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KURS 2 – LOGIK Kurs 2 – Alles logisch? Mit Mathematik und Phi- losophie dem Denken auf der Spur Einleitung Shathya Theivendrarajah Haben Sie sich schon einmal überlegt, was wahr und was falsch ist? Was ist eigentlich Wahrheit? Haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, dass alles was wir wahrnehmen nur eine Täuschung sein könnte? Wie gelangt man eigentlich zu Erkenntnis? Mit Fragen wie diesen haben wir uns im Lo- gikkurs beschäftigt und mit Hilfe von philo- sophischen und mathematischen Ansätzen die Logik näher beleuchtet. Doch was ist Logik eigentlich? Das Wort Logik (griechisch: Logos – „Kunst des Denkens“) bezeichnet die Wis- senschaft des folgerichtigen Denkens. Als Be- gründer der Logik gilt der aus Griechenland stammende Philosoph Aristoteles, der ein Schü- ler Platons war. Weitere berühmte Philosophen und Logiker, mit denen wir uns im Kurs nä- her beschäftigt haben, waren René Descartes, Leonard Euler, Immanuel Kant, Ludwig Witt- genstein und Kurt Gödel. In unserem Kurs haben wir einerseits über philosophische Fragen diskutiert und versucht, Antworten darauf zu finden, andererseits ha- ben wir uns auf mathematische Weise mit der Logik befasst. Hier war unser Ziel, zu beweisen, dass alle wahren Aussagen der Aussagenlogik beweisbar sind. Die Mathematik und die Philosophie scheinen auf den ersten Blick wenig verwandte Wis- senschaften zu sein. Dennoch sind uns eini- ge grundlegende Gemeinsamkeiten aufgefallen. Zu Beginn unseres Kurses befassten wir uns mit den Prinzipien der klassischen Logik nach 41

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KURS 2 – LOGIK

Kurs 2 – Alles logisch? Mit Mathematik und Phi-losophie dem Denken auf der Spur

EinleitungShathya Theivendrarajah

Haben Sie sich schon einmal überlegt, was wahrund was falsch ist? Was ist eigentlich Wahrheit?Haben Sie sich schon einmal Gedanken darübergemacht, dass alles was wir wahrnehmen nureine Täuschung sein könnte? Wie gelangt maneigentlich zu Erkenntnis?

Mit Fragen wie diesen haben wir uns im Lo-gikkurs beschäftigt und mit Hilfe von philo-sophischen und mathematischen Ansätzen dieLogik näher beleuchtet. Doch was ist Logikeigentlich? Das Wort Logik (griechisch: Logos– „Kunst des Denkens“) bezeichnet die Wis-senschaft des folgerichtigen Denkens. Als Be-gründer der Logik gilt der aus Griechenlandstammende Philosoph Aristoteles, der ein Schü-

ler Platons war. Weitere berühmte Philosophenund Logiker, mit denen wir uns im Kurs nä-her beschäftigt haben, waren René Descartes,Leonard Euler, Immanuel Kant, Ludwig Witt-genstein und Kurt Gödel.

In unserem Kurs haben wir einerseits überphilosophische Fragen diskutiert und versucht,Antworten darauf zu finden, andererseits ha-ben wir uns auf mathematische Weise mit derLogik befasst. Hier war unser Ziel, zu beweisen,dass alle wahren Aussagen der Aussagenlogikbeweisbar sind.

Die Mathematik und die Philosophie scheinenauf den ersten Blick wenig verwandte Wis-senschaften zu sein. Dennoch sind uns eini-ge grundlegende Gemeinsamkeiten aufgefallen.Zu Beginn unseres Kurses befassten wir unsmit den Prinzipien der klassischen Logik nach

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Aristoteles, die nicht nur maßgebend für diePhilosophie, sondern auch für die mathemati-sche Logik sind. Diese Regeln sind elementarfür logisches Denken und lassen sich sowohl aufmathematische Weise in Form von Formeln alsauch philosophisch in Form von Sprache formu-lieren. Daher ist es möglich, Sachverhalte, wiebeispielsweise verschiedene Schlussfolgerungs-möglichkeiten, auf verschiedenen Abstraktions-ebenen zu betrachten.

Im philosophischen Teil unseres Kurses beschäf-tigten wir uns mit der philosophischen Wissen-schaft der Erkenntnis – der Erkenntnistheorie.Diese befasst sich mit dem Erlangen von Er-kenntnis und ist damit auch mit dem Erkennenvon Wahrheit verbunden. Um verschiedene Me-thoden zum Erlangen von wahrer Erkenntniskennenzulernen, haben wir uns mit den wider-sprüchlichen Ansätzen von Rationalismus undEmpirismus und der Schlichtung des Streitsdurch Immanuel Kant befasst. Zudem behan-delten wir das Problem der Sprache als Aus-druck für eigene Erkenntnis.

Ausgehend von den Prinzipien der klassischenLogik beschäftigten wir uns im mathemati-schen Teil unseres Kurses mit der Aussagenlo-gik. Hierbei definierten wir, was Wahrheit imaussagenlogischen Sinne bedeutet und wie einBeweis innerhalb der Aussagenlogik aufgebautist. So konnten wir beweisen, dass diese Begriffein der Aussagenlogik zusammenfallen, also dassgenau alle wahren Aussagen der Aussagenlogikbeweisbar sind.

In unserem Kurs herrschte allgemein ein nettesund freundliches Klima. Während der Kurs-phasen hatten wir auf der einen Seite zwarintensive Arbeitsperioden, bei denen es wichtigwar, sich zu konzentrieren, auf der anderen Seitehaben unsere Kursleiter Daniel, Lea und Patri-cia aber auch lockerere Gruppenarbeitsphasenmit anschließenden kurzen Präsentationen er-möglicht, so dass ein gutes und erfolgreichesArbeiten möglich war. Besonders bei der Ro-tation und der abschließenden Präsentationzeigten sich die hart erarbeiteten und positivenResultate unserer Arbeit.

Doch neben dem inhaltlichen Wissen war esmöglich, in unserem Kurs auch methodischeKompetenzen zu erlernen und zu verbessern.

Zum einen war unser Bestreben darauf gerich-tet, Aussagen philosophischer Art kritisch zuhinterfragen. Des Weiteren bot sich uns dieMöglichkeit, wissenschaftliches Recherchierenfür uns noch unbekannte Theorien oder Begrif-fe zu vertiefen. In der Mathematik hingegenerwies sich das Abstraktionsvermögen als sehrwichtig, da man sich unter den Formeln manch-mal erst auf den zweiten Blick etwas Konkretesvorstellen konnte. Bei der Vorbereitung undDurchführung der abschließenden Präsentatio-nen verbesserten wir unsere Teamfähigkeitenund natürlich auch das Präsentieren selbst.Andererseits war unser Bestreben natürlichauch darauf gerichtet, Inhaltliches zu erlernen.Wozu diese zwei Wochen intensiver Arbeit ge-führt haben, werden Sie nach der folgendenVorstellung der Kursteilnehmer und Kursleitererfahren.

Unsere KursteilnehmerLalita Braun, Viola Munzert

Anna, die mit 13 Jahren jüngste Teilnehmerinunseres Kurses, verblüffte uns alle mit ih-rem ausgezeichneten mathematischen Denk-vermögen und brachte uns bei vielen Be-weisen auf den entscheidenden Schritt. Wasmathematische Formeln anging, schien sienie müde zu werden und auch in der Philo-sophie diskutierte sie gerne mit.

Giulia zeigte ihre Stärken vor allem im ma-thematischen Teil, in welchem sie mit ih-rer schnellen Auffassungsgabe glänzte. DasGrübeln über Übungen und das Vorstellenihrer Ergebnisse bereitete ihr viel Freude.Sie war mit Leidenschaft bei der Akademiedabei und zauberte viele Verbesserungsvor-schläge hervor.

Gregor war im Kurs immer aktiv am Gesche-hen beteiligt, auch wenn er von grundlegendruhiger Natur ist. Er hat die Fähigkeit, sei-ne Meinung klar zum Ausdruck zu bringen,sowie sie anschaulich zu erklären und brach-te uns durch seine produktiven Vorschlägestets weiter. Seine Mischung aus Dialekt,Reife und Humor ist die eines wahren Den-kers.

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Hannah, die ebenfalls zu den Ruhigen im Kursgehörte, charakterisierte sich durch Diszi-plin und Aufnahmefähigkeit. Ihre Gedan-ken konnte sie klar und präzise formulierenund brachte uns mit ihrer Ehrlichkeit undZielstrebigkeit auf dem Weg zur Erkenntnisvoran. Im Kurs war sie sehr beliebt undhalf allen gerne weiter.

Lalita legte eine große Aufgeschlossenheit undein selbstbewusstes Auftreten an den Tag.Mit ihrer fröhlichen, aufgeweckten und net-ten Art bereicherte sie unseren Kurs invielerlei Hinsicht. Ihr quirliges Wesen kambesonders im philosopischen Teil unseresKurses zum Vorschein, wo sie nie um einWort verlegen war und ihre Meinung undKritik offen äußerte.

Lennard war der Rationalist unseres Kurses.Egal, ob sich die Diskussion um Empiris-mus oder den Aufbau unserer Abschlussprä-sentation drehte, argumentierte er enthu-siastisch mit. Er zeigte eine immer konzen-trierte Mitarbeit und ein gutes Durchset-zungsvermögen und brachte uns mit seinenFormulierungen täglich zum Lachen. BeimSportfest feuerte er uns alle mit seinem be-geisterten Optimismus lautstark an.

Lisa ist von zurückhaltender und ruhiger Na-tur und war die wohl konzentrierteste Zu-hörerin unter uns. Sie ließ sich durch nichtsablenken, arbeitete stets zielstrebig und auf-merksam und war so als Erste mit ihremDokumentationstext fertig. Im Kurs wur-de sie aufgrund ihrer Hilfsbereitschaft undTeamfähigkeit sehr geschätzt.

Lorenz brachte sich vor allem in der Mathe-matik mit großer Begeisterung ein. GegenEnde der Akademie erfuhren wir von sei-nem Origami-Talent, nachdem er eine Men-ge wunderschöner Papierschildkröten ange-fertigt hatte. Er zeichnete sich außerdemdurch seine gute Teamfähigkeit und seinlautes Organ beim Anfeuern unserer Grup-pe beim Sportfest aus und ist eine Person,die einfach mit jedem gut arbeiten und aus-kommen kann.

Maurice war unser Fachmann für Physik undhalf uns dabei, einige Themen aus eineranderen Perspektive zu sehen. Außerdem

Der Logikkurs beim Sportfest.

führte er die ersten „Meinungskarten“ ein,welche im Verlauf der Kurses übernommenund weiterentwickelt wurden. Statementswie „Dito“, „Veto“ oder „?!“ waren in Dis-kussionen sehr beliebt und lockerten die At-mosphäre zusätzlich auf. Von ihm stammtauch unser Kursmaskottchen, die selbstge-bastelte Papierraupe Wittgenstein.

Pia ist politisch stets auf dem neuesten Stand,diskutiert gerne und scheut sich nie, ihre Ge-danken und Einwände auszusprechen. Nurbeim Erörtern ihres vorzeitigen Todeszeit-punkts durch eine Sraßenbahn – ein be-liebtes Kurspausenthema – hielt sie sichbelustigt zurück. Des Weiteren übernahmsie bald die Leitung der Tanz-KüA undfand sich in allem wieder, was Organisationangeht.

Sebastian besitzt eine Ausstrahlung, die be-zeichnend für unser Kursthema ist: Die ei-nes grübelnden, nachdenklichen Menschen.In der Kursarbeit äußerte er sich dement-sprechend und führte uns oft mit seiner Ziel-strebigkeit zum Thema zurück. Trotz seinesernsthaften Arbeitens stimmte er stets inunser herzhaftes Lachen ein und war einsehr guter Zuhörer.

Sharina war das Kunsttalent unseres Kurses.Überall, wo es um Kreativität ging, hattesie die Finger im Spiel: Ob Zitatliste, Power-point, Deko oder Akademie-Pulli-Design –an Energie, Elan und Freude fehlt es ihrnie. Zudem konnte sie in kürzester Zeitkomplexe Gedankengänge aussprechen. Siewar der Sonnenschein im Kurs und für je-de Diskussion zu haben – egal ob in der

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Philosophie oder der Mathematik – dennbegeistern kann man sie mit fast jedemThema.

Shathya macht einen seriösen Eindruck undbereicherte unsere Diskussionen mit seinerempirischen Sichtweise in vielerlei Hinsicht.Zudem versteht er es, seine Position klarzum Ausdruck zu bringen. Auch dank seinerSportlichkeit schaffte es der Logikkurs, derroten Laterne beim Sportfest zu entgehen.

Thaddäus wirkt auf den ersten Blick ruhig,bald erkannten wir aber die Stimmungs-kanone in ihm. Im Gegensatz zu seinemNamensvetter aus Spongebob Schwamm-kopf ist er immer für einen Spaß zu haben.In Mathematik und logischem Denken ister ebenfalls ungleich stärker als dieser. Sei-ne Einführung des Gutelaunelieds „Alwayslook on the bright side of life“ entwickeltesich in kürzester Zeit zum Hit der Akademieund begleitete uns noch lange als Ohrwurm.

Viola zeichnete sich durch ihre Diskussions-freudigkeit und ihr fröhliches Wesen aus.Sie hatte immer Ideen und Anregungen pa-rat und vertiefte so die Diskussionen um dieverschiedenen Themengebiete. Ihre Skepsisund ihr gezieltes Nachfragen halfen dabei,Problemen weiter auf den Grund zu gehen.Den Mathematikteil des Kurses bevorzugtesie wegen seiner Klarheit und Eindeutigkeit.Außerdem waren sowohl ihre Rittersport-Ohringe als auch ihre „sozialen Kekse“ beiallen heiß begehrt.

Unsere KursleiterPia Bauspieß, Viola Munzert

Daniel Jungblut lässt sich äußerlich wohl ambesten mit den Worten jung, dunkelhaarig,sommersprossig und motiviert beschreiben.In unserem Kurs kümmerte er sich auf be-wundernswerte Weise um den Mathema-tikteil: Er erklärte anspruchsvolle Beweiseeinleuchtend und wurde selbst nach vielfa-chem Nachfragen nicht ungeduldig, sondernschaffte es immer wieder, die Denkknotenin unseren Köpfen zu finden und zu lösen.Außerdem lockerte er die Atmosphäre gerne

mit seinen Kommentaren oder dem legen-dären „Hunger in 15 [10, 5, 0, -5] Minuten“-Schild vor der Mittagspause auf. Nicht nurdas Mittagessen, sondern auch die Kekseund andere Süßigkeiten, die im Kurs um-hergingen, hatten es ihm angetan. Noch ein-drücklicher in Erinnerung geblieben ist unsallerdings sein „Mathe macht glücklich!“-T-Shirt – ein Statement, das er jederzeit ger-ne anbringt und mit Begeisterung vertritt.Wäre Daniel nicht schon längst Referen-dar, hätten wir ihm spätestens nach diesemKurs ans Herz gelegt, Lehrer zu werden!

