der Normen ISO 14001 und ISO 9001 ein Führungs-instrument erarbeitet, das ihm in den ersten Jahren einen guten Rahmen für die Schaffung von Transparenz und für die Optimierung der bestehenden Systeme bot. Obwohl zunächst externe Wirkungen damit hätten erzielt werden sollen, führte das neue Managementsystem auf diese Weise seit dessen Aufbau vor allem zu inter-

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222 Fallstudie Otto Keller AG

nem Nutzen. Hingegen scheint die Weiterentwicklung und Konsolidierung des Sys-tems durch die formalen Erfordernisse, die sich aus der Zertifizierung ergaben, er-schwert worden zu sein. So führten bevorstehende Überwachungs- und Rezertifizie-rungsaudits in erster Linie zu formalen Anpassungen mit dem Ziel, die Zertifizierung aufrecht zu erhalten. Solche Aktualisierungs- und Weiterentwicklungsaktivitäten wa-ren weder zeitlich noch inhaltlich auf die Bedürfnisse der Organisation abgestimmt, sie waren im Wesentlichen auf (tatsächliche oder vermeintliche) Forderungen des Auditors und auf Normvorgaben ausgerichtet – ein Aufwand, von welchem die Un-ternehmung kaum profitierte. Ein KVP, der zu einer substanziellen Weiterentwick-lung des UMS und der Umweltleistung geführt hätte, konnte sich ob dieser von Formalismus geprägten Aktualisierungs- und Optimierungstätigkeiten, die sich no-tabene nur auf die Oberfläche der Systeme auswirkten, kaum entwickeln, und der Aufwand für den Zertifikatserhalt erschien immer weniger gerechtfertigt. In den Ge-sprächen mit Otto Keller kam jedoch auch deutlich zum Ausdruck, dass die für die Zertifikatsaufgabe mitverantwortlichen formalen Anforderungen des Zertifikatser-halts im Wesentlichen auf die QMS-Zertifizierung und nur am Rande auf ISO 14001 zurückzuführen waren.

Die Auditroutinen und die dabei geführten Diskussionen konnten den KVP von UMS und Umweltleistung ebenfalls nicht nachhaltig fördern. Dies lag erstens an man-gelnden externen Anreizen und am mangelnden Bedürfnis der Unternehmung zur Weiterentwicklung der Systeme, da diese bereits weitgehend optimal im Sinne der Unternehmensziele und der Vorstellungen des Managements ausgestaltet waren. Zweitens lag dies daran, dass das mittlerweile erreichte Umweltleistungsniveau als kaum verbesserbar wahrgenommen wurde. Entsprechend schwierig war es, neue Verbesserungspotenziale zu identifizieren und für deren Realisierung im Unterneh-men (sowohl im Management als auch in der Produktion und auf den Baustellen) ausreichendes Verständnis und Unterstützung zu finden. Die externen Audits wur-den denn auch kaum als Lernplattform genutzt, da neben sinnvoll erscheinenden Ansatzpunkten auch die Motivation und Bereitschaft für die kontinuierliche Verbes-serung von UMS und Umweltleistung fehlten. Obwohl der Auditor viel Wert darauf legte, Impulse und Anregungen zum KVP und zur Überführung den IMS in ein nut-zenbringendes Führungsinstrument zu vermitteln, dominierte aus der Perspektive des Unternehmens entsprechend der Überwachungscharakter.

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11 Vergleichende Fallstudienanalyse

In den vorangegangenen Fallstudien wurden drei Unternehmen hinsichtlich ihrer spezifischen Vorgehensweise, ihrer Rahmenbedingungen und ihrer Besonderheiten in der Umsetzung der von ISO 14001 geforderten kontinuierlichen Verbesserung von UMS und Umweltleistung untersucht. Mit der vergleichenden Analyse werden nun die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede der Fallstudien herausgearbeitet. Im Mittelpunkt stehen diejenigen Aspekte und Elemente, die zur Beantwortung der eingangs entwickelten Forschungsfragen beitragen. Auf diesen Fragen basierend war das Untersuchungsraster für die Fallstudien so angelegt, dass zunächst eine Bestandsaufnahme vorgenommen und die Ergebnisse des KVP im jeweiligen Un-ternehmen zusammengetragen und systematisiert wurden. Danach wurden die Ent-wicklungen im Zeitablauf betrachtet: Hier wurde der KVP mit den Veränderungen im Unternehmensumfeld, der allgemeinen strategischen Reaktion des Unternehmens und der Entwicklung der UMS-Struktur in Beziehung gesetzt, um vor diesem Hintergrund den Nutzen des UMS für die Unternehmung in den einzelnen Ent-wicklungsphasen zu erfassen. Schliesslich wurde der Einfluss der externen Zerti-fizierungsroutinen auf den KVP von UMS und Umweltleistung erörtert. Diesem Vor-gehensmuster entspricht auch der Aufbau des vorliegenden Kapitels. Zunächst er-folgt jedoch eine Gegenüberstellung der Beweggründe und Ziele des UMS-Einsat-zes in den Fallstudienunternehmen und der innerbetrieblichen Rahmenbedingungen des KVP.

11.1 Die Fallstudienunternehmen

Die Auswahlkriterien für die empirische Untersuchung hatten im Kern zum Ziel, Un-ternehmen mit der Erstzertifizierung des UMS an einem vergleichbaren Punkt ihrer umweltorientierten Unternehmensgeschichte zu erfassen und ihren UMS-bezo-genen Werdegang über mehrere Jahre hinweg zu dokumentieren und zu analy-sieren. Als Gemeinsamkeit gehören die drei betrachteten Schweizer Unternehmen der Pioniergeneration ISO-14001-zertifizierter Organisationen an und sind in der metallverarbeitenden Industrie tätig sind. Dass die Unternehmen darüber hinaus weitere Parallelen aufweisen, wie z.B. in Bezug auf die Eigentümerstruktur, war nicht beabsichtigt. Vor allem aber wurde bewusst darauf verzichtet, Unternehmen dieser Zertifizierungsgeneration in einer Breite zu erfassen, die eine hohe Reprä-sentativität der Erkenntnisse erlauben würde. Mit dem Sample sollten vielmehr mög-lichst unterschiedliche grundsätzliche Zielsetzungen von UMS erfasst werden. Die Auswahlkriterien, wie sie in Kapitel 7 beschrieben worden sind, sollten dieser Zielsetzung als Ausdruck einer explorativen Forschungsstrategie Rechnung tragen.

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224 Vergleichende Fallstudienanalyse

Tab. 20: Überblick über die Fallstudienunternehmen

Tab. 20 fasst die wichtigsten Eckwerte der untersuchten Unternehmen zusammen. Sie unterscheiden sich deutlich hinsichtlich der Firmengrösse, der Firmenstruktur und der Produktesparten. Differenzen ergeben sich auch bezüglich der Zielmärkte und der marktbezogenen Anspruchsgruppen. Damit verbundene Unterschiede in den ökologischen Forderungen und die Handlungsspielräume für ökologische Mass-nahmen erwiesen sich in der Praxis dennoch als gering. Weitgehend vergleichbar sind zudem die Produktions- und übrigen Leistungsprozesse und damit die direkten und indirekten Umweltaspekte, die vom UMS erfasst werden können.

Der Entscheidung zum Aufbau des UMS und zu dessen Zertifizierung lagen in allen drei Fällen mehrere Überlegungen zugrunde. Keines der Unternehmen war von Marktpartnern oder einem übergeordneten Unternehmen zur Zertifizierung „ge-zwungen“ worden. Signale aus dem marktlichen, politischen oder gesellschaftlichen Umfeld, die die UMS-Implementation nahe gelegt hätten, gab es nicht, doch wurde – wie im Fall von Otto Keller – das zunehmende Interesse der Nachfrager an einer QMS-Zertifizierung mit einer künftig wachsenden Bedeutung auch des Umwelt-schutzes als Marketingargument interpretiert. Bei Lista und Schweizer spielten in-trinsische Überlegungen eine prägende Rolle für den UMS-Aufbau, der für beide Unternehmen die „natürliche“ Fortsetzung einer langjährigen umweltbewussten Un-ternehmensführung darstellte.

Familienunter-nehmen, nicht börsenkotiert

Familienunternehmen, nicht börsenkotiert

Familienunter-nehmen, nicht börsenkotiert

Besitzstruktur

UMS als Projekt-erweiterung des QMS-Aufbaus

Gleichzeitiger Aufbau von UMS und QMS

QMS teilweise bereits vorhanden (je nach Standort)

QMS während UMS-Aufbau

„oberflächlich“„engagiert“„idealistisch“Motivationstyp

NeinJaNein, aber seit Jahren betriebs-ökologische Massnahmen

Vorerfahrungen mit UMS

Produktions-, Planungs- und Montagebetrieb. Regionale Vertretungen in der Ostschweiz

Produktions-, Planungs- und Montagebetrieb. Tochterfirma und regionale Vertretungen in der Schweiz

International tätige Holding mit Produk-tionsbetrieben und Verkaufsbüros weltweit

Organisations-struktur

Entstaubungs-apparate, Heizung / Lüftung / Klima

Briefkästen, Fassaden-elemente, Brand-schutztüren, Solar-anlagen

Büromöbel, Betriebs-einrichtungen

Produkte

624201100 (weltweit)Angestellte (2003)

Otto Keller AGErnst Schweizer AG, MetallbauLista AG

Familienunter-nehmen, nicht börsenkotiert

Familienunternehmen, nicht börsenkotiert

Familienunter-nehmen, nicht börsenkotiert

Besitzstruktur

UMS als Projekt-erweiterung des QMS-Aufbaus

Gleichzeitiger Aufbau von UMS und QMS

QMS teilweise bereits vorhanden (je nach Standort)

QMS während UMS-Aufbau

„oberflächlich“„engagiert“„idealistisch“Motivationstyp

NeinJaNein, aber seit Jahren betriebs-ökologische Massnahmen

Vorerfahrungen mit UMS

Produktions-, Planungs- und Montagebetrieb. Regionale Vertretungen in der Ostschweiz

Produktions-, Planungs- und Montagebetrieb. Tochterfirma und regionale Vertretungen in der Schweiz

International tätige Holding mit Produk-tionsbetrieben und Verkaufsbüros weltweit

Organisations-struktur

Entstaubungs-apparate, Heizung / Lüftung / Klima

Briefkästen, Fassaden-elemente, Brand-schutztüren, Solar-anlagen

Büromöbel, Betriebs-einrichtungen

Produkte

624201100 (weltweit)Angestellte (2003)

Otto Keller AGErnst Schweizer AG, MetallbauLista AG

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Vergleichende Fallstudienanalyse 225

Lista und Schweizer wiesen denn auch schon vor dem UMS-Aufbau langjährige Erfahrungen mit Umweltschutzmassnahmen im freiwilligen Bereich auf. Bei beiden bildete die Betriebsökologie, insbesondere das Energiemanagement, bis dahin den Aktivitätenschwerpunkt, für Schweizer hatte Umweltschutz aber immer auch wettbe-werbsstrategische Gründe, und spezifische ökologische Merkmale bilden seit Jahr-zehnten einen wichtigen Bestandteil der Produktpalette. Auch führte Schweizer be-reits 1992 eine erste Ökobilanzierung durch, woraus Umweltziele und -massnah-men abgeleitet wurden, und entwickelte damit erste Ansätze eines systematischen Umweltmanagements. Für Otto Keller war demgegenüber das Thema Umwelt-schutz, soweit dieser nicht von Gesetzes wegen vorgeschrieben war, weitgehend neu.

Bei allen drei Unternehmen spielte das Qualitätsmanagement für die Einführung des UMS eine grosse Rolle als unterstützendes bzw. auslösendes Moment. Der Aufbau der beiden Systeme erfolgte jeweils sehr zeitnah zueinander: Schweizer baute von Anfang an ein integriertes, prozessorientiertes QMUM-System auf, Otto Keller erweiterte sein ursprüngliches QMS-Projekt noch vor dessen Zertifizierung um die Anforderungen der neuen ISO 14001, und Lista ergänzte ihr zertifiziertes QMS um das inzwischen publizierte UMS, bevor das System dann als integriertes Managementsystem auf die übrigen Schweizer Standorte übertragen wurde. Auf den engen Bezug von UMS und QMS deutet bei Otto Keller darüber hinaus die Tat-sache hin, dass die späteren Diskussionen zur Zertifikatsaufgabe nie auf der Ebene der einzelnen Systeme geführt wurden, sondern immer nur in Bezug auf das Ge-samtsystem und auf beide Zertifikate.

Welche allgemeinen Ziele verfolgen die Unternehmen mit dem UMS? Für Lista geht es grundsätzlich darum, die Unternehmung „sauber“ und effizient zu führen, was so-wohl Umwelt- als auch Qualitäts-, Arbeitssicherheits- und andere Managementas-pekte betrifft. ISO 14001 ist dazu mehr als nur ein Hilfsmittel, stellt sie doch die grundlegende Struktur des integrierten Managementsystems dar. Für Schweizer ist ISO 14001 ein Werkzeug, das die kontinuierliche Verbesserung von UMS und Um-weltleistung sicherstellen und Innovationsprozesse unterstützen soll. Lista und Schweizer erachten das UMS als festen Bestandteil einer nachhaltigen Unterneh-mensführung. Für Otto Keller sollte das UMS-Zertifikat primär Aussenwirkungen zei-tigen. Diese verschiedenartigen Einsatzgebiete zertifizierter UMS zeigen, dass sich die ISO-Normvorgaben mit sehr unterschiedlichen Zielsetzungen ausfüllen lassen und bekräftigen damit die diesbezüglichen Beobachtungen von Hamschmidt446.

446

Vgl. HAMSCHMIDT (2001), S. 214.

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226 Vergleichende Fallstudienanalyse

Strukturelle Rahmenbedingungen des KVP Die Gegenüberstellung zeigt, dass die Gestaltung des UMS-Führungskreislaufs und damit der strukturellen, innerbetrieblichen Rahmenbedingungen des KVP über-all ähnlich festgelegt ist. Dies gilt insbesondere für die Zielsetzungs- und Control-lingaufgaben zur Überwachung der Umweltzielerreichung auf Stufe der Geschäfts-führung. Sie haben sich bei den Fallstudienunternehmen nach der Erstzertifizierung nur wenig verändert.447 Im Gegensatz zu den definierten Prozessen unterscheidet sich die faktische Umsetzung dieser Aufgaben in den Einzelfällen jedoch deutlich. So ist der KVP von UMS und Umweltleistung bei Schweizer und – in geringerem Mass – bei Lista im Vergleich zu Otto Keller stärker als explizites Führungsthema verankert. Gemeinsam ist den Unternehmen, dass das Festlegen von Umweltzielen überall zur „Chefsache“ erklärt wurde. Doch während die oberste Geschäftsleitung von Schweizer selber Grobziele diskutiert, verabschiedet und zur Umsetzung an die Umweltfachstelle und in die Linien delegiert, sind es bei Lista und Otto Keller die internen UMS-Spezialisten, die mögliche Ziele und Massnahmen erarbeiten und diese der Geschäftsleitung zur Genehmigung vorlegen.

Im Zuge des UMS-Aufbaus wurden in allen untersuchten Unternehmen Strukturen zur Mitarbeitereinbindung bei der Identifikation ökologischer Ansatzpunkte einge-richtet. Heute sind Bottom-up-Prozesse bei Schweizer, Lista und Otto Keller syste-matisiert, wobei sie bei Schweizer weitgehend und bei Lista teilweise auf spezifi-sche Fragestellungen fokussiert und in Form von gezielten Einbindungsaktionen eingesetzt werden. Faktisch haben Bottom-up-Prozesse aber als Impulsquelle für die Weiterentwicklung des Umweltschutzes bei allen Unternehmen nach der Erst-zertifizierung an Bedeutung verloren. Dies zeigt sich an einem mengenmässig star-ken Rückgang umwelt- (und qualitäts-)relevanter Inputs aus der Belegschaft, der schon kurz nach der Einführung der BVW-Instrumente eingesetzt hat. Auffallend ist auch, dass die Geschäftsleitung in keinem der drei Unternehmen von den aktuellen Lösungen zur Einbindung der Mitarbeiter in den KVP-Prozess überzeugt ist. Umso erstaunlicher ist es, dass dies in keinem der Unternehmen als Handlungsbedarf er-achtet wird.

Zur Schaffung von Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Veränderungsprozesse liegen allen Unternehmen Kennzahlen vor, die über Jahre hinweg erfasst worden sind und Zeitreihenvergleiche ermöglichen. Bei Schweizer und Lista beginnen die Aufzeichnungen schon mehrere Jahre vor der Erstzertifizierung. Die Kennzahlen-systeme reflektieren in allen Fällen den Stellenwert der ökologischen Handlungs-felder innerhalb der Umweltziele und sind i.d.R. auf betriebsökologische Inhalte (Energie, Abfälle) ausgerichtet. Sie sind für die Geschäftsleitung jeweils eine zent-rale Beurteilungs- und Entscheidungsgrundlage im Steuerungsprozess. Otto Keller erfasst mit wenigen Ausnahmen ausschliesslich monetäre Grössen (Energiekosten,

447

Bei Otto Keller sind die entsprechenden Prozesse und Strukturen nach der Zertifikatsaufgabe weitgehend aufgegeben worden. Die hier in den Vergleich einbezogenen Elemente des UMS entsprechen dem Stand vor der Zertifikatsaufgabe.

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Vergleichende Fallstudienanalyse 227

Entsorgungskosten), während Schweizer und Lista die Stoff- und Energieströme in Bezug auf ihre Umweltrelevanz ausdrücken. Gemeinsam ist den Unternehmen, dass der überwiegende Teil der Umweltziele über messbare Grössen formuliert wird und diese Grössen durch die vorhandenen Kennzahlensysteme überwiegend abge-bildet werden.

Als Instrument zur Unterstützung des KVP haben sich interne Audits – teilweise mit Beteiligung externen Auditpersonals – durchgesetzt. Sie werden von allen drei Unternehmen als wertvoll eingestuft. Den zertifizierten Unternehmen helfen sie, die Konformität der Systeme mit den zugrunde liegenden Normen sicherzustellen und möglichen Aktualisierungsbedarf aufzudecken, doch erweist sich diese Auditzielset-zung in der Praxis vielmehr als formaler Auslöser des Auditprozesses denn als de-ren hauptsächlicher Inhalt. Als wesentlich bedeutsameres Nutzenpotenzial wird de-ren Funktion als Plattform beurteilt, die das themenzentrierte Erörtern spezifischer Fragen und Probleme ausserhalb des betrieblichen Alltagsgeschehens ermöglicht und letztlich die Sensibilisierung und das Wissensniveau sowohl der Auditierten als auch der Auditierenden fördert.

Zusammenfassend reflektieren die Fallstudienunternehmen deutlich divergierende Anstösse und Rahmenbedingungen für die kontinuierliche Verbesserung von UMS und Umweltleistung. Grundlegende Unterschiede bestehen in der Frage, was das UMS bezwecken bzw. welchen Beitrag es für die Erreichung der übergeordneten Unternehmensziele leisten soll? Je nach Zielsetzung resultiert daraus ein hoher (Schweizer), mittlerer (Lista) oder geringerer (Otto Keller) Stellenwert der Umwelt-leistung als Verbesserungsziel. Unterschiede zeigen sich auch im faktischen Institu-tionalisierungsgrad des KVP im UMS-Führungsprozess und in der Frage, in welcher Form und Intensität sich die Geschäftsleitung mit dem KVP und der Wirkung und Wirksamkeit des UMS auseinander setzt. Gering sind die unternehmensspezi-fischen Unterschiede in der systematischen Einbindung der Mitarbeiter sowie bei den Controlling- und Auditroutinen, auch wenn sich in der Praxis Unterschiede in Bezug auf den Professionalisierungsgrad in der Ausgestaltung und Anwendung der Instrumente manifestieren. Die Fallstudien zeigen, dass die Orientierung des UMS-Aufbaus an ISO 14001 bzgl. formaler Aspekte zwangsläufig zu Parallelen führt, dass sich die Systeme aber auf vielfältige Weise in die Praxis umsetzen lassen. Die mit den Auswahlkriterien beabsichtigte Diversität der Fallstudienobjekte, von denen letztlich Unterschiede in Bezug die praktische Wirkung der KVP-Forderung erwartet werden, wird durch die Auswahl somit erfüllt.

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228 Vergleichende Fallstudienanalyse

11.2 Ergebnisse des KVP

Nachfolgend werden die Ergebnisse des KVP in den Fallstudienunternehmen ver-gleichend zusammengefasst. Analog zum Aufbau der Fallstudien wird zunächst die Weiterentwicklung des UMS (Diffusion in die Breite und in die Tiefe, Höherentwick-lung) und anschliessend die Verbesserung der Umweltleistung betrachtet. 11.2.1 Entwicklung des UMS In der Diffusion des UMS in die Breite sind unterschiedliche Relevanzen, Ziele und Strategien der drei Unternehmen zu beobachten. Otto Keller und Schweizer subsumierten schon anlässlich der Erstzertifizierung alle inländischen Organisa-tionseinheiten inkl. Vertretungen unter den Einflussbereich des UMS, während an den Produktionsstandorten von Lista das UMS jeweils selbständig, wenn auch vom Management in Erlen gesteuert, implementiert wurde. Überall wurde die formelle Übertragung des UMS auf weitere Standorte von den Entscheiden des lokalen Ma-nagements abhängig gemacht, jedoch auf unterschiedliche Weise. So verzichteten Otto Keller und Lista auf den UMS-Aufbau in den ausländischen Organisa-tionseinheiten, da dies von der örtlichen Führung nicht ausreichend unterstützt wur-de, auch wenn im Fall von Lista die unternehmenspolitischen Leitsätze die UMS-Zertifizierung für alle Standorte vorsahen. Für Schweizer war es hingegen selbstver-ständlich, das UMS auch auf neu erworbene Einheiten zu übertragen, wenn auch nicht als prioritären, so doch aber als fix vorgegebenen Schritt im Integ-rationsprozess. Bezüglich der Zertifikatsstrategie zeigt sich kein einheitliches Bild: Schweizer und Otto Keller wählten ein Vorgehen, das alle Einheiten unter demsel-ben Zertifikat erfasste, und bei Lista sind die drei Schweizer Werke in zwei Zertifika-ten zusammengefasst. Die Ausbreitung des Gültigkeitsbereichs der Zertifizierung widerspiegelt aber auch nicht in jedem Fall akkurat die faktische Diffusion des UMS oder von einzelnen UMS-Elementen: Wie die Fallstudie Lista zeigt, kommt es auch ohne den formalen Aufbau von UMS-Strukturen zu einer Ausbreitung umweltspezi-fischen Wissens oder Handlungsweisen zwischen den Organisationseinheiten in-nerhalb der Unternehmensgruppe.

Insgesamt zeigt die Bestandsaufnahme, dass die UMS-Reichweite in den Unterneh-men seit der Erstzertifizierung zugenommen hat. Bezüglich des Umfangs der Diffu-sion sind zwei dominante Einflüsse zu erkennen: Zum einen der Grad der Unab-hängigkeit von Tochtergesellschaften, Filialen und Standorten vom zentralen Mana-gement, zum anderen die geographische Distanz zwischen Organisationseinheiten und Führungszentrale. Aus der Fallstudie Otto Keller wird überdies ersichtlich, wie die enge operative Verbundenheit zwischen einzelnen Unternehmensbereichen den Diffusionsprozess des UMS förderte, während Organisationseinheiten ohne operati-ve Berührungspunkte von der Ausbreitung des UMS nicht erfasst wurden.

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Vergleichende Fallstudienanalyse 229

Die Diffusion in die Tiefe bzw. die Entwicklung der Reichhaltigkeit des UMS ist – wie bereits die Diffusion in die Breite – von der Ausgangssituation zum Zeitpunkt der Erstzertifizierung abhängig. Zu diesem Zeitpunkt wurden die Zielsetzungen und Massnahmenprogramme aller drei UMS deutlich vom Handlungsfeld Betrieb do-miniert. Bereits die umfangreichen Vorerfahrungen im Umweltschutz von Lista und Schweizer konzentrierten sich grösstenteils auf die Verbesserung der betrieblichen Abläufe. In anderen Handlungsfeldern waren bis dahin – mit Ausnahme der Solar-produkte von Schweizer – kaum Ansatzpunkte erschlossen worden. Materiell stan-den bei allen drei Unternehmen zunächst Massnahmen in den Bereichen Energie, Abfälle, Wasser und Giftstoffe (primär lösungsmittelbasierende Lacke) im Vorder-grund, erst in späteren Phasen wurde der Aktionsradius um Umweltaspekte im Zu-sammenhang mit vorgelagerten Wertschöpfungsstufen sowie in der Logistik, im Ge-schäfts- und im Berufsverkehr erweitert. Hier wurden von den drei Unternehmen vereinzelt und mit unterschiedlichem Erfolg Umweltziele definiert und Massnahmen eingeleitet. Dieser Befund bestätigt die Ergebnisse der Studie Dyllick/Hamschmidt448 und deutet darauf hin, dass betrieblicher Umweltschutz in der Einführungsphase des UMS weitgehend intern orientiert und auf direkte Umweltaspekte ausgerichtet ist. Intern bedeutet in diesem Zusammenhang auch die enge räumliche Anlehnung an die eigenen Infrastrukturgrenzen. Ansatzpunkte ausserhalb des Werksgeländes, der Einbezug externer Akteure entlang der Lieferkette und indirekte Umwelt-belastungen wurden in den Fallstudienunternehmen durchwegs erst im weiteren Verlauf des ökologischen Entwicklungsprozesses einbezogen.

