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Institute for Classical Studies, part of the Institute for Philosophy, Czech Academy of Sciences in Prague Lateinische Gelegenheits poesie in den böhmischen Ländern und in Deutschland im 16. und 17. Jahrhundert Author(s): JAN MARTÍNEK Source: Listy filologické / Folia philologica, Roč. 91, Čís. 2 (1968), pp. 151-162 Published by: Institute for Classical Studies, part of the Institute for Philosophy, Czech Academy of Sciences in Prague Stable URL: http://www.jstor.org/stable/23466127 . Accessed: 14/06/2014 05:45 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Institute for Classical Studies, part of the Institute for Philosophy, Czech Academy of Sciences in Prague is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Listy filologické / Folia philologica. http://www.jstor.org This content downloaded from 185.44.79.179 on Sat, 14 Jun 2014 05:45:57 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Lateinische Gelegenheits poesie in den böhmischen Ländern und in Deutschland im 16. und 17. Jahrhundert

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Institute for Classical Studies, part of the Institute for Philosophy, Czech Academyof Sciences in Prague

Lateinische Gelegenheits poesie in den böhmischen Ländern und in Deutschland im 16. und 17.JahrhundertAuthor(s): JAN MARTÍNEKSource: Listy filologické / Folia philologica, Roč. 91, Čís. 2 (1968), pp. 151-162Published by: Institute for Classical Studies, part of the Institute for Philosophy, Czech Academy ofSciences in PragueStable URL: http://www.jstor.org/stable/23466127 .

Accessed: 14/06/2014 05:45

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Lateinische Gelegenheits poesie in den böhmischen Ländern

und in Deutschland im 16. und 17. Jahrhundert

Herrn Prof. Dr. Josef Dobias

zum 80. Geburtstag

JAN MARTINEK (PRAHA)

Der Zweck dieses Artikels ist, die Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten der Gelegenheitspoesie in Deutschland und in den böhmischen Ländern zu erörtern. Unter dem Begriff „lateinische Gelegenheitspoesie" verstehe ich, wie ich schon in einem anderen Artikel1 ausgeführt habe, vor allem die Genethliaca (Glückwünsche zum Geburts- oder Namenstag), Epi thalamia (Hochzeitsglückwünsche), Epicedia (Trauergedichte), Propem ptica [Geleitsgedichte), Carmina gratulatoria (Glückwünsche zu akade mischen Würden), Glückwünsche zur Ernennung von Stadträten, zu einer Herrscherkrönung usw. In diese Gruppe können jedoch auch andere poetische Schriften einbezogen werden, wie die Carmina sacra, die zwar ihren Stoff aus der Welt der Religion, besonders aus den Erzählungen über das Leben der Heiligen schöpften, aber zu einer konkreten Gelegen heit, ζ. B. zum Namenstag einer hervorragenden Persönlichkeit verfaßt wurden, und kleinere Gedichte, wie Epigrammata, Eteosticha, Sym bola, Anagrammata, soweit sie auf ein gleichzeitiges Ereignis Bezug nahmen oder einer Person bei einer bestimmten Gelegenheit zugeeignet wurden.

Ausgangspunkt für die Erforschung der lateinischen Gelegenheitspoesie bilden ohne Zweifel die vorhandenen Nachschlagewerke. In beiden Län dern, die in diesem Artikel besprochen werden, gibt es schon seit langem derartige Arbeiten, die jedoch auf unterschiedlichen Grund sätzen beruhen, wodurch die Aufgabe, eine vergleichende Abhandlung zu schreiben, wesentlich erschwert wird. Während in Böhmen und Mähren

schon seit der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts bei der Bearbeitung des hier zu besprechenden Zeitabschnittes Vollständigkeit angestrebt wurde,2 machte sich in Deutschland der Grundsatz der Auswahl sowohl

in bibliographischer als auch biographischer Hinsicht geltend. Das gilt auch für die wichtigsten und meistgebrauchten Werke, wie Goedekes Grundriß, und, was übrigens selbstverständlich ist, die Allgemeine Deutsche Biographie. Weder die Lexica eruditorum, die der Allgemeinen Biographie vorangegangen sind, noch die Neue deutsche Biographie (bisher Α—Η) konnten sich bei ihrer Ausdehnung auf die gesamte poli tische und kulturelle Geschichte einer anderen Methode bedienen, und der zweite Band Goedekes, der unseren Zeitabschnitt betrifft, wurde bisher weder durch eine neue Auflage noch durch ein neues Werk ersetzt. Erst der jetzt bis zum Buchstaben В fortgesetzte Index Aureliensis, der

1 Listy filologicke 83 (1960), S. 130. 2 J. Jungmann, Historie literatury ceske, Prag 1849 (bibliographische Übersichten

im Anhang zu allen 6 Abteilen des Werkes). In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und im folgenden Jahrhundert gab es schon mehrere derartige Arbeiten.

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JAN MARTÍNEK

sich nicht nur auf die literarischen Denkmaler deutscher Provenienz beschrankt, beabsichtigt fiir einen Teil des von uns zu behandelnden Zeitabschnittes, namlich fťir das 16. Jahrhundert, ein relativ vollstandiges Verzeichnis zu liefern.

Wenn die Situation, was die Nachschlagewerke anlangt, so aussieht, ist es wohl kein Wunder, dafi auch die Autoren, die sich mit der Bearbei tung des in diesen Nachschlagewerken registrierten Materials befaBten, nicht mehr als eine Auswahl bieten konnten. Das gilt auch von jenen, die sich bekanntlich nicht mit dem Auswerten des schon erfaftten Mate rials zufriedenstellten, sondern selbstandige Forschungsarbeiten unter nommen haben, wie Georg Ε 11 i η g e r, dessen Werk^ auch deswegen nicht als vollstandige Bearbeitung der lateinischen Poesie in Deutschland angesehen werden darf, weil es sich auf die Lyrik beschrankt und nicht vollendet wurde. (jbrigens war es nicht sein Ziel, die gesamte latei nische Dichtung in Deutschland zu bearbeiten; er hatte sich wohl nach dem Grundsatz der Auswahl gerichtet, auch wenn es ihm moglich ge wesen ware, sich einen Oberblick iiber das gesamte Material zu ver schaffen.

