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96 Med. D t . Koloman Megay: Krankenhaueabwasser Med. Dr. Koloman M e g a y, Leiter der Bundesstaatlichen Bakteriologisch-Serologischen Untersuchungs- anstalt Linz Die unschädliche Beseitigung von Kranken ha usab wässern ist ein Problem, das in erster Linie hygienische Fragestellungen beinhaltet, deren Lösung im Interesse der Volksgesundheit liegt, darüber hinaus aber eine Reihe auch technisch interessanter Einzelheiten bietet, auf die im Folgenden kurz eingegangen werden soll, überall dort, wo der Ableitung von Krankenhausabwasser (KH-Abw.) eine Reinigung und fallweise eine Des infektion desselben vorausgeht, müssen der Projektant der Anlage, der bauführende Techniker, aber auch der Krankenhausleiter und die über wachenden Behördenorgane mit einigen prinzipiellen bakteriologischen, epidemiologischen und biochemischen Fragen vertraut sein, die sich in dieser Form ausschließlich beim KH-Abw. ergeben. Eine zusammen fassende Darstellung der wesentlichsten Gesichtspunkte wurde soeben fertig- gestellt und dürfte in Kürze in der Sammlung „Stadtreinigung“ im Verlag für Technik und Kultur (Berlin) erscheinen. An dieser Stelle sollen nur die wichtigsten und interessantesten Probleme des KH-Abw. behandelt und zur Diskussion gestellt werden. Während sich aus dem Bautyp eines Krankenhauses vorwiegend tech nische Fragestellungen hinsichtlich der wirtschaftlich optimalen Entwäs serung ergeben, ist in hygienischer Beziehung der Betriebstyp, also die Zweckbestimmung des Krankenhauses für die Aufbereitung und Ableitung der Abwässer bedeuttimgisvoll. In baulicher Hinsicht hat sich aus defrn Bestreben, alle Vorteile des klassischen Korridorsystems mit allen Vor teilen des Pavillonsystems zu verbinden und alle Nachteile dieser fast historisch gewordenen Bauformen auszuschalten, die gemischte Bauweise entwickelt. Bei ihr sind auf Grund betriebstechnischer Erfahrungen be stimmte Stationen in größeren Gebäuden vereint, während andere in zweckmäßiger Entfernung voneinander und vom Hauptgebäude aufgelockert auf dem meist parkartig gestalteten Gelände liegen. Neben diesen als Streu- oder Gruppensystem, auch Trabantensystem bezeichneten Bau- formen hat sich in letzter Zeit für kleinere Anstalten eine kammförmige Bauweise entwickelt, während Groß-Krankenhäuser im verbauten Stadt gebiet die Tendenz zum Hochhausbau aufweisen. © Bundesamt für Wasserwirtschaft, download www.zobodat.at

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96 Med. D t . Koloman Megay:

KrankenhaueabwasserMed. Dr. Koloman Me g a y,

Leiter der Bundesstaatlichen Bakteriologisch-Serologischen Untersuchungs-anstalt Linz

Die unschädliche Beseitigung von Kranken ha usab wässern ist ein Problem, das in erster Linie hygienische Fragestellungen beinhaltet, deren Lösung im Interesse der Volksgesundheit liegt, darüber hinaus aber eine Reihe auch technisch interessanter Einzelheiten bietet, auf die im Folgenden kurz eingegangen werden soll, überall dort, wo der Ableitung von Krankenhausabwasser (KH-Abw.) eine Reinigung und fallweise eine Des­infektion desselben vorausgeht, müssen der Projektant der Anlage, der bauführende Techniker, aber auch der Krankenhausleiter und die über­wachenden Behördenorgane mit einigen prinzipiellen bakteriologischen, epidemiologischen und biochemischen Fragen vertraut sein, die sich in dieser Form ausschließlich beim KH-Abw. ergeben. Eine zusammen­fassende Darstellung der wesentlichsten Gesichtspunkte wurde soeben fertig- gestellt und dürfte in Kürze in der Sammlung „Stadtreinigung“ im Verlag für Technik und Kultur (Berlin) erscheinen. An dieser Stelle sollen nur die wichtigsten und interessantesten Probleme des KH-Abw. behandelt und zur Diskussion gestellt werden.

Während sich aus dem Bautyp eines Krankenhauses vorwiegend tech­nische Fragestellungen hinsichtlich der wirtschaftlich optimalen Entwäs­serung ergeben, ist in hygienischer Beziehung der Betriebstyp, also die Zweckbestimmung des Krankenhauses für die Aufbereitung und Ableitung der Abwässer bedeuttimgisvoll. In baulicher Hinsicht hat sich aus defrn Bestreben, alle Vorteile des klassischen Korridorsystems mit allen Vor­teilen des Pavillonsystems zu verbinden und alle Nachteile dieser fast historisch gewordenen Bauformen auszuschalten, die gemischte Bauweise entwickelt. Bei ihr sind auf Grund betriebstechnischer Erfahrungen be­stimmte Stationen in größeren Gebäuden vereint, während andere in zweckmäßiger Entfernung voneinander und vom Hauptgebäude aufgelockert auf dem meist parkartig gestalteten Gelände liegen. Neben diesen als Streu- oder Gruppensystem, auch Trabantensystem bezeichneten Bau- formen hat sich in letzter Zeit für kleinere Anstalten eine kammförmige Bauweise entwickelt, während Groß-Krankenhäuser im verbauten Stadt­gebiet die Tendenz zum Hochhausbau aufweisen.

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In abwassertechnischer Hinsicht ist es bedeutungsvoll, daß nur ein geringer Teil des anfallenden Abwassers infektionsverdächtig ist, d. h. potentiell Krankheitserreger enthält und daher vor der Ableitung einer Desinfektion zugeführt werden muß. Dieser Umstand muß nicht nur bei der Planung der Abwasserreinigungsanlage bedacht werden, sondern sollte schon bei der baulichen Planung des Krankenhauses als solchem berück­sichtigt werden, um eine installationsmäßig saubere Lösung zu ermög­lichen.

In betrieblicher Hinsicht wird man zwischen dem alle klinischen Fachabteilungen führenden allgemeinen Krankenhaus (general hospital) und den Spezialkrankenhäusern unterscheiden müssen (Infektionskranken­häuser, Tuberkuloseheilstätten, Heliotherapiestationen, Heil- und Pflege­anstalten für Geisteskranke, Kinderspitäler u. a. m.), wozu als dritte Gruppe die Hospitalitenkrankenhäuser für chronisch Kranke, Unheilbare oder nur beschränkt besserungsfähige Kranke kommen. Gerade letztere sind hygienisch bedenklich, da in ihnen Patienten mit verschiedensten Grundleiden und einer, wegen der zumeist schlechten biologischen Infekt­abwehrlage, erhöhten Anfälligkeit gegen Infektionen versammelt sind. Wir sehen immer wieder in solchen Anstalten wie auch in Altersheimen, Armenheimen, Internaten und Gefängnissein Hausepidemien, vor allem infektiöser Darmkrankheiten, ausbrechen und die Abwässer, die sich sonst in nichts von häuslichen Abwässern unterscheiden, können dann plötzlich zur Ausbreitung der Seuche beitragen.