Die drei Unternehmen sind davon überzeugt, dass die Verbesserungspotenziale der Betriebsökologie mittlerweile weitgehend erschöpft sind. Hier zeigt sich ein abneh-mender ökonomischer und ökologischer Grenznutzen von zusätzlichen Umwelt-schutzmassnahmen. Dort, wo ökonomische und ökologische Ziele parallel verlau-fen, stösst die Ausdehnung der Reichhaltigkeit kaum auf Widerstände. Zurück-haltender sind die Unternehmen, wenn Investitionen primär ökologische Wirkungen zum Ziel haben. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die wirtschaftliche Situation des Unternehmens verschlechtert. Ein typisches Beispiel dafür zeigte sich im Ver-zicht von Lista auf die umweltfreundliche Gestaltung des Firmengeländes in Erlen bzw. die Verschiebung dieses Projektes auf unbestimmte Zeit.

Auffallend ist, dass alle drei Unternehmen im Zuge der Erstzertifizierung zunächst systematisch betriebliche Optimierungspotenziale zu identifizieren suchten. Als die-se immer spärlicher wurden, setzte eine zunehmende Ausrichtung der Verbesse-rungsansätze auf anstehende Investitionsentscheidungen, Sanierungsmass-nahmen oder Verfahrensänderungen ein. Im Gegensatz zur bis dahin vorherr-schenden aktiven kann hier somit von einer passiven KVP-Steuerung gesprochen werden. Die Entwicklung der Reichhaltigkeit des UMS wurde damit in allen drei Un-ternehmen in zunehmender Weise von der allgemeinen Unternehmensentwicklung beeinflusst und immer weniger von spezifisch (und isoliert) ökologischen Zielset- 448

Vgl. DYLLICK / HAMSCHMIDT (2000), S. 47 f.

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230 Vergleichende Fallstudienanalyse

zungen. Dies hatte zur Folge, dass die Tiefendiffusion des UMS immer stärker an der allgemeinen Entwicklungsrichtung und -dynamik des Unternehmens ansetzte. Im Falle von Otto Keller äusserte sich dies z.B. in einer geringen, teilweise gar rück-läufigen Reichhaltigkeit des betrieblichen Umweltschutzes.

Die Produktökologie wurde, wie oben erwähnt, zum Zeitpunkt der Erstzertifizie-rung nur vom UMS von Schweizer aktiv erfasst, obschon die Umweltverträglichkeit der Produkte in den umweltpolitischen Leitlinien aller drei Unternehmen als Zielset-zung thematisiert worden war. Schweizer war auch in der Folge das einzige Unter-nehmen, das sich konsequent mit der ökologischen Optimierung der Marktleis-tungen befasste. Die Massnahmen bewegten sich weitgehend im Bereich der öko-effektiven Produktgestaltung nach den Prinzipien des Öko-Designs: Reduktion der Materialintensität, Rezyklierfähigkeit, einfache Bauweise und Energieeffizienz in der Nutzungsphase (bei isolierenden Bauelementen). Lista hatte zwar gegen Ende der 1990er Jahre versucht, ein ökologisch optimiertes Produkt im angestammten Markt einzuführen, doch ohne Erfolg. Otto Keller und Lista führten die anhaltend geringe Reichhaltigkeit des UMS in Bezug auf die Produktökologie auf ähnliche Argumente zurück: Geringe bis gänzlich ausbleibende Nachfrage und Sensibilität der Kunden, Sachzwänge bezüglich der Produkteigenschaften und der Herstellungskosten sowie die Überzeugung, dass die Verwendung des Rohstoffs Stahl bereits ein ausreichen-des ökologisches Qualitätsmerkmal darstellt, da Stahl Langlebigkeit, Beständigkeit und Rezyklierfähigkeit garantiert. Darüber hinaus – so die Wahrnehmung in den Betrieben – sind die Produkte der beiden Unternehmen bereits derart weit entwi-ckelt, dass materiell nur sehr geringe Verbesserungspotenziale vorhanden sind. Es herrscht zudem die Überzeugung vor, dass ökologische Produktvorteile auf den tra-ditionellen Zielmärkten der beiden Unternehmen kaum Einfluss auf die Kaufent-scheidung haben würden.

Es ist jedoch die Frage zu stellen, inwiefern das jeweilige produktökologische Vor-gehen tatsächlich auf unterschiedliche Zielmärkte und Produktanforderungen zu-rückzuführen ist? Alle drei Unternehmen bewegen sich in Märkten, deren Nach-frager keine besondere ökologische Sensibilisierung offenbaren. Eine Ausnahme bilden die Sparte Solartechnologie von Schweizer sowie einzelne Kundensegmente, die aufgrund der ökologischen Exponiertheit der gesamten Baubranche in der Schweiz in geringem Ausmass ebenfalls mit umweltbezogenen Fragestellungen konfrontiert sind. Auffällig sind Unterschiede zwischen den drei Unternehmen in Be-zug auf verschieden lange Innovationszyklen, die sowohl strategisch bedingt sind als auch den Marktforderungen entsprechen. Hier sind insbesondere im Vergleich von Lista und Schweizer divergierende Vorgehensweisen festzustellen: Während für Lista die langfristige und standardisierte Ausrichtung des Sortiments ein Qualitäts-merkmal darstellt, ist es für Schweizer bedeutsam, in enger Zusammenarbeit mit den Kunden immer wieder neue und auch individuelle Lösungen zu entwickeln, ins-besondere in der Sparte Fassadenbau. Unterschiede ergeben sich auch in Bezug auf die Sortimentsbreite: sie bietet Schweizer wesentlich vielfältigere Ansatzpunkte

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Vergleichende Fallstudienanalyse 231

für produktbezogene umweltentlastende Weiterentwicklungen als die enger fokus-sierten Produktprogramme von Lista und Otto Keller. Insgesamt erscheinen die Rahmenbedingungen für produktökologische Verbesserungen bei Schweizer dem-nach vorteilhafter ausgeprägt zu sein als in den anderen beiden Fallstudien-unternehmen. Es ist aber auch evident, dass Schweizer als einziges der drei Unter-nehmen seit Jahren aktiv und mit Erfolg versucht, ökologische Differenzierungs-potenziale in den Zielmärkten aufzubauen, zu erweitern und umzusetzen. Dies ist in allen, auch in den ökologisch wenig sensibilisierten Marktsegmenten, klar ersicht-lich. Offenbar spielen zwar der wettbewerbsstrategische Stellenwert ökologischer Produktmerkmale sowie branchen- und marktspezifische Unterschiede eine wichti-ge Rolle für die produktbezogene UMS-Entwicklung. Um auf Dauer vom Markt ak-zeptierte, ökologisch relevante Produktverbesserungen erzielen zu können, er-scheint jedoch der ausgeprägte strategische Wille zur konsequenten Marktentwick-lung als eine unerlässliche Voraussetzung.

Inwiefern werden durch das UMS mitarbeiterbezogene Ansatzpunkte ange-sprochen? Generell sind die Mitarbeiter in den drei Fällen sehr unterschiedlich und in augenfälliger Abhängigkeit vom Stellenwert ökologischer Ziele im Unternehmen in die UMS-Strukturen und -prozesse einbezogen. Dies zeigen die Unterschiede zwi-schen Schweizer und Otto Keller. Bei Schweizer ist ökologisches Verhalten ein wichtiger Pfeiler der nachhaltigkeitsorientierten Unternehmenskultur. Die Verant-wortung für das Erreichen der Umweltziele wurde nach der Erstzertifizierung kon-sequent auf die gesamte Belegschaft verteilt und ist insbesondere für Führungs-kräfte ein Kriterium für die Bonusberechnung. Auch werden alle Mitarbeiter regel-mässig und neu eintretende Angestellte systematisch zu Umweltthemen geschult. Dies fördert die breite Verankerung des KVP und unterstützt die Mitwirkung im Auf-finden und Umsetzen von Verbesserungspotenzialen. Demgegenüber blieb das UMS von Otto Keller weitgehend auf die Führungsebene beschränkt. Anfänglich wurden die Mitarbeiter durch Schulungsaktivitäten und die Aufforderung zur Mitge-staltung in den Verbesserungsprozess einbezogen. Später wurde der Mitarbeiter-einbezug jedoch nicht mehr aktiv gefördert und eine Unternehmenskultur, in der Umweltschutz einen besonderen Stellenwert innehat, hat sich nicht entwickelt. Aus Sicht der meisten Angestellten – auch neu eingetretener – wurde das UMS i.d.R. nur dann zum Thema, wenn sie anlässlich interner oder externer Audits damit kon-frontiert wurden. Die beiden Beispiele zeigen, dass das Mitarbeiterverhalten ein ak-tiv zu bearbeitendes Gestaltungsfeld des UMS darstellt und erst durch gezielte Massnahmen und Strukturen effektiv gefördert wird.449 Als besonders wirkungsvoll erweist sich hier die Entwicklung umweltorientierter Anreizstrukturen, aber auch die Wahrnehmung der Vorbildrolle durch die oberste Unternehmensleitung, wie etwa das Beispiel des Eigentümers von Lista zeigt.

449

Vgl. dazu auch die Befunde der Studien HAMSCHMIDT (2001), S. 219, sowie weiterführend BENTZ (2001).

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232 Vergleichende Fallstudienanalyse

Die UMS-bezogenen Aktivitäten im Handlungsfeld Kommunikation standen bei allen drei Unternehmen in der Zeit vor und nach der Erstzertifizierung unter dem Einfluss der Neuartigkeit von ISO 14001 und des allgemein geringen ökologischen Wissens in- und ausserhalb der Betriebe. Schweizer, Lista und Otto Keller suchten in dieser Phase aktiv den Dialog mit Behörden und Interessenvertretern, z.T. auch mit Medien und der Wissenschaft. Gleichzeitig war das Interesse verschiedener An-spruchsgruppen und Drittfirmen an den Erfahrungen der „ISO-14001-Pioniere“ sehr gross. Die Folge war, dass sich die jeweiligen Umweltbeauftragten entsprechenden Erfahrungsgruppen anschlossen, an Gesprächsforen teilnahmen oder Interessierte zu Unternehmensrundgängen einluden. Diese Aktivitäten förderten die Vernetzung der unterschiedlichen Akteure auf der Basis umweltbezogener Interessen und führ-ten teilweise zu einem Wissensgewinn, der wiederum den KVP von UMS und Um-weltleistung unterstützte. In Ergänzung zu diesen Kommunikationsformen begannen Lista und Schweizer nach der Erstzertifizierung mit der periodischen Publikation von Umweltberichten. Die damit verbundenen Erwartungen wurden jedoch enttäuscht, da Feedbacks weitgehend ausblieben. Der erhoffte Dialog kam nicht zustande, die Umweltberichterstattung entwickelte sich zu einer überwiegend einseitigen, the-menzentrierten Unternehmensdarstellung. Dies ist u.a. ein Grund, warum Lista den früheren umfangreichen Umweltbericht mittlerweile in schlankerer Form und gerin-gerer Frequenz veröffentlicht. Während die „unbestimmte Öffentlichkeit“ als Kom-munikationspartner an Bedeutung verloren hat, fokussiert die Kommunikations-strategie von Schweizer und Lista inzwischen umso stärker die direkte Ansprache von Wissensträgern und Anspruchsgruppen, wie z.B. in der Mitarbeit an Platt-formen der öbu oder in überbetrieblichen Arbeitsgruppen.

Zusammenfassend zeigt die Bestandsaufnahme, dass nach der Erstzertifizierung in allen drei Unternehmen die Reichhaltigkeit des UMS zugenommen hat. Gemeinsam ist den Unternehmen, dass in frühen Phasen materiell vor allem die Bereiche Rechtskonformität, Energie, Abfälle und Risikovorsorge bearbeitet wurden. Eben-falls in frühen Phasen wurden von allen drei Unternehmen Massnahmen zur Ein-bindung der Mitarbeiter sowie die umweltbezogene Kommunikation forciert. Alle diese Ansatzpunkte waren entweder betriebsökologischer Natur, sie waren von der ISO-Norm vorgegeben oder sie standen im Zusammenhang mit PR- und Marketing-aktivitäten, mit welchen die UMS-Zertifizierung nach aussen kommuniziert werden sollte. Bei zwei der Unternehmen (Lista und Otto Keller) beschränkten sich sämtli-che ökologische Ansätze zum Zeitpunkt der Erstzertifizierung auf diese Bereiche, und der Aktionsradius wurde auch im Zuge des Diffusionsprozesses nicht auf zu-sätzliche Bereiche ausgeweitet. Dies bestätigt sich besonders auch bei Lista mit dem erfolglosen Versuch, das UMS wettbewerbsstrategisch und sortimentsbezogen einzusetzen, und dem darauf folgenden „Rückzug“ auf vorwiegend betriebsökologi-sche Ansatzpunkte. Ein kontrastierendes, aber in der Systematik vergleichbares Entwicklungsmuster zeigt sich bei Schweizer: Hier waren schon anlässlich des UMS-Aufbaus produktökologische Ansätze vorhanden, und diese wurden im Zuge des Diffusionsprozesses gezielt und erfolgreich ausgeweitet. Die Entwicklung der

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Vergleichende Fallstudienanalyse 233

Reichhaltigkeit führte hier vielmehr zu einer Verfeinerung der ursprünglichen An-satzpunkte als zu einer Ausweitung der aktiv bearbeiteten Handlungsfelder des UMS.450

In Tab. 21 ist die jeweilige Ausprägung der vier wesentlichen Voraussetzungen (soft factors) für die Höherentwicklung von UMS dargestellt. Die Bewertung versteht sich als qualitative Ableitung aus den Fallstudienergebnissen: Pluszeichen stehen für eine fördernde, Minuszeichen für eine hemmende und „0“ für eine neutrale Wir-kung der individuellen Ausprägung auf die Höherentwicklung. Die Unterschiede zwi-schen den drei Unternehmen kommen in diesem Überblick klar zum Ausdruck.

Tab. 21: Ausprägung der wesentlichen soft factors für die Höherentwicklung von UMS in den Fallstudienunternehmen

Besonders augenfällige Divergenzen zwischen den Unternehmen sind in Bezug auf die Fähigkeit zu erkennen, Visionen der langfristigen Unternehmensentwicklung zu generieren und im Rahmen dieser Visionen auch ökologische Entwicklungsoptionen in Fortschrittsüberlegungen einzubeziehen. Bei Otto Keller, wo die kurz- bis mittel-fristige Überlebenssicherung der Unternehmung die oberste Handlungsmaxime dar-stellt, wirkt die Visionsfähigkeit deutlich hemmend auf die Weiterentwicklung des UMS. Demgegenüber eröffnet sich in der visionären, nachhaltigkeitsorientierten Un-ternehmensführung von Schweizer viel Raum für ökologische Entwicklungspers-pektiven. Diese Unterschiede werden im strategischen Einsatz der jeweiligen UMS und in deren Umsetzung ersichtlich und haben direkte Konsequenzen für den KVP: Nachdem Lista im Bestreben nach einer „sauberen“ Unternehmensführung bereits sehr viel erreicht hat und die mit dem UMS verfolgten Zielsetzungen von Otto Keller mittlerweile realisiert sind (oder sich als nicht erreichbar erwiesen haben), fehlen 450

Ergänzend zu obigen Beobachtungen ist in allen drei Fallstudien eine im Zeitablauf zunehmende Integration von UMS-induzierten Prozessen und Handlungsweisen feststellbar. Sie geht vereinzelt soweit, dass sie voll-ständig in die allgemeinen Arbeitsprozesse diffundieren. Deren ursprünglicher Zusammenhang mit dem UMS wird von den Beteiligten nicht mehr wahrgenommen. Aus ökonomischen und ökologischen Effizienz-überlegungen ist es grundsätzlich zu begrüssen, wenn UMS-induzierte, ökologisch verbesserte Handlungs-weisen im allgemeinen Tagesgeschehen „versickern“. Sie werden so in Teilbereichen zum Normalfall, und der umweltschonenden Handlungsweise muss nicht mehr in jedem Anwendungsfall spezifische Beachtung geschenkt werden. Diese Integrationseffekte haben aber auch eine unscharfe Grenzziehung zur Folge, die es verunmöglicht, die UMS-Diffusion akkurat zu erfassen. Dies ist nicht nur aus der Perspektive des For-schers relevant, sondern beeinflusst auch praktische Überlegungen, wenn sich die Frage nach dem Einfluss-bereich, der Wirksamkeit, aber auch nach Aufwand und (ökonomischem wie ökologischem) Nutzen von UMS stellt.

0+++Interaktionsfähigkeit

-++Innovationsfähigkeit

-++Motivation

-++0Visionsfähigkeit

Otto KellerSchweizerListaSoft Factor

0+++Interaktionsfähigkeit

-++Innovationsfähigkeit

-++Motivation

-++0Visionsfähigkeit

Otto KellerSchweizerListaSoft Factor

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234 Vergleichende Fallstudienanalyse

hier die Perspektiven für weitere Entwicklungsschritte. Der KVP von UMS und Um-weltleistung wird dadurch eindeutig limitiert. Offenbar ist eine entwicklungsfähige umweltbezogene Vision eine unabdingbare Voraussetzung zur Aufrechterhaltung des KVP.

Geringer sind die Divergenzen in Bezug auf die soft factors Motivation und Innova-tionsfähigkeit. Der Einfluss auf die Motivation zu ökologischem Verhalten, der sich aus der Vorbildrolle des jeweiligen Managements ergibt, ist zwar in allen drei Unter-nehmen deutlich erkennbar. Genauso feststellbar ist aber auch eine unterschied-liche individuelle Bereitschaft der Führungs- und Mitarbeiterstufen zur Umsetzung ökologischer Verhaltensvorgaben im eigenen Arbeitsumfeld. Die Innovations-fähigkeit wiederum ist bei Lista und Schweizer gut ausgeprägt, der fördernde Ein-fluss auf die Höherentwicklung des jeweiligen UMS ist bei Schweizer dennoch deut-lich stärker einzuschätzen als bei Lista. Dies lässt sich zum einen auf die breitere Produktpalette zurückführen, die Schweizer die Möglichkeit gibt, in sehr unter-schiedlichen Leistungsbereichen innovativ tätig zu sein und auch ökologische Ver-besserungen zu realisieren. Zum anderen sind zahlreiche Tätigkeitsfelder von Schweizer deutlich dynamischer und erfordern – teilweise von Auftrag zu Auftrag – neue Lösungen, während die standardisierten Produkte von Lista länger auf den Märkten bestehen und damit längere Innovationszyklen erlauben. Bei Otto Keller sind Produktinnovationen kein strategischer Erfolgsfaktor, da zum einen die Pro-duktspezifikationen i.d.R. weitgehend vorgegeben sind und kaum Freiheitsgrade für (ökologisch motivierte) Verbesserungen bestehen. Zum anderen sind Verände-rungen in der marktlichen oder strategischen Ausrichtung der Produktpalette nicht beabsichtigt. Damit wird hier die Produktökologie fast gänzlich aus dem ökolo-gischen Bezugsrahmen ausgeschlossen. In Bezug auf die Interaktionsfähigkeit als viertem soft factor erwiesen sich im Rahmen des UMS-Aufbaus alle drei Unter-nehmen als fähig und interessiert, den Austausch mit interessierten Kreisen und Fachgruppen zu suchen und zu fördern. Unterschiede sind hier aber insofern fest-zustellen, dass bei Schweizer deutlich mehr Personen in diese Prozesse einbe-zogen sind als bei Lista und dass bei Otto Keller die Interaktionstätigkeiten seit der Zertifikatsaufgabe klar abgenommen haben.

Die Untenehmen unterscheiden sich in Bezug auf die Entwicklung der ökologi-schen Wissensbasis nach der Erstzertifizierung. Bei Otto Keller ist der Wissenszu-wachs mit Ausnahme weniger direkt involvierter Personen relativ gering. Das von externen Experten in die Unternehmung getragene Fachwissen konnte nur ansatz-weise internalisiert werden. Dennoch sind in Bereichen wie der Rechtskonformität, der Stör- und Notfallplanung sowie einzelnen Aspekten der Betriebsökologie deutli-che Lerneffekte erkennbar. Die internen Audits helfen hier, dieses Wissen in die Abteilungen zu tragen, und führen teilweise auch zu Spill-over-Effekten. Bei Lista und Schweizer sind die Wissenszuwächse ausgeprägter, was zu einem grossen Teil damit erklärt werden kann, dass die Umsetzungsverantwortung für ökologische Ziele sehr früh in die Linien integriert wurde. Bei Schweizer erweist sich hier insbe-

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Vergleichende Fallstudienanalyse 235

sondere die Bonusrelevanz der ökologischen Zielerreichung als sehr effektiv. Mit dem Vorgehen der beiden Unternehmen werden zahlreiche Stellen und Personen im Unternehmen aktiv in die Abläufe des UMS einbezogen, was einen Multiplikati-onseffekt in der Verbreitung umweltrelevanten Wissens zur Folge hat. Dies gilt trotz der Tatsache, dass bei beiden Unternehmen – wie auch bei Otto Keller – der gröss-te Teil des Wissens auf wenige Fachleute im Unternehmen konzentriert ist. Eher geringe Auswirkungen hatte der Wissenszuwachs hingegen auf die anlässlich des UMS-Aufbaus implementierten Strukturen und Instrumente. Dies ist insbesondere bei der organisatorischen Verankerung des UMS zu erkennen, aber auch – wie wei-ter oben ausgeführt – in der Ausgestaltung einzelner UMS-Elemente, wie z.B. des Controllings oder des Zielsetzungsprozesses.

Was bedeutend diese Feststellungen hinsichtlich der zwei Phasen des ökologi-schen Entwicklungsprozesses?451 Die Höherentwicklung des UMS von Otto Keller ist klar auf die erste, operative Phase beschränkt und weitgehend abgeschlossen. Lista zeigt bezüglich der Berücksichtigung ökologischer Daten in der Erfolgsrech-nung, bezüglich der integrierten ökologischen Optimierung der Marktleistungen und bezüglich der ökologischen Organisationsentwicklung Ansätze der zweiten, strate-gischen Entwicklungsphase, die jedoch in keinem der drei Bereiche deutlich ausge-prägt sind und teilweise schon vor dem UMS-Aufbau zu erkennen waren. Dem-gegenüber ist Schweizer in allen drei Bereichen klar der strategischen Phase zuzu-ordnen. Generell lässt sich feststellen, dass sich die Phasenzuordnungen gegen-über der Erstzertifizierung nicht unterscheiden: Alle drei Unternehmen bewegen sich noch heute auf derselben Handlungsebene wie 1996 bzw. 1997. 11.2.2 Veränderung der Umweltleistung Eine Zielsetzung von ISO 14001 besteht darin, die Organisationen in der Verbesse-rung der individuellen Umweltleistung zu unterstützen und damit eine dauerhafte und zunehmende Entlastung der Umwelt zu erzielen. Der Frage, ob und inwiefern dies in der Praxis zertifizierter Unternehmen erreicht wird, kommt entsprechend eine zentrale Bedeutung zu. Die folgende Analyse dient daher nicht dem Vergleich der absoluten ökologischen Leistungsfähigkeit der drei Fallstudienunternehmen, son-dern vielmehr der Analyse der Wirksamkeit des UMS in der Realisierung von Um-weltleistungspotenzialen im Zeitablauf. Neben der Frage, ob seit der Erstzerti-fizierung des UMS eine Verbesserung der Umweltleistung beobachtet werden kann, interessiert hierbei auch die umweltleistungsbezogene Entwicklungsdynamik.

Zum Zeitpunkt der Erstzertifizierung wiesen die drei Unternehmen unterschied-liche ökologische Leistungsniveaus auf. Lista und Schweizer hatten zuvor in ähnlicher Weise seit Jahren den Energieverbrauch laufend und gezielt optimiert und auch in anderen betriebsökologischen Bereichen punktuell ein hohes Niveau er-reicht. Zu diesem Zeitpunkt hatte Otto Keller noch keine spezifischen Erfahrungen

451

Vgl. dazu Abschnitt 3.4.

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236 Vergleichende Fallstudienanalyse

mit Umweltschutzaktivitäten gesammelt. Nach der Umweltanalyse im Zuge des UMS-Aufbaus kam das Management aber zum Schluss, dass das Umweltleistungs-niveau bereits sehr hoch und die Verbesserungspotenziale gering seien.