Unter diesen Umstanden konnte bei einem Forscher, der sich mít dem

Vergleich der beiden hier besprochenen Gebiete vom literarischen Stand punkt aus beschaftigte und vorwiegend die Nachschlagewerke beniitzte, der Eindruck entstehen, als ob Deutschland, wo es im Bereich des latei nischen Humanismus ohne Zweifel viele hervorragende Personlichkeiten gab, in der quantitativen Ausdehnung der stadtischen humanistischen Gelegenheitsdichtung den bohmischen Landern nachstehe, dafi also die eifrige Pflege dieser Dichtung durch viele Angehorige der akademisch gebildeten Intelligenz, vor allem durch Lateinschullehrer und Stadt schreiber, aber auch durch Lateinschiiler, sowohl in reichen koniglichen Stadten als auch in kleinen Stadtchen und Markten, ein Spezifikum der bohmischen Lander sei.

ыпе soicne Anscnauung ware каит ricntig. ъспоп nacn einer gruna lichen Untersuchung der modernen deutschen literarhistorischen und historischen Arbeiten, die sich auf unseren Zeitabschnitt beziehen, ein schlieftlich der Publikationen lokaler Bedeutung wiirde sich zeigen, daft diese Behauptung nicht zu rechtfertigen ist. So reich aber die modeme deutsche wissenschaftliche Literatur sein mag, es besteht doch kein Zweifel, daft es viele literarische Quellen, d. h. Handschriften und vor allem Drucke deutscher Provenienz gibt, die bisher ganz unbeachtet ge blieben sind, iiber die nicht einmal eine kleine Notiz veroffentlicht wurde. Solche Dinge konnen also selbst bei griindlicher Sichtung der modernen Literatur nicht ermittelt werden. Selbstverstandlich ist es nicht meine

Absicht, einen vollstandigen tjberblick liber solche Quellen in diesem kurzen Artikel zu bieten, ich will vielmehr auf bestimmte Komplexe gleichartigen Inhalts hinweisen, auf die sog. Sammelbande, in denen die Mehrzahl der gedruckten humanistischen Literatur aufbewahrt ist. Diese Hinweise konnen meines Erachtens die hier ausgesprochenen Be

hauptungen hinreichend belegen. Ich mochte gleich darauf aufmerksam

machen, daft einige Signaturen solcher Sammelbande in diesem Aufsatz mehrmals zitiert werden, was dadurch zu erklaren ist, daB in demselben

3 G. Ε11 i η g e г, Geschichte der neulateinischen Literatur Deutschlands 1, 2, Berlin 1929.

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LATEINISCHE GELEGENHEITSPOESIE IN DEN ВОНМ. LÁNDERN U. IN DEUTSCHLAND

Sammelband auch verschiedene thematische oder lokále Gruppen und Kreise vertreten sein konnen.

Das Material zu dieser Abhandlung habe ich in etwa 15 deutschen Bibliotheken gesammelt, die in meinen veroffentlichten Fundberichten angefiihrt werden.4 Dazu kommen noch etwa 10 Bibliotheken auf dem osterreichischen Gebiet. Selbstverstandlich sind literarische Quellen deutscher Provenienz auch in den bohmischen und mahrischen Sammlun gen sowie in den Biichereien anderer Lander vertreten. Unter allen diesen Bibliotheken nimmt die Zwickauer Ratsschulbibliothek eine besondere Stellung ein. Ihr verdanke ich den groftten Teil des hier benutzten Quel lenmaterials, wie aus den zitierten Signaturen hervorgeht. Sie ist nicht nur eine ausgezeichnete Quelle ftir die deutsche Reformationsgeschichte, sondern enthalt, was noch nicht hinreichend gewurdigt wurde, eine

ungeheuere Menge humanistischer Drucke in umfangreichen urspriing lichen Sammelbanden, die von Bibliophilen des 16.—18. Jahrhunderts zusammengestellt worden sind und nicht selten uber 200 Mehrblattdrucke oder iiber 500 Einblattdrucke enthalten. Bemerkenswert ist, daft dort nur

wenige Auflosungen der Sammelbande oder andere Eingriffe in ihre

urspriingliche Anordnung durch die Bibliothekare des 19. Jahrhunderts vorgenommen wurden. Von den Kriegsereignissen wurden die Bestande dieser Bibliothek nicht betroffen, und auch andere Verluste sind kaum erwahnenswert. Sie enthalt neben zahlreichen fremden Drucken reiches Material aus ganz Deutschland, was auf die giinstige Lage der Stadt an der Kreuzung wichtiger Wege und mitten im deutschen Sprachgebiet zuruckzufiihren ist. Wenn also vor allem Zwickauer Sammelbande zitiert

werden, so bedeutet das keineswegs, daĎ ich mich bei meinen For

schungen auf diese Bibliothek beschrankt hattes oder daB ich mir durch das Zitieren einer einzigen Quelle die Aufgabe erleichtern wollte, sondern dafi die Sammelbande dieser Bibliothek die in Frage kommende Literatur in solcher Menge und in solchem Zusammenhang enthalten, dafi sie am besten geeignet sind, das neulateinische Schrifttum Deutschlands, das auch in anderen Bibliotheken vertreten ist, ftir die Zwecke dieser

Abhandlung zu reprasentieren. Daneben werden selbstverstandlich, wenn auch viel seltener, andere deutsche Bibliotheken zitiert.

Die Abhandlung ist so eingeteilt, daft zuerst die Haufigkeit von lite rarischen Gattungen besprochen wird, dann die Zeit, zu welcher diese Literatur gepflegt wurde, und zuletzt die raumliche Ausbreitung der huma nistischen Gelegenheitspoesie. Auch das ist ftir die Zwecke des Ver

gleiches wichtig. Der Erorterung der literarischen Gattungen wird der

Vergleich der literarischen Gewohnheiten angefugt. Ober das Vorhandensein derselben literarischen Gattungen, die ftir

die lateinische Literatur der bohmischen Lander im 16. und 17. Jahr hundert typisch sind, auf deutschem Boden konnen wir wertvolle Infor

mationen aus der modernen Literatur schopfen. Ich mochte in diesem

Zusammenhang besonders die Werke: G. Ε 11 i η g e r, Geschichte der

neulateinischen Literatur Deutschlands 1—2, Berlin u. Leipzig 1929;

Wolfgang Stammler, Von der Mystik zum Barock, Stuttgart 19502;

4 Věstník ČSAV 70 (1961), S. 682—686, Listy filologické 89 (1966), S. 183—192;

90 (1967), S. 78—86; 91 (1968), S. 74. — Mit weiteren Bibliotheken wurde schrift

liche Korrespondsnz gefiihrt. 5 Vgl. die in Anm. 4 zitisrten Berichte.

