Lautstark! #20 / Oktober 2012

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  • 7/29/2019 Lautstark! #20 / Oktober 2012

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    In mehreren europischen

    Staaten gibt es schon lnger ei-

    nen Geheimbund, der die Mas-

    sendeportation von Migranten

    vorbereitet und mit Vertretern

    aus der Politik brutal abrechnen

    will.

    hh, aha?Rechte Gruppen werden demnachdurch ein geheimes Netzwerk unter-wandert. Auch deutsche Sicherheits-behrden sollen infiltriert wordensein.Wie jetzt das? Ein Geheimbundorganisiert Massenmigration zusam-

    men mit Neonazis...Koordiniert wird dieses aus demamerikanischen Bundesstaat Virginiavon einer Tarnorganisation desUS-Auslandgeheimdienstes CIA.Hehe, das war ja wohl klar, dass dieCIA ihre Hnde mit im Spiel habenmuss.Diese Geheimarbeit findet in fast al-len von der Migrationsproblematikbetroffenen europischen Staatenstatt. Mglicherweise gehrte auchder norwegische Attentter AndersBehring Breivik zum Umfeld diesesNetzwerkes. In Deutschland wird esvon einem Reserveoffizier und voneinem ehemaligen Manager eines inSddeutschland ansssigen R-

    stungsunternehmens koordiniert.Aha, Anders Behring Breivik isteigentlich ein Opfer der CIA? Oderein CIA-Agent?Beobachter gehen davon aus, dassauch die "Dnermorde" von dereuropischen Geheimorganisationkoordiniert werden.Darum geht es dir also, Eva Her-man. Die 87 Morde, die in den letz-ten Jahren vom Nationalsozialisti-schen Untergrund und vom rassi-stisch motivierten MassenmrderBreivik in Deutschland und Norwe-gen begangen wurden, sollen nichtdas sein, was sie sind: Keine rassi-stisch und antimuslimisch motivier-ten Gewaltverbrechen, die aus demHass auf Andersdenkende undAnders-Seiende erwuchsen. Verbre-chen, begangen von Mrdern, diesich von einer Ideologie inspirierenliessen, die auch mitten in der Gesell-schaft Zuspruch findet. Oh nein, EvaHerman sieht es gerne, wenn die

    CIA Schuld an allem ist. Frau Her-man, du hast mchtig einen an derSchssel.

    So ungefhr verlief mein gedankli-ches Zwiegesprch mit Eva Hermanbeim Betrachten eines YouTube-Vi-deos. Das Video zeigt Herman, wiesie die zitierte Nachrichtenmel-dung runterliest, sehr professionell.Herman war bis 2006 Tagesschau-sprecherin bei der ARD. Im Jahr2007 feuerte ihr damaliger Arbeitge-ber der Norddeutsche Rundfunk(NDR) die Moderatorin und Sach-buchautorin aufgrund ihrer positivenusserungen zur Familienpolitik derNationalsozialisten. Die Bcher derstockkonservativen Herman werdenvon Neonazis gerne als Vorzeigelite-ratur in Sachen Familienpolitik rum-gereicht. In dieser Filmsequenz mo-deriert sie eine Internet-Nachrichten-sendung des Kopp-Verlags demdeutschen Experten fr Verschw-rungstheorien aller Art.Der Kopp-Verlag ist bekannt fr sei-ne rechtskonservativen, antimuslimi-schen und eben verschwrungstheo-

    retischen Publikationen. Der Werbe-slogan des Hauses lautet: Bcher,die Ihnen die Augen ffnen. Regel-mssig werden Texte des Kopp-Ver-

    lags auch auf dem deutschen Nazi-portal Altermedia publiziert undmit rassistischer Deutlichkeit von dendort aktiven Neonazis kommentiert.Auch Herman ist mit einigen ihrerBcher beim Kopp-Verlag unter Ver-trag. Ohne nun eine Verschwrungherbeireden zu wollen, ist diese un-heilvolle Allianz zwischen Kopp-Ver-lag, Eva Herman und den Neonaziseine typische Liaison im weiten Feldder Verschwrungstheoretikerinnenund -theoretiker. So unterschiedlichdie hier Beteiligten zu sein scheinen,ihr Denken und ihr Wertesystem sindin gewisser Hinsicht sehr hnlich: Siekonstruieren einfache Feindbilder inkomplizierten Geschichten. Die welt-erklrende Botschaft soll verstandenwerden.

    Anatomie der Verschwrungs-theorien

    Verschwrungstheorien begegnen

    einem meist als hochkomplexe Gebil-de. hnlich wie Eva Hermans Story:Da spielen sich CIA, Anders BehringBreivik, ein Geheimbund, ein ehema-

    liger Manager eines in Sddeutsch-land ansssigen Rstungsunterneh-mens und der NationalsozialistischeUntergrund in die Hnde. Es tau-chen viele Namen, viel Codes undviele involvierte Institutionen auf.Tatschlich wird aber Komplexittreduziert. Schwer nachvollziehbare,unbersichtliche Phnomene wieKriege, Wirtschaftskrisen oder Atten-tate werden zwar in komplizierteGeschichten verpackt, trotzdem wer-den sie mit Hilfe von einfachenFeindbildern erklrbar gemacht.

    Die komplexen Verstrickungen indiesen Geschichten dienen einzigdazu, eine ganz einfache Message zulegitimieren. Diese einfache Botschaftist zweigeteilt. Erstens, es gibt Gutund Bse. Zweitens, die Guten sindin Bedrngnis und die Bsen versu-chen, die Weltherrschaft an sich zureissen und gehen dabei ber Lei-chen. Zu den Bsen rechnen die

    Querfronten

    Wie die Extreme Rechte versucht linke Themen zukapern um gesellschaftliche Akzeptanz zu erhaschenund warum wir uns dagegen wehren mssen.

    Interview

    Franco, neue Rechte sowie Antifas in Spanien. EinGesprch mit einem Antifaschisten aus Salamanca.

    Braune Esoterik

    Ahnenkult, Antisemitismus und Weltverschwrung.Eine Einfhrung in de krude Welt der braunen Esote-rik.

    Liebe Leserin, Lieber Leser

    Im Herbst 2002 publizierten wir zum

    ersten Mal das Magazin Lautstark! Zehn

    Jahre und zwanzig Ausgaben spter hat sich

    die Welt weiter gedreht und die antifaschisti-

    sche Bewegung verndert und trotzdem ist

    vieles von Bestand. Wir sind noch immer

    dran an den Neonazis, dran an Themen wie

    Ausgrenzung, Ungleichheit und rassistischer

    Gewalt. Und dran an der Utopie, von einer

    solidarischen und gerechteren Welt.

    Im aktuellen Lautstark dreht sich al les rund

    um Verschwrungstheorien. Die Vorstellung,dass das Bse (was von der CIA, den Lin-

    ken bis hin zu den Beatles alles sein kann)

    fr Krieg, Naturkatastrophen und soziale

    Ungleichheit verantwortlich sei, gefllt vielen

    Menschen. Nicht nur, aber besonders auch

    rechtskonservativen und neonazistischen

    Kreisen. Das hat damit zu tun, dass neben

    dem Wunsch nach einem Sndenbock auch

    das Bedrfnis nach einfachen Erklrungen

    fr komplexe Probleme befriedigt wird. Wir

    bewegen uns in diesem Heft in der Welt ak-

    tueller und vergangener Verschwrungstheo-

    retiker (und wenigen Verschwrungstheoreti-

    kerinnen) und zeichnen die banale Struktur

    solcher Denkweisen nach.

    Bei der Verbreitung von Verschwrungstheo-

    rien spielt das Internet heutzutage eine we-

    sentliche Rolle. Und auch viele SVP-Expo-nenten haben dieses Medium nun voll und

    ganz fr sich entdeckt Jngst fielen mehrere

    (ehemalige) Parteimitglieder durch herbe

    Entgleisungen in Social Medias auf: Alex-

    ander Mller aus Zrich twitterte Vielleicht

    brauchen wird wieder eine Kristallnacht...

    diesmal fr Moscheen. Der Schwyzer Sep-

    pi Spiess forderte auf Facebook, dass Aus-

    lnder niedergeschossen werden sollen

    ...damit die Sauware nichts mehr kostet.

    Dies, nachdem die Schwyzer Polizei einen

    Moldawier bei einem Autodiebstahl erschos-

    sen hatte. Beat Mosimann aus Solothurn

    schrieb auf derselben Plattform ber Ausln-

    der: Wann wird das gottverdammte Pack

    endlich ausgeschafft oder standrechtlich er-

    schossen?. Offenbar wird hier so gespro-

    chen, wie man in der SVP redet, wenn man

    glaubt unter sich zu sein.

    Fr uns ein guter Grund auch weiterhin

    dran zu bleiben - auf die kommenden zehn

    Jahre!

    Viel Spass beim Lesen!

    Antifa Bern

    Antifa BernPostfach 50533001 [email protected]

    Editorial

    20

    Oktober 2012

    Seite 8Seite 4-6

    Eva Herman: Tagesschausprecherin auf Abwegen.

    Wie bastle ich eine VerschwrungEinfache Feindbilder in komplexen Geschichten

    Seite 3

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    2011 schlug die Stunde der Ver-

    schwrungstheoretiker: DieTerroranschlge vom 11. Sep-

    tember 2001 jhrten sich zum

    zehnten Mal. Auch in der

    Schweiz existiert eine kleine,

    heterogene Szene, die ihre du-

    biosen bis offen antisemiti-

    schen Theorien vor allem im

    World Wide Web breitschlgt.

    Eine Tour dHorizon.

    Epochale Ereignisse wie etwa dieErmordung des US-Prsidenten JohnF. Kennedy 1963 waren schon immerbeliebter Stoff fr wirrste Gerchteund Legenden. Eine neue Dimensionstellen aber zweifellos die Verschw-rungstheorien zu den Terroranschl-

    gen vom 11. September 2001 dar, diein den letzten zehn Jahren in immerneuen Varianten ins Kraut schossen.Die Theorien dieser sogenanntenTruther-Bewegung konnten sichinsbesondere im Internet mit Erfolgverbreiten, obwohl sie hauptschlichauf Halb- oder Unwahrheiten sowieunverifizierten Quellen beruhen.

    Auf den Conspiracy-Websites oder inWerken mit reisserischen Titeln wie11. September. Der inszenierte Ter-rorismus: Kein Flugzeug traf das Pen-tagon werden unterschiedliche Sze-narien zu 9/11 herumgeboten. Diemeisten Verschwrungstheoretikerbehaupten, die damalige US-Regie-rung um George W. Bush oder derUS-Geheimdienst CIA htten dieAttentate mit beinahe 3000 Todesop-fern absichtlich zugelassen oder sogaraktiv geplant und in die Tat umge-setzt. Einige vertreten zudem dieThese, dass ein angebliches Weltju-dentum, der israelische Geheim-dienst Mossad, die Freimaurer oder

    irgendwelche diffusen Mchte hinter

    den Anschlgen steckten. Allengemein ist, dass sie die wahrenHintergrnde aufdecken wollen,whrend die westlichen Massenme-dien dies durch Informationskontrol-le oder Selbstzensur zu verhinderntrachten.