Die unterschiedlichen Vorerfahrungen im Umgang mit Umweltaspekten zeigten sich auch in einer sehr unterschiedlichen ökologischen Datenlage. Während Otto Kel-ler – primär aufgrund gesetzlicher Vorgaben – vor dem UMS-Aufbau einige ausge-wählte Stoffflussdaten erfasst hatte, konnten Schweizer und Lista bei der Erstzertifi-zierung bereits auf langjährige Aufzeichnungen von (primär) Energieflussdaten zu-rückblicken. Schweizer besass seit einigen Jahren ein ökologisches Kennzahlen-system, das auf der ersten Ökobilanzierung des Unternehmens basierte. Während dieses System im Zuge des UMS-Aufbaus weitgehend beibehalten wurde, erfuhr die Datenerfassung von Lista zu diesem Zeitpunkt eine thematische Ausweitung, die jedoch auf betriebsökologische Kennzahlen beschränkt blieb. Beide stellen die Umweltleistung seither in Form von Umweltbelastungspunkten dar. Otto Keller bau-te zusammen mit dem UMS ein Datenerfassungssystem auf, das in wesentlichen Aspekten nicht auf ökologische Daten ausgerichtet war, sondern die Erfassung der mit Stoff- und Energieflüssen verbundenen Kosten bezweckte. Bei allen drei Unter-nehmen haben sich die Datenerfassungssysteme seit der Erstzertifizierung kaum verändert, womit auch ein inzwischen realisierter Wissenszuwachs in diesem Be-reich nicht zur Geltung kommt. Andererseits ermöglicht dies – wenn auch einge-schränkt durch die sehr unterschiedliche Aussagekraft der vorliegenden Daten und die Tatsache, dass diese die Umweltleistung nicht vollständig erfassen – Rück-schlüsse auf die Entwicklungstendenzen über die seither verstrichene Zeitspanne.

Betriebsökologie: Aus ökologischer Perspektive interessieren in erster Linie die absoluten Umweltbelastungen. Hier weisen Otto Keller und Lista seit der Erstzertifi-zierung insgesamt geringe, in einzelnen Bereichen aber auch sehr deutliche Ver-besserungen auf. Bei Schweizer ist die absolute Umweltbelastung aus den betrieb-lichen Prozessen im selben Zeitraum geringfügig angestiegen. Diese Entwicklungen werden durch den Einbezug der betrieblichen Leistungsgrössen jedoch relativiert. Sie zeigen, dass die Produktionsmengen von Otto Keller und Lista heute geringer sind als zum Zeitpunkt des UMS-Aufbaus. Bezogen auf eine Leistungseinheit ist die Umweltbelastung durch Otto Keller seither leicht, jene von Lista etwas stärker zu-rückgegangen. Eine beachtliche Verbesserung der betrieblichen Umweltbelastung je Leistungseinheit kann Schweizer ausweisen, die nach einer Ausweitung des öko-nomischen und ökologischen Bilanzraums durch Betriebsakquisitionen die relative Umweltbelastung um rund ein Drittel senken konnte. In allen drei Unternehmen sind darüber hinaus Entwicklungen feststellbar, die durch die erhobenen Umweltleis-tungs-Kennzahlen nicht dargestellt werden, wie z.B. die von Lista erreichte Minimie-rung von Umweltrisiken oder die indirekten ökologischen Wirkungen durch das UMS-induzierte neue Entsorgungskonzept von Otto Keller.

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Vergleichende Fallstudienanalyse 237

Produktökologie: Bei Lista und Otto Keller sind die Wirkungen des UMS auf die Produktökologie äusserst gering. Faktisch hat das UMS bei beiden Unternehmen keinen nennenswerten wettbewerbsstrategischen Stellenwert, der auf die Gestal-tung der Produkte ausstrahlen würde. So hat Otto Keller die Marktleistungen nie als potenzielles Handlungsfeld für Umweltschutzmassnahmen wahrgenommen. Eine Ausnahme bildete die inzwischen erfolgreich umgesetzte Zielsetzung, den grössten Teil der Filterapparate aus der Eigenproduktion mit lösungsmittelfreien Lacken zu behandeln. Lista geht hier insofern einen Schritt weiter, als dass der F&E-Abteilung eine Liste mit freigegebenen oder verbotenen Werkstoffen vorliegt, die auf ökologi-schen Argumenten beruht. Darüber hinaus gehende Produktveränderungen, wie etwa funktionale Anpassungen oder die Substitution von Stahl durch andere Werk-stoffe, sind kein Thema. Beide Unternehmen führen ihre diesbezügliche Zurückhal-tung auf fehlende ökonomische Handlungsspielräume, ausbleibendes Interesse der Kunden, ausbleibende Zahlungsbereitschaft für ökologische Produktvorteile sowie generell geringe Veränderungspotenziale bei den Produkten zurück. Bei Schweizer sind produktökologische Verbesserungen seit Jahren regelmässig Bestandteil der UMS-Zielsetzungen. Obwohl diese Ziele i.d.R. auch erreicht wurden, zeigen die Da-ten dennoch – bezogen auf die verbrauchten Rohstoffmengen – eine höhere abso-lute und relative Umweltbelastung durch die Produkte als zum Zeitpunkt der Erstzer-tifizierung. Die Zunahme ist im Wesentlichen auf Veränderungen im Produkte-Mix zurückzuführen, die den Wandel in den Marktpräferenzen „hin zu Aluminiumproduk-ten“ reflektieren.

Die Kurvenverläufe der gemessenen Daten zeigen ein uneinheitliches Bild, was die Interpretation der Umweltleistungsentwicklung erschwert. Der „Idealfall“ einer kontinuierlichen Verbesserung der Umweltleistung in dem Sinne, dass die Umwelt-belastung von Messperiode zu Messperiode abnimmt, ist in keiner der Datenreihen zu erkennen. Vielmehr dominieren sowohl bei den absoluten als auch bei den rela-tiven Kennzahlen Schwankungen, Stagnationsphasen und gelegentliche statistische Ausreisser. So führten verschiedene Prozessumstellungen bei Lista zur Entsorgung von nicht mehr benötigten Giftstoffen und so zu ausserordentlichen Sondermüllmen-gen, die sich in den Datenreihen als kurzzeitige, erhebliche Belastungszunahmen manifestieren. Des Weiteren korrelieren die Schwankungen bei Schweizer und Lista zur Hauptsache mit Veränderungen der Produktionsmengen. Sie wirken sich vor allem, wenn auch nicht linear, auf die absoluten Stoff- und Energieflussgrössen aus. Bei den relativen Datenreihen fällt auf, dass der Produktionsrückgang von Lista im Jahr 2002 zu geringeren absoluten Input- und Outputmengen geführt hatte, dass sich die relative Umweltleistung in allen Kennzahlen mit Ausnahme der Abfälle aber gleichzeitig verschlechterte. Dies deutet auf die Existenz einer fixen Umweltbe-lastung hin, die unabhängig von der effektiven Produktionsmenge besteht und nicht kurzfristig abgebaut werden kann.

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238 Vergleichende Fallstudienanalyse

Einfluss des UMS auf die Umweltleistung: Gemessen an der gesamten direkten und indirekten Umweltbelastung der Unternehmensaktivitäten ist der Einfluss des UMS bei allen drei Unternehmen nur sehr gering. Der Grund dafür ist in der überra-genden Bedeutung der Umweltbelastung auf den vorgelagerten Stufen, allen voran bei der Rohstoffproduktion, zu sehen. Sie ist – wie für Unternehmen der metallverar-beitenden Industrie typisch – in den Fallstudienunternehmen für ca. 90 Prozent der Umweltbelastung verantwortlich. In diesem Bereich wurden nur von Schweizer sys-tematische Verbesserungsmassnahmen eingeleitet. In allen drei Fällen wird der Einsatz von Stahl und anderen Metallen als strategisch zu bedeutsam beurteilt, um aus ökologischen Gründen auf eine substanzielle Verbrauchsreduktion oder auf ei-nen Verzicht hinzuwirken. Mit dem Hinweis auf Intransparenzen auf den Beschaf-fungsmärkten und fehlende Einflussmöglichkeiten auf Herkunft, Herstellungs-methoden oder Rezyklatanteile der Rohstoffe wird auch auf eine ökologische Be-urteilung der Rohstofflieferanten verzichtet und vorhandene Spielräume werden nur teilweise ausgenutzt. Bei Schweizer wird zusätzlich die Abhängigkeit der Umwelt-leistung – wie oben erwähnt – von veränderten Präferenzen auf den Absatzmärkten deutlich. Tendenziell grösser ist der Einfluss des UMS auf die Betriebsökologie, doch lassen sich die Datenreihen diesbezüglich und aufgrund methodischer Ein-schränkungen nicht abschliessend interpretieren. Neben Umweltschutz-massnahmen wirken sich hier auch (nicht UMS-induzierte) Veränderungen der Pro-duktionsverfahren, der Auslastung und der Produktionszahlen auf die Umweltleis-tung aus. Zudem sind im Zeitablauf auch Umweltentlastungen in Bereichen festzu-stellen, die zu keinem Zeitpunkt expliziter Gegenstand von Umweltzielen waren (z.B. beim Wasserverbrauch von Otto Keller).

Die Wirkungspotenziale des UMS werden von den Fallstudienunternehmen unter-schiedlich beurteilt und reflektieren die jeweilige strategische Ausrichtung des UMS. Otto Keller erachtete die Verbesserungspotenziale bereits zum Zeitpunkt der Erst-zertifizierung als gering und sieht für die Zukunft kaum neue Ansatzpunkte, deren Bearbeitung sich ökologisch wie ökonomisch lohnen würde. Dass einzelne System-elemente auch nach der Zertifikatsaufgabe beibehalten wurden, deutet hingegen auf eine pragmatische, nutzenorientierte Reduktion des UMS hin, welche die künfti-ge Sicherung der Rechtskonformität und die effiziente Risikohandhabung zum Ziel hat. Schweizer und Lista wiesen bei der Erstzertifizierung bereits ein hohes Ökologi-sierungsniveau auf, sodass das UMS weniger der weiteren Ökologisierung als der systematischen Unterstützung des KVP dient. Angesichts des betriebsökologisch ausgerichteten UMS werden die künftigen Verbesserungspotenziale bei Lista kon-trovers beurteilt und reflektieren Unterschiede bzgl. der Ausrichtung des UMS.

Folgerungen In der individuellen Umweltleistung nach der Erstzertifizierung spiegelt sich die Vor-gehensweise für die Fallstudienauswahl wieder. Bei Lista und Otto Keller, deren UMS eine geringe wettbewerbsstrategische Relevanz aufweisen, sind die ökologi-schen Ansatzpunkte weitgehend nach innen gerichtet. Bei Schweizer wird der Um-

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Vergleichende Fallstudienanalyse 239

weltschutz stärker in die Marktleistungen eingebunden, und die intrinsisch mo-tivierten Unternehmen setzen sich deutlich intensiver mit den ökologischen Folgen ihres Tuns auseinander. In den jeweiligen Kennzahlensystemen, auf denen die vo-rangegangene Analyse basiert, werden diese unterschiedlichen Ausrichtungen der UMS reflektiert.

Der Vergleich der ausgewiesenen Umweltleistungsdaten über die Jahre hinweg seit der Erstzertifizierung zeigt eine insgesamt geringe ökologische Wirkung der UMS. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sie nur einen kleinen Teil der Stoff- und Energieflüsse erfassen. Tendenziell sind eine allgemeine Verbesserung der Öko-Effizienz sowie eine teilweise Steigerung der Öko-Effektivität erkennbar. Während bei ersterer ein Zusammenhang mit umfangreichen UMS-induzierten Massnahmen feststellbar ist (insbesondere in der Betriebsökologie), ist die absolute Umweltleistung in erster Linie mit rückläufigen Produktionszahlen und nur bei einem der Unternehmen auch mit gezielten Umweltschutzmassnahmen erklärbar. Die Fall-studien bestätigen überdies die Erkenntnis aus früheren Untersuchungen, wonach sich die ökologische Wirksamkeit von UMS im Zeitablauf verringert. Dies gilt in den vorliegenden Fällen für Otto Keller und Lista. Auch Schweizer wies entspre-chende Tendenzen auf, doch zeigt der zunehmende Einbezug produktbezogener Ansatzpunkte, dass ein konsequent strategisch fundierter KVP diesen Trend um-zukehren vermag.

Aussagekraft und Vergleichbarkeit der Umweltleistungsdaten aus den Fallstu-dienunternehmen sind aufgrund zahlreicher methodischer Unsicherheitsfaktoren je-doch beschränkt. Zudem ist angesichts von Entwicklungen, die sich neben den ge-zielten Umweltschutzmassnahmen auf die Umweltleistungsdaten auswirken, die Rückführung der Ergebnisse auf den Einfluss des UMS nicht immer möglich. Dass in den drei Unternehmen die Kennzahlensysteme seit der Erstzertifizierung weit-gehend unverändert beibehalten wurden, ermöglicht heute zwar einen Rückblick über die Entwicklung dieser Daten im Zeitablauf. Andererseits darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass durch die hohe Kontinuität dieser Systeme, die auch als „Trägheit“ interpretiert werden kann, andere, allenfalls bedeutsame Bereiche der Umweltleistung ausgeblendet werden.

11.3 Entwicklungsprozess von UMS und Unternehmung

Im Folgenden interessieren die Zusammenhänge zwischen der allgemeinen Unter-nehmensentwicklung, der Unternehmensstrategie, dem KVP von UMS und Umwelt-leistung und die Entwicklung des Nutzens von UMS für die Unternehmung. In den Fallstudien wurden diese Entwicklungsprozesse seit dem UMS-Aufbau und der Erstzertifizierung bis zum Zeitpunkt der Fallstudienuntersuchung in einzelne Phasen aufgeteilt und in die Entwicklung des Unternehmensumfeldes eingebettet. Die Re-sultate aus den Fallstudien werden im Folgenden vergleichend zusammengefasst.

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240 Vergleichende Fallstudienanalyse

Die Entwicklung der relevanten Umfeldeinflüsse zeigt weitreichende Parallelen in den untersuchten Fällen. Dominiert wurde die Unternehmensentwicklung jeweils von Entwicklungen auf den Absatzmärkten, während Veränderungen auf der Be-schaffungsseite, im ökologischen, technologischen und gesellschaftlichen Umfeld eine untergeordnete Bedeutung zukam. So wurden alle drei Unternehmen in der Zeit nach der Erstzertifizierung mit schwieriger werdenden wirtschaftlichen Absatz-bedingungen konfrontiert. Die Folge war eine jeweils verschärfte Konkurrenz-situation, was sich vor allem bei Lista und Otto Keller auf die Preisgestaltung und letztlich auch auf die Umsatz- und Produktionszahlen auswirkte. Schweizer kam nach der Erstzertifizierung zugute, dass sich die Baubranche und damit auch die Bauzulieferbranche allmählich von einem lange anhaltenden Konjunkturtief zu erho-len begannen. Für Lista – teilweise aber auch für Schweizer – hatten die stärker umkämpften Märkte ein „Aufweichen“ der ursprünglichen Differenzierungs-strategie durch Preiszugeständnisse zur Folge, um gegenüber Konkurrenz-angeboten – insbesondere aus dem Ausland – bestehen zu können. Otto Keller ver-folgte schon während dem UMS-Aufbau auf den wettbewerbsintensiven Märkten eine Preisstrategie und verstand das ökologische Engagement als ergänzendes Differenzierungsmerkmal – eine strategische Ausrichtung, derer sich Lista in den letzten Jahren ebenfalls immer mehr annäherte.

Veränderungen in den übrigen Umfeldsphären beeinflussten die Strategieentwick-lung nur am Rande. Die technologischen Rahmenbedingungen für die langlebi-gen Produkte, Systeme und Herstellungsverfahren von Otto Keller und Lista haben sich seit der Erstzertifizierung des UMS kaum verändert. Bei Schweizer mit dessen breitem Produktsortiment sind vor allem die Fassadenelemente aufgrund des gros-sen Bedarfs an individuellen Konstruktionen einem stetigen Weiterentwicklungs-prozess unterworfen. Zunehmend umweltrelevant sind hier etwa neue Möglichkeiten zur materialsparenden Hohlkonstruktion und zur Profilbauweise. Weitere substan-zielle Einflussfaktoren für den KVP, basierend auf neuen technologischen Möglich-keiten, sind aber nicht zu erkennen. Vielmehr wird die ökologische Produktgestal-tung hier zwei Faktoren gehemmt: Zum einen die zunehmende Präferenz von Alu-minium- anstelle von Stahlkonstruktionen in der Baubranche, die dazu führt, dass Schweizer die konsequent ökologische Ausrichtung zugunsten der Marktbefriedi-gung teilweise aufgeben muss (vgl. auch oben). Zum anderen – paradoxerweise – die zunehmende Nachfrage nach Produkten, die den Minergiestandard erfüllen: Schweizer konnte als etablierter „Ökopionier“ zwar von dieser Entwicklung profitie-ren, die relativ einfach zu erreichenden Standards führten aber auch zu einer ten-denziellen Nivellierung der ökologischen Ansprüche sensibilisierter Kundenk-reise, womit sich darüber hinausgehende ökologische Leistungen von Schweizer-Produkten kaum mehr als Verkaufsargument nutzen liessen. Bislang keinen spürba-ren Einfluss auf die jeweiligen Unternehmensstrategien haben globale Verknap-pungserscheinungen bei den Rohstoffen Stahl und Stahlschrott, obwohl hier seit der Jahrtausendwende substanzielle Preiserhöhungen zu verzeichnen sind. Als be-deutsame Einflüsse aus dem gesellschaftlich-politischen Umfeld erwiesen sich für

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Lista und Schweizer, bedingt durch deren Herstellungs- und Logistikprozesse, hin-gegen Neuerungen in der nationalen Umweltschutzgesetzgebung mit der Ein-führung der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) und der Ankündi-gung einer Abgabe auf CO2-Emissionen: Sie lösten bei beiden Unternehmen Mass-nahmen aus, mit welchen die Produktionskosten niedrig gehalten werden sollten.

Von den drei Unternehmen definierte einzig Schweizer von Anfang an bewusst das Ziel, mit dem UMS einen möglichst grossen Nutzen für die Unternehmung zu gene-rieren und das UMS entsprechend dieser Maxime weiterzuentwickeln. Bei Lista lag – wie erwähnt – die Zielsetzung in der „sauberen“ Unternehmensführung und Otto Keller wollte in erster Linie das ISO-14001-Zertifikat als Verkaufsargument nutzen. Diese strategischen UMS-Ziele reflektieren sich deutlich in der Weiterentwicklung der Systeme. Sie erscheint bei den letzteren Unternehmen tendenziell isoliert, wäh-rend sie sich bei Schweizer relativ harmonisch in die allgemeine Unternehmensent-wicklung einfügt. So wurden zwar alle drei Systeme in Bezug auf neue Organisa-tionsstrukturen angepasst und ihr Einflussbereich teilweise erweitert, wettbewerbs-strategische Neuorientierungen wie z.B. bei Lista flossen hingegen nicht gezielt in die UMS-Entwicklung ein. Dies wirkt sich deutlich auf den KVP von UMS und Um-weltleistung aus: Bei Otto Keller ist er zum Stillstand gekommen, nachdem sich die ursprünglichen Ziele als nicht erreichbar erwiesen hatten, bei Lista hat er sich zu-nehmend verlangsamt, nachdem ein intern akzeptiertes Niveau der sauberen Unter-nehmensführung erreicht worden war, und bei Schweizer besteht der Eindruck, dass auch in Zukunft immer wieder neue Verbesserungspotenziale geschaffen und genutzt werden können (vgl. dazu auch die Ausführungen zur Höherentwicklung von UMS in diesem Kapitel).

Damit verbunden ist die Beobachtung, dass bei Lista und Otto Keller einige Jahre nach der Erstzertifizierung ein steigender interner Rechtfertigungsdruck für UMS und Umweltschutzmassnahmen erkennbar wurde. Auffallend sind in beiden Fällen zeitliche Parallelen zur zunehmenden Konkurrenzsituation, zum Kostendruck und zur ausbleibenden Marktreaktion auf das Umweltengagement. Dies bestätigt sich darin, dass der Rechtfertigungsdruck bei Otto Keller deutlich früher einsetzt und von grösseren Teilen der Belegschaft ausgeht als bei Lista. Kritisiert wird in erster Linie ein schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis des UMS, und die kritischen Stimmen setzen in beiden Fällen in einer Phase ein, in welcher die einfach erreichbaren Ver-besserungspotenziale „abgearbeitet“ sind, weitere Umweltschutzmassnahmen ei-nen erhöhten Ressourcenaufwand erfordern würden und positive Signale von Kun-den und Märkten weiterhin ausbleiben. Auffallend ist in diesem Zusammenhang die enge Beziehung zwischen der kulturellen Verankerung des Umweltengagements in den einzelnen Unternehmen und dem Ausmass der Kritik gegenüber Umweltzie-len und Umweltschutzmassnahmen. So ist bei Schweizer der Rechtfertigungsdruck schwach ausgeprägt und hat sich in den Jahren nach der Erstzertifizierung nicht spürbar verstärkt. Erkennbar ist er vor allem in neu integrierten Organisationseinhei-ten. Die interne Kritik bei Otto Keller hat rund sechs Jahre nach der Erstzertifizie-

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242 Vergleichende Fallstudienanalyse

rung zur Aufgabe des UMS-Zertifikats geführt, und bei Lista konkretisiert sie sich in zunehmendem internem Widerstand wenn es darum geht, neue Umweltschutz-massnahmen einzuleiten. Unterschiede bestehen allerdings darin, dass der Recht-fertigungsdruck bei Lista deutlich stärker auf das Umweltengagement fokussiert ist, während er bei Otto Keller sowohl auf UMS als auch auf QMS bzw. allgemein auf die eingeführten normierten Managementsysteme gerichtet war.

Zusammenfassend sind in den drei Fallstudien eine Reihe von Zusammenhängen und Einflussfaktoren des KVP zu erkennen: Zunächst wird evident, dass sich Unter-nehmen implizite oder explizite Ziele setzen, die sie mit dem UMS erreichen wollen. Der KVP von UMS und Umweltleistung wird demnach solange gefördert, bis diese Ziele erreicht sind oder bis die Überzeugung herrscht, dass sie nicht umgesetzt werden können. Von der kulturellen Verankerung des Umweltengagements bzw. von der intrinsischen Motivation zum Aufbau des UMS scheint abzuhängen, wel-chen Ansprüchen das Kosten-Nutzen-Verhältnis von UMS und Umweltschutz-massnahmen genügen muss, um das Engagement fortzuführen. Wird das Kosten-Nutzen-Verhältnis als nicht ausreichend empfunden, steigt der interne Rechtferti-gungsdruck gegenüber zusätzlichen Umweltschutzmassnahmen, was den KVP ten-denziell verlangsamt. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis wiederum ist abhängig davon, wie einzelne Ziele des UMS gewichtet werden: Stehen Marktwirkungen im Zentrum der Erwartungen, so führen ausbleibende Marktreaktionen zu einer zunehmenden Hinterfragung des mit dem Umweltengagement verbundenen Aufwands. Dies gilt vor allem dann, wenn einzelne Umweltschutzmassnahmen keinen positiven Nut-zenbeitrag stiften. In dieser Situation erweist sich der Umstand als tendenziell KVP-hemmend, dass mit zunehmender Zertifizierungsdauer bei allen drei Unternehmen eine höhere Komplexität zusätzlicher Umweltschutzmassnahmen und damit ein grösserer Realisierungsaufwand festzustellen ist.

11.4 Rolle und Einfluss der Zertifizierung

Welcher Art sind die Wirkungen der zur ISO-Zertifizierung vorgeschriebenen exter-nen Audits auf den KVP von UMS und Umweltleistung? Die folgende Analyse ver-gleicht die individuellen Erfahrungen und Vorgehensweisen in den Fallstudienunter-nehmen. Im Kern interessiert die Frage, ob die Audits in ihrer praktischen Um-setzung eine geeignete Plattform zur Förderung des KVP darstellen. Auch werden die Faktoren herausgearbeitet, die in dieser Situation das Generieren von KVP-Impulsen beeinflussen.

Ein Blick auf die Gründe, warum sich die drei Fallbeispiele nicht nur zum UMS-Auf-bau, sondern auch zu dessen Zertifizierung entschieden haben, belegt, dass Unter-nehmen neben der Kommunikationswirkung des Zertifikats auch interne Nutzen durch die geforderten Auditroutinen anstreben. Besonders Schweizer und Lista su-chen in der regelmässigen externen Auditierung gezielt den „Druck von aussen“.