11 — Listy filologické 153

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JAN MARTÍNEK

К. О. С о η г a d у, Die Erforschung der neulateinischen Literatur, Eupho rion 3. Folge 49 [1955], S. 413—445; К. О. С o η r a d y, Lateinische Dichtungstradition und deutsche Lyrik des 17. Jahrhunderts, Bonn 1962 erwahnen. DaĎ diese literarischen Gattungen in Deutschland sehr grofte Verbreitung gefunden haben, ist am anschaulichsten durch das in Zwickau vorhandene Material dokumentiert. Wie in Bohmen, so gehorten auch in Deutschland die Epithalamia zu den beliebtesten lite rarischen Gattungen. Der Katalog der Zwickauer Ratsschulbibliothek enthalt ca 500 Zettel, die dem Stichwort Epithalamia angehoren und insgesamt ungefahr 2000 solche Publikationen meist deutscher Provenienz registrieren. Auf eine ahnliche Weise werden in Zwickau die Ubrigen Gliickwunschgedichte und Epicedia registriert. Beide Gruppen sind eben falls in einer ansehnlichen Anzahl vertreten. Unter den Gluckwunsch publikationen nehmen die Gratulationen zu den akademischen Wiirden (z. B. Sammelbande 5.3.25., 9.5.5., 48.7.18., 48.8.12., 50.1.2. u. a.) und die Propemptica (Sammelband 15.3.19.) eine besondere Stellung ein. Die anderen Gattungen, die am Anfang dieses Artikels unter den Begriff der Gelegenheitspoesie eingereiht wurden, sind unter verschiedenen Stichwortern des Katalogs und an verschiedenen Stellen zahlreicher Sammelbande verstreut. Eines ist jedoch aus dem schon Gesagten klar: Die deutsche Gelegenheitspoesie in ihren einzelnen Gattungen stand quantitativ der bohmischen nicht nach. Um es noch anschaulicher zu zeigen, mochte ich einige Hinweise auf das Material der Berliner Staatsbibliothek anfiigen. Es handelt sich nicht (wie in Zwickau) um urspriingliche, sondern um kiinstlich geschaffene Sammelbande, die von den Bibliothekaren der spateren Zeit zusammengestellt worden sind.

Jeder Sammelband enthalt ca 20—100 Werke, die derselben literarischen Gattung angehoren. Diese literarische Gattung ist auf dem Riicken jedeš Sammelbandes und im Katalog angegeben:

Xc 573 Carmlna nuptialia 1610—1622

Xc 574 Carmina nuptialia 1623—1644

Xc 576 Carmina funebria 1550—1619

Xc 578 Carmina gratulatoria varia (vor allem Gratulationen zu akademischen Wiirden) Xc 579 und Xc 580 dasselbe

Xc 581 Epithalamia 1581—1584

Xc 582/2—4 Miscellanea epithalamica 2—4 (zusammen 3 Bandě). Xc 583/1—4 Miscellanea gratulatoria (meistens Propemptica, Gratulationen zu akada

mischen Wiirden, zusammen 4 Sammelbande).

Ich habe nur solche Sammelbande angefiihrt, die in Berlin zuganglich sind. Es gibt aber noch mehrere, die zwar im Berliner Katalog vermerkt sind, sich aber in Marburg befinden. Auch diese enthalten, den Katalog angaben nach, viele nach literarischen Gattungen geordnete humanisti sche Schriften deutscher Provenienz. Es kann kein Zweifel dariiber herrschen, daft diese Biicher ebenfalls fiir das haufige Auftreten der

Gelegenheitspoesie im 16. Jahrhundert auf deutschem Boden Zeugnis ablegen.

Wie in den bohraischen Landern, so wurde auch in Deutschland die

Dichtung in der zweiten Halíte des 16. Jahrhunderts und im 17. Jahr hundert in betrachtlichem Maft kollektiv gepflegt. Es wurden Gliick wiinsche oder Trauergedichte von mehreren Autoren, deren Anzahl nicht

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selten 20 iiberschritt, herausgegeben. Die redaktionelle Leitung iiber nahmen bewahrte humanistische Schriftsteller, deren Namen jedocb nicht angegeben wurden; man nannte sie nur als Autoren einzelner Beitrage, ihre redaktionelle Teilnahme wurde nicht erwahnt. Durch diese literarische Tatigkeit entstanden in den deutschen Stadten ebenso wie in den bohmischen zwar nicht organisierte, aber tatsachlich wirkende Kreise von neulateinischen Dichtern und Freunden dieser Poesie. Waren Verbindungen unter den Humanisten auf diese Weise einmal ange kniipft, so war die Grundlage fiir weiteres quantitatives Ansteigen dieser literarischen Aktivitat geschaffen. Nicht selten verbanden sich mehrere Stadtkreise oder ihre einzelnen Mitglieder, um durch eine ge meinsame Publikation ihre Beziehungen zu einer hervorragenden Person lichkeit an den Tag zu legen. Daft die Empfanger dieser Publikationen neben den Schriftstellern vor allem die Mazene waren, entspricht vollig dem Charakter der humanistischen Poesie. Auch diese Tatsache erinnert an die Verhaltnisse in Bohmen. Selbst die auĎere Gestaltung dieser Publikationen war in beiden zu vergleichenden Gebieten sehr ahnlich. Es handelte sich meistens um Drucke, die 1—4 Bogen im Octav umfaftten, seltener um grofiere Einheiten, Einblattdrucke oder Handschriften. Die Humanisten beider Lander waren sehr bestrebt, selbst bei kleinsten

Beitragen ihren Namen, Heimat, Wurde und Wirkungsort zu verewigen und das Datum einzelner Publikationen, ja sogar einzelner Beitrage anzugeben. Um die Ahnlichkeit der Form und Anordnung kollektiver humanistischer Werke nachzuweisen, mochte ich Beispiele aus den bohmischen und deutschen Drucken dieser Art dem Leser vorlegen. Absichtlich wurden solche Schriften gewahlt, die miteinander in keinerlei

