2
Foto: Uniklink Köln QUERGEDACHT 56 HCM 7. Jg. Ausgabe 9/2016 „Mein Tondo ist die abstrakte Darstellung einer Baumrinde. Der Baum ist und war schon seit jeher immer ein Zeichen der Fruchtbarkeit, der Unendlichkeit, der Ver- gänglichkeit und des Lebens sowie der Erkenntnis. Er dient sowohl als Ruhepol sowie als Verbindung zwischen Himmel und Erde. Die Rinde ist die Haut des Bau- mes, sie ist stark und fest und schützt den Baum. Für mich stellt die Rinde etwas Prachtvolles und Unzerstörbares dar. Sie wirkt tot, doch erneuert sie sich stetig und ist wie ein Panzer. Ihre Farbvielfalt bleibt vielen Menschen stets unsichtbar, dabei ist sie allgegenwärtig und ein Zeichen des Lebens und des Wandels um uns herum, welches ich auch in der Uniklinik für alle Menschen sichtbar machen wollte“, er- klärt Michaela Krystof, Lehramtstudentin der Fächer Geschichte, katholische Religi- onslehre und Kunst fürs Gymnasium. Sie ist eine der insgesamt 23 Künstler, die an dem bisher einzigartigen Kunstprojekt an der Uniklinik Köln, realisiert gemeinsam mit dem Institut für Kunst und Kunstthe- orie an der Universität zu Köln, mitgear- beitet haben. „Painted Dreams & Abstract Greens“, gemalte Träume und abstraktes Grünzeug, so heißt es. Damit verabschie- dete sich die Uniklinik von den tristen, kalten, weißen Wänden des langen Gan- ges im Untergeschoss, der das Betten- haus mit der Strahlentherapie verbindet. Hier werden Tag für Tag zahlreiche schwerstkranke Patienten von den Kran- kenhausmitarbeitern zu ihrer Behandlung gefahren. Bisher spendete das Ambiente dort kaum Trost, es wirkte beinahe leblos. Doch das ist nun vorbei, der Gang ist trotz des Krankenhauscharakters zu einer Oase für Augen und Gedanken geworden. An- stoß dazu gab der Einfall einer Mitarbeite- rin der Uniklinik, Birgit Metzen. Sie mel- dete sich im Rahmen des Ideenmanage- ments bei Cosima Jakubzig mit ihrem Vorschlag, den langen Gang im Unterge- schoss farblich zu gestalten. Dass an der Uniklinik Köln das Ideenmanagement ernst genommen und die Umsetzung der Ideen der Mitarbeiter aktiv angegangen wird, zeigt die Realisierung des Beitrages von Metzen. „Sie war der Grundstein für ein einzigartiges gemeinsames Kunstpro- jekt der Uniklinik Köln mit dem Institut für Kunst und Kunsttheorie der Universität zu Köln“, sagt Günter Zwilling, kaufmän- nischer Direktor der Uniklinik Köln. Er war es, der letztendlich auch die Finanzierung des Projektes möglich gemacht hat – BILDERGALERIE Tauchen Sie selbst ein in die Welt der Utopien Auf www.hcm-magazin.de finden Sie eine Bildergalerie mit den beeindruckenden Tondi an den Gangwänden der Uniklinik Köln inklusive persönlicher Erläuterungen der Künstler. KUNSTPROJEKT AM UNIVERSITÄTSKLINIK KÖLN Auf Wiedersehen Tristesse! 70 m voller Träume, Phantasien, Erinnerungen und Sehnsüchte begleiten die Patienten der Uniklinik Köln auf ihrem Weg zur Strahlentherapie. 70 m auf denen sie eintauchen können in die phantasievolle Welt der Utopien. 23 Tondi laden ein zum Gedanken schweifen lassen und Abschalten – ganz im Sinne einer menschlichen Medizin.

KUNSTPROJEKT AM UNIVERSITÄTSKLINIK KÖLN Auf …€¦ · Jensen mit. Für das Aufbringen der Tondi an die Gangwände hatten die Studenten am Ende nur zwei Wochen und das bei laufendem

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: KUNSTPROJEKT AM UNIVERSITÄTSKLINIK KÖLN Auf …€¦ · Jensen mit. Für das Aufbringen der Tondi an die Gangwände hatten die Studenten am Ende nur zwei Wochen und das bei laufendem