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Vergleichende Fallstudienanalyse 243

Sie erhoffen sich dadurch Impulse zur Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung des UMS. Ohne diesen Druck, der für Management und Mitarbeiter gleichermassen wirksam ist, glauben sie nicht, ihre Systeme auf Dauer aufrechterhalten zu können. Angesichts der fortgeschrittenen unternehmenskulturellen Verankerung und der ho-hen intrinsischen Motivation dieser beiden Unternehmen ist dies bemerkenswert. Es dominieren hier pragmatische Überlegungen, die davon ausgehen, dass nicht alle Mitarbeiter dem ökologischen Verhalten gleiche Bedeutung beimessen und alltägli-che Sachzwänge auch bei weitgehend integrierten Systemen die Gefahr mit sich bringen, dass formale, strukturelle und entwicklungsorientierte Aspekte des UMS vernachlässigt werden. Die Umweltbeauftragten äusserten sich auch dahingehend, dass sie sich selbst in einer zu schwachen Position wähnen, um einen ähnlich wirk-samen Druck auf die Belegschaft auszuüben, wie er von den mit dem Zertifikat ver-bundenen Pflichten ausgeht.

Audit-Rahmenbedingungen Gemeinsam ist den Unternehmen die hohe Treue bzw. die langjährige Beziehung zu „ihrem“ Auditor. Dieser wird hinsichtlich ISO-Normenkenntnis, Auditdurchführung und Branchenwissen generell als sehr kompetent eingeschätzt. Durch die regel-mässige Auditierung kennen sich Auditor und Akteure der Unternehmen recht gut, was insbesondere bei Lista und Schweizer zu einem ausgeprägten Vertrauensver-hältnis mit verschiedenen Folgen geführt hat: Einerseits sind dem jeweiligen Audi-tor die Prozesse und Strukturen der Unternehmen gut bekannt, was die direkte An-sprache bzw. Prüfung kritischer Abläufe und Problembereiche ermöglicht. Anderer-seits führt das Vertrauensverhältnis dazu, dass sich die Auditoren in ihrer Auditpla-nung beeinflussen lassen. Sie geben den Unternehmen damit die Möglichkeit, den Auditablauf zu steuern. Schweizer und Lista machen davon gezielt Gebrauch, um einen möglichst hohen Nutzen aus den Audits zu generieren: Überwachungs- und Rezertifizierungsaudits werden durch gezielte Einflüsse dorthin gelenkt, wo der Druck von aussen zur Beseitigung bekannter Schwachstellen als förderlich oder gar notwendig erachtet wird.

In keinem der Unternehmen werden reine UMS-Audits durchgeführt. Immer wird gleichzeitig auch das QMS auditiert. Die kombinierten Audits führen dazu, dass ökologische Themen nicht ausschliesslicher Auditinhalt sind. Die Folgen sind unter-schiedlich, doch zeichnet sich eine Konkurrenz zwischen UMS- und QMS-Audit-anteilen mit einer tendenziell stärkeren Gewichtung des QMS ab. Während bei Lista und Otto Keller das UMS klar untergewichtet erscheint, werden bei Schweizer die Audits sachlich möglichst integriert durchgeführt und die Prozesse i.d.R. gleich-zeitig sowohl aus ökologischer als auch qualitätsorientierter Perspektive beleuchtet. Diesbezüglich ist ein Zusammenhang zwischen dem Integrationsgrad von UMS und QMS und der Ansprache ökologischer Themen anlässlich der Audits erkennbar. Trotz des unterschiedlichen Vorgehens sehen die Auditoren der Zertifizierungsge-sellschaften aber keine Probleme, auch bei kombinierten Audits den Forderungen von ISO 14001 gerecht zu werden. Anders die Umweltbeauftragten: Hier wird die

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244 Vergleichende Fallstudienanalyse

tendenzielle Höhergewichtung des QMS zwar grundsätzlich verstanden und akzep-tiert, aber auch bedauert, wenn der Auseinandersetzung mit spezifisch umwelt-bezogenen Fragen zu wenig Raum bleibt.

Prüfung des KVP Die Zertifizierungsauditoren definieren den KVP – weitgehend übereinstimmend – als stetige Verbesserung der Systemelemente, die sich (auch) in den Systemleis-tungen konkretisieren müsse. Die Prüfung des KVP ist eine fixe Vorgabe der für die Fallstudienunternehmen zuständigen Zertifizierungsgesellschaften. Unterschie-de ergeben sich im Rahmen der Auditsituation und sind auf die individuelle Vor-gehensweise der Auditoren zurückzuführen: Während zwei der Auditoren den KVP explizit ansprechen und den dokumentierten Nachweis für Verbesserungen von UMS und Umweltleistung verlangen, prüft der dritte Auditor den KVP implizit, jedoch mit gezielten Fragen im Rahmen der Auditgespräche. Die Auditoren stellen überein-stimmend keine quantitativen Forderungen an die Verbesserung der Umweltleis-tung und bewerten den KVP nicht ausschliesslich anhand von Kennzahlen. Viel-mehr beziehen sie auch Faktoren wie das bestehende Umweltleistungsniveau, das Anspruchsniveau der Umweltziele, die wirtschaftliche Situation und die Einflussmög-lichkeiten des UMS und der Unternehmung auf die Veränderung der Umweltleistung mit ein. Sie orientierten sich damit systematisch an dem von der Schweizerischen Akkreditierungsstelle vertretenen pragmatischen Ansatz zur materiellen Prüfung des KVP452.

In den Einzelfallstudien kommen aber auch Defizite in der praktischen Beurteilung von Veränderungen zum Ausdruck. Insbesondere erweisen sich die Auditoren als sehr zurückhaltend wenn es darum geht, Verbesserungen bezüglich Art, Qualität und Niveau kritisch zu hinterfragen und objektiv zu beurteilen. Dies kann eine Folge der Fallstudienauswahl in dieser Arbeit sein, in welcher zumindest zwei der drei Un-ternehmen als Ökopioniere eine Vorreiterrolle geniessen (vgl. unten). Es zeigt sich hierin aber auch die Schwierigkeit, die diesbezüglich diffusen Normvorgaben und die rein qualitativen Vorgaben der Zertifizierungsorganisationen in Form konkreter Beurteilungsgrundlagen im Einzelfall anzuwenden.

KVP-Impulswirkungen externer Audits Wie beeinflussen externe Audits den KVP? Der Fallstudienvergleich ergibt folgen-des Bild zum Zeitpunkt vor, während und nach der Auditdurchführung:

Im Vorfeld der Audits werden in allen drei Unternehmen gesteigerte Aktivitäten zur Anpassung und Aktualisierung der dokumentierten Systemelemente ausgelöst. Sie haben primär zum Ziel, die Einhaltung der formalen Normforderungen sicherzu-stellen, wovon weitgehend die operative Systempflege betroffen ist. Der ökologische und ökonomische Nutzen dieser Arbeiten wird in den Unternehmen jedoch stark be-zweifelt. Nur selten haben sie Impulse und Fortschritte zur Folge, die als Nutzenbei-

452

Vgl. dazu Abschnitt 2.2.1.

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Vergleichende Fallstudienanalyse 245

trag wahrgenommen werden. Dies wäre dann der Fall, wenn die Auseinanderset-zung mit einzelnen Prozessen zur Identifikation von Problembereichen mit nicht nur ökologischem Bezug führt. Dieser Effekt kann – wie bei Lista oder Otto Keller – durch interne Audits gefördert werden. In Bezug auf den Aufwand für diese Vorar-beiten wurde bei Otto Keller anschaulich konstatiert, dass kurz vor den externen Audits „die Lichter am Abend wieder länger brennen“. Angesichts der kombinierten QMUM-Systeme in allen drei Unternehmen ist hier allerdings anzunehmen, dass dieser Anpassungsaufwand eher als Folge der QMS-Forderungen (ISO 9000f.) als der ISO 14001 zu werten ist, die weniger hohe Vorgaben an die Systemdokumenta-tion stellt.

Deutlich KVP-unterstützender ist die Impulswirkung während der Audits. Dies wird möglich, weil keiner der Auditoren die Audits ausschliesslich als Überwachungsakt im Sinne der ISO-Normen interpretiert und gestaltet. Tatsächlich wird die Über-wachungsfunktion nur von Otto Keller als zu dominant wahrgenommen. Über-einstimmend – wenn auch in unterschiedlichem Ausmass – bilden die Audits regel-mässig eine Plattform zur Diskussion von systemspezifischen und entwicklungs-orientierten Fragestellungen und werden auf diese Weise zum Ausgangspunkt für Lernprozesse, Sensibilisierung und Entwicklungsimpulse. Die Bedeutung dieser Au-ditfunktion und die faktischen Auswirkungen auf den KVP werden allerdings sehr unterschiedlich bewertet. In den Gesprächen zeigte sich, dass die hierarchisch hö-her gestellten Unternehmensvertreter Weiterentwicklungsimpulse eher nicht erwar-ten mit der Begründung, dass die Unternehmen die eigenen Möglichkeiten selber sehr gut kennen würden. Dennoch sind sie auch für diese Akteure immer wieder Anlass zur Reflexion des ökologischen Verhaltens und der UMS-Zielsetzungen. Die Umweltbeauftragten begrüssen die Diskussionen anlässlich der Audits hingegen durchwegs als willkommene Plattform zum fachlichen Austausch.

Bezüglich Lista und Schweizer sind die Ergebnisse jedoch dahingehend zu relativie-ren, dass diese Unternehmen für die Auditoren selber Lernplattformen darstellen. Solche Pionierunternehmen weisen ein vergleichsweise fortgeschrittenes UMS-Niveau auf, so dass es für die betreffenden Auditoren schwierig ist, Impulse inhalt-licher Art zu vermitteln. Sie erhalten hier vielmehr selber Anregungen, die sie in Au-dits bei weiteren Firmen als Beispiele des „State of the Art“ einbringen können. Dennoch zeigt sich auch hier, dass die Auditoren in der Lage sind, im Gespräch zusammen mit den Auditierten mögliche Ansatzpunkte für den KVP zu entwickeln, ihre Umsetzbarkeit zu diskutieren und die „richtigen Fragen“ zu stellen.

Inwiefern die Erkenntnisse aus den Auditdiskussionen zum KVP von UMS und Um-weltleistung tatsächlich beitragen, hängt neben dem faktischen Handlungsspielraum sehr stark vom Umsetzungswillen im Unternehmen ab. Dies wird kontrastierend in den Fallstudien von Schweizer und Otto Keller erkennbar. Formal verbindlicher wä-ren in der Phase nach den Audits – als Ausdruck der Überwachungsfunktion – die in Form von „Schwachpunkten“, „Hinweisen“ und weiteren Empfehlungen definier-ten Handlungsvorgaben im Auditbericht. Dieser Bericht stellt für alle drei Unter-

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246 Vergleichende Fallstudienanalyse

nehmen ein bedeutender Ausgangspunkt für weitere interne Diskussionen im Rah-men des UMS-Zielsetzungsprozesses dar und wird intern als Referenzdokument für das Controlling von Verbesserungsprozessen verwendet. Es fällt aber auf, dass die Auditoren diese Möglichkeiten kaum nutzen, um auf mangelnde ökologische Fort-schritte hinzuweisen und sie als Schwachstellen schriftlich zu dokumentieren.

Zusammenfassung und Fazit In den Fallstudien werden grundsätzlich positive Impulswirkungen der externen Audits sichtbar. Sie manifestieren sich im externen Druck, der von den regelmässi-gen Überwachungs- und Rezertifizierungsaudits ausgeht, sowie in der Nutzung der Audits als Plattform für entwicklungsorientierte Gespräche. Welcher Art diese Impul-se tatsächlich sind und wie sie zum KVP beitragen, ist hingegen sehr stark von den spezifischen Rahmenbedingungen abhängig. Als wichtige Einflussfaktoren ent-puppen sich in der Praxisbetrachtung die Forderungen des Auditors, die Audit-situation, die Erwartungshaltung der Auditierten und deren Motivation für ökolo-gische Leistungen. Während die Forschungsarbeit von HAMSCHMIDT (2001), basie-rend auf der Studie DYLLICK / HAMSCHMIDT (2000), zum Schluss kommt, dass exter-ne Audits weitgehend den Charakter von Compliance-Audits tragen und sich i.d.R. auf die Überprüfung der Normkonformität beschränken, kommt in den hier vorlie-genden Fallstudien durchgehend die Bereitschaft der Auditoren zu inhaltlichen Ent-wicklungsdiskussionen zum Ausdruck. Wenig förderlich ist hingegen die intranspa-rente und zurückhaltende Beurteilung der system- und leistungsbezogenen Fort-schritte anlässlich der Audits. Der externe Druck zur kontinuierlichen Verbesserung kommt damit nur teilweise zum Tragen und konzentriert sich in Einzelfällen auf weitgehend formale Anpassungsarbeiten, von denen kaum ökologisch relevante Wirkungen ausgehen. Auch die bedeutsame Impulswirkung entwicklungsorientierter Diskussionen wird in der Praxis tendenziell eingeschränkt, indem in kombinierten UMQM-Auditformen umweltbezogene mit qualitätsbezogenen Fragestellungen kon-kurrieren müssen und dadurch oft zuwenig Zeit für vertiefte themenfokussierte Aus-einandersetzungen zur Verfügung steht. Nicht zuletzt deshalb wirkt es sich für den KVP fördernd aus, wenn Unternehmen die Audits nicht vorwiegend als externe Prü-fung verstehen, sondern darin gezielt Impulse zur Weiterentwicklung und mitunter auch zu „Aha-Erlebnissen“ suchen. In den sehr unterschiedlichen Fall-studiensituationen bestätigt sich darüber hinaus die hohe Bedeutung des normati-ven, strategisch konkretisierten Willens der Unternehmensführung und der Beleg-schaft für die Weiterentwicklung von UMS und Umweltleistung.

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Teil III

Erkenntnisse und Empfehlungen für die Praxis

12 Erkenntnisse aus der Untersuchung

Im Folgenden werden die Erkenntnisse aus der vorangegangen Analyse zur Umset-zung der KVP-Forderung in Theorie und Praxis zusammengefasst. Die Erkennt-nisse sind aufgrund der geringen Anzahl untersuchter Unternehmen und der bran-chenbezogenen Beschränkung der Fallstudienauswahl nicht repräsentativ, erlauben aber dennoch erste und sehr interessante Rückschlüsse auf Wirkung und Wirksam-keit des KVP in ISO-14001-zertifizierten Unternehmen. In einer statischen Herange-hensweise wird zunächst betrachtet, wie sich UMS und Umweltleistung nach der Erstzertifizierung entwickeln. Dies erlaubt eine „absolute“ Betrachtung der Wirk-samkeit der KVP-Forderung. Im zweiten Teil werden Entwicklungsphasen, Entwick-lungsmuster und Einflussfaktoren des Entwicklungsprozesses ins Zentrum gerückt, womit eine dynamische Betrachtungsperspektive zum KVP eingenommen wird. Der dritte Teil ist der Rolle und dem Einfluss externer, zur Aufrechterhaltung der ISO-14001-Zertifizierung geforderter Überwachungs- und (Re-) Zertifizierungsaudits in Bezug auf den KVP gewidmet.

12.1 Ergebnisse des KVP

Unternehmen, welche die ISO-14001-Zertifizierung erreichen wollen, müssen an-lässlich der Erstzertifizierung nachweisen, dass sie zumindest das von Gesetzes wegen geforderte Umweltleistungsniveau erreichen. Darüber hinaus gehende Leis-tungen zur Umweltentlastung sind zu diesem Zeitpunkt explizit nicht gefordert. Die Unternehmen sind hingegen dazu verpflichtet, nach der Zertifizierung aktiv auf die kontinuierliche Weiterentwicklung des UMS hinzuwirken und damit ihr Umweltleis-tungsniveau ständig zu erhöhen. Die Untersuchung rückte die Frage ins Zentrum, ob bei langjährig zertifizierten Unternehmen solche Verbesserungen auch tatsäch-lich beobachtet werden können. Die Bestandsaufnahme in Unternehmen der „Pio-niergeneration“ führte zu Erkenntnissen (I.) in Bezug auf die Weiterentwicklung des UMS und (II.) hinsichtlich der Verbesserung der Umweltleistung.

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248 Erkenntnisse

I. Erkenntnisse zur Weiterentwicklung des UMS

a) Nach der Erstzertifizierung des UMS finden Diffusionsprozesse bezüglich Reichweite und Reichhaltigkeit sowie eine Höherentwicklung des UMS statt.

b) Weiterentwicklungsprozesse beschränken sich auch mittel- bis langfristig auf diejenigen Handlungsfelder, die bereits zum Zeitpunkt der Erstzertifizierung von der vorherrschenden ökologischen Handlungsperspektive erfasst worden waren.

Zur Diffusion in die Breite: Bei der Reichweite bzw. bei der Diffusion des UMS innerhalb der Organisation zeigt sich, dass zertifizierte Unternehmen, sofern nicht schon die Erstzertifizierung die gesamte Organisation erfasste, im Verlauf des Ent-wicklungsprozesses ihr UMS auf weitere Organisationseinheiten ausweiten. In der vorliegenden, nicht repräsentativen empirischen Untersuchung ist der Impuls für die Diffusion des UMS von den jeweiligen Unternehmenszentralen bzw. von den zent-ralen Führungseinheiten ausgegangen. Hier zeigte sich, dass UMS bevorzugt auf Subeinheiten (Standorte, Werke, Niederlassungen) ausgeweitet werden, die von der Zentrale eng geführt werden, während Organisationseinheiten mit einer weitgehend selbständig agierenden lokalen Führung weniger stark in den Diffusionsprozess einbezogen werden. Tendenziell zeigen sich auch die geographische Nähe zum Hauptsitz sowie die operative Verbundenheit der Standorte zum „UMS-Zentrum“ als fördernde Faktoren der Breitendiffusion. Dass alle analysierten Unternehmen eine Zertifizierungsstrategie wählten, in welcher mehrere (in zwei Fällen auch sämtliche) Organisationseinheiten unter dasselbe Zertifikat fallen, kann nicht als verallgemein-erbares Resultat gewertet werden, scheint aber für das Segment KMU signifikant zu sein. Kommunikationsprozesse zwischen Organisationseinheiten können darüber hinaus zu Spill-over-Effekten ausserhalb des zertifizierten Systems führen, wenn die Einheiten gut vernetzt sind und positive Erfahrungen ausgetauscht werden. Sie können so an zusätzlichen Standorten zu Lernprozessen führen, ohne dass dort der Aufbau eines zertifzierungsfähigen UMS angestrebt wird.

Zur Diffusion in die Tiefe: Weiterentwicklungsprozesse bezüglich der Reichhaltig-keit von UMS beschränken sich tendenziell auf jene Handlungsfelder, die schon während dem UMS Aufbau unter dessen Einflussbereich fielen. UMS diffundieren zwar in die Tiefe, diese Entwicklung manifestiert sich aber eher als Verfeinerung der bisherigen Handlungsrichtungen denn als thematische Ausweitung. Ähn-liches war bei allen drei Fallstudien zu beobachten: Betriebsökologische Massnah-men dominierten den UMS-Aufbau deutlich, nur in einem der Unternehmen wurde auch die Produktökologie von Beginn an mit einbezogen. Dies hat sich nach der Erstzertifizierung nicht verändert, die ursprüngliche Ausrichtung des UMS auf be-stimmte Handlungsfelder konnte mit dem KVP nur unwesentlich erweitert werden. Bezeichnend ist hier die Erfahrung eines der Unternehmen, bei welchem die Aus-weitung des klar nach innen gerichteten UMS auf produktökologische, marktbezo-gene Anwendungen scheiterte. Die Erkenntnis von HAMSCHMIDT (2001), wonach der

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Erkenntnisse 249

von der ISO-Norm verlangte Einbezug aller „Tätigkeiten, Produkte und Dienstleis-tungen“453 durch die starke Betonung interner Prozesse vernachlässigt wird, wird hiermit auch für Unternehmen mit langjährig zertifizierten UMS bestätigt. Nicht bes-tätigt werden konnten hingegen Erwartungen, wonach die Reichhaltigkeit von UMS mit zunehmender Betriebsdauer quasi „automatisch“ zunehmen würde.

Zur Höherentwicklung von UMS: Die Fallstudien untermauern die Bedeutung der soft factors Visionsfähigkeit, Motivation, Interaktion und Innovationsfähigkeit als zen-trale Voraussetzungen für die Höherentwicklung von UMS.454 Die Bereitschaft und Fähigkeit, ökologische Aspekte in allgemeine Entwicklungsvisionen zu integrieren, entpuppt sich dabei als limitierendes Moment des KVP in der langen Frist, was in allen drei Fallstudien zu erkennen ist: Bei Schweizer ist Umweltschutz ein fester Be-standteil aller Entwicklungsoptionen, was dem KVP auch in Zukunft zahlreiche Ent-faltungsmöglichkeiten lässt. Bei Lista ist die Zielsetzung der „sauberen“ Unterneh-mensführung weitgehend erreicht, was weitere ökologische Lernprozesse hemmt und den KVP deutlich verlangsamt. Bei Otto Keller sind alle mit dem UMS verbun-denen Ziele erfüllt oder haben sich als unrealisierbar erwiesen, so dass der KVP zum Stillstand gekommen ist. Ebenfalls grosse Bedeutung hat die Innovationsfähig-keit, die es dem Unternehmen ermöglicht, den Denk- und Bezugsrahmen zu erwei-tern und neben funktionalen und kostenoptimierenden auch ökologische Prozess- und Produktinnovationen zu entwickeln und umzusetzen. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass Verbesserungsprozesse eher auf konkrete Umweltschutzaktivitäten ausgerichtet sind, während zentrale Elemente des UMS nach deren Implementie-rung kaum verändert oder weiterentwickelt werden. Dies gilt z.B. für die Erfassung und Bewertung der Umweltaspekte, für die Erstellung der Umweltrelevanzmatrix oder im Bereich der UMS-Controllinginstrumente, wo in allen drei Unternehmen über Jahre hinweg trotz eines teilweise deutlichen Erfahrungszuwachses mit den-selben Vorgehensweisen und Instrumenten gearbeitet wurde.455 Hier kommt eine teilweise mangelhafte Entwicklung der ökologischen Wissensbasis im eigenen Haus zum Ausdruck: Unternehmen stützen sich in der Weiterentwicklung ihres UMS viel-fach zu stark auf externe Leistungserbringer, z.B. zur Erstellung von Umweltanaly-sen und zur Entwicklung von Umweltschutzmassnahmen, ohne damit eigenes Wis-sen zu erwerben und intern verfügbar zu machen.

453

Vgl. ISO 14001:1996, Punkt 4.2a. 454

Vgl. dazu die in Abschnitt 3.4 vorgestellte Studie GELLRICH ET AL. (1997). 455

Hier ist die Einschränkung vorzunehmen, dass das UMS der Ernst Schweizer AG kurz nach der Erhebung der Fallstudie eine deutliche Weiterentwicklung erfahren hat, insbesondere im Bereich des UMS-Controllings mit der Implementierung einer nachhaltigkeitsorientierten Balanced Scorecard. Vgl. dazu auch die Anmer-kungen in der Fallstudie.

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250 Erkenntnisse

II) Erkenntnisse zur Verbesserung der Umweltleistung:

a) Verbesserungen der Umweltleistung sind in der Betriebsökologie und – in deutlich geringerem Ausmass – in der Produktökologie feststellbar.

b) Gemessen an der gesamten Umweltbelastung bleiben die seit der Erstzertifi-zierung erzielten Verbesserungen auf einem bescheidenen Niveau.

c) Methodische Schwächen in der Datenerfassung und -Interpretation erschwe-ren Aussagen zur mittel- bis langfristigen Entwicklung von Energie- und Stoff-flussströmen.

Zu den Bereichen der Umweltentlastung: In den untersuchten Fällen sind nach der Erstzertifizierung primär in der Betriebsökologie Verbesserungen der Umwelt-leistung zu erkennen. Sie sind vor allem in „Win-win-Situationen“ festzustellen, d.h. in Bereichen, in welchen Umweltschutzmassnahmen mit Kosteneinsparungen ver-bunden sind. Dies betrifft vorwiegend den Energie- und Wasserverbrauch sowie die Abfallentsorgung. Diese Verbesserungen sind in allen drei Fallstudien vorwiegend auf die Zeit kurz nach der Erstzertifizierung des UMS zurückzuführen und bestäti-gen damit die in der Studie DYLLICK / HAMSCHMIDT (2000) gewonnenen Erkenntnisse bei „jungen“ UMS.456 Im Zuge der Diffusion in die Tiefe zeigen alle drei Unter-nehmen später auch Umweltleistungsverbesserungen, die nicht direkt durch ökono-mische Ziele geleitet wurden, wie z.B. in der Logistik (Transporte, Geschäftsver-kehr) oder in Einzelfragen der Infrastrukturentwicklung. Absolute Verbesserungen sind praktisch ausschliesslich dort festzustellen, wo gesetzliche Regelungen ökolo-gisch bedenkliche Stoffe mit Abgaben belasten oder solche in Aussicht stellen (z.B. VOC, CO2), sowie im Zusammenhang mit reduzierten Produktionsmengen. Enttäu-schend sind die Veränderungen der Umweltleistung in der Produktökologie, die nur im UMS von Schweizer ein gezielt und systematisch bearbeitetes Handlungsfeld darstellt. Die in das Konzept des KVP gesteckten Hoffnungen, dass sich zumindest in späteren Phasen des ökologischen Entwicklungsprozesses auch auf Produktseite Verbesserungen einstellen werden, haben sich bislang nicht erfüllt.457

Zum Ausmass der Umweltentlastung: Eng mit obiger Aussage verbunden ist die Erkenntnis, dass die seit der Erstzertifizierung erzielten Umweltleistungsverbesse-rungen in den analysierten Unternehmen gesamthaft und relativ betrachtet sehr ge-ring sind. Die weitgehende Ausblendung der Produktökologie und die strategische Entscheidung für den Einsatz von Stahl und Aluminium als Ausgangsbasis für die Produktgestaltung führt dazu, dass das UMS dieser Unternehmen fast ausschliess-lich Umweltaspekte erfasst, die zusammen für rund ein Zehntel der gesamten Um-weltbelastung verantwortlich sind. Die übrigen 90% der Umweltbelastung werden vom UMS nur geringfügig beeinflusst. Verantwortlich für diese beachtlichen Grös-

456

Zur Unterscheidung „junger“ und „alter“ UMS vgl. Kapitel 5. 457

Vgl. dazu HAMSCHMIDT (2001), S. 238, der zu ähnlichen Erkenntnissen gelangt. Die dort aus den Erfahrun-gen „junger“ UMS gewonnenen Erkenntnisse sind weitgehend auch für die hier untersuchten „alten“ UMS gültig.

