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www.sozialismus.de Sozialismus 10/2010 25 Krise von Auto und Mobilität:   Transformation oder Katastrophe von Stephan Krull Verkehrspolitik ist Wirtschaftspolitik und Zukunftspolitik, sie garantiert das »Recht auf Mobilität« und sorgt für Mil- lionen Arbeitsplätze – damit begründen die Regierenden Milliarden an Subventi- onen, Landschaftszerstörung, Klimaver- giftung, politische und militärische Roh- stoffsicherung. Immer noch ist mit dem Auto eine Aura von Freiheit verbunden. Doch so wie bisher kann es nicht weitergehen. Die Automobilindustrie sucht ihr Heil in einer Ausweitung der Märkte in China und Indien sowie in Elektro-Autos für die »kritischen«, zah- lungskräftigen Käufer in den urbanen Zentren. Unbeantwortet bleiben Fragen nach Rohstoffen und Energie, nach der Verträglichkeit der Produktion und des Gebrauchs für Klima und Umwelt. Un- beantwortet bleiben Fragen nach Mobi- lität in der Fläche, nach einer anderen Mobilität in den Metropolen und Mega- citys, nach Vermeidung und Entschleu- nigung von Verkehr, nach Perspektiven für die Beschäftigten und die mono- strukturierten Regionen, die so genann- ten Auto-Cluster. Ziemlich dicke Bretter, die zu bohren sind, wenn die Konver- sion und Transformation von Auto und Mobilität auf die Tagesordnung gesetzt werden. 1 Das Jobwunder und das scheinbare  Ende der Krise Die Regierung erklärt das Ende der Krise: Die Auftragslage ist gut, die Pro- fite steigen, die Arbeitslosigkeit sinkt und die Auto- und Zulieferindustrie »kämpft mit Engpässen«, 2 Batterie- und Reifenhersteller kommen mit der Pro- duktion kaum hinterher. Die 2008 ge- schlossene Conti-Reifenproduktion in Hannover führt dazu, dass das Gummi rund um die Welt fliegt – was »natür- lich« als ein positiver Wirtschaftsindika- tor verbucht wird. Ausgeblendet wird, dass die IKB- Bank, die City-Bank, die Dresdner und die SEB-Bank verschwunden sind und die Postbank von der Deutschen Bank geschluckt wird. Zur Schuldentilgung der übrig gebliebenen größeren und mächtigeren Banken wurden aus dem »Rettungsfonds« 50 Mrd. E (ca. 2% des BSP) von den Banken in Anspruch ge- nommen. Hinzu kommen 142 Mrd. E für die verstaatlichte Hypo Real Estate; quasi eine Quersubventionierung von Deutscher Bank und Commerzbank, die ihre faulen Kredite bei der HRE depo- niert hatten. Insgesamt bisher 192 Mrd. (ca. 8% des BSP), auf EU-Ebene ca. 600 Mrd. E, die als Steuergelder eingesetzt Stephan Krull ist ehemaliger Betriebsrat bei VW Wolfsburg, Mitglied im Vorstand Rosa Luxemburg- Stiftung Niedersachsen. 1 Eine Reihe von Tagungen beschäftigt(e) sich aktuell mit diesem Thema u.a. die Heinrich-Böll- Stiftung am 3./4.9. in Lüneburg; die IG Metall am 21.9. in Hannover; die Hans-Böckler-Stiftung am 14./15.9 in Brüssel und am 23./24.9. in Stuttg- art; die Rosa-Luxemburg-Stiftung am 27./28.8. in Hannover sowie am 28.-30.10. in Stuttgart. 2 HAZ vom 17.9.2009 Karikatur: Econimist

Krise von Auto und Mobilität: Transformation oder Katastrophe · Sozialismus 10/2010 25 Krise von Auto und Mobilität: Transformation oder Katastrophe von Stephan Krull

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www.sozialismus.de Sozialismus10/2010    25

Krise von Auto und Mobilität:  Transformation oder Katastrophevon StephanKrull

VerkehrspolitikistWirtschaftspolitikundZukunftspolitik,siegarantiertdas»RechtaufMobilität«undsorgtfürMil-lionenArbeitsplätze–damitbegründendieRegierendenMilliardenanSubventi-onen,Landschaftszerstörung,Klimaver-giftung,politischeundmilitärischeRoh-stoffsicherung.ImmernochistmitdemAutoeineAuravonFreiheitverbunden.