Von der Zweckbestimmung eines Krankenhauses, von der Art der in ihm vorhandenen Stationen hängt in erster Linie die Menge des anfallenden Abwassers ab. Trotz großer individueller Schwankungen ist es möglich, hierfür einige Anhaltspunkte zu geben. Die Erfahrung hat gezeigt, daß man bei größeren allgemeinen Krankenhäusern für jeden in Pflege be­findlichen Patienten die doppelte Quote des für Siedlungsabwasser üblichen Durchschnittes, demnach rund 0.5 m3/Patient und Tag, für jede Pflege­person sowie Hilfspersonal rund 0,2 mVTag einsetzen kann und muß, ohne zu hoch zu greifen. Verfügt das Krankenhaus außerdem noch über Ambulatorien, Hörsäle, Forschungslaboratorien usw., so wird man für die fluktuierende Belegschaft derselben 0,1 m3/Kopf und Tag rechnen müssen. Nicht ständig im Krankenhaus wohnende Beschäftigte (Bedienerinnen, Hausarbeiter etc.) sollten bei achtstündiger Arbeitszeit mit 8/24 = Ug oder rund 70 Liter Abwasser/Kopf und Tag kalkuliert werden. Diese relativ große Abwassermenge — die Kläranlagen sind unbedingt für Vollbelag zu berechnen — ergibt sich bei den großen allgemeinen Krankenhäusern aus dem nicht zu unterschätzenden Wasseranfall aus den Spezialstationen (Operationstrakt, Physikotherapie, Bäder, Unterwassertherapie) einerseits

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und dem fast pausenlos laufenden Küchenbetrieb und dem lebhaften Wasserumsatz in der Krankenhaius wäscherei andererseits. Dagegen wird man bei bestimmten Spezialkrankenhäusern, wie Heilstätten, Hospitaliten- krankenhäusern, Heil- und Pflegeanstalten usw., für Patienten und Per­sonal einen durchlaufenden Schlüssel von 0,3 nrVKopf und Tag ansetzen können, ohne weit fehl zu gehen. Auf Grund von Erhebungen für west­deutsche Verhältnisse von G. A 1 h e i t (zitiert in V o g 1 e r - H a s s e n - p f l ü g ; Handbuch f. d. Krankenhausbau, Verlag Urban u. Schwarzenberg 1951) entfallen auf je 100 Krankenbetten im Durchschnitt 75 Pflege­personen, und zwar

5.5 Ärzte,7.5 Verwaltungsbedienstete,

30.0 Pflegepersonen (Schwestern),32.0 Hilfspersonal und Sonstige (Diener, Heizer, Hausarbeiter).Unter Zugrundelegung dieser Ziffern wurde versucht, die Abwasser­

beseitigung einiger Krankenhaustypen nach Abwassermenge und Art der Abwasserbehandlung in Tabelle 1 darzustellen.

Eine zweite Frage betrifft die qualitative Zusammensetzung der Kran­kenhausabwässer. Das gesammelte Rohabwasser eines Krankenhauses weist, grobsinnlich betrachtet, alle Eigenschaften eines etwas stärker verdünnten häuslichen Abwassers auf. Bei näherer Betrachtung zeigen sich aber fol­gend j Besonderheiten:

a) es ist stärker verdünnt durch den Zulauf von Kühl- und Kondens- wasser aus Operationstrakt (Sterilisation), Apotheke, Laboratorien und wenig verschmutzten oder fast reinen Abläufen aus bestimmten Bädern, Teilen der Wäscherei und des Küchenbetriebes.

b) es ist zumeist beträchtlich wärmer (20—30 0 C) als Siedlungsabwasser. Durch diese höhere Temperatur wird nicht nur die Menge des gelösten Sauerstoffes reduziert, es werden auch mesophilen und einigen thermophilen Mikroorganismen (Fäulnis- und Gärungserreger) bessere Chancen geboten, so daß bei Stagnation das Anfaulen be­günstigt wird. Gleichzeitig kann durch thermische Strömungen die Sedimentation im Absetzraum gestört werden.

c) die Fäulnis fähigkeil von KH-Abw. wird begünstigt durch die Beimen­gung von hochgradig fäulnisfähigem organischem Material, wie Blut (ins W. C. entleerte abgelaufene Blutkonserven), flüssige und breiige Speisereste, in höherem Maße als dies in Haushalten üblich ist. Gleichzeitig gelangen aber auch Stoffe in das KH-Abw., welche die Fäulnisvorgänge hemmen (Chemikalien, Desinfektionsmittel, Anti- biotica).

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Tabelle

1.

Äbwasserbeseitigung

bei

verschiedenen

Krankenhaustypen

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Die Verwendung von chemischen Desinfektionsmitteln im Krankenhaus­betrieb wechselt mengenmäßig innerhalb der einzelnen Stationen in wei­tem Maße. Während einige Krankenabteilungen mit sehr geringen Quan­titäten an Desinfektionsmitteln arbeiten ¡(interne, neurologische, geburts­hilfliche, Rheumastation usw.), fallen bei Infektionsstationen, Kinderabtei­lungen, Tbc-Stationen usw. je nach Art des Betriebes unter Umständen größere Mengen Desinfektionsmittel an und gelangen in das Abwasser. Chirurgische Stationen belasten — seit die antiseptische Ära in die asep­tische übergegangen ist — die Abwässer meist nur wenig mit Desinfektions­mitteln, da das Sterilisationsgut fast ausschließlich thermisch entkeimt wird und Operationsabfälle verbrannt werden. Im allgemeinen dürfte die Menge der in das KH.-Abw. gelangenden Desinfektionsmittel in den letzter, zwei Jahrzehnten zumindest nicht wesentlich gestiegen sein. Trotz­dem beobachten erfahrene Abwassertechniker seit einigen Jahren bei Abwasserreinigungsanlagen von Krankenhäusern Störungen sowohl im Faul- raum, als auch am Tropfkörper, die sicher nicht auf rein technische Versager der Anlage zurückgeführt werden konnten.

Wir verdanken die ersten Hinweise auf dieses interessante Problem Herrn Dozent Dipl.-Ing. Dr. R. P ö n n i n g e r , der so freundlich war, uns bei der Klärung dieser Frage zu unterstützen. P ö n n i n g e r hat als erster versucht, sich durch Umfrage bei Krankenhäusern, bzw. Heilstätten, deren Kläranlagen offenbar unter der Wirkung von Störstoffen leiden, ein Bild von der Menge der im Betrieb verwendeten Desinfektionsmittel und Antibiotica zu machen und ihre Konzentration im Abwasser zu be­rechnen. Als Resultat hat sich herausgestellt, daß es vor allem die soge­nannten Antibiotica sind und die auch in diese Gruppe gehörigen Tuber- kulostatica, die unter Umständen den Biochemismus der Abwasserreinigung im Krankenhaus zu stören vermögen. Diese Störungen manifestieren sich als

a) vermehrte Bildung von Schwimmschiamm.b) verlängerte Ausfaulungszeiten des Schlammes im Schlammraum,c) unzureichender Ausfaulungsgrad des abgepumpten Faulschlammes,d) ungenügender aerober Abbau am Tropfkörper, bzw. unzureichende

Gesamtabnahme des BSB bis zum Endablauf.

Es ist in diesem Rahmen nicht möglich, auf die Feinheiten der Wir­kung von Desinfektionsmitteln und Antibioticis auf Mikroorganismen ein­zugehen. Wenn es der Zweck eines Desinfektionsmittels ist, pathogene, also krankheitserregende Mikroorganismen außerhalb des menschlichen Körpers — etwa in den Ausscheidungen des Kranken — abzutöten, so liegt das Wesen der Antibiotica und Tuberculostatica in ihrem chemo­

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therapeutischen Effekt. Von einem Desinfektionsmittel erwarten wir die verläßliche Abtötung (Bakterizidie) der Mikroorganismen, doch sind diese chemischen Stoffe so allgemein biologisch giftig, daß sich ihre Anwen­dung im menschlichen Organismus verbietet. Auch die Chemo therapeutica und damit die Antibiotica sind chemische, antimikrobiell wirkende Sub­stanzen, die aber für den infizierten Organismus so weitgehend ungiftig sind, daß sie in die Blutbahn gespritzt oder innerlich genommen werden können, ohne dem Organismus zu schaden. Die meisten von ihnen be­wirken aber nicht aus sich heraus im Körper eine Abtötung der Krank­heitserreger, sondern führen nur zur Vermehrungs- und Entwicklungshem­mung der Mikroorganismen, die dadurch den natürlichen biologischen Abwehrmechanismen des Körpers leichter erliegen. Man bezeichnet diese Hemmung der Entwicklungs-, bzw. Vermehrungsfähigkeit der Mikro­organismen als bakteriostatische Wirkung. Zwischen Leben und Tod be­stehen — auch für Mikroorganismen, oder gerade für diese — keine scharfen. Grenzen, sondern fließende Übergänge, und so läßt sich auch zwischen Bakteriostase und Bakterizidie keine scharfe Trennlinie ziehen. Dasselbe Desinfektionsmittel, das Ln entsprechender Konzentration zum Absterben von Mikroorganismen führt, kann in größerer Verdünnung noch bakteriostatisch wirksam sein. Eine sehr lange anhaltende Bakteriostase wieder führt unter Umständen zum allmählichen „Aussterben“ der Keime, weil das Verhältnis Proliferation zum natürlichen Absterbevorgang in Richtung auf letzteren verschoben ist. Diese Vorgänge sind ebenso inter­essant wie kompliziert.