    Kleine Szene

    Die Szene der Schweizer 9/11-Ver-schwrungstheoretiker es sindausschliesslich Mnner ist ber-schaubar. Es sind Akteure ganzunterschiedlicher politischer Couleur,die mit missionarischem Feuereiferversuchen, ihre verschrobenen The-sen an ein breiteres (Internet-)Publi-

    kum zu bringen. Was fast alle in ih-rem Tun antreibt und punktuell auchunheilige Allianzen schliessen lsst,ist ein glhender Antiamerikanismusoder zumindest eine dezidiertUS-kritische Haltung.

    Dem links-alternativen Spektrum zu-zuordnen ist der Herausgeber derZeitschrift Zeitpunkt, ChristophPfluger. Der 58-jhrige Solothurner,der 2011 auf der Liste parteifrei.cherfolglos fr den Nationalrat kandi-dierte, bietet in seinem Polit-, ko-und Eso-Magazin 9/11-Zweiflernregelmssig eine Plattform. Dieseknnen etwa gegen die Mainstream-Presse, die kritische Journalistenunterdrckt, wettern oder wie derehemalige Antideutsche Jrgen Elss-ser, der inzwischen Querfront-Posi-tionen vertritt fr eine Inside9/11-Konferenz in Leipzig werben.Warmen Applaus spendet Pflugerauch dem Berner Journalisten undBlogger Stefan Schaer, der sich gera-dezu verbissen mit den New Yorker

    Terroranschlgen befasst und pnkt-

    lich zum 10. Jahrestag zehnGeschichten zu 9/11 publiziert hat,die, so Schaer, nicht in den Leitme-dien zu finden sind.

    Schaer ist die treibende Kraft hinterder Website 911untersuchen.ch,auf welcher eine illustre Riege vonWissenschaftlern, Medienleuten undPolitikerInnen in persnlichen State-ments eine unabhngige 911-Unter-suchung fordert. Drei Beispiele:Whrend der grne Berner National-rat Alec von Graffenried der Bush-Regierung praktisch alles zutraut, istfr den PR-Mann Klaus J. Stlker diemoralische Verwahrlosung der Fh-rungsmacht USA offensichtlich: Es

    fehlt uns heute eigentlich nur nochder Beweis, dass der iranische Prsi-dent Mahmud Ahmadinejad rechthatte, als er vor der UNO sagte, dasAttentat auf das World Trade Center(...) sei mit dem Wissen der US-Re-gierung erfolgt. Der Historiker undFriedensforscher Daniele Ganserwiederum die Schweizer Galions-figur der Verschwrungstheorien zu9/11 (TagesAnzeiger) wnschtsich eine Historikerdebatte: DieVersion der Bush-Administrationblind zu bernehmen, wrde dengrundlegenden Prinzipien der Wahr-heitssuche widersprechen.

    WAC: Obskure Weltsicht

    Ein geistiges Importprodukt aus denUSA ist die Organisation We AreChange Switzerland (WAC): DasHauptanliegen der von den beidenVerschwrungstheoretikern LukeRudkowski und Dan Wallace in NewYork gegrndeten WAC ist lautEigendarstellung die Aufdeckung der

    Ungereimtheiten des 11. September

    2001. Die WAC-Aktivistinnen und -aktivisten glauben, die Mchtigendieser Welt Banker, Topshots ausWirtschaft und Politik sowie derHochadel bildeten eine Geheimlo-ge, um eine Weltregierung zu bildenund die Menschheit zu unterjochen.

    Das Schweizer Chapter, das in diver-sen Stdten sogenannte Stammti-sche unterhlt und auch mit partei-frei.ch (siehe oben) eng verbundenist, konnte sich mit Protesten gegendie Bilderberg-Konferenz in St. Mo-ritz im Juni 2011 und der Beteiligungan der Occupy-Bewegung imHerbst 2011 medial in Szene setzen.Der Sprecher der Gruppe, der mitt-

    lerweile 26-jhrige BankangestellteDominic Schriber, ist wiederholtdurch antisemitische Voten aufgefal-len. Auch liess er sich mit dem brau-nen Esoteriker Jan Udo Holey infreundschaftlicher Pose ablichten.Der Deutsche Holey hat, teils unterdem Pseudonym Jan Van Helsing,mehrere geschichtsrevisionistischeund verschwrungstheoretischeBcher verfasst.

    Al Kreida in Luzern

    Auch der Luzerner JSVP-Mann Ani-an Liebrand und seine teilweise demNeonazi-Milieu zuzurechnendenMitstreiter unter anderem der Wil-lisauer PNOS-Aktivist ChristianHuber werden nicht mde, die offi-zielle 9/11-Version ffentlich und vorallem ausgiebig anzuzweifeln: DieSuchfunktion auf Liebrands relativ

    junger Interne tzeitung info8.chspuckt gegen 30 mehr oder minderdubiose Beitrge zum 11. September

    2001 aus. Liebrands Motto: Nach-

    fragen muss erlaubt sein. Die Luzer-ner Clique bedient sich zuweilenauch eher unkonventioneller Mittel,um sich Gehr zu verschaffen: Am10. September 2011 malte sie bei-spielsweise mit Kreide verschw-rungstheoretische Slogans auf dieLuzerner Seebrcke. Sie griff damiteine Aktionsform auf, die We AreChange gerne whlt.

    Zu noch kruderen und im Tonfalldeutlich schrferen Behauptungenversteigt sich die extrem rechte Euro-pische Aktion (EA) um den Schwei-zer Holocaustleugner BernhardSchaub, die sich als Bewegung einesneuen europischen Selbstbewusst-

    seins anpreist und jene Europervereinen will, die den american wayof life satt haben. So hlt die EA aufihrer Website fest, Osama Bin Ladensei eine Erfindung des US-Geheim-dienstes, um fortzufahren: Derlegendre 11. September wird ihm(Osama Bin Laden, d.A.) offiziell an-gelastet, vermutlich glauben abernicht einmal mehr die Amerikanerselbst an die offizielle Version desWeissen Hauses. Und, eine weitereschwer verdauliche Kostprobe:Damals (2001, d.A.) brauchte dieUS- und Zionisten-Mafia einenGrund fr den Krieg gegen den Is-lam von Afghanistan ber den Irakund Libyen bis zu dem noch ausste-henden gegen den Iran.

    Verschwrungstheorienlautstark! Ausgabe Nr. 20 Oktober 2012

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    Erfinder solcher Theorien unteranderem die Juden, die Kapitalisten,die Sozialisten und die Kommunisten(hufig auch die Sozialdemokraten),die US-Amerikaner (oder zumindestderen Geheimdienst), die Freimaurer,die Gewerkschaften, die Demokra-ten, die Philosophen und die Aufkl-rer, die Literaten- oder Intelektuel-lencliquen, die Hippies (besondersverhasst sind die LSD-Konsumentenund Kiffer), Internationale Organisa-tionen wie die UNO und die Welt-bank, die Pazifisten und die Satani-sten um nur einige zu nennen.(Welt-)Verschwrerinnen hingegentrifft man in diesen Theorien usserstselten an. Wenn man sich nun dieseFeindbilder etwas genauer anschaut,wird schnell klar: Es schwingt immereine antisemitische, antimodernisti-sche, rassistische und negationisti-sche Weltanschauung mit, hufiggekoppelt mit einer antikapitalisti-schen und antiinternationalistischen

    Grundhaltung. ber die Verschw-rungslegenden werden also nicht nurFeinde fixiert, sondern auch Wertsy-steme vermittelt.

    Wer glaubt noch an Mrchen?

    Verschwrungstheorien gab esbereits in der Antike und im Mittelal-ter. Beispielsweise wurde die Pest aufangebliche Brunnenvergiftungendurch Juden zurckgefhrt. Seit demFall des Eisernen Vorhangs habenVerschwrungstheorien in Europaund den USA wieder Hochkonjunk-tur, wobei insbesondere die Ereignis-se rund um den 11. September 2001diesen Boom weiter ankurbelten.Auffllig bei solchen Theorien sinddie Berhrungspunkte, die sich zwi-schen Negationisten und Neonazis ei-nerseits und einer esoterisch-okkulti-stisch interessierten Leserschaft ande-rerseits ergeben. Mit den Verschw-rungsmythen werden Wertsystemefr breite Bevlkerungsschichten zu-gnglich, die sonst nur Negationistenund Neonazis in dieser Deutlichkeitvertreten. So ist beispielsweise derMythos von der jdischen Weltver-

    schwrung heute bis in die Mitte derGesellschaft verbreitet. Dass man miteinfachen Erklrungen fr die Pro-bleme dieser Welt bei vielen Men-schen auf offene Ohren stsst, istnachvollziehbar. Eine Untersuchung

    ber die Empfnglichkeit fr Ver-schwrungstheorien, die in Polendurchgefhrt worden ist, kam zu fol-genden Ergebnissen: Rund dreissigProzent derErwachsenen glauben, dass nicht dieRegierung, sondern unbekannte Len-ker das Land fhren wrden. DieForschungsgruppe stellte fest, dasssich der Glaube an Verschwrungs-theorien durch alle Alterskategorien,durch alle Schichten und alle Bil-dungsklassen zieht. Trotz des diffusenCharakters der Verschwrungstheo-rien oder gerade deshalb glaubenviele Menschen daran. Sie bestechendurch ihre einfache Botschaft und diescheinbare Logik.

    Verschwrungsbasteleien

    Das Problem ist, wie bei allen quasi-religisen Phnomenen, dass einerationale Argumentation dagegenwenig hilft. Mit Vernunft lassen sich

    solche Geschichten zwar relativ leichtwiderlegen. Aus der Welt gerumtsind sie damit aber noch lange nicht.

    Jede Kritik an Verschwrungstheo-rien wird abgeschmettert, indem derKritiker oder die Kritikerin selber als

    Teil der Verschwrung verunglimpftwird. Nichtsdestotrotz ist es eine Her-ausforderung, die innere Unlogik die-ser Geschichten herauszuschlen undaufzuzeigen. Und sei es auch nur, umnicht selber den Kopf zu verlieren an-gesichts all dieser Unwahrheiten undGeschichtsverdrehungen.Oder aber, man bastelt sich selbereine Verschwrungstheorie. So kannhautnah die innere Logik solcherProzesse erfahrbar gemacht werden.

    1) Hierzu nehme man als erstes etwasganz Bses. Idealerweise Minderhei-ten oder Personengruppen, die manpolitisch bekmpfen will.

    2) Danach kann eine bse Tat oderein unheilvolles Ereignis her. Daskann ein Attentat, ein Verkehrsun-glck, eine Krankheit wie AIDS oderauch eine gerade grassierende Hun-gersnot sein. Hauptsache richtig bseund schlimm.

    3) Nun ist Kreativitt gefragt: DasFeindbild, das man sich im erstenSchritt gebastelt hat, muss mit derbsen Tat in einen kausalen Zusam-menhang gestellt werden. Bei schwie-

    rigen Fllen knnen auch UFOs, ma-gische Krfte oder Marsmenschenbemht werden. Angereichert mitStrichcode-Botschaften, Geschichtenber Mikrowellenstrahlen oder ge-heimen Codes auf Geldnoten lassensich phantastische Verstrickungen er-dichten.

    4) Wenn die Geschichte steht, mussdiese ein Publikum finden. Idealer-weise verbreitet man heutzutage Ver-schwrungstheorien im Internet.Oder man schickt die Story demKopp-Verlag.