Verbindung stehen und in weit von einander entfernten Orten entstanden sind. Bčhmische Literatur dieser Art wird durch folgendes Werk aus dem

Jahr 1619 reprasentiert:

Novo hymenaeo... Μ. Danielis Spirae Turnovini, scholae Hradecensium rectoris

industrii, sponsi, et ... Iudithae Pfoffianae, ab obitu ... Christophori Pfoff, civis Hra

decensis optimi, relictae viduae, sponsae, 9. Aprilis anno 1619 feliciter celebrato

honoris ergo applaudebant patroni ac amici, fratres, discipuli. Reginae Hradecii typis

Martini Kleinwechteri. (Beitrage von:) Iacobus Hrabaeus Dobrssinus, Hradecii deca

nus; M. Iacobus Iacobaeus simmysta ad D. Nicolai Micro-Pragae lusit; S. Ioannes

Georgius Mathiades Raczinus, minister Verbi Dei et sacr. eius apud Turnovienses;

M. Gabriel Svechinus a Paumbergk; M. Ioannes Lanczmannius Novo-Bidzovinus;

M. Iacobus Wczelinus Lstiborenus, rector scholae Microprag. (usw.). Aut S. В 2a

CHRONODISTICHON (Prag Strahov, Sign. AA XIV 10 Adl. 60).

Als Beispiel етэг entsprechenden Veroffentlichung deutscher Prove nienz habe ich eine Schrift aus demselben Jahre gewahlt. Es handelt sich um ein Werk, dessen Druckort und zugleich Fundort Zwickau ist:

Nuptiis secundis ... Danielis Fugmanni, pastoris in Plamtz ... όευτερογαμου, 3t ...

Annae, ... Viti Wolfrumii, ... superattendentis in urbe et agro Cygneo, filiae,

προιτογάμου, celebratis Cygneae XVIII. Ianuarii anno symbolico (CHRONOSTICH =

1619) Ьзпе precantur adfines, fautores, amici et vicini. Altenburgi in Misnia anno

symbolico (CHRONOSTICH = 1619). (Beitrage:) Thsodoricus Steinmetz Lipsiens. Phil.

et IUD. daproperabat; Georgius Zeuner, pastor in Stangengriin f(ecit); Simon Illing

Geierens., eccl. Christi diaconus; M. Paulus Berger Lipsiens., P. L. et in aula elector.

Saxon. secretarius; M. Iohannes Hartel Lichtensteinensis, sponsi affinis (usw.) ...

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JAN MARTÍNEK

Abraham Winter Cygneus, scholae patriae rector; M. Iohannes Bohm Cygneus, scholae

patriae ουνεργός (usw.) (Sign. 6. 7. 22 Adl. 88).

Diesem Vergleich kann man entnehmen, wie auffallend sich nach Form und Anordnung diese Publikationen ahneln. Wenn es moglich ware, auch den iibrigen Text beider Publikationen anzufiihren, wiirde dadurch klar, dafi die Motive und die Verstechnik ebenfalls sehr ahnlich sind. Und miifiten wir uns wegen Platzmangels nicht mit diesen zwei Beispielen zufrieden geben, dann hatten wir auch zwei weitere Parallelen angefUhrt, wo neben dem lateinischen nationalsprachiger Text vorkommt.6 Ftir die bohmische Literatur sind Veroffentlichungen solcher Art in der Publi kationsreihe Knihopis reichlich belegt. In der deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts sind solche doppelsprachigen Publikationen ebenfalls sehr haufig, ja sogar haufiger als in der bohmischen. Damit kommen wir aber schon zum zweiten Teil unserer Abhandlung, namlich zur Fest stellung der Zeit, in der sich die lateinische Gelegenheitspoesie auf beiden besprochenen Gebieten auswirkte. Bei dieser Gelegenheit soli auch die Zweisprachigkeit der Werke erortert werden.

Wáhrend in Bohmen die Gelegenheitspoesie (die grofitenteils von den Protestanten gepflegt wurde] nach dem Jahre 1540 ansetzt, am Anfang des 17. Jahrhunderts ihren quantitativen Hohepunkt erreicht, kurz nach der Schlacht am Weiften Berge (1620] vollkommen aufhort und durch eine quantitativ wie qualitativ weniger bedeutende katholische Poesie abgelost wird, ist das Fortleben der Gelegenheitsdichtung in Deutschland viel bestandiger. Die Pflege dieser Dichtung setzt friiher ein, erfáhrt zur Zeit des dreifiigjahrigen Krieges trotz ungiinstiger Verháltnisse ihre groBte Ausdehnung und wird allmahlich durch zweisprachige und schlieft lich durch deutsche Gelegenheitspoesie ersetzt, die ebenso wie die vorangehende lateinische in grofiem Ausmaft kollektiv ist. Im 18. Jahr hundert hort die Gewohnheit, kollektive Gelegenheitspublikationen her

auszugeben, allmahlich auí. Derartige Veroffentlichungen des 19. Jahr hunderts sind nicht als ununterbrochene Fortsetzung der humanistischen

Gewohnheiten, sondern vielmehr als bewuftte Erneuerung dieser Tra

dition anzusehen. In den Sammelbanden 6.2.10. und 9.5.6. der Zwickauer

Ratsschulbibliothek ist zu beobachten, wie neben die einsprachigen latei nischen Gelegenheitspublikationen, die im 16. Jahrhundert iiberwiegen, wahrend der ersten Halíte des 17. Jahrhunderts in betrachtlichem Mafi

zweisprachige treten, die in der zweiten Jahrhunderthalfte wiederum durch einsprachige, diesmal aber deutsche, zum groBten Teil abgelost werden. Fiir die Zeit, wo die deutsche und die bohmische Gelegenheits poesie nebeneinander existieren, also bis 1620, ist die Anzahl dar zwei

sprachigen Gelegenheitspublikationen in Deutschland nicht viel grofier als in den bčhmischen Landern. In beiden Fallen iiberwiegen die ein

sprachigen lateinischen Publikationen. In Bohmen macht sich in den

bilinguen Schriften vorwiegend die tschechische, in Mahren in betracht lichem Mafi auch die deutsche Sprache geltend. In beiden bohmischen

6 Bei den erwahnten Schriftan ist der nationalsprachige Teil kaum erwahnenswert.

Weniger interessant erscheint fur unsere Zwacke dar Vargleich zwischen griechischen und lateinischen Texten. Griechisch kam in den deutschen Drucken etwas haufiger vor, als in glaichzeitigen in Bohraen gedruckten Schriften.