Dochsowiebisherkannesnichtweitergehen.DieAutomobilindustriesuchtihrHeilineinerAusweitungderMärkteinChinaundIndiensowieinElektro-Autosfürdie»kritischen«,zah-lungskräftigenKäuferindenurbanenZentren.UnbeantwortetbleibenFragennachRohstoffenundEnergie,nachderVerträglichkeitderProduktionunddesGebrauchsfürKlimaundUmwelt.Un-beantwortetbleibenFragennachMobi-litätinderFläche,nacheineranderenMobilitätindenMetropolenundMega-citys,nachVermeidungundEntschleu-nigungvonVerkehr,nachPerspektivenfürdieBeschäftigtenunddiemono-

strukturiertenRegionen,diesogenann-tenAuto-Cluster.ZiemlichdickeBretter,diezubohrensind,wenndieKonver-sionundTransformationvonAutoundMobilitätaufdieTagesordnunggesetztwerden.1

Das Jobwunder und das scheinbare Ende der Krise

DieRegierungerklärtdasEndederKrise:DieAuftragslageistgut,diePro-fitesteigen,dieArbeitslosigkeitsinktunddieAuto-undZulieferindustrie»kämpftmitEngpässen«,2Batterie-undReifenherstellerkommenmitderPro-duktionkaumhinterher.Die2008ge-schlosseneConti-ReifenproduktioninHannoverführtdazu,dassdasGummirundumdieWeltfliegt–was»natür-lich«alseinpositiverWirtschaftsindika-torverbuchtwird.

Ausgeblendetwird,dassdieIKB-Bank,dieCity-Bank,dieDresdnerund

dieSEB-BankverschwundensindunddiePostbankvonderDeutschenBankgeschlucktwird.ZurSchuldentilgungderübriggebliebenengrößerenundmächtigerenBankenwurdenausdem»Rettungsfonds«50Mrd.E(ca.2%desBSP)vondenBankeninAnspruchge-nommen.Hinzukommen142Mrd.EfürdieverstaatlichteHypoRealEstate;quasieineQuersubventionierungvonDeutscherBankundCommerzbank,dieihrefaulenKreditebeiderHREdepo-nierthatten.Insgesamtbisher192Mrd.(ca.8%desBSP),aufEU-Ebeneca.600Mrd.E,diealsSteuergeldereingesetzt

Stephan KrullistehemaligerBetriebsratbeiVWWolfsburg,MitgliedimVorstandRosaLuxemburg-StiftungNiedersachsen.

1EineReihevonTagungenbeschäftigt(e)sichaktuellmitdiesemThemau.a.dieHeinrich-Böll-Stiftungam3./4.9.inLüneburg;dieIGMetallam21.9.inHannover;dieHans-Böckler-Stiftungam14./15.9inBrüsselundam23./24.9.inStuttg-art;dieRosa-Luxemburg-Stiftungam27./28.8.inHannoversowieam28.-30.10.inStuttgart.

2HAZvom17.9.2009

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wurden,um»dasSystem«zusichern.Undwasdas»Jobwunder«betrifft:

DieZahlderPersonenmitVollzeitar-beitsplatzsankinderletztenDekadeum10%oder2,5Mio.,währenddiegering-fügigeBeschäftigungum30%aufüber5Mio.wuchs;dasBruttoinlandsproduktstiegimgleichenZeitraumum7%,dieZahlderErwerbstätigen(Vollzeit,Teil-zeit,Minijobsetc.)nahmnurum3%zu.

