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IX. Kreiskrankenhaus Oschersbben-Bode. Ii[urze Bemerkungen zu der Nearinomfrage. Von Dr. Esau. Eingeg,~ngen: 2. 6. 25. Jener Tumor, der am g.es~umten Nervensystem vorkommend, seit knapp 20 Jahren naeh den grundlegendea Untersuehungen yon Verocay als Neurinom bez.eichnet wird und ~ls AbkSmmling der Schwannschen Scheiden anerkr ist, hat zahlreiehe VerSffent- liehungen veranlr so in der ]etzten Zeit von ehirurgiseher Seite die yon Sommer und Erb, von pathologischer die yon Krummbein. Die genannten Autoren behandeln die Neurinomfrage in so ausftthr- lieher Weise, zum Teil in dieser Zeitsehrif~, daf~ es iiberfliissig er- seheint, die ganze Frage an dieser Stelle nochmats aufzurollen, zu- mut ieh nicht in der Luge bin, Beitr~tge zu dem stritfiigen Gebiet, wie ngmlich das Neurinom sieh zur v. t~ecklinghausensehen Krank- heir verhilt, entseheidender Art zu geben. Es soli d~her nur ein- gegar~gen werden auf einige Dinge, welchen n~ehzugehen verlotmt: auf die Hiufigkeit, .den Sitz und die. Prognose bei der ehirurgisehen Behandlung. In der Literatur sind bis jetzt knapp 50 Fille yon Neudnom niedergelegt; von ihnen stammt tier Hauptteil von einem einzigen Beobachter, Antoni, das fibrige sirid Beriehte fiber 3 oder weniger Einz.eIfiiIe. Immerhin er- scbeint die Gesamtza.hl eine ziemlieh geringe zu sein. Es besteh~ d~ abet sieher ein groBes MiBverhiltnis zwischen Pubtikation und Beobachtungs- hiufigkeit; die PathoIogen sehen ungleich viel 5frets Neurinome, es sind vorwieg, end EinzeIbeobaehtungen, die nicht verSffentlicht werden, was ja aueh die St, atistik Sommers beweist. Bei der Durehsieht dieser Kasuistik, die yon Erb for~gefiihrt und ergfi.nzt wurde, ist es sehr auffillig, wie selten die Extremit~ttennerven vorL Neud- nomen befallen angeffihrt sind; unter 47 Beobachtungen nur 7 ma.1. Vor- wiegend bring't die Literatur nur solehe Neurinome, die nahe dem Oehirn und Riickenmark in den Wurzelgebieten der Nerven, am Kopf und am Rumpf ge- funden wurden. Sehr hiufig waren sie dann in der Mehrz.ahI und befielen vorz.ug~sweise das jugendIiche und mittlere Alter, vorwiegend das m/innllche Gesehleeht; nut eine Beobachtung betraf einen Mann fiber 60 Ja,hre. Die Pro g n o s e des Neurinoms ist als solehe eine a bsolut gute; wenn die Oesehwiitste auch manehmat so besehrieben wevden, d~I3 ihre Be- sehaffenheit an bSsartige, erinnern konnte, so sind ste doeh, was Rezidiv .mid Metastas(~ anla.ngt, a.Is immer benigne zu beurteilen. Nut ein Umstand kann die Prognose trtiben, das ist ihr Sitz in allernN-hster N~chba.rsehaft lebens-

Kurze Bemerkungen zu der Neurinomfrage

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I X .

Kreiskrankenhaus Oschersbben-Bode.

Ii[urze Bemerkungen zu der Nearinomfrage. Von

Dr. Esau . Eingeg,~ngen: 2. 6. 25.

J e n e r T u m o r , d e r am g.es~umten N e r v e n s y s t e m v o r k o m m e n d , s e i t k n a p p 20 J a h r e n naeh den g r u n d l e g e n d e a U n t e r s u e h u n g e n yon Verocay a l s N e u r i n o m bez.eichnet w i r d und ~ls A b k S m m l i n g d e r Schwannschen Sche iden a n e r k r is t , h a t z a h l r e i e h e Ve rS f f en t - l i e h u n g e n v e r a n l r so in d e r ] e t z t en Z e i t von e h i r u r g i s e h e r S e i t e d ie yon Sommer und Erb, von p a t h o l o g i s c h e r d ie yon Krummbein. D i e g e n a n n t e n A u t o r e n b e h a n d e l n d ie N e u r i n o m f r a g e in so aus f t th r - l i ehe r W e i s e , zum Te i l in diese r Ze i t sehr i f~ , daf~ es i i b e r f l i i s s i g er- sehe in t , d ie g a n z e F r a g e an d iese r S t e l l e nochmat s a u f z u r o l l e n , zu- mut ieh n i c h t in de r L u g e bin, Beitr~tge zu dem s t r i t f i i gen G e b i e t , wie n g m l i c h das N e u r i n o m s ieh z u r v. t~ecklinghausensehen K r a n k - he i r v e r h i l t , e n t s e h e i d e n d e r A r t zu geben. Es so l i d ~ h e r n u r ein- gegar~gen w e r d e n a u f e i n i g e D inge , we l chen n~ehzugehen v e r l o t m t : a u f die H i u f i g k e i t , .den S i t z und die. P r o g n o s e bei de r e h i r u r g i s e h e n B e h a n d l u n g .

In der Literatur sind bis jetzt knapp 50 F i l l e yon Neudnom niedergelegt; von ihnen stammt tier Hauptteil von einem einzigen Beobachter, Antoni, das fibrige sirid Beriehte fiber 3 oder weniger Einz.eIfiiIe. Immerhin er- scbeint die Gesamtza.hl eine ziemlieh geringe zu sein. Es besteh~ d~ abet sieher ein groBes MiBverhiltnis zwischen Pubtikation und Beobachtungs- hiufigkeit ; die PathoIogen sehen ungleich viel 5frets Neurinome, es sind vorwieg, end EinzeIbeobaehtungen, die nicht verSffentlicht werden, was ja aueh die St, atistik Sommers beweist.

Bei der Durehsieht dieser Kasuistik, die yon Erb for~gefiihrt und ergfi.nzt wurde, ist es sehr auffillig, wie selten die Extremit~ttennerven vorL Neud- nomen befallen angeffihrt sind; unter 47 Beobachtungen nur 7 ma.1. Vor- wiegend bring't die Literatur nur solehe Neurinome, die nahe dem Oehirn und Riickenmark in den Wurzelgebieten der Nerven, am Kopf und am Rumpf ge- funden wurden. Sehr hiufig waren sie dann in der Mehrz.ahI und befielen vorz.ug~sweise das jugendIiche und mittlere Alter, vorwiegend das m/innllche Gesehleeht; nut eine Beobachtung betraf einen Mann fiber 60 Ja,hre.

Die P r o g n o s e des Neurinoms ist als solehe eine a bsolut gute; wenn die Oesehwiitste auch manehmat so besehrieben wevden, d~I3 ihre Be- sehaffenheit an bSsartige, erinnern konnte, so sind ste doeh, was Rezidiv .mid Metastas(~ anla.ngt, a.Is immer benigne zu beurteilen. Nut ein Umstand kann die Prognose trtiben, das ist ihr Sitz in allernN-hster N~chba.rsehaft lebens-

Kurze Bemerkungen zu der Neurinomfrage. 141

wichtiger Organe oder inmitten gro;~er NervenstSmme; hier sind die Schwierigkeiten, die Gesehwulst ohne Schaden fiir den Nerven auszuschglen aber aascheinend nicht unfiberwindlich. Eine Resektion aus der Kontinuit~t des N, erven mit der h~ufig unverbesserlichen $ch~digung der Funktion er- scheint in jedem Falte unnStig zu sein.

E i n B e r i c h t f iber zwe i b i e r beobach~ete a n d o p e r i e r t e F ~ t l e von Neurinom, das den iViedianus and der~ Isehiadieus bei 2 M g n n e r n b e f a l l e n h a r t s , so i l an@efi igt w e r d e n ; d ie D i a g n o s e bet dem e inen w a r schwi,er ig, w e l l d ie G e s c h w u l s t n i c h t g a n z t y p l s c h e B i l d e r aufv~es , u m so w e n i g e r e in faeh , a l s di~ V e r S f f e n t l i e h u n g e n Verocays eben b e k a n n t g e w o r d e a w a r e n - - d e r F a l l w u r d e 1909 o p e r i e r t - - , w o d u r c h e r a l s D a u e r e r f o l g eini@en b e w e i s e n d e n W e f t erhalt. Die zweite Beobachtung betraf eine~ Iiranken in hohem

A l t e r a n d e r w e l t e r t in d i e se r B e z i e h u n g d a s B i l d d e r Erkrankung. I. Z., 38 J. War immer gesund ; seit etwa Jahresfrist gelegentlieh Rei~en

im 1. Bein yon der i~itte des Oberschenkels etwa bis zum Fuik Seit 1/~j. an der Oberschenkelrfickseite eine Geschwu]st, die auf Druck schmerzte, dabei stra~hlten die Schmerzen an der :Riickseite aus bis in den FuS; in den ].etzten Wochen hatte die Geschwuht an GrSi~e erhebIich zu- und die grebe Kraft ,des Beines abgenommen. - - Bei dem sonst organgesunden krgftigen Manne in beiden Leist~nbeugen kteine derbe Drfisen; der 1. Oberschenkel ffihlt sich e~was schlaffer an ads der r. An seiner Riickseite etwa in der Mitre eine flach ver]aufende Anschwellung, welche die Haut vo.rwStbt. In der Tiefe ft~hIt man hier eine mehr als hiihnereigroiSe Geschwulst mit glatter OberfIgche und guter Beweglichkei~ zu Untertage und bedeckenden Teflen; sie ist pratl, .abet welch, dutch Druck werden in ihr und fuSwgrts ausstrahlende Schmerzen ausgel~st. Oberschenkelumfgnge an gleichen SteHen gemessen L 43, 46~ 48cm, r. 431/2, 48, 51 cm, also trotz der grol~enGeschw.~lst eine erhebliche Vermi~derung gegen r., keine wesentHehen Unterschiede in den Wadenumf~ngen.

In Narkose wird die Geschwulst nach Durchtrennung der Haut and stumpfem Auseinanderdr~gen der sie deckenden l~luskul.atur freigelegt; der Tumor gehSrt dem N. ischiadicus an, welcher sieh am oberen Pol in seine einzelnen Fas.ern atdlSst and so die Geschwulst allseitig, vorw~egend abet ~.n der Rflckseit~ .umspinnend dem un~eren Pole zuzieht and yon da ads dickes B~ndei wei~erzieht. Die @eschwulst ist in e[ne derbe Kapsei einge.h~llt, in deren oberfl~chHchen Schichten die einze]nen Fasern des Ischiadicus ver- laufen ;nach ihrer Spaltung lai~t sieh die mehr als hflhnereigro2e @eschwulst tefls scharf aus der sie umspannenden NervenkapseIschicht befreien. Die Wunde wird ganz geschlossen; glatte Heilung innerhalb yon 14 Tagen ohne nervSse StSrungen. - - Auf dem Durchschnitt zeigt das Prgpavat mehrere mit dunkelrotem eingedicktem blutartigen Inhalt ausgeffillte Hohlrgume; mikro- skopisch f~l]t ZeIlreichtum, Feh]en des Bindegewebes und nicht sonderlich ausgepr~gte Pa]isadenstellung der Kerne auf. Der Bau ~ihnett in manchen EigentiimHchkeiten einem yon ~rb beschriebenen Neurinom des Obturato- flus, we die Diagnose ebenfalls mehr Schwierigkeiten als fiblich machte. Es gibt abet zw~ifellos sine gewisse Brei~e der fluktuierenden Verschieden- heiten veto klassischen zum weniger charakteristischen Bride des Neurinoms.

~. M., 64 J. Der sonst gesunde Mann bemerkt seit etwa 18 J. in der r. Ellenbeuge eine anfangs kleine, aber al[miihlich bis Ktihnereigr0i~e heraa~

142 Esau: Kurze Bemerkungen zu der Neurinomfrage.

g~wachsene Geschwulst, die ihm dadurch Beschwerden macht, da.l~ sie a.uf Druck und Stog :schmerzt, wobei blitzartige Schmerzen bis in die Finger schiegen. An dem 1. Ellenbogen, aber an der Streckseite, hat er frfiher a.ueh eine Geschwulst gehabt, die ihm yon seinem Arzte entfernt wurde; er weil5 abet nicht, um was es sich damals gehandelt hat. - - Sonst gesunder Mann; in der Ellenbeuge r. dicht oberhalb des Gelenks wird die Haut dutch eine rundliche Geschwulst von Form und GrSl~e eines kleineren HiJhnereies vor- gew61bt; ffihlt sich ziemlich derb an. Die Haut ~iber ihr gut verschieblich; der Unterlage sitzt sie fester auf. Druck erzeugt Schmerzen und ausstrahlen- des Ziehen bis in die Finger, welche dem Versorgungsgebiet des Medianus an~ehSren.

In 6rtlicher Bet~ubung wird die Geschwulst freigelegt; wie bei Fall 1 gehSrt sic einem Nerven, dem Medianus an, der an dem zentralen Pol sich auffasert. Die Fasern umspinnen die Geschwulst teils in dichterem, tells w eitl~iufi~erem Netze, um sich am unteren zum einheitliehen Nerv wieder- zasammenzuschlielten. Eine derbe Kapsel h011t den Tumor ein, in ihr liegen die Nervenfasern; die AblSsung des(Nerven gelingt b.is atff ein paar dfinne Fasern; Sehlul~ der Wunde, ungestSrte Heilung, Entlassung nach 6 Tagen.

Am P r g p a r a t eine tefis dfinnere, tells dickere Kapsel, die sieh in das Gesehwukstgewebe fortsetzt; auf dem Durchschnitt hat die Geschwulst teils fibrSsen, teils glasig-schleimigen Charakter, mit leieht fadenziehender Flfissigkeit; diese beiden Bestandteile erscheinen scharf getrennt. In einem grol~en zentralen Tefl der Geschwu~lst zahlreiche erweiterte Gef~A~ahen in frisch blutig infarziertem Gewebe. M i k r o s k o p i s c h in der fibrSsenKapsel einige abgeplattete hypoplastisehe Nervenfaserbfindel ; i m Inneren yon Nerven nichts nachweisbar. Viele Gef~,13chen, die fibrSse Schicht kernarm ; stellenweise fiber~ehend in Teile, wo sich viel schleimige Zwischensubstanz zwischen den auseinandergedrS, ngten Fasern findet, keine deutlichen Sternzellen. Aul~er- dem, makr(~skopisch nicht aufgefallen, spindelzellige Teile mit sp~rlichen feinen Fasern; nirgends so zellreich, da6 yon Sarkomgewebe gesproehen werden k6nnte, tells ohne Abgrenzung, teils ziemlich seharf gegen das fibrige Geschwulstg~webe abgcsetzt. Obwohl sogenannter typischer Neuri- nombaa fehlt, sind diese Teile als yon den Schwannschen Scheiden ausge- gan~en zu betrachten, so da6 dieGesehwulst als Ganzes ~tls eine solche des Nervenbindegewebes und der Nervenscheiden (Neurofibrom ~- Neurinom) anzusprechen ist (Prof. I~icker-Magdeburg).

Be[ be iden K r a n k e n fund sieh keine wei te re Geschwuls t , ke ine

V e r ~ n d e r u n ~ e n an der H a u t oder sonst e twas, d~s in den R a h m e a

d e r v . Recklinghausenschea E r k r a n k u n g sieh e inge f i ig t M t t e ; ob

die k le in~ G e s c h w u l s t am 1. E l l e n b o g e n des Z w e i t g e n a n n t e n e twa

d a m n gehSrte, liel3 sieh n i c h t mehr fes ts te l len . J e d e n f a l l s e r sehe in t

es noeh n i e h t an der Z e i t zu sein, das Neu r i nom, w e n a es i s o h e r t

beobaeh te t wi rd , ohne wei teres der doeh u n t e r e inem g~nz ande ren k l in i s ehen B i lde e r sehe inenden v. Recklinghausensehen Er k r ~n -

k u n g e inzuordnen .

Sehriftenverzeichnis. Erb, diese Zeitschr., 181 u. 183. - - Krum~bein, Virchows Arch., 225. - -

Sommer, Beitr. z. klin. Chirurg'., 125.