    5) Wichtig bei all den Basteleien: Evi-denzen herstellen. Die Wahrheitmuss belegt sein. Am besten zitiertman andere Verschwrungstheorie-bcher, oder man erstellt einen eige-nen Eintrag bei Wikipedia. Auch ge-flschte Fotos und seitenlange wissen-schaftliche Apparate helfen bei die-sem letzten Schritt.

    6) Wenn die Story im Umlauf ist, ver-liert man die Deutungshoheit berden eigenen Stuss, und es beginnt ei-nem langsam zu dmmern. Die Weltist komplizierter als gedacht, und

    Vereint im ZweifelVerschwrungstheoretiker in der Schweiz

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    Querfrontenlautstark! Ausgabe Nr. 20 Oktober 2012

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    Eine Strategie der Rechtsextre-

    men in ihrem Versuch, aus der

    Isolation herauszutreten, be-

    steht darin, vordergrndige

    Gemeinsamkeiten mit der Lin-

    ken zu betonen und zu ver-

    schweigen, dass die rechte Ideo-

    logie der Linken unvereinbar

    gegenbersteht . Sekundiert

    werden die Rechtsextremen

    dabei von selbsternannten

    ExtremismusexpertInnen und

    einer Grundstimmung in der

    sogenannten politischen Mitte.

    Sie alle leugnen nmlich den

    Unterschied zwischen rechts

    und links bzw. behaupten, dieUnterscheidung sei berholt.

    Dass diese Position nicht halt-

    bar ist, zeigt die genaue

    Betrachtung des Themas. Dass

    es wichtig ist, sich gegen die

    Tuschung und Vernebelung zu

    wehren, zeigt sich jeden Tag.

    Die Basis rechter und rechtsextremerEinstellungen jeglicher Nuancierungist die grundstzliche Ablehnung derFreiheit und der Gleichheit bzw.Gleichberechtigung aller Menschen.Rechte und Rechtsextreme wertenMenschen nach ihrer geografischenHerkunft, ihrem Geschlecht, ihrersexuellen Orientierung, ihrer Haut-

    farbe, ihrer Religion und ihrerLebensweise. Rechtsextreme fhlensich deshalb befugt, andere Men-schen anzugreifen und sogar zutten. Sie streben eine Diktatur anund glauben an die berlegenheitder eigenen Gruppierung, der eige-nen Nation, der eigenen Rasse, siefunktionieren in autoritren Struktu-ren und pflegen eine gefhrliche Affi-nitt zu Gewalt und Waffen, beson-ders Schusswaffen und Sprengstoff der NSU ist nur ein besonderes Bei-spiel.Dieser Kern rechtsextremer Einstel-lungen steht ganz offensichtlichgrundstzlich linken und teilweisesogar brgerlichen Positionen entge-

    gen. Trotzdem suchen rechtsextremeGruppierungen immer wieder dieNhe zur Mitte oder zur Linken, umEinfluss, ffentlichkeit und Akzep-tanz zu gewinnen. Selbstverstndlichwenden sie sich dabei nicht von derrechtsextremen ideologischen Basis

    ab, die sie verklausuliert zum Aus-druck bringen, sondern ben sich inder Betonung von (vermeintlichen)Gemeinsamkeiten mit anderen politi-schen Lagern.So plump und offensichtlich dieseAnbiederungsversuche bei genauerBetrachtung auch sein mgen und soalt diese Taktik mittlerweile ist, schei-nen sie fr Rechtsextreme dennochattraktiv. Sie knpfen ihre Hoffnungauf Erfolg an die Tatsache, dass Ele-mente ihres nationalistischen undrassistischen Gedankenguts bis weitin die Mitte der Gesellschaft zu fin-den sind. Und sie wittern sogar in der

    Linken Anknpfungspunkte. BeiStrmungen, die autoritren Strate-gien nicht abgeneigt sind, welcheeine undifferenzierte Kritik am Kapi-talismus ben oder fr Verschw-rungstheorien empfnglich sind (sie-he Text Verschwrungstheorien).Nachdem die rechte Taktik derscheinbaren Verwischung vonrechts und links in Deutschlandseit Jahren festgestellt und diskutiertwird, scheint sie mittlerweile auch beiuns angekommen zu sein. HchsteZeit, dass wir uns vertieft und hinter-grndig mit aktuellen und histori-schen Beispielen fr diese Strategienbefassen, um sie zu beschreiben undoffenzulegen. Und dabei sehen wir

    uns mit dem Problem konfrontiert,dass nur auf die Bezeichnung derQuerfrontenstrategie verwiesenwerden kann. Und die ist ungenau,denn zum einen entstammt derBegriff einem spezifischen histori-schen Kontext, der nicht ohne weite-res auf die gegenwrtigen Verhltnis-se bertragen werden kann. Zum an-deren suggeriert er eine inhaltlicheund konzeptionelle Kohrenz, dieweder gegenwrtig noch in der Ver-gangenheit existiert(e). Wir schlagendeshalb vor, zunchst die Strategienund Vorgehensweisen der Rechtsex-tremen zu analysieren und darausBegrifflichkeiten zu finden. Dabeiwollen wir uns weitgehend auf die

    bisher kaum beleuchtete Situation inder Deutschschweiz beschrnken.

    Die historische Querfront 1932

    Blenden wir zuerst zurck und begin-nen bei der (versuchten) historischenQuerfront 1932 in Deutschland.Damals wollte der deutsche Reichs-kanzler Kurt von Schleicher miteinem Bndnis, das quer durch diepolitischen Lager (NSDAP, Reichs-wehr und Gewerkschaften) gehensollte, eine politische Mehrheit, eineMassenbasis fr seine Regierungerreichen, da er weder ber parla-mentarische Mehrheiten noch berbreiten gesellschaftlichen Rckhaltverfgte. In allen Lagern, welcheSchleicher in die Querfront einbezie-hen wollte, fanden sich Strmungen,die einer solchen nicht abgeneigt wa-ren, die die Gemeinsamkeiten ingewissen Positionen betonten und dieUnterschiede zunehmend ausblende-ten. Tatschlich ging die Entwicklungeinher mit der Ausbreitung der rassi-

    stischen und totalitren Ansichtenber die NSDAP hinaus.

    Die Versuche der PNOS

    Auch wenn Querfront eine histori-sche Begebenheit bezeichnet, wirdder Begriff fr aktuelle Versuche derrechtsextremen Szene verwendet,sich der Linken anzunhern, ohnedie eigenen Positionen zu verndern.So liebugelt beispielsweise diePNOS seit Jahren mit Querfronten(PNOS-Sprachgebrauch). Hatte sieim Sommer 2003 noch von den altenFrntlern bernommene Wahlplaka-te verffentlicht, schrieben die Neo-nazis im Dezember das Initiativkomi-tee fr die Einheitskrankenkasse an,in der Hoffnung, dass diese bersteife Parteiegoismen und stupidesRechts-/Links-Denken (sic!) hin-wegsehen und mit der rechtsextre-

    men Partei zusammenarbeiten wr-den. Das linke Abstimmungsbndnisging allerdings nicht auf die rechtsex-treme Anbiederung ein. Die PNOSvertrat auch danach in vielen Abstim-mungsfragen linke Positionen, ohnesich allerdings noch einmal ffentlichdem Grssenwahn hinzugeben, alspolitischer Partner fr linke Parteienagieren zu knnen und damit aus derrechten Ecke zu rutschen.Trotzdem scheint die PNOS sichnicht vom Querfronten-Traumlsen zu knnen. Dafr sprechen ihrBrief an den iranischen Botschaftervom 21. Dezember 2006 (der durchdie Verffentlichung des PNOS-Mailverkehrs durch ein linkesHacker-Innen-Kollektiv bekanntwurde), die von ihr verffentlichtenInterviews mit Jens Arpe, dem Sn-ger der rechtsextremen Band Kraft-schlag (gefhrt im September 2008vom damaligen PNOS-AktivistenMario Friso) und mit Jrgen Schwab,einem rechtsextremen deutschenPublizisten (verffentlicht im

    Oktober 2009) wie auch die Tatsa-che, dass sie am 8. Februar 2009Bernd Rabehl zu einem Referat ein-geladen hat. Dieser sieht, so zumin-dest der Aufsatz der PNOS zum

    Referat, in einer Querfront die ein-zige Mglichkeit an der US-ameri-kanischen Hegemonie etwas zu n-dern. Worauf die PNOS eine ver-tiefte Diskussion ber die Idee derQuerfront verspricht. Auch dieguten Beziehungen von Mario Frisozu deutschen Rechtsextremisten wiedem im Zusammenhang mit demNSU verhafteten Thomas Gerlach,besttigen die Affinitt der PNOS zuQuerfronten. Thomas GerlachsHang zu Querfronten ist allgemeinbekannt.

    In Anlehnung an die Idee der Quer-front nehmen Neonazis gezielt undorganisiert an linken und grnen

    Kundgebungen teil. Nachdem ihreVorbilder in Deutschland seit Jahrenan Anti-Kriegs- und Anti-AKW-Pro-testen auftauchen, versucht diePNOS 2004 zum ersten Mal, eineKundgebung am 1. Mai abzuhalten.Die rund 150 Neonazis werden vonrund 50 AntifaschistInnen angegrif-fen. In den folgenden Jahren (2005 inAarau und Solothurn, 2007 in Aarauund Interlaken, 2008 in Fribourg)marschierten die Rechtsextremeneinmal mit mehr, einmal mit wenigerErfolg auf. Das zumindest vorlufi-ge Ende dieser Reihe markierte dermit zehn Neonazis sehr magere Auf-marsch in Thun im Jahr 2010. DiePNOS-Flugbltter und Transparentean den Demonstrationen bernah-men vordergrndig die linke Forde-rung der Abschaffung des Kapitalis-mus, zielten auf die in breiten Krei-sen vorhandenen Ressentiments ge-gen AuslnderInnen underwhnten die Kernziele der Neona-zis wenn berhaupt nur codiert.Die PNOS stellt keineswegs eine Pio-

    nierin auf diesem Gebiet dar. IhrVorbild ist dabei zweifellos die NPD,die mit dem Strategiewechsel wegvom verstaubten NSDAP-Mief hinzur neuen Rechten einen Auf-

    schwung erlebt hat. Aber auch in derSchweiz gab es bereits einen Versuch,den dritten Weg zu gehen. Im klei-nen Frontenfrhling tauchte fr eini-ge Monate die Neue Front auf(November 19881990). Sie sah sichals Nachfolgerin der Frontenbewe-gung der 1940er-Jahre und lehntesich an die von der NSDAP 1930 ab-gespaltene Schwarze Front an. DiePNOS bernimmt rund zehn Jahrespter Konzeptionen und Wortge-brauch, so die Schlagworte derVolksgemeinschaft, der eidgens-sisch sozialistischen Politik aberauch der Befreiung des Volkes vom

    Joch des Kapitalismus.Und auch an die revolutionre

    Umweltpolitik der SchwarzenFront knpft die PNOS an. So hatdie PNOS Aargau ganz offiziell dierechtsextreme Szene zur Teilnahmean den Anti-AKW-Protesten 2011aufgerufen. Der Text dazu ist bewusstunpolitisch gehalten. Kein Wort vonrechts oder links, ganz selbstver-stndlich wird die Website der Orani-satorInnen verlinkt. Am Menschen-strom gegen Atom haben schliess-lich knapp dreissig Neonazis teilge-nommen, welchen leider nicht nurgrundstzliche Ablehnung entgegen-getreten ist.

    usserlichkeiten als Details?