Für das Verständnis der Bedeutung der Antibiotica und Tuberculo- statica als Störstoffe bei der Reinigung von Krankenhausabwasser sind aber noch einige Hinweise notwendig:

Während die klassischen Desinfektionsmittel als „unspezifische“ Bak­teriengifte erst von einer bestimmten Konzentration an — die im Abwasser nur ganz selten erreicht wird — zu Störungen im Faulraum und am Tropf­körper führen, sind die spezifisch in den Biochemismus des Bakterien­stoffwechsels eingreifenden Antibiotica oft noch in hohen Verdünnungen im Abwasser wirksam. Die Desinfektionsmittel werden gewöhnlich nicht stärker als in gerade ausreichender Konzentration bei der laufenden Desinfektion verwendet-, vermischt mit den übrigen Abwässern werden sie gewöhnlich weit unter ihre Wirkungsgrenze verdünnt, wozu noch kommt, daß sie durch gleichzeitig vorhandene organische Substanzen abgebunden werden können. Die Antibiotica (Tuberculostatica) werden — nach Erreichen eines therapeutisch wirksamen Blutspiegels — mit dem Harn der Kranken ausgeschieden oder gelangen beim Waschen der Spritzen u. a. m. in das Abwasser. Sie werden — wieder infolge der ein­

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tretenden Verdünnung — nur dann als Störstoffe in der Kläranlage wirk­sam werden können, wenn der Prozentsatz antibiotisch behandelter Patien­ten in einem Krankenhaus entsprechend hoch ist. Dies trifft vor allem für Lungenheilstätten, aber auch für manche Infektionsabteilungen zu.

Die chemische Labilität eines Teiles der bisher bekannten und praktisch verwendeten Antibiotica bedingt, daß sie im Zuge der biochemischen Vorgänge im Abwasser abgebaut oder sonst wirkungslos werden. Infolge ihrer zumeist vorhandenen Wirkungsspezifität gegen einzelne Mikroben­gruppen sind nicht alle im KH.-Abw. vorkommenden Antibiotica als Störstoffe gegen, die Kleinstlebewesen der biologischen Abwasserreinigung wirksam. Es scheint aber möglich zu sein, daß zufällige Kombinationen einzelner Antibiotica und Tuberculostatica im KH.-Abw. fallweise zu den beobachteten Störungen des Klärbetriebes führen können. Es ist beab­sichtigt, diesbezügliche experimentelle Untersuchungen in Zusammenarbeit mit R. P ö n n i n g e r weiterzuführen.

Der Nachweis von Störstoffen im KH.-Abw. ist nicht immer ganz einfach. Treten bei einer KH.-Kläranlage die eingangs erwähnten Er­scheinungen auf, so empfiehlt es sich, zuerst durch eine Revision der technischen Einrichtungen etwaige rein technische Störungen auszuschlie­ßen. Liegt auf Grund von Erhebungen im Krankenhausbetrieb der Verdacht nahe, daß Desinfektionsmittel oder Antibiotica in erheblicher Menge in das Abwasser gelangt sind oder gelangen, so versuche man im weitgehend klar filtrierten Abwasser, ob sich freies Chlor, Phenol, Formaldehyd oder Schwermetallsalze bzw. andere charakteristische Gruppen chemischer Des­infektionsmittel nachweisen lassen. Ist dies der Fall, so kann die quanti­tative Restimmung versucht werden. Gelingt der Nachweis solcher Che- mikalien nicht, so wird das vorfiltrierte Abwasser durch ein bakterien­dichtes Filter gepreßt und das nun bakterienfreie Filtrat für die An­stellung eines Resistenzversuches verwendet. Dieser erfolgt zweckmäßig im Zylindertestverfahren. Dabei müssen mehrere Nährbodenplatten ange­setzt werden, von denen ein Teil mit bekannten Testkeimen (Reinkul­turen), ein anderer Teil mit Mischkulturen aus dem Abwasser beimpft wird. Es empfiehlt sich, die Prüfung getrennt unter aeroben und anaeroben Kautelen vorzuoehmen, letzteres vor allem mit Mischkulturen aus dem Faulraum der Kläranlage. Auf Einzelheiten kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden.

Zur ßehebung bzw. Verhinderung von Störungen der Abwasserreinigung in KH.-Kläranlagen durch Antibiotica, Tuberculostatica und Desinfek­tionsmittel empfiehlt R. P ö n n i n g e r , die Tropfkörper in Spitälern und Heilstätten etwas Löher zu bemessen und das Abwasser zwischen dem Emscherbrunnen und dem Tropfkörper durch Reinwasser zu verdünnen.

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Weiters sollten, nach R. P ö n n i n g e r schon beim Bau der Anlage Vor­kehrungen getroffen werden, um den Schwimmschlamm aus dem Emscher- becken ablassen zu können sowie eine größere Dimensionierung der Schlammtrockenbeete oder Kompostierung des Naßschlammes mit Müll, Torfmull etc.

Eine weitere Frage gilt den Möglichkeiten der endgültigen Beseitigung eines KH.-Abw. ohne Gefährdung gesundheitlicher Belange. Hier sei daran erinnert, daß bei weitem nicht jedes KH.-Abw. infektiös ist-, ein solches „blandes“ KH.-Abw. wird hinsichtlich Ableitung in einen Vorfluter oder in das Erdreich daher genau so zu beurteilen sein, wie Siedlungsabwasser. Infektiöses Abwasser erfordert eine Desinfektion oder eine so hohe Ver­dünnung durch großstädtische Abwässer, daß der Endgehalt an Krank­heitserregern nicht höher liegt, als in Siedlungsabwässern, in die sie durch Bazillenträger und Dauerausscheider laufend entleert werden. Hier muß mit allem Nachdruck auf den grundlegenden Unterschied zwischen Ab- wasserrcm/gm/g und Abwasserdesinfektion hingewiesen werden-, das sind zwei völlig getrennte Begriffe. Durch eine Desinfektionsmaßnahme am Abwasser wird keinesfalls eine Reinigung desselben im abwasserchemischen und abwasserbiologischen Sinn herbeigeführt. Umgekehrt ist auch eine sehr sorgfältig vorgenommene mechanische und vollbiologische Reinigung niemals in der Lage, in einem Abwasser vorhandene Krankheitserreger verläßlich daraus zu entfernen. Die Abwasserreinigung zielt darauf hin, auf mechanischem, chemischem und biologischem Wege jene Fremd- und Schmutzstoffe zu entfernen, deren Einbringung in den Bodenuntergrund oder mehr noch in ein Naturgewässer die dort befindlichen Lebensgemein­schaften in ihrem naturbedingten Zusammenspiel empfindlich stören bzw. den biologischen Haushalt zum Umkippen bringen würde. Abwasser­desinfektion dagegen will die Verbreitung von pathogenen Mikroorga­nismen und Parasiten durch das Abwasser verhindei-n, wobei aber mit den Krankheitserregern zugleich auch jene Kleinstlebewesen zugrunde gehen, die für den biochemischen Abbau der Schmutzstoffe bedeutsam sind. Das ist ja der Hauptgmnd dafür, daß die Abwasserdesinfektion im Rahmen einer Kläranlage immer nur die Endstufe, die letzte Etappe bilden darf.