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Erkenntnisse 251

senverhältnisse ist die ökologische Vorbelastung (bzw. der „ökologische Rucksack“) der Metalle. Damit ein beträchtlicher Hebeleffekt verbunden, durch welchen teilwei-se minimale produktökologische Veränderungen aufwändige betriebsökologische Massnahmen in ihrer Entlastungswirkung deutlich übertreffen könnten. Eindrücklich ist hier ein Beispiel aus der Fallstudie Schweizer: Hier wurde für einen einzelnen Auftrag aus ökologischen Überlegungen die Bauweise von Aluminiumträgern soweit optimiert, dass gegenüber der Standardlösung 28 Tonnen Aluminium eingespart werden konnten (vgl. auch Abschnitt 9.4.3). Um dieselbe Umweltentlastung (in UBP) zu erzielen, hätte Schweizer den gesamten Stromverbrauch im Betrieb um 100% und zusätzlich den Ölverbrauch um 75% verringern müssen. Die Erkenntnis gilt so zwar nur für Unternehmen aus der metallverarbeitenden Industrie. Auch wird sie durch die gute Rezyklierbarkeit der Rohstoffe relativiert. In ihren Grundzügen kann sie aber durchaus auf andere Industriezweige übertragen werden, wenn dort den „eingekauften“ Umweltbelastungen aus vorgelagerten Branchenstufen wenig Aufmerksamkeit zuteil wird.

Zur Interpretation der Umweltleistungsentwicklung: Die Interpretation der Wirk-samkeit von UMS aufgrund von Veränderungen der Stoff- und Energieflussdaten wird durch mehrere Faktoren erheblich erschwert. Erstens erweisen sich UMS mit-tel- bis langfristig als nur eine von mehreren Einflüssen, welche die tatsächliche Um-weltleistung verändern können. In allen untersuchten Fällen führten vor allem nicht ökologisch begründete Veränderungen von Produktionsverfahren, Produkten oder Marktpräferenzen zu ökologischen Mehr- oder Minderbelastungen (vgl. unten). Zweitens kommen in den gemessenen Daten Veränderungen zum Ausdruck, die aus einer unternehmensstrukturellen Ausweitung (Integration von neuen Geschäfts-einheiten) oder Verkleinerung (Stilllegung von Niederlassungen) resultieren. Die damit erfassten Wirkungen auf die Stoff- und Energieflüsse sind nur zum Teil mate-riell begründbar, nicht jedoch dann, wenn z.B. eine ausgegliederte Organisa-tionseinheit unter neuer Führung weiter betrieben wird und die Umweltbelastungen neu ausserhalb der UMS-Systemgrenzen anfallen. Drittens sind die ausgewiesenen Veränderungen auch auf methodische Schwächen in der Erfassung der Umweltleis-tung zurückzuführen, die den Vergleich ökologischer Daten im Zeitablauf erheblich erschweren können. Die in der Unternehmenspraxis von Kennzahlensystemen zu-sammengetragenen Daten zu Stoff- und Energieflüssen ergeben deshalb – insbe-sondere in der Längsschnittbetrachtung – ein unvollständiges und verzerrtes Bild der ökologischen Wirksamkeit von UMS.

Zurückzuführen ist dies in der Praxis auch auf die Beobachtung, dass angesichts des dynamischen Unternehmenswandels die Kennzahlen- und Controllingsys-teme in den analysierten Fällen eine relativ hohe Kontinuität aufweisen. Sie werden vielfach nur teilweise und oft mit erheblicher Verzögerung an veränderte Unterneh-mensstrukturen angepasst. Dies kann dazu führen, dass neue Grundlagen und Rahmenbedingungen nicht adäquat abgebildet werden und die Realität immer we-niger genau erfasst wird. Gleichzeitig werden diese Systeme und die von ihnen ge-

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252 Erkenntnisse

lieferten Daten in allen untersuchten Fällen als zentrale Steuerungsgrössen für die Festlegung von Umweltzielen und für die Verabschiedung von Umweltschutzmass-nahmen genutzt. Deshalb können „veraltete“ Kennzahlensysteme zu falschen Da-ten, damit zu falschen Aussagen und letztlich zu falschen Handlungen führen. Ein typisches Problem ist hierbei z.B. die Definition ungeeigneter Bezugsgrössen zur Ermittlung der relativen Umweltleistungsentwicklung. So führt die Verwendung von Umsatzzahlen in der mittleren bis langen Frist zu nicht mehr vergleichbaren Aussa-gen, da sich die realisierten Erlöse je Produkteinheit laufend verändern (Marktprei-se, preisrelevante Produktanpassungen, etc.). Ausserdem werden in keinem der betrachteten Unternehmen, die monetäre Grössen als Bezugsgrössen verwenden, die Geldbeträge teuerungsbereinigt. In Anbetracht der Tatsache, dass sich seit 1995 das Preisniveau in der Schweiz um zwischen 7% (Konsumentenpreisindex) und 12% (Waren und Dienstleistungen) erhöht hat, sind Veränderungen der relati-ven Umweltleistung zu einem nicht unwesentlichen Teil auf diese methodische Schwäche zurückzuführen458.

Des Weiteren weisen die Erkenntnisse aus den Fallstudien darauf hin, dass in der Unternehmenspraxis nur selten Diskussionen darüber geführt werden, wie Verände-rungen der Umweltleistung zu beurteilen sind. Die Orientierung an der Veränderung der Kennzahlen steht im Vordergrund, während die Auseinandersetzung mit ande-ren möglichen Referenzgrössen459 weitgehend ausbleibt. So kommen z.B. Anlie-gen von Anspruchsgruppen in diesen Daten nur ausnahmsweise (z.B. als Kennzahl „Anzahl Reklamationen von Anliegern“) zum Ausdruck, und die in der betrieblichen Umweltpolitik festgelegten Leitlinien des Umweltengagements werden von den Kennzahlensystemen vielfach nur in Ansätzen abgebildet. Dies kann sich auf die Wahrnehmung der ökologischen Leistungsfähigkeit von UMS in den Unternehmen übertragen. Problematisch ist dies z.B. dann, wenn sich trotz weiterer Umwelt-schutzmassnahmen die ökologischen Kennzahlen nicht mehr oder nur noch gering-fügig verbessern oder wenn weitere Verbesserungen nur mit einem prohibitiven Aufwand zu realisieren wären: Der Aufwand für weitere Umweltschutzmassnahmen wird dann vielfach als nicht gerechtfertigt betrachtet. Dieser Effekt scheint bei mehr-dimensionaler Leistungsbeurteilung geringer zu sein, etwa dann, wenn UMS in eine nachhaltigkeitsorientierte Perspektive der Unternehmensentwicklung eingebettet sind.

458

Die hier verwendeten statistischen Angaben dienen der illustrativen Untermauerung der Argumentation (Da-tenquelle: Schweizerisches Bundesamt für Statistik, Online unter www.bfs.admin.ch). Für Aussagen auf Un-ternehmensebene wäre die tatsächliche Preisentwicklung der eigenen Erzeugnisse und Dienstleistungen solchen allgemeinen statistischen Indexwerten vorzuziehen.

459 Vgl. dazu die Diskussion von Referenzgrössen zur Beurteilung von Umweltleistungsverbesserungen in Ab-schnitt 4.2.

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Erkenntnisse 253

12.2 Erkenntnisse zum ökologischen Entwicklungsprozess

Die Fallstudienuntersuchung deckte einen Zeitraum von rund sieben bis acht Jahren ab. In dieser Zeit hat sich nicht nur das UMS der betrachteten Unternehmen weiter-entwickelt, die Unternehmen haben generell eine allgemeine Entwicklung durchge-macht, die von Veränderungen im jeweiligen Umfeld und von strategischen Zielen beeinflusst worden war. Im Folgenden werden Erkenntnisse aus diesen Entwick-lungsprozessen und aus deren Wirkung auf ökologische Aspekte der Unterneh-mensführung zusammengetragen: Wie entfaltet sich der ökologische Entwicklungs-prozess aus dynamischer Perspektive? Welche Entwicklungsmuster von UMS und Umweltleistung sind zu beobachten? Welches sind die dominierenden Einfluss-faktoren des KVP? Und wie entwickelt sich der Nutzen eines UMS für die Unter-nehmung mittel- bis langfristig? Die Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammen-fassen:

a) Während potenzielle Ansatzpunkte für ökologische Verbesserungsmassnah-men im Zeitablauf abnehmen, tendieren Unternehmen von einer aktiven zu einer passiven Steuerung des KVP.

b) UMS zeigen einen im Zeitablauf abnehmenden ökologischen Grenznutzen. Dieser Effekt kann durch eine Ausweitung des ökologischen Bezugsrahmens zumindest abgeschwächt werden.

c) UMS vermögen die Entwicklung der Umweltleistung faktisch nur geringfügig zu beeinflussen. Mittel- bis langfristig dominiert der Einfluss von unterneh-mensstrategischen Entscheidungen, Marktentwicklungen und allgemeinen Produkt- und Prozessanpassungen.

d) Mittel- bis langfristig nehmen Unternehmen den Nutzen von UMS als rück-läufig wahr. Kosten-Nutzen-Betrachtungen sind in der Praxis jedoch verzerrt und subjektiv.

e) Ein steigender interner Rechtfertigungsdruck gegenüber dem Umweltengage-ment – abhängig vom wahrgenommenen Kosten-Nutzen-Verhältnis des UMS, von den Marktreaktionen, von den grundsätzlichen UMS-Zielen, der kulturellen Verankerung und der intrinsischen Motivation für den Umwelt-schutz – hemmt den KVP oder bringt ihn sogar zum Stillstand.

Von der aktiven zur passiven KVP-Steuerung: Die in ihrer Repräsentativität ein-geschränkte Analyse der Fallstudien zeigt, dass bestehende Verbesserungspoten-ziale meist „abgearbeitet“ werden, dass zertifizierte Unternehmen aber kaum neue Verbesserungspotenziale erschliessen. Auch zeigt sich, dass die meist im Rahmen des UMS-Aufbaus durchgeführte und seither kaum veränderte Umweltanalyse zur Restriktion für den KVP wird: Diskussionen zu weiteren Entwicklungsschritten orien-tieren sich auch nach Jahren noch an der damals vorgefundenen Umweltsituation, wodurch zum einen mögliche weitere Denkansätze eingeschränkt und zum anderen aktuelle und künftige umweltbezogene Entwicklungen oft unzureichend berück-sichtigt werden. Dazu kommt, dass sich der verbreitete Mangel an Know-how zur

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254 Erkenntnisse

Weiterentwicklung der Umweltanalyse, aber auch des Instrumentariums zur Mes-sung und Überwachung der umweltrelevanten Entwicklungen, als begrenzender Faktor des KVP erweist. Dies führt – wie in den Fallstudien zum Ausdruck kommt – mit zunehmender Zertifizierungsdauer tendenziell zu einem Abflachen des Aktivitä-tsniveaus in den Handlungsfeldern des UMS. In den vorliegenden Fällen gilt dies besonders im Handlungsfeld Betriebsökologie. Es fällt auf, dass im Zuge der UMS-Implementation und in den ersten Phasen nach der Erstzertifizierung die Betriebe systematisch versuchen, Verbesserungspotenziale zu identifizieren. Sie durchleuch-ten dabei die verschiedenen Umweltaspekte aktiv nach Ansatzpunkten zur Umwelt-leistungsverbesserung. Nach Ausschöpfen dieser Potenziale ist eine verstärkte Ausrichtung der Verbesserungsansätze auf bevorstehende Investitionsentscheidun-gen, Sanierungsmassnahmen oder Verfahrensänderungen zu beobachten. Hand-lungsspielräume für weitere Verbesserungen werden damit nicht mehr aktiv in be-stehenden Prozessen und Produkten gesucht oder geschaffen. Vielmehr sind es nun allgemeine Entscheidungen des Managements, die potenzielle Handlungsspiel-räume ins Aktionsfeld des UMS rücken. Die Entwicklung der Reichhaltigkeit des UMS orientiert sich dadurch nicht mehr an primär ökologischen Zielsetzungen, son-dern an der allgemeinen Unternehmensentwicklung. Aus ökologischer Sicht ist dies in jenen Fällen als wünschenswerte Entwicklung zu beurteilen, in denen sich darin eine zunehmende Integration ökologischer Handlungsweisen in allgemeine Füh-rungsaufgaben und nicht ein reduziertes aktives Umweltengagement zeigt. Kontras-tierend hierzu zeigt sich in der Fallstudie Schweizer, dass ein auf zahlreiche Hand-lungsfelder ausgerichtetes UMS auch langfristig einen aktiv gesteuerten KVP er-möglicht.

Zur abnehmenden ökologischen Wirkung von UMS: Die Fallstudien bestätigen die abnehmende ökologische Wirkung von UMS mit zunehmender Wirkungsdauer, wie dies bereits in vorangegangenen Untersuchungen festgestellt wurde.460 Die mit-tel- bis langfristige Betrachtung fördert aber auch weitere Entwicklungseffekte zu-tage: Erstens sind Anzeichen für eine ökologische Fixbelastung vorhanden, die sich dahingehend auswirkt, dass geringere Produktionsmengen keine lineare, sondern eine weniger starke Verringerung der relativen Umweltbelastung zur Folge haben. Und zweitens lassen die Ergebnisse darauf schliessen, dass der Effekt des abneh-menden ökologischen Grenznutzens von UMS vor allem dann von Bedeutung ist, wenn sich der Einflussbereich des UMS auf wenige Handlungsfelder beschränkt, wie insbesondere auf Einzelaspekte der Betriebsökologie. Hier kontrastieren die Er-gebnisse von Otto Keller und Schweizer deutlich, wobei sich zwar in den Kurvenver-läufen von Schweizer ebenfalls eine Abflachung manifestiert, durch die im Zeitab-lauf zunehmende Fokussierung auf die Produktentwicklung wird der Effekt aber wirksam gedämpft. Die Beobachtung eines abnehmenden Grenznutzens von Um-weltschutzmassnahmen gilt demnach nur hinsichtlich eines bestimmten Handlungs-

460

Diese Erkenntnis spiegelt sich auch in den Erfahrungen der Zertifizierungspraxis, vgl. dazu HEINZER / HORN (2003).

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Erkenntnisse 255

feldes. Dieser Effekt kann in Bezug auf die ökologische Gesamtbelastung dadurch kompensiert werden, dass neue Handlungsfelder erschlossen werden. Hierbei spielt die Produktökologie als bislang vernachlässigtes Handlungsfeld eine besondere Rolle. Aber auch indirekte Effekte auf vor- oder nachgelagerten Stufen des Produkt-lebenszyklus stellen wichtige vielfach brachliegende Aktionsfelder dar.

Zum Einfluss von UMS auf die Umweltleistungsentwicklung: Im Zusammen-hang mit der Verbesserung der Umweltleistung wurde weiter oben die Erkenntnis angeführt, dass sich der ökologische Entlastungseffekt von UMS auf Dauer auf ei-nem bescheidenen Niveau bewegt. Dies ist nicht nur eine Folge des Ausblendens einzelner Handlungsfelder aus dem Einflussbereich des UMS. Diese Erkenntnis ist auch ein Indiz dafür, dass die unternehmerische Umweltleistung sehr unterschiedli-chen Faktoren unterliegt, die sich in der Praxis vielfach dem Einflussbereich von UMS entziehen. In welchem Ausmass diese Faktoren – insbesondere Entwick-lungen der Nachfrage und der Marktpräferenzen, des Konkurrenzverhaltens, Pro-dukt- und Prozessanpassungen als Reaktion auf veränderte Marktbedingungen, etc. – die Umweltleistung beeinflussen, ist primär von strategischen Entscheidungen ab-hängig, die wiederum als Ausdruck der normativen Grundlagen und damit des Stel-lenwerts ökologischer Fragestellungen im Unternehmenshandeln betrachtet werden können. Dabei ist zu bedenken, dass in allen Arten privatwirtschaftlicher Organisati-onen das langfristige ökonomische Überleben die oberste Handlungsmaxime dar-stellt. Als bezeichnendes Beispiel ist hier die Entwicklung des Produktemix’ auf den Zielmärkten von Schweizer anzuführen, durch welche die zunehmende und aus strategischen Überlegungen befriedigte Nachfrage nach Aluminiumprodukten zu einer derart starken Zunahme der ökologischen Gesamtbelastung geführt hatte, dass die erfolgreich realisierten Massnahmen zur Senkung der absoluten Gesam-tbelastung überkompensiert wurden. Dieser Effekt hätte auch in eine Richtung wir-ken können, die eine Umweltentlastung zur Folge gehabt hätte – sie wäre dann als UMS-induzierte Verbesserung der Umweltleistung zu werten gewesen, wenn die veränderte Marktpräferenz z.B. auf eine gezielte Kundeninformation und Marktbear-beitung hätte zurückgeführt werden können.

Zur Entwicklung des Nutzens von UMS für die Unternehmung: Frühere Studien zum Nutzen von UMS kommen zum Schluss, dass die Einführung eines normierten Umweltmanagementsystems eine ökonomisch vorteilhafte Investition mit vergleichs-weise kurzer Pay-back-Periode darstellt.461 In zwei der drei hier betrachteten Einzel-fällen wird die Nutzenentwicklung mittel- bis langfristig als rückläufig bis hin zu „ne-gativ“ wahrgenommen. Eine systematische Kosten-Nutzen-Erhebung des Umwelt-engagements findet sich jedoch in keinem der Unternehmen. Vielmehr lässt sich feststellen, dass Kosten-Nutzen-Abschätzungen von UMS tendenziell verzerrt und unvollständig sind. Hier zeigt sich eine problematische Asymmetrie von qualitativem Nutzen und quantitativ messbaren Kosten von UMS. Zahlreiche Nutzenpotenziale sind monetär kaum oder nicht erfassbar sind (z.B. nicht eingetretene Schäden auf-

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256 Erkenntnisse

grund risikomindernder Massnahmen, innovationsfördernde UMS-Effekte), und im subjektiven Nutzenempfinden dominieren kurzfristige und einmalige Nutzen, wäh-rend andere Nutzenaspekte über die Zeit aus der Wahrnehmung „wegdiffundieren“. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn UMS-induzierte, ökonomisch vorteilhafte Hand-lungsweisen in die allgemeinen Geschäftsprozesse soweit integriert werden, dass ihr ursprünglicher Zusammenhang mit dem UMS nicht mehr offensichtlich ist. Ver-stärkt wird die tendenziell negativ empfundene Nutzenentwicklung durch einen ge-genteiligen Effekt auf der Aufwandseite, wo neben einmaligen UMS-induzierten In-vestitionskosten auch wiederkehrende und laufende Kosten für den UMS-Betrieb (Personalkosten, etc.) und für Überwachungs- und Rezertifizierungsaudits deutlich wahrgenommen werden. Die Nutzeneinschätzung von UMS wird zusätzlich er-schwert, indem vielfach keine klaren, langfristigen und strategischen Zielvorstellun-gen vorhanden sind, die mit dem UMS erreicht werden sollen. Zwar erhofften sich z.B. alle drei betrachteten Unternehmen externe Markteffekte, bei zwei der Unter-nehmen war diese Erwartung jedoch zu wenig fundiert, um eine Basis für spezifi-sche Massnahmen zur Marktentwicklung zu bieten. Tatsächlich bestätigt sich die bereits in früheren Studien gewonnene Erkenntnis, dass externe Nutzenerwar-tungen ohne gezielte Aktivitäten kaum realisiert werden können.

Zum internen Rechtfertigungsdruck gegenüber dem Umweltengagement: Der KVP von UMS und Umweltleistung wird – so zeigen die Fallstudien – solange auf-rechterhalten, wie er im Unternehmen ausreichend Unterstützung findet. Zu jedem Zeitpunkt müssen Entscheide, die zusätzliche Umweltschutzmassnahmen erfordern oder die eine Weiterführung bestehender Massnahmen zum Ziel haben, intern ge-rechtfertigt werden können. Vier bestimmende Einflussfaktoren dieses Rechtferti-gungsdrucks sind in den empirischen Resultaten erkennbar: Erstens das (wahrge-nommene) Kosten-Nutzen-Verhältnis des Umweltengagements oder von einzelnen Massnahmen, wobei ein negatives Kosten-Nutzen-Verhältnis den Rechtfertigungs-druck erhöht. Zweitens das Ausmass von Marktreaktionen als Folge des Umwelt-engagements, wobei wiederholt positive Reaktionen den Rechtfertigungsdruck sen-ken. Drittens kann eine hohe intrinsische Motivation für den Umweltschutz und eine weitgehende kulturelle Verankerung des Umweltengagements den Rechtferti-gungsdruck auch bei unbefriedigendem Kosten-Nutzen-Verhältnis beschränken. Und viertens wird der Rechtfertigungsdruck solange auf geringem Niveau verweilen, solange die grundsätzlichen Ziele, die mit dem Aufbau des UMS anvisiert wurden, noch nicht erreicht sind, aber weiterhin als realisierbar betrachtet werden.

461

Vgl. z.B. DYLLICK / HAMSCHMIDT (2000) sowie detailliert Kapitel 5.

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Erkenntnisse 257

12.3 Einfluss der externen Auditierungsroutinen auf den KVP

Die zur Aufrechterhaltung der ISO-14001-Zertifizierung geforderten regelmässigen externen Audits sollen die fortwährende Normkonformität von UMS prüfen. Dazu gehört auch die Frage nach der Erfüllung der KVP-Forderung. Haben diese Prüf-routinen und die „externe Begleitung“ des ökologischen Entwicklungsprozesses ei-nen positiven Einfluss auf den KVP? Aus den Fallstudien lassen sich hierzu folgen-de – wenn auch nicht verallgemeinerbare – Erkenntnisse ableiten:

a) Von der ISO-Zertifizierung gehen grundsätzlich positive Impulse für den KVP von UMS und Umweltleistung aus. Diese Impulse beschleunigen den ökolo-gischen Entwicklungsprozess von Unternehmen.

b) Die KVP-Beurteilung basiert in der Praxis auf diffusen Grundlagen und stellt niedrige Anforderungen an zertifizierte Unternehmen. Der externe Druck als wichtige Impulsquelle für den KVP wird dadurch abgeschwächt.

c) Die kombinierte QMUM-Auditierung kann die Impulswirkung externer Audits hemmen.

d) Ein langjähriges Betreuungsverhältnis zwischen Unternehmung und Auditor hat sowohl KVP-fördernde als auch KVP-hemmende Folgen.

Zur positiven Impulswirkung externer Audits: Die Fallstudien zeigen, dass ex-terne Audits und Auditierungsroutinen grundsätzlich das Potenzial besitzen, Impulse zur Förderung von Verbesserungsprozessen zu vermitteln. Bedeutende Einfluss-faktoren zur Nutzung dieses Potenzials sind die Auditsituation, die Person des Audi-tors mit dessen Fachkompetenz, dessen kommunikativen Fähigkeiten und dessen konkrete Forderungen sowie die Erwartungen der Beteiligten seitens der Unterneh-mung. In den Fallstudien zeigt sich auch, dass diese direkt auf UMS und Umwelt-leistung fokussierten Impulse in der Praxis – mit Ausnahme gesetzlicher Forderun-gen – eine ungleich bedeutendere Rolle für den KVP spielen als ökologierelevante Einflussfaktoren aus den Umsystemen der Unternehmung.462 Als zentrale Impuls-quellen lassen sich einerseits der externe Druck identifizieren, dem sich zertifizierte Unternehmen mit der regelmässigen Konformitätsprüfung unterziehen, andererseits die Auditsituation als Plattform zur themenzentrierten Diskussion umweltbezogener Fragestellungen.