    Traten die Rechtsextremen beiUnterwanderungs- und Anbiede-rungsversuchen zu Beginn noch alsNazi-Skins mit polierter Glatze undBomber-Jacke auf, haben sie nun vonihrem deutschen Vorbild gelernt. Siehaben die selbst gewhlte Isolationder Nazi-Skins durch ihre usserlich-keit zugunsten einer versuchten

    Querfronten? Tuschen und vernebeln!Die Suche der Extremen Rechten nach Macht, ffentlichkeit und Akzeptanz

    Die PNOS wirbt fr die Schaffung einer Einheitskrankenkasse.

    Kurt von Schleicher.

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    Anbiederung an die Linke abgelegt.Und so kleiden sie sich mit nationa-ler Kleidung, die Mnner trageneinen adretten Kurzhaarschnitt unddie wenigen Frauen lange Zpfe. Die-se optische Anpassung geht bislangv.a. in Deutschland so weit, dass dieNeonazis die usserlichkeiten derradikalen Linken nachahmen. Dieseussert sich in der bewussten Verwen-dung linker und sogar anarchistischerSymbole wie des Konterfeis von CheGuevara und der schwarz-roten Fah-ne (deren Symbolik nach Beliebenumgedeutet wird).Zurusserlichen Vollendung der Ko-pie kleiden sich die Rechtsextremenmit Kapuzenpullis und tragen Base-ballcaps und Buttons, die ihre Ideolo-gie zumindest fr Eingeweihte sicht-bar machen. Aber die Neonazis ma-chen nicht nur auf Black Block siebetreiben auch eigene Kleidermarkenund prgen so das Erscheinungsbildund die Mode in der extremen Rech-

    ten massgeblich und helfen mit, vomImage des tumben Nazi-Skins, derAmi-Jeans und die Jacke der a lliiertenPiloten trgt wegzukommen. Nichtunwichtig in diesem Zusammenhangdrften auch die finanziellen Interes-sen der Marken-VerkuferInnen sein.

    Nur eine oberflchliche Kopie

    Selbstverstndlich mgen Neonazisden 1. Mai feiern wollen und gegenAKWs sein. Auch in anderen Fragenmgen sie Positionen vertreten, dievordergrndig gar denen Linksradi-kaler entsprechen. Beispielsweise inder Frage des (US-)Imperialismus.Aufgrund dieser punktuellen ber-

    einstimmung ist es ntig, nach derMotivation und Argumentation derRechtsextremen in der jeweiligen Fra-ge zu suchen.Der rechtsextreme Anti-Amerikanis-mus drfte u.a. dem massgeblichenBeitrag der US-Streitkrfte zumUntergang Hitler-Deutschlandszuzuschreiben sein. Die neuenRechten beschimpfen die US-Aus-senpolitik gar mit dem linken Termi-nus des Imperialismus, obwohl sich

    Hitler im klassischen Imperialismusversucht hat. Hier tauchen auch dieVertreter des Ethnopluralismus auf,einer rechtsextremen Idee, die vor-gibt, alle Ethnien gleichzustellen undgerade deshalb eine Vermischungderselben verhindern zu wollen undumgekehrt eine Einmischung in dieAngelegenheiten einer anderen Eth-nie untersagen. Und auch wenn dieNeonazis weiter ihre Ablehnung desStaates Israel mit dem Verweis aufden Imperialismus erklren wollen,knnen sie nicht abstreiten, dasseigentlich ihr Antisemitismus, genau-er, ihr Ziel der Ermordungaller Juden, dahinter steckt.

    Rechts links egal?

    Vermehrt tauchte in den letzten Jah-ren die Behauptung auf, die Begrifferechts und links der politischenEinordnung seien berholt und in derheutigen Zeit nicht mehr anwendbar.

    Sie stammte stets aus der Feder vonneonazistischen Gruppierungen (z.B.PNOS, Parteiprogramm Stand April2011, Vorwort des Prsidenten) vonsich an extrem rechte Posititonenanlehnenden Einzelpersonen undGruppierungen (z.B. Jimy Hofer)oder von ExponentInnen derenOrganisationen hchstens beschni-gend als politisch unbedarft und naivbezeichnet werden knnen (z.B. Pira-tenpartei Schweiz; Rechts oderlinks? Ich gehe vorwrts!).In keinem Fall folgte ein Nachweisdieser Behauptung. Es drfte auchdenkbar schwierig sein, ihn zuerbringen besonders wenn gleich-zeitig der historische Sinn der Unter-

    scheidung akzeptiert wird. Die Fragestellt sich also, worauf diese Behaup-tung abzielen soll. Es darf angenom-men werden, dass Neonazis aus dergesellschaftlich nach wie vor gechte-ten Ecke des Nationalsozialismus her-austreten wollen, um breitereAkzeptanz zu gewinnen, allerdingsunter strikter Beibehaltung ihresinhumanen, antiegalitren und anti-demokratischen Kerns. Gleichzeitigverunmglicht die Negation von

    rechts und links eine Einordnungvon rassistischer und antiegalitrerIdeologie. Und fehlt diese, fehlt auchdie Mglichkeit der chtung.

    Les extrmes se touchent

    Oberflchlich betrachtet sind diequerfrntlerischen Argumentatio-nen und usserlichkeiten verwirrlichund manch eineR, vor allem aussogenannten Mitte-Parteien, istgeneigt rechts und links gleich-sam abzulehnen und sie sogar mit dergleichen Argumentation zubedenken. Les extrmes se tou-chent hren wir immer wieder. Jeextremer rechts bzw. links eine Personoder Gruppe sei, desto hnlicher sei-en sie sich. Der Grad rechts mitte

    links wird geleugnet, stattdessenvon einem sich schliessenden Kreisder politischen Positionen schwadro-niert. Um diese Bilder zu transportie-ren wird natrlich verschwiegen, dass

    eine linke Politik eine Politik derEmanzipation, Gleichberechtigungund Solidaritt aller Menschen ist.Und natrlich auch, dass im Gegen-satz dazu die Basis rechter und rechts-extremer Einstellungen die grund-stzliche Ablehnung der Freiheit undder Gleichheit bzw. Gleichberechti-gung aller Menschen, die in totalerKonkurrenz zueinander stehen sol-len, ist.Die selbsternannten DemokratInnenverschweigen dass linke Politik einedemokratischere Gesellschaft an-strebt, die linksradikalen Anarchi-stInnen in diesem Sinne eine radikale,grundlegende Demokratie leben undwollen. Und als absoluter Antipode

    die Rechte eine autoritre, diktatori-sche Volksgemeinschaft ansteuert.Die beiden sind unvereinbar.Immer.

    Er [der Nationalsozialismus]

    entwickelte kein eigenstndiges

    Bewusstsein von Natur, son-

    dern konnte auf den Inhalten

    der deutschen Jugendbewegung,

    der Lebensreformbewegung und

    der Ariosophie sowie der allge-

    meinen Technikverdrossenheit

    aufbauen; tatschlich bestand

    im frhen Nationalsozialismus

    eine grosse Offenheit fr Str-

    mungen des magischen Natur-

    bewusstseins.

    Gemeinsamkeit aller naturphiloso-phischer Strmungen, die mit den

    Begriffen esoterisch, mysthisch,okkult oder hnlichen Umschreibun-gen bezeichnet werden, ist ein Natur-bewusstsein, welches oftmals als ma-gisch bezeichnet wird. MagischesNaturbewusstsein zeichnet sich, inAbgrenzung zu einem technischen,rationalen Naturverstndnis (welchesdie Umwelt als ein gewissen Gesetzenunterliegendes und damit erklr-und beherrschbares Objekt ver-steht) dadurch aus, dass die Natur alsein lebendiges und empfindsamesGanzes verstanden wird, in welchesder Mensch als (gleichwertiger) Teileingebettet ist.Whrend im christlich-jdischenWeltbild der Mensch eine zentrale,

    der restlichen Natur bergeordneteRolle einnimmt, gehen viele der (ins-besondere auch europischen) vor-christlichen, heidnischen Religionenvon einer wie oben beschriebenen partizipativeren Vorstellung derMensch-Natur-Beziehung aus.Auch wenn die Grenzen oftmals flies-send sind und viele der folgendenBegriffe eher als diffus denn als pr-gnant bezeichnet werden knnen, isteine kurze Erluterung, was im vor-liegenden Artikel unter Mystik, Eso-terik und Okkultismus zu verstehenist, unumgnglich. Bei der Mystikhandelt es sich um eine philosophi-sche Strmung, die, in verschiedenenFormen, in allen Religionen anzutref-

    fen ist. Gemeinsamkeit allerMystikerInnen ist die Suche nach derErfahrung einer absoluten spirituel-len Wirklichkeit. Nebst dieser Formder Religiositt, welche noch weni-ger als andere Formen religiserberzeugungen objektiv erfass-oder erforschbar ist, ist ein mystischerZugang oftmals mit der Suche nachreligionsbergreifenden Gemeinsam-keiten verbunden. Stark vereinfachtkann Mystik demzufolge als dieSuche nach einer absoluten spirituel-len Erkenntnis, die verborgen in allenReligionen wiederzufinden ist,bezeichnet werden.Esoterische Ansichten knnen wie-derum stark vereinfacht als ber-spitzte Form mystischer Vorstellun-gen bezeichnet werden. Kernelementder Esoterik ist die Vorstellung, dassalle religisen und philosophischenStrmungen in irgendeiner Form amgrossen Wissen ber die Welt teil-haben und dies in verschlsselterForm tradieren. EsoterikerInnen ver-suchen, an diesem geheimen, nur fr

    einen inneren Zirkel zugnglichenGeheimwissen teilzuhaben.Im wissenschaftlichen Sinne wird derBegriff Okkultismus fr bestimmteesoterische Strmungen des spten19. und frhen 20. Jahrhunderts ver-wendet. Als unscharfe Sammelbe-zeichnung kann dieser Begriff jedochauch noch weitere Bedeutungenhaben und ist oftmals nur sehrschwer vom Begriff der Esoterikabzugrenzen. Im vorliegenden Arti-kel wird Okkultismus jedoch in sei-nem engeren Sinne verwendet.

    Historische Ursprnge eine

    Rckbesinnung auf unsereAhnen?

    Die historischen Ursprnge dieserVorstellung der Erde als eines leben-digen Organismus oftmals auch alsirrationales oder ganzheitlichesBewusstsein bezeichnet sind unklar.Ihre Existenz lsst sich jedoch vonder Antike, durch das gesamte Mittel-alter bis in die heutige Zeit feststellen.In der frhen Neuzeit (16./17. Jh.)setzte sich mit den wissenschaftli-chen Arbeiten von Bacon, Descartes,Newton etc. in der abendlndi-schen, christlichen Gesellschaft(wobei das Christentum allgemeineine sehr auf den Menschen fokus-

    sierte Religion ist) der Siegeszugeiner naturwissenschaftlichen, tech-nischen und streng rationalen Welt-ansicht ein, in welcher, insbesonderedurch die strikte Trennung von Sub-

    jekt und Objekt, fr ein partizipativesWeltbild kein Platz mehr bestand.Diese Rationalisierungsbestrebungenhatten auch Einfluss auf denUmgang mit vorchristlichen ber-zeugungen, welche, teilweise chri-stianisiert, teilweise parallel zurchristlichen Gesellschaft, in der west-lichen Gesellschaft nach wie vorbestanden. So war Francis Bacon alsGeneralstaatsanwalt zu seiner Zeitmassgeblich mitverantwortlich frdie Durchfhrung der englischen

    Hexenprozesse.