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LATEINISCHE GELEGENHEITSPOESIE IN DEN ВОНМ. LANDERN U. IN DEUTSCHLAND

Landern ist die parallele literarische Tatigkeit in zwei Sprachen jedoch im wesentlichen an bestimmte Autoren geknupft (Iohannes Kherner, Simeon Partlicius u. a. lat.-tschechisch; Gregor Tarco u. a. lat.-deutsch). Selbstverstandlich wurden gleichzeitig sowohl in deutschen als auch in bohmischen Landern wahrend des ganzen humanistischen Zeitalters na tionalsprachige Gelegenheitspublikationen, die nicht als Gegenstiick zu lateinischer Poesie entstanden sind, ganz unabhangig von den lateini schen herausgegeben.

Aus diesem Sachverhalt geht eindeutig hervor, daĎ die lateinische Literatur in Deutschland einen viel grofteren Einfluft auf das nationale Schrifttum ausgeiibt hat als in Bohmen. Dieser Einfluft ging von den

parallelen zweisprachigen Pubiikationen aus, in denen dieselben Ge dichte einmal in lateinischer und dann in deutscher Sprache abgedruckt wurden, aber auch von jenen, die von verschiedenen Autoren verfafite lateinische und deutsche Gedichte verschiedenen Inhaits vereinigten, wo es sich also nicht mehr um Paraphrasen handelte. Gerade diese zwei Gruppen der Gelegenheitsliteratur und vor allem die erstgenannte solíte vielleicht in dem sonst sehr verdienstlichen und anregenden Werk

Conradys, Lateinische Dichtungstradition und deutsche Lyrik des 17. Jahr hunderts (Bonn 1962] mehr berucksichtigt werden, da sich in dieser dop pelsprachigen Gelegenheitspoesie einer der fiir die weitere Entwicklung wichtigsten Kontakte zwischen der lateinischen und nationalsprachigen Literatur in Deutschland verwirklichte. Die lateinische Gelegenheitspoesie in Bohmen wurde durch die politischen und darauf folgenden kulturellen

Umwalzungen zerstort, ehe sie in einer ahnlichen Richtung das tsche chische Schrifttum in erofterem Mafie beeinflussen konnte.

Ober die raumliche Verbreitung der humanistischen Gelegenheitspoesie in den bohmischen Landern wurde schon mehrmals gesprochen.7 Es wurde festgestellt, daB die Intensitat dieser literarischen Tatigkeit in Bohmen und Mahren nicht gleichmaĎig ist, da Mahren besonders fiir die Zeit 1550—1620 eine quantitativ viel schwachere Produktion dieser Art aufweist. Unter den deutschsprachigen Landern scheint Osterreich am wenigsten vertreten zu sein. Dort entwickelten sich die literarischen

Verhaltnisse ahnlich wie im angrenzenden Mahren. Nach dem Aufstieg um die Jahrhundertwende (Celtis in Wien, Augustinus Moravus in

Olmiitz] und nach dem Fortleben der humanistischen Traditionen in der

ersten Halíte des 16. Jahrhunderts ist dann in der zweiten Halíte und im

17. Jahrhundert der Anteil Osterreichs (ebenso wie Mahrens) an der

Pflege der humanistischen Poesie iiberhaupt (also nicht nur der Gelegen heitspoesie) verhaltnismaftig gering. H. Rupprich sieht die Ursachen

dieser Erscheinung in den Wirren der Tiirkenkriege und der Refor

mátům.8 Ein anschauliches Bild dieser interessanten, vom iibrigen

deutschsprachigen Gebiet verschiedenen Entwicklung konnen auch die

Publikationen, die gedruckte Denkmaler der osterreichischen Literatur

des 16. und 17. Jahrhunderts eingehend registrieren, in grofiem AusmaR

bieten: M. Denis, Wiens Buchdruckergeschichte, Wien 1782, Α. Μ а у e r, Wiens Buchdrucker-Geschichte 1, Wien 1883. Die Publikation E. Lan

7 Besonders in Zprávy Jednoty klasických filologů 5 (1963), S. 22—44. 8 H. Rupprich, Oas Wiener Schrijttum des ausgehenden Mittelalters, Sitzungs

berichte der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Klasse, Bd. 228,

5. Abhandlung, Wien 1954, S. 185.

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JAN MARTÍNEK

g е г — W. Dolch, Bibliographie der osterreichischen Drucke des XV. und XVI. Jahrhunderts (I. Bd., 1. Heft, Wien 1913) bietet fiir unsere Zwecke nur wenige Informationen.

Die Angaben dieser Publikationen konnen durch einige neuere Bearbei tungen dieses Stoffes erganzt werden: H. Kramer, Das Zeitalter des Humanismus in Tirol, 13. Heft der Schriftenreihe Ewiger Humanismus, Innsbruck 1947; A. Sommer, Steyrer Humanistenbriefe, 68. Jahres bericht des Bundesrealgymnasiums in Steyr 1950/51, S. 3—11; L. W e 11 i, Humanistische Bildungsbeflissenheit im Vorarlberg des 16. Jahrhunderts, Bundesgymnasium in Bregenz, Tahresbericht 1963/64, S. 15—24.

Schon daft diese Untersuchungen Gelegenheitspoesie und humanistische Stadtkreise auf osterreichischem Boden nicht erwahnen, ist bei der Sorg falt, mit der sie bearbeitet sind, ein Beweis dafiir, dafi es diese Erschei nungen nicht gab. Diese Tatsache bestatigen auch die Ergebnisse meiner eigenen Forschungen in osterreichischen Bibliotheken, in denen ich nur wenige Gelegenheitsdichtungen, die auf das osterreichische Gebiet Bezug nehmen, ausfindig machen konnte, obwohl dort die ahnliche Produktion aus Bohmen und einigen anderen angrenzenden Landern reichlich ver treten ist. In Osterreich wurde diese Literatur nach 1550 fast ausschlieft lich am Habsburgischen Hof und an der Wiener Universitat gepflegt. In beiden Fallen waren Nichtosterreicher in betrachtlichem AusmaĎ vertreten. Fiir andere osterreichische Stadte wird diese Art von Dichtung nur ausnahmsweise bezeugt. Eine besondere Stellung nahm die Gelegen heitspoesie der Jesuiten ein, die wir besonders aus den Sammelbanden der Grazer Universitatsbibliothek kennen lernen. Sie ahnelt der schon

besprochenen Jesuitendichtung aus OlmiitzS und der noch zu besprechen den Produktion der Jesuitenuniversitat zu Ingolstadt.