Dasangebliche»Wirtschaftswunder«istnebengigantischenSubventionen,diejetztüberSozialabbaurefinanziertwerdensollen,vomExportinduziert,abgesichertmitExportkreditgarantienderBundesregierunginHöhevonmehrals22Mrd.E,diebeidernächstenKrisefälligwerden.DerExportüberschussderdeutschenAutoindustrieführtnichtnurzuprivatenundstaatlichenSchuldensowiezuArbeitslosigkeitinLändernwieGriechenland,Portugal,Spanien,Irland,sondernzuextremerAbhängigkeitbeieinemExportanteilvonüber70%(Ta-belle1).

VonJanuarbisAugust2010wur-denzwar17%mehrPKWinDeutsch-landproduziert,aber29%wenigerzu-gelassen,kompensiertdurchZuwächseinanderengroßenMärkten,voralleminChina(Tab.1).DerAbsatzinChinaundIndienbrummtwieimKrisenjahr2009,währenddieZuwächseineinigeneuro-päischenMärktenaufdenniedrigenZu-lassungszahlenimVorjahrberuhen.

ChinesischeWirtschaftsplanerwarnenbereitsvorÜberkapazitätenund»blin-denInvestitionen«.3InChinawurdenim

Jahr2009schon13,8Mio.Fahrzeugeproduziert,rund200.000mehr,alsimLandabgesetztwurden.DiehohenÜber-kapazitäten,diezurstrukturellenKrisegeführthabenunddurchdiestaatlichenSubventionensowiedurchmangelndeMitbestimmungundPlanung,durchdieVerweigerungderTransformationnichtgelöstsind,besteheninderWeltauto-mobilindustriefort(Tabelle2).

Esbleibengut20Mio.Produktions-einheitenalsÜberkapazitäten,diezuei-nerVerschärfungderKonkurrenzfüh-ren,wozudie»Kriegskassen«bereitsgefülltwerden(Tabelle3).

InderdeutschenAutomobil-undZu-lieferindustriewurdenrund50.000Ar-beitsplätzeindenStammbelegschaftenvonJuli2008bisFebruar2010abge-baut,beiGMsankdieBelegschafttrotz50Mrd.$Staatshilfeum11%,beiFordum7%.DieAbsatzeinbrüchewarengrö-ßeralsderPersonalabbau,wodurchdieProduktivitätsank.VerschärftwirddiesdurchArbeitszeitverlängerungbeiVW,Daimler,Opel,Delphi,Mahleundande-renUnternehmen.

DieWeltautomobilindustriebefindetsichineinemandauerndenUmbruch,dergekennzeichnetistdurchKonzentra-tionsprozesseunddasSchmiedenvonneuenAllianzen:n GMtrenntsichvonSaab,Isuzu,Su-

zukiundSubaru,n FordverabschiedetsichvonMazda,

Jaguar,VolvoundLandRover,n VolkswagensteigtbeiSuzukieinund

übernimmtPorsche,

n DaimlerbildeteineAllianzmitRenault/Nissan,

n FiatbeteiligtsichanChryslerundstößtseineLKW-undIndustrie-Sparteab.

WeiterverbleibenToyota,Hyundai,Honda,PSAPeugeot-Citroen,BMWundMitsubishibisaufweiteresalsselbstän-digeAutokonzerne;vervollständigtwirddasBilddurchneue»Mitspieler«ausChina(Geely)undIndien(Tata).Neu-eigentümerGeelywilldenVolvo-Ab-satzinChinamassivausweitendurchdenBauvondreiFahrzeug-WerkenundeinemMotorenwerk,eineVerdopplungderKapazitätvonVolvoundeineVer-zehnfachungdesAbsatzesinChina.DieserneuePlayerwillzweiMio.Fahr-zeugeproJahrherstellenundkommtdenPlänendereuropäischenAutoindus-triedamitmächtigindieQuere.

So geht’s nicht weiter!