    Wie die Hexenverfolgung als Beispielbereits darlegt, vollzog sich diese Ent-wicklung jedoch nicht ohne Span-nungen. Immer wieder gab es Pha-sen, in denen ein magisches Natur-bewusstsein verstrkt auftrat, wiedie englische Frhromantik in derzweiten Hlfte des 18. Jahrhundertsoder die Sptromantik nach 1815.Getragen und verbreitet wurden sol-che Ansichten von Menschen allerpolitischen Couleur, vom frhenAnarchisten William Blake ber dievon einem vlkischen Nationalismusgeprgten Schriften von JohannGottlieb Fichte bis zu esoterischinspirierten Vorlufern des spterenNationalsozialismus.

    Die Erde als Mutter von Volkund Rasse

    Obwohl, wie beschrieben, ganzheitli-che oder mystische Weltanschauun-gen keiner politischen Strmung

    Querfronten / Braune Esoteriklautstark! Ausgabe Nr. 20 Oktober 2012

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    Braune EsoterikEine Einfhrung in vlkische Spiritualitt

    Autonome Nationalisten an einer Demonstration in Deutschland.

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    zugeordnet werden knnen, sind ins-besondere esoterische Bewegungenextrem anfllig fr rechtsextremesGedankengut. So zeichnen sich alleStrmungen des magischen Natur-

    bewusstseins durch einen starkenBezug zur Erde als Lebensgrundlageaus. Eine solche Rckbesinnung aufdie Mutter Erde, fhrt oftmalsauch zu einem verstrkten Heimatge-fhl. Der Teil der Mutter Erde, aufwelchem mensch aufgewachsen istund zu welchem er/sie einen beson-ders starken Bezug hat, wird in einemnochmals bersteigerten Masse alswichtig, schtzenswert und allgemeinals Hort der Existenz betrachtet.Eine solche lokale Verwurzelungkann sehr schnell zu einer Ablehnungund Stigmatisierung von als fremdbetrachteten Personen fhren, eineAbneigung gegenber allen Men-schen, welche diesen lokalen Bezug

    nicht in diesem Ausmasse vorweisenknnen, weil sie selbst an einem an-deren Ort aufgewachsen sind.Respektive, in noch strkerer Form,weil auch nur die Eltern oder Gross-eltern nicht aus der entsprechendenGegend stammten. Genau dieseBedeutung, welche Familienbandebeziehungsweise verschiedene For-men des Ahnenkultes als Form derRckbesinnung auf seine oder ihreVorfahren haben, bietet eine weitereoffene Flanke fr rechtsextreme, inaller Regel vlkische, Ansichten. Inmystischen oder erdverbundenenIdeologien spielt neben dem Bezugzur Erde als Grosse Mutter aucheine Rckbesinnung auf und Suche

    nach den eigenen Wurzeln eine zen-trale Rolle. Um von einem abstrak-ten, technischen Verstndnis der Weltwegzukommen, ist in solchen Str-mungen eine Findung des eigenenBezuges zu den Ursprngen derNatur und des eigenen Seins vonnicht zu berschtzender Wichtig-keit. Diese Suche wird in esoterischenZusammenhngen in den allermei-sten Fllen ber die eigene biologi-sche Herkunft und damit verbundenber die Herkunft sowie die politi-schen und religisen berzeugungender Vorvter und -mtter, nach Mg-lichkeit bis in vorchristliche Zeit,angestrebt. Dass damit vlkischenberzeugungen Tr und Tor geff-net wird, ist offensichtlich. Denn dieTatsache, dass Vlker und Kulturenin erster Linie ethnogenetisch (durchdie Selbstdefinition als Volk oderKultur) geschaffen werden, passt nursehr begrenzt in diese Form der Welt-erklrung. Aus esoterischer Perspekti-ve viel naheliegender scheint meisteine natrliche (und oft erblich

    bedingte) Weitergabe kultureller odergar vlkischer Zugehrigkeit, durchgemeinsame Ahnen. Als Beispiel, wieweit solche Formen vlkischenAhnenkultes gehen knnen, sei auf

    ein Zitat des vlkisch-rassistischenEsoterikers und Begrnders der Ario-sophie, Guido von List, verwiesen:Ja, selbst heute noch sind die Thro-ne ganz Europas mit alleiniger Aus-nahme des Sultanats von Stambulund des Knigsthrones von Schwe-den (Bernadotte) im Besitze germani-scher Familien, die wahrscheinlicheines gemeinsamen Ursprunges auseinem uralten Herrschergeschlechtesind, das in vorgeschichtlicher Zeitsein Entstehen fand. In diesem Bei-spiel findet sich ein weiteres bedenkli-ches Merkmal solcher Formen desAhnenkultes. Nicht nur die kulturelleoder vlkische Zugehrigkeit wirdber Ahnenreihen vererbt, nein auch

    bestimmte Eigenschaften, Fhigkei-ten oder Wesenszge werden aufdiese Weise ber die Generationenweitergegeben. Sobald diese Verer-bung von Charaktermerkmalen aufein ganzes Volk abstrahiert wird, sinddie wichtigsten Faktoren fr eine na-tionalsozialistische Form vlkischenDenkens gegeben.Der letzte Punkt, auf welchen hiernoch hingewiesen werden soll, ist derFakt, dass esoterische Strmungenmeist Hand in Hand mit verschie-densten Verschwrungstheoriengehen. Von der esoterischen ber-zeugung, dass alle Religionen inirgendeiner Form am grossen Wis-sen der Welt und dem Verstndnis

    fr das wahre Gttliche teilhabenund dieses Wissen in geheimer Formtradiert wird, hin zur Vorstellung,dass dieses Wissen von gewissen aus-erwhlten Gruppen kontrolliert undgenutzt wird, besteht ein schon fastfliessender bergang. Diese ber-zeugung, die Welt werde von ver-schwrerischen Geheimbnden kon-trolliert, welche das Wissen der Weltzu ihrem eigenen Vorteil und derUnterdrckung und Kontrolle derrestlichen Menschen nutzen, ent-spricht in weiten Teilen einer ver-krzten Kapitalismuskritik, wie sieunter anderem auch im Nationalso-zialismus an der Tagesordnung war.

    Im gttlichen Weltplan sindJuden nicht vorgesehen

    Die oben beschriebenen Tendenzenund Gefahren verschrfen sichzustzlich, wenn es um die Anfllig-keit esoterischer Bewegungen frantisemitische Ansichten geht. Men-schen jdischer Konfession sind auf

    verschiedenste Weisen besonders derGefahr ausgesetzt, aufgrund magi-scher oder esoterischer Ansichtenstigmatisiert und ausgegrenzt odergar verfolgt zu werden. Ein zentralesElement dabei ist das sowohl in dergenuin jdischen Tradition als auchin von aussen zugeschriebenen Erlu-terungen hufig anzutreffendeMotiv der Entfremdung. Sptestensseit der jdischen Diaspora zu Zeitendes Rmischen Reiches ist die The-matik der Heimatlosigkeit sowohl bei

    jdischen AutorInnen als auch beiantisemitischen HasspredigerInnen,wie etwa Wilhelm Marr, in vielflti-ger Form literarisch aufgearbeitetworden. Dieses Motiv in Verbindungmit der Tatsache, dass es lange Zeiteine starke Segregation zwischen

    jdischer und nichtjdischer Bevlke-rung gegeben hatte, welche bis weitin die Neuzeit hinein fast in gesamtEuropa auch gesetzlich festgeschrie-ben war, bieten hierbei eine erste

    Angriffsflche. Die Entfremdung inKombination mit der starkenAbschottung der jdischen Bevlke-rung, fhren leicht zum Vorwurf derWurzellosigkeit der jdischenBevlkerung und einer damit Ver-bundenen Trennung in erdverbun-dene und naturnahe Menschen undjdische naturferne (Halb)men-schen. In den Worten von WilhelmMarr: Ein Vaterland hatte der Judenicht. Seinem einstigen Vaterlandewurde er mit jedem Tage mehr ent-fremdet und die Erinnerungen andasselbe waren ihm nur Formeln.Dagegen hatte ihm die Natur dieGabe versagt, sich mit andern Vl-kern zu amalgamiren [sic!], zu assi-

    miliren [sic!]. Er blieb abstossendgegen ihre Religion, sprde gegenihre Sitten, Gebruche und Lebens-weise. Darber hinaus fhrten dieEinschrnkungen fr die beruflicheEntwicklung, welche fr Menschen

    jdischer Konfession insbesondereim Mittelalter und der frhen Neu-zeit galten dazu, dass sich diese hu-fig in Stdten niederliessen und inverschiedenen Formen des Fernhan-dels bettigen mussten, womit ihrpersnliches, meist innerkonfessionel-les Netzwerk von zentraler Bedeu-tung war. Ausserdem stellt auch das

    Judentum als Buchreligion den Men-schen in seiner Bedeutung grundstz-lich ber die restliche Natur (wie

    auch Christentum und Islam). Auf-grund dieser Punkte wiederum wur-de (und wird) eine Ablehnung einesrational-technischen Weltbildes unddamit meist auch einer grundstzli-chen Antipathie gegenber urbanenLebensweisen schnell einmal mitdem Judentum in Verbindunggebracht, dahingehend, dass das

    Judentum und die Angehrigen die-ser Religion pauschal als VertreterIn-nen einer unnatrlichen stdtischenKultur verdammt werden bzw. dieseKultur als jdisch bezeichnet wird.Der aufgrund der zum berlebenessentiellen Beziehungsnetze ver-gleichsweise internationale Bezugvieler Jdinnen und Juden und die

    juristisch forcierte Segregation vonder nichtjdischen Bevlkerung ver-bunden mit der Unterdrckung derreligisen Praktiken und der Notwen-digkeit diese im Verborgenen zuleben, machten Menschen jdischerKonfession auch fr Verschwrungs-theoretikerInnen aller Art besondersverdchtig. Wenn mensch davon

    berzeugt ist, dass die Welt von einergeheimen Regierung kontrolliert unddie brigen Menschen von diesenunterdrckt und in Willfhrigkeitgehalten werden, mgen Menschen,welche getrennt von der brigenBevlkerung leben, ber einen deut-lich grsseren Bezugshorizont undweitreichendere Verbindungen verf-gen und ihre Religiositt mehr oderminder im Verborgenen ausleben,tatschlich als besonders suspekterscheinen. Dass dabei die Kausalittvon Ursache und Wirkung vollkom-men verdreht wird, ist in diesemZusammenhang zweitrangig. So ist eszwar grundstzlich absurd und fern

    jeglicher Realitt, aber nichtsdestrotzvon einer inneren Logik durchdrun-gen, wenn die geheime Weltregie-rung mit dem internationalenFinanzjudentum gleichgesetzt wird.Im Werk von Erich von Ludendorff Stellvertreter Hindenburgs im ErstenWeltkrieg und Verschwrungstheore-

    tiker finden sich viele Elemente,welche auch in heutigen Verschw-rungstheorien immer wieder aufge-griffen werden (so etwa die berzeu-gung, dass die jdische Familie derRothschilds an der Spitze der gehei-men Weltregierung stehe und denKopf der wahren Illuminaten bil-de, dass es einen inneren Zirkel der300 gebe, welche diese untersttze,welcher ebenfalls stark von Judenbestimmt sei, etc.): Das Geheimnisder Freimaurerei ist berall der Jude.Der Deutsche, aber auch jederAndersbltige muss es nur sehen. [...]Er [der jdische Orden Bne Briss]zhlt zu seinen Mitgliedern diebekannten fhrenden 300, bildet

    zugelich den jdischen General-stab, ist ein rcksichtsloser Vertreterdes jdischen Volkstums und des

    jdisch-kapital istischen Weltherr-schaftsgedankens und berwacht diePolitik der Staaten und einflussrei-cher Parteien.Oben erwhnte Punkte waren wichti-ge Schlsselstellen, aus welchen sichder Rassenantisemitismus (unteranderem) entwickelte. Diese esote-risch-vlkische Form des Antisemitis-mus lieferte eine Basis, welche not-wendig war, um den Rasseantisemi-tismus in seiner schrecklichsten Formwhrend des Dritten Reiches ber-haupt erst mglich zu machen.