Zur Beurteilung des KVP in der Praxis: Welche Anforderungen der Auditor an den KVP konkret stellt, ist – theoretisch – einer der bedeutendsten Einflussfaktoren des KVP. Auditoren und Zertifizierungsgesellschaften stellen die Prüfung des KVP auch als zentralen Aspekt der Auditierung von UMS dar, insbesondere bei „älteren“ UMS. In der Praxis erweist sich die Beurteilung des KVP jedoch als sehr diffus und wird sehr unterschiedlich gehandhabt. So besteht zwar ein breit akzeptierter qualita-

462

Diese Aussage ist je nach Branche und Unternehmenskontext differenziert zu beurteilen.

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258 Erkenntnisse

tiver Kriterienrahmen zur Prüfung des KVP463, doch fehlen praktikable Vorstellungen davon, was als ausreichender KVP-Nachweis akzeptiert werden kann und was nicht. Dadurch öffnet sich für den Auditor ein erheblicher Ermessensspielraum, der sehr individuell ausgefüllt wird. Unterschiede bestehen z.B. in der Ansprache des KVP anlässlich der Audits: Während in einem der Fälle der KVP ausschliesslich im-plizit im Gespräch mit den Auditierten geprüft wird, verlangen andere Auditoren Nachweise, die Verbesserungsprozesse dokumentieren. Gemeinsam ist allen ana-lysierten Fällen, dass die Auditoren in erster Linie die Weiterentwicklung des Sys-tems und sekundär die Veränderungen der Umweltleistung prüfen. In den Fallstu-dien wurde in keinem der bislang durchgeführten Überwachungs- und Rezertifizie-rungsaudits jemals mangelhafte Verbesserungsprozesse beanstandet, und tatsäch-lich werden – wie einer der befragten Auditoren bemerkte – nicht selten auch sehr geringe Verbesserungen als für den Zertifikatserhalt ausreichend akzeptiert.

Dadurch entsteht die Gefahr, dass der externe Druck, der sich in der wiederholten Auditierung konkretisiert und den selbst intrinsisch hochmotivierte Unternehmen als sehr wichtigen Zertifizierungsgrund angeben, abgeschwächt wird. Der externe Druck fördert den KVP dadurch, dass er zum einen die Durchsetzung von ökologi-schen oder auf das Managementsystem bezogenen Forderungen der Unterneh-mensführung gegenüber der Belegschaft erleichtert. Zum anderen ist er ein bedeu-tender Treiber im ökologischen Zielsetzungsprozess, der insbesondere dann seine Wirkung entfaltet, wenn andere Einflussfaktoren im Unternehmen den KVP eher hemmen. Er fördert damit tendenziell die Institutionalisierung des KVP, indem die zertifizierte Unternehmung regelmässig dazu gezwungen ist, sich explizit mit KVP-bezogenen Fragen auseinander zu setzen. Führt der externe Druck jedoch vor al-lem zu Aktualisierungs- und Anpassungsarbeiten am dokumentierten System, wie dies in den Fallstudien teilweise zu beobachten war, und wird dies vom Auditor als „ausreichende“ Verbesserung akzeptiert, sind damit in der Regel vielmehr Bürokrati-sierungstendenzen als ökologische Effizienz- oder Effektivitätssteigerungen ver-bunden.

Zur hemmenden Impulswirkung kombinierter Audits: Bei kombinierten Manage-mentsystemen werden i.d.R. auch kombinierte Systemaudits durchgeführt. Aus den beschriebenen Fällen lässt sich in diesem Zusammenhang die Tendenz ableiten, dass der Schwerpunkt solcher Audits in der Praxis (zu) stark auf der QMS-Zertifizierung zu liegen kommt, während der UMS-Auditierung deutlich weniger Raum beigemessen wird. Dies kann die KVP-Impulswirkung der Audits weiter hem-men. Tatsächlich zeigt sich, dass entwicklungsorientierte Unternehmensvertreter, die den KVP vorantreiben wollen, aktiv den Austausch mit dem Auditor zu spezi-fischen Fragestellungen suchen: Sie fordern von ihm die Rolle des fachkompe-tenten „Sparringpartners“, der Ideen diskutieren und Erfahrungen aus seiner Audito-rentätigkeit einbringen kann. Bei kombinierten Audits fehlt vielfach die Zeit für sol-che Gespräche, da hier UMS- und QMS-spezifische Fragestellungen – auch bei 463

Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt 2.2.3.

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Erkenntnisse 259

integrierten Systemen – um die zur Verfügung stehende Auditzeit konkurrieren. Die geringe Gewichtung des UMS anlässlich kombinierter Audits kann zudem den Be-teiligten im Unternehmen das Signal vermitteln, dass dem UMS ein im Vergleich zum QMS geringer Stellenwert zukommt, womit Anreizeffekte für Verbesserungen tendenziell auf Qualitätsaspekte gelenkt werden können. Als positiv erweist sich die kombinierte Auditierung von UMS und QMS dann, wenn bestimmte Prozesse oder produktspezifische Themen gezielt und systematisch sowohl aus ökologischer als auch aus qualitätsorientierter Perspektive analysiert und auditiert werden.

Zum Verhältnis zwischen Auditor und Unternehmung: Werden Unternehmen über Jahre hinweg vom selben Zertifizierungsauditor betreut, kann ein Vertrauens-verhältnis mit ambivalenten Folgen für den KVP entstehen. Das Vertrauensverhält-nis ist dann KVP-fördernd, wenn anlässlich der Audits ein offenes und konstruktives Gespräch zu Entwicklungsoptionen zustande kommt, das nicht von der Angst eines Zertifikatsverlusts negativ beeinflusst wird. Hemmend für den KVP ist ein allzu ein-vernehmliches Verhältnis dann, wenn dadurch der externe Druck abnimmt und der Auditor über offensichtliche Mängel des Systems und/oder der Systemleistung hin-wegsieht. Darüber hinaus besteht zwischen Auditor und Unternehmung ein Auf-tragsverhältnis, indem der Auditor vom Unternehmen bestellt und entlöhnt wird. Dies muss nicht per se einen Einfluss auf die Objektivität der Auditierung haben. Bei Kunden wie Lista oder Schweizer, die sich beide in breiten Kreisen als ökologisch aktive Pionierunternehmen etabliert haben, kann dies aber dazu führen, dass der Auditor „eine andere Brille aufsetzt“. Dies zeigt sich sehr deutlich in der Aussage eines der betroffenen Auditoren, der festhält: „Bei solchen Unternehmen kann man als Auditor nur lernen“.

In allen betrachteten Fällen bestanden langjährige Beziehungen zum jeweiligen Au-ditor. Zwei der Unternehmen nutzten das entstandene gute Verhältnis, um die Audit-planung zu beeinflussen und damit einen grösstmöglichen Nutzen aus den Audits zu generieren. Die Zielsetzung lag darin, einerseits Raum für die Thematisierung besonders interessierender Fragestellungen zu schaffen, andererseits den externen Druck so zu kanalisieren, dass er seine Wirkung in spezifischen Problembereichen entfaltet. Die Ergebnisse zeigen, dass aus Unternehmenssicht damit das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Auditierung klar verbessert werden kann. Hier kontrastie-ren die Herangehensweisen an externe Audits von Schweizer und Otto Keller deut-lich: Während Schweizer klare Auditziele setzt, dem Auditor kommuniziert und die Resultate einfordert, empfängt Otto Keller den Auditor als „Polizist“, dessen Aufgabe in der Konformitätsprüfung des Systems besteht. 464 Der Nutzen der Audits für die Unternehmung, aber auch die Impulswirkung für Verbesserungsprozesse, ist ent-sprechend gering.

464

Die Schweizerische Akkreditierungsstelle erachtet eine derartige Einflussnahme in die Auditplanung nicht als problematisch. Sie verstösst auch nicht gegen Normvorgaben, solange sichergestellt ist, dass der Auditor die Überwachungsfunktion ausreichend ausübt.

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260 Erkenntnisse

Insgesamt ist festzuhalten, dass die Zertifizierung und die damit verbundene Audi-tierungsroutine den Prozess der kontinuierlichen Verbesserung fördernd beeinflus-sen können. Die Wirkung zeigt sich einerseits auf der prozessualen Ebene, auf wel-cher der externe Druck die Unternehmen dazu bringt, sich regelmässig mit der Wei-terentwicklung des UMS und der Verbesserung der Umweltleistung zu befassen. Andererseits können materielle Inputs, gewonnen durch Diskussionen mit dem Au-ditor, den KVP in spezifischen Teilbereichen konkret fördern. Der Einfluss der Audits wirkt jedoch nur bis zu einem gewissen, von der Unternehmung oft unbewusst be-stimmten Grad, der allem voran vom normativen Willen zum Umweltschutz und von der wettbewerbsstrategischen Relevanz des zertifizierten UMS bestimmt wird.

12.4 Schlussfolgerungen

Ausgehend von den Überlegungen im Einführungskapitel gelangt diese Arbeit zu einer Reihe von Schlussfolgerungen, deren Verallgemeinerbarkeit durch die geringe Anzahl Fallstudien jedoch stark eingeschränkt ist. Grundsätzlich ist festzustellen, dass die KVP-Forderung von ISO 14001 in erster Linie eine Beschleunigung des ökologischen Entwicklungsprozesses zertifizierter Unternehmen bewirkt. Dafür ver-antwortlich ist die vertiefte, dauerhafte (oder zumindest periodische) und fokussierte Beschäftigung der Unternehmung mit ihren Umweltaspekten – ein Verhalten, das vielfach aufgrund des externen Drucks durch die Zertifizierungsroutinen aufrechter-halten wird. Gleichzeitig sind zwischen den Unternehmen aber auch grosse Unter-schiede sowohl im Ausmass des ökologisch relevanten Fortschritts als auch im erreichten Niveau zu erkennen. Dies gilt insbesondere in Zusammenhang mit der strategischen Verankerung ökologischer Handlungsweisen und Handlungsmaximen in der allgemeinen Unternehmensführung: In keinem der untersuchten Unterneh-men konnte nach der Erstzertifizierung eine Zunahme der strategischen Bedeutung des UMS festgestellt werden.

Dies deutet darauf hin, dass mit der Umsetzung der KVP-Forderung in der Praxis keine signifikanten Impulse für das Erreichen der zweiten Phase des ökologi-schen Entwicklungsprozesses465 verbunden sind. Vielmehr lässt sich folgern, dass Unternehmen schon zum Zeitpunkt der Erstzertifizierung die grundlegende Bereit-schaft für ein ökologisches Handeln aufweisen müssen, das den Grundzügen der zweiten Phase entspricht, wenn der Entwicklungsprozess soweit vorangetrieben werden soll. Die KVP-Forderung der ISO-Norm allein – so lässt sich als These ab-leiten – vermag diese zentrale Rahmenbedingung nicht herbeizuführen.

465

Die zweite Phase des ökologischen Entwicklungsprozesses unterscheidet sich von der ersten Phase durch eine stärkere Verankerung des Umweltschutzes innerhalb der strategischen Unternehmensführung. Vgl. da-zu das Einführungskapitel sowie Abschnitt 3.4.3.

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Erkenntnisse 261

Die vorliegenden Daten sind insgesamt nicht repräsentativ, dennoch führen sie zur Frage, ob die von Pfriem definierten Phasen des ökologischen Entwicklungspro-zesses tatsächlich als Phasen im Sinne von Stationen im Zeitablauf zu verstehen sind. Nach den Erkenntnissen aus der Praxis muss dies bezweifelt werden – sie legen vielmehr die Vermutung nahe, dass es sich hierbei um zwei Ebenen der öko-logischen Handlungsperspektive handelt: Eine „tiefere“ Ebene, auf welcher öko-logisches Handeln auf die umweltbezogene Verbesserung bestehender Produkte und Prozesse ausgerichtet ist und operative Massnahmen dominieren („operative Ebene“), sowie eine „höhere“ Ebene, die strategische – auch wettbewerbsstrate-gische – Ansätze des ökologischen Handelns ermöglicht („strategische Ebene“). In den Fallstudien konnten nur Verbesserungsprozesse beobachtet werden, die sich innerhalb der jeweils zutreffenden Ausgangsebene bewegten.

Aus dieser Erkenntnis lässt sich ein Modell ableiten, welches drei (idealtypische) Kategorien des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses umfasst, wobei hier eine deutliche Anlehnung an die Kategorisierung von Lernprozessen nach Argyris / Schön466 zum Ausdruck kommt:

1. Verbesserungsprozesse, welche die zunehmende Nutzung ökologischer Spiel-räume im Rahmen der operativen Ebene der ökologischen Handlungsperspek-tive anstreben und dazu primär adaptive und sekundär reflexive Lernprozesse erfordern. Dies kann auch als „KVP erster Ordnung“ bezeichnet werden.

2. Verbesserungsprozesse, welche die strategische Ebene der ökologischen Handlungsperspektive einbeziehen. Sie erfordern sowohl reflexives Lernen als auch die proaktive Gestaltung des Lernumfeldes durch interne und externe Im-pulsquellen. Diese Prozesse ermöglichen die stetige Erweiterung des ökolo-gischen Bezugsrahmens, indem strategische und zukunftsgerichtete ökolo-gische Ansatzpunkte einbezogen werden. Dies kann auch als „KVP zweiter Ordnung“ bezeichnet werden.

3. Darüber hinaus ist ein Meta-Verbesserungsprozess denkbar, der dem ökolo-gischen Entwicklungsprozesses von Pfriem entspricht. Bezeichnend für diesen Verbesserungsprozess ist der Übergang von der operativen zur strategischen Ebene der ökologischen Handlungsperspektive bzw. von einem „KVP erster Ordnung“ zu einem „KVP zweiter Ordnung“.

Abb. 46 stellt die beiden Ebenen der Handlungsperspektive und die damit verbun-denen Verbesserungsprozesse modellhaft dar. Sie zeigt, dass beim KVP erster Ordnung die Verbesserungen auf die operative Führungsebene beschränkt bleiben, während der KVP zweiter Ordnung auf der strategischen Ebene wirkt. Der Meta-Verbesserungsprozess reflektiert den Übergang von der operativen zur strategi-schen Ebene.

466

Die Kategorisierung von Lernprozessen nach Argyris / Schön ist Gegenstand von Abschnitt 3.4.2.

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262 Erkenntnisse

Abb. 46: Kategorien des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses

In den Fallstudien konnten nur Verbesserungsprozesse der ersten und zweiten Ordnung beobachtet werden, nicht jedoch Meta-Verbesserungsprozesse. Es ist aber nicht auszuschliessen, dass künftige Untersuchungen, die zertifizierte Unter-nehmen über einen noch längeren Zeitraum hinweg betrachten, solche Prozesse auch in der Realität zu Tage fördern können. Es erscheint durchaus denkbar, dass die fokussierte Beschäftigung mit ökologischen Themen auch in intrinsisch wenig motivierten Organisationen, deren strategische Ausrichtung keine Berührungs-punkte zu ökologischen Fragen aufweist, allmählich zu einem Umdenken führen kann. Aufgrund der im Rahmen dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnisse ist aller-dings dahingehend Skepsis angebracht, ob die ISO-Zertifizierung und insbesondere die KVP-Forderung als entscheidendes Moment am Anfang eines solchen Umdenk-prozesses stehen kann. Deutlich kommt hier nämlich die grundsätzliche Diskre-panz zwischen den Erwartungen und Zielen der ISO 14001 und den Zielen der Un-ternehmen, welche die Norm anwenden, zum Tragen: Während die Norm die Ziel-setzung des UMS auf die Verbesserung der Umweltleistung und auf die Unterstüt-zung zur Umsetzung einer betrieblichen Umweltpolitik beschränkt, knüpfen Unter-nehmen eine Reihe sehr unterschiedlicher und bei weitem nicht nur ökologischer Ziele an die UMS-Implementation: Imagewirkungen, Kostensenkungen, Marktvortei-le, organisatorische Verbesserungen, Risikominderung und viele mehr.

Operative Ebene der ökologischen Handlungsperspektive

Strategische Ebene der ökologischen Handlungsperspektive

Effizienz-und

Effektivitäts-niveau des

UMS

Zeit

KVP 1. Ordnung

KVP 2. Ordnung

Meta-Verbesserungsprozess

Operative Ebene der ökologischen Handlungsperspektive

Strategische Ebene der ökologischen Handlungsperspektive

Effizienz-und

Effektivitäts-niveau des

UMS

Zeit

KVP 1. Ordnung

KVP 2. Ordnung

Meta-Verbesserungsprozess

Erstzertifizierung des UMS

Operative Ebene der ökologischen Handlungsperspektive

Strategische Ebene der ökologischen Handlungsperspektive

Effizienz-und

Effektivitäts-niveau des

UMS

Zeit

KVP 1. Ordnung

KVP 2. Ordnung

Meta-Verbesserungsprozess

Operative Ebene der ökologischen Handlungsperspektive

Strategische Ebene der ökologischen Handlungsperspektive

Effizienz-und

Effektivitäts-niveau des

UMS

Zeit

KVP 1. Ordnung

KVP 2. Ordnung

Meta-Verbesserungsprozess

Operative Ebene der ökologischen Handlungsperspektive

Strategische Ebene der ökologischen Handlungsperspektive

Effizienz-und

Effektivitäts-niveau des

UMS

Zeit

KVP 1. Ordnung

KVP 2. Ordnung

Meta-Verbesserungsprozess

Erstzertifizierung des UMS

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Erkenntnisse 263

In diesem komplexen Zielsystem ist die Verbesserung der Umweltleistung als Teilziel zu betrachten und ist in vielen Fällen – dies verdeutlichen nicht nur die hier präsentierten Fallstudien – lediglich ein Neben- oder Zwischenziel, mit welchem z.B. der Zertifikatserhalt zur PR-Unterstützung, die Rechtskonformität oder das Wohlwol-len von Anspruchsgruppen gesichert werden soll. Da die Verbesserung der Umwelt-leistung in ökonomisch agierenden Wirtschaftseinheiten nicht das übergeordnete Ziel darstellen kann, wird sie de facto solange fortgeführt, wie dadurch die übrigen Unternehmensziele unterstützt werden oder die ökonomische Zielerreichung zumin-dest nicht gefährdet wird. Die geforderte kontinuierliche Verbesserung von UMS und Umweltleistung stösst auf diese Weise an die Grenzen der unternehmerischen, ökonomischen Realität, und die immerwährende Aufwärtsspirale mit der dauerhaft ansteigenden Öko-Effizienz und Öko-Effektivität erscheint letztlich als utopische Idealvorstellung. Auf dieser Basis wird der KVP – so haben zwei der Fallstudien gezeigt – in der Realität vielmehr zum endlichen Prozess.

Diese Erkenntnisse müssen in die anwendungsorientierte Interpretation der KVP-Forderung der ISO 14001 einfliessen. Wenn mit der Zertifizierung des UMS gemäss den vorliegenden Resultaten keine grundlegende ökologische Umorientierung er-wartet werden kann und ein Übergang von einer operativen zu einer strategischen Fundierung des ökologischen Entwicklungsprozesses wenig wahrscheinlich ist, soll-te die KVP-Forderung dennoch auf eine Weise interpretiert werden, die die ökologi-schen Ziele der Norm möglichst weitreichend unterstützt. Dieser Anspruch hat für die in Kapitel 7 definierten Unternehmenstypen unterschiedliche Folgen. So zeigt eine der Fallstudien, dass das Ende des Verbesserungsprozesses hinausgezögert werden kann, wenn es einer Unternehmung gelingt, ökonomische und ökologische Zielbereiche harmonisch zu gestalten. Das Unternehmen ist dem Typ „engagiert“ zuzuordnen, denjenigen Unternehmen also, die eine sehr hohe intrinsische Motiva-tion aufweisen und die in der Lage (und Willens) sind, auch auf strategischer Ebene ökologische Zielvorstellungen immer wieder von neuem in die Prozess- und insbe-sondere in die Leistungsentwicklung einzubeziehen. In dieser Konstellation – auch das wird in den Fallstudien deutlich – ist der Verbesserungsprozess jedoch nicht eine unmittelbare Folge der UMS-Zertifizierung, denn diese kann die ökologische Unternehmensentwicklung lediglich unterstützen und beschleunigen. Auch weil sol-che Unternehmen eher Ausnahmeerscheinungen sind, wäre es deshalb unklug und würde den Normzielen zuwiderlaufen, wenn das KVP-Verständnis allein auf diese Unternehmensgruppe ausgerichtet würde. Es kann nicht im Sinn der Norm sein, lediglich diejenigen Unternehmen in ihrem ökologischen Engagement zu unterstüt-zen, die bereits sehr aktiv sind und auch ohne ISO-Zertifizierung beachtliche ökolo-gische Leistungen erbringen.

Ein realitätsnahes KVP-Verständnis, das eine breiteres Wirkungspotenzial ver-spricht, ist daher auf Organisationen ausgerichtet, die zumindest eine „eindimen-sionale“ Motivation für ein erhöhtes Umweltengagement aufweisen: Unternehmen mit „idealistischer“ oder „opportunistischer“ Motivationsausprägung. „Idealistisch“

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264 Erkenntnisse

handeln diejenigen Unternehmen in Bezug auf ihr UMS, die sich durch eine hohe intrinsische Motivation für den Umweltschutz auszeichnen, die jedoch keine Ver-marktung ihres Umweltengagements anstreben. Idealisten streben Umweltentlas-tungen aus Überzeugung an, und die KVP-Forderung sollte sie dabei unterstützen und zur konsequenten Schaffung und Nutzung von ökologischen Spielräumen auf-fordern. Insbesondere sollte mit ihrer Hilfe die betriebsökologische Entwicklungs-barriere, wie sie in der Praxis häufig beobachtet werden kann, überwunden werden. Wenn die Verbesserungspotenziale im Betrieb ausgeschöpft sind, ist die Auswei-tung des Bezugsrahmens vor allem auf die Produkte, aber auch auf vor- und nach-gelagerte Wertschöpfungsstufen, der einzige Ausweg, um den KVP weiterzuführen. Dies ist in vielen Fällen möglich, ohne dass damit gleichzeitig eine gezielte ökologi-sche Marktbearbeitung verbunden sein muss. Bei ISO-zertifizierten Unternehmen „opportunistischer“ Motivationsausprägung muss wiederum sichergestellt sein, dass mit dem KVP auch tatsächlich eine Verbesserung der Umweltleistung realisiert wird. Die Zertifizierung, die nicht aus ökologischer Überzeugung, sondern weitge-hend aus wettbewerbsstrategischen Gründen aufrechterhalten wird, muss durch ausreichende, nachweisbare ökologische Leistungen gerechtfertigt werden. Andern-falls droht der „Wert“ der ISO-Zertifizierung zu erodieren, die Glaubwürdigkeit zertifi-zierter Unternehmen in Bezug auf deren Umweltengagement sinkt. Beim vierten Typ von Organisationen, den „oberflächlich“ agierenden Unternehmen, liegt we-der eine intrinsische Motivation vor, noch begründen wettbewerbsstrategische Über-legungen die Aufrechterhaltung der ISO-Zertifizierung. Auch hier muss der KVP grundsätzlich auf die Verbesserung der Umweltleistung in allen Handlungsfeldern ausgerichtet sein. Allerdings ist es fraglich, ob eine UMS-Zertifizierung auf dieser Grundlage mittel- bis langfristig die notwendige Unterstützung innerhalb der Organi-sation findet, um aufrechterhalten zu werden.

An diesen Erkenntnissen und Überlegungen sollte sich entsprechend auch die Be-urteilung des KVP durch die Zertifizierungsorganisationen orientieren. Auch sollte der KVP stets aus einer dynamischen Perspektive bewertet werden und die sich in der Realität ständig verändernden Rahmenbedingungen (Entwicklung der Unter-nehmensstruktur, des Produktionsprogramms oder der Forderungen und Einflüsse aus den relevanten Umfeldsphären) im Einzelfall einbeziehen. Damit wird letztlich die Gefahr, dass eine auf die Verbesserung ökologischer Kennzahlen ausgerichtete, immerwährende Aufwärtsspirale zu einem „Toten Punkt“ führt, erheblich reduziert. Generell gilt es zwar auch weiterhin, ökologisch relevante Verbesserungen durch Messungen nachzuweisen, doch dies tritt zumindest so lange in den Hintergrund, wie die beschriebenen methodischen und konzeptionellen Schwächen in der Erfas-sung und Darstellung der Umweltleistung nicht überwunden sind. Viel wichtiger ist es, die Rahmenbedingungen der einzelnen Unternehmung in die KVP-Beurteilung einzubeziehen und darauf hinzuwirken, dass aus den individuell gegebenen Um-ständen und den herrschenden Motivationsfaktoren optimale ökologische Leistun-gen hervorgehen.