Fiir das iibrige deutschsprachige Gebiet des 16. und 17. Jahrhunderts sind die literarischen Denkmaler der Gelegenheitspoesie haufiger ver treten. Um das zu beweisen, fuhre ich einige Beispiele aus dem deutschen

Material an. Neben den Namen einzelner Stadte werden die Signaturen der Sammelbande zitiert, die tiber die literarische Tatigkeit in diesen Stadten Zeugnis ablegen. Soweit nicht anders angegeben ist, gehoren diese Sammelbande humanistischer Schriften der Zwickauer Ratsschul bibliothek an:

Altdorf s. NUrnberg Basel: Berlin Staatsb. Xc 556

Bautzen: Bautzen Domstift BM III 1—40

Dresdan: Bsrlin Staatsb. Xc 579

Gorlitz: 6. 6. 25

Halle: 5. 3. 27, 6. 6. 26, 6. 7. 23, 48. 4. 5

Heidelberg: 6. 8. 6, 48. 8. 10

Helmstedt: 6. 5. 8, Berlin Staatsbibl. Xc 582/2, Xc 582/3

Ingolstadt: Admont Stiftsbibliothek 85.79, 88 D 13, Berlin Staatsb. Xc 578, Salzburg

Universitatsb. 70 226 I, Wien Schottenstift 29 b 33, 29 b 38, 29 с 47

Jena: 6. 5. 14, 48. 4. 11, 48. 5. 9, 49. 1. 3, Jena Universitatsb. 4 Op. th. VI 29/2

Leipzig: 5. 3. 27, 6. 8. 3, 9. 5. 5, 9. 5. 8, 48. 4. 11, 48. 5. 9, 48. 6. 7, Wien Schotten

stift 29 b 30

Magdeburg: 6. 5. 8, Berlin Staatsb. Xc 582/3

9 S. Anm. 7.

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LATEINISCHE GELEGENHEITSPOESIE IN DEN ВОНМ. LANDERN U. IN DEUTSCHLAND

Ntirnberg und Universitat Altdorf bei Niirnberg: 6. 8. 6, 9. 5. 5, 15. 3. 37, 26. 1. 13,

48. 5. 6, 48. 5. 9, 48. 8. 10, 49. 1. 3, Wien Schottenstift 29 b 29.

Regensburg: 48. 4. 5, 48. 5. 2, 48. 6. 7, Berlin Staatsb. Xc 557/2, Xc 576, Xc 582/4

Rint3ln: Berlin Staatsb. 582/2, 583/3

Rothanburg ob d. Tauber: Berlin Staatsb. Xc 574, Xc 579

Strafiburg: 6. 6. 24 (Schlufi)

Stuttgart: 48. 6. 7

VVittenberg: 5. 1. 14, 15. 3. 19

Wiirzburg: Admont 85. 79, 88 D 13

Zerbst: 6. 5. 8

Zwickau: 5. 1. 11, 6. 2. 10, 9. 5. 6, 48. 4. 5.

Daneben (vgl. oben einige Namen der sachsischen Stadte) enthalten folgende Sammel

bande Gelsgenheitsdichtung aus verschiedenen Orten Sachsans: 6. 5. 3, 6. 8. 1, 48. 6. 5,

Drssden Sachsische Landesb. Lit. Lat. rec. A 394. Die Literaturdenkmaler aus mehreren

Stadten Schlesiens, Pommerns, West- und Ostprsufians sind z. B. in folgenden Sammel

banden vertreten: 5. 1. 1, 5. 1. 3, 6. 5. 9, 6. 5. 19, 6. 6. 29, 15. 3. 2, 48. 6. 5, Berlin

Staatsb. Xc 510, Xc 573, Xc 576, Dresden Sachsische Landesbibliothek Lit. Lat. гзс.

A 381, Lit. Lat. rec. A 394.

Es soli damit aber nicht gesagt werden, daB dieses Schrifttum auf dem damaligen deutschen Sprachgebiet mít Ausnahme Osterreichs ziemlich gleichmaftig vertreten sei. Der katholische Suden scheint weniger an der Literatur solcher Art teilgenommen haben. Unter den katholischen Insti tutionen war besonders die Jesuitenunlversitat Ingolstadt sehr bestrebt, es in dieser Tatigkeit den protestantischen Universitaten gleichzutun. Wie schon angedeutet, unterscheidet sich diese in Ingolstadt und in anderen Stadten gepflegte katholische Literatur von der protestantischen wesent lich. Sie ist noch mehr Schulpoesie, verdankt ihren Ursprung nicht selten den padagogischen Bestrebungen der Jesuiten, ist teilweise anonym und undatiert, oft inhaltlich leer. Auch das barockisierende aubere Aus sehen der Druckschriften, die katholische Poesie enthalten, ist von der Form der protestantischen Drucke, die in dieser Richtung mehr konser vativ sind, auffallend verschieden.