    Von Anthrophosophie berAriosophie zur Shoa

    Bereits die Anthroposophie, wie sievon Rudolf Steiner Ende des19. Jahrhunderts begrndet wurde,war von solchen vlkisch-esoteri-schen Vorstellungen durchdrungenund lieferte eine Basis, auf welcherder Nationalsozialismus direkt auf-bauen konnte. Das Konstrukt derWurzelrassenlehre, welches Steinerauch nach der Trennung von derTheosophie und der Grndung deranthroposophischen Gesellschaft lan-ge Zeit beibehielt, ging bereits voneiner historischen Auserwhltheitund berlegenheit der arisch-nor-dischen Rasse und deren Rolle alsTrgerin spiritueller Hherentwick-lung aus.Aus der Theosophie einer okkultesoterischen Strmung des spten19. Jahrhunderts entwickelte sichneben der Anthroposophie noch einezweite esoterische Weltanschau-ung, die Ariosophie. Diese in ihrer

    engeren Form von Jrg Lanz von Lie-benfels begrndeten und insbesonde-re durch den vlkisch rassistischenOkkultisten Guido von List geprgteStrmung bildete eine Art Basis frnahezu alle spteren Formen braunerEsoterik. Zudem prgte die Arioso-phie bis zu einem gewissen Gradewohl auch die sptere nationalsoziali-stische Volks- und Rassenideologie,auch wenn es keine Belege fr einedirekte Verbindung zwischen arioso-phischen Zirkeln im engeren Sinneund der NSDAP gibt.In der Ariosophie wurde ebenfalls aufdas Konstrukt der Wurzelrassezurckgegriffen. Anders als in derTheosophie wurde diese Vorstellung

    jedoch sehr stark mit der von Arthurde Gobineau geprgten Rassentheo-rie vermischt. Whrend in der Theo-sophie die Suche nach den gemein-samen Erkenntnissen aller Religio-nen und der Erschaffung einer all-umfassenden Bruderschaft der

    Menschheit durch die Vermischungder unterschiedlichen Wurzelrassenund einer spirituellen Entwicklungangestrebt wird, verhlt es sich beider Ariosophie anders. Die Arioso-phie geht von einer grundlegendenberlegenheit der arischen Wurzel-rasse (und innerhalb dieser Rassespeziell von einer germanischen unddarin von einer deutschen berle-genheit) aus. In einem urzeitlichengoldenen Zeitalter sei diese berle-gene Rasse von einer weisen Prie-sterschaft gefhrt worden. Die Ver-mischung der Rassen habe jedochzum Zerfall dieses Zeitalters und den

    jetzigen Missstnden gefhrt. DasZiel der ariosophischen Geheimzirkel

    msse es deshalb sein, das verloreneokkulte Wissen der alten Arier wie-derzuerwecken und ein neues all-deutsches Reich zu schaffen.Von zentraler Bedeutung fr die sp-tere nationalsozialistische Praxis warhingegen die vlkisch-esoterischeThule-Gesellschaft, die 1918 vonRudolf von Sebottendorff gegrndetwurde. In dieser, nach der geistigenUrheimat der Arier benannten,Gruppierung vermischten sich ario-sophische, germanentmlerischeund sonstwie vlkisch-okkulte Str-mungen mit einflussreichen politi-schen und sozialen Personen undOrganisationen. Mitglieder in diesemOrden waren so unter anderem

    Gustav Franz Maria Prinz vonThurn und Taxis, Karl Harrer, derRedakteur des Mnchner Beobach-ters, oder Anton Drexler, der Grn-der der Deutschen Arbeiter Partei.Aber auch sptere Nazigrssen wieAlfred Rosenberg, Julius Streicheroder Rudolf Hess.

    Vom Hakenkreuz zum Kelten-kreuz

    Die Zerschlagung des Dritten Rei-ches bedeutete keineswegs auch dasEnde der braunen Esoterik eher imGegenteil. Denn als Hitler 1937 imKampf gegen Freimaurerei, jdi-sche Weltverschwrung und bolsche-wistische Umsturzversuche alleGewerkschaften, politischen Grup-pierungen und insbesondere auchGeheimgesellschaften verbot, betrafdies auch die ariospohischen undsonstwie vlkischen Zirkel undOrden. Nach dem Ende des ZweitenWeltkriegs lebten einige dieser Orga-nisationen wieder auf oder wurden

    Braune Esoteriklautstark! Ausgabe Nr. 20 Oktober 2012

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    Nachbau des Teleskops von Newton.

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    Braune Esoteriklautstark! Ausgabe Nr. 20 Oktober 2012

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    neu ins Leben gerufen. Als offensicht-lichstes und bekanntestes Beispiel seihierzu das Thule-Seminargenannt, welches 1980 in Kasselgegrndet wurde. Wie sowohl derName des Seminars als auch derName des dahinterstehenden Ver-eins, Forschungs- und Lehrgemein-schaft fr die indoeuropische Kulture.V., nahelegt, kann diese Organisati-on zumindest indirekt durchausals Nachfolgeinstitution der ehemali-gen Thule-Gesellschaft (Orden frDeutsche Art) betrachtet werden. Bisauf den Einbezug neuer Phnomene

    wie der aktuellen Migrationsstrmeoder Vernderungen in der Alters-struktur europischer Gesellschaften

    sowie eine (wohl in erster Liniestrafrechtlich bedingter) Anpassungdes Vokabulars widmet sich dieseInstitution nach wie vor den mehroder minder selben Themen undgeht von der gleichen Weltanschau-ung aus wie die alten ariosophischen

    Geheimgesellschaften. Als Beispielesollen hier nur die Titel zweierEssays/Pamphlete von ihrer Websitewiedergegeben werden, der Erste vonHenry Steyer, das Zweite vomSchutzbund fr das deutsche Volk:Rasse heisst Verwandschaft. bzw.:Integration ist ein Verbrechen gegendie Vlker.Nebst dieser traditionellen Formvlkischer Esoterik (auch wenn siesich heute gerne einen wissenschaftli-chen Anstrich gibt) fand aber aucheine Vermischung mit einem spiri-tuellen Hitlerismus und diversen

    Formen von Ufologie statt.Der wohl bekannteste Vertreter die-ser Sparte der braunen Esoterik ist

    Jan Udo Holey (besser bekannt unterseinem Knstlernamen Jan van Hel-sing). In der zweiten Hlfte der1990er-Jahren begann er, seine ver-schwrungstheoretischen, antisemiti-schen Hetzschriften welche sich inder Esoterikszene einer nicht zuunterschtzenden Beliebtheit erfreu-en zu verfassen und publizieren.Zwei dieser Werke unterlagen von1996 bis 2001, zumindest inDeutschland, der Beschlagnahme.Wenn mensch sich sein bekanntestesWerk, Geheimgesellschaften und ihreMacht im 20. Jahrhundert, anschaut,fllt auf, dass sich die Aussagen berweite Strecken mit den oben zitiertenAnischten Erich Ludendorffs decken.Allerdings wird das Buch mit demVril-Projekt und der Theorie, dassdie Nazis UFOs besessen htten, an-gereichert.

    Zu den extraterrestrischen Bundesge-nossen Hitlers erschien bereits 1992ein Buch mit dem Titel: Das Vril-Projekt von den beiden rechtsextre-men VerschwrungstheoretikernNorbert Jrgen-Ratthofer und RalfEttl. In diesem Buch wird lange undbreit ber die Erleuchtung der Nazisund ihre damit verbundene Unter-sttzung durch Wesen vom SternAldebaran sinniert.In der Schweiz war, insbesondere inden 1980er-Jahren, das von EduardMeier gegrndete und noch heute

    bestehende Semjase Silver StarCenter in Hinterschmidrti (ZH),von Bedeutung. Dieses harmlos klin-

    gende Institut der Freien Interessen-gemeinschaft fr Grenz- und Geistes-wissenschaften und Ufologiestudien

    und insbesondere der Grnder Edu-ard Billy Meier zeichnen sichdurch ein tief antisemitisches Welt-

    bild aus. Eine Kostprobe: Insbeson-dere besttigt sich nun auch, was seitaltersher gesagt wurde, dass das israe-

    lische Volk niemals ein Volk war undsein wird, sondern dass es sich beidieser Masse Menschen einzig undallein um eine riesenhafte Gruppeausgearteter und teils gar verbreche-rischer Elemente handelt, die Zeit ih-res Bestehens auf der Erde nur Un-frieden, Falschheit und Krieg stifte-ten.

    Kapital dem Kampf!Zaster, Kohle, Money... Auch wir kommen leidernicht ohne aus. Das Magazin lautstark!, die Web-site, Flyer, Flugis und die Aufrechterhaltungunserer Infrastruktur mssen bezahlt werden.Deshalb sind wir auch ber finanzielle Solida-ritt dankbar!

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    Sptestens Ende August 2011

    war sie wieder prsent, die het-

    zerische und rassistische Wahl-

    kampagne der SVP war mit

    zahlreichen Plakaten nicht zu

    bersehen. Masseneinwande-

    rung stoppen ein Slogan, wel-

    cher die Ideologie der Partei

    klar aufs Papier bringt und

    Whlerstimmen einbringen

    sollte.

    Vier Jahre nach den Ausschreitungenanlsslich des SVP-Aufmarsches inder Hauptstadt mobilisierte die Par-tei am 10. September erneut nach

    Bern. Die traurige Bilanz diesesTages: eine, mit rund 1000 Polizisten,hermetisch abgeriegelte Innenstadt,Perimeter und Verhaftungen vonLeuten, die sich zum Teil kritisch us-sern wollten, zum Teil jedoch auchnur zu nahe an die Veranstaltungkamen.

    Fr hnlich viel Furore sorgten dieSchweizer Demokraten (SD) miteinem ihrer Kandidaten. Whrenddes Wahlkampfs tauchte eine Foto-grafie auf, die Jonas Schneeberger,den Arm zum Hitlergruss erhoben,in der Gedenksttte des ehemaligenKonzentrationslagers Buchenwaldzeigt. Diese offenbare Verherrlichung

    des Nationalsozialismus diskreditiertden damals 28-Jhrigen, die SDdistanziert sich von ihrem Wahlkan-didaten. Die Fotografie hatte frSchneeberger jedoch kein juristischesNachspiel; die StaatsanwaltschaftErfurt stellte das Strafverfahrenwegen Volksverhetzung ein, da dieTat bereits verjhrt sein knnte.