DieandereSeitesinddieKlimafolgenunsererArtzuleben,zuproduzierenundunsfortzubewegen.Diejenigen,dieamwenigstendazubeitragen,leidenammeistenunterderKlimakrise–wiejetztMillionenMenschenimüberflutetenPa-kistan.AmBenzinpreiswirdsichtbar,dassErdölknapperwird–aberauchdiejüngstenHavarienimGolfvonMexikoführennichtzueinergesellschaftlichenKontrollederÖlkonzerne.KonflikteumdieSicherungvonRohstoffvorkommensindzwangsläufigbeidemfossilenEner-giemodell;jenseitsderWorthülsenvon»InnovationenalsRohstoffnachhaltigerMobilitätvonMorgen«4erklärenRegie-rungendiepolitischeundmilitärische»Rohstoffsicherung«zuihrenHauptauf-gaben.5UnabhängigvondenzurNeigegehendenRessourcenaddierensichPla-nungenderAutokonzerneaufeineKa-pazitätserhöhungum300%,deraktuelleBestandvon800Mio.Fahrzeugensollindennächsten15Jahrenauf2,5Mrd.steigen.DazuwerdenFabrikeninChina(VerdopplungderKapazitätaufüber30Mio.Fahrzeugebis2015),Indien,Russ-landunddenUSAgebaut–indenUSAwerdengleichzeitigältereFabrikenge-schlossenundanständigbezahlteBe-schäftigteentlassen.AberdieVerallge-meinerungdesMobilitätsmodellsder

Tabelle 1: ExportboomZulassungen Deutschland Frankreich England Spanien Europa China1-8/2010zu2009 -29% +2% +13,2% +21,9% -3,5% +41%

Tabelle 2: Globale Überkapazitäten in Mio. StückProduktion PKW LKW / Busse Summe Kapazität2007 58,9 12 71 ca.902008 55,4 11,6 67 ca.902009 53,4 10,6 64 ca.>902010 57,0 11 68 Über90Mio.

Quelle:VDA,ACEA,eigeneBerechnungen;2010Prognose–gerundeteZahlen

Tabelle 3: Konzernumsätze in Europa in Mio. EuroUmsatz Audi BMW Daimler VW Fiat Peugeot Renault2007 33.617 56.018 99.399 108.897 58.529 58.676 40.6822008 34.196 53.179 98.469 113.808 59.564 54.356 37.7912009 29.840 50.681 78.924 105.187 50.102 48.417 33.7121-62010 17.565 27.791 46.294 61.809 27.762 28.394 19.668Quelle:GeschäftsberichtederUnternehmen

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IndustrieländeristeineHorrorvision.DieTreibhausgasemissionenwerdendieKli-maerwärmungbeschleunigen.KriegeumÖl,neueKatastrophenbeiderÖlför-derungundbeimÖl-undGastransportunddurchdieKlimaerwärmungausge-löstesozialeKonfliktewerdendieFolgesein.

DetroitmutiertschonzurGeister-stadt,dieEinwohnerzahlhatsichauf700.000halbiert,40%davonlebeninArmut!InWesteuropahatderPro-zessmitFabrikschließungeninAntwer-pen,Vilvoorde,OsnabrückundanderenStädtenbegonnen.Produktivitätssteige-rungenindenFabriken,RekordgewinnefürdieAutokonzerne,wenigrosigeAus-sichtenfürdieBeschäftigtenunddieRegionen,indenendieAutoproduktioneinelangeTraditionhat.GMhatdieWendevomPleitekonzernzu»NewGM«demInsolvenzrechtderUSAzuverdan-ken.OhneUmständekonntenalteWerkegeschlossen,hoheSchuldenabgeschrie-benundKostenfürdieKranken-undRentenversicherungausgebuchtwer-den.DieOpel-BeschäftigteninEuropawerdenmitüber260Mio.EanderKa-pazitätsreduzierungdurchWerksschlie-ßunginAntwerpenundderVernich-tungvon10.000ArbeitsplätzeandenübrigenStandortenbeteiligt.InWolfs-burg,derweltweitgrößtenAutofabrikuntereinemDach,wurden»dieKos-tenproFahrzeugseit2006umeinDrit-telgesenktbeigleichzeitigerHöchstaus-

lastung«6durchArbeitszeitverlängerung,LohnminderungundPersonalreduzie-rungimdirektenBereichvon18.900auf17.900Beschäftigte.7EsgreifenwiederdiegleichenMechanismen,diezurKrisegeführthaben.