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Erkenntnisse 265

Der Leitgedanke für den KVP sollte lauten: „Wer aufhört, sich zu verbessern, hört auf, gut zu sein.“ Die KVP-Forderung muss Unternehmen dazu ermutigen, jederzeit alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um sich zu verbessern. Stagnation und passive KVP-Steuerung sollten die Ausnahme sein. Ob dies in der Praxis umgesetzt wird, kann nur auf Einzelfall-Ebene beurteilt werden. Doch nur eine so verstandene KVP-Forderung, die bislang in den Auditierungsroutinen erst in Ansätzen und wenig konsequent zum Tragen kommt, ist realitätsnah genug, dass sie auf intrinsisch oder durch Wettbewerbsvorteile bereits „vormotivierte“ Unternehmen auch mittel bis lang-fristig sowohl unterstützend als auch herausfordernd wirken und unter Aus-schöpfung der ökonomischen Möglichkeiten umgesetzt werden kann.

Diese Vorstellung eines realitätsnahen KVP-Verständnisses bedarf weitere Klä-rungsarbeiten, wozu auch eine deutlich breitere als die hier zugrunde liegende Er-fahrungsbasis mit langjährig zertifizierten Unternehmen notwendig ist. Dennoch werden zum Abschluss dieser Arbeit im folgenden Kapitel eine Reihe von Hand-lungs- und Gestaltungsempfehlungen zusammengetragen, die Unternehmen, Au-ditoren und Zertifizierungsorganisation in der effektiven und effizienten Umsetzung der KVP-Forderung unterstützen sollen.

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13 Handlungs- und Gestaltungsempfehlungen

Welche Lehren können aus der theoretischen und praxisbezogenen Analyse zur Umsetzung der KVP-Forderung gezogen werden? Im Folgenden werden aus den Erkenntnissen der vorliegenden Arbeit eine Reihe von Handlungs- und Gestal-tungsempfehlungen abgeleitet sowie Hinweise für den weiteren Forschungsbedarf formuliert.467 Die Empfehlungen sind so verfasst, dass sie möglichst allgemein an-wendbar sind. Für ihre praktische Anwendung sind hingegen die in der Praxis teil-weise sehr unterschiedlichen spezifischen Rahmenbedingungen einzubeziehen.

13.1 KVP-Gestaltung im Unternehmen

Um den KVP aufrechterhalten zu können, muss er so gestaltet sein, dass er dem Unternehmen Nutzen stiftet und die Unternehmensziele direkt oder indirekt unter-stützt. Notwendig ist hierzu eine langfristige Entwicklungsperspektive mit ökologi-schen Bezügen, förderlich sind aber auch Massnahmen, die dem Umweltengage-ment genügend unternehmenskulturellen Rückhalt verleihen, die Einbettung um-weltschutzbezogener Handlungen in die strategische Unternehmensführung sowie aussagekräftige ökologische und ökonomische Wirkungsbilanzen des UMS. Förder-lich für den KVP ist zudem eine langfristig ausgerichtete, breit abgestützte und be-züglich Effizienz und Effektivität optimierte Systemgestaltung. Im Einzelnen sind fol-gende Massnahmen und Handlungsweisen zu empfehlen:468 • Umweltengagement unternehmenskulturell absichern

Die ökologischen Werthaltungen kennen und fördern: Ein freiwilliges ökologi-sches Engagement kann nur dann langfristig Bestand haben, wenn es von den Mit-arbeitern aller Stufen getragen wird. Die ökologischen Werthaltungen im Unterneh-men sollten deshalb in Erfahrung gebracht werden, um bestehende KVP-fördernde Einstellungen gezielt nutzen zu können und um Defizite (Widerstände, Ängste, etc.) zu erkennen und zu überwinden. Dem Management kommt hier eine zentrale Rolle zu, die sich nicht nur auf die Vorbildfunktion bezüglich konkreter Handlungen be-schränkt, sondern auch das gezielte Vermitteln469 ökologischer Werte umfasst.

UMS nur bei Vorliegen ökologischer Ziele aufbauen: Grundsätzlich ist schon vor der Einführung eines zertifizierten UMS die Frage zu stellen, welchen Stellenwert ökologische Themen in den Unternehmenszielen einnehmen und ob die Umwelt-

467

Die Empfehlungen gründen überdies auf den umfangreichen Praxiserfahrungen des Autors. Ergänzende Empfehlungen für die Unternehmenspraxis finden sich in der vom Autor mitgestalteten Schrift „Leitfaden zur kontinuierlichen Verbesserung von UMS und Umweltleistung nach ISO 14001“ (SNV, 2002).

468 Alle folgenden Massnahmen sind als Einzelmassnahmen und nicht als Handlungsmodell zu verstehen, auch wenn zwischen verschiedenen Massnahmen Bezüge zu erkennen sind.

469 Vgl. dazu auch: BENTZ (2001), S. 173.

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Handlungs- und Gestaltungsempfehlungen 267

entlastung tatsächlich ein tragendes Ziel der UMS-Einführung darstellt. Für einen dauerhaften KVP ist dies eine Grundvoraussetzung. Werden UMS ausschliesslich aus ökonomischen Gründen oder z.B. als PR-Massnahme eingeführt, scheint ein ständiger KVP von UMS und Umweltleistung aufgrund der vorliegenden Erkennt-nisse nicht möglich. • Umweltschutz strategisch verankern

Wissen, wohin der KVP führen soll: Der KVP wird gefördert und vereinfacht, wenn eindeutige, intern breit akzeptierte Entwicklungsoptionen des UMS definiert sind und wenn diese Optionen mit den allgemeinen Entwicklungsvorstellungen des Unternehmens harmonieren. Wer weiss, wohin die Reise geht, wird einfacher den richtigen Weg und die richtigen Mittel finden und schneller ans Ziel gelangen. För-dernd ist es, wenn bereits im Rahmen des betrieblichen Umweltleitbildes Optionen mit richtungsweisenden normativen und strategischen Ansätzen definiert sind. Da-mit verringert sich auch die in der Praxis teilweise zu beobachtende Tendenz, dass UMS einen Entwicklungsprozess durchlaufen, der von der allgemeinen Unterneh-mensentwicklung weitgehend losgelöst ist. Die Vorstellungen und Hinweise des Zer-tifizierungsauditors für weitere Entwicklungsschritte sollten immer nur als Diskus-sionsbeitrag und Orientierungshilfe betrachtet werden: Die umweltrelevanten Ent-scheide sollten ausschliesslich auf die Unternehmensbedürfnisse und -Ziele ausge-richtet sein.

Harmonie zwischen Umweltschutz und Wettbewerbsstrategie anstreben: Die Weiterentwicklung des UMS sollte mit der allgemeinen Unternehmensstrategie im Einklang stehen. Dies gilt insbesondere bzgl. der grundlegenden Wettbewerbsstra-tegie: Verfolgt die Unternehmung eine Kostenstrategie, sollte das UMS auf Kosten-reduktionspotenziale (sowohl Produktionskosten als auch Total Cost of Ownership) ausgerichtet sein; steht eine Differenzierungsstrategie im Vordergrund, sollte das UMS mithelfen, produktspezifische Differenzierungspotenziale zu generieren.

Von der Nutzung bestehender zur Schaffung künftiger Potenziale: Zur Auf-rechterhaltung des KVP genügt die Orientierung an bestehenden Verbesserungs-potenzialen auf Dauer nicht. Erst die strategische Ausrichtung des UMS und das Schaffen und Erschliessen von prozess- und produktbezogenen Spielräumen er-möglicht auch mittel- bis langfristig die Realisierung neuer Umweltschutzmass-nahmen. Aus strategischer Sicht KVP-fördernd sind z.B. horizontale Kooperationen auf Branchenebene oder vertikale Kooperationen mit vor- und nachgelagerten Ak-teuren. Der Schritt von der Nutzung bestehender zur Investition in neue Verbesse-rungspotenziale und Umweltschutzmassnahmen braucht mitunter Mut – umso wich-tiger ist es, solche Massnahmen gezielt in unternehmerische Gesamtstrategien ein-zubetten.

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268 Handlungs- und Gestaltungsempfehlungen

• Ökonomische und ökologische Leistungen des UMS transparent machen

Den Beitrag des UMS zur Unternehmenszielerreichung ermitteln: Bislang be-schränkt sich die UMS-Leistungsevaluation in der Unternehmenspraxis meist auf Stoff- und Energieflüsse sowie auf erzielte Kosteneinsparungen. In der langfristigen Betrachtung gilt es, die Kosten und Nutzen des UMS den allgemeinen Unterneh-menszielen gegenüber zu stellen, um das UMS entsprechend weiter entwickeln zu können: Wie unterstützt das UMS Managementthemen wie z.B. Strategieausrich-tung, Forschung und Entwicklung, Beziehungen zu Anspruchsgruppen, etc.?

Referenzgrössen für ökologische Verbesserungen definieren: Aus welcher Perspektive sind Veränderungen der Stoff- und Energieflüsse zu betrachten und zu beurteilen? Solche Veränderungen können nur adäquat eingeschätzt werden, wenn sie sich an geeigneten Referenzgrössen orientieren. Die physischen Stoff- und Energiedaten sind hier nur Richtwerte. Aussagekräftiger sind z.B. interorganisatio-nale Vergleiche (Benchmarking), Umweltzustandsveränderungen, der Erfüllungs-grad von Anspruchsgruppen-Forderungen, etc. Für die Aufrechterhaltung des KVP sind solche Referenzgrössen wesentlich förderlicher und auch motivierender als die Orientierung an „Zwischengrössen“ wie z.B. dem Stromverbrauch.

Den Nutzen von ökologischen Kennzahlensystemen verbessern: Kennzahlen-systeme, die i.d.R. im Rahmen des UMS-Aufbaus implementiert werden, geben meist ein sehr eingeschränktes Abbild der ökologischen und ökologisch-ökonomi-schen Zusammenhänge wider. Als Grundlage für Entscheidungen wie z.B. die UMS-Zielfestlegung sind sie deshalb nur beschränkt nutzbar. Der Nutzen kann er-höht werden, wenn die Kennzahlensysteme regelmässig geprüft und an im Laufe der Zeit veränderte Bedürfnisse und neue Rahmenbedingungen angepasst werden. Dabei sollte auch in Kauf genommen werden, dass die Kontinuität in der Darstellung von Umweltleistungsveränderungen sinkt und Langzeitvergleiche erschwert werden. Die prioritäre Aufgabe von Kennzahlensystemen sollte in der Erfassung aktueller und der Planung künftiger Umweltleistungsverbesserungen liegen. Damit wird auch die Gefahr vermindert, dass sich die Festlegung von Umweltzielen von Periode zu Periode auf jeweils dieselben, vielfach aus dem Gesamtzusammenhang isolierten Energie- oder Stoffflüsse als Zielgrössen konzentriert.

Die relative Umweltleistung an funktionalen Einheiten messen: Die Berücksich-tigung von monetären Grössen oder Produktionsmengen als Berechnungsbasis für die relative Umweltbelastung erweist sich in der Mittel- bis Langfristbetrachtung als ungenau und wenig aussagekräftig, da sich diese Grössen selber über die Zeit ver-ändern. Relative Grössen sollten deshalb an funktionalen Einheiten gemessen und der Stoff- und Energieeinsatz mit der erbrachten Leistung verglichen werden, wie z.B. Energieverbrauch je Tonnenkilometer (für ein Speditionsunternehmen), Was-serverbrauch je m2 gereinigter Bodenfläche (für ein Strassenreinigungsunterneh-men) oder Farbverbrauch je m2 bemalter Fläche bei einem bestimmten Deckungs-grad (z.B. für ein Malergeschäft).

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Handlungs- und Gestaltungsempfehlungen 269

• Eine umfassende Sichtweise in der Umweltzielfestlegung einnehmen Ein weit gefasster ökologischer Bezugsrahmen bietet umfangreiche Ansatzpunkte für den KVP. Gerade dann, wenn die Umweltleistung mit betriebsökologischen Massnahmen kaum mehr verbessert werden kann, ist eine erweiterte Betrachtung ökologischer Wirkungsbeziehungen eine wertvolle Grundlage für neue Ansätze zur Aufrechterhaltung des KVP. So umfasst das Handlungsfeld Produktökologie in zahl-reichen Unternehmen sehr vielfältige und oft brachliegende Ansatzpunkte für den Umweltschutz. Dies gilt vor allem dann, wenn auch vor- und nachgelagerte Wert-schöpfungsstufen in die Betrachtung mit einbezogen werden. Bei Produkten mit ho-hen Belastungen auf den Vorstufen oder bei aktiven Produkten sind darüber hinaus „kleine“ Verbesserungsmassnahmen ökologisch oft viel bedeutsamer als aufwändi-ge betriebsökologische Massnahmen. Als weitere Handlungsfelder sollten die Infra-struktur sowie „weiche Faktoren“ wie die Mitarbeitermotivation oder die Know-how-Entwicklung in die Zielformulierungsprozesse einfliessen470.

• Die ökologische Wissensbasis intern aufbauen und fördern Das Management der Beziehungen zwischen der Unternehmung und ihrer öko-logischen und gesellschaftlichen Umwelt erfordert Wissen, das i.d.R. ohne gezielte Förderung nicht in das Unternehmen einfliesst. So muss für einen angemessenen Umgang mit Anspruchsgruppen, zur Sicherstellung der Rechtskonformität oder zu operativen und strategischen Herausforderungen des Umweltschutzes spezifisches Know-how verfügbar sein. Auch sollte die Unternehmung jederzeit in der Lage sein, die Einschätzung der ökologischen Situation (Umweltanalyse) an die aktuellen und absehbaren Verhältnisse anzupassen. Berater und andere externe Wissensträger können hierbei helfen, Perspektiven aufzuzeigen und Hindernisse zu überwinden. Auf Dauer sind aber Aufbau und Entwicklung einer internen ökologischen Wissens-basis, die auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten ist, unabdingbar. Sie ist nicht zuletzt auch eine Voraussetzung, um externes Wissen sinnvoll einzusetzen. Ökologisches Know-how ist im Idealfall auf mehrere Wissensträger verteilt, um die mit Schlüsselpersonen verbundenen Risiken zu vermeiden und die Motivation und die Sensibilisierung breiterer Mitarbeiterkreise zu fördern.

• Messbare Verhaltensziele definieren Stellt sich für Unternehmen die Problematik abflachender Verbesserungserfolge, empfiehlt sich die Ergänzung des periodischen Umweltzielkataloges um Verhaltens-ziele. Hier geht es nicht darum, die Umweltleistung um ein definiertes Ausmass zu verbessern, sondern eine bestimmte, umweltschonende Verhaltensweise aufrecht zu erhalten, wie z.B. „Wir beauftragen nur Transporteure, deren Lkws mit Fahrzeu-gen mindestens der Motorenklasse Euro 3 ausgerüstet sind“ oder „Finanzmittel, die vorübergehend nicht für den Betrieb benötigt werden, werden ausschliesslich in nachhaltige Anlagen und Finanzinstrumente investiert“. Dabei ist die Überprüf- bzw. Messbarkeit solcher Ziele sicherzustellen.

470

Vgl. HEINZER / HORN (2003).

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270 Handlungs- und Gestaltungsempfehlungen

• Das UMS „schlank“ halten und Bürokratisierung vermeiden Mit zunehmender Betriebsdauer von UMS wächst tendenziell die Gefahr, dass Strukturen heranwachsen, die weder effizient noch betriebsnotwendig sind, deren Pflege jedoch Aufwand bereitet. Die Weiterentwicklung des UMS sollte deshalb die regelmässige Hinterfragung der Angemessenheit des Systems einschliessen, die auf der Grundlage der UMS-Ziele zu beurteilen ist. Regelmässig ist auch die Frage zu stellen, ob UMS-induzierte Prozesse, Aufgaben und Verantwortlichkeiten von der zentralen UMS-Verwaltung an die Linienstellen übergehen können. Damit lassen sich zentrale Systemverwaltungs- und -pflegestrukturen auf ein Minimum beschrän-ken. Eine spezifische Überwachung und zentrale Steuerung erübrigt sich vielfach auch im Zusammenhang mit umweltbezogenen Prozessen und Handlungsweisen, die in der Realität weit in die allgemeinen Arbeitsprozesse diffundiert sind. In der UMS-Dokumentation (Handbuch, Prozessbeschreibungen) sollte daher möglichst wenig festgelegt werden. Um das System schlank zu halten, ist bei älteren UMS oft die Frage weiterführend: „Was können wir aus dem UMS eliminieren?“.

• Vernetzung nach innen und aussen fördern Interdisziplinäres Vorgehen sowie die interne und externe Vernetzung sind mittel- bis langfristig wichtige Pfeiler zur Aufrechterhaltung des KVP. Wenn sich bereichs-übergreifende Teams spezifisch mit Umweltfragen auseinandersetzen, werden Zu-sammenhänge, Potenziale und Lösungsmöglichkeiten leichter erkennbar. Unter-nehmensintern ist deshalb die Einrichtung von Teams empfehlenswert, in welchen sich Bereichsfachleute vorzugsweise aus einer prozessorientierten und/ oder funkti-onsorientierten Perspektive mit ökologischen Fragen befassen und durch ihre Er-kenntnisse den KVP steuern.471 Extern kann die Zusammenarbeit mit Drittunterneh-men zur Erweiterung des ökologischen Bezugsrahmens beitragen und z.B. auch Benchmarkingvergleiche ermöglichen, deren Erkenntnisse Impulse für (nicht nur umweltrelevante) Optimierung und Innovation vermitteln können.

• Anreize für ökologisches Verhalten schaffen Durch sinnvolle Anreizstrukturen wird die Aufrechterhaltung des KVP auf Dauer er-leichtert. Zu denken ist etwa an die explizite Aufnahme des „ökologischen Verhal-tens“ als Diskussionspunkt in Qualifikationsgesprächen. Auch sollten leistungs-bezogene Lohnkomponenten nicht nur durch ökonomische, sondern auch durch ökologische Leistungen begründet werden, wie etwa bei der Berücksichtigung der ökologischen Zielerreichen in der Bonusberechnung von Führungskräften. Neben monetären Anreizen können Anreize in Form von Privilegien und Ehrungen für be-sondere ökologische Leistungen gar ein „Wettbewerbsklima für den Umweltschutz“ schaffen und so den KVP unterstützen. Anreize für ökologisches Verhalten haben Signalwirkung: Sie zeigen, welchen Stellenwert das Management den Umweltzielen beimisst – auch dann, wenn auf sie verzichtet wird. 471

Ähnlich propagiert Bentz die Steuerung des Umweltschutzes durch bereichsübergreifende Umweltteams, damit der „Umweltschutz in allen Bereichen thematisiert wird“ und der „Ökologiegedanke präsent bleibt“. Vgl. BENTZ (2001), S. 174.

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Handlungs- und Gestaltungsempfehlungen 271

• Ökonomisch-ökologischen Zielkonflikten mit Leitentscheidungen entgegentreten Wenn die in der Frühphase der UMS-Entwicklung typischerweise identifizierten kos-tensenkenden oder kostenneutralen Verbesserungspotenziale ausgeschöpft sind, stellt sich jedem Unternehmen die Frage nach der ökonomischen Vertretbarkeit wei-terer Umweltschutzmassnahmen. Die in der Unternehmens- und Umweltpolitik ver-ankerten Grundsätze helfen hier nur weiter, wenn nicht nur ökologische und öko-nomische Allgemeinziele formuliert sind, sondern auch das Verhältnis der beiden Zielbereiche zueinander soweit geklärt ist, dass Prioritäten erkennbar sind. Andern-falls ist es empfehlenswert, wenn das Topmanagement angesichts praktischer Ziel-konflikte eine Leitentscheidung fällt, wie z.B. „Wir entwickeln keine Produkte, zu de-ren Herstellung wir Hilfsstoffe der höchsten Giftklasse zwingend benötigen“ oder: „Märkte ausserhalb eines Umkreises von 100 km bearbeiten wir nicht aktiv, da die langen Transportwege aus ökologischen Gründen nicht vertretbar sind“. Solche Entscheidungen können als „Präzedenzfälle“ und als Referenz künftige ähnliche Entscheidungen erleichtern.

• Motivation, Kreativität und Wissen der Mitarbeiter fördern und nutzen472 Soll das KVP-fördernde Potenzial der Mitarbeitenden genutzt werden, gilt es, sie aktiv am Umweltschutz zu beteiligen und sie zur Teilnahme zu motivieren. Empfeh-lenswert sind dazu einfache und ansprechende, jedoch systematische Strukturen. Viele Unternehmen haben zu diesem Zweck im Zuge des UMS-Aufbaus Formen des betrieblichen Vorschlagswesens implementiert. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass das Interesse der Zielgruppen an solchen Systemen mit der Zeit nachlässt und diese Instrumente immer wieder von neuem belebt werden müssen. Auch gilt es, sie periodisch auf ihre Akzeptanz und Tauglichkeit zur Aktivierung der verschie-denen Mitarbeiterkreise zu prüfen. Als weitere Aktivierungsformen sind die regel-mässige Thematisierung ökologischer Fragen an Teamsitzungen sowie themen-fokussierte Umweltschutzaktionen zu empfehlen. Mitarbeiter, die an ökologischen Fragen besonderes Interesse zeigen, sollten bei fachlicher Eignung gezielt gefördert und z.B. für die Durchführung interner Audits ausgebildet und eingesetzt werden. Die Motivation und das Verständnis von Zusammenhängen werden zusätzlich durch eine einfache, leicht verständliche Visualisierung ökologischer Erfolge (und Miss-erfolge) gefördert.

472

Vgl. dazu auch BENTZ (2001), S. 181.

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272 Handlungs- und Gestaltungsempfehlungen

13.2 Empfehlungen im Zusammenhang mit der externen Auditierung

a) An Unternehmen gerichtete Empfehlungen

• Nutzenpotenzial von Audits erkennen Die Erkenntnisse aus der vorliegenden Studie haben deutliche Unterschiede in der unternehmensseitigen Wahrnehmung externer Audits offen gelegt, und ent-sprechend gestaltet sich auch die Wahrnehmung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses solcher Audits. Werden sie als „Polizeikontrolle“ betrachtet, stehen vor allem die Kosten der Audits und der Vor- und Nachbereitungsaufwand im Vordergrund, wäh-rend der Nutzen gering bleibt. Audits sollten jedoch vielmehr als Plattform für Ver-besserungsimpulse erachtet und der Auditor als „Sparringpartner“ für die Aus-einandersetzung mit Entwicklungsoptionen gesehen werden. Eine solche Wahr-nehmungsweise verhindert es, dass sich die Auditvorbereitung in formalen Anpas-sungsarbeiten am UMS erschöpft. Vielmehr fördert sie im Vorfeld der Audits auch die Diskussion inhaltlicher und zukunftsgerichteter Aspekte des UMS, zu welchen die Audits Hilfestellung leisten können. Die Auditoren sind i.d.R. hochqualifizierte Fachleute, die weit über die Überwachungsfunktion der Audits hinaus Anstösse für den KVP bieten können.

• Externe Audits nutzenbringend mitgestalten Der Nutzen von Audits kann deutlich verbessert werden, wenn sie entsprechend den Bedürfnissen der Unternehmung durchgeführt werden. Die Bedürfnisse sollten in die Planung der Audits einfliessen, indem sie dem Auditor kommuniziert werden. Dies kann z.B. in Form klar definierter Auditziele geschehen oder über die Angabe von Organisationseinheiten bzw. Prozessen, die prioritär auditiert werden sollten. Eine solide Vertrauensbasis fördert hierbei die Bereitschaft des Auditors, diese Be-dürfnisse neben seinen Aufgaben und Zielen als Zertifizierungsauditor in die Audit-gestaltung einzubeziehen. Zu beachten ist aber auch, dass der externe Druck, der für viele Unternehmen ein wichtiger Grund für die Zertifizierung darstellt, ohne die Wahrnehmung der Überwachungsfunktion durch den Auditor nicht aufrechterhalten werden kann.

• Den Auditor den eigenen Bedürfnissen entsprechend auswählen Fach- und Branchenkenntnisse des Auditors sind wichtige, aber nicht hinreichende Voraussetzungen, um den Nutzen der externen Audits zu maximieren. Er muss auch bereit sein, sich über seine Überwachungsaufgaben hinaus auf konkrete Fra-gestellungen einzulassen. Damit die Rolle des Auditors als Sparringpartner optimal zur Geltung kommen kann, muss zudem die „Chemie“ zwischen den Gesprächs-partnern stimmen. Der Auditor sollte grundsätzlich aktiv und im Hinblick auf die kon-kreten Bedürfnisse ausgewählt und bei Bedarf auch ein Auditorenwechsel bei der Zertifizierungsorganisation erwirkt werden.