Foto

: Uni

klin

k Kö

ln

QUERGEDACHT56

HCM 7. Jg. Ausgabe 9/2016

„Mein Tondo ist die abstrakte Darstellung einer Baumrinde. Der Baum ist und war schon seit jeher immer ein Zeichen der Fruchtbarkeit, der Unendlichkeit, der Ver-gänglichkeit und des Lebens sowie der Erkenntnis. Er dient sowohl als Ruhepol sowie als Verbindung zwischen Himmel und Erde. Die Rinde ist die Haut des Bau-mes, sie ist stark und fest und schützt den Baum. Für mich stellt die Rinde etwas Prachtvolles und Unzerstörbares dar. Sie wirkt tot, doch erneuert sie sich stetig und ist wie ein Panzer. Ihre Farbvielfalt bleibt vielen Menschen stets unsichtbar, dabei ist sie allgegenwärtig und ein Zeichen des Lebens und des Wandels um uns herum, welches ich auch in der Uniklinik für alle Menschen sichtbar machen wollte“, er-klärt Michaela Krystof, Lehramtstudentin der Fächer Geschichte, katholische Religi-onslehre und Kunst fürs Gymnasium. Sie ist eine der insgesamt 23 Künstler, die an dem bisher einzigartigen Kunstprojekt an

der Uniklinik Köln, realisiert gemeinsam mit dem Institut für Kunst und Kunstthe-orie an der Universität zu Köln, mitgear-beitet haben. „Painted Dreams & Abstract Greens“, gemalte Träume und abstraktes Grünzeug, so heißt es. Damit verabschie-dete sich die Uniklinik von den tristen, kalten, weißen Wänden des langen Gan-ges im Untergeschoss, der das Betten-haus mit der Strahlentherapie verbindet. Hier werden Tag für Tag zahlreiche schwerstkranke Patienten von den Kran-kenhausmitarbeitern zu ihrer Behandlung

gefahren. Bisher spendete das Ambiente dort kaum Trost, es wirkte beinahe leblos. Doch das ist nun vorbei, der Gang ist trotz des Krankenhauscharakters zu einer Oase für Augen und Gedanken geworden. An-stoß dazu gab der Einfall einer Mitarbeite-rin der Uniklinik, Birgit Metzen. Sie mel-dete sich im Rahmen des Ideenmanage-ments bei Cosima Jakubzig mit ihrem Vorschlag, den langen Gang im Unterge-schoss farblich zu gestalten. Dass an der Uniklinik Köln das Ideenmanagement ernst genommen und die Umsetzung der Ideen der Mitarbeiter aktiv angegangen wird, zeigt die Realisierung des Beitrages von Metzen. „Sie war der Grundstein für ein einzigartiges gemeinsames Kunstpro-jekt der Uniklinik Köln mit dem Institut für Kunst und Kunsttheorie der Universität zu Köln“, sagt Günter Zwilling, kaufmän-nischer Direktor der Uniklinik Köln. Er war es, der letztendlich auch die Finanzierung des Projektes möglich gemacht hat –

BILDERGALERIE

Tauchen Sie selbst ein in die Welt der Utopien

Auf www.hcm-magazin.de finden Sie eine Bildergalerie mit den beeindruckenden Tondi an den Gangwänden der Uniklinik Köln inklusive persönlicher Erläuterungen der Künstler.

KUNSTPROJEKT AM UNIVERSITÄTSKLINIK KÖLN

Auf Wiedersehen Tristesse!70 m voller Träume, Phantasien, Erinnerungen und Sehnsüchte begleiten die Patienten der Uniklinik Köln auf ihrem Weg zur Strahlentherapie. 70 m auf denen sie eintauchen können in die phantasievolle Welt der Utopien. 23 Tondi laden ein zum Gedanken schweifen lassen und Abschalten – ganz im Sinne einer menschlichen Medizin.

Page 2: KUNSTPROJEKT AM UNIVERSITÄTSKLINIK KÖLN Auf …€¦ · Jensen mit. Für das Aufbringen der Tondi an die Gangwände hatten die Studenten am Ende nur zwei Wochen und das bei laufendem

QUERGEDACHT 57

HCM 7. Jg. Ausgabe 9/2016

Foto

s: U

nikl

ink

Köln

Bei der Planung der Wandmalereien. Gemalt wurde während des Klinikbetriebes. Zur Fertigstellung blieben nur zwei Wochen.

HINTERGRÜNDE

Blog zum Projekt

Das Institut für Kunst und Kunsttheorie hat einen Blog eingerichtet, auf dem es sämtliche Informationen über das Wand-malerei-Projekt gibt. Dort finden Sie De-tails über das Team, die Arbeiten, Mate-rialien und die Entwicklung. http://blog.hf.uni-koeln.de/uniklinik-projekt/

„Sponsoren konnten wir leider nicht fin-den“, erklärt Vera Lux, Pflegedirektorin der Einrichtung und begeisterte Unter-stützerin dieser künstlerischen Arbeit. Insgesamt wurden dafür rund 25.000 Euro fällig – Geld für die Materialien, die Far-ben, die Grundierung der Wände, das Pro-jektbooklet und ein Anerkennungshono-rar für die teilnehmenden Studenten so-wie das Honorar für die Mitarbeit der Künstlerin Birgit Jensen.