Alternativen denken – Kultur und Lebensweise diskutieren

HöchsteZeitalso,im»MutterlanddesAutomobils«8dieDebatteüberdieKrisevonAutoundMobilität,überunsereKulturundLebensweise,überAlterna-tivenundUtopien,überregionaleEnt-wicklungundDemokratie,überglobaleGerechtigkeitzuführen.AmBeginnder»KonferenzzurTransformationgesell-schaftlicherVerkehrsverhältnisse–AutoundMobilitätinderKrise«9standenwi-dersprüchlicheEindrücke,amEndevielÜbereinstimmungundderWillevonAktivenausBetrieben,Umwelt-undKlimaprojektensowieVerkehrsinitiati-ven,dieDiskussiongemeinsamfortzu-setzen,umdieTransformationunddenüberfälligenUmbauderAutomobilin-dustrieanzustoßen.DabeigehteswederumArbeitnochumProduktionansich,sondernumGuteArbeitundsinnvolle,nachhaltigeProdukte.ZeitreichtumundZeitsouveränitätsindinKombinationmiteinersozialenGrundsicherungVor-aussetzungundMöglichkeiteinerLe-bensführungneuerArt:weniger(Kon-

sum)vondem,wasunsnichtglücklich,sondernkrankmacht,stattdessenmehrZeitfüruns.

DieWSI-Mitteilungen10schreiben,dassdieGewerkschaftenwiedieBe-schäftigtenbezogenaufDeutsch-landvergleichsweiseglimpflichdurchdieKrisegekommenseien.Diesbestä-tigtFredericSpeidelvonderWolfs-burgerIGMetall,derberichtet,dassindenFabrikenlängstwiederÜberstun-denundWochenendsonderschichtengeleistetwerden(müssen).Gleichzei-tigseiklar,dassdieBranchesichineinem»dauerhaftenUmbruch«befin-det.DiestrukturelleKrise,dieNeu-ordnungderAuto-undZulieferindus-trie,istnichtabgeschlossen,solangedieKapazitätennichtdemMarktange-passtsind,solangediepolitischeÖko-nomie,dieVerhältnissezwischenStaatundWirtschaftnichtdenveränderten

32010

AUTO MOBIL KRISE Kapital-Strategien | Mobilität und GeschlechtKritik des E-Autos | Sozialökologische Konversion | Ernährungs-souveränität vs. Agrotreibstoff | Care Revolution

MIT BEITRägEn vOn Magdalena Bernaciak u. Vera Šcepanovic Stephan Kaufmann | Sabine Leidig | Oliver Pye | Bernd Röttger Hilary Wainwright | Winfried Wolf | Eric Mann | Rainer Rilling | Ulla Lötzer | Gabriele Winker | Raúl Zibechi und andere

KOnfEREnz www.auto-mobil-krise.de

September 2010, 160 Seiten, VSA: Verlag10,– Euro; Jahres-Abo 30,– Euro (4 Hefte), Ausland 40,– Euro , ermäßigt 20,– Euro

Herausgegeben von der Rosa-Luxemburg-Stiftung,Franz-Mehring-Platz 1, 10243 BerlinRedaktion: [email protected], Bestellung: www.zeitschrift-luxemburg.de, VSA: Verlag: Tel +49 (0)40 28 09 52 77-40, Fax -50, [email protected]

3ChenBinvonder»Reform-undEntwicklungs-kommission«NDRClaut»Welt«vom6.9.2010.

4VDAJahresbericht2010.5»PeakOil–sicherheitspolitischeImplikationen

knapperRessourcen«vomZentrumfürTransfor-mationderBundeswehr,Strausberg,Juli2010.

6BetriebsratsvorsitzenderBerndOsterlohaufderBetriebsversammlungam8.9.2010.

7BeschäftigteimdirektenBereichvonVWWolfsburgeinschließlichAuto5000.