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Handlungs- und Gestaltungsempfehlungen 273

b) An Zertifizierungsorganisationen gerichtete Empfehlungen

• Kundennutzen als Auditziel fördern Erhalt und Aufrechterhaltung des ISO-14001-Zertifikats ist für viele Kunden nur ein Teilziel der Zertifizierung. Zudem zeigt sich gerade bei langjährig zertifizierten Un-ternehmen, dass die erhofften externen Wirkungen des Zertifikats vielfach be-scheiden sind. Umso wichtiger ist es, dass die externen Audits dem Unternehmen einen Mehrwert generieren, wenn die Zertifizierung auf Dauer aufrechterhalten wer-den soll. Dies erfordert zum einen die Bereitschaft, die Kundenbedürfnisse in die Auditplanung einzubeziehen und dies auch zu signalisieren. Zum anderen sind die Kompetenzen der Auditoren und damit ihre stetige Aus- und Weiterbildung gefor-dert. Im Vordergrund stehen dabei Fach- und Branchenkenntnisse, aber auch Sozi-alkompetenz und Fähigkeiten der Kommunikation und der Moderation.

• Entwicklungsorientierte Auditfunktionen stärker betonen Die Überwachungsfunktion zur Prüfung der Normkonformität sollte mit zunehmen-der Zertifizierungsdauer in den Hintergrund treten. Sie könnte in Form einer spezifi-schen von Dokumentenprüfung im Vorfeld der Audits stärker zum Zug kommen, während anlässlich der Audits eine weitgehend implizite Konformitätsprüfung statt-findet. Dadurch bleibt deutlich mehr Raum für die entwicklungsorientierte Diskussion konkreter Fragestellungen. Prüfenswert ist gar die vollständige Trennung der beiden Auditfunktionen und die gesonderte Durchführung von „Compliance-Audits“ und „Entwicklungsaudits“.

• Dem UMS bei kombinierten Audits genügend Raum geben Bei der kombinierten Auditierung von QMS und UMS sollte gezielt darauf geachtet werden, dass qualitätsbezogene Inhalte die Audits nicht dominieren. Dies gilt vor allem dann, wenn solche Audits – wie dies z.B. bei Überwachungsaudits typisch ist – nur von einem Auditor durchgeführt werden. Ein integriertes Vorgehen ist bei sehr weitgehend integrierten Systemen sinnvoll, doch ergeben sich auch hier immer Fra-gen, die nur eines der beiden Systeme betreffen. Da i.d.R. dem QMS mehr Gewicht eingeräumt wird, ist auch hier die zielgerichtete Ansprache von UMS-Themen emp-fehlenswert. Der Auditor sollte deshalb darauf hinwirken, dass bei kombinierten Au-dits das UMS nicht lediglich bezüglich Normkonformität geprüft wird und nur in Be-zug auf das QMS Raum für entwicklungsorientierte Diskussionen bleibt. Dies lässt sich nur erreichen, wenn die Audits mit genügend Ressourcen (Zeit, Personal) ge-plant werden.

• Routinisierungstendenzen beobachten und rechtzeitig aktiv werden Mit zunehmender Zertifizierungsdauer werden externe Audits zu Routinehandlun-gen, und es verändert sich i.d.R. das Verhältnis zwischen Auditor und Kunde. Bei-des kann sich vor- und nachteilig auf den KVP auswirken. Nachteilig sind Routinisie-rungstendenzen für den KVP dann, wenn der externe Druck aufgrund eines zu en-gen Verhältnisses zwischen Auditor und Kunde immer mehr nachlässt, oder wenn der Auditor keine neuen Impulse für die Weiterentwicklung von UMS und Umwelt-

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leistung mehr vermitteln kann. Die Zertifizierungsgesellschaft sollte solche Entwick-lungen beobachteten und ihnen systematisch begegnen. Einzelne Zertifizierungs-gesellschaften kennen beispielsweise die Bestimmung, den Auditoren (nach z.B. 6–10 Jahren) von sich aus auszutauschen. Auch die Auditoren selbst können der Rou-tinisierung entgegentreten, indem sie gezielt darauf achten, die Audits immer wieder auf neue Art und Weise und mit teilweise überraschenden Inhalten zu gestalten.

• Transparente Prüfung des KVP durchführen und Mängel ansprechen Der KVP von UMS und Umweltleistung ist eine zentrale Normforderung, was sich auch in der externen Auditierung spiegeln sollte. Unternehmen suchen – wie die vorliegende Studie gezeigt hat – den externen Druck, um „weiterzukommen“, doch vielfach äussert sich der externe Druck nur in der Prüfung der formalen Norm-konformität. Der KVP sollte deshalb explizit angesprochen werden, um die Bedeu-tung dieser Normforderung zu untermauern. Verbesserungen sollten immer nach-gewiesen werden können. Wo Verbesserungen fehlen, sollte darauf explizit hinge-wiesen werden (z.B. formuliert als „Schwachstelle“ im Auditbericht). Wichtig sind in diesem Zusammenhang transparente Prüfkriterien, die dem Unternehmen wieder-um Anhaltspunkte für die Ausrichtung künftiger Verbesserungsprozesse geben.

• Homogene Kriterien zur Beurteilung des KVP anstreben Da die Norm keine Minimalvorgaben in Bezug auf das Fortschrittsausmass vorsieht, obliegt es den Zertifizierungsgesellschaften, Bestimmungen darüber zu formulieren, mit welchen minimalen Verbesserungen die KVP-Forderung der Norm im Rahmen eines Audits als erfüllt beurteilt werden kann. Bislang sind – wie in Kapitel 2 dieser Arbeit angesprochen – zwar Prüfkriterien definiert, es fehlen aber transparente Ent-scheidungskriterien. Soll das Leistungsniveau der ISO-14001-Zertifizierung für die Zukunft sichergestellt werden, ist es deshalb notwendig, solche Kriterien zu entwi-ckeln und eine homogene Anwendung und Auslegung zwischen den verschiedenen Zertifizierungsgesellschaften anzustreben. Im Einzelfall sollten die Auditoren die „Hinweise“ im Auditbericht noch stärker dazu nutzen, um auf konkrete Verbesse-rungspotenziale hinzuweisen und in den Folgeaudits explizit auf diese Punkte zu-rückkommen (siehe auch oben).

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Handlungs- und Gestaltungsempfehlungen 275

13.3 Weiterer Forschungsbedarf

Die Erkenntnisse zur Langzeitwirkung ISO-14001-zertifizierter UMS stehen mit der hier präsentierten Arbeit erst am Anfang. Bislang können nur wenige der zertifi-zierten Unternehmen auf eine ausreichend lange Entwicklungsgeschichte zurück-blicken, was die Durchführung solcher Untersuchungen erschwert. Während die seit der Veröffentlichung der Norm vergangene Zeitspanne zunimmt, vergrössert sich jedoch die potenzielle Untersuchungsbasis für weitere Forschungsarbeiten. Dies ermöglicht es der Wissenschaft, die hier nur in Ansätzen angesprochenen, vielfälti-gen mittel- bis langfristigen Aspekte der KVP-Umsetzung in der Praxis ausführlicher zu analysieren. Die hier vorliegenden Resultate geben dazu trotz ihrer beschränkten Repräsentativität Hinweise auf verschiedene Forschungsdefizite und bislang offen gebliebene Fragen:

• In den Fallstudien konnte der Übergang von der operativen zu einer strate-gischen UMS-Ausrichtung nicht beobachtet werden. Weitere empirische Einzel-fallstudien müssten durchgeführt werden, um einen solchen Meta-Verbesse-rungsprozess allenfalls nachzuweisen. Insbesondere stellt sich die Frage, ob Unternehmen, deren UMS operativ ausgerichtet ist, bei Erreichen eines „KVP-Plafonds“ eine strategische Verankerung des Umweltengagements anstreben oder ob sie das UMS oder allenfalls nur die UMS-Zertifizierung aufgeben? Wel-che Rolle spielen die Zertifizierung und die Auditierungsroutinen in dieser Situa-tion? Welche Faktoren sind hier verhaltensbestimmend?

• Es gibt zwar mittlerweile mehrere Studien über die Wirkung und Wirksamkeit zertifizierter UMS in Unternehmen. Hingegen gibt es keine gesicherten Erkennt-nisse darüber, in welchem Ausmass und weshalb Unternehmen die Zertifizie-rung nach einigen Jahren wieder aufgeben. Gleichzeitig gibt es Unternehmen, die zwar ein UMS nach ISO 14001 aufbauen, auf die Zertifizierung jedoch ver-zichten. Was sind die Gründe dafür? Entsprechende Forschungsresultate könn-ten letztlich Hinweise auf eventuelle konzeptionelle oder methodische Schwä-chen der Norm vermitteln und entsprechende Weiterentwicklungspotenziale auf-zeigen.

• Für die Messung und Beurteilung von Stoff- und Energieflüssen bestehen natur-wissenschaftlich gut fundierte Konzepte und Methoden. Für die praktische An-wendung auf Unternehmensbasis und für die Messung der Umweltleistung sind sie jedoch nur in Ansätzen geeignet, und sie bieten bislang ausschliesslich die Möglichkeit von Momentaufnahmen. In Anbetracht von sich im Zeitablauf verän-dernden Systemgrenzen und Umsystemen sind mehrperiodische Betrachtungen der Umweltleistung mit Hilfe der heutigen Konzepte oft wenig aussagekräftig. Die betriebswirtschaftliche Forschung sollte auf Basis der naturwissenschaft-lichen Modelle deshalb forciert Konzepte entwickeln, die spezifisch auf die An-wendung in Organisationen ausgerichtet sind und die den Vergleich von Umwelt-leistungsdaten im Zeitablauf ermöglichen.

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276 Handlungs- und Gestaltungsempfehlungen

• Die in Unternehmen vorgenommenen UMS-bezogenen Kosten-Nutzen-Überle-gungen sind vielfach wenig fundiert. Oft zeigen sie nur einen Ausschnitt der öko-nomischen Wirkungen von UMS anhand von wenigen monetären Grössen. Dadurch ergibt sich ein verzerrtes Abbild der realen Verhältnisse, was vor allem dann problematisch ist, wenn auf dieser Basis weit reichende ökologiebezogene Entscheidungen gefällt werden. Deshalb sind anwendungsorientierte Konzepte und Modelle notwendig, mit welchen die Aufwände und Nutzenaspekte von UMS adäquat ermittelt und transparent dargestellt werden können.

• Die Fallstudien haben teilweise den Eindruck vermittelt, dass UMS nach ihrer Implementation einen Weiterentwicklungsprozess durchlaufen, der von der übri-gen Unternehmensentwicklung weitgehend losgelöst zu sein scheint. Darin zeigt sich, dass UMS – mitunter auch bei integrierten Systemen – in der Praxis nur geringe Bezüge zur allgemeinen Unternehmensführung aufweisen. Weitere For-schungsarbeiten sollten diesen Aspekt näher empirisch untersuchen und aufzei-gen, wie und unter welchen Voraussetzungen eine bessere, „echte“ Integration des UMS in die Management- und Geschäftsprozesse sowie in die Unterneh-mensentwicklung erreicht werden kann.

• Die Wissens-, Innovations- und Kreativitätspotenziale der Mitarbeiter werden in vielen Unternehmen kaum oder gar nicht systematisch als Impulsquelle für die ökologische Weiterentwicklung genutzt. Es stellt sich die Frage, welche Rolle und welchen Einfluss der Einbezug der Mitarbeitenden für den KVP von UMS und Umweltleistung spielen kann, wo die Probleme in der Nutzung dieser Poten-ziale in der Praxis liegen, und wie die Mitarbeiterbeteiligung gefördert werden kann. Auch stellen sich hierzu Fragen nach dem Wirkungspotenzial von Anreiz- und Sanktionssystemen, nach der optimalen Gestaltung von umweltorientierten Beteiligungssystemen sowie nach der Bedeutung der Unternehmenskultur für den Mitarbeitereinbezug.

• Zur Auswahl der Fallstudien wurden im Rahmen dieser Arbeit vier Motivations-typen von Unternehmen definiert, die aus jeweils unterschiedlichen Gründen ein UMS implementiert hatten. Die Motivationstypen wurden jedoch nicht vertieft be-leuchtet und beschrieben. Die sehr unterschiedlichen Fallstudienresultate lassen aber erkennen, dass sich die so ausgewählten Unternehmen in Bezug auf den KVP und die Verankerung des UMS signifikant unterscheiden. Eine breitere em-pirische Anwendung des vorgeschlagenen Rasters wäre sinnvoll, um den Zu-sammenhang zwischen der wettbewerbsstrategischen Bedeutung des UMS, der intrinsischen Motivation zum UMS-Aufbau und den Folgen für den ökologischen Entwicklungsprozess zu analysieren. Daraus könnten möglicherweise Rück-schlüsse auf die ökologische Entwicklungsfähigkeit von Unternehmen abgeleitet und Entwicklungspfade (idealtypisch) prognostizierbar werden. Von Interesse wäre auch die Frage, ob es möglich ist, dass sich die Einordnung eines Unter-nehmens im Zeitablauf verändert.

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Handlungs- und Gestaltungsempfehlungen 277

• Im Rahmen der Fallstudienanalysen hat sich gezeigt, dass der KVP in den intrin-sisch motivierten Unternehmen besser institutionalisiert war und länger aufrecht-erhalten werden konnte. Hier besteht jedoch weiterer Forschungsbedarf, zumal nicht alle vier in Kapitel 7 beschriebenen Motivationstypen untersucht werden konnten. Insbesondere interessiert die Frage nach dem Einfluss der Motiva-tionslage auf die Aufrechterhaltung des KVP sowie die Frage, welche Faktoren die Aufrechterhaltung des KVP unterstützen können.

• Den hier untersuchten Unternehmen war gemeinsam, dass sie von privaten Ei-gentümern geführt wurden und dass die intrinsische Motivationslage des Eigen-tümers einen wichtigen Einfluss auf die Institutionalisierung und Aufrechterhal-tung des KVP ausübte. Spielt die ökologische Gesinnung des Eigentümers auch in einer breiteren empirischen Betrachtung eine derart wichtige Rolle? Von Inte-resse ist auch die Frage, inwiefern die hier gewonnenen Erkenntnisse auf ande-re Organisationsstrukturen wie etwa Grossunternehmen, kleine Aktiengesell-schaften oder Verwaltungseinrichtungen übertragbar sind. Gibt es auch in die-sen Fällen eine „Leitfigur“ oder eine „Leitinstanz“, deren Motivation zum Umwelt-schutz im freiwilligen Bereich sich auf den KVP und den ökologischen Entwick-lungsprozess überträgt?

• Wie wirkt sich das Verhältnis zwischen den verschiedenen am UMS beteiligten Akteuren in Unternehmen (Umweltbeauftragte, Umweltdelegierte, Eigentümer, einzelne Mitarbeiter, etc.) und dem Zertifizierungsauditor auf die Auditsituation aus? Welche Verhältnis-Konstellationen fördern bzw. hemmen die KVP-Impulswirkungen der Audits? Welche Art(en) oder Intensität(en) von Vertrauens-verhältnissen bieten einen optimalen Rahmen für die KVP-fördernde UMS-Audi-tierung? Antworten zu Fragen wie diesen wären hilfreich, um die Folgen langfris-tiger Betreuungsverhältnisse zwischen Unternehmen und Auditor zu erkennen und im Hinblick auf einen eventuell erforderlichen Handlungsbedarf seitens der Zertifizierungsgesellschaft im Einzelfall richtig einzuschätzen. Auch sollten die Folgen eines Zielkonflikts zwischen objektiver, neutraler Auditierung und ökono-mischen Interessen der Zertifizierungsgesellschaft beleuchtet werden.

• In ISO 14001 finden sich keine operationalisierten Anhaltspunkte zur Beurteilung der tatsächlichen Verbesserungsleistung von Unternehmen. In der Auditierungs-praxis der Zertifizierungsgesellschaften haben sich zwar entsprechende Rah-menkriterien durchgesetzt, im Anwendungsfall ergibt sich dennoch ein sehr gros-ser Ermessensspielraum. Die Fallstudien zeigen, dass es unter diesen Voraus-setzungen für den Auditor sehr schwierig sein kann, Verbesserungen adäquat zu beurteilen. Auch kommt eine gewisse Zurückhaltung in der Sanktionierung un-genügender Verbesserungsleistungen zum Ausdruck. Zeigt sich dies auch in breiteren empirischen Untersuchungen? Wie kann die KVP-Auditierung verbes-sert werden, und wie müsste ein anwendungsorientiertes Beurteilungsraster ausgestaltet sein?

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YIN, ROBERT K. (2003): Case Study Research, Design and Methods, 3rd Edition, Thousand Oaks.

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Literatur und Quellen 291

ZAHLENSPIEGEL (2004): Aluminium-Verband Schweiz: ALU-Zahlenspiegel, Ausgabe 2004, Daten und Fakten 2003, Zürich.

ZELTNER, CHRISTIAN (2002): Referat „Stahlerzeugung aus Schrott“, Stahl Gerlafingen, Swiss Steel AG. November 2002.

ZETTERBERG, HANS L. (1967): Forschung und Praxis in der Soziologie.

ZOLLONDZ, HANS-DIETER (2001): Lexikon Qualitätsmanagement, Handbuch des modernen Managements auf der Basis des Qualitätsmanagements, München.

WIMMER, WOLFGANG / ZÜST, RAINER (2000): Ecodesign Pilot, Produkt-Innovations-, Lern- und Optimierungs-Tool für umweltgerechte Produktgestaltung, Zürich.

ZÜST, RAINER / SCHLATTER, ANDREAS (Hrsg.) (1999): Umweltmanagementsysteme in der öffentlichen Verwaltung, Zürich.

Normen und Richtlinien

BV SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999.

CO2-GESETZ SR 641.71 Bundesgesetz über die Reduktion der CO2-Emissionen vom 08. Oktober 1999.

DAR-7-EM-02 Deutscher Akkreditierungs-Rat: EA-Leitfaden zur Akkreditierung von Zertifi-zierungsstellen für Umweltmanagementsysteme, IAF-Leitfaden zur Anwendung des ISO/IEC Guide 66, 12/2003, rev4.

EA-7/02 European Co-operation for Accreditation: EA Guidelines for the Accreditation of Certification Bodies for Environmental Management Systems, Dok. EA 7/02, 2002.

EMAS II (ENTSCHEIDUNG): Entscheidung der Kommission über Leitlinien für die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 761/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2001 über die freiwillige Beteiligung von Organisationen an einem Ge-meinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung (EMAS), Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2001) 2504, in: Amtsblatt der Euro-päischen Gemeinschaften, Nr. L 247 vom 17.9.2001, S. 24 ff.

EMAS II (VO): Verordnung (EG) Nr. 761/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2001 über die freiwillige Beteiligung von Organisationen an einem Ge-meinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung (EMAS), in: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 114 vom 24. April 2001, S. 1 ff.

ISO 9001:1994 Qualitätsmanagementsysteme – Modell zur Qualitätssicherung / QM-Darle-gung in Design, Entwicklung, Produktion, Montage und Wartung, Schweizer Norm (SN EN), Zürich, 1994.

ISO 9000:2000 Qualitätsmanagementsysteme – Grundlagen und Begriffe, Schweizer Norm (SN EN), Zürich, 2000.

ISO 10011:1992 Leitfaden für das Audit von Qualitätssicherungssystemen, Teile 1–3, Eu-ropäische Norm (EN), Brüssel, 1992.

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292 Literatur und Quellen

ISO 14001:1996 Environmental management systems – Requirements with guidance for use, Genf, 1996.

ISO 14001:1996 Umweltmanagementsysteme – Spezifikation mit Anleitung zur Anwen-dung, Schweizer Norm (SN EN), Zürich, 1996.

ISO 14001:2004 Umweltmanagementsysteme – Anforderungen mit Anleitung zur An-wendung, Europäische Norm (EN), Brüssel, 2004.

ISO 14004:2004 Environmental management systems – General guidelines on principles, systems and supporting techniques, Genf, 2004.

ISO 14010:1996 Leitfäden für Umweltaudits – Allgemeine Grundsätze, Schweizer Norm (SN EN), Zürich, 1996.

ISO 14011:1996 Leitfäden für Umweltaudits – Auditverfahren – Audit von Umwelt-managementsystemen, Schweizer Norm (SN EN), Zürich, 1996.

ISO 14012:1996 Leitfäden für Umweltaudits – Qualifikationskriterien für Umweltauditoren, Schweizer Norm (SN EN), Zürich, 1996.

ISO 14031:1999 Umweltmanagement – Umweltleistungsbewertung – Leitlinien, Schweizer Norm (SN EN), Zürich, 1999.

ISO 14040:1997 Umweltmanagement – Ökobilanz – Prinzipien und allgemeine Anfor-derungen, Schweizer Norm (SN EN), Zürich, 1997.

ISO 14041:1998 Umweltmanagement – Ökobilanz – Festlegung des Ziels und des Un-tersuchungsrahmens sowie Sachbilanz, Schweizer Norm (SN EN), Zürich, 1998.

ISO 14042:2000 Umweltmanagement – Ökobilanz – Wirkungsabschätzung, Schweizer Norm (SN EN), Zürich, 2000.

ISO 14043:2000 Umweltmanagement – Ökobilanz – Auswertung, Schweizer Norm (SN EN), Zürich, 2000.

ISO 14050:2002 Umweltmanagement – Begriffe, Berlin, 2002.

ISO 19011:2002 Leitfaden für Audits von Qualitätsmanagement- und/oder Umweltmanage-mentsystemen, Schweizer Norm (SN EN), Zürich, 2002.

ISO/IEC GUIDE 66 General requirements for bodies operating assessment and certification / registration of environmental management systems, 2003.

ÖKO-AUDIT-VERORDNUNG (1993): Verordnung (EWG) Nr. 1836/93 des Rates vom 29. Juni 1993 über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemein-schaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung, in: Amts-blatt der Europäischen Gemeinschaften, Nr. L 168 vom 10.7.1993, S. 1–18.

USG SR 814.01 Bundesgesetz über den Umweltschutz (Umweltschutzgesetz [USG]) vom 7. Oktober 1983.

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Literatur und Quellen 293

Online-Quellen

Im Folgenden sind zusätzliche im Text zitierte Online-Quellen wie Informations-, Firmen und Institutionsportale aufgeführt. Alle Online-Beiträge, die einem bestimm-ten Autor zugeordnet werden können, finden sich in der allgemeinen Literaturliste.

www.alu-scout.com Informations- und Handelsplattform der Aluminiumwirtschaft.

www.bfs.admin.ch Schweizerisches Bundesamt für Statistik.

www.clipp.org Portal von clipp (climate protection partnership), Schweizer Kompetenzzentrum im Be-reich Klimaschutz und CO2-Kompensation.

www.ecoinvent.ch Schweizer Zentrum für Ökoinventare.

www.galvaswiss.ch Firmenportal der Galvaswiss AG.

www.iwoe.unisg.ch Portal des Instituts für Wirtschaft und Ökologie der Universität St. Gallen.

www.kuhfussonline.com Firmenportal des deutschen Stahlunternehmens Kuhfuss.

www.minergie.ch Informationsportal zum schweizerischen Minergie-Standard im Bauwesen.

www.myclimate.org Portal von myclimate, einer Organisationen, die Klimaschutzprojekte zur Kompensation von CO2-Emissionen anbietet.

www.stahl-online.de Informationsportal der Deutschen Wirtschaftsvereinigung Stahl.

www.umweltlexikon-online.de Informationsportal des KATALYSE-Instituts für angewandte Umweltforschung e.V.

www.uvek.admin.ch Schweizerisches Bundesamt für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation.

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294 Literatur und Quellen

Gesprächspartner der Fallstudienunternehmen:

Lista AG

UB – Umweltbeauftragter, zusätzlich Leiter Technik / Dienste / Sicherheit GL – Delegierter der Geschäftsleitung für Umweltfragen, Leiter Technik / Produktion / Logistik AU – Auditor der Zertifizierungsgesellschaft

Ernst Schweizer AG, Metallbau

UB – Umweltbeauftragter, zusätzlich zuständig für Qualitätsmanagement und Ar-beitssicherheit GL – Delegierter der Geschäftsleitung für Umweltfragen sowie Leiter Produktion AU – Auditor der Zertifizierungsgesellschaft

Otto Keller AG

UB – Umweltbeauftragter, zusätzlich Leiter Produktion GF – Geschäftsführer AU – Auditor der Zertifizierungsgesellschaft

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Zum Autor

René Gastl, 1965 in Zürich geboren, ist selbständiger Unternehmensberater mit Tätigkeitsschwerpunkten in den Bereichen Managementsysteme, Prozessgestal-tung (Prozessverbesserungen und Verbesserungsprozesse), Umwelt- und Quali-tätsmanagement, Public Relations und Marketing. Nach Abschluss einer kaufmän-nischen Ausbildung in der Logistikbranche absolvierte er 1990 auf dem zweiten Bil-dungsweg die schweizerische Maturität. 1992–1997 Studium der Betriebswirtschaft an der Universität St. Gallen, Schweiz und an der Melbourne Business School, Aus-tralien, danach Mitglied der Geschäftsleitung einer Tochtergesellschaft des Georg Fischer-Konzerns in Schaffhausen. 2005 Promotion mit Forschungsschwerpunkt Umweltmanagement an der Universität St. Gallen. Seit 1999 Inhaber der Clean Ma-nagement Unternehmensberatung in Zürich.

Feedbacks, Anregungen und Kontaktaufnahme an:

[email protected]