Je nach der Größe des Krankenhauses und nach den örtlichen Gegeben­heiten bietet sich eine der folgenden Möglichkeiten für die endgültige Entfernung des Abwassers an:

1. Landwirtschaftliche Nutzung durch Verregnung oder oberflächliche Verrieselung.

2. Untergrundberieselung.

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3. Versickerung.4. Entlassung in einen geeigneten Vorfluter.Die erste Möglichkeit scheidet für Krankenhausabwässer nach Ansicht

der meisten Hygieniker vollständig aus und ich glaube, daß man sich auch seitens der projektgenehmigenden Behörden diesen Standpunkt zu eigen machen sollte. Dies gilt auch dann, wenn das KH.-Abw. vorher vollbiologisch gereinigt worden ist. Sehr sorgfältige Untersuchungen aus den letzten Jahren von Gertrud M ü l l e r (Hamburg) haben diese Auf­fassung in zweifacher Hinsicht unterstützt. Jhre Versuche bei der Ver­regnung von nicht vorgeklärtem Abwasser auf landwirtschaftliche Nutz­flächen ergab, daß die Kulturen am Regner und bis zu einem Umkreis von 50 m vom Regner zu 100 Prozent mit Salmonellen infiziert waren, wobei vor allem Bakterien der Paratyphus-B-Gruppe, Typhusbakterien, Salmonella Newport, Salmonella Bareilly und Oranienburg gefunden wur­den. Noch drei Wochen nach der Beregnung waren 84 Prozent der ent­nommenen Grasproben positiv bezüglich Salmonellen. Der Coli-Bakterien- gehalt hatte auf der beregneten Fläche um 5 bis 6 Zehnerpotenzen zuge­nommen und war sechs Wochen nach der letzten Beregnung erst um zwei Dezimalstellen zurückgegangen. Als Abwasser wurde Siedlungsabwasser aus der Umgebung Hamburgs benützt. G. M ü l l e r hat dann ihre Unter­suchungen auf vollbiologisch gereinigtes Siedlungsabwasser ausgedehnt und mußte dabei feststellen, daß auch nach ordnungsgemäßer mechanischer und biologischer Reinigung noch 40 Prozent der am Gesamtablauf ent­nommenen Proben einen positiven Salmonellenbefund erbrachten. Ähn­liches konnte H. R ep lo h bezüglich pathogener Viren beobachten und zahlreiche Autoren haben übereinstimmende Befunde veröffentlicht, wo­nach Tuberkelbazillen nicht nur im Endablauf sorgfältig gereinigter Abwässer, sondern sogar noch in den zugehörigen Vorflutern bakteriolo­gisch nachgewiesen werden konnten.

Die Untergrundberieselung von KH.-Abwasser kommt nur dort in Frage, wo das betreffende Abwasser sich praktisch gar nicht von gewöhnlichem häuslichem Abwasser unterscheidet, also für mechanisch gereinigtes Ab­wasser sehr kleiner Provinzkrankenhäuser ohne Infektionsstationen, Pro- sekturen und bakteriologische Laboratorien. Auf sehr sorgfältige Aus­führung der technischen Anlage und auf verläßlichen Schutz des Grund- wassers wird zu achten sein.

Auch die Versickerung von KH.-Abw. in den tieferen Untergrund wird nur besonders gelagerten Fällen Vorbehalten sein. Sie kommt nur für kleinere Krankenhäuser in Betracht, die weitab von Siedlungen und vor allem von Trinkwasserversorgungsgebieten liegen und an einen geeig­

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neten Vorfluter io wirtschaftlich tragbarer Weise nicht angeschlossen werden können. Das Abwasser ist in diesem Falle unbedingt einwandfrei mechanisch zu klären, sonst verschlammt der Untergrund und kann kein Wasser mehr aufnehmen. Höchster und tiefster Grund wasserstand sowie die gesamte Dynamik des Grundwassers muß vor Erteilung der Bau­genehmigung gewissenhaft geprüft werden. Man wird aber im Sinne der Auffassung von A. S c h i n z e l „von der Versickerung nur in begründeten Fällen Gebrauch machen“ und nur dann, wenn alle Voraussetzungen er­füllt sind.

Die voluminösen Abwässer großer Zentralkrankenhäuser werden fast immer in eine Vorflut entlassen werden müssen. Das Ausmaß der voran­gehenden Reinigung des KH.-Abwassers hängt dann weitgehend von der Größe und Beschaffenheit des Vorfluters, d. h. von seiner Leistungsfähig­keit im Sinne der biologischen Selbstreinigung ab. Wird das KH.-Abw. in eine städtische Kanalisation eingeleitet, so bedarf es keiner eigenen Kläranlage. Unter der Voraussetzung einer gewissenhaften Handhabung der laufenden Desinfektion am Krankenbett erübrigt sich in solchen Fäl­len auch jede besondere Abwasserdesinfektion. Nach einer sehr klaren Formulierung von E. Na u ma n n erübrigt sich diese in besonders günstig gelagerten Fällen selbst für die Abwässer von Infektionsstationen dann, wenn „durch die städtischen Abwässer eine sehr weitgehende Verdünnung der infektiösen Abwässer gewährleistet ist, eine leistungsfähige Sammel- kläranlage vorhanden ist, ein Vorfluter mit genügendem Selbstreinigungs­vermögen zur Verfügung steht und sonstige örtliche Verhältnisse (Fluß- badeanlagen, Viehtränken usw.) dem nicht entgegenstehen“ .

Nun noch ein Wort zur hygienisch einwandfreien Beseitigung des Faulschlammes und Schwimmschlammes aus KH.-Kläranlagen. Der Schlamm enthält zumeist noch reichlich pathogene Mikroorganismen und Parasiten, die in ihm recht lange infektionstüchtig bleiben können. Wir müssen beim Faulschlamm unbeheizter Faulräume nach neueren Untersuchungen mit Uberlebenszeiten von Krankheitserregern bis zu mehreren Monaten, fast bis zu einem Jahr rechnen. Im Einzelfall hängt dies von verschiedenen Faktoren ab. Für eine hygienisch einwandfreie Lösung der Schlamm­behandlung von KH.-Kläranlagen bestehen zwei Möglichkeiten: 1

1. Die Heißkompostierung des Schlammes, wobei dieser mit Hausmüll oder Unkraut vermischt, dann etwa 1 m dick mit Erde bedeckt wird. Im Innern der Masse — aber auch nur dort! — entstehen Temperaturen bis zu 70 0 C, wodurch pathogene Keime, Viren und Parasiten abgetötet werden. Die Masse muß aber nach 4 bis 5 Mo­naten so umgeschaufelt werden, daß die Außenteile nun nach innen

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kommen, worauf die Kompostierung wiederholt wird. Erst nach etwa 1 bis 2 Jahrein und zwei- bis viermaliger Umkompostierung während dieser Zeit tritt völlige Verrottung ein.

2. Die Schlammdesinjektion, wobei der Schlamm in eigenen, wasser­undurchlässigen Becken mit Chlorkalk oder Caporit durchmengt wird und etwa 12 Stunden in. Kontakt bleibt. Man berechnet dabei 6 g Aktivchlor für 1 Liter Schlamm. Das Gemenge soll nach rund 12- stündigem Kontakt noch deutlich nach Chlor riechen, wird dann in flache Trockenbeete ausgebreitet und kann später — mit Siedlungs­schlamm vermischt — als Dünger verwertet werden. Dieses Ver­fahren erfordert weniger Transportmittel und Arbeitskräfte und ist nicht so infektionsgefährdend für das Arbeitspersonal wie die Heiß­kompostierung.