Die Konzeption für die Wandgestal-tung entwickelten Gesine Kikol, Künstle-rin und Mitarbeiterin von Prof. Silke Le-verkühne vom Institut für Kunst & Kunst-theorie der Universität Köln, Leverkühne und Jensen mit den Studenten. „Schnell war klar, dass sie schön, heiter und opti-mistisch wirken sollte und so näherten wir uns inhaltlich den Themen Paradies und Utopie“, erklärt Kikol. Daher auch das übergeordnete Ziel, Tondi (Rundbilder) zu schaffen, in denen Motive von Utopie, Pa-radies, der Schönheit von Arkadien und Träumen aufgegriffen werden.

ZUM NACHDENKEN ANREGEN UND EMOTIONEN ERZEUGEN„Dafür mussten sich die Studenten mit der Utopie in der Kunstgeschichte ausein-andersetzen und sich erarbeiten, was Uto-pie im Kontext der Medizin, der Religion und der Philosophie bedeutet“, erklärt Kikol. Man wollte „eine gute inhaltliche Basis“ schaffen mit meditativen Inhalten, die Geschichten von Menschen und Tie-ren erzählen, Emotionen wie Sehnsucht hervorrufen, aber auch dabei helfen, zur Ruhe zu kommen. Dafür war es wichtig, dass sich die der Medizin fachfremden

Lehramtstudenten mit Mitarbeitern der Uniklinik darüber austauschen, welche Motive bei Patienten eine positive Konno-tation auslösen. „Es war extrem wichtig für uns, dass die Patienten nicht erschre-cken vor dem, was sie sehen, oder vor dem, was sie in das Bild auf den ersten Blick hineininterpretieren“, erklärt Lux. Welche Themen sind hier wichtig, worauf kommt es an, was beschäftigt die Men-schen im Krankenhaus? Alles Fragen, mit denen sich die Künstler auseinanderset-zen mussten. Ein besonderer Lerneffekt für die angehenden Lehrer entstand da-durch, „dass sie mit ihrem Werk Verant-wortung für das, was sie geschaffen ha-ben, übernehmen mussten“, erklärt Lever-kühne.

Eine große Herausforderung dabei war für Studenten, Künstler und Kranken-hausmitarbeiter das Aufeinanderprallen verschiedener Akteure, vom Künstler bis hin zum Facility Management der Unikli-nik, das dafür gesorgt hat, dass die Rah-menbedingungen und Ausstattung vor Ort perfekt waren. Aber genau das war es laut Leverkühne auch, was das Projekt für alle Beteiligten so wertvoll gemacht hat.

DIE KUNST ZEIGT IHRE WIRKUNG: ABLENKUNG Insgesamt dauerte die Realisierung drei Semester und wurde von drei Seminaren begleitet, dabei wirkte auch Künstlerin Jensen mit. Für das Aufbringen der Tondi an die Gangwände hatten die Studenten am Ende nur zwei Wochen und das bei laufendem Klinikbetrieb. Die Patienten haben es genossen, zu sehen, wie sich die Bilder entwickeln. „Eine Patientin hat sich

bewusst jeden Tag vorbeischieben lassen, damit sie beobachten kann wie die Kunst-werke entstehen“, erinnert sich Leverküh-ne. „Eine andere Patientin hat sogar bei uns angerufen und gefragt, ob beim Bild des jungen Mädchens, das auf eine Insel blickt, nicht die Farbe an den Beinen fehle. Das ist natürlich Absicht und Teil des Bil-des, aber es zeigt, dass die Bilder ihre Wir-kung auf die Patienten haben und diese sich damit auseinandersetzen“, meint Lux (Kunstwerk siehe Bildergalerie online).

Sowohl für die Mitarbeiter der Uniklinik, aber in erste Linie für deren Pa-tienten, ist so ein Raum entstanden, des-sen unpersönliche Sterilität gegen ein freundliches, inspirierendes Ambiente eingetauscht wurde. „Die vielen schwer-kranken Menschen, die im Krankenhaus kaum Möglichkeiten zur Abwechslung finden, haben dort die Chance, in Traum-welten einzutauchen und Kraft zu tanken – wenn sie sich auf die Bilder einlassen“, erklärt Lux, „Medizin soll menschlich sein, aber es ist nicht einfach, diese Mensch-lichkeit in ein so großes Haus zu transpor-tieren. Doch mit diesem Projekt gelingt es ein Stück weit.“ Bianca Flachenecker