8VDA-Jahresbericht2010.9KonferenzderRosa-Luxemburg-Stiftungin

Hannoveram27./28.8.2010mitGruppenvonat-tac,NetzwerkAuto,TIEGlobal,Redaktionexpress,RedaktionRadioFlora,Bahnvonuntenundwei-terenInitiativen(sieheauchdieBeilagezudie-semHeft).

10WSIMitteilungen9/2010.

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28    Sozialismus10/2010 www.sozialismus.de

Machtverhältnissenangepasstsind,ge-mäßderBeschreibungvonMarxundEngels:»DieBourgeoisiekannnichtexistieren,ohnedieProduktionsinstru-mente,alsodieProduktionsverhältnisse,alsosämtlichegesellschaftlichenVer-hältnissefortwährendzurevolutionie-ren.«11SolcheProzesse,indenenMen-schenbewegtwerdenwieFigurenaufdemSchachbrett,führenzusozialenÄngstenundgesellschaftlichenVerwer-fungen.Betriebsräteundgewerkschaft-licheVertrauensleuteberichten,dassEntlassungenundWerksschließungen(Karmann&Opel)einhergehenmitun-geheurerLeistungsverdichtung,Lohn-undSozialabbau(Daimler,Volkswagen,BMW,Opel).DaszugunstenderUn-ternehmenverschobeneKräfteverhält-nishatsichinderKrisenichtverbessert.ObwohlGewerkschaftenundBetriebs-rätevielgeleistethabenzurVermeidungvonEntlassungen,sindgewerkschaft-licheHandlungsspielräumegeringerge-worden.InsbesonderewegenderFle-xibilisierungundDezentralisierungderArbeitszeit12gewanndiestrategischeHerausforderung,betrieblicheVeranke-rungzuverteidigen,zuvertiefenundzuverbreitern,anBedeutung.Zudenwei-terreichendenStrategiengehörenne-beneinemAusbaudesöffentlichenNah-undFernverkehrs,einerVergesell-schaftungunddemokratischenKontrollediesesSchlüsselbereichsderkapitalisti-schenÖkonomieaucheineradikaleAr-beitszeitverkürzung.AlleszusammensollaufeinenUmbaudieserIndustriehinauslaufen–dernuralsgesamtgesell-schaftlicheAufgabeangegangenwerdenkann,weshalbgroßeTeilederGesell-schaftkonkretindieseDebatteeinzube-ziehensind.

DabeigibtesFortschritte,wiederjüngsteBeschlussderInternationalenTransportarbeiterföderationITFzeigt.Einstimmig13wurdeaufdemITF-Kon-gressAnfangAugust2010inMexikoCityeineResolutionbeschlossen,14inderesu.a.heißt:»DerAnstiegderEmis-sionendesTransportsektorsistdasRe-sultateinesSystems,dasaufExpansionvonHandelundWirtschaft,just-in-time-FertigungunddieKonkurrenz-zieledermultinationalenKonzerneaus-gerichtetist…DerITFentwickelteinenachhaltigealternativeTransportpolitik,

…dieanerkennt,dassdasZielderEmis-sionsreduktiongrundlegendeVerände-rungenimgegenwärtigenSystemderglobalisiertenWirtschaftsordnung…er-forderlichmacht.…DerITFbestehtaufderhistorischenVerantwortungderent-wickeltenLänderfürdieKlimakrise.DiesemüssendiesichentwickelndenLänderbeimÜbergangzueinernach-haltigenWirtschaftsentwicklungdurchTransformationsfonds,nationaleKon-trolleüberdienatürlichenRessourcenundeinenfreienTechnologietransferunterstützen.«

DamitdieserBeschlusspraktischeGe-werkschaftspolitikwird,istvielharteArbeitundDiskussionerforderlich–auchindenGewerkschaften,indenendieBeschäftigtenderAutomobil-undZulieferindustrieorganisiertsind.Daswurdedeutlichbeim»EuropäischenGe-spräch«vonHans-Böckler-Stiftung,DGBundEuropäischemGewerkschaftsinsti-tutam14./15.SeptemberinBrüssel.InderDiskussionüberdiesozialeGestal-tungdesökologischenWandelswurdenichtüberalternativeVerkehrskonzeptegesprochen;stattdessenkonnteeinVer-treterdesVerbandesderAutomobilzu-liefererunwidersprochenmehrSubven-tionenfürdie(Auto-)Industriefordern,diesonstnachChinaabwandernwürde.DieseStandortkonkurrenzwurdeflan-kiertvonGewerkschafternundBetriebs-räten,dieerzählten,deutscheKohleseigrünerunddeutscherStahlseisozialeralsdiejeweiligenProdukteausChina.