Die Ahnlichkeiten der deutschen und bohmischen Gelegenheitsdichtung konnen aus ahnlichen Bedingungen in diesen Nachbarlandern erklart werden. Diese Erklarung reicht jedoch bei weitem nicht aus. Bei einer so auffallenden tibereinstimmung ware es kaum richtig, die Entwicklung dieser Poesie in den bohmischen Landern und in Deutschland als von einander unabhangig zu bezeichnen. Es kann einerseits kein Zweifel dariiber bestehen, daft die ersten Humanisten Bohmens und Mahrens diese Gedankenrichtung in Italien, wo sie studierten, kennengelernt haben und dann nicht selten selbst wieder auf deutsche Schriftsteller vorbild lich wirkten, andererseits ist es aber klar, daft die Gelegenheitsdichtung, die sich in Bohmen, wie schon angedeutet, besonders seit 1540 verbrei

tete, von Deutschland aus verpflanzt wurde. Diese ubrigens schon fruher

ausgesprochene Behauptung kann vor allem durch den Hinweis auf vier Tatsachen gerechtfertigt werden: 1. Die Gelegenheitspoesie setzt in Deutschland fruher ein. Schon manche Werke des Eobanus Hessus, die in Bohmen eifrig nachgeahmt wurden, und anderer zeitgenossischer deutscher Autoren konnen als Gelegenheitspoesie bezeichnet werden. 2. Die Autoren, die als Grunder der Gelegenheitspoesie in Bohmen ange

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fiihrt werden, studierten an deutschen Universitaten. — 3. Die ersten Werke dieser Art wurden in deutschen Druckereien herausgegeben, ob

gleich es in dieser Zeit bereits auch bohmische Druckereien gab. —

4. Daft nach einer Pause, die in Bohmen der Wirkungsperiode der alteren humanistischen Generation folgte, die Anregungen fur die humanistische literarische Tatigkeit aus Deutschland nach Bohmen kamen, wird selbst von dem bedeutendsten bohmischen Neulateiner Matthaus Collinus be zeugt.io

Der deutsche ΕϊηΠιιβ hat sich besonders zuř Zeit der Anfange der bohmischen Gelegenheitsdichtung geltend gemacht, die weitere Ent wicklung auf bohmischem Boden war jedoch groĎtenteils autonom. Die geistige Leitung der literarischen Aktivitat der Stadtkreise iibernahm —

ohne jedoch bewuftt bestimmte organisatorische Mafinahmen auf diesem Gebiet zu treffen — die Prager Universitat. Ihr padagogischer Wirkungs bereich war gleichzeitig in literarischer Hinsicht ein gegeniiber den deutschsprachigen Gebieten und Landern in gewissen Beziehungen abge grenzter Bezirk, in dem die lateinische Poesie von tschechi s с h e η Autoren gepflegt wurde. Die Mehrheit der bohmischen Gelegen heitspublikationen hatte einen rein lokalen Charakter und kam mit der deutschen Gelegenheitsdichtung iiberhaupt nicht in Beruhrung. Die Stadte an der Grenze des Wirkungsbereichs der Prager Universitat, die von Angehčrigen beider Nationalitaten bewohnt waren, weisen die ge ringste literarische Aktivitat auf dem Gebiet der lateinischen Dichtung auf. Die Einwohner der deutschsprachigen Gebiete Bohmens und Mahrens

pflegten diese Poesie gemeinsam mit der Intelligenz der deutschen Stadte und Universitaten. DaB trotz dieser autonomen Entwicklung und

Abgrenzung der tschechischen literarischen Gemeinschaft der Neulatei ner die Áhnlichkeiten der deutschen und bohmischen Poesie bis 1620 aufrechterhalten wurden, bewirkten die vor allem am Hofe Rudolfs II.

sowie in den deutschen Stadten und an den Universitaten angekniipften literarischen Beziehungen der deutschen und tschechischen Intelligenz

und die als literarischer Ausdruck dieser Beziehungen entstandenen Ge

legenheitspublikationen, an denen deutsche und tschechische Schrift steller teilnahmen. Diese Veroffentlichungen wirkten namlich vorbildlich auch auf die Gelegenheitsdichtung lokaler Bedeutung.

Wir haben bisher uber die aktive Pflege der humanistischen Dichtung gesprochen. Noch markanter kann die Grenze zwischen dem deutschen und tschechischen Sprachgebiet gezogen werden, wenn wir die passive Seite, namlich das Leserinteresse an der lateinischen Gelegenheitsdich tung verfolgen. Aus den Sammelbanden deutscher Bibliotheken geht her

vor, dafi z. B. dem sachsischen Leser und Buchsammler derartige Produk tion lokaler Bedeutung aus Ostpreuften naher war als die aus den tsche chischen Stadten jenseits des Erzgebirges. Die lateinischen Werke tsche

chischer Verfasser, die in sachsischen Bibliotheken reichlich vertreten

sind, kamen dorthin grčBtenteils nicht infolge des Leserinteresses der

Deutschen, das sich nur auf die hervorragenden lateinischen Schriften tschechischer Autoren beschrankte, sondern durch besondere Umstande, z. B. als Eigentum tschechischer Exulanten. Die Werke deutscher Schrift

10 Poemata aliquot de nuptils... lacobi Hag, Prag 1553. Vgl. auch De obitu...

Ursulae ab Ugezd, Prag 1563, Fol. G 3a ff.

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LATEINISCHE GELEGENHEITSPOESIE IN DEN ВОНМ. LANDERN U. IN DEUTSCHLAND

steller aus den bohmischen Landern wurden dagegen eifriger gesammelt. Diese durch die Zusammenstellung zahlreicher Sammelbande nachweis bare Tatsache ist am wenigsten auf nationale Gegensatze zuriickzufuhren. Nie in der Geschichte war das Verhaltnis der beiden Volker und beson ders ihrer nichtkatholischen Intelligenz so gut, wie zuř Zeit des ersten Jahrhunderts der deutschen Reformation. Wie oft diese Beziehungén ge rade auf dem Gebiet der Literatur ihren Ausdruck fanděn, brauche ich nicht zu erwahnen. Die Erklarung der wirklichen Grunde ist bei weitem nicht so einfach. Eine der Ursachen dieser Bildung nationaler literari scher Gemeinschaften auch auf dem Gebiet des internationalen lateini schen Schrifttums sehe ich in den regen Wechselbeziehungen der Intel ligenz innerhalb der gleichsprachigen Gebiete. Diese Beziehun gen wurden sowohl durch die Peregrinatio academica als auch durch den damals haufigen Wechsel des Wirkungsortes angekniipft. Dafi trotz der besten Bedingungen fíir die internationale Zusammenarbeit der Gelehrten im Zeitalter des Humanismus die Gleichsprachigkeit bei der Ankniipfung neuer Verbindungen eine wichtige Rolle spielte, kann durch die zunehmende Bedeutung der Nationalsprachen, die sich merkwiirdiger weise gerade im Zeitalter des Humanismus in den intellektuellen Be rufen besonders geltend machten, erklart werden. Als Arzte, Stadtschrei ber, Lehrer und Pfarrer wurden von den Stadtraten vorwiegend solche

Absolventen hoherer Schulen angenommen, die neben dem Latein auch die heimische Sprache beherrschten. Demzufolge konnte ein Wechsel des Wirkungsortes dieser Gebildeten fast ausschlieĎlich innerhalb des gleichsprachigen Gebietes vorgenommen werden. DaĎ gerade die er wahnten Angehorigen der Intelligenz zu den wichtigsten Tragern der humanistischen literarischen Bestrebungen gehorten, braucht nicht be tont zu werden.

