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Lehrveranstaltung Forschungsfragen und Ethik Teil 2_3.1-2 MM 24 WS 2011_12 Andreas Zieger, Universität Oldenburg Institut für Sonder- und Rehapädagogik Einführung in Ethik, Rehapädagogische Ethik, Medizin- und Neuroethik (Exkurs ) sowie Forschungsethik 10.01. und 14.02.2012

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Lehrveranstaltung Forschungsfragen und Ethik

Teil 2_3.1-2

MM 24 WS 2011_12 Andreas Zieger, Universität Oldenburg

Institut für Sonder- und Rehapädagogik

Einführung in Ethik, Rehapädagogische Ethik, Medizin- und

Neuroethik (Exkurs) sowie Forschungsethik 10.01. und 14.02.2012

Übersicht

3.1 Ethik Exkurs1: Ethik (Forschung) in der Sonder/Rehapädagogik, Ethik der Inklusion Exkurs 2: Ethik der Anwendung der ICF Exkurs 3: Medizin- und Neuroethik

3.2 Forschungsethik Literatur

3.1 „Ethik“ - Definition Ethik (http://de.wikipedia.org/wiki/Ethik) •  das sittliche Verständnis

Ethos •  „Charakter, Sinnesart“

Teilgebiet der Philosophie befasst sich mit Moral, insbesondere hinsichtlich ihrer

Begründbarkeit: •  Vernunftgeleitete Reflektion auf Moral, Sitte, Tugend •  Theorie von Moral, Sitte und Tugend.

Ziele von Ethik •  Ethik bedeutet kein Wissen um seiner selbst

willen (theoria), sondern Wissen für eine verantwortbare Praxis (praktische Wissenschaft)

•  Hilfe für sittlichen Entscheidungen in einer unübersichtlich werden, komplexen Welt.

•  Begründungen für allgemeine Prinzipien guten Handelns, ethischen Urteilens oder Wertvorzugsurteile für bestimmte Problemsituationen.