Welche Gesichtspunkte gelten nun für die Desinfektion des KH.- Abwassers? Die Frage ist bereits mehrmals gestreift worden und darf nun vielleicht folgendermaßen zusammenfassend beantwortet werden:

a) Allgemeine Krankenhäuser ohne größere Infektionsstationen können ihre gesammelten Abwässer ohne weitere Maßnahmen in die städtische Kanalisation einleiten oder über eine entsprechende Kläranlage in einen geeigneten Vorfluter oder in den Erdboden verbringen.

b) Selbst das Abwasser von Infektionsstationen mit ständigem Belag an ansteckend Kranken wird dann nicht besonders desinfiziert werden müssen, wenn die laufende Desinfektion der Ausscheidungen am Kranken­bett genau gehandhabt wird, wenn die Abwässer in einer zentralen, groß­kommunalen Kanalisationsanlage weitestgehend verdünnt werden und wenn dieses Stadtabwasser nach ausreichender Reinigung einem leistungsfähigen Vorfluter zugeführt wird und örtlich bedingte hygienische Bedenken nicht vorliegen.

c) Die Abwässer ausgesprochener Infektionskrankenhäuser, ebenso von Seuchen- und Quarantänelazaretten, Lungenheilstätten usw. sollten nach ihrer einwandfreien mechanisch-biologischen Reinigung immer einer Des­infektion unterzogen werden.

d) Hingegen wird man bei kleinen, nicht ständig belegten Infektions­stationen, Isolierabteilungen, Beobachtungsstationen usw. mit nur geringer Bettenzahl zweckmäßigerweise keine Abwasserdesinfektion vorsehen, weil eine solche Maßnahme einerseits zur laxen Handhabung der laufenden Desinfektion durch das Pflegepersonal verleitet, andererseits die Erfahrung gezeigt hat, daß solche nur sporadisch betriebene Abwasserdesinfektions- anlagen sehr bald nur mehr mangelhaft gewartet werden, technisch ver­

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fallen und im Bedarfsfälle unbrauchbar sind. A. S c h i n z e 1, der auf diese Fragen schon mehrfach hingewiesen hat, mußte sogar die Erfahrung machen, daß das feierlich eingesetzte Wartungspersonal längst andere Aufgaben übernommen hatte und mit der Bedienung der Chlorungs­apparatur gar nicht mehr vertraut war. Eine Abwasserdesinfektion wird sich aber überall dort einrichten lassen, wo ein Krankenhaus über eine vollbiologische Abwasserreinigungsanlage verfügt und für deren Betrieb einen einigermaßen geschulten Klärwärter beschäftigt.

e) Alle jene Krankenhäuser, Pflegeheime, Siechen- oder Altersheime, die als präsumptive Notspitäler, Seuchenlazarette usw. in Epidemiezeiten vorgesehen sind, sollten — ganz ohne Rücksicht auf Art und Beschaffen­heit ihrer normalen Abwasserbeseitigung — installationsmäßig die Mög­lichkeit einer Abwasserdesinfektion vorsehen, die dann im Notfall inner­halb weniger Stunden eingerichtet werden kann. Bei einem Notstand könnte sogar die Chlorung des Rohabwassers ins Auge gefaßt werden, wenn eine Reinigungsanlage nicht vorhanden ist.

W ie i s t nun d ie A b w a s s e r d e s i n f e k t i o n p r a k t i s c h d u r c h z u f ü h r e n ?

Von den vielen theoretisch möglichen Methoden hat sich in der Praxis nur das Chlorungsverfahren eingebürgert. Es kommt dabei die Anwendung von gasförmigem Chlor, von Hypochloritlauge oder von Chlordioxyd in Frage, die je nach den technischen Gegebenheiten im Endeffekt gleiches leisten. Feste Chlorpräparate können unter Umständen ebenfalls verwen­det werden, wobei dem Caporit und dem Chloramin der Vorzug vor dem allerdings sehr billigen technischen Chlorkalk gegeben werden muß, da letzterer sehr viel Kalkschlamm bildet, schlecht löslich ist und sein Gehalt an aktivem Chlor stark schwankt. Alle Chlorverbindungen er­füllen die kardinalen Anforderungen des Technikers und des Hygienikers an ein brauchbares Wasserdesinfektionsverfahren: sie liegen in handlicher Form vor, sind bequem dosierbar und lassen sich mit dem Abwasser in jedem Verhältnis mischen. Ihre Konzentration im Abwasser kann mit einfachen chemischen Reaktionen ermittelt werden. Chlor wirkt bei den praktisch gegebenen Temperaturverhältnissen innerhalb praktisch vertret­barer Kontaktzeiten verläßlich bakterizid und bewirkt in der dazu erfor­derlichen Konzentration im Abwasser keine wesentliche Geruchsbelästigung. Der geringe Chlorüberschuß, der mit dem Endablauf in den Vorfluter gelangt, ist durch die Verdünnung in demselben für dessen Biocoenosen praktisch ungiftig und verschwindet in kürzester Zeit außerdem voll­ständig durch Bindung an organische Substanzen im Wasser.

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108 M\ed. Dr. Koloman Megay:

Bei Berührung von Chlor mit Wasser stellen sich folgende Reaktionen eiin:

Cl2 H 20 = HCl -(- HOC1 (unterchlorige Säure):2HOC1 zerfallen weiter nach:

2HOC1 = 2 HCl -f 0 2:es entsteht also reichlich Salzsäure neben unterchloriger Säure und freiem Sauerstoff. Erwärmung verschiebt das Gleichgewicht; nach rechts, durch Belichtung wird der Zerfall der HOCl gefördert. In rein wässeriger Lösung wird demnach das Chlor quantitativ in Sauerstoff umgesetzt und dieser ist für die bleichende und desinfektorische Wirkung verantwortlich. Da die bakterizide Wirkung von Chlor durch Verschiebung des pH nach der sauren Seite gesteigert wird, ist die gleichzeitige Bildung von Salzsäure nur förderlich.

Bei den Alkalihypochloriten vollzieht sich die Reaktion nach dem Schema:

NaOCl + H20 f= HOCl + NaOH, 2 HOCl = 2 HCl + 0 2,NaOH + HCl = NaCl + H20

Chlorkalk (CaOCl2) zerfällt etwas komplizierter, zuerst nach:2 Ca . OCl2 = CaO 2 + Ca . (OCl)2

in Kalziumchlorid und in das Kalziumhypochlorit. Dieses kann in alkali­schem Milieu direkt in Kalziumchlorid und Sauerstoff zerfallen:

Ca. (OCl)2 = CaCl2 + 0 2während in saurer Lösung aus ihm Chlor in Freiheit gesetzt wird. Wenn in einem Wasser Kohlensäure gelöst vorhanden ist, so bildet sich aus Kalziumhypochlorit unterchlorige Säure nach dem Vorgang:

Ca . (OCl)2 -f- C02 -|- I I20 —= CaC03 -|- 2 HOCl und 2 HOCl = 2 HCl 4- 0 2

Natriumhypochlorit kommt als Bleichlauge in den Handel, Kaliumhypo­chlorit (KOC1) als Eau de Javelle, während Magnesiumhypochlorit als Magnocid im Handel erhältlich ist. Leider besteht bei allen diesen Prä­paraten zwischen dem errechneten Gehalt an aktivem Chlor und ihrem tatsächlichen, wirksamen Chlorgehalt eine erhebliche Differenz, die weit­gehend von der Reinheit — und damit vom Preis — des Präparates ab­hängt. Selbst ein sehr reines Präparat wie das CAPORIT, das reines Cal­ciumhypochlorit ist, und das bei einem Gesamtchlorgehalt von 49,7 °/o über berechnete 99,3 o/0 aktives Chlor verfügen müßte, weist als Handels- präparat nur rund 75 o/0 wirksames Chlor auf, steht damit allerdings weit an der Spitze.

