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Einführung in die Rechtswissenschaften 3., überarbeitete Auflage GRABENWARTER | KODEK | EBERHARD | SPITZER

L Einführung in die Rechtswissenschaften...Einführung in die Rechtswissenschaften GRABENWARTER u.a. Einführung in die Rechtswissenschaften 3., überarbeitete Auflage Das vorliegende

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Einführung in dieRechtswissenschaften3., überarbeitete Auflage

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Das vorliegende Buch wendet sich vor allem an Studierende des Bachelor- studiums Wirtschaftsrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien. Die „Einführung in die Rechtswissenschaften“ stellt als Teil der Studieneingangs- und Orientierungs-phase den ersten wichtigen Zugang der Studierenden zu Grundfragen des Rechts dar. Damit soll den Studierenden bereits am Beginn des Studiums eine fachübergreifende Orientierung über die Anforderungen im Wirtschaftsrechts-studium und über wichtige Grundbegriffe des Privatrechts und des öffentlichen Rechts samt ihrer ideengeschichtlichen Grundlagen geboten werden. Diese Grundbegriffe stellen das unentbehrliche „Handwerkszeug“ dar und werden die Studierenden nicht nur durch ihr gesamtes Studium, sondern auch durch die weitere Berufslaufbahn begleiten.

GRABENWARTER | KODEK | EBERHARD | SPITZER

ISBN 978-3-7089-1455-8

facultas.at/verlag

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Einführung in dieRechtswissenschaften

von

DDr. Christoph GrabenwarterUniversitätsprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien

Mitglied des Verfassungsgerichtshofs

und

Dr. Georg E. Kodek, LL.M.Universitätsprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien

Hofrat des Obersten Gerichtshofs

und

Dr. Harald Eberhard Universitätsprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien

und

Dr. Martin SpitzerUniversitätsprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien

unter Mitarbeit vonUniv.-Ass Mag. Bernhard Burtscher, LL.M. (WU) BSc (WU)

Univ.-Ass. Peter Gruber, LL.M. (WU) BSc (WU)Univ.-Ass. Emmanuel Manolas, LL.M. (WU)

Univ.-Ass. Dr. Markus Vašek

3., überarbeitete Auflage

Wien 2016

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Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der DeutschenNationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Angaben in diesem Fachbuch erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr, eine Haftung der Autoren oder des Verlages ist ausgeschlossen.

Copyright © 2016 Facultas Verlags- und Buchhandels AGfacultas Universitätsverlag, 1050 WienAlle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und der Verbreitungsowie der Übersetzung, sind vorbehalten.Satz: Facultas Verlags- und Buchhandels AGDruck: Finidr, s.r.o., Cesky, TésinPrinted in the EUISBN 978-3-7089-1455-8

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V Grabenwarter/Kodek/Eberhard/Spitzer, Einführung in die Rechtswissenschaften3

Vorwort zur 3. Auflage

Die vorliegende dritte Auflage dieses Lehrbuches steht ganz im Zeichen der grundle-genden Studienplanreform, die mit Herbst 2016 in Kraft tritt und eine völlig veränderte Struktur der Studieneingangs- und Orientierungsphase (STEOP) des Bachelorstudiums Wirtschaftsrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien mit sich bringt. Erstmals wird die Hälfte der Lehrveranstaltungen in dieser wichtigen Phase des Studiums den juristischen Inhalten gewidmet sein. Während die „Einführung in die Rechtswissenschaften“ die Grundlagen und Methodenlehre sowie eine Einführung einerseits in privatrechtliche Grundlehren einschließlich ihrer historischen Grundlagen und andererseits in das öf-fentliche Recht samt seiner rechts- und philosophischen Grundlagen vermitteln soll, wird das parallel dazu geführte Fach „Europäisches und Öffentliches Wirtschaftsrecht I“ in Kerngebiete des öffentlichen Wirtschaftsrechts einschließlich seiner unionsrechtli-chen Grundlagen einführen. Diese Reform galt es, in der vorliegenden Neuauflage um-zusetzen. Das bedingt vor allem, eine Harmonisierung der öffentlich-rechtlichen Inhalte der STEOP vorzunehmen und sämtliche bisher gegebenen Doppelführungen auf ein Minimum zu reduzieren, wobei im Rahmen des Faches Einführung in die Rechtswis-senschaften jeweils die grundlegenden und bereichsübergreifenden Inhalte beheimatet sein werden. Auch wird die Struktur des Faches insoweit klarer vermittelt, als das Lehr-buch nach dem Grundlagen- und Methodenteil zunächst im Teil 2 die privatrechtlichen Inhalte präsentiert und sodann in den Teilen 3 und 4 die öffentlich-rechtlichen samt den rechts- und staatsphilosophischen Fragen behandelt.Das Lehrbuch – nunmehr auch äußerlich im Format der Lehrbuchreihe des Facultas Verlages – ist als Begleitung für die Einführungsvorlesung gedacht, kann und soll je-doch den Besuch dieser Vorlesung nicht ersetzen. Der Besuch eines begleitenden Prü-fungskurses und das für diesen erstellte Skriptum „Prüfungsvorbereitung“ (Facultas, 3. Auflage 2016) werden ausdrücklich empfohlen.Die Autoren wurden auch diesmal von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen der beteilig-ten Institute maßgeblich und tatkräftig unterstützt. Dabei ist die selbständige Mitarbeit von Herrn Univ.-Ass. Peter Gruber, LL.M. (WU) BSc (WU), Herrn Univ.-Ass. Emma-nuel Manolas, LL.M. (WU) und Herrn Univ.-Ass. Dr. Markus Vašek hervorzuheben. Die Verfasser wünschen Ihnen beim Studium viel Erfolg und freuen sich über Anregun-gen und Verbesserungsvorschläge.

Wien, August 2016Christoph Grabenwarter Georg E. Kodek Harald Eberhard Martin Spitzer

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VII Grabenwarter/Kodek/Eberhard/Spitzer, Einführung in die Rechtswissenschaften3

Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur 3. Auflage ................................................................................................ VAbkürzungsverzeichnis ............................................................................................. XI

1. TeilGrundlagen und Methodenlehre

I. Rechtswissenschaften ........................................................................................ 1 A. Die Rechtswissenschaft als Wissenschaft ................................................... 1 B. Die verschiedenen Rechtswissenschaften ................................................... 1 II. Das Recht im objektiven Sinn ........................................................................... 2 A. Definition .................................................................................................... 2 B. Die normativen Ordnungen von Sitte und Moral ....................................... 3III. Das Recht im subjektiven Sinn .......................................................................... 4IV. Rechtsquellen ..................................................................................................... 5 A. Definition .................................................................................................... 5 B. Entstehungsquellen des Rechts ................................................................... 5 C. Österreich als Mitglied der EU ................................................................... 6 D. Erkenntnisquellen des Rechts ..................................................................... 7V. Rechtsvorschriften ............................................................................................. 7 A. Definition .................................................................................................... 7 B. Sachverhalt .................................................................................................. 7 C. Tatbestand ................................................................................................... 7 D. Subsumtion ................................................................................................. 8 E. Rechtsfolge ................................................................................................. 9 F. Geltung von Rechtsvorschriften ................................................................. 9 G. Novellierung ............................................................................................. 10VI. Arten von Rechtsvorschriften .......................................................................... 10 A. Materielles Recht – Formelles Recht ........................................................ 10 B. Zwingendes Recht – Dispositives Recht ................................................... 11VII. Normenkonkurrenz .......................................................................................... 12 A. Problemstellung ........................................................................................ 12 B. Derogation ................................................................................................. 13 C. Anwendungsvorrang ................................................................................. 14 D. Kumulative oder alternative Anwendung ................................................. 14 E. Invalidation ............................................................................................... 15VIII. Gesetzesinterpretation und Rechtsanwendung ................................................ 15 A. Materialsuche ............................................................................................ 15 B. Allgemeines .............................................................................................. 15 C. Wortauslegung und grammatikalische Interpretation ............................... 17 D. Systematische Interpretation ..................................................................... 17 E. Historische Interpretation .......................................................................... 19 F. Teleologische Interpretation ...................................................................... 19

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VIII

Inhaltsverzeichnis

G. Analogie .................................................................................................... 20 H. Teleologische Reduktion ........................................................................... 22 I. Authentische Interpretation ....................................................................... 23IX. Unterscheidung Öffentliches Recht – Privatrecht ........................................... 23 A. Allgemeines .............................................................................................. 23 B. Abgrenzungstheorien ................................................................................ 23 C. Folgen der Unterscheidung ....................................................................... 24

2. Teil Zivilrecht

I. Grundbegriffe des Zivilrechts .......................................................................... 25 A. Einteilung des Privatrechts ....................................................................... 25 B. Rechtssubjekte .......................................................................................... 27 C. Rechtsobjekte ............................................................................................ 31 D. Grundbegriffe der Rechtsgeschäftslehre ................................................... 32 E. Der Abschluss von Verträgen .................................................................... 35 F. Absolute und relative Nichtigkeit von Verträgen ...................................... 40 G. Willensmängel ........................................................................................... 41 H. Stellvertretung ........................................................................................... 43II. Schuldrecht ...................................................................................................... 50 A. Grundbegriffe ............................................................................................ 50 B. Leistungsstörungen ................................................................................... 51 C. Schadenersatzrecht .................................................................................... 58III. Sachenrecht ...................................................................................................... 64 A. Grundlagen und Prinzipien ....................................................................... 64 B. Innehabung – Besitz – Eigentum .............................................................. 65 C. Eigentumserwerb ...................................................................................... 66 D. Das Grundbuch ......................................................................................... 67 E. Beschränkte dingliche Rechte ................................................................... 68IV. Familienrecht und Erbrecht .............................................................................. 69 A. Familienrecht ............................................................................................ 70 B. Erbrecht ..................................................................................................... 70V. Grundzüge des Zivilverfahrensrechts .............................................................. 77 A. Zweck ........................................................................................................ 77 B. Rechtsquellen ............................................................................................ 77 C. Die ordentliche Zivilgerichtsbarkeit ......................................................... 77 D. Verfahrensablauf ....................................................................................... 78 E. Wirkungen einer rechtskräftigen Entscheidung ........................................ 80VI. Historische Grundlagen des Zivilrechts ........................................................... 81 A. Römisches Recht ....................................................................................... 81 B. Naturrecht und erste Privatrechtskodifikationen ....................................... 91 C. Pandektistik und Begriffsjurisprudenz ...................................................... 92 D. Spätere Privatrechtskodifikationen ........................................................... 92 E. Privatrechtsentwicklung in Österreich bis zum ABGB ............................ 93

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IX Grabenwarter/Kodek/Eberhard/Spitzer, Einführung in die Rechtswissenschaften3

Inhaltsverzeichnis

F. Das ABGB ................................................................................................ 95 G. Weitere Entwicklung ................................................................................. 99 H. Die Auslegung des ABGB im Wandel der Zeit ......................................... 99 I. Auf dem Weg zu einem Europäischen Privatrecht? ................................ 100

3. Teil Grundzüge des öffentlichen Rechts

I. Der rechtswissenschaftliche Begriff des öffentlichen Rechts ........................ 101II. Allgemeine Staatslehre .................................................................................. 101 A. Staatsbegriff ............................................................................................ 102 B. Verfassungsbegriff .................................................................................. 103 C. Staatsformen ........................................................................................... 104III. Der Stufenbau der Rechtsordnung ................................................................. 105 A. Stufenbau nach der rechtlichen Bedingtheit ........................................... 105 B. Stufenbau nach der derogatorischen Kraft .............................................. 106IV. Geschichte des Verfassungsrechts ................................................................. 107 A. Einleitung ................................................................................................ 107 B. Die Phase des Frühkonstitutionalismus (1848 bis 1851) ........................ 107 C. Der Neoabsolutismus und der monarchische Einheitsstaat (1851 bis 1867) ....................................................................................... 109 D. Der Konstitutionalismus in der österreichisch-ungarischen Monarchie (1867 bis 1918) ..................................................................... 110 E. Die Entstehung der Ersten Republik ....................................................... 110 F. Ständestaat und Nationalsozialismus ...................................................... 111 G. Die Zweite Republik ............................................................................... 111V. Grundzüge des Verfassungsrechts ................................................................. 112 A. Rechtsquellen des Verfassungsrechts ....................................................... 112 B. Grundprinzipien der Verfassung ............................................................. 113 C. Grundrechte ............................................................................................. 119 D. Verfassungsgerichtsbarkeit ..................................................................... 126VI. Grundzüge des Verwaltungsrechts ................................................................. 128 A. Allgemeines Verwaltungsrecht ............................................................... 128 B. Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgerichtsbarkeit .......................... 138VII. Grundbegriffe des Völkerrechts ..................................................................... 143 A. Rechtsnatur und Grundsätze des Völkerrechts ....................................... 143 B. Rechtsquellen des Völkerrechts .............................................................. 144 C. Subjekte des Völkerrechts ....................................................................... 145 D. Die Vereinten Nationen ........................................................................... 148 E. Rechtsdurchsetzung im Völkerrecht ....................................................... 152 F. Völkerrecht und innerstaatliches Recht .................................................. 152VIII. Grundbegriffe des Europarechts .................................................................... 154 A. Rechtsnatur und Entwicklung der Europäischen Union ......................... 154 B. Rechtsquellen des Unionsrechts ............................................................. 155

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Inhaltsverzeichnis

C. Zuständigkeit ........................................................................................... 156 D. Unionsrecht und mitgliedstaatliches Recht ............................................. 157

4. Teil Grundzüge der Rechts- und Staatsphilosophie

I. Naturrechtslehre und Rechtspositivismus ...................................................... 159II. Theorieansätze der Rechts- und Staatsphilosophie im Wandel der Geschichte ............................................................................................... 160 A. Antike: die Frage nach der idealen Staatsform ....................................... 160 B. Mittelalter: Verhältnis von weltlicher und geistlicher Herrschaft ........... 163 C. Neuzeit: Verweltlichung der Staatsphilosophie ....................................... 164 D. Moderne: Vielfalt und Interdisziplinarität der Ansätze ........................... 171III. Die rechts- und staatstheoretischen Grundlagen des Bundesverfassungsrechts ............................................................................... 174

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1 Grabenwarter/Kodek/Eberhard/Spitzer, Einführung in die Rechtswissenschaften3

1. Teil Grundlagen und Methodenlehre

I. Rechtswissenschaften

A. Die Rechtswissenschaft als Wissenschaft

Das vorliegende Werk hat das Ziel, Studierende in die Rechtswissenschaften einzu-führen. Bevor der Gegenstand dieser Wissenschaft näher beschrieben wird, ist zu klären, was unter Wissenschaft zu verstehen ist. Wissenschaft ist auf Wissen bezogen, auf die Erarbeitung neuer Erkenntnisse als Ergebnis von Forschung. Neue Erkennt-nisse werden bestimmten Denkgesetzen folgend erzielt. Unverzichtbares Merkmal ei-ner jeden Wissenschaft ist es, eine bestimmte wissenschaft liche Methode zugrunde zu legen.

B. Die verschiedenen Rechtswissenschaften

Der Gegenstand der Rechtswissenschaften, nämlich das Recht, kann aus der Perspekti-ve verschiedener Disziplinen der Rechtswissenschaft beleuchtet und untersucht werden. Die zentrale Disziplin der Rechtswissenschaften, der auch der Großteil eines Rechtswis-senschaftsstudiums gewidmet ist, ist die Rechtsdogmatik. Sie ist darauf gerichtet, das geltende Recht zu erfassen und den Sinngehalt von Rechtsvorschriften einer rechtswis-senschaftlichen Methode folgend und bestimmte Interpretationsregeln berücksichtigend zu ermitteln. Die Rechtsphilosophie beschäftigt sich mit den philosophischen Grundlagen jeder Rechtsordnung. Im 4. Teil dieses Lehrbuchs werden die Grundzüge der Rechtsphilo-sophie dargestellt.Die Rechtstheorie ist eine Wissenschaft, die nicht den Inhalt bestimmter Rechtsvor-schriften ermitteln will, sondern darauf gerichtet ist, allgemeine Strukturprinzipien von Rechtsordnungen herauszuarbeiten und darzustellen.Die Rechtsgeschichte ist eine Teildisziplin nicht nur der Rechtswissenschaften, sondern auch der Geschichtswissenschaft. Demgemäß ist sie nicht auf die Forschungsmethoden der Rechtswissenschaften beschränkt und ist ihr Erkenntnisanliegen auch ein anderes. Sie ist darauf gerichtet, die Entwicklung von Rechtsordnungen oder Teilen davon zu ermitteln und darzustellen. Die Rechtsgeschichte beschränkt sich aber nicht bloß auf die Darstellung der Entwicklung von Rechtsvorschriften, sondern trägt mit ihren For-schungsergebnissen auch zum Verständnis des geltenden Rechts bei. Sie hat insoweit auch Zuträgerfunktion für die historische Interpretation, einer bestimmten Spielart der Interpretation von Rechtsvorschriften.

Beispiel: Für die Frage, wie der Verfassungsgesetzgeber den Begriff „Angelegenheiten des Gewer-bes“ in Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG verstanden hat, wird die Entwicklung des Rechtsgebiets des Gewer-berechts bis zum Inkrafttreten dieser Bestimmung in den Blick genommen.

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Grundlagen und Methodenlehre

Die Rechtsvergleichung („Komparatistik“) untersucht nicht eine bestimmte Rechts-ordnung, sondern Rechtsordnungen verschiedener Staaten und versucht, durch den Vor-gang des Vergleichens Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten und dabei letztlich wieder zum Verständnis des geltenden Rechts beizutragen. Legistik und Rechtspolitik beschäftigen sich mit der Erlassung neuer oder der Verbes-serung bestehender Gesetze. Die Gesetzgebungslehre (Legistik) untersucht Rechtsvor-schriften mit dem Ziel einer besseren formalen Gestaltung von Gesetzen. Kriterien hier-für sind etwa eine größere Systematik oder Verständlichkeit von Gesetzen, begriffliche Einheitlichkeit und sprachliche Qualität von Gesetzen. Die Rechtspolitik beschäftigt sich demgegenüber nicht damit, wie man ein Gesetz besser in Worte fassen kann, son-dern mit der Frage, was der Gesetzgeber materiell vorsehen soll. Dazu zählt auch die Abschätzung von Wirkung und Folgen von rechtspolitischen Gestaltungsmaßnahmen einschließlich deren Kosten (Rechtsfolgenanalyse). Rechtspolitische Fragen stellen sich überall: Themen der vergangenen Jahre waren zB ob eZigaretten nur in Trafiken verkauft werden dürfen; ob gleichgeschlechtliche Paare Kinder adoptieren dürfen; ob Eltern pflichtteilsberechtigt sein sollen. Aktuelle rechtspolitische Fragen sind, ob die Mindestsicherung für Flüchtlinge gekürzt werden soll, ob Handelsabkommen sinnvoll sind (TTIP), ob das Wahlrecht reformiert werden soll usw. Nicht immer nimmt der Ge-setzgeber seine rechtspolitische Verantwortung wahr (die Frage der Adoption durch gleichgeschlechtliche Personen hat der VfGH gelöst), nicht immer nimmt der Gesetzge-ber seine Verantwortung richtig wahr (die Beschränkung des Verkaufs von eZigaretten auf Trafiken war verfassungswidrig). Die Rechtssoziologie beschäftigt sich mit der Wechselwirkung des geltenden Rechts mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Sie ist eine rein empirische Wissenschaft und bedient sich demgemäß anderer Methoden als die Rechtsdogmatik, nämlich der Metho-den der empirischen Sozialforschung. Die Rechtssoziologie untersucht nicht nur recht-liche Verhaltensgebote, sondern auch andere normative Ordnungen (etwa moralische Gebote, gesellschaftliche Usancen etc). Das Recht ist für die Rechtssoziologie nicht ein auslegungsbedürftiges System von normativen Vorgaben, sondern eine Erscheinungs-form gesellschaftlicher Wirklichkeit. Die Rechtsökonomie oder Ökonomische Analyse des Rechts (Law and Economics) analysiert das Recht ausgehend von Verhaltensweisen und Motiven von Menschen als Wirtschaftssubjekten, die aus der Volkswirtschaftstheorie entnommen werden. Vor dem Hintergrund der ökonomischen Theorie werden Aussagen über die tatsächlichen Wir-kungen von geltenden Rechtsvorschriften getroffen.

II. Das Recht im objektiven SinnA. Definition

Das Recht im objektiven Sinn ist die Summe jener Normen, welche unter der Anfor-derung der Gerechtigkeit stehend das menschliche Zusammenleben verbindlich regeln und allenfalls mit staatlicher Zwangsgewalt durchsetzbar sind. Die Rechtsordnung sorgt somit für die äußere Ordnung in der Gesellschaft, welche das Zusammenleben erleichtert (Ordnungsfunktion); sie besteht aus Sollensanordnungen,

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3 Grabenwarter/Kodek/Eberhard/Spitzer, Einführung in die Rechtswissenschaften3

Das Recht im objektiven Sinn

nach welchen sich die Normunterworfenen richten müssen. Die Verletzung der aufge-stellten Ge- und Verbote wird nötigenfalls mit behördlicher Zwangsgewalt, somit ge-gen den Willen des Betroffenen, geahndet. Durch dieses staatliche Gewaltmonopol las-sen sich die Friedenssicherungs- und Schutzfunktion der Rechtsordnung verwirklichen. Die in einer Gemeinschaft geltende Rechtsordnung wird als positives Recht (von Men-schen für Menschen gesetztes Recht) bezeichnet: Gesetze werden erlassen und ihre Be-folgung erzwungen. Die menschliche Gemeinschaft bestimmt die Regeln für das Zu-sammenleben folglich selbst. Lehren des Naturrechts waren vor allem in früheren Zeiten herrschend (siehe auch 4. Teil II.B. und II.C.4.): Naturrechtslehrer wie Aristoteles, Thomas von Aquin, Hobbes und Pufendorf etwa betrachteten das Recht als aus der Natur des Menschen (vor allem seiner Vernunft) oder göttlicher Anordnung vor-gegeben und nicht vom Menschen geschaffen wie das positive Recht. Diese naturrechtlichen Normen seien der menschlichen Erkenntnis zugänglich und enthielten unmittelbar anwendbares, dem positiven Recht im Rang vorgehendes Recht.

In der Anerkennung allgemeiner, vom positiven Recht unabhängiger Rechtsgrundsätze (vgl § 7 ABGB: Entscheidung eines Rechtsfalles nach den „natürlichen Rechtsgrundsät-zen“) sind allerdings heute noch naturrechtliche Ansätze erkennbar. Ebenso wird vertre-ten, dass dem positiven Recht einem ethisch sauberen Rechtsbegriff entsprechend bloß dann Rechtsqualität zukomme, wenn es sich an Gerechtigkeitsvorstellungen orientiert (siehe unten) und den Postulaten der Zweckmäßigkeit und Rechtssicherheit dient.

B. Die normativen Ordnungen von Sitte und Moral Neben den Verhaltensanordnungen des Rechts bestehen in einer Gemeinschaft auch Verhaltensanordnungen der Sitte und Moral; auch sie regeln das menschliche Zusam-menleben. Das Recht unterscheidet sich trotz gewisser gemeinsamer Merkmale von diesen anderen normativen Ordnungen jedoch durch die Einordnung als staatliche Zwangsordnung (das Charakteristikum, dass es notfalls mit unmittelbarem, staatlich organisiertem Zwang durchgesetzt werden kann).

1. SittenSitten sind allgemein geübte, nach außen erkennbare und rechtlich unbeachtliche Ver-haltensweisen bestimmter Gruppen, welche ohne Rechtsüberzeugung (opinio iuris – Unterschied zum Gewohnheitsrecht, siehe unten IV.B.) praktiziert werden und deren Verletzung keine staatlichen, sondern gesellschaftliche Sanktionen nach sich zieht. Mit ihrer Nichtbeachtung sind häufig geschäftliche und/oder persönliche Nachteile verbun-den (Ächtung, Beziehungsverlust etc).

Beispiel: Sitte ist es etwa, sich zu grüßen, Hände zu schütteln, sich zu bestimmten Anlässen entspre-chend zu kleiden, mit Messer und Gabel zu essen etc.

Sitten können ausnahmsweise in Form von Verkehrssitten oder Unternehmensbräu-chen rechtliche Bedeutung erlangen (so etwa bei der Auslegung von Willenserklärun-gen und Verträgen gemäß § 914 ABGB oder über Verweise des Gesetzgebers, zB in § 346 UGB: „Gebräuche im Geschäftsverkehr“).

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Grundlagen und Methodenlehre

2. MoralGebote der Moral sind für die innere Einstellung und das eigene Gewissen maßgeblich. Während Recht und Sitte außenwirksame Sollensanforderungen beinhalten, welche sich im Grunde mit äußerer Befolgung begnügen, erfordern die Appelle der Moral an das eigene Gewissen eine edle Gesinnung. Verletzungen der Moral müssen mit dem eigenen Gewissen vereinbart werden. Auch zwischen Recht und Moral bestehen Überschneidungen: Viele Rechtsvorschriften genügen moralischen Anforderungen; allerdings ist nicht jedes unmoralische Verhalten auch zugleich rechtswidrig. Im Rahmen der §§ 879 und 1295 Abs 2 ABGB sind Moralvorstellungen aller „billig und gerecht Denkenden“ im Rahmen der „guten Sitten“ rechtlich beachtlich. Wer gegen diesen allgemeinen, ungeschriebenen Grundkonsens an Werthaltungen verstößt, han-delt rechtswidrig. Der genaue Umfang der guten Sitten wird durch die Rechtsprechung laufend konkretisiert und bietet aufgrund der nicht leicht fassbaren Ausgestaltung der Moralvorstellungen „aller billig und gerecht Denkenden“ in den Randbereichen häufi-gen Anlass zu Diskussionen.

III. Das Recht im subjektiven Sinn Die Rechtsordnung als Recht im objektiven Sinn trifft Verhaltensanordnungen, räumt aber auch Befugnisse ein. Diese dem Einzelnen vom objektiven Recht (engl „law“) zugestandenen Befugnisse heißen subjektive Rechte (engl „right“). Sie gewähren ein-zelnen Personen somit durchsetzbare Ansprüche.Indes begründet nicht jede Vorschrift des objektiven Rechts zum Schutz bestimmter Interessen stets auch ein subjektives Recht. Für die Annahme eines subjektiven Rechts ist vielmehr entscheidend, dass eine Vorschrift des objektiven Rechts (zumindest auch) dem individuellen Interesse Einzelner zu dienen bestimmt ist. So bezweckt etwa die Straßenverkehrsordnung (StVO) den Schutz der Verkehrsteilnehmer, diese haben allerdings kein Recht, die Einhaltung der StVO von jemandem zu erzwingen; die Einhaltung dieser Vor-schriften wird unabhängig vom Willen der geschützten Personen von öffentlichen Organen amtswegig wahrgenommen. Somit verleiht die StVO kein diesbezügliches subjektives Recht, da keine Befugnis zur Geltendmachung durch die geschützten Personen besteht. Dagegen bestehen Ansprüche einer Person, dass der Nachbar nicht über die nach der Bauordnung (BauO) zulässige Höhe hinaus baut oder dass er nicht näher als nach der BauO zulässig an die Grund-grenze heran baut (öffentlich-rechtliche subjektive Rechte), da diese Ansprüche vor den zuständigen Verwaltungsbehörden und sodann vor den Verwaltungsgerichten durchsetzbar sind. Wird dem Nach-barn unter Verletzung dieser subjektiven öffentlichen Rechte eine Baubewilligung erteilt, steht dem Betroffenen Rechtsschutz offen. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein und stellt sich vor allem im Bereich des öffentlichen Rechts: Wird etwa jemandem eine Baubewilligung erteilt, obwohl die vorgesehenen Wohnzimmerfens-ter nicht die nach der BauO erforderliche Mindestgröße aufweisen, kann der Nachbar keine Rechtsmit-tel ergreifen, da es sich hierbei bloß um Bestimmungen des objektiven Rechts handelt, welche von der Baubehörde amtswegig wahrzunehmen sind, und der Nachbar durch einen solchen Bescheid nicht in seinen subjektiven öffentlichen Rechten verletzt wird (diese Bestimmung dient allein dem Schutz der dort Wohnenden, nicht dem Schutz der Nachbarn, weshalb keine subjektiven öffentlichen Rechte der Nachbarn begründet werden). Als Leitlinie hat sich in Judikatur und Lehre die sog Schutznormtheo-rie entwickelt, wonach eine Rechtsnorm dann ein subjektives öffentliches Recht begründet, wenn sie nicht ausschließlich zum Schutz der Allgemeinheit oder zur Durchsetzung eines öffentlichen Interesses

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5 Grabenwarter/Kodek/Eberhard/Spitzer, Einführung in die Rechtswissenschaften3

Rechtsquellen

erlassen wurde, sondern zumindest auch dem Schutz individueller Interessen und damit dem Schutz bestimmter spezifisch betroffener Einzelner dient. Eindeutiger werden Ansprüche im Privatrecht eingeräumt: So hat der Geschädigte nach den Rege-lungen des ABGB gegen den Schädiger einen Schadenersatzanspruch (privatrechtliches subjektives Recht). Dieser Anspruch ist zivilgerichtlich durchsetzbar.

IV. RechtsquellenA. Definition Unter Rechtsquellen versteht man jene Erscheinungsformen, aus denen Recht entsteht (Entstehungsquellen) bzw aus denen Recht erkennbar wird (Erkenntnisquellen).

B. Entstehungsquellen des Rechts Darunter versteht man die von der staatlichen Autorität gesetzten bzw anerkannten Akte der Rechtserzeugung: Gesetze: Diesen kommt in Österreich überragende Bedeutung zu. Gesetzesrecht wird auch als positives Recht bezeichnet (siehe oben II.A.), da seine Existenz auf mensch-liche Rechtssetzung zurückzuführen ist (im Gegensatz zum Naturrecht). Die Regelun-gen über das Gesetzgebungsverfahren stellen einen der Kerninhalte des demokratischen Grundprinzips der Verfassung dar (3. Teil V.B.2.). „Sobald ein Gesetz gehörig kundgemacht worden ist, kann sich niemand damit entschuldigen, dass ihm dasselbe nicht bekannt geworden sei.“: § 2 ABGB wird heute dahingehend ausgelegt, dass im BGBl kundgemachte Gesetze für jedermann verbindlich sind, unabhängig davon, ob er von ihnen tatsächlich Kenntnis hat oder nicht. Verschuldet iSv subjektiv vorwerfbar ist diese Unkenntnis jedoch nur dann, wenn dem Betreffenden die Kenntnisnahme zumutbar war. Generell wird hierbei ein strenger Maßstab angelegt, sodass Rechtsunkenntnis nur selten entschuldigt: Ausländische Autofahrer müssen sich etwa über die einschlägigen Normen informieren, wenn sie österreichische Straßen befahren.

Staatsverträge sind öffentlich-rechtliche Vereinbarungen des Staates mit anderen Völ-kerrechtssubjekten, also Staaten und Internationalen Organisationen, aber auch damit zusammenhängende einseitige Völkerrechtsgeschäfte wie die Kündigung.Verordnungen sind Hoheitsakte von Verwaltungsbehörden, die nur auf Basis einer ge-setzlichen Ermächtigung erlassen werden dürfen und die sich – wie Gesetze – an einen generellen Adressatenkreis richten (zB alle Betreiber von gewerblichen Betriebsan-lagen).Zu den generellen Rechtsquellen, welche sich an die Allgemeinheit oder an einen nach Artmerkmalen bestimmten Adressatenkreis wenden, zählen Gesetze, Verordnungen, Staatsverträge und Gewohnheitsrecht. Letzteres entsteht durch lang anhaltende, allge-meine, gleichmäßige Anwendung, welche von der Überzeugung getragen werden muss, dass die angewandten Regeln Recht seien (opinio iuris). Das Erfordernis der opinio iuris für die Qualifikation als Gewohnheitsrecht unterscheidet dieses von Sitten und Gebräuchen (bloße opinio usus). In Österreich kommt dem Gewohnheitsrecht eine sehr untergeordnete Bedeutung zu, da der Gesetzgeber bisheriges Gewohnheitsrecht im Lau-fe der Zeit in Gesetze aufzunehmen pflegt und dieses somit verdrängt wird.

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Grundlagen und Methodenlehre

Beispiel: Verordnungen richten sich an eine unbestimmte Anzahl von Personen, beispielsweise an alle Lenker eines Kraftfahrzeugs in einem bestimmten Gebiet (Straßenverkehrszeichen) oder an alle Grundeigentümer (Flächenwidmungsplan).

Individuelle Rechtsquellen richten sich dagegen an einzelne, individuell bestimmte Personen. Dazu gehören Erkenntnisse von Gerichten und Gerichtshöfen des öffentli-chen Rechts und Bescheide von Verwaltungsbehörden (in den Grenzen der Rechtskraft) sowie Gerichtsurteile von ordentlichen Gerichten und Verträge zwischen Privatrechts-subjekten. Im Case-law-System des angloamerikanischen Rechtskreises kommt Gerichtsurteilen generelle Wir-kung zu. § 12 ABGB bestimmt, dass in Österreich Gerichtsurteile Verbindlichkeit bloß für den einzelnen entschiedenen Fall entfalten; Gerichte können somit kein allgemein gültiges Recht schaffen. Bereits aus dem Gewaltenteilungsprinzip der Verfassung ergibt sich, dass das Parlament (Bundes-)Recht schafft, den Gerichten und Verwaltungsbehörden hingegen die Rechtsanwendung obliegt. Aufgrund dieser Bin-dung der Gerichte an das Gesetz dürfen sie nicht contra legem entscheiden; die Ausdifferenzierung bzw das Weiterdenken unvollkommenen Gesetzesrechts unter Ausschöpfung aller anerkannten Methoden ist im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung aber erlaubt. Insofern kommt dem Richterrecht auch eine gewisse subsidiäre Bindungskraft im generellen Sinne zu, da Gerichtsurteile binden, solange nicht nachgewiesen werden kann, dass eine andere Lösungsmöglichkeit der Rechtsordnung besser ent-spricht. Die Grenzen zur unerlaubten freien Rechtsfindung sind allerdings zum Teil fließend und dürfen nicht überschritten werden. Es besteht auch keine Bindung der Höchstgerichte (VfGH, VwGH und OGH) an (ihre eigenen) Präju-dizien: Bei neuerlicher Vorlage eines vergleichbaren Sachverhalts dürfen sie zu einer anderen Lösung gelangen.

Beispiel: Der VfGH (VfSlg 7461) entschied etwa im Jahr 1974 zunächst, dass die in Vorarlberg ausschließlich für Schülerinnen vorgeschriebene hauswirtschaftliche Ausbildung sachlich gerecht-fertigt sei, da diese Tätigkeit überwiegend von Frauen ausgeübt werde. Diese Regelung wurde hin-gegen 1994 durch den VfGH aufgehoben (VfSlg 13.917).

Nichtsdestoweniger orientiert sich die Rechtsprechungspraxis an Präjudizien aus Gründen der Rechts-sicherheit und Gleichbehandlung. Eine gewisse Bindung der Höchstgerichte an ihre eigene Rechtspre-chung ist zur Wahrung der Einheitlichkeit und Verlässlichkeit (im Sinne einer Leitjudikatur) vorgesehen. Solche Leitentscheidungen werden von verstärkten Senaten getroffen, in denen eine höhere Anzahl von Richtern vertreten ist: So ist etwa beim VwGH und beim OGH ein verstärkter Senat vorgeschrieben, wenn eine Entscheidung ein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung bedeutet oder die zu lösende Rechts-frage in der bisherigen Rechtsprechung der Gerichte nicht einheitlich beantwortet wurde (§ 13 Abs 1 VwGG; § 8 OGHG).

C. Österreich als Mitglied der EU

Auffällig ist, dass im Katalog der österreichischen Rechtsquellen keine Rechtsakte der EU angeführt sind. Das liegt daran, dass europäische Rechtsakte nicht Teil der österrei-chischen Rechtsordnung sind, sondern eine eigenständige zweite Rechtsordnung bilden. Diese Rechtsordnung besteht aus dem Primärrecht („europäisches Verfassungsrecht“), also va den Verträgen und der Grundrechtecharta, und dem Sekundärrecht, also Nor-men, die auf Basis des Primärrechts erlassen wurden. Dazu gehören Richtlinien, die sich an die Mitgliedstaaten richten und von diesen in nationales Recht umzusetzen sind, und Verordnungen, die unmittelbar, also ohne Umsetzung anwendbar sind. Diese unmit-telbare Anwendbarkeit führt dazu, dass das Europarecht als „supranationales“ Recht bezeichnet wird. Das Europarecht wird geschlossen in Teil 3 VIII. behandelt.

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Rechtsvorschriften

D. Erkenntnisquellen des Rechts Darunter versteht man jene äußeren Erscheinungsformen, welche es ermöglichen, vom Inhalt des Rechts Kenntnis zu erlangen:• Bundesgesetzblätter, in welchen insb Bundesgesetze und die von Österreich ratifi-

zierten Staatsverträge kundgemacht werden.Seit 1.1.1997 bestehen folgende Teilungen der BGBl: I Gesetze, II Verordnungen, III Staatsver-träge. Seit dem Jahr 2004 wird dabei die authentische Fassung der Rechtsvorschriften im Internet (Rechtsinformationssystem des Bundes: www.ris.bka.gv.at) kundgemacht.

• Landesgesetzblätter, in welchen insb Landesgesetze kundgemacht werden.• Amtsblatt der EU, in welchem insb die Verordnungen und Richtlinien der EU ver-

öffentlicht werden. Im ABl werden verbindliche Rechtsakte im Teil L (legislatio), Mitteilungen und Bekanntmachun-gen im Teil C (communicatio) kundgemacht.

Die entsprechende Rechtsvorschrift gilt in der verlautbarten Form, bei Fehlern ist im selben Kundmachungsorgan eine Druckfehlerberichtigung zu veröffentlichen.

V. RechtsvorschriftenA. Definition Das Recht im objektiven Sinn tritt in Form von Rechtssätzen (Rechtsvorschriften) in Erscheinung. Rechtssätze sind Sollensanordnungen und bestehen regelmäßig aus Tat-bestand und Rechtsfolge: Der Tatbestand beschreibt abstrakt vertypt eine bestimmte Verhaltensweise bzw Situation, für welche eine bestimmte Konsequenz vorgesehen ist (Rechtsfolge). Rechtssätze ordnen somit bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen den Eintritt bestimmter Rechtsfolgen an.

B. Sachverhalt Als Sachverhalt bezeichnet man jene konkrete Lebenssituation, auf welche der Rechts-satz angewendet werden soll („Lebenssachverhalt“). Möglicherweise rechtlich erhebli-che Fakten bilden den Sachverhalt.

Beispiele: Laura ist beim Schifahren unaufmerksam und kollidiert mit der am Sessellift angestellten Lena, die sich ein Bein bricht.Der leicht alkoholisierte Heinz erschießt den Pilze sammelnden Christian im Wald bei dem Versuch, den neben Christian befindlichen Baum zu treffen. Max fährt mit seinem Auto im Wiener Ortsgebiet mit 95 km/h.

C. Tatbestand Dieser beschreibt mittels allgemein gehaltener, abstrakter Tatbestandsmerkmale jene Lebenssituationen und Fakten, für welche die Rechtsordnung Rechtsfolgen anordnet.

Beispiele: § 1295 Abs 1 ABGB lautet: „Jedermann ist berechtigt, von dem Beschädiger den Ersatz des Schadens, welchen dieser ihm aus Verschulden zugefügt hat, zu fordern; …“

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Grundlagen und Methodenlehre

§ 1325 ABGB lautet: „Wer jemanden an seinem Körper verletzt, bestreitet die Heilungskosten des Verletzten, ersetzt ihm den entgangenen, oder, wenn der Beschädigte zum Erwerb unfähig wird, auch den künftig entgehenden Verdienst; und bezahlt ihm auf Verlangen überdies ein den erhobenen Umständen angemessenes Schmerzengeld.“ Der erste Halbsatz bildet den konkretisierten Tatbe-stand, der zweite die Rechtsfolge.§ 75 StGB (Mord) lautet: „Wer einen anderen tötet, ist mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen.“ Der erste Halbsatz bildet den Tatbestand, der zweite die Rechtsfolge. Dabei ist aber auch zu beachten, dass nach § 7 Abs 1 StGB dann, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, nur vorsätzliches Handeln strafbar ist. Bei der Tötung gibt es jedoch auch ein entsprechendes Fahrlässigkeitsdelikt. § 80 Abs 1 StGB (Fahrlässige Tötung) lautet: „Wer fahrlässig den Tod eines anderen herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.“§ 99 Abs 2e StVO erklärt das Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet (= 50 km/h: § 20 Abs 2 StVO) um mehr als 40 km/h zur Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe von 150 bis 2180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 48 Stunden bis zu 6 Wochen, zu bestrafen ist.

Der Tatbestand eines Rechtssatzes muss notwendig abstrakt formuliert sein, da dieser für eine Vielzahl von Fällen einschlägig sein muss. Der Gesetzgeber kann nicht für jeden Einzelfall eine individuelle Lösung treffen, so beispielsweise an-ordnen, dass Laura Lena € 3.000 Schmerzengeld zahlen muss, wenn sie ihr einen Beinbruch zufügt. Die Zahl und die konkreten Konstellationen der möglichen Konflikte in der Realität sind unendlich, sodass allgemein angeordnet wird: Bei schuldhafter Schädigung ist Ersatz zu leisten. Alle Autofahrer, die die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreiten, sind wegen einer Verwaltungs-übertretung zu bestrafen, wenn keine die Strafbarkeit ausschließenden Gründe vorliegen.

D. Subsumtion

Ob ein Sachverhalt rechtlich erheblich ist, hängt davon ab, ob der Sachverhalt in den Regelungsbereich eines gesetzlichen Tatbestands fällt. Diese Prüfung, ob der Sachver-halt einem Tatbestand entspricht, obliegt dem Rechtsanwender: Jenen Vorgang, bei welchem festgestellt wird, dass ein Sachverhalt die Merkmale eines gesetzlichen Tatbestands erfüllt, bezeichnet man als Subsumtion. Diese erfolgt mithilfe eines Syllogismus: Den Obersatz stellt der Tatbestand dar, den Untersatz der Sachver-halt. Der Schlusssatz stellt fest, dass der Sachverhalt die Tatbestandsmerkmale erfüllt.

Beispiele: Tatbestand (Obersatz): „Wer jemanden an seinem Körper verletzt, …“Sachverhalt (Untersatz): Laura ist beim Schifahren unaufmerksam und kollidiert mit der am Sessel-lift angestellten Lena, die sich ein Bein bricht.Schlusssatz: Laura hat Lena eine körperliche Verletzung zugefügt; sie handelt aufgrund ihrer Un-aufmerksamkeit objektiv und subjektiv sorgfaltswidrig (fahrlässig) und muss somit Schadenersatz leisten.Tatbestand (Obersatz): „Wer einen anderen tötet …“ Sachverhalt (Untersatz): Der leicht alkoholisierte Heinz erschießt den Pilze sammelnden Christian im Wald bei dem Versuch, den neben Christian befindlichen Baum zu treffen. Schlusssatz: Heinz hat Christian getötet, weil sein Schuss zum Tod geführt hat. Er ist aber kein Mörder (§ 75 StGB), weil er nicht vorsätzlich gehandelt hat. Er hat aber fahrlässig gehandelt, weil er alkoholisiert und in unmittelbarer Nähe eines anderen auf einen Baum gezielt hat. Daher hat Heinz Christian fahrlässig getötet (§ 80 StGB). Tatbestand (Obersatz): „Wer die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h überschreitet …“ Sachverhalt (Untersatz): Max fährt mit seinem Auto im Ortsgebiet von Wien mit 95 km/h.Schlusssatz: Max hat die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h überschritten. Max hat daher eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs 2e StVO begangen. Wenn

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Rechtsvorschriften

eine Verwaltungsvorschrift nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Handeln (§ 5 VStG), was hier jedenfalls anzunehmen ist.

Erst nachdem der Sachverhalt erfolgreich unter einen Tatbestand subsumiert wurde, kann die auf den Sachverhalt anzuwendende Rechtsfolge bestimmt werden, da diese die Erfüllung des Tatbestands voraussetzt.

E. Rechtsfolge

Wird ein gesetzlicher Tatbestand verwirklicht, führt dies im konkreten Fall zu einem Rechtserwerb, Rechtsverlust, einer Verpflichtung oder sonstigen Änderung der Rechts-verhältnisse, je nachdem, was der Gesetzgeber als Konsequenz des tatbestandsmäßigen Verhaltens in der Rechtsvorschrift anordnet.

Beispiel: Der Mörder soll ins Gefängnis kommen; der Schädiger soll Schadenersatz leisten; der rasende Autofahrer soll bestraft werden etc.

F. Geltung von Rechtsvorschriften Eine Rechtsvorschrift erlangt rechtliche Existenz und wird Bestandteil der Rechts-ordnung, sobald sie den vorgesehenen Regeln entsprechend beschlossen und im vor-gesehenen Kundmachungsorgan veröffentlicht wird. Sie gilt unabhängig von ihrer Effektivität (dem Maß an Rechtsbefolgung durch die Rechtsunterworfenen und Rechts-durchsetzung durch die staatlichen Organe) bis zu ihrer allfälligen Aufhebung oder Ab-änderung. Rechtsvorschriften bestimmen für diverse Personen gewisse Verhaltensweisen unter be-stimmten Voraussetzungen. Inhaltlich können somit folgende Anwendungsbereiche unterschieden werden:• Der persönliche Geltungsbereich einer Rechtsvorschrift wird entweder nach Gat-

tungsmerkmalen (generell) oder individuell (für eine bestimmte Person) festgelegt. Gesetze und Verordnungen enthalten grundsätzlich generelle Anordnungen (rich-ten sich somit an die Allgemeinheit oder eine nach Gattungsmerkmalen bestimmte Gruppe von Menschen), während Bescheide, Entscheidungen und Urteile individu-elle Vorschriften beinhalten (richten sich an Frau X, Herrn Y).

• Den örtlichen Geltungsbereich etwa von Bundesgesetzen stellt gemäß Art 49 B-VG grundsätzlich das gesamte Bundesgebiet dar. Landesgesetze gelten hingegen nur im Bereich des jeweiligen Bundeslandes.

• Der sachliche Geltungsbereich bestimmt, welche Sachverhalte und Verhaltenswei-sen vom Tatbestand der entsprechenden Rechtsvorschrift erfasst sind. Gesetze und Verordnungen stellen meist auf abstrakt-typisierte Verhaltensweisen ab, während Urteile, Entscheidungen und Bescheide konkret umschriebene Verhaltensweisen be-inhalten.

• Zeitlicher Geltungsbereich: Gemäß Art 49 Abs 1 B-VG treten – mangels abwei-chender Bestimmung – Bundesgesetze mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung (0 Uhr des Tages nach dem Kundmachungstag) in Kraft und werden verbindlich: Verbindlichkeit und Geltungsbeginn treten somit grundsätzlich gemeinsam ein.

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Grundlagen und Methodenlehre

Geltungs- und Verbindlichkeitsbeginn können allerdings bei entsprechender gesetz-licher Anordnung auch auseinanderfallen: Im Falle einer Legisvakanz tritt die Verbind-lichkeit erst zu einem späteren Zeitpunkt ein.

Beispiel: Das Erbrechtsänderungsgesetz 2015 wurde im Juli 2015 vom Parlament beschlossen und im BGBl kundgemacht, wird aber erst am 1. Jänner 2017 wirksam.

Der Gesetzgeber kann unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes (sachliche Recht-fertigung!) auch eine Rückwirkung anordnen, sodass ein Gesetz auf Sachverhalte An-wendung findet, welche sich vor seiner Erlassung ereignet haben. Der Gesetzgeber hat dabei allerdings verfassungsrechtliche Grenzen in Gestalt des (aus dem Gleichheitssatz abzuleitenden) Vertrauensschutzprinzips zu beachten (3. Teil V.C.2.b). Im Strafrecht gilt allerdings ein Rückwirkungsverbot (vgl § 1 StGB, § 1 VStG). Die Geltung einer Rechtsvorschrift kann durch Zeitablauf, Eintritt einer auflösenden Bedingung, Derogation (Aufhebung durch eine andere Rechtsvorschrift – siehe unten VII.B.) oder Aufhebung durch ein aufhebungsbefugtes Organ enden.

G. Novellierung

Rechtsvorschriften dürfen von den sie erlassenden Rechtssetzungsautoritäten grundsätz-lich jederzeit geändert werden. Durch Novellen kann eine Änderung der sprachlichen Fassung einzelner Formulierungen, eine Aufhebung früher erlassener Rechtsvorschrif-ten und eine Einfügung neuer Bestimmungen bewirkt werden. Sobald die Anordnung der Novelle in Kraft tritt, gilt die geänderte Fassung.

Beispiel: Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (BGBl I 2012/51); Erbrechtsänderungsesetz 2015 (BGBl I 2015/87); Steuerreformgesetz 2015/16 (BGBl I 2015/118).

VI. Arten von RechtsvorschriftenA. Materielles Recht – Formelles Recht Materielles Recht befasst sich mit der inhaltlichen Ordnung menschlichen Zusam-menlebens. Materielle Rechtsvorschriften regeln etwa, auf welche Leistungen jemand unter welchen Voraussetzungen einen Anspruch hat, wann ein Rechtsgeschäft anfecht-bar ist, unter welchen Umständen Arbeitnehmer gekündigt werden können, unter wel-chen Voraussetzungen eine gewerbliche Betriebsanlage betrieben werden darf, etc. Da-rüber hinaus regelt das materielle Recht spiegelbildlich die inhaltlichen Determinanten für das Handeln der Staatsorgane, etwa unter welchen Voraussetzungen die Errichtung einer Betriebsanlage zu bewilligen ist. So sind bspw Zivil-, Arbeits-, Straf- und Unternehmensrecht sowie das besondere Ver-waltungsrecht materielles Recht.Diese inhaltlichen Regelungen müssen notfalls durch staatlichen Zwang durchgesetzt werden. Das formelle Recht legt fest, welche Behörden dabei wie vorzugehen haben; es dient der Verwirklichung des materiellen Rechts. Unter formellem Recht versteht man somit jene Rechtsvorschriften, welche Verfahren und Art der Rechtsdurchsetzung