    Trotz bisheriger Wahlniederlagenkandidierte die Partei National Ori-entierter Schweizer (PNOS) in denKantonen Bern (Dominic Lthard,Denise Friedrich, Raphael Wrgler,Roger Wagner, Rico Burger, RogerGehrig und Marcel Sgesser) undWaadt (Philippe Brennenstuhl) fr

    den Nationalrat. Das Ergebnis fielerwartungsgemss aus; die BernerKandidaten erreichten gerade mal0,3 Prozent, Philippe Brennenstuhlkonnte 2700 Stimmen fr sich gewin-nen.

    Auch im Kanton Zrich wurde letz-tes Jahr wieder gewhlt. Die Schwei-zer Demokraten kandidierten mitManuel Walker auf den ersten beidenListenpltzen fr die Kantonsrats-wahlen.

    Brgerwehr als praktikableMassnahme

    Dass die Schweiz trotz diverser Wahl-misserfolge der Rechtsaussenparteienin keinster Weise antirassistisch ist,zeigte sich, als der Bund erklrte, inBettwil eine Asylunterkunft fr140 Menschen zu errichten. Eine

    ganze Gemeinde ging auf die Barri-kaden, das Dorf zeigte sein wahresGesicht. Selbst als sich der Bund aufdas Spiel der BettwilerInnen einge-lassen und einen Kompromiss, 80 bis100 AsylbewerberInnen statt 140,vorgeschlagen hat, lehnten sich dieDorfbewohnerInnen brgerwehrar-tig dagegen auf. Die PNOS erwhntdie Gemeinde als gutes Beispiel in ei-ner ihrer Medienmitteilungen undauch der Holocaustleugner BernhardSchaub spricht den Brgerinnen undBrgern von Bettwil fr ihren Kampfgegen das Asylzentrum am8. Dezember ffentlich ein Lob aus.

    Einer, der sich ganz alleine gegen die

    angebliche Islamisierung in seinemLand wehren wollte und damitSchlagzeilen macht, ist der NorwegerAnders Behring Breivik. Am 22. Juliplatzierte der damals 32-jhrige eineAutobombe in der Osloer Innen-stadt, um anschliessend auf die Feri-eninsel Utoya zu fahren, wo zu die-sem Zeitpunkt ein Camp der sozial-demokratischen Jugendorganisationstattfand. Durch die Autobombe star-ben acht Menschen, auf der Inselerschoss Breivik 69 weitere. DerAttentter, welcher mitlerweile zu 21

    Jahren Haft mit anschli essenderSicherheitsverwahrung verurteiltwurde, stellte vor seiner Tat einselbstverfasstes Manifest ins Internet,

    welches er auch an ausgewhlte Per-sonen und Organisationen schickte.Unter den AdressatInnen befandensich auch mehrere Schweizer undChristoph Blocher liess sich zu derAussage hinreissen, Breivik, wre er

    Schweizer, gehrte er sicherlich derSVP an.

    Der NSU

    Breivik ist nicht der einzige Rechtsex-tremist, der im letzten Jahr fr trauri-ge Schlagzeilen gesorgt hat. Am4. November des letzten Jahres kamans Licht, was viel zu lange unent-deckt blieb; die dreikpfige Kern-gruppe des NationalsozialistischenUntergrunds (NSU) flog nach ihremletzten Bankberfall am selben Tagauf. Uwe Bhnhardt und UweMundlos erschossen sich im Wohn-

    mobil, welches ihnen als Versteckdiente. Die dritte im Bunde, BeateZschpe, steckte kurzerhand dieWohnung, welche dem Trio alsUnterschlupf diente, in Brand. Diesgeschah wohl um Beweise zu ver-nichten. In den Trmmern der Woh-nung und des Wohnmobils fand diePolizei unter anderem eine Beken-ner-DVD und eine Pistole Typ Ces-ka. Bald darauf stand fest, dass vonder Ceska gerade mal fnf Stck exi-stieren und dass diese eine Pistole ausder Schweiz stammt.Das Trio ermordete neun Kleinun-ternehmer mit Migrationshinter-grund und eine Polizistin. Ausserdemplatzierten sie an diversen Orten

    selbst gebastelte Bomben.Im Lauf der Ermittlungen stiessenUntersuchungsbehrden auf ein brei-tes Netz aus UntersttzerInnen desTrios und nahmen auch in derSchweiz zwei Personen fest. Der Pro-zess gegen Zschpe soll im Dezemberdiesen Jahres beginnen.

    Schweizer Neonazis geben sichinternational

    Auch die Schweizer Neonaziszenehat sich im vergangenen Jahr inter-national beteiligt, wenn auch sprli-cher als auch schon. Philippe Eglin,ehemaliger Vorstand der PNOS-Sek-tion Basel, sprach gleich zweimal in

    Deutschland, wobei es ihm die StadtHeilbronn besonders angetan zuhaben scheint. So trat er zum einenan der 1. Mai-Feier von rtlichenNeonazis auf, zum anderen hielt ereine Rede anlsslich der Grndungs-feier der Kameradschaft Heilbronn.Neben Eglin liessen es sich auchBernhard Schaub und Jean-DavidCattin nicht nehmen als Redner imAusland aufzutreten. Cattin sprachbereits am 14. Mai an einer Kundge-bung des Bloc Identitaires in Lyon.Schaub hielt am 19. November einenVortrag an einer Veranstaltung inDortmund, welche von ca. 50 Neo-nazis besucht wurde. Der bekannteHolocaustleugner machte im vergan-genen Jahr jedoch vor allem aufnationaler Ebene wieder von sichreden. Im Rahmen der EuropischenAktion , welche Schaub mitbegrn-det hat, rief er am 10. Septemberzum Europa Fest in der Ostschweizauf. Aufgrund von antifaschistischenProtesten musste die Veranstaltungnach Einsiedeln ausweichen, wo sie

    auch nicht willkommen war. Die Eu-ropische Aktion verteilte ausserdemim Oktober Flugbltter am Randeder Occupy Paradeplatz-Kundge-bung.

    Die schwache Partei

    Auch im Umfeld der PNOS hat sichim letzten Jahr einiges getan. AnfangMrz gab die Partei bekannt, dassneu Adrian Segessenmann im Vor-stand vertreten sei. Fast auf den Taggenau ein Jahr darauf, wurde Seges-senmann zum Vizeprsidenten ge-whlt. Auf den ersten August gab Mi-

    chael Vonsch seinen sofortigenRcktritt bekannt und gleichzeitigseinen Austritt aus der Partei. SeitEnde September erscheint das Maga-zin Harus als neue Parteizeitschriftund Nachfolgemedium des Zeit-geist. Dass die PNOS trotz stetigerDementierung (betont doch die Par-tei immer wieder, dass sie zwarpatriotisch sei, mit dem rechtsextre-men Milieu jedoch nichts zu tun hat),auch an offiziellen Anlssen der Par-tei nicht vor Neonazismus zurck-schreckt, zeigte sich an ihrem jhrli-chen Parteitag in Neukirch. Als Gast-redner engagierten sie den bekanntendeutschen Rechtsextremisten AxelReitz.

    Was sich in den letzten Jahren bereitsabzeichnete, nahm auch 2011 weiterseinen Lauf. Die Partei schwchelt.Als bisheriger Hhepunkt zogen siesich sogar aus dem LangenthalerStadtparlament zurck und gabensomit den einzigen Sitz auf, den sieseit Jahren verteidigen konnten.

    Die Schweizer Neonaziszene

    Die brige Neonaziszene derSchweiz verhielt sich mehr oder we-niger wie in den Jahren zuvor. Zwargab es einige Anlsse, diese sind

    jedoch durch ihre geringen Besucher-zahlen beinahe vernachlssigbar. Im

    Juli beteili gten sich knapp 100Rechtsextreme an der Kranznieder-legung in Sempach, welche jedochmittlerweile losgelst vom offiziellenUmzug stattfindet. Die Schlachtfeierist nicht der einzige jhrliche Anlass,welcher mit rcklufigen Teilneh-merzahlen zu kmpfen hat. Gingenletztes Jahr noch einige Anhnger derPNOS selbststndig auf das Rtli umden Nationalfeiertag zu zelebrieren,so sparten sie sich den Weg 2011gleich gnzlich.

    Das selbe Schicksal ereilte den Wald-sttterbund. Die einzige grssere Ver-anstaltung, welche die Gruppe imletzten Jahr plante, war ein zweitgi-ges Kultur- und Erlebniswochenen-de. Die Veranstaltung war mit rundfnf Teilnehmern extrem schlecht be-sucht. Der Besuch des Tellmuseumsfiel ins Wasser, da dieses geschlossenhatte. Dazu kam, dass die Gruppeam zweiten Tag von AntifaschistIn-nen vertrieben wurden. Den bisheri-gen Stammtisch setzte der Waldstt-

    terbund gleich ganz ab um ihn mit

    Festen, die unseren Werten entspre-chen zu ersetzen.

    Wenige Verurteilungen

    Auch juristisch blieb es 2011 einiger-massen ruhig. Im Februar besttigtedas Bundesgericht das Urteil wegenVerletzung der Antirassismus-strafnorm gegen Markus Martig. ImMrz wurde Willy Schmidhauserebenfalls deswegen verurteilt. Erhetzte in einer Rede gegen Muslime.Trotz vieler entsprechender Urteilein den letzten Jahren, entschloss sichder Stnderat im September dieStrafnorm nicht zu verschrfen undsomit unter anderem einschlgige

    Symbole, wie z.B. das Hakenkreuz,nicht zu verbieten.Zu einem dritten Urteil kam es, weilsich die PNOS an einer Kundgebungim Oktober 2010 nicht an alle Aufla-gen gehalten hatte.

    Abschliessend kann gesagt werden,dass die Tendenz der letzten Jahreweiter fortschreitet.Die Schweizer Neonaziszene verliertin ihrer Extremitt nach und nach anBedeutung, whrend sich die Expo-nentInnen langsam aber sicher invermeintlich brgerliche Parteiarbeitund Wertesysteme einzugliedern ver-suchen.

    Jahresrckblicklautstark! Ausgabe Nr. 20 Oktober 2012

    7

    Jahresrckblick 2011Wahlen im ganzen Land

    Axel Reitz.

    Der Hetze in Bettwil wurde nicht nur tatenlos zugesehen.

  • 7/29/2019 Lautstark! #20 / Oktober 2012

    8/8

    Wir haben uns mit einem Anti-

    faschisten aus dem nordspani-

    schen Salamanca getroffen. Er

    beantwortete uns einige Fragen

    zur Situation der extremen

    Rechten im sdeuropischen

    Land. Dabei wird ersichtlich,

    dass es viele verschiedene rech-

    te Strmungen gibt, die sich teil-

    weise gegenseitig bekmpfen.

    Weiter erzhlt er, dass es in

    wichtigen Positionen der spani-

    schen Gesellschaft noch heute

    fast vier Jahrzehnte nach dem

    Ende der faschistischen Franco-

    Diktatur viele Anhnger die-

    ser dunkeln Epoche hat.

    In der Schweiz haben die Leute beinahe ver-

    gessen, dass Spanien bis 1975 eine faschi-

    stische Diktatur war. Gibt es noch aktive

    Anhnger Francos, Franquisten, in Spanien?