Lea Götz ist jung, sommersprossig, rothaarigund gleichermaßen motiviert. Die Biologie-Studentin aus Cambridge erfand den Be-griff der „sozialen“ Süßigkeiten, also Kekseoder Gummibärchen, die für den ganzenKurs gedacht waren und uns während derKurseinheiten energetischen Nachschub fürunsere Diskussionen lieferten. Im Philoso-phieteil forderte uns Lea immer wieder dazuauf, selbst zu denken und uns nach kriti-scher Auseinandersetzung mit philosophi-schen Texten eine eigene Meinung zu bilden.Schließlich wirft die Philosophie oft mehrFragen auf, als sie beantwortet. So erar-beiteten wir uns mit ihr auch methodischeFähigkeiten, vom schnellen eigenständigenMitschreiben – was wir nicht zur Vollen-dung brachten – bis zu der von ihr hochgeschätzten Eigenschaft, sich klar und deut-lich auszudrücken. An dieser Stelle mussnun ihr Lieblingszitat und unser Kursmot-to von Ludwig Wittgenstein aufgegriffenwerden: „Alles, was sich sagen lässt, lässtsich klar sagen.“

Patricia Keppler war unsere Schülermentorinund Sonnenschein des Kurses. 2009 saß sieselbst noch unter den Teilnehmern des da-maligen Astronomiekurses. Sie hat aus ih-rer Akademiezeit viel mitgenommen undes geschafft, uns das zu vermitteln und aufunseren Weg mitzugeben. Immer fröhlichund für jeden Spaß zu haben, war sie alsMentorin des Logikkurses überall aktiv mitdabei: Sowohl im Philosophie- als auch imMathematikteil brachte sie sich mit ihrenPräsentationen ein und übernahm die Lei-tung von Diskussionen. Patricia erklärte

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uns komplexe Inhalte und hatte immer einoffenes Ohr für uns, unsere Fragen und un-sere Anliegen. Außerdem muss an dieserStelle erwähnt werden, dass die Plakate anden Wänden unseres Kursraumes, die denWeg zu unserem mathematischen Kurszielzusammenfassen, einzig und allein Patriciasunermüdlichem Mitschreiben zu verdankensind. In die Kursgeschichte eingegangen istin diesem Kontext ihr „Mitschreiben?!?!“-Schild, das Daniel des Öfteren während sei-ner Mathevorträge zu sehen bekam. Nachder Schule will sie Medizin studieren undwir wünschen ihr viel Erfolg dabei!

Klassische LogikLorenz Mattes

Aristoteles

Um uns möglichst schnell in die Kursmaterieeinzufinden, lasen wir gleich zu Beginn des Er-öffnungswochenendes einen Text von Aristote-les. Das half uns ein Gefühl für philosophischeTexte zu entwickeln und diese zu interpretie-ren. Aristoteles, der von 384 bis 322v.Chr. inGriechenland lebte, erklärt in seinem Haupt-werk Organon (griechisch für Werkzeug) u. a.,was die Grundbausteine der Sprache sind. Indem anspruchsvollen Text, der unsere Köpfezum Rauchen brachte, befasst er sich mit denBegriffen Hauptwort, Zeitwort und Aussage.Ein Hauptwort ist demnach eine Verbindungvon Lauten oder Zeichen, die einen Begriff odereine Sache bezeichnet, z. B. Baum, Stuhl, Hoff-nung. Es kann weder wahr noch falsch sein. DieZeit und damit auch die Existenz wird durchein sogenanntes Zeitwort ins Spiel gebracht.Im Deutschen verwenden wir dazu das Wort„sein“, um eine Beziehung zur Gegenwart dar-zustellen, z. B. „[. . . ] ist gesund“. Hier trifft alsodie Bezeichnung Zeitwort nicht zu – im Latei-nischen bzw. Griechischen stolpern wir abernicht über dieses Problem: So heißt lat. „va-let“ beispielsweise genau „[. . . ] ist gesund“.Verbindet man Haupt- und Zeitworte, so for-muliert man eine Aussage. Diese ist entwederwahr oder falsch. Solche Aussagen haben wir

später in der Aussagenlogik durch Aussageva-riablen abgekürzt. Eine Aussage kann einemGegenstand entweder etwas zusprechen, so istsie eine Bejahung, z. B. „Der Baum ist gesund“,oder sie spricht ihm etwas ab, so ist sie eineVerneinung, z. B. „Der Baum ist nicht gesund“.Aristoteles hat für die Wahrheitswerte von sol-chen Aussagen die folgenden Prinzipien derklassischen Logik formuliert:1. Es gibt genau die zwei Wahrheitswerte wahr

und falsch.2. Jede Aussage hat höchstens einen Wahr-

heitswert (Satz vom Widerspruch).3. Jede Aussage hat mindestens einen Wahr-

heitswert (Satz vom ausgeschlossenen Drit-ten).

Aus diesen drei Sätzen ergibt sich das Bivalenz-prinzip: Jede Aussage ist entweder wahr oderfalsch.

Die vier Modi

Mit den vier Modi lernten wir verschiedeneArten kennen, richtige logische Schlüsse zu zie-hen. Durch diese Modi kann man aus wahrenVoraussetzungen und einem gültigen Schlusseine wahre Schlussfolgerung ableiten. Die Vor-aussetzungen werden als Prämissen bezeichnet,die Schlussfolgerung als Konklusion.Als Beispiel für den ersten Modus, den Modusponendo ponens (setzender Modus), betrach-ten wir folgende Prämissen: „Wenn es regnet,ist die Straße nass“ und „Es regnet“. Darauslässt sich folgende Konklusion ableiten: „DieStraße ist nass.“ Unter der Voraussetzung, dassdie erste Prämisse wahr ist, wird durch das

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Bejahen (setzen) der zweiten Prämisse auchdie Konklusion bejaht.Die logische Umkehrung des Modus ponendoponens ist der Modus tollendo tollens (aufhe-bender Modus). Die zweite Prämisse lautetjetzt „Die Straße ist nicht nass“, folglich gilt:„Es regnet nicht“. Unter der Voraussetzung,dass die erste Prämisse wahr ist, wird durchdas Verneinen (aufheben) der zweiten Prämissedie Konklusion verneint.Der dritte Modus ist der Modus ponendo tol-lens. Unter der Voraussetzung, dass die ers-te Prämisse wahr ist, wird durch das Bejahender zweiten Prämisse die Konklusion verneint.Ein Beispiel dazu ist: „Entweder ich bin ge-sund oder ich trinke Kamille-Tee“ und „Heutemorgen habe ich zwei Liter Kamille-Tee ge-trunken.“ Daraus lässt sich die Aussage „Ichbin nicht gesund“ schließen. Das entweder oderin der ersten Prämisse stellt sicher, dass nichtbeide Aussagen gleichzeitig gelten können.Aus den Prämissen „Entweder ich mache meineHausaufgaben oder ich schreibe diese Doku-mentation“ und „Ich mache meine Hausaufga-ben nicht.“ kann man folgern: „Ich schreibean dieser Dokumentation.“ Das ist der Modustollendo ponens, der vierte und letzte Modus:Unter der Voraussetzung, dass die erste Prä-misse wahr ist, wird durch das Verneinen derzweiten Prämisse die Konklusion bejaht.Mit Hilfe der Aussagenlogik haben wir die vierModi mathematisch bewiesen. Als Beispiel istder Beweis des Modus ponendo ponens (kurz:Modus ponens) im Abschnitt über Beweisbar-keit aufgeführt. Über diese vier Modi hinausgibt es aber noch weitere Schlussmöglichkei-ten, die beispielsweise in den „Eulerschen Brie-fen“ niedergeschrieben sind. Sie lassen sich un-ter dem Begriff der Prädikatenlogik zusammen-fassen.

Prädikatenlogik

In der Zeit zwischen Eröffnungswochenendeund Sommerakademie beschäftigten wir unsmit einigen der Logischen Briefe von LeonardEuler, welche er im Jahr 1761 verfasst hatte. Erbeschreibt vier Arten von Sätzen, die jeweilsaus zwei Begriffen bestehen: Einem Subjekt

und einem Prädikat. Im Satz „Der Baum istgrün“ wird dem Subjekt „Baum“ das Prädikat„grün sein“ zugeordnet. Leonard Euler unter-scheidet, wie schon Aristoteles, bejahende undverneinende Sätze. Darüber hinaus unterschei-det er auch allgemeine und besondere Sätze.Ein Satz ist nun zum einen entweder bejahendoder verneinend und zum anderen entwederallgemein oder besonders.

So gibt es allgemein bejahende Sätze, z. B. „Al-le Menschen sind sterblich.“ Ihre allgemeineFormel lautet Alle A sind B. Ferner gibt esdie allgemein verneinenden Sätze, wie „KeinMensch ist gerecht“, mit der allgemeinen For-mel Kein A ist B. Die dritte Art von Sätzenist die der besonders bejahenden Sätze, z. B.„Einige Menschen sind klug“. Allgemein: EinigeA sind B. Als letztes gibt es noch die besondersverneinenden Sätze, wie „Einige Menschen sindnicht weise.“ Ihre allgemeine Formel lautet Ei-nige A sind nicht B. Aus zwei wahren Sätzen,von denen mindestens einer allgemein und ei-ner bejahend ist, kann man also etwas Wahresableiten. So gibt es u. a. folgende Schlüsse:

• Alle Logiker sind Akademieteilnehmer. KeinKindergartenkind ist Logiker. Daraus folgt:Einige Akademieteilnehmer sind keine Kin-dergartenkinder.

• Alle Akademieteilnehmer haben im LSZU IIgeschlafen. Alle Logiker sind Akademieteil-nehmer. Daraus folgt: Alle Logiker habenim LSZU II geschlafen.

• Alle Logiker kommen aus Baden-Württem-berg. Einige Akademieteilnehmer sind Logi-ker. Daraus folgt: Einige Akademieteilneh-mer kommen aus Baden-Württemberg.

• Kein Logiker ist im Medizinkurs. Einige

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Akademieteilnehmer sind Logiker. Darausfolgt: Einige Akademieteilnehmer sind nichtim Medizinkurs.

• Alle Logiker sind Akademieteilnehmer. Ei-nige Logiker sind keine Mädchen. Darausfolgt: Einige Akademieteilnehmer sind keineMädchen.

Aus zwei besonderen oder zwei verneinendenSätzen aber kann man nichts Sicheres folgern:So kann man nichts schließen, wenn man weiß,dass einige Akademieteilnehmer Vegetarier sindund dass einige Akademieteilnehmer morgensJoggen gehen. Wenn man weiß, dass kein Aka-demieteilnehmer unter dreizehn Jahren alt istund dass einige Akademieteilnehmer nicht ausBaden kommen, so kann auch daraus nichtsgeschlossen werden.Auch über die Art der Konklusion können Re-geln aufgestellt werden: Wenn eine der Prämis-sen verneinend ist, muss auch die Folgerungverneinend sein und ist einer der Sätze beson-ders, muss auch der Schlusssatz besonders sein.Sind beide Prämissen bejahend, so ist auchdie Konklusion bejahend. Es gibt aber nichtnur Sätze, die eine Aussage über eine Gruppevon Individuen trifft, sondern auch so genannteeinzelne Sätze, die von einem einzelnen Indivi-duum ausgehen, wie beispielsweise „Patricia istSchülermentorin“ oder „Lea studiert Biologie“.Daher müssen einzelne Sätze wie allgemeineSätze angesehen werden, weil man aus zweibesonderen Sätzen nichts schließen kann.

Eine (sehr) kurze Geschichteder abendländischen Erkenntnis-theorie

Hannah Pillin

Damit wir zu Beginn der Sommerakademienicht blindlings ins Neuland Philosophie stol-perten, begannen wir damit, uns einen gro-ben Überblick über die Arbeit unserer philo-sophischen Vorgänger zu verschaffen. Diesensehr kurzen Überblick über die Geschichte derabendländischen Philosophie und insbesonde-re der Erkenntnistheorie wollen wir hier alsEinführung in die Philosophie erläutern.

Im Großen und Ganzen begann die Geschich-te der Philosophie in der Antike mit Sokrates,schriftlich überliefert durch dessen Schüler Pla-ton, welcher von ca. 427v.Chr. bis 347v.Chr. leb-te. Als die Menschen begannen, sich erste philo-sophische Fragen zu stellen, war eine der wich-tigsten Fragen, wie man eigentlich wahre Aus-sagen treffen kann, bzw. wie man sie erkennenkann. Dies war dann auch die philosophischeFrage, mit der sich unser Kurs sehr lange undausgiebig beschäftigt hat: Wie gelangt manzu wahrer Erkenntnis? Schon Platon befasstesich mit dieser Frage und um sie zu beantwor-ten, teilte er die Welt in zwei Kategorien auf.Demzufolge bestand die Welt aus dem sinnlichWahrnehmbaren und den ewigen, übersinnli-chen Ideen. Diese ewigen, übersinnlichen Ideenhatten es Platon angetan, sie waren für ihn dieeinzigen Dinge, die wirklich wahr sein können.Bewusst wertete er dadurch den Körper und so-mit die Sinneswahrnehmung ab und gilt so alsder erste Begründer des Rationalismus, einererkenntnistheoretischen Position, welche späternoch genauer beleuchtet wird. Um den Einfluss,den Platon in der Philosophie hatte, deutlichzu machen, formulierte A. N. Whitehead: „Thesafest general characterization of the Europeanphilosophical tradition is that it consists of aseries of footnotes to Plato“ was soviel heißtwie „Alle abendländische Philosophie lässt sichals Fußnoten zu Platon verstehen“.

Von keiner geringeren Bedeutung war jedochein Schüler Platons: Aristoteles. In seinen phi-losophischen Gedanken hob Aristoteles dengroßen Spalt, den Platon zwischen dem sinnlichWahrnehmbaren und den übersinnlichen Ide-

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en gezogen hatte, wieder auf, indem er sowohlsinnliche Gegenstände als auch die sinnlicheWahrnehmung auf dem Weg zu Erkenntnis alszwingend ansah. Laut Aristoteles konnte esnicht sein, dass man allein mit übersinnlichenIdeen, also rein geistigen Inhalten zu Erkennt-nis gelangen kann. Wir haben uns dafür imKurs ein ganz passendes Beispiel ausgedacht:Betrachten wir einen Tisch aus aristotelischerSichtweise. Dabei stellen wir fest, dass wir einenTisch nicht anhand einer übersinnlichen Ideeerkennen, sondern dadurch, dass unsere Sinne,da sie schon oft das Bild eines Tisches auf-genommen haben, den Tisch anhand von be-stimmten Merkmalen abstrahieren. So legteAristoteles einen wichtigen Grundbaustein füreine zweite erkenntnistheoretische Position, erbeschreibt die Methode des Empirismus. Die-ser beschreitet den Weg zur Erkenntnis durchdie Sinneswahrnehmung und die Induktion.

Aristoteles war außerdem insofern für unserenKurs besonders wichtig, als dass er die obenerwähnten Prinzipien der klassischen Logik auf-stellte. Zusammen genommen besagen sie, dasseine Aussage entweder wahr oder falsch seinmuss. Diese Prinzipien werden in der Aussagen-logik, mit der wir uns näher beschäftigt haben,auch als Axiome bezeichnet. Ein Axiom ist einefür jedermann unmittelbar ersichtliche Aussa-ge, die daher nicht deduktiv begründet werdenmuss. Wir verwendeten Aristoteles’ Prinzipi-en daher, um in der Mathematik und speziellin der Aussagenlogik korrekte Beweise zu füh-ren. Doch woher können wir eigentlich sichersein, dass diese Prinzipien unbezweifelbar wahrsind? Genau solche Fragen, wie die nach derNicht-Beweisbarkeit der Prinzipien der klassi-schen Logik, zu beantworten, sowie den Wegzu untersuchen, auf dem diese Erkenntnisseentstanden sind, ist die Aufgabe der Erkennt-nistheorie. Um bei der Beantwortung dieserFragen voranzukommen, haben wir, aber auchfrühe Philosophen, skeptisch nachgefragt. Inder Antike unterscheidet man zwei Gruppenvon Skeptikern (vom Griechischen „skepsis“ =prüfen, herumspähen), die sich auf verschie-dene Arten ebenfalls mit der Frage, wie manzu wahrer Erkenntnis gelangt, beschäftigten.Auf der einen Seite postulierten Anhänger dervon Platon gegründeten Akademie, einer Phi-

losophenschule: „Vielleicht gibt es wahre Er-kenntnis, doch dessen kann man sich nie sichersein.“ Diese Aussage hat uns nachdenklich ge-stimmt. Man muss sich doch in irgendetwasWahrem sicher sein können! Wir wollten, ja wirverspürten geradezu den Drang dazu, zu wahrerErkenntnis zu gelangen und beschäftigten unssehr lange damit. Auf der anderen Seite gab eseine Gruppe von Skeptikern, welche den Lehrendes Phyrron von Elis folgte. Ihre grundlegen-de These hieß wiederum: „Der Weise enthältsich jeder Aussage, denn nur dann kommt er zuSeelenruhe.“ Im Kurs folgten wir der Herange-hensweise der platonischen Akademie, weil unsihre These einfach nicht losließ und wir etwasfinden wollten, dass das Gegenteil bewies.