EinealternativeVerkehrspolitikistVoraussetzungfürdieTransformationderAutomobilindustrie.Sieistgesell-schaftlichdurchsetzbar,wennsieüber-zeugendausgearbeitetwird.Daszeigen,wieWinfriedWolfaufderRLS-Konfe-renzinHannoverdarlegte,bereitsheuteTeilaspektedieserAlternative:Mehrals75%derBRD-BevölkerungwolleneineBahninöffentlichemEigentum,derBörsengangderBahnwurdebisherer-folgreichverhindertunddieProtesteinStuttgartgegeneingrößenwahnsinnigesVerkehrsprojektreißennichtab.Mehrals50%derHaushaltebesitzenkeinAuto.DieForderungnacheinemallge-meinenTempolimitwirdvoneinerkla-renMehrheitunterstützt.NurdieAu-tolobbyverhindertseitJahrzehntendieDurchsetzungdiesesMehrheitswillens

undwirddabeivonwilligenPolitikernunterstützt.

TatsächlichhabendieUngleichzei-tigkeitderKriseunddieTatsache,dasssieanverschiedenenOrtenzuverschie-denenZeitenunterschiedlicheWir-kungenhat,einemeigentlichnötigenWiderstandentgegengewirkt.Dane-bensindesfehlendeKlarheitundOrien-tierungseitensdergewerkschaftlichenundpolitischenLinkenindiesengrund-legendenFragen,diezufatalistischemVerhaltenführen.Deshalbistesnotwen-dig,dieDebatteüberPerspektivenderTransformationdergesellschaftlichenVerkehrsverhältnissezuintensivieren,ThemenzubearbeitenwieneueInitia-tivenderMitbestimmungundgesell-schaftlicherKontrolle,15sowiediefaireTeilungderArbeit.

Allerdings:DieanhaltendeKrise,derdauerhafteUmbruchunddieNotwen-digkeiteinergrundlegendenTransfor-mationbildennichtnureingroßesPro-blembündel,sondernlösenauchvieleÄngstebeidenBeschäftigten,ihrenFa-milienundindenRegionenaus.Dage-genhilftgewerkschaftlicheKampfkraft,diedirektepolitischeAktionverbin-detmitSolidaritätundüberzeugendenArgumenten.Esgiltaufzuzeigen,wasdurchKonversiongewonnenwerdenkann:eineReduzierungderkrankma-chendenGeschwindigkeitvonArbeit,VerkehrundLeben,eineEntrümpelungunserestäglichenÜberlebenskampfes,dasAnhaltendesHamsterrades,dieBe-freiungvonunnötigemBallastundaufjedenFallmehrZeitzumLeben,LiebenundLachen.MassenhafteProtestegegendasVerkehrsprojektStuttgart21unddasstarrsinnigeFesthaltenderBefürwor-terandiesemunsinnigenProjektsindAusdruckneuendemokratischenEnga-gementseinerseits,vonpostdemokra-tischenVerhältnissenandererseits,gegendiedasWiderstandsrechtnachArtikel20GrundgesetzGültigkeiterlangt.

11»DasKommunistischeManifest«,Hamburg1999.

12SteffenLehndorffinSozialismus9/2010:RenaissancederArbeitszeitverkürzung.

13MitgliedsgewerkschaftenausDeutschlandsindver.diundTransnet.

14»RespondingtoClimateChange«,42.ITF-Kongress,5.-12.8.2010inMexicoD.F.zitiertnachLunapark21,11/2010,S52.

15SiehedenBeitragvonMeine/StoffregenzuWirtschaftsdemokratieinSozialismus7-8/2010.