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Krankenhausabwasser 109

Die geschilderten Reaktionen des Chlors treten in dieser Form aber mir in ganz reinen wässerigen Lösungen auf. Chlor neigt nämlich sehr stark zur Bildung von Chloradditions- und Chlorsubstitutionsprodukten in Gegen­wart von Stoffen — zumeist organischer Natur — wie sie in jedem Ab­wasser Vorkommen. In Gegenwart von Ammoniak, Ammonium-Ion und von abspaltbaren Aminogruppen organischer Verbindungen bildet sich ein System von Zwischenprodukten, vor allem Monochloramin (NH2C1), so­wie Dichloramin (NHC12) und Stickstofftrichlorid (NC13), wobei am Ende wieder unterchlorige Säure entstehen kann:NHC12 + HOH = NH2C1 + HOC1 und NH2C1 + HOH = NH3 + HOCl; Vorgänge dieser Art spielen bei der sogenannten Brechpunktchlorung eine wichtige Rolle, auf die noch kurz einzugehen sein wird.

Der ganze theoretisch wie praktisch sehr interessante Fragenkomplex wurde in jüngster Zeit durch B u t t e r f i e l d, L. Po p p , J. H o l l u t a und U. U n g e r sowie durch G. G a d und in umfassender Weise von K. H e i c k e n studiert, aus deren Versuchsergebnissen nur einige Tat­sachen herausgegriffen werden sollen.

Bei diesen Versuchen hat sich ergeben, daß steigende Alkalinität der Lösung die Keimtötungsgeschwindigkeit von reinem Chlor stärker herab - drückt, als jene von Qhloramin, daß sich aber die Werte im Endergebnis, d. h. am Ende der Beobachtungszeit weitgehend nähern. Sehr instruktiv sind auch die Feststellungen von J. H o l l u t a über das Verhalten der Keimtötungsgeschwindigkeit bei Verwendung von Chlordioxyd (C102). Nach seinen Versuchen steigt die Keimtötungsgeschwindigkeit hier mit dem pH gleichsinnig, so daß C102 auch in alkalischer Lösung einen starken bak­teriziden Effekt aufweist. Dabei wurden in schwach alkalischem Milieu bei 0,1 mg Cl02/Liter Abtötungszeiten von rund 10 Minuten, bei 0,3 mg C102/Liter solche von 1 bis 3 Minuten gefunden. L. P o p p hatte schon frühei* beobachtet, daß es nicht gleichgültig ist, ob das Chlorungsmittel dem bereits infizierten Wasser zugesetzt wird oder ob die Keimeinsaat in eine chlorhaltige Lösung erfolgt. In letzterem Falle verläuft die Kurve der Keimtötung wesentlich langsamer. Man wird wohl annehmen müssen, daß beim Hinzufügen von Chlor zu einer Keimaufschwemmung in den für den „primären Keimzahlsturz“ entscheidenden ersten Sekunden eine relativ größere Menge freien Chlors zur Verfügung steht, als dann, wenn die gleiche Keimmenge in eine Lösung gelangt, in der ein Teil des Chlors in Form von Spaltprodukten vox'liegt.

Diese Unterschiede treten z. B. praktisch in Erscheinung beim ver­schiedenen Mechanismus der Chlordesinfektion von Abwasser und jener von Schwimmbädern. Bei ersterer wird aktives Chlor dem keimhaltigen

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110 Mied. Dr. Koloman Megay:

Abwasser zugesetzt, bei. letzterer wird eine schwache Chlorlösung fort­laufend durch die Badegäste mit einer zunehmenden Zahl von Keimen beimpft. Auf die Begriffe der Chlorzehrung, des Chlorbedarfes, des Chlorbindungsvermögens und des Rest- oder Residualchlors kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden, bzw. können sie als bekannt vor­ausgesetzt werden. Es sei nur daran erinnert, daß ein Teil der chlor- zehrenden Substanzen das freie Chlor als Additions- oder als Substitu­tionsprodukt anlagert, während andere Stoffe den durch das Chlor in Freiheit gesetzten Sauerstoff zu ihrer Oxydation verbrauchen. Der Hygie­niker weiß aus Erfahrung, daß die Desinfektion eines Wassers oder Abwassers dann als gegeben gelten kann, wenn im Endablauf ein ge­wisser Chlorüberschuß im Form des Residualchlors vorliegt.

Zum Mechanismus der Brechpunktbildung hat K. H e i c k e n einen wertvollen experimentellen Beitrag geliefert, wobei er durch potentio- metriscihe Titration von Lösungen von Monomethylamin und Dimethylamin beweisen konnte, daß die primären und sekundären Amine bei Zufügung von freiem Chlor sofort unter Chloraminbildung reagieren. Im Zuge dieser Versuche konnten die Ergebnisse von G. G a d und M. M a n t h e y be­stätigt werden, wonach Chlor vor dem Brechpunkt als Chloramin, hinter dem Brechpunkt als unterchlorige Säure vorliegt. Letztere stellt die energiereichere Form dar, gegenüber den energieärmeren Chloraminen, was sich auch im zeitlichen Verlauf der Abtötungskurve ausdrückt, wäh­rend im bakteriziden Endeffekt, wie schon erwähnt, keine wesentlichen Unterschiede bestehen dürften. Das Wesen des Brechpunktes beruht nun auf folgendem Mechanismus:

Fügt man einem mit organischen Schmutzstoffen und Bakterien be­ladenen Abwasser, das immer auch Ammoniak, Amine und organische Aminogruppen enthält, freies Chlor, bzw. unterchlorige Säure zu, so wird das Chlor zumindest teilweise zur Bildung von Chloraminen verwendet. Da auch diese keimtötend wirken, kommt es zu einer deutlichen Abnahme de]* Keime im Abwasser durch die bakterizide Wirkung der Chloramine in statu nasoendi. Nach Ausschwingen der Dissoziations- und Hydrolysen­gleichgewichte wird das zugefügte Chlor in Form von Chloraminen vor­liegen. Nun ist für diese Chloramine ihre Unbeständigkeit gegenüber freiem Chlor charakteristisch. Setzt man dem Wasser daher weiter Chlor zu, so wird beim Auftreten eines Überschusses an freiem Chlor der Brech- punkt auftreten, als jener Zustand, bei dem die Chloramime zwar zer­fallen sind, aber noch kein Überschuß von unterchloriger Säure vor­handen ist. In diesem Zustande ist das System gegenüber den noch über­lebenden oder hinzugefügten Keimen inert, was sich in einem erheblichen Hinaufschnellen der Keimtötungszeiten bzw. in einer Ahn,ahme der Keim­

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Krankenhausabwasser 111

t ö tun gsgesch windigk ei t manifestiert. Erst wenn man nun weiter Chlor zufügt, kommt es wieder — unter dem Einfluß der nun frei vorliegenden! unterchlorigen Säure — zu neuerlicher Abnahme der Keimtötungszeiten und zu einer weiteren Abnahme der Keimzahl des Wassers.

K. H e i c k e n konnte auf Grund der weitgehenden Ähnlichkeit von Chlorzehrungskurvenscharen, aufgenommen mit vorgereinigtem Abwasser und mit einer gewaschenen Suspension von Tuberkelbakterien, ableiten, daß „die Affinität des Chlors zu den Tuberkelbakterien von derselben Größenordnung ist, wie zu den im Abwasser vorhandenen oxydierbaren Schmutzstoffen“.

Der Abwassertechniker hat also die Wahl, je nach dem Gehalt des Abwassers an Ammoniak, entweder vor dem Brechpunkt zu bleiben und die Desinfektion der Wirkung der Chloramine zu überlassen, oder mit Hilfe der Hochchlorung hinter dem Brechpunkt zu arbeiten, was bei reichlichem Ammoniakgehalt des Abwassers einen sehr hohen Chlorver­brauch bedeutet und dadurch wirtschaftlich kaum tragbar sein dürfte. In Übereinstimmung mit den Ergebnissen von G. G a d und M. M a n t h e y fand K. H e i c k e n, daß sich der Brechpunkt nach einer Chlorgabe von6,4 mg freiem Cl2 auf 1 mg Ammoniak einistellt. Man kann daher vor einer Entscheidung über die zu wählende Chlordosis bei einem Abwasser den Brechpunkt überschlägig ermitteln, indem man das Ammoniak im Abwasser bestimmt und den erhaltenen Wert mit 6,4 multipliziert. Bei dem so ermittelten Wert ergeben sich die Milligramm Chlor/Liter, bei denen — mit einer gewissen Streuung — der Brechpunkt liegt, der natür­lich eine, wenn auch schmale, Zone ist. So würde z. B. bei 10 mg Ammoniak/Liter Abwasser der Brech punkt bei einer Chlorzugabe von 64 mg Cl2/Liter zu liegen kommen; man wird also wegen der für eine Hochchlorung erforderlichen enormen Chlordosis keine andere Wahl ha­ben, als vor dem Brechpunkt zu arbeiten. Dabei muß ein gewisser Sicherheitsabstand von 10 bis 15 mg Cl2/Liter zum erreehneten Brech­punkt eingehalten werden.

Andererseits wird es bei einem Ammoniakgehalt des Abwassers unter 2 mg NHcj/Liter entsprechend einem Brechpunkt von 2x6, 4 = 12,8 mg Clg/Liter nicht recht möglich sein, vor dem Brechpunkt zu arbeiten, weil sich bei so niedrigen Chlorkonzentrationen praktisch untragbar lange Abtötungszeiten ergeben würden. Dies wird also meist bei den voll- biologisch gereinigten KH. -Abwässern der Fall sein, bei denen dann die Hochchlorung über den Brechpunkt hinaus indiziert ist, während die nur mechanisch gereinigten Abwässer oft einen so hohen Ammoniakgehalt aufweisen, daß man vor dem Brechpunkt bleiben wird.

Abschließend sei noch erwähnt, daß — wieder nach den Untersuchun­

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112 Med. Dr. Koloman Megay:

gen von He i c k e n — die Wirkung von freiem Chlor und Chloramin gegenüber Tuberkelbakterien im pH-Bereiche 6—8 praktisch gleich be­funden wurde und sich bei sLeigendem pH (über 9) das Chloramin als dem freien Chlor gegenüber deutlich überlegen erwiesen hat. Im Ab- tötungsversuch an Milzbrandsporen war der sporizide Effekt einer Chlor­aminlösung, die 5—10 mg Cb,/Liter äquivalent war, gleich dem einer Chlorlösung von 50 mg Cl2/Liter. Während bei den gramnegativen Stäb­chen und bei Kokken der bakterizide Effekt offenbar durch das Oxyda­tionspotential der betreffenden Chlorverbindung bestimmt wird, scheinen bei Tuberkelbazillen und Sporen die Permeabilitätsverhältnisse der Zell­wand für den Keimtötungseffekt ausschlaggebend zu sein.

Gleichgültig in welcher Form und nach welchem System die Desinfek­tion eines Krankenhausabwassers mit gasförmigem Chlor, mit Hypochlorit­lauge oder mit Chloramin oder auch einem Alkalihypochlorit vorgenom­men wird, sollte eine bestimmte Restchlormenge im Endablauf nach dem Chloreinwirkungsbecken gefordert werden. Man wird je nach Art der angeschlossenen Infektionsstationen dabei einen Restchlorgehalt von 0,25 bis 10,0 mg Clg/Liter, im Mittel 0,5 bis 5.0 mg CI bei mittlerem pH des Abwassers (6—8), bei einer Abwassertemperatur von 10—2 0 0 C und bei einer Einwirkungszeit des Chlors von 30—60 Minuten fordern müssen. Bei den Abwässern aus Lungenheilstätten wird man sich dabei zweck­mäßigerweise an die obere Grenze halten, da Tüberkelbakterien auch gegen Chlor erstaunlich resistent sein können.

Um diese Werte zu erreichen, wird man in grober Annäherung — nach Art einer Faustregel — zu mechanisch vorgeklärtem Abwasser rund 20 g Aktivchlor/m3, zu vollbiologisch gereinigtem Abwasser dagegen nur 10 g Aktivchlor/m3 zufügen müssen, während die nur als Notstandsmaß­nahme diskutable Desinfektion von ungeklärtem, rohem Fäkalabwasser etwa 30 g Aktivchlor/m3 erfordert. Kürzere Kontaktzeiten und tiefere Abwassertemperaturen machen eine Erhöhung der Chlordosis notwendig.

Jene Krankenhäuser, die bei ihrem Abwasser eine Chlordesinfektion durchführen, sollten sich von deren Funktionieren durch laufende, min­destens einmal tägliche Bestimmung des Restchlorgehaltes im Endablauf überzeugen und über diese Beobachtungen Buch führen. Wenn mif sehr niedrigen Residualchlorwerten gearbeitet werden muß — etwa mit Rück­sicht auf einen besonders empfindlichen oder Phenole führenden Vor­fluter — so kann der desinfektorische Effekt durch bakteriologische Keimzahlbestimmungen nachgeprüft werden, wobei der Probe vom End­ablauf ein Antichlorpräparat zuzufügen ist.

Zum Abschluß sei noch ausdrücklich betont, daß bei der Reinigung von KH.-Abw. niemals schematisiert werden darf und daß fast jedes

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Kranke nhau sa b was se r 113

Krankenhaus eine individuelle Lösung seiner Abwasserprobleme verlangt. Dies macht eine besonders intensive Zusammenarbeit zwischen dem letzt­lich verantwortlichen Hygieniker und dem Planungsingenieur erforderlich.

D I S K U S S I O N

B i e 1 i n gErgänzend zum Vortrag von Herrn Dr. M e g a y möchte ich bemerken, daß auch zwei Viruserkrankungen durch Wasser verbreitet werden können:1. Die Hepatitis epidemica, die sich, wie der Name sagt, hauptsächlich in der

Leber abspielt und zur Gelbsucht führt, und 2 die 'Poliomyelitis, die Kinderlähme.Bei beiden werden die Krankheitserreger vom Infizierten mit dem Darm aus­geschieden. Es sind aber nicht allein die Kranken, welche auf diese Weise die Krankheitserreger, die sich in ihrem Körper vermehrt haben, ausscheiden, sondern auch solche Menschen, die eich mit dem Krankheitsstoff angesteckt haben, die auch mehr oder minder krank geworden sind, aber ohne die aus­gesprochen charakteristischen Symptome der voll entwickelten Krankheit zu zeigen. Auch sie scheiden das Virus in großen Massen mit dem Darm aus. Der Kreis der Ausscheider ist also sehr groß, weit größer als die Zahl der Erkrankten und daher ist die Wahrscheinlichkeit, daß Abwasser solche Krank­heitserreger enthält, sehr groß.Ich möchte Ihnen nun an einem Beispiel zeigen, daß die Verbreitung des Virus durch Abwasser eine große Rolle spielt, besonders dann natürlich, wenn, von dem Abwasser — wenn auch nur kleine Mengen — in das Grundwasser gelangen, dem die Menschen ihr Trinkwasser entnehmen.

/60m /30m 80 63 k5m 0 50m

Lageplan der durch Abwasserversickerung betroffenen Wasserspender

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114 Med. Dr. Koloman Me gay:

Bezüglich der ansteckenden Gelbsucht möchte ich kurz folgende Beobachtung schildern: Durch den Sickerschacht einer mechanischen Kläranlage eines Wohn­gebäudes (Nr. 1) gelangte das Abwasser von etwa 80 'Personen in den Unter­grund. Schon einige Zeit vor Inbetriebnahme dieser Anlage waren sämtliche Hausbrunnen in der engeren Umgebung untersucht worden und es hatte sich gezeigt, daß das Wasser dort wohl vielfach nicht einwandfrei war, jedoch wiesen die Befunde nicht auf eine massive fäkale Infiltration hin. Nachdem die Anlage etwa ein halbes Jahr in Betrieb war, wurden die Brunnen neuer­lich untersucht und nun fiel auf, daß sich in zwei Brunnen (Nr. 3 und 4) das Wasser erheblich verschlechtert hatte; alle übrigen hingegen zeigten keine wesentlichen Veränderungen. Durch einen Färbeversuch wurde bewiesen, daß die fäkale Infiltration der beiden Brunnen (Nr. 3 und 4) durch die Abwasser­versickerung verursacht worden war. Außerdem zeigte der Färbeversuch, daß auch ein dritter, weiter abgelegener Brunnen (Nr. 6) durch diese Versickerung beeinflußt wurde. In zweien der Häuser (Nr. 4 und 6), deren Brunnen in dem verseuchten Grundwasser lagen, war nun eine Reihe von Erkrankungen an epidemischer Hepatitis, zum Teil auch mit starker Gelbsucht, aufgetreten. Im dritten Haus (Nr. 3) waren keine Erkrankungen zu verzeichnen; hier hatten die Hausbewohner das Wasser nicht getrunken, da es sehr bald unappetitlich geworden war. Auch sonst erkrankte in der Umgebung niemand an Gelbsucht. Diese Beobachtungen weisen darauf hin, welche schweren Gesundheitsschäden entstehen können, wenn versickernde Abwässer in den Grundwasserstrom ge­langen, der in der Umgebung durch Brunnen abgezapft wird, überall, wo mit solchen Konsequenzen zu rechnen ist, müßten also vor der Genehmigung geplanter Versickerungsanlagen entsprechende Untersuchungen durchgeführt werden.Dieser Hinweis scheint mir auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil, wie sich gezeigt hat, das krankmachende, infektionfähige Virus im Wasser, und zwar bei den verschiedensten Temperaturen, sehr lange infektionstüchtig bleibt; dies konnten wir bei orientierenden Versuchen über die Haltbarkeit von Virus im Wasser mit einem für Mäuse pathogenen 'Poliomyelitisstamm, der bei den Versuchstieren eine tödliche schwere Gehirn- und Rückenmarksentzündung hervorruft, feststellen. Wenn also die Möglichkeit besteht, daß in ein Abwasser ein solches Virus, beispielsweise das der gefürchteten Kinderlähme hineingelangt, muß damit gerechnet werden, daß auch dieses — weil es sich so sehr lange im Wasser hält — mit dem Wasser weiter verbreitet werden kann, ebenso wie das der epidemischen Gelbsucht.

N e m e c e k :Das Beispiel, das Herr Prof. B i e 1 i n g eben gebracht hat, ist sehr aufschluß­reich. Man muß sich fragen: Wie konnte man überhaupt in so geringer Ent­fernung vom Brunnen eine Versickerungsanlage gestatten? Die einzelnen Brun­nen haben entsprechend ihrer Einzugsparabel das Wasser aus dieser Richtung bezogen. Der Abstand zwischen Brunnen 3 und der Versickerungsstelle beträgt 45 m. Die Viren, von denen Prof. B i e 1 i n g gesprochen hat, konnten auf diesem Sickerweg nicht geschädigt oder absorbiert werden. Es muß bei jeder Versickerung festgestellt werden, welche Richtung der Abwasserstrom nimmt. In einer so geringen Entfernung grundwasserstromaufwärts eines Brunnens darf eine Versickerung nie durchgeführt werden. Bei Vorherrschen eines Ab­wasserstromes ist es sinnlos, von einem „Umkreis“ zu sprechen. Auf zeitweise Änderung der Abwasserstromrichtung ist hingegen besonders zu achten.

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Krankenhausabwasser 115

We be rBei diesen Untersuchungen sind uns Grundwasserstrommessungen Vorgelegen; allerdings stimmte die gemessene Grundwasserstromrichtung mit den von uns gefundenen Ergebnissen nicht überein.

N e m e c e kDie Brunnen liegen, wie wir hörten, in einer Entfernung von einigen Metern vom Fluß, wodurch das Abschwenken des Grundwasserstromes bei hoher Wasser­führung des Flusses geklärt ist.

S ä c k e lEs ist oft sehr schwierig, Grundwasserstromrichtungen einwandfrei festzu­stellen, da es eine Menge Störungsquellen gibt. Änderungen im Grundwasser­träger — Schwankungen im Grundwasserspiegel usf. — können z. B. Änderungen der Strömungsrichtung bewirken. Sind mehrere Brunnen in geringem Abstand angelegt, so kann eine stärkere Entnahme aus einem dieser Brunnen auch eine Beeinflussung des Grundwasserstromes mit sich bringen. Meine Behaup­tungen stützen sich auf eine Reihe großangelegter Versuche, welche im Raume Lenzing von uns durchgeführt wurden. Hier wurde der Versuch unternommen, die Grundwasserschwankungen in einem Gebiet von etwa 100 km2 zu kontrol­lieren — eine Arbeit, die auch hinsichtlich Grundwasserströmung interessante Aufschlüsse ergeben hat.

L i n d n e r :In Salzburg konnte auf Grund der Landesbauordnung erreicht werden, daß Abortabwässer in Siedlungen mit Einzelbrunnenversorgung nicht versickert werden dürfen; sie müssen in wasserdichten Gruben ohne Überlauf gesammelt werden, die nur durch Abfuhr entleert werden dürfen. Wenn wegen der Ge­samtabwassermenge Sickergruben notwendig sind, müssen die übrigen Haus­abwässer getrennt in eine solche abgeleitet werden, die keinen Überlauf von der Abortgrube haben darf. Wenn man nämlich Sickergruben ganz verbietet und die Abfuhr des gesamten Abwassers verlangt, wurde schon öfters beobach­tet, daß nach der Kommissionierung der Boden dter Senkgrube aufgehackt und auf diese Weise eine verbotene „Sickergrube41 daraus gemacht wurde. Freilich ist jede Abwasserversickerung bei Einzelbrunnenversorgung bedenklich. Solange nur Handpumpen für die Brunnen verwendet werden, geht es noch; wenn aber elektrische Pumpen zur Brunnenwasserförderung eingesetzt werden, wird durch die größere Wasserentnahme mit ihrem größeren Brunneneinzugsgebiet und die gleichzeitig steigende Abwassermenge jede Abwasserversickerung rasch untragbar. Man muß deshalb ab einer gewissen Siedlungsdichte die Einzel- brunnenversorgung untersagen, da dann eine Reinhaltung des Grundwassers praktisch unmöglich wird, wenn nicht eine tadellos funktionierende Kanalisa­tion vorhanden ist.

Br a unIch möchte in diesem Zusammenhang noch einmal darauf hinweisen, daß wir in der Gutachtentätigkeit als AmtssachveTständige die größten Schwierigkeiten haben, weil uns die gesetzlichen Handhaben dazu fehlen. In dem Moment, in dem wir von der einfachen Formel der Bauordnung der Landesgesetzc ab­gehen und das Einzugsgebiet eines Brunnens abgrenzen wollen, kommen sowohl die 'Parteien wie auch die Wasserrechtsbehörden und sagen: Im Gesetz steht, es muß der Mindestabstand von 8 m eingehalten werden und was darüber

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hinausgeht, ist durch nichts berechtigt, zu fordern. Dieses ganze hier bespro­chene Material muß endlich der Legislative zugeführt werden.

G r a b m a y rEs stimmt wohl, daß in manchen Bauordnungen ziffernmäßig der Abstand zwischen Brunnen und Sickergrube festgelegt ist. Die Frage des Schutzgebietes ist aber keine Frage der Bauordnung, sondern eine Frage des Wasserrechtes. Das Wasserrecht kennt diese ziffernmäßige Festlegung nicht.

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