    Es gibt nicht nur Franquisten, weit-aus schlimmer ist, dass einige in denInstitutionen des Lands aktiv sind.Das Problem des spanischen Staatesist, dass es keine wirkliche Transfor-mation in Richtung Demokratie ge-geben hat. Der Knig Juan Carlos Iwurde direkt durch Franco ernannt.In einigen Parteien gibt es bis heuteLeute, die mit Nostalgie an die ZeitFrancos zurckdenken. So auch in

    der zurzeit regierenden konservati-ven Partei Partido Popular (PP).Ein gutes Beispiel dafr ist der zu Be-ginn dieses Jahres verstorbene Ehren-prsident der PP und bekennendeFranquist, Manuel Fraga.

    Dazu kommt, dass es immer nochviele franquistische Denkmler inden Strassen und auf den Pltzen desspanischen Staates gibt. Ich denkedabei besonders an den Ehrenfried-hof der Franquisten im Valle de losCados, welcher von republikani-schen Kriegsgefangenen erbaut wor-den ist.

    Auf die Frage ob es noch aktive Fran-

    quisten in der spanischen Gesell-schaft gibt, knnte geantwortet wer-den, dass es in den politischen Orga-nen und Institutionen einige Leutegibt, die immer noch an dieser Epo-che hngen. Besonders in der Armee

    und bei den zivilen Sicherheitskrf-ten finden Rechtsextreme ein Refugi-um. Ein Beispiel ist der Mord am16-jhrigen Antifaschisten CarlosPalomino am 11. November 2007 inMadrid durch einen Faschisten, derbei der Armee war.

    In den Schweizer Medien wird oft ber den

    Richter Balta sar Garzn bericht et. Er

    bekam Probleme, weil er franquistische Ver-

    brechen aufarbeiten wollte. Wie sehen die

    spanischen Antifas diese Affre?

    Der Richter Garzn war schon im-mer ein sehr mediengeiler Typ auf

    der Suche nach einem Werbecoupfr sein Ego. Er ist ein ehemaligesMitglied der sozialdemokratischenPartei Partido Socialista ObreroEspaol (PSOE), welches nachRuhm strebt. An einem Tag will erfranqustische Verbrechen verurteilen,am nchsten Tag illegalisiert er dieHerri Batasuna, eine baskische Par-tei, welche die Unabhngigkeit desBaskenlandes von Spanien fordert.Im Milieu der baskischen Unabhn-gigkeitsbewegung ist er fr die Ver-haftungen und Verurteilungen vonlinken AktivistenInnen bekannt. Alsosagen wir, die Antifa-Bewegung istihm nicht gerade freundlich gesinnt.

    Als wir vor diesem Interview zusammensprachen, sagtest Du, dass es einerseits fran-

    quistische und andererseits faschistische

    Gruppen gibt. Beginnen wir mit den Fran-

    quisten. Kannst Du sie kurz beschreiben,

    wer sie sind, was sie fr eine Id eologie haben

    und was ihre Aktivitten sind?

    Es gibt mehrere franco-nostalgischeGruppen, die fr sich beanspruchendie legitimen Erben des Franco-Regimse zu sein. Die zwei bekannte-sten sind die Falange und die Fa-lange autntica. Einige Mitgliederdieser Organisation, aber auch ande-re Franco-Nostalgiker haben vielGeld und Einfluss auf die Politik. Frdiese Art von Parteien gehen Religi-

    on und Politik Hand in Hand. DieseEinstellung beschert ihnen einen ge-wissen Erfolg im katholisch, traditio-nalistischen Lager. Auf der Strassesind sie sehr diskret und bei denWahlen nicht sehr erfolgreich. Die

    drei bis vier franquistischen Klein-parteien kommen zusammen aufrund 10'000 Stimmen.

    Das Problem besteht mehr darin,dass sie in ihren Reihen einflussreicheLeute, wie Anwlte, Richter, Unter-nehmenschefs und hohe Militrs ha-ben. Diese Personen haben Geld undknnen ihre Position auch politischnutzen. Ein weiteres Problem ist, dasswenn du es mit einem franquistischenPolizeikommissar zu tun bekommst,er dich mit Freude durch den Dreckziehen wird.

    Und wie siehts auf der Seite der Faschistenaus?

    Was die rechtsextremen Gruppen be-trifft gibt es einerseits nationalistischeGruppen Faschisten die sich nichtals Neonazis bezeichnen und ande-rerseits Neonazis, die keine Angsthaben ihre Ideen zu verbreiten.

    In die erste Gruppe gehren, um nureinige zu nennen, die DemocraciaNacional, die Plataforma per Cata-lunya oder Espaa2000. Sie agie-ren mit einem rassistischen und frem-denfeindlichen Diskurs. Dabeisetzten sie ihre Akzente auf die Angstvor Einwanderung, der vermeintli-

    chen (Wieder-) Islamisierung und aufdie nationale Identitt. Sie sind umein respektables Ansehen bemht,knnen jedoch ihre Herkunft nichtverschleiern und haben es nichtgeschafft ihre Aussagen anzupassen.Ihre politischen Erfolge sind entspre-chend mager, sie haben nur einigeAbgeordnete in sehr kleinen Drfern.Im Moment hat die gewichtigste Par-tei, die Democracia National,kaum Chancen gewhlt zu werden,da sie (zu) viele Neonazis in ihrenReihen hat.

    Auf Seiten der Neonazis gibt es meh-rere Gruppen. So existieren auch inSpanien die Hammerskins. Dazu

    kommen Gruppierungen aus demFussballumfeld. Andere Neonazissind in der rechtsextremen Musiksze-ne aktiv. Die Alianza Nacional ver-sucht alle diese drei Bettigungsfelderzu vereinen.Sie sind in einigen Teilen Spaniensauch auf der Strasse anzutreffen. Sovor allem in Valencia oder im Nor-den Madrids. Dort kann sich ihre Ag-gression entfesseln und es gibt etlichebergriffe gegen Linke und Immi-grantInnen.

    Wie sind die Verbindungen zwischen den

    verschiedenen franquistischen und faschisti-

    schen Gruppierungen?

    Sie verstehen sich untereinander sehrschlecht. Teilweise kommt es zuHandgreiflichkeiten untereinander.Dazu kommt, dass es in den organi-sierten Gruppen einiger RegionenSpaniens Baskenland, Katalonienund Galizien Bestrebungen gibt,einen rechtsextremen regionalisti-schen Diskurs zu konstruieren. Dabei

    nutzen sie Symbole der Unabhngig-keitsbewegungen und vermischendiese mit Kelten-und Hakenkreuzen.Aber zurzeit ist dies eher ein kleinesProblem. Dazu kommt, dass diesesPhnomen durch die linken separati-stischen Gruppen mehr als neutrali-siert wird.

    So jetzt haben wir genug ber die Extreme

    Rechte gequatscht. Wie stark i st die Antifa-

    Bewegung stark in Spanien?

    Auf Grund unserer Geschichte hateine antifaschistische Tradition im-mer existiert. Dass wir einen Brger-

    krieg und eine Diktatur hatten, hatdie Leute ein Leben lang geprgt.Der antifaschistische Kampf der Br-gerkriegsra wurde whrend derFranco-Diktatur aufrechterhalten.Ab 1975 gab es einen Bruch, da esnun ein bisschen mehr Freiheitengab.

    Die heutigen antifaschistischen Kol-lektive versuchen diese Fackel zubernehmen und den Kampf fortzu-fhren. In der letzten Jahren wurdedie antifaschistische Bewegung grs-ser und strker, um dem Anstieg vonrassistischen Ideen und dem Wach-sen der rechtsextremen Gruppierun-gen etwas entgegenzuhalten.

    Seit dem weiter oben erwhntenMord am Antifaschisten Carlos Palo-minon im November 2007 gibt eseine landesweite Koordination. Auchwenn es teilweise unterschiedlicheAnsichten gibt, existiert ein starkerWille eine gemeinsame schlagkrftigeAntwort auf das Ansteigen desRechtsextremismus zu geben. In die-sem Sinne gibt es alle sechs Monateein Treffen, bei welchem wir gemein-same Aktionen und Flugbltter pla-nen. Des weiteren existiert einegemeinsame Website (www.antifa.es),um uns gegenseitig darber zu infor-mieren, welche antifaschistischen Ak-tionen in Spanien geplant sind.

    Wir reagiert deine Gruppe gegen die extreme

    Rechte? Welches sind eure Mittel?

    Fr uns ist der antifaschistischeKampf mehr als nur ein simples Rea-gieren auf die Aktionen der rechtenSzene. Wir versuchen um damit zubeginnen einen eigenen Diskurs zuentwickeln, der auf Antifaschismus,Antikapitalismus und Klassenkampfberuht. Im Grossen und Ganzen sinddies die drei Prinzipien mit welchenalle einverstanden sind und woraufwir aufbauen knnen. Wir probierenden Leuten zu erklren, dass nichtdie Immigranten unser Problem sind,sondern dieses ungerechte System,welches uns aufgezwungen wird. Die-ses sollte bekmpft werden. Wir ver-suchen durch unsere tglichen Aktio-nen zu zeigen, dass die, welche unsanhand unserer verschiedenen Haut-farben trennen wollen, die selbensind, die dieses kapitalistische Systemuntersttzen.Wir entwickeln einen antifaschisti-

    schen Diskurs und eine antifaschisti-sche Praxis und versuchen in ver-schiedenen politischen und sozialenKmpfen prsent zu sein, damit dieLeute verstehen, dass der antifaschi-stische Kampf vielseitiger ist als derKampf gegen Nazis auf der Strasse.Das heisst nicht, dass dieser Aspektvergessen werden kann, denn wirsind immer vor Ort, wenn die Faschi-sten versuchen ihre rassistischen undxenophoben Ansichten zu verbreiten.

    Unsere Mittel sind die Organisationvon kulturellen Aktivitten, wie Vor-trge, Diskussionen und Filme. Wei-

    ter veranstalten wir sportliche Aktivi-tten, wie Fussballturniere oder Kon-taktsportarttrainings.Wir untersttzen und partizipierenan vielen verschiedenen Kmpfen,die mit unseren Grundstzen einher-gehen: Wie der Kampf der Femini-stInnen, der AntirassistInnen oderder Anti-AKW-Bewegung. Wir ver-suchen auch in Quartierkmpfen,wie zum Beispiel bei der Schliessungeines Spitales oder bei Razzien gegenAuslnder, aktiv zu sein. Da wir glau-ben, dass solche kleinen Kmpfeschliesslich helfen ein kollektivesBewusstsein zu kreieren. Dies erlaubtunser Vorgehen Menschen zu erkl-ren, die sich die selben Fragen wie

    wir in Bezug auf Rechtsextreme noch nicht gestellt haben.

    Interviewlautstark! Ausgabe Nr. 20 Oktober 2012

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    Impressum:Redaktion, Bilder und Layout:Antifa BernAuflage: 6000 Stck.Das lautstark! erscheintdreimal jhrlich.Erscheinungsdatum:10. Oktober 2012Kontakt: Antifa Bern,Postfach 5053, 3001 BernWeb: www.antifa.chE-Mail: [email protected]

    Der beste Tribut ist es, den Kampf fortzusetzen.

    Franquisten sind weiterhin aktivEin Gesprch mit einem spanischen Antifaschisten