Der Logikkurs beim Sportfest.

Symbolisch für das Ende der Antike und denAnbruch des Mittelalters steht die Schließungder platonischen Akademie im Jahr 529. Dieabendländische Philosophie war fortan starkchristlich geprägt und auf ein christliches Welt-bild hin ausgerichtet, da die allermeisten Philo-sophen Kleriker waren. Die Philosophie zweifel-te nicht an Gott und Kirche, sondern Denkpro-zesse philosophischer Art und Argumentations-weise stützen oftmals die Kirche. Im Mittelalterscheint es, als ob den Philosophen die Ideenausgingen, was natürlich so nicht ganz stimmt.Dies hängt mit der scholastischen Vorgehens-weise zusammen: Man prüfte und untersuchteTexte älterer Philosophen und bildete sich mitder sogenannten „Sic et non“-Methode durchSammeln von Pro- und Kontra Argumenten ei-ne eigene Meinung zu dem Text. Selten findensich in mittelalterlichen Werken daher neue An-sätze zur Beantwortung unserer erkenntnistheo-

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retischen Frage. Aurelius Augustinus aber wareinen Schritt weiter. Er sah einzig die Existenzals sicher und sagte: „Si fallor, sum – Wenn ichmich nämlich täusche, bin ich.“ Ganz ähnlichwar später auch die Argumentationsweise vonRené Descartes. Doch bevor es dazu kommenkonnte, kam es in der Renaissance sowohl inder Welt, als auch in der Philosophie zu gewal-tigen Umbrüchen. Plötzlich kam Galileo Gali-lei, der ein ganz neues Weltbild aufstellte. Erverwarf das bisher gültige geozentrische Welt-bild mit dem heliozentrischen Weltbild undverwies damit den Menschen aus dem Mittel-punkt des Universums. Dank der Erfindungdes Buchdruckes konnte solches Gedankengutschnell und weit verbreitet werden – Bücherkonnten fortan gedruckt werden, anstatt abge-schrieben werden zu müssen. Ebenso herrschteein frischer Wind in der Philosophie, denn mankam von der Scholastik ab. Des Weiteren sa-hen Philosophen, dass die Naturwissenschaftviele neue Erkenntnisse mit ihrer wissenschaft-lichen, klaren Methode erlangt, was man vonder Philosophie nicht gerade behaupten konn-te. Daher sehen wir seither eine zunehmendeOrientierung der Philosophie an naturwissen-schaftlicher, bzw. mathematischer Methodik.Ein Vorreiter in dieser mathematisch klarenMethodik der Erkenntnisgewinnung ist RenéDescartes, der wohl bekannteste Begründer desRationalismus.

Der französische Philosoph René Descartes leb-te vom 31. März 1596 bis zum 11. Februar1650. Wie wir, machte er sich Gedanken, wieman zu wahrer Erkenntnis gelangen kann undbefasste sich außer mit der Philosophie auchmit Mathematik und den Naturwissenschaften.Mit Descartes beginnt das Zeitalter der Aufklä-rung. Er war einer der ersten, die sich in derPhilosophie nicht mehr mit der Kirche, sondernmit dem Dasein, der Existenz an sich beschäf-tigten. Im Zeitalter der Aufklärung kommt esnun zum offenen Widerspruch der beiden er-kenntnistheoretischen Positionen, die wir schonangesprochen haben. Einmal die Schule desEmpirismus, und zum anderen die Schule desRationalismus. Diese beiden sind genau gegen-teiliger Ansicht, wie man zu wahrer Erkenntnisgelangt. Die Rationalisten sind der Meinung,dass man durch Mathematik und Deduktion zu

Erkenntnis gelangt, die Empiristen sagen, dassman durch Sinneswahrnehmungen zu wahrerErkenntnis gelangt.

Doch was ist jetzt die bessere Methode? Das in-teressierte uns brennend! Wir hofften, mit Des-cartes der Lösung näher zu kommen und lasendaher die ersten beiden seiner Meditationen, indenen er den methodischen Zweifel einführteund nutzte. Das heißt, er verwarf alles, wasihm nicht unbezweifelbar erschien. Descartesrealisierte, dass er in seiner Jugend oft von sei-nen Sinnen getäuscht worden war. Aber woher,fragte er sich, kann man sich sicher sein, dassman nicht immerzu getäuscht wird? Was, wennalles, was wir wahrnehmen nur Trug ist? Erbeschloss alles, was er bisher für wahr gehaltenhatte, anzuzweifeln. Alles, was ihm den gerings-ten Grund zum Zweifeln gab, wollte Descartesverwerfen, um irgendwann auf unbezweifelbareFundamente zu stoßen. Er stellte fest, dass vie-les, was er bisher als unbezweifelbar angesehenhatte, durch Sinneswahrnehmung entstandenwar. „Doch träume ich das alles vielleicht nur?Aber wie kann man denn Träumen von Wa-chen unterscheiden?“ Auf diese Frage fand Des-cartes keine plausible Antwort. Auch wir ver-suchten dies, scheiterten aber ebenfalls. Dahermusste er die Sinneswahrnehmung als unwahrund trügerisch ansehen. Immerhin musste esetwas Wirkliches geben, denn sonst könntenwir uns auch im Traume nichts vorstellen. Sostellte er fest, dass zwar die Naturwissenschaf-ten, wie z. B. die Physik, die ihre Erkenntnissedurch Sinneseindrücke gewinnt, anzweifelbarsind, nicht aber Mathematik und Arithmetik,die nicht anzweifelbar sind, da beispielsweise2 + 3 immer 5 ergibt.

In seiner zweiten Meditation sucht Descarteserneut hartnäckig nach irgendetwas, das nichtanzweifelbar ist. Und das findet er nach langemNachdenken auch: Körper, Gliedmaßen, Sinne,all das kann man von ihm abtrennen, doch ei-nes bleibt, sein Verstand, der unbezweifelbar anihn gekoppelt ist. Laut Descartes ist er selbstalso ein denkendes Ding, denn selbst wenn erimmerzu getäuscht wird, muss da etwas sein,das getäuscht wird. Das „Ich“ ist also ein den-kendes, zweifelndes Ding. So gelangt Descarteszu seiner These:

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KURS 2 – LOGIK

„Cogito, existo“– „Ich denke, ich bin,“ was auchals „Ich denke, also bin ich“ bekannt ist.Descartes postuliert ebenfalls, dass Erkenntnis-se, die er durch seine Sinne zu treffen scheint,allein durch den Geist gewonnen werden. Wennman nämlich einen Stoff beobachtet, welchersich verändert, dann weiß man allein durch sei-nen Geist immer noch, dass es derselbe Stoffbleibt. Mit dieser Erkenntnis gilt Descartes alseiner der ersten Begründer und Befürworterdes Rationalismus, der die Sinneseindrücke alsfalsch ansieht und sich an der Methode der Ma-thematik orientiert. Dies war ein Meilensteinin der Beantwortung der Frage: „Wie gelangeich zu wahrer Erkenntnis?“

Rationalismus und EmpirismusLisa Adams

Wie bereits angesprochen haben wir uns mitden zwei dominierenden Positionen zur Er-kenntnistheorie im Zeitalter der Aufklärung be-schäftigt: dem Empirismus und dem Rationa-lismus. Der wesentliche Unterschied zwischendiesen beiden erkenntnistheoretischen Positio-nen ist die Quelle der Erkenntnis, weshalb derEmpirismus andere Methoden als der Rationa-lismus verwendet.René Descartes gilt als einer der Begründer desRationalismus. Er traut seinen Sinnen nicht,weil sie ihn schon im Traum getäuscht haben.Daher sieht der Rationalismus nur die Vernunftals Quelle wahrer Erkenntnis. Also sehen dieMethoden folgendermaßen aus:

• Logik der Mathematik• Intuition• Deduktion

Die Logik der Mathematik wird verwendet, weilihre Schlüsse zwingend sind. Inzwischen weißman zwar, dass nicht alle wahren Sätze in derMathematik beweisbar sind bzw. die Mathema-tik Widersprüche enthalten kann, doch zu Zei-ten Descartes galten bewiesene mathematischeSätze als unanzweifelbar, was eine gute Voraus-setzung dafür ist, wahre Erkenntnis zu erlangen.Bestimmte Sätze jedoch sind so grundlegend,dass man sie intuitiv als wahr erkennt, wie

beispielsweise die Prinzipien der klassischenLogik. Für Rationalisten galten auch solchedurch Intuition erkannte Prinzipien als wahrund mussten daher nicht bewiesen werden. EinBeispiel für ein solches Prinzip (dem Bivalenz-prinzip) ist: ϕ oder nicht ϕ. Wenn ein Ratio-nalist herausfinden will, ob der oben genannteSatz wahr ist, dann hört er auf seine Intuiti-on, die ihm sagt, dass der Satz wahr ist. Dannerkennt ihn der Rationalist auch als wahr an.Aus solchen intuitiv als wahr erkannten Axio-men lassen sich dann per Deduktion weiterewahre Aussagen erschließen. Die Deduktion istein zwingender Schluss, weil man von der All-gemeinheit auf etwas Besonderes schließt, dasin der Allgemeinheit enthalten ist. Wenn manz. B. weiß, dass alle Zahnärzte dieser Welt dieseDokumentation lesen, dann wissen wir auch,dass alle Zahnärzte aus Berlin diese Dokumen-tation lesen. Mit dieser Methodik der Intuitionund Deduktion trauen die Rationalisten ihremVerstand also sehr viel zu. Trotzdem gibt esauch einige Probleme, wenn man nur durchden Rationalismus wahre Erkenntnis erlangenwill. Woher wissen wir, dass wir uns auf unse-re Intuition verlassen können? Beispielsweisekann man in der Mathematik Sätze beweisen,die man intuitiv für falsch hält und umgekehrthat man sich jahrelang in der durch Intuitionerlangten Erkenntnis: „Alle wahren Sätze derMathematik sind beweisbar“ getäuscht. Auchist es schwierig in allen Naturwissenschaften Er-kenntnis zu erlangen, wenn man seinen Sinnennicht vertraut. So kann man z.B. in der Che-mie und der Physik keine Experimente machen,und in der Biologie die Natur nicht beobachten.

Das zuletzt genannte Problem der Rationalis-ten tritt bei den Empiristen nicht auf. Ihrer

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KURS 2 – LOGIK

Meinung nach sind die Sinne nämlich der einzi-ge Weg, umWissen und Erkenntnis zu erlangen.Ihre Methoden sind:

• Naturwissenschaftliche Beobachtung• Induktion

Naturwissenschaftliche Beobachtung bedeutetnatürlich nicht nur, dass man dem Gras beimWachsen zusieht, auch Experimente und Versu-che sind in dem Begriff mit eingeschlossen. DieInduktion ist ein nicht zwingender Schluss, d. h.man schließt von etwas Besonderem auf etwasAllgemeines. Um das zu verstehen, betrachtenwir folgendes, alltägliches Beispiel: Wir sehenjeden Tag, dass die Sonne aufgeht, deshalb sindwir uns ziemlich sicher, dass die Sonne am fol-genden Tag auch aufgehen wird. Aber es könnteja sein, dass die Sonne in fünf Minuten verglüht,dann würde sie morgen nicht mehr aufgehenund unser Schluss wäre falsch. Damit habenwir das erste Problem des Empirismus erkannt:Die Induktion ist nicht zwingend und daherkann man sich über die Wahrheit der damitformulierten Schlüsse nie sicher sein. Außerdembraucht man als Empirist trotzdem den Ver-stand um zu wahrer Erkenntnis zu gelangen,weil man die Informationen die man über dieSinne erlangt, ja auf irgendeine Art und Weiseverarbeiten und speichern muss.In unserem Kurs haben wir den langjährigenStreit zwischen den Empiristen und den Ra-tionalisten einmal selbst nachgestellt, indemwir uns zuerst nach Interessenlage in die zweiGruppen aufgeteilt haben. Während sich dieRationalisten mit dem Discours de la méthodepour bien conduire sa raison, et chercher lavérité dans les sciences von René Descartes be-schäftigten, lasen die Empiristen David HumesInquire concerning human understanding. Da-nach prallten beide Positionen aufeinander undes entstand eine hitzige Diskussion darüber, obEmpirismus oder Rationalismus die richtige er-kenntnistheoretische Position sei. Nach dieserDiskussion kamen wir zu dem Schluss, dasswir die beiden Wege zum Erlangen von Er-kenntnis miteinander verknüpfen müssen, umeine „Bedienungsanleitung für das Denken“ zuschreiben, mit der alle zufrieden sind. Doch aufdiese kamen wir erst später zurück, denn umunsere Bedienungsanleitung allgemein formu-

lieren zu können mussten wir uns erst über dieArt unseres Denkens klar werden – und dabeihalf uns Kant.

Immanuel Kant und die koperni-kanische Wende

Giulia Dovico

Immanuel Kant hatte Lea schon in ihrer Einfüh-rung in die Geschichte der Erkenntnistheorie zuBeginn der Akademie erwähnt. Nun kamen wirauf ihn zurück, um die Begriffe Wissenschaftund Metaphysik zu klären. Sämtliche Vorschlä-ge unserer Seite diese Begriffe zu definieren,stifteten eigentlich nur noch mehr Verwirrung.Im Bezug auf die Wissenschaft einigten wiruns auf: „Prozess methodisch betriebener For-schung.“ Außerdem hatten einige gelesen, dassdie Metaphysik eine philosophische Disziplinsei. Doch um was es in der Metaphysik geht,konnten wir uns nur Stück für Stück wie einPuzzle zusammenreimen. Die Metaphysik be-handelt die letzten großen Fragen wie die nachdem Sinn der Welt, beschäftigt sich mit eherschwammigen Begriffen wie Freiheit, Unsterb-lichkeit und Gott oder sucht nach Grundstruk-turen der Wirklichkeit. Wir waren alle etwaskonfus, vor allem weil die Physik uns als Wis-senschaft bekannt war, aber was hieß diesesMeta? Meta ist griechisch und bedeutet so-viel wie „hinter, nach“. Oft wird die Entste-hung des Begriffs auf eine bibliothekarischeOrdnung der Bücher von Aristoteles zurückge-führt. Dort fanden die Bücher, die sich mit denoben genannten Themen befassten, ihren Platzhinter denen zur Physik. Allerdings ist Physikeine Wissenschaft und die Metaphysik schiendie methodische Forschung, die jeder Wissen-schaft zugrunde liegt, nicht zu besitzen. Tat-sächlich war die Metaphysik vor Kant nur „einbloßes Herumtappen“ und keine wissenschaft-liche Disziplin. Der Königsberger Philosophhatte sich mit der Frage beschäftigt, wie Meta-physik als Wissenschaft möglich ist. Er veröf-fentlichte 1781 die Kritik der reinen Vernunft,in der er die Metaphysik neu begründete. Dennseine Untersuchungen ergaben, dass die tradi-tionelle Metaphysik, die nur auf Nachdenkenbasierte und damit subjektiv war, unmöglich

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KURS 2 – LOGIK

zu einem allgemein akzeptierbaren Ergebniskommen könne. Er wollte nun wissen, ob dieMöglichkeit für eine wissenschaftliche Meta-physik besteht. Gibt es Gesetzmäßigkeiten fürnicht physikalische Dinge wie den Verstand?Kant dachte über das Denken nach und zwarauf sehr überzeugende, weil methodische Artund Weise. Lea hatte uns einen Auszug aus derKleinen Geschichte der abendländlichen Meta-physik von Jörg Disse mitgebracht, in dem ersich auf Kant bezog, den wir zusammen lasen.Kant definiert Urteile, die die Wissenschaftlich-keit der Metaphysik garantieren sollen. DieseUrteile heißen synthetische Urteile a priori. Ur-teile a priori sind für Kant Urteile, die von allenSinneseindrücken unabhängig und vor aller Er-fahrung sind. Ein Beispiel für ein apriorischesUrteil ist 7 + 5 = 12. Dagegen sind Urteile aposteriori Urteile, die ihren Ursprung in Sinnes-eindrücken haben. Ein Beispiel dafür ist: „DasWasser gefriert bei 0 Grad Celcius.“ Aposterio-rische Urteile sind nicht zwingend (es könnteja sein, dass alle meine Beobachtungen, diemich auf den Gefrierpunkt des Wassers habenschließen lassen, nur zufällig immer null Gradergeben haben) und daher für Kant unbrauch-bar, denn er will gesicherte Erkenntnis erlangen.Ebenfalls ausgeschlossen werden analytischeUrteile, das Gegenteil von synthetischen Ur-teilen. Analytische Urteile sind solche, derenPrädikat schon im Subjekt enthalten ist unddie daher keine neuen Erkenntnisse liefern. Un-ser beliebtestes Beispiel war folgendes: „EinJunggeselle ist ein unverheirateter Mann.“ Indem Begriff „Junggeselle“ ist schon enthalten,dass es sich um einen unverheirateten Mannhandelt.Synthetische Urteile hingegen sind Urteile, diedurch Verknüpfung entstehen und Erkenntnis-se über das Subjekt zum Ausdruck bringen.Ein Beispiel ist: „Dieses Wasser enthält Bakte-rien.“ Nachdem diese Begriffe definiert wordenwaren, war uns die Sache aber kaum klarer.Stattdessen kamen wir nun zu dem Teil, fürdessen Inhalt Kant vor allem berühmt ist: Erversöhnte die beiden gegensätzlichen Strömun-gen des Empirismus und des Rationalismus.Der Streit dieser Positionen ist für Kant inAnbetracht des Erfolges der Naturwissenschaf-ten, die sich beider Quellen bedienen, schlicht

unangebracht. Er erklärt, dass nicht nur demVerstand, sondern auch den Sinneswahrneh-mungen apriorische Strukturen zu Grunde lie-gen und dass wir beide „Stämme der menschli-chen Erkenntnis“, wie er sie nennt, brauchen,um neue Erkenntnisse zu erlangen. Die Sinnebrauchen den Verstand, denn sonst können ihreReize nicht verarbeitet werden und die Informa-tion geht verloren. Und der Verstand brauchtdie Sinnlichkeit, um zum Beispiel den Begriff„Stuhl“ mit dem entsprechenden Gegenstandverbinden zu können. Aber welche apriorischeStrukturen liegen der sinnlichen Wahrnehmungdenn zu Grunde?

Hierzu ein Gedankenexperiment: Die Sinnlich-keit kann man mit einer Brille gleichsetzen, dieman immer auf der Nase hat und nicht abneh-men kann. Nicht abnehmen deshalb, weil unsnicht die Möglichkeit gegeben ist, von einemStandpunkt außerhalb unserer Wahrnehmungauf diese zu blicken. Nun beobachten wir, wel-che Strukturen immer in unseren Wahrnehmun-gen vorkommen. Hat die Brille zum Beispielrote Gläser, wird diese Farbe in allen unserenWahrnehmungen auftauchen und wir könnenauf die Struktur der Brille schließen, nämlichdass sie rote Gläser hat. Nun überlegten wiruns, welche Strukturen immer in unserer Wahr-nehmung auftauchen. Diese Strukturen sindZeit und Raum.

Aber wie wirken sich diese apriorischen Struk-turen auf unsere Vorstellung aus? Wenn wiruns eine Linie vorstellen, so stellen wir unsdiese Linie innerhalb eines Raumes vor, zumBeispiel auf einem Blatt Papier. Wir stellen unsauch die Zeit vor, die wir brauchen, um zweiPunkte zu einer Linie zu verbinden. Jemandwarf ein, dass man dann aber auch die Farbehinzunehmen müsse, schließlich stellt sich dochwohl jeder die Linie in einer Farbe vor. Mauriceargumentierte dagegen: Er begründete es phy-sikalisch, indem er zu bedenken gab, dass dieVoraussetzung für Farbe Licht sei und wennes nur Zeit und Raum gebe, dann könne manohne Licht nur alles schwarz sehen und schwarzsei keine Farbe.

Nachdem wir alle Unklarheiten beseitigt unduns noch einmal ins Gedächtnis gerufen hatten,was synthetisch und a priori bedeutet, wagten

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KURS 2 – LOGIK

wir uns nach einer kleinen Pause an den letztenTeil mit dem verwirrenden Titel Transzenden-tale Deduktion.Transzendental ist die Erkenntnis, die sich mitunserer Erkenntnisart von Gegenständen be-schäftigt (nicht zu verwechseln mit transzen-dent also dem, was über unsere Erkenntnismög-lichkeiten hinausgeht) und transzendentale De-duktion ist das Einordnen der Wahrnehmungenin den Verstand.

In diesem Teil lernten wir ein Begriffsmonstrumkennen, das bald zu unserem Lieblingswort wur-de, die transzendentale Einheit der Apperzep-tion. Laut Kant gibt es in uns eine Einheit,die mehrere Urteile, die wir uns gebildet ha-ben, mit verschiedenen Kategorien verbindet,sie also in eine Art Schubladen einordnet. Die-se Kategorien sind die apriorischen Strukturendes Verstandes und damit auch die Vorausset-zung für allgemeine und notwendige Erkenntnis.Ein Beispiel: Eine Kategorie ist die der Kau-salität. Wenn man sagt: „Der Kaffee ist kalt,weil er schon so lange da steht“, dann könnenunsere Sinne den Kaffee und die Kälte erken-nen und der Verstand erinnert sich daran, dasser schon lange da steht. Die kausale Verknüp-fung der beiden Aussagen (das „weil“ im Satz,wenn man so möchte), hat aber irgendetwasjenseits der beiden Erkenntnisquellen eingefügt:die transzendentale Einheit der Apperzeption.Dann kann der Verstand erkennen, dass daslange Dastehen der Grund für das Kaltwerdendes Kaffees war.Und dann begriffen wir endlich, was syntheti-sche Urteile a priori sind: Es sind durch unsereSinneswahrnehmung entstandene synthetischeUrteile, die durch die transzendentale Einheitder Apperzeption in die apriorischen Struktu-

ren unseres Verstandes eingeordnet und somitallgemein und notwendig werden. Allgemeinheißt, dass die transzendentale Einheit der Ap-perzeption nie an Gültigkeit verliert, weil siesich niemals ändert. Heute wissen wir, dassunser Wahrnehmungsapparat sich im Laufe un-serer Kindheit weiterentwickelt und keinesfallsvon Anfang an vollständig ausgebildet ist. Kantwusste das noch nicht und ging davon aus, dassMenschen mit begrenzten Wahrnehmungsmög-lichkeiten einfach Strukturen der Erkenntnisfehlen. Notwendig heißt, dass sie zwingend sosein muss und nicht anders sein kann.Ein Beispiel für ein synthetisches Urteil a prio-ri wäre somit das Urteil „Der Junggeselle isthübsch.“ Dieses ist ein synthetisches Urteil, weildie Definition von Junggeselle nicht beinhaltet,dass er hübsch ist. Und es ist apriorisch, weil eswie jede andere Wahrnehmung in eine Struk-tur des Verstandes eingeordnet wurde (die derQualität) und auch noch existiert, wenn diebetreffende Person schon vorbei gelaufen ist.Wir hatten durch den Text erfahren, dass dieKategorien des Verstandes die Bedingung derMöglichkeit für objektive Erkenntnis sind, esaber ohne die Sinne auch nicht geht. Nun ver-suchten wir, eine Art Bedienungsanleitung fürdas Denken aufzustellen. Wir kamen auf einnicht besonders zufrieden stellendes Ergebnis,nämlich, dass es verteufelt schwer ist denkendherauszufinden, wie das Denken funktioniert.Hier unser erster Versuch:

1. Augen auf und Hirn einschalten.2. Weitere Erkenntnisse durch Logik erschlie-

ßen.3. Lass Deine transzendentale Einheit der Ap-

perzeption die Mannigfaltigkeit der sinnli-chen Wahrnehmung zu Begriffen zusammen-fassen und damit notwendige und allgemeineUrteile formen.

Aber als wir unsere Anleitung an Beispielenausprobierten, kamen wir ziemlich schnell an ei-ne unüberwindbare Grenze. Den dritten Punktwollten wir nicht antasten, aber manchmal rei-chen die Augen allein nicht und manche lo-gischen Schlüsse, wie die Induktion, sind sub-jektiven Ursprungs. Wie hat Kant das nur ge-schafft?

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KURS 2 – LOGIK

Kants Kritik der reinen Vernunft, wobei mitKritik hier Untersuchung gemeint ist, war re-volutionär. Durch sie wurde die sogenanntekopernikanische Wende der Philosophie ausge-löst. Nicht die Erkenntnis sollte sich nach denGegenständen, sondern die Gegenstände nachden Strukturen unserer Erkenntnis richten. Die-se 180-Grad-Wende in der Philosophie trägtdeshalb den Namen des berühmten Astronoms,weil man die beiden Systeme gut miteinandervergleichen kann. So wie laut Kopernikus diePlaneten um die Sonne kreisen, so kreisen beiKant die erkannten Gegenstände um den Ver-stand, aber nur so, wie wir sie erkannt haben,sie müssen nicht wirklich so sein.Es bleibt nur noch die Frage, wie man auf solcheGedanken kommt. Aber da müssten wir Kant,glaube ich, selbst fragen können.

Was ist Wahrheit?Lennard Franz

Das Ziel aller Wissenschaften ist es, die Wahr-heit zu finden. Die Religionen meinen, die Wahr-heit bereits zu kennen. Zwischen Menschenspielt die Wahrheit auch eine sehr große Rolle.In unserem Kurs sind wir auf die Frage: „Wasist Wahrheit?“ gestoßen, als wir gerade überdie wahre Erkenntnis diskutierten. Wir habenüber diese Frage viel diskutiert, und wir ka-men zu dem Schluss, uns mit verschiedenenWahrheitstheorien beschäftigen zu wollen.Jeweils zu dritt beschäftigten wir uns mit einerWahrheitstheorie. Die Gruppen recherchiertenund diskutierten intern, bis jede Gruppe ihreWahrheitstheorie vorstellen konnte. Los ging esmit derKorrespondenztheorie der Wahrheit, diebesagt, dass Aussagen genau dann wahr sind,wenn sie mit der Realität übereinstimmen (kor-respondieren). Wenn also die Tatsache mit derAussage übereinstimmt, dann ist die Aussagenach der Korrespondenztheorie wahr. Zum Bei-spiel: Die Aussage „Das Auto ist grün“ ist dannwahr, wenn das Auto grün ist. So weit so gut,aber in unserem Kurs kam dabei die Frage auf,was passiert, wenn jemand rot-grün blind ist.Dann würde er es doch nicht für die Wahrheithalten, dass das Auto grün ist. Die Aussagewürde nicht mit seiner Realität übereinstim-

men und er wäre der Meinung, dass sie falschist. Oder wenn zum Beispiel jemand sagt: „Sieliebt mich“ und davon überzeugt ist, dann hälter es auch für die Wahrheit, obwohl es vielleichtgar nicht stimmt. Wahrheit ist also ein subjek-tiver Begriff. Das löste eine lange Diskussionaus, an deren Ende wir zu dem Schluss kamen,dass Wahrheit objektiv sein sollte. Wir warenmit dem Ergebnis dieser Diskussion solangezufrieden, bis die nächste Gruppe eine weite-re Wahrheitstheorie in den Raum stellte – diesprachorientierte Wahrheitstheorie.

Für sprachorientierte Wahrheitstheorien gehtWahrheit nicht aus dem Denken oder der Kor-respondenz mit der Realität hervor, sondernWahrheit ist eine Eigenschaft von sprachlichenGebilden. Im Satz „Das Auto ist grün“ stehtdann nicht die Farbe des Autos zur Debat-te, sondern die Sprache mit der diese Aussa-ge getroffen wird. Alfred Tarski gründete dieeinflussreichste unter den sprachlichen Wahr-heitstheorien, die semantische Wahrheitstheo-rie: Damit man Aussagen mit Wahrheitswertenbelegen kann, muss man die Sprache hierarchi-sieren. Man benötigt eine Sprache, mit der man

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KURS 2 – LOGIK

über Sprache sprechen kann, deshalb trennte erdie Sprache in Metasprache und Objektsprache.Nach der Vorstellung dieser Wahrheitstheoriewaren viele unter uns ein wenig hilflos, wasdenn nun Wahrheit ist. Gerade eben waren wiruns darüber einig geworden, dass Wahrheit einobjektiver Begriff ist und jetzt merkten wir,dass man Wahrheit auch von einer ganz ande-ren Seite betrachten kann.

Die nächste Wahrheitstheorie brachte uns wie-der ein Stück unserer Diskussionsfreudigkeitund der Überzeugung, der richtigen Meinungzu sein, zurück – die Kohärenztheorie der Wahr-heit. Wenn eine Aussage Teil eines kohärentenSystems von Aussagen ist, dann ist sie nachder Kohärenztheorie wahr. Das heißt, dass einSatz, wenn er in eine inhaltlich zusammenhän-gende Gesamtmenge von Sätzen widerspruchs-los passt, wahr ist. Bei vielen von uns traf dasauf Unverständnis, denn es kann sein, dass ei-ne Aussage in der einen Theorie wahr, in deranderen aber falsch ist.

Daraufhin wurde uns von der nächsten Grup-pe die pragmatische Wahrheitstheorie vorge-stellt, deren Vertreter davon überzeugt sind,dass die Handlung das Kriterium ist, dem derWahrheitsanspruch genügen muss. Im Klartext:Wenn das, was wir basierend auf der Satzaussa-ge tun, etwas Brauchbares hervorbringt, dannist es wahr. Ähnlich ist die Vorgehensweisein der Wissenschaft, weil Theorien solange alswahr angesehen werden, bis man sie widerlegt.Aber könnten dann nicht auch falsche Aussa-gen nützlich sein? Ja, und deshalb haben wirauch dieser Wahrheitstheorie nicht zugestimmt,da Nutzen für uns nicht gleichbedeutend mitWahrheit ist.

Zu guter Letzt wurde uns die Konsenstheo-rie der Wahrheit vorgestellt. Eine Aussage istihr zufolge dann wahr, wenn ein Konsens überihre Wahrheit besteht. Dieses Konzept funktio-niert aber nur, wenn jedes Mitglied des Zusam-menschlusses, der über die Wahrheit einer Aus-sage bestimmt, die jeweilige Sprache beherrscht,sich in dem entsprechenden Gebiet auskenntund auch den Willen hat, etwas Sinnvolles aus-zuarbeiten. Aber wieso sollte dieser Zusam-menschluss Recht haben? Daraufhin bildetensich in unserem Kurs zwei Meinungen heraus:

Einerseits kann eine Aussage nicht per Abstim-mung wahr gemacht werden, da die Menschen,die im Konsens über die Wahrheit einer Aussa-ge sind, selbst vielleicht gar nicht wissen, waswahr ist oder nicht. Andererseits kann eineAussage allgemein nachvollziehbar oder zumin-dest sehr wahrscheinlich sein und deshalb vonvielen Menschen als wahr akzeptiert werden.Insgesamt zeigte sich, dass die Wahrheit ehersubjektiv geprägt ist und wir nicht mehr von ei-nem objektiven Begriff ausgehen können. Nacheiner letzten, ausführlichen Diskussion fandenviele von uns die Korrespondenztheorie am ein-leuchtensten und plausibelsten. Doch das warfeine neue Frage bei uns auf: Die Korrespon-denztheorie sagt, dass Aussagen dann wahrsind, wenn sie mit der Realität übereinstim-men, doch wie können wir beweisen, dass das,was wir für die Realität halten, auch wirklichdie Realität ist (vgl. grünes Auto)? Diese Fra-ge wurde weiter oben bereits im Rahmen derErkenntnistheorie aufgegriffen.

Mathematische BeweiseGregor Englert

Neben dem Kennenlernen und der Einführungin die Philosophie von Aristoteles beschäftigtenwir uns während des Eröffnungswochenendesmit verschiedenen mathematischen Beweistech-niken, die uns im Sommer als Handwerkszeugfür den mathematischen Teil unseres Kursesdienten. So lernten wir innerhalb weniger Kurs-stunden fünf unterschiedliche Verfahren ken-nen, mit denen wir sowohl einfache, als auchkomplexe mathematische Sachverhalte bewei-sen konnten.

Der direkte Beweis

Beim direkten Beweis wird die zu zeigendeAussage durch Umformungen aus den Voraus-setzungen und bereits bekannten Aussagen ge-wonnen.Beispiel: Sind a und b ungerade natürliche Zah-len, so ist a+ b gerade.Beweis: Da a und b ungerade sind, können wir

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KURS 2 – LOGIK

auch schreiben

a = 2m+ 1, b = 2n+ 1,

wobei m und n natürliche Zahlen sind. Hierausfolgt

a+ b = (2m+ 1) + (2n+ 1)= 2m+ 2n+ 2 = 2(m+ n+ 1)

Folglich muss a+ b gerade sein, da man2(m+ n+ 1) durch 2 teilen kann.

Der indirekte Beweis

Durch das Beweisen der logischen Umkehrungeines Satzes wird der Satz selbst bewiesen. Füreinen Satz wie „Wenn es regnet, ist die Straßenass“ ist die logische Umkehrung „Die Straßeist nicht nass, also regnet es nicht“.Beispiel: Eine vollkommene Zahl (das ist eineZahl, die gleich der Summe ihrer echten Teilerist, wie 6 = 1 + 2 + 3) ist nicht prim.Beweis: Wir zeigen die logische Umkehrung,also, dass eine Primzahl nicht vollkommen ist.Sei p eine Primzahl. Dann ist 1 der einzigeechte Teiler. Da 1 aber keine Primzahl ist, istp nicht vollkommen.

Der Widerspruchsbeweis

Beim Widerspruchsbeweis wird eine Aussagegezeigt, indem durch die Annahme ihres Ge-genteils ein logischer Widerspruch abgeleitetwird.Beispiel:

√2 ist irrational.

Beweis: Angenommen√

2 ist rational, also√

2 = p

q,

wobei p und q 6= 0 ganze und teilerfremde Zah-len sind (sonst kann man den Bruch kürzen).Es folgt

2 = p2

q2 ⇒ 2q2 = p2.

Hieraus folgt, dass p2 und somit auch p selbsteine gerade Zahl ist, also p = 2k. Es folgt

2q2 = p2 = 4k2 ⇒ q2 = 2k2.

Somit ist q2 und damit auch q gerade. Da aberp und q teilerfremd sind, folgt ein Widerspruch!Folglich ist

√2 irrational.

Der Äquivalenzbeweis

Als viertes lernten wir den Äquivalenzbeweiskennen, mit dem ein Satz wie „Eine Zahl istgenau dann gerade, wenn ihr Quadrat geradeist“ bewiesen werden kann. Bei solch einemSatz muss man nicht nur beweisen, dass, wenneine Zahl gerade ist, auch ihr Quadrat geradeist, sondern auch, dass, wenn das Quadrat gera-de ist, auch die Zahl selbst gerade ist. Den Satzselbst kann man durch zwei einfache Überle-gungen schnell beweisen.Zu beweisen ist: n gerade ⇔ n2 gerade. Jetztsind beide Richtungen des Äquivalenzpfeils zuzeigen:

1) „⇒“: n gerade ⇒ n2 gerade

n = 2m ⇒ n2 = (2m)2

= 4m2 = 2 · 2m2 = 2k,

also ebenfalls eine gerade Zahl.2) „⇐“: n gerade ⇐ n2 gerade

Diese Aussage kann indirekt gezeigt werden:Sei n = 2m+ 1 ungerade. Dann ist

n2 = (2m+ 1)2 = 4m2 + 4m+ 1= 2(2m2 + 2m) + 1 = 2k + 1,

also eine ungerade Zahl.

Die vollständige Induktion

Diese Beweisart war die anspruchsvollste, diewir in der kurzen Zeit des Eröffnungswochenen-des kennen gelernt haben. Sie kann angewendetwerden, wenn eine Aussage für alle natürlichenZahlen n gezeigt werden soll. Beim Induktions-anfang wird die Aussage für das kleinstmöglichen gezeigt. Im Induktionsschritt nimmt man an,dass die Aussage für ein beliebiges n bereitsgilt und folgert daraus, dass die Aussage auchfür n+ 1 wahr ist.

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KURS 2 – LOGIK

Beispiel: Die Summe der ersten n ungeradenZahl ist n2, also

1 + 3 + 5 + . . .+ (2n− 1) = n2.

Induktionsanfang: n = 1: 1 = 12.

Induktionsannahme: Es gelte

1 + 3 + 5 + . . .+ (2n− 1) = n2

für ein n.Induktionsschritt:

1 + 3 + 5 + . . .+ (2n− 1) + (2(n+ 1)− 1)

= n2 +(2(n+1)−1) = n2 +2n+1 = (n+1)2

Wie sich während der Sommerakademie heraus-stellte, waren die Beweistechniken, die wir amEröffnungswochenende kennengelernt haben,die entscheidenden Werkzeuge für den Mathe-matikteil unseres Kurses. Daher bestand eingroßer Teil der Aufgabenblätter, die wir zwi-schen dem Eröffnungswochenende und der Som-merakademie bearbeitet haben, aus verschie-denen Übungen zu diesen Beweisarten. DiesesWissen wird uns aber sicherlich auch für unsereweitere Zukunft in der Schule von Nutzen sein,da dort die Beweise, die hinter den behandeltenSätzen und Regeln stehen, meist vernachläs-sigt werden. Während der Sommerakademiebenötigten wir diese Beweistechniken für dieAussagenlogik und für unsere Überlegungenzur Unendlichkeit, die im nächsten Abschnittvorgestellt werden.

UnendlichkeitSebastian Wössner

Gibt es eigentlich mehr ganze Zahlen oder mehrnatürliche Zahlen? Beide Zahlenmengen habenunendlich viele Elemente, aber die ganzen Zah-len enthalten die natürlichen Zahlen und nochalle negativen ganzen Zahlen dazu. Trotzdemgibt es von beiden Mengen gleich viele Elemen-te. Das kann man zeigen, indem man jederganzen Zahl eine natürliche Zahl zuordnet undumgekehrt:

Natürliche Zahlen Ganze Zahlen0 01 12 −13 24 −25 36 −3. . . . . .

In diesem System wird garantiert jede ganzeund jede natürliche Zahl genau einmal vorkom-men. Folglich umfassen beide Mengen genaugleich viele Elemente. Eine solche unendlicheMenge, bei der jedem Element genau eine na-türliche Zahl zugeordnet werden kann, heißtabzählbar unendlich.Auch die Menge der rationalen Zahlen ist ab-zählbar unendlich. Alle rationalen Zahlen sindals Brüche darstellbar. In dieser Tabelle wirdnun von einem Bruch zum nächsten abgezählt,indem man in der oberen Zeile anfängt unddann diagonal nach links bis zum linken Randdurchzählt. Die Brüche, die in gekürzter Formbereits gezählt wurden, werden nicht mehr mit-gezählt.

11

21

31

41

51 . . .

12

22

32

42

52 . . .

13

23

33

43

53 . . .

14

24

34

44

54 . . .

15

25

35

45

55 . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . .

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KURS 2 – LOGIK

Somit erhält man eine Abzählung aller positi-ven Brüche. Diese wird nun um die 0 und diejeweiligen Gegenzahlen der Brüche erweitert:

Natürliche Zahlen Rationale Zahlen

0 0

1 11

2 −11

3 21

4 −21

5 12

6 −12

. . . . . .

Die Menge der reellen Zahlen ist allerdingsnicht abzählbar unendlich. Dies kann man be-weisen, indem man zeigt, dass schon alle re-ellen Zahlen größer 0 und kleiner oder gleich1 nicht abzählbar sind. Alle Zahlen zwischen0 und 1 sind als Dezimalzahlen mit unend-lich vielen Nachkommastellen darstellbar (z. B.1 = 0,999999 . . . oder 0,25 = 0,249999 . . .). Indiesem Fall beginnen diese Zahlen alle mit ei-ner 0 vor dem Komma. Angenommen, diesereellen Zahlen wären abzählbar, dann könnteman sie nacheinander auflisten:

a1 = 0, a11 a12 a13 a14 a15 . . .

a2 = 0, a21 a22 a23 a24 a25 . . .

a3 = 0, a31 a32 a33 a34 a35 . . .

. . .

Es lässt sich aber eine reelle Zahl konstruieren,die in dieser Aufzählung nicht vorkommt unddeshalb beweist, dass die Aufzählung unvoll-ständig ist. Die Nachkommastellen der Zahl

b = 0, b1 b2 b3 b4 b5 . . .

werden so gewählt, dass die Ziffer b1 ungleichder Ziffer a11 und ungleich 0 ist. Die Ziffer b2

wird so gewählt, dass sie nicht der Ziffer a22 ent-spricht und ungleich 0 ist u. s. w. Es gibt jeweilsmindestens 8 verschiedene Möglichkeiten dieZiffer bn so zu wählen, dass sie nicht der Zifferann entspricht und von 0 verschieden ist. Somitunterscheidet sich die erste Nachkommastellevon b von der ersten Nachkommastelle von a1in der Auflistung und die n-te Nachkommas-telle von b unterscheidet sich von der n-tenNachkommastelle der Zahl an. Die Annahme,dass die Liste alle reellen Zahlen zwischen 0und 1 enthält, führt zu einem Widerspruch,folglich sind alle reellen Zahlen zwischen 0 und1 nicht abzählbar. Wenn nun alle Zahlen zwi-schen 0 und 1 nicht abzählbar sind, kann dieMenge der reellen Zahlen nicht abzählbar sein.

Um uns zu überlegen, welche Mengen ebenfallsabzählbar sind, betrachteten wir das Hilbert-sche Hotel. Dieses Hotel hat unendlich vieleZimmer, genauer gesagt abzählbar unendlichviele Zimmer, die alle durchnummeriert sind.Eines Abends sind alle Zimmer belegt, dochein weiterer Gast möchte noch ein Zimmer.Das Hotel ist zwar voll, kann den Gast abertrotzdem noch aufnehmen und zwar folgender-maßen: Jeder Gast zieht in das Zimmer mit dernächst höheren Zimmernummer. Der Gast ausZimmer 1 geht in Zimmer 2, der aus Zimmer 2in Zimmer 3 u. s. w. Dies ist möglich, weil dasHotel unendlich viele Zimmer hat und es fürjede Zimmernummer eine nächsthöhere Zim-mernummer gibt. Nun kann der neue Gast inZimmer 1 übernachten.

Als nächstes fährt ein Bus mit abzählbar un-endlich vielen Insassen vor. Hierfür wird eineneue Lösung benötigt, schließlich können dieHotelgäste nicht unendlich viele Zimmer weiter-ziehen. Jeder Gast erhält die Anweisung, in dasZimmer mit der doppelten Zimmernummer sei-nes aktuellen Zimmers zu gehen. Somit werdenalle Räume mit ungerader Nummer frei. Dererste neue Gast zieht in Zimmer 1, der zwei-te in Zimmer 3 u. s. w. und alle neuen Gästebekommen ein neues Zimmer.

Selbst wenn abzählbar viele Busse mit jeweilsabzählbar vielen Gästen vorfahren, findet derHoteldirektor eine Möglichkeit, alle neuen Gäs-te in seinem Hotel unterzubringen. Überlegen

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KURS 2 – LOGIK

Sie doch einmal selbst, wie das gehen könnte!1

Die Überlegungen zur Unendlichkeit stelltenwir an, um zu zeigen, dass die Menge der aus-sagenlogischen Formeln abzählbar ist. DieseEigenschaft haben wir bei dem Beweis des Voll-ständigkeitssatzes verwendet.

AussagenlogikAnna Wackerow

Im aussagenlogischen Teil unseres Kurses be-schäftigten wir uns damit, auf welche Weiseelementare Aussagen miteinander verknüpftwerden können. Eine elementare Aussage indiesem Sinne sind beispielsweise die Sätze „Esregnet“ oder „Die Straße ist nass.“ , die über dieWenn-dann-Beziehung „Wenn es regnet, dannist die Straße nass“ zu einer komplexeren Aus-sage verknüpft werden können. Hierbei ist dieAussage „Es regnet“ hinreichend dafür, dassdie Straße nass ist und dass die Straße nass ist,ist notwendig dafür, dass es regnet.Um solche Zusammenhänge allgemein auszu-drücken, definierten wir die Menge der aussa-genlogischen Formeln wie folgt:

1. Die Aussagevariablen A,B,C, . . . und A1,A2, A3, . . . sind aussagenlogische Formeln.

2. Ist ϕ eine aussagenlogische Formel, so auchihre Negation ¬ϕ.

3. Sind ϕ und ψ aussagenlogische Formeln, soauch die Implikation ϕ → ψ (lies: ϕ im-pliziert ψ), die Äquivalenz ϕ ↔ ψ (lies: ϕgenau dann wenn ψ), die Konjunktion ϕ∧ψ(lies: ϕ und ψ) und die Disjunktion ϕ ∨ ψ(lies: ϕ oder ψ).

4. Das sind alle aussagenlogischen Formeln.1Lösung zur Hilbert-Hotel-Aufgabe: Jeder bishe-

rige Gast zieht in das Zimmer mit doppelter Num-mer. Die Busse werden mit den ungeraden Primzahlenp = 3, 5, 7, 11 u. s. w. und die Insassen der Busse mitden natürlichen Zahlen n = 1, 2, 3, 4 u. s. w. durchnum-meriert. Jeder Fahrgast potenziert die Nummer seinesBusses p mit seiner Platznummer n und zieht dann indas Zimmer mit der Nummer pn. Dabei bleiben zwarunendlich viele Zimmer frei, wie z. B. Zimmer 15, aberder Hoteldirektor ist sich sicher, dass ohnehin noch wei-tere Gäste an diesem Abend ankommen werden. DiesesSystem setzt voraus, dass es unendlich viele Primzah-len gibt, was wir während des Eröffnungswochenendesbewiesen hatten.

Negation, Implikation, Äquivalenz, Konjunkti-on und Disjunktion kann man in einer Formelbeliebig oft kombinieren. So sind zum Beispielfolgende Ausdrücke nach unserer Definition aus-sagenlogische Formeln:

• A

• ¬B• ((¬¬A ∨B) ∧ (B → C))↔ D

Für alle aussagenlogische Formeln und damitinsbesondere für die Aussagevariablen geltendie Prinzipien der klassischen Logik:

1. Es gibt genau zwei Wahrheitswerte: wahr„W“ und falsch „F“.

2. Jede Aussage hat höchstens einen Wahr-heitswert (Satz vom Widerspruch).

3. Jede Aussage hat mindestens einen Wahr-heitswert (Satz vom ausgeschlossenen Drit-ten).

4. Bivalenzprinzip: Jede Aussage ist entwederwahr oder falsch (Zusammenfassung der ers-ten drei Punkte).

Mit Hilfe von Wahrheitstabellen können dieWahrheitswerte von zusammengesetzten For-meln ausgerechnet werden. Hierbei werden inden ersten Spalten der Wahrheitstabelle alle inden Formeln vorkommenden Aussagevariablennotiert. In die weiteren Spalten schreibt mandie zusammengesetzten Formeln, deren Wahr-heitswerte man bestimmen will. In den Zeilenwerden jeweils alle Kombinationen von Wahr-heitswerten der in den Formeln vorkommendenAussagevariablen aufgelistet. Eine solche Kom-bination nennt man Belegung. Die folgendenbeiden Wahrheitstabellen definieren, wie sichdie Wahrheitswerte unter Anwendung der obendefinierten Junktoren verhalten:

A ¬AW FF W

A B A→ B A↔ B A ∧B A ∨BW W W W W WW F F F F WF W W F F WF F W W F F

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KURS 2 – LOGIK

Mit Hilfe der folgenden Wahrheitstabelle wer-den die Wahrheitswerte von drei aussagenlogi-schen Formeln unter allen möglichen Belegun-gen ihrer Aussagevariablen bestimmt:

A B A →(B → A)

A ∧ ¬A ¬A ∨ B

W W W F WW F W F FF W W F WF F W F W

Hierbei zeigt sich, dass es Formeln gibt, dieunabhängig von ihrer Belegung immer wahroder immer falsch sind. Solche Formeln erfor-dern unsere besondere Aufmerksamkeit: EineFormel ϕ heißt allgemeingültig, wenn sie un-ter allen Belegungen der in ihr vorkommendenAussagevariablen wahr ist. Eine Formel ϕ heißtwidersprüchlich, wenn sie unter allen Belegun-gen der in ihr vorkommenden Aussagevaria-blen falsch ist. Eine Formel ϕ heißt erfüllbar,wenn sie nicht widersprüchlich ist, d. h. wennes mindestens eine Belegung gibt, unter dersie wahr ist. Jede allgemeingültige Formel isterfüllbar. Zudem zeigen die Tabellen, dass esFormeln gibt, die unter den gleichen Belegun-gen, die gleichen Wahrheitswerte annehmen.Solche Formeln nennt man logisch äquivalent

¬A ∨B ≡ A→ B.

Während des Kurses im Sommer haben wir so-gar gezeigt, dass es zu jeder aussagenlogischenFormel ϕ eine logisch äquivalente Formel ψgibt, in der nur die Negation ¬ und das logi-sche oder ∨ vorkommen.„Alle wahren Aussagen in der Aussagenlogiksind beweisbar.“ Diesen Satz zu zeigen warunser Kursziel im Bereich Aussagenlogik undBeweisbarkeit. Doch wie kann man eine solcheAussage überhaupt beweisen?Zunächst mussten wir definieren, was Wahr-heit im aussagenlogischen Sinn bedeutet: Seiϕ eine Formel und T eine möglicherweise un-endliche Menge von Formeln, so folgt ϕ logischaus T (man sagt auch ϕ ist wahr unter denVoraussetzungen T ), wenn ϕ immer dann wahrist, wenn alle Formeln in T wahr sind. Man

schreibt dann

T � ϕ.

Für allgemeingültige Formeln, die unabhängigvon jeder Voraussetzung immer wahr sind, gilt

� ϕ.

Für den Beweis des Vollständigkeitssatzes ver-wendeten wir den Satz über Folgerung undErfüllbarkeit, den wir an dieser Stelle bewie-sen:

T � ϕ⇔ T ∪ {¬ϕ} ist nicht erfüllbar

bzw.

T 2 ϕ⇔ T ∪ {¬ϕ} ist erfüllbar

Eine Formelmenge T heißt erfüllbar, wenn eseine Belegung gibt, die alle Formeln in T gleich-zeitig wahr macht.

Beweisbarkeit und Vollständig-keitssatz

Maurice Reichert

Nachdem wir uns im vorangegangenen Ab-schnitt mit der Wahrheit im aussagenlogischenSinne beschäftigt haben, mussten wir jetzt de-finieren, was Beweisbarkeit bedeutet: Eine For-mel ϕ heißt bewiesen unter einer Menge vonVoraussetzungen T , wenn wir eine Folge vonFormeln ϕn aufschreiben können, sodass dieletzte Formel ϕn = ϕ ist und alle vorherigenFormeln entweder dem Axiom ¬ϕ∨ϕ oder einerder Formeln aus der Voraussetzungsmenge Tentsprechen, oder durch Anwendung einer derfolgenden vier Regeln aus vorher aufgeschrie-benen Formeln hervorgehen:

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KURS 2 – LOGIK

• Die Expansion (E):

ψ ` ϕ ∨ ψ

(Lies: ψ beweist ϕ ∨ ψ)• Die Assoziativität (A):

ϕ ∨ (ψ ∨ η) ` (ϕ ∨ ψ) ∨ η

• Die Kürzung (K):

ϕ ∨ ϕ ` ϕ

• Der Schnitt (S):

ϕ ∨ ψ,¬ϕ ∨ η ` ψ ∨ η

Die Formeln ϕ,ψ und η stehen hierbei für Platz-halter, die durch beliebige aussagenlogische For-meln ersetzt werden können. Mithilfe diesesAxiomensystems bewiesen wir weitere Regeln,wie die Kommutativität

ϕ ∨ ψ ` ψ ∨ ϕ,

den Modus ponendo ponens

ϕ,ϕ→ ψ ` ψ,

den Satz über die Negation

ϕ ` ¬¬ϕ

und viele mehr. Als Beispiele seien die Beweisefür die Kommutativität und den Modus ponen-do ponens an dieser Stelle aufgeführt:Beweis der Kommutativität ϕ ∨ ψ ` ψ ∨ ϕ:Aus der Voraussetzung

ϕ ∨ ψ

und dem Axiom

¬ϕ ∨ ϕ

folgt mit Anwendung der Regel (S)

ψ ∨ ϕ.

Beweis des Modus ponendo ponens

ϕ,ϕ→ ψ ` ψ :

Aus der Voraussetzung ϕ lässt sich durch An-wendung der Regel (E)

ψ ∨ ϕ

ableiten und daraus durch Anwendung der vor-her bewiesenen Kommutativitätsregel

ϕ ∨ ψ.

Zusammen mit der Voraussetzung

ϕ→ ψ ≡ ¬ϕ ∨ ψ

ergibt sich durch die Regel (S)

ψ ∨ ψ

und damit durch Anwendung der Regel (K)

ψ.

Bei dem Beweis eines Satzes können die Re-geln, die zuvor bewiesen wurden, verwendetwerden. Auf diese Weise lassen sich ein struk-turiertes Regelsystem aufbauen und komplexeBeweise innerhalb der Aussagenlogik führen.Neben den Beweisen für die anderen drei Modizeigten wir, dass man aus einem Widerspruchalles beweisen kann. Aussagenlogisch lässt sichdieser Satz folgendermaßen darstellen:

¬ϕ,ϕ ` ψ

Beweis: Aus der Voraussetzung ¬ϕ ergibt sichdurch die Regeln (E) und die Kommutativität

¬ϕ ∨ ψ ≡ ϕ→ ψ.

Aus der zweiten Voraussetzung ϕ und demoben gezeigten Modus ponendo ponens ergibtsich ψ.Da ψ eine beliebige Formel ist, lässt sich ausdem Widerspruch, dass ¬ϕ und ϕ gilt, allesfolgern!Nachdem wir durch das Führen einiger Beweiseinnerhalb der Aussagenlogik mit dem Begriffder Beweisbarkeit immer vertrauter wurden,bewiesen wir, dass alle beweisbaren Aussagenauch logisch wahr sind – den Korrektheitssatz.

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KURS 2 – LOGIK

Wir führten diesen Beweis mit einer Induk-tion über den Aufbau der aussagenlogischenBeweise, in dem wir zeigten, dass logisch wah-re Aussagen durch Anwendung der vier Ablei-tungsregeln wieder in logisch wahre Aussagenumgeformt werden.Um nun zu unserem Kursziel, dem Vollstän-digkeitssatz „Alle wahren Aussagen der Aus-sagenlogik sind beweisbar“ näher zu kommen,zeigten wir einige Hilfssätze, aus denen wir amEnde den Beweis konstruierten.Als erstes definierten wir den Begriff der Kon-sistenz: Eine Satzmenge T heißt konsistent,wenn es einen Satz ϕ gibt, der nicht aus T be-wiesen werden kann. Dies ist gleichbedeutenddamit, dass es keinen Satz ϕ gibt, sodass ϕund seine Negation ¬ϕ aus T bewiesen werdenkönnen.Für den Beweis des Satzes über Beweisbarkeitund Konsistenz

T ` ϕ⇔ T ∪ {¬ϕ} ist inkonsistent

bzw.

T 0 ϕ⇔ T ∪ {¬ϕ} ist konsistent

benötigten wir das Deduktionstheorem, das denmetasprachlichen Begriff der Beweisbarkeit `mit dem aussagenlogischen Implikationspfeil→ verknüpft:

T ` ϕ→ ψ ⇔ T ∪ {ϕ} ` ψ

Nun fehlte uns für den Beweis des Vollständig-keitssatzes lediglich zu zeigen, dass eine kon-sistente Satzmenge T erfüllbar ist, es also eineBelegung aller in T vorkommenden Aussagenva-riablen gibt, die alle Formeln von T gleichzeitigwahr macht. Nachdem wir mit vielen Mühensolch eine Belegung konstruiert hatten, konnteder Beweis des Vollständigkeitssatzes

T � ϕ⇒ T ` ϕ

durch logische Umkehrung gezeigt werden:

T 0 ϕ⇒ T ∪ {¬ϕ} ist konsistent

⇒ T ∪ {¬ϕ} ist erfüllbar ⇒ T 2 ϕ.

Da wir mit dem Korrektheitssatz die Rück-richtung des Folgepfeils bewiesen haben, giltschlussendlich

T � ϕ⇔ T ` ϕ.

Gödels UnvollständigkeitssatzGiulia Dovico

David Hilbert hatte 1921 verlangt, dass dieMathematik so auf Axiomen aufgebaut wer-den soll, dass ihre Widerspruchsfreiheit gezeigtund alle wahren Sätze in ihr bewiesen werdenkönnen.Zehn Jahre später zeigte Kurt Gödel aber, dassjedes formelle System, in dem die Arithmetikder natürlichen Zahlen enthalten ist, entwederinkonsistent (alles kann bewiesen werden) oderunvollständig (es gibt einen wahren Satz, dernicht bewiesen werden kann) ist. Deshalb heißtdieser Satz auch Unvollständigkeitssatz. Genau-er heißt das: In jedem konsistenten formalenSystem, in dem die Arithmetik der natürlichenZahlen enthalten ist, gibt es einen Satz ϕ, dernicht beweisbar und dessen Negation ¬ϕ eben-falls nicht beweisbar ist. Eine Folgerung ausGödels Satz ist, dass die Widerspruchsfreiheitder Mathematik nicht innerhalb der Mathema-tik bewiesen werden kann.Natürlich wäre es viel zu aufwändig und kom-pliziert gewesen, wenn Daniel versucht hätte,

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KURS 2 – LOGIK

uns den ganzen Beweis zu erklären. Aber dieBeweisidee bekamen wir erklärt:

Gödel zeigte zunächst, dass die Menge aller Sät-ze in einem solchen System abzählbar ist undnummerierte alle Sätze durch. Er konstruierteeinen Satz innerhalb des Systems, wir nanntenihn ϕm, der aussagte:

Der Satz ϕn ist nicht beweisbar.

Setzt man nun die Nummer m dieses Satzesfür das n innerhalb des Satzes ein, ergibt sichein Satz ϕ, der von sich selbst aussagt, dass ernicht beweisbar ist. Falls dieser Satz wahr ist,so ist er nicht beweisbar, und damit gäbe eseinen wahren Satz, der nicht bewiesen werdenkann und das System wäre unvollständig. Fallsder Satz falsch ist, so ist er beweisbar. Damithätten wir aber einen falschen Satz, der be-wiesen werden kann, folglich wäre das Systeminkonsistent.

Das mussten wir erst einmal verdauen. Am Tagzuvor hatten wir gerade unser mathematischesKursziel erreicht und gezeigt, dass innerhalbder Aussagenlogik alle wahren Sätze bewiesenwerden können. Und nun mussten wir erken-nen, dass das leider nicht in der Mathematikfunktioniert. Gödel zeigte, dass es für mancheSätze keinen Beweis gibt. Somit besteht dieMöglichkeit, dass man sich jahrelang den Kopfüber ein Problem zerbricht, wofür es dann amEnde keinen Beweis gibt. Obwohl er den Beweisnatürlich schon kannte, zeigte sich sogar Danielbeeindruckt von Gödels Ergebnis. Jedenfallswar er verwirrt genug, unser letztes Thema indem Kurs mit folgenden Worten abzuschlie-ßen: „Ich hoffe, dass wir eure mathematischeKonsistenz . . . äh . . . Kompetenz verbessernkonnten.“ Alle lachten. Daniel fügte hinzu: „DerLogikkurs war geil oder nicht geil.“ Worauf Vio-la meinte: „Geil formuliert.“ Nachdem wir unsim Anschluss mit Hilfe von Paradoxien noch dieWidersprüchlichkeit der Sprache veranschau-licht hatten, war es plötzlich gar nicht mehrso schlimm, dass nicht einmal die Mathematikwiderspruchsfrei ist.

Selbstbezüglichkeit und Parado-xien

Sharina Kimura

Nachdem wir nun erfahren haben, wie sich Gö-del die Selbstbezüglichkeit in der Mathematikzu Nutzen gemacht hat, möchten wir nun dieSelbstbezüglichkeit in der Philosophie nutzenund Ihnen einen Einblick in unsere Kursarbeitzum Thema Paradoxien geben. Doch, was ist ei-ne Paradoxie überhaupt? Der Begriff Paradoxiekommt vom Altgriechischen „paradoxon“ undwird als scheinbar oder tatsächlich unauflös-barer Widerspruch definiert. Dies sieht manan folgendem, oben bereits erwähnten, Beispielsehr deutlich:

„Dieser Satz ist falsch.“

Na, verwirrt? Es fällt sofort auf, dass sich derSatz auf sich selbst bezieht. Ist die Aussage desSatzes wahr, ist der Satz falsch. Ist die Aus-sage des Satzes jedoch falsch, so ist der Satzwahr. Der Satz scheint also gleichzeitig wahrund falsch zu sein. Dies widerspricht jedochden Prinzipien der klassischen Logik. Doch istdas zentrale Problem wirklich die Selbstbezüg-lichkeit? Nein, denn

„Dieser Satz ist richtig.“

bezieht sich ebenfalls auf sich selbst, ist jedochkein Paradoxon, da die Aussage des Satzes,wenn der Satz richtig ist, ebenfalls richtig undwenn der Satz falsch ist, ebenfalls falsch ist.Folgendes Beispiel zeigt uns eine weitere Pro-blemquelle der Paradoxien:

„Der nächste Satz ist falsch.“„Der vorherige Satz ist wahr.“

Wenn die Aussage des ersten Satzes wahr ist,so ist die des zweiten Satzes falsch. Ist jedochdie Aussage des zweiten Satzes wahr, muss diedes ersten auch wahr sein und somit wäre derzweite Satz wieder falsch und es entsteht einTeufelskreis. Bertrand Russell hatte dies alsVicious Circle Principle (Prinzip Teufelskreis)bezeichnet. Dieses besagt, dass keine Gesamt-heit Elemente enthalten kann, die nur über

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KURS 2 – LOGIK

diese Gesamtheit selbst vollständig zu spezifi-zieren sind. Das heißt, dass wir den ersten Satznur vollständig beschreiben können, wenn wirden Wahrheitswert des zweiten Satzes kennen.Damit wäre aber schon die Gesamtheit gege-ben und wir bräuchten also die Gesamtheit,um ein Element aus der Gesamtheit zu spezi-fizieren. Genauso ist es mit dem zweiten Satz.Auch ihn können wir nur vollständig beschrei-ben, wenn wir den Wahrheitswert des erstenSatzes kennen. Zum Glück waren wir nicht dieersten, denen dieses Paradoxon Kopfschmerzenbereitete. Die Selbstbezüglichkeitsparadoxiensind sehr alt und lassen sich auf das Lügner-paradoxon des Kreters Xenon zurückführen,kurz:

„Ich lüge gerade.“

Im Vergleich dazu ist ein von Russell erfunde-nes Paradoxon recht einfach mit einem kleinenTrick zu lösen. Es handelt sich um das Barbier-Paradoxon.„Der Barbier von Sevilla rasiert alle Männer vonSevilla, nur nicht die, die sich selbst rasieren.“Doch wer rasiert den Barbier? Vielleicht ken-nen Sie die Lösung ja schon. Mit etwas Fantasiekamen auch wir im Kurs darauf: Der Barbierkönnte weiblich sein, oder es handelt sich beiden Männern von Sevilla nur um gebürtigeMänner aus Sevilla, oder aber man verbietetdie Existenz solch eines Barbiers. Dieses Pa-radoxon lässt sich deshalb lösen, weil hier kei-ne zwingende Selbstbezüglichkeit entsteht, son-dern nur die Schlussfolgerung, dass der Barbierkein Mann aus Sevilla sein kann. Die einfachsteLösung ist natürlich, Konstruktionen wie diesezu verbieten. Wie lässt es sich aber begrün-den eine sprachliche Konstruktion zu verbieten,die weder sinnlos oder unverständlich ist, nocheinen grammatikalischen Fehler enthält? Mitdiesen und ähnlichen Problemen beschäftigtsich die analytische Philosophie die anschlie-ßend beschrieben wird. Doch bevor wir uns derAnalyse unserer Sprache zuwandten, beschäf-tigten wir uns noch mit einem etwas anderenParadoxon – Hempels Raben-Paradoxie:

„Alle Raben sind schwarz.“

Der Logikkurs beim Sportfest.

In der logischen Umkehrung bedeutet dies so-viel wie:

„Alles was nicht schwarz ist, ist einnicht-Rabe.“

Daraus folgt, dass ein weißer Turnschuh dieursprüngliche Hypothese bestätigt. Doch klingtdas nicht etwas verwirrend oder unlogisch?Maurice, der an diesem Tag ein schwarzes T-Shirt trug, meinte dazu grinsend: „Ich habeeinen schwarzen nicht-Raben an!“ Doch kannman diese Schlussfolgerung so ziehen? Ein wei-ßer Turnschuh ist nicht schwarz und somit einnicht-Rabe, also kein Rabe. Das ist soweit klar.Aber wie verhält es sich mit einem schwarzenTurnschuh oder in diesem Fall dem schwar-zen T-Shirt von Maurice? Ist es ein Rabe, nurweil es schwarz ist? Doch halt! Alle Rabensind schwarz heißt nicht gleich, dass alles, wasschwarz ist, ein Rabe sein muss. Das ist diefalsche Umkehrung der Aussage. Um dies zuverstehen, müssen wir das Raben-Paradoxonerst einmal genauer betrachten: Um die Hypo-these zu belegen, müsste man alle Raben derWelt anschauen, um wirklich wissen zu kön-nen, dass alle Raben schwarz sind, womit wirdann wieder bei der Frage wären, ob wir diesüberhaupt erkennen können (vgl. Erkenntnis-theorie weiter vorne). Andererseits könnte manaber auch alle nicht-schwarzen Gegenstände be-trachten: Findet sich kein Rabe darunter, istdie Hypothese ebenfalls bestätigt. Doch alleRaben oder gar alle nicht-schwarzen Gegen-stände der Welt zu betrachten, ist unmöglich.Die Frage ist jetzt, welche Art von Bestätigung

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KURS 2 – LOGIK

für unsere Hypothese wir bereit sind zu akzep-tieren. In diesem Fall handelt es sich ja nichtum einen mathematischen Beweis, der einenSatz entweder bestätigt oder widerlegt, sondernes müssen empirische Hinweise zur Bestätigungoder Widerlegung der Hypothese hinzugezogenwerden. Deshalb gilt, auch wenn es kontrain-tuitiv ist: Ein weißer Turnschuh bestätigt dieHypothese, nicht aber das schwarze T-Shirtvon Maurice. Doch wirklich zufriedenstellendwar diese Folgerung für uns nicht. Wie könn-te man die Hypothese nun so umformulieren,dass es leichter nachprüfbar ist, dass alle Ra-ben schwarz beziehungsweise alle nicht-Rabennicht schwarz sind? „Alles was nicht schwarzist, ist ein nicht-Rabe“ kann man folgenderma-ßen umformulieren: „Es gibt keinen Raben, dernicht schwarz ist.“ Somit heißt es dann: „AlleRaben sind schwarz. Es gibt keinen Raben, dernicht schwarz ist.“ Der Vorteil dieser Aussagebesteht darin, dass sie empirisch falsifizierbarist – nur so ist die wissenschaftliche Beantwor-tung der Frage, ob wirklich alle Raben schwarzsind, möglich. Denn jetzt müsste man nur einenRaben auf der Welt finden, der nicht schwarzist, um diese Hypothese zu widerlegen und dieswäre im Vergleich zu oben nicht unmöglich.Bei dem Raben-Beispiel handelt es sich alsonicht um ein Paradoxon im klassischen Sinne,sondern um einen kontraintuitiven Sachverhalt,was jedoch kein sprachliches sondern ein intui-tives Problem darstellt.

Sprachanalytische Wendeund analytische Philosophie

Thaddäus Wiedemer

Wie Sie gerade gelesen haben, sind wir in un-serem Kurs auf Aussagen gestoßen, die ganzaugenscheinlich nicht wahr sein können, da siesich selbst widersprechen, so genannte Para-doxien. Es stellte sich uns die Frage, was andiesen Aussagen falsch sein muss oder genau-er, welcher Bereich dieser Aussagen analysiertwerden sollte, um den Fehler zu entdecken.Nach reichlicher Überlegung haben wir fest-gestellt, dass der Fehler nicht im Inhalt oderden Schlussfolgerungen liegt, sondern dass einParadoxon erst durch falsche Formulierung ent-

steht. So ist beispielsweise der Satz „DieserSatz ist falsch“ selbstbezüglich. Er trifft eineAussage über sich selbst, indem er sich einenWahrheitswert zuspricht. Somit wird er para-dox. Hier wird klar, dass in der Philosophienicht nur genau analysiert werden muss, wieman zu Erkenntnis gelangt, sondern dass viel-mehr auch die Sprache betrachtet werden muss,in der diese Erkenntnis formuliert wird. DasAugenmerk unseres Kurses wendete sich alsoab von der Erkenntnistheorie und hin zur Un-tersuchung unserer Sprache. Was bei uns imKurs im Kleinen geschah, geschah im Großen inder Philosophie im 20. Jahrhundert. So kommtes nach der durch Kant eingeleiteten kopernika-nischen Wende zu einer zweiten große Wende– der sprachbezogenen Wende oder sprachana-lytischen Wende. Während man sich in derkopernikanischen Wende eher mit den Struktu-ren des Erfassens von Informationen beschäf-tigte, so beschäftigt sich die sprachanalytischeWende damit, die Sprache an sich näher zu be-leuchten. Diesen Bereich der Philosophie nenntman analytische Philosophie. In der 1879 er-schienenen Begriffsschrift von Gottlob Frege

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KURS 2 – LOGIK

(1848–1925) wird ihre Idee schon sehr gut be-schrieben. Laut Frege ist es die Aufgabe derPhilosophie, „die Herrschaft des Wortes überden menschlichen Geist zu brechen“. Das heißt,die Ungenauigkeit der Sprache behindert klareund logische Gedankengänge und macht korrek-te und präzise Aussagen unmöglich. Das Zielder analytischen Philosophie ist es, die Sprachegenauer zu untersuchen und damit zu einemrichtigen und formal korrekten Gebrauch derSprache zu gelangen.

Die analytische Methode besteht darin, Proble-me sprachlich zu präzisieren und zu korrigieren.Anschließend werden sie durch genaue Analy-se der dahinter steckenden Logik und Spra-che entweder gelöst, oder als Scheinproblemeaufgedeckt. So ist beispielsweise das oben ge-nannte Paradoxon ein Scheinproblem: Es kanndurch genaue Analyse der Sprache und Logikeindeutig als falsch formuliert aufgezeigt wer-den. Zur Auflösung des Paradoxons ist eineTeilung der Sprache in Meta- und Objektspra-che nötig. Als Objektsprache bezeichnet mandie Sprache in der gesprochen wird und alsMetasprache die Sprache, in der Aussagen über

die Objektsprache getroffen werden. Sagt manin der Metasprache „Dieser Satz ist falsch“, sobezieht sich das auf einen Satz in der Objekt-sprache, der grammatikalisch oder inhaltlichfalsch ist. Das Problem des Paradoxons ist nun,dass es keine klare Trennung zwischen Objekt-und Metasprache hat und so die Aussage überden Wahrheitswert nicht in der Metasprachegeschieht.

Historisch wird die sprachanalytische Wendein mehrere Phasen unterteilt: Die erste Phase,auch logischer Atomismus genannt, vollziehtsich im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts.Diese Richtung wurde vor allem von RudolfCarnap, Bertrand Russell und Ludwig Witt-genstein verfolgt. Ihr Ziel war es einige Grund-bausteine, so genannte logische Atome, für ei-ne klare Sprache zu entwickeln, aus denen dieSprache vollständig abgeleitet werden kann.So sollten Probleme, die aus einem falschenGebrauch der Sprache entstehen, vermiedenund Paradoxien unmöglich gemacht werden.Es zeigte sich allerdings, dass es nicht möglichist, Beispiele für solche Atome zu finden, wes-halb nicht einmal einfachste logische Aussagengetroffen und analysiert werden können.

Bertrand Russell versuchte in Zusammenarbeitmit Alfred North Withehead eine ideale Spra-che zu entwerfen, daher war es naheliegend,hierfür die Sprache der Mathematik zu verwen-den. Diese Idee war schon in den 1920er Jahrendurch den Mathematiker David Hilbert entwi-ckelt worden. Mit seinem Hilbertschen Pro-gramm wollte er alle mathematischen Wahrhei-ten aus ähnlichen Atomen, den Axiomen, undeinfachen Schlussregeln ableiten. So sollte dieWiderspruchsfreiheit der Mathematik bewiesenwerden. Außerdem sollte gezeigt werden, dassdie Mathematik nicht empirisch ist, also ihreAussagen nicht durch Sinneswahrnehmung ge-wonnen werden können. Wenige Jahre danachzeigte jedoch Kurt Gödel mit seinem Unvoll-ständigkeitssatz (siehe Abschnitt „Unvollstän-digkeitssatz“), dass die Widerspruchsfreiheitfür die Mathematik als Ganzes nicht möglichist. Es gibt jedoch Bereiche, wie zum Beispieldie Aussagenlogik, in denen das Ziel Hilberts,Russells und Whiteheads verwirklichbar ist.

Ein weiteres Problem bei der Konstruktion ei-

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ner solchen idealen Sprache ist die Unhintergeh-barkeit der Sprache. Wenn eine neue Sprachedefiniert werden soll, so benutzt man dafür ei-ne bereits existierende Sprache. Um diese zudefinieren wurde eine ebenfalls bereits existie-rende Sprache verwendet, u. s. w. Da man aufbereits existierenden, nicht idealen Sprachenaufbauen muss und so schon bei der Definiti-on sprachliche Missverständnisse entstehen, istdiese Wunschvorstellung nur schwer zu errei-chen.Während des zweiten Weltkriegs begann eineweitere Phase der analytischen Philosophie, diebis in die 1960er Jahre hinein dauerte. Sie gingvon Ludwig Wittgenstein aus, der sich nun,da eine ideale Sprache nicht möglich ist, derBeschreibung der Alltagssprache zuwendet. Erwill nun wenigstens diese perfektionieren unduntersucht die Bedeutung und Verwendung vonBegriffen. Aus dieser Zeit stammt auch dasberühmte Zitat „Die Bedeutung eines Wortesist sein Gebrauch in der Sprache“.

Ludwig Wittgenstein – eincharismatischer Denker des20. Jahrhunderts

Pia Bauspieß

„Alles, was sich sagen lässt, lässt sich klar sa-gen“. Dieser Satz zählt zusammen mit seinerErgänzung „Wovon man nicht sprechen kann,darüber soll man schweigen“ zu den Grundthe-sen des Philosophen Ludwig Wittgenstein, dervon 1889 bis 1951 in Österreich und Großbri-tannien lebte. Darüber hinaus ist dieser Satzzu unserem Kursmotto geworden, welches unsdie zwei Akademiewochen lang treu begleitethat. Entgegen der landläufigen Meinung istdas Philosophieren nämlich nicht ein „um denheißen Brei Herumreden“. Gerade laut Witt-genstein ist „der Zweck der Philosophie dielogische Klärung der Gedanken“.Dieser Satz stellt die philosophische Motivationund Grundüberzeugung Wittgensteins dar undhat uns sehr beeindruckt. Wir haben unserBestes gegeben, uns daran zu halten, insbe-sondere in Bezug auf ein weiteres Ziel unseresKurses: Da wir uns in der Philosophie viel mit

Erkenntnistheorie und Sprache befasst haben,bemühten wir uns, unsere persönliche Anlei-tung zum richtigen Denken zu erstellen. Als wirversuchten, das umzusetzen, stießen wir des Öf-teren auf die Probleme und Missverständnisseunserer Sprache. Mit eben diesen hat sich nunauch und insbesondere Ludwig Wittgensteineingehend beschäftigt.

Wittgenstein gehört zu den bedeutendsten Phi-losophen des 20. Jahrhunderts und – auf in-haltlicher Ebene – zu den Begründern der Ana-lytischen Philosophie und des Logischen Po-sitivismus, welche an anderer Stelle in dieserDokumentation bereits erläutert wurden. SeineSchriften, die heute noch zur Weltliteratur zäh-len, unterscheiden sich auf inspirierende Weisevon denen vieler anderer Philosophen und sindbis heute einzigartig. Es ist das, was uns faszi-nierte und was jeden, der Wittgensteins Werkeliest, in den Bann zieht: Die Konsequenz seinesDenkens und Handelns. Wittgenstein ist kei-ner, der seine Ideen ins Kreuzfeuer der Kritikwirft und zuschaut, was andere daraus machen.Er nimmt den Leser an der Hand und fordertihn auf, den eigenen Kopf einzuschalten. Wirkönnen deshalb aus seinen Büchern und ausseinem Leben viel lernen.

Obwohl Wittgenstein zunächst Ingenieurwis-senschaften studierte, wird nach den Begegnun-gen mit Gottlob Frege und Bertrand Russel imJahre 1911 die Frage nach dem Grundsätzli-chen immer wichtiger für ihn, und so schreibt ersich 1912 am Trinity College in Cambridge ein,um Russells Principia Mathematica zu studie-ren. Obgleich mancher Außenstehende philoso-phische Überlegungen langweilig finden mag,so kann man nicht verneinen, dass sich auchbei uns im Kurs Ähnliches ereignet hat. Oft fas-ziniert einen die Thematik so, dass man nichtmehr davon loskommt. Man wälzt Bücher undträgt die Diskussionen bis in die abendlicheKüA-Schiene hinein, um doch endlich dahinterzu kommen, was dieser Text nun ausgesagt hat,ein Problem von allen Richtungen zu beleuch-ten und um im Endeffekt die Grundsätze undPrinzipien hinter all dem zu verstehen. Einkennzeichnendes Merkmal unseres Kurses, fürdas wir das ein oder andere Mal auch ein wenigbelächelt wurden.

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In Cambridge angekommen, befasst sich Witt-genstein nun mit Sprachanalyse und Logik undschreibt 1918 das erste seiner beiden Hauptwer-ke, den Tractatus logico-philosophicus, der 1921veröffentlicht wird. Im Vorwort zu diesem Buchfindet sich nun auch unser Kursmotto wieder:„Man könnte den ganzen Sinn des Buches etwain die Worte fassen: Was sich überhaupt sagenlässt, lässt sich klar sagen; und wovon man nichtreden kann, darüber muss man schweigen.“In dieser logisch-philosophischen Abhandlung,wie das Werk zu Deutsch heißt, widmet sichWittgenstein der Analyse der Sprache. Wozuist unsere Sprache fähig, wo liegen ihre Gren-zen? Wo lauern mögliche Fehler? Im Vorwortzu seinem Buch sagt Wittgenstein auch: „DasBuch behandelt die philosophischen Problemeund zeigt [. . . ], dass die Fragestellung dieserProbleme auf dem Missverständnis der Logikunserer Sprache beruht.“ Wittgenstein schreibthier von der Grenze unserer Sprache. Mit sei-nem Traktat will er „dem Denken eine Grenzeziehen, oder vielmehr – nicht dem Denken, son-dern dem Ausdruck der Gedanken: Denn umdem Denken eine Grenze zu ziehen, müsstenwir beide Seiten dieser Grenze denken können(wir müssen also denken können, was sich nichtdenken lässt). Die Grenze wird also nur inder Sprache gezogen werden können und wasjenseits der Grenze liegt, wird einfach Unsinnsein.“ Er möchte Missverständnisse ausräumenund zeigen, dass es dem Satz „Dieser Satz istfalsch“ nicht möglich ist, eine Aussage über sichselbst zu treffen. Er ist also, in WittgensteinsWorten, „Unsinn“ – und dem konnten viele inunserem Kurs zustimmen.Mit seinen Überlegungen zu diesem und zuvielen anderen Problemen leistet Ludwig Witt-genstein einen bedeutenden Beitrag zur Logik.Seine Überzeugungen zur Sprachanalytik, die erin seinem Traktat niedergeschrieben hat, warenfür unseren Kurs besonders wichtig. Auf dasProblem mit der Sprache waren wir nämlichschon bei Immanuel Kant gestoßen. Wir habenin diesem Zusammenhang mehrere Auszüge desTractatus von Wittgenstein eingehend betrach-tet und man kann mit Recht sagen, dass sieuns ein gutes Stück auf unserem Weg voran ge-bracht haben, wie beispielsweise die Bemerkung„Zu einer Antwort, die sich nicht aussprechen

lässt, lässt sich auch die Frage nicht ausspre-chen. [. . . ] Wenn sich eine Frage überhauptstellen lässt, so kann sie auch beantwortet wer-den“.

Zum anderen war es eine Erleichterung, klarformulierte und strukturierte Gedanken vorsich zu haben, auch wenn sie dadurch nichtweniger komplex und schwer waren. Wie weitlässt sich so beispielsweise ein Gedanke wie„Die Philosophie begrenzt das bestreitbare Ge-biet der Naturwissenschaft“ ausführen. Mankann diesen Satz von den verschiedensten Sei-ten beleuchten. Zum einen kann er nämlichbedeuten, dass die Philosophie über den Natur-wissenschaften steht und diese niemals an ihr„vorbeipreschen“ können, denn sie zieht ihneneine Grenze.

Zum anderen könnte man auch die Inhalte derNaturwissenschaften als „beschreitbar“, d. h.im Gegensatz zu vielen philosophischen Pos-tulaten „empirisch anfechtbar“ interpretieren.Stellt man dies wieder in Zusammenhang zuanderen Aussagen Wittgensteins, ergeben sichauf diese Weise immer und immer neue Ge-danken. Viele von Wittgensteins Aussagen prä-sentieren sich seinem Leser in ähnlicher Form,manche sehen kompliziert aus, sind aber ausdem Kontext leicht zu verstehen. Andere wie-derum sehen einfach und simpel aus, erweisensich aber als groß und kompliziert.

Mit der Veröffentlichung dieses Tractatus trittschließlich die zweite bedeutende Wende inLudwig Wittgensteins Leben ein. Er ist über-zeugt, mit seinem Buch alles gesagt zu haben,was es zur Philosophie zu sagen gibt, lässt siekomplett hinter sich und kehrt nach Österreichzurück, um Dorfschullehrer zu werden. ErstEnde der 1920er Jahre packte ihn dann diePhilosophie erneut, diesmal jedoch von einerganz anderen Seite. Er kehrte 1929 nach Cam-bridge zurück und hier vollzieht sich, insbeson-dere auf den Inhalt seiner Philosophie bezogen,die dritte große Wende seines Lebens. Denndie Gedanken, die ihn nun beschäftigen, rich-ten sich in großem Maße gegen das, was erselbst noch in seinem Tractatus von 1921 ver-treten hat. Immer wieder versuchte er seineneuen Gedanken, die nicht mehr mit seinemTractatus konform gingen, niederzuschreiben

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und in Buchform zu fassen. Von 1936 bis 1948arbeitete er dann an den Philosophischen Un-tersuchungen, seinem zweiten Hauptwerk, das1953 nach seinem Tod veröffentlicht wurde.Interessant ist, dass Wittgenstein nach all dem,was er in seinem Leben geleistet hat, bereitssein erstes Buch, den Tractatus logico-philo-sophicus, mit den folgenden Worten beendet:„Meine Sätze erläutern dadurch, dass sie der,welcher mich versteht, am Ende als unsinnigerkennt, wenn er durch sie – auf ihnen – übersie hinausgestiegen ist. (Er muss sozusagen dieLeiter wegwerfen, nachdem er auf ihr hinauf-gestiegen ist.)“ Das ist ein Satz, über den wirgegen Ende des Kurses lange nachgegrübelthaben. Warum schreibt er so etwas an dasEnde seines Lebenswerkes? Warum macht erall seine Arbeit, alle Grundlagen, von derenWahrheit er überzeugt ist, nieder? In unsererlängeren Diskussion sind wir schlussendlich zuder Überzeugung gekommen, dass er geradedas nicht tut. Mit diesem Schlusssatz forderter seine Leser zum eigenen Denken auf. Genaudas möchten wir – ebenso wie die Lektüre desTractatus – jedem, der diesen Text liest, alsAusblick ans Herz legen.

RotationViola Munzert

Am Vormittag des Bergfests fand die Rotationstatt. Ihr Ziel war es, die bisher erarbeitetenErgebnisse eines Kurses den anderen vorzustel-len.Unser Wissen über die einzelnen Kursinhaltebeschränkte sich bis zu diesem Zeitpunkt aufdas, was wir in der Informationsbroschüre vorBeginn der Akademie gelesen hatten und waswir beim Essen, während der KüAs und vorallem auf den Zimmern erfuhren: Wer sich mitder Farbe eines geplatzten Schlauchs bekleckerthatte und welche Gruppe noch immer keineBärtierchen gefunden hatte.Die Rotation bot nun die Möglichkeit, die Kur-se einander inhaltlich vorzustellen. Jeder Kurswurde in fünf Teams mit je zwei bis drei Leu-ten aufgeteilt, die jeweils einer kleinen Gruppevon Teilnehmern und Leitern anderer Kurse

Kursteilnehmer bei der Vorbereitung ihres Rotati-onsvortrags.

ihre bisherigen Ergebnisse in etwa fünfzehnMinuten vorstellten.

Eine solche Präsentation will gut vorbereitetsein: Zum Einen hatten wir den Wunsch, unsden Gästen des Regierungspräsidiums gegen-über im besten Licht zu zeigen, aber genausowichtig war es uns, den anderen Kursen unsereArbeit vorzustellen. Wir Logiker wurden eherbelächelt, als praxisferner und teilweise nochergebnisloser Kurs. Wir waren zwar sehr zu-versichtlich, unsere theoretischen Kursziele zuerreichen – was sich dann auch bewahrheitete– machten uns aber keine Hoffnungen, die all-seits befriedigende Antwort auf die Frage nachdem Weg zur Erkenntnis zu finden. Wie manso schön sagt: „Der Weg ist das Ziel.“

Nur wie vermittelt man die Erkenntnisse, dieüber den Zeitraum einer guten Woche gesam-melt wurden, innerhalb einer Viertelstunde?Uns stellte sich das Problem, dass sowohl die14 Din-A-4 Seiten über Aussagenlogik, als auchdie behandelten Themen der Philosophie auf-einander aufbauten. Alles innerhalb des Zeit-rahmens auch nur oberflächlich anzusprechen,erschien uns unmöglich und wenig befriedigend.Wir einigten uns also darauf, jedes unserer fünfHauptthemen in einem eigenen Vortrag zu prä-sentieren. Dadurch konnten wir die einzelnenThemen vertieft darstellen, nahmen aber inKauf, dass unsere Zuhörer bei der Rotationnur einen Teil unserer Kursarbeit kennen ler-nen konnten.

Wir teilten unsere Gruppen nach individuel-len Interessen ein und so bildeten sich fünf

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Gruppen mit je drei Personen zu den Themen:

• Klassische Logik nach Aristoteles (Gregor,Hannah und Viola)

• Prädikatenlogik (Lisa, Lorenz und Anna)• Rationalismus und Empirismus (Shathya,

Lalita und Lennard)• Aussagenlogik (Maurice, Sebastian und Pia)• Beweisbarkeit (Giulia, Sharina und Thad-

däus)

Zunächst erstellten wir ein Konzept und fülltendieses mit Hilfe der Aufschriebe und unserer Bi-bliothek mit entsprechendem Inhalt. Blieb manin einer Sackgasse stecken, halfen die Kursleitergerne weiter. Obwohl wir bei den Probedurch-läufen unserer Vorträge mehrfach von einemfälschlicherweise ausgelösten Feueralarm unter-brochen wurden, standen am Ende fünf fertigePräsentationen samt Visualisierungsmaterial.Dass wir jeweils nur ein Thema unserer Kursar-beit vorstellten, sorgte zwar bei manchen Teil-nehmern der anderen Kurse für Verwirrung(„War das alles, was ihr in 10 Tagen geschaffthabt?“), war aber angesichts unserer abstraktenKursinhalte die beste Möglichkeit, 15 Minutensinnvoll und verständlich zu nutzen.Um bei der Abschlusspräsentation ein vollstän-diges Bild unserer Kursarbeit zu zeigen, nah-men wir uns vor, einen gemeinsamen Vortragzu entwerfen, was durch das größere Zeitfensterdiesmal gut möglich war.

PräsentationLalita Braun

Die Präsentationen am Ende der Akademiesollten in etwa 30 Minuten einen Einblick vondem geben, was in den Kursen innerhalb derzwei Wochen erarbeitet worden war. Dies sollteEltern und Verwandten, anderen Kursteilneh-mern sowie allen Interessierten einen Einblickin das jeweilige Kursthema geben und ihnen an-schließend ermöglichen, Fragen zu stellen. Wasdie Präsentationen für uns bedeuteten? BlankeNerven, Stress, Aufregung und Spaß, aber aufjeden Fall einen Höhepunkt. Doch der Weg da-hin war von Höhen und Tiefen gekennzeichnet.Schließlich sollten Vorträge erstellt werden, die

an die Struktur der Rotation anknüpfen, das inüber 50 Stunden Gelernte präzise und anschau-lich zusammenfassen und den Kern unsererArbeit widerspiegeln.Nach langem Überlegen und Diskutieren, wo-mit wir uns ja ohnehin viel beschäftigten, einig-ten wir uns darauf, dass alle Gruppen diesel-be Vortragsstruktur bearbeiten sollten – eineStruktur, die durch fließende Übergänge dieZusammenhänge der verschiedenen im Kurs be-handelten Themengebiete zum Ausdruck brach-te und eine Brücke zwischen Mathematik undPhilosophie schlug.Schließlich entstand eine Gliederung, die allewichtigen Themen der Kursarbeit beinhaltete.In Expertengruppen wurden die verschiedenenTeile des Vortrags ausgearbeitet und Vortrags-gruppen mit jeweils einem Experten für jedesThemengebiet eingeteilt. Trotzdem legten unse-re Kursleiter, aber auch wir, Wert darauf, dassjede Gruppe die ganze Präsentation und so-mit den gesamten Kursinhalt verinnerlicht hat-te. So wurden innerhalb der gemischten Grup-pe die Strukturen und der Inhalt ausgefeiltund mit Hilfe einer gemeinsamen PowerPoint-Präsentation visualisiert. Anschließend übtenwir das Vortragen, wobei auf vielerlei Acht ge-geben wurde: Die inhaltliche Korrektheit, diesprachliche Präzision, der Bezug zur Visuali-sierung und natürlich auf die Verständlichkeit,was uns dazu bewegte, auf einfache, aber aus-sagekräftige Ausdrücke zurückzugreifen.Der gesamte Entwicklungsprozess der Präsen-tation, wenn auch einer der stressigsten Mo-mente des Kurses, stellte sich im Nachhineinauch für uns als sehr gewinnbringend heraus.Durch das Zusammenfassen und Strukturie-ren fügten sich die letzten Einzelheiten in dengroßen Zusammenhang ein und es wurden dieletzten Unreinheiten beseitigt. Bis zum En-de wurde geprobt, kritisiert und korrigiert, bisschließlich ein Vortrag entstand, der unserenAnforderungen entsprach.Der Stunde der Wahrheit sahen wir alle unter-schiedlich entgegen, oft mit einer Mischung ausAufregung, Freude und auch Bedauern, denndie Präsentationen markierten auch das offizi-elle Ende unseres Kurses.Schneller als gedacht flogen die knappen drei

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KURS 2 – LOGIK

Stunden an uns vorbei und hinterließen Erleich-terung und Freude über die gelungen Präsen-tationen, welche durch das Lob unserer Leiternoch verstärkt wurde. Im Großen und Gan-zen stellten die Präsentationen sowohl einenschönen Abschluss der Kursarbeit als auch eineunvergessliche Erfahrung dar.

„Die Mischung macht’s!“Sharina Kimura

Das ist wohl die treffende Beschreibung fürden Logik Kurs. Jeder einzelne Teilnehmer inunserem Kurs ist einzigartig und hat seine Ei-genarten, was wir nicht nur dank eines Ken-nenlernspiels der anderen Art schnell merkten.Anfangs war wohl jeder den anderen gegenübernoch etwas zurückhaltend, doch das gab sichschnell, denn es herrschte von Anfang an einegewisse Vertrautheit zwischen uns Kursteilneh-mern und durch unsere diskussionsanregendenThemen kam man kaum umhin, sich mit denanderen auszutauschen. Auf die Atmosphäreim Kurs wirkte sich das richtig positiv aus.Es wurde nie langweilig, da immer irgendje-mand eine bereichernde Idee hatte, die uns allezum Denken anregte. Der Haken daran machtesich natürlich in den Diskussionen bemerkbar:Durch die vielen Ideen und Argumente derverschiedenen Teilnehmer war es schwer, denanderen zuzuhören und sie ausreden zu lassen.Doch wir merkten schnell, dass wir uns gegen-seitig auf einander abstimmen mussten, um einangenehmes Gruppenklima zu bilden. So wur-den auch die Diskussionen nach den Hinweisender Kursleiter „zivilisierter“. Es gab fast immerviel zu Lachen. Unsere „legendäre Kurszitatlis-te“ der Sommerakademie ebenso wie die Listeder „sinnlosen Diskussionsbegriffe“ und „Kurs-schilder“ dienten zum Festhalten besondererErinnerungen, die wir auf keinen Fall vergessenwollten.Doch trotz all dem vielen Humor ging es beiunserer Kursarbeit sehr ernst zu. In einer Pau-se besuchte Shathya die Astronomen und kamtotal verwundert mit folgender Erkenntnis zu-rück: „Die Arbeitsatmosphäre bei den Astrosist wie unser Kursklima in den Pausen.“Der Inhalt unseres Kurses war sehr komplex

Unsere „Kursschilder“.

und wir mussten uns natürlich auch zeitlichziemlich ranhalten, was dazu führte, dass wirsehr gezielt arbeiten mussten. Wir machtenmehr Gedankenexperimente als Praktika waszwar oft verwirrend war, unserem Kursklimajedoch nichts anhaben konnte. Denn viel ge-lacht wurde dennoch oder gerade deshalb undan Spaß hat es trotz der theoretischen Inhalteüberhaupt nicht gefehlt!

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