Aus dem eben Gesagten geht hervor, daft die lateinische Poesie, die sprachlich international war, in zwei Richtungen ausgepragte nationale Bedeutung hatte:

1. Durch die darin geaufterten Anschauungen, die auch bei freundlicher Haltung der Humanisten gegeniiber anderen Nationen das zunehmende

Nationalbewufitsein spiiren lassen. 2. Dadurch, dafi sie innerhalb eines Sprachgebiets von einer in ge

wissen Richtungen geschlossenen Gemeinschaft von Autoren gepflegt wurde.

Durch diese Behauptungen wird nicht die Tatsache bestritten, dafi die lateinische Literatur und besonders die Gelegenheitspoesie ein

geeigneteres Gebiet fur literarische Zusammenarbeit der Schriftsteller verschiedener Volker als die nationalsprachigen Literaturen darstellte.

Man darf auch nicht vergessen, dafi neben der Gelegenheitsdichtung, die zur Zeit des Spathumanismus in beiden verglichenen Gebieten die Mehrheit der humanistischen Poesie bildete, auch solche existierte, die unter diesen Begriff nur mit bestimmten Einschrankungen, und in man chen Fallen uberhaupt nicht eingereiht werden kann. Sie stand jedoch der Gelegenheitspoesie grofttenteils sehr nahé und wurde oft von den selben Autoren gepflegt. Was hier uber den Charakter der Gelegenheits dichtung gesagt wurde, gilt teilweise auch fiir die iibrige gleichzeitige humanistische Poesie. Selbst der Grundsatz der kollektiven Autorschaft, so typisch er ftir die Gelegenheitsveroffentlichungen sein mag, fand oft

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auch in Werken anderer Art dadurch Anwendung, dafi Empfehlungs beitrage anderer Autoren angefiigt wurden.

Zum SchluĎ mochte ich bemerken, daĎ diese Arbeit in vielen Richtun gen nur als Problemstellung anzusehen ist. Eine endgultige Losung wird man erst dann vorlegen konnen, wenn ein die lateinischen Denkmaler deutscher Provenienz registrierendes Nachschlagewerk vorhanden sein wird. Da6 es bis jetzt nicht bearbeitet wurde, soli nicht als Vernachlassi gung dieses Literaturgebiets in Deutschland angesehen werden. Erstens wurde bisher mit Recht den hervorragenden Gestalten des'Humanismus wie Celtis, Hutten, Melanchthon grofie Aufmerksamkeit gewidmet. Zwei tens ist die Aufgabe, die lateinische Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts zu bewaltigen, in Deutschland unvergleichbar schwerer als in den bčhmischen Landern. Einerseits ist die raumliche Ausdehnung grofter und dadurch die Anzahl der diesbezuglichen Publikationen viel hoher, andererseits ist das Jahr 1620 kein End- oder Wendepunkt, wie es in den bčhmischen Landern der Fall ist.11

Latinské příležitostné básnictví v českých zemích a v Německu RÉSUMÉ v 16. a v 17. stol.

JAN MARTÍNEK

Pojem příležitostného básnictví vymezuji zhruba tak, jak je uvedeno v LF 83 (1960), str. 130, bod č. 6, zařazuji sem však také spisy, patřící svou povahou do jiných skupin, ale napsané ke konkrétním událostem. Z dosavadních českých a německých děl pří ručkového charakteru by se dalo usuzovat, že velké rozšíření kolektivně pěstovaného příležitostného básnictví je typické pro české země a že německá produkce toho druhu je ve srovnání s českou vzácnější, pramenný materiál však dokazuje opak. V Německu začíná pěstování latinské příležitostné tvorby dříve než v Čechách a zaniká pozvolna na přelomu 17. a 18. století. Rok 1620 tam není v tomto ohledu mezníkem; v době třicetileté války naopak dochází к největšímu kvantitativnímu rozšíření této litera tury. V 17. stol. se objevují ve velkém počtu dvojjazyčné i pouze německé příležitostné sborníky. Latinská příležitostná tvorba v Německu měla značný vliv na obdobnou lite raturu v národním jazyce. V Cechách bylo pěstování latinského příležitostného básnictví omezeno v důsledku bělohorské katastrofy, tedy dříve, než mohlo v podobném smyslu a rozsahu působit na tvorbu v národním jazyce. V německé jazykové oblasti se uplat ňuje příležitostná literatura v největším rozsahu na území s protestantským obyvatel stvem, nejméně v_ Rakousku. Tam jsou poměry podobné, jako na sousední Moravě, která se liší od Cech nápadně nižší frekvencí příležitostné tvorby v druhé polovině 16. a v první čtvrtině 17. stol. (srov. Zprávy JKF, 5, 1963, str. 22—44). Latinské příle žitostné sborníky, vydané v německé protestantské oblasti, se výrazně podobají těm, které byly vydány v Čechách. Iniciativa к pěstování příležitostného básnictví vyšla z německé strany, ale české literární poměry se později vyvíjejí v tomto ohledu samo statně. Dokonce je možno sledovat určité ohraničení německé a české literární oblasti i na poli latinské tvorby.

11 Leider war miř bei der Ausarbeitung dieses Artikels der Aufsatz von Erich Trunz: Der deutsche Spáthumanismus um 1600 als Standeskultur (Zeitschrift fflr Geschichte der Erziehung und des Unterrichts 21, 1931, S. 17—53; Jetzt auch im Sammelwerk Deutsche Barockforschung, hrsg. von Richard Alewyn, Koln—Berlin 1965, S. 147—181) .nicht zuganglich; ich bedauere sehr, dafi ich deshalb auf seine interessanten Darle gungen nicht eingehen konnte. — Fur niitzliche Hinweise danke ich Herrn Dr. Heinz Entner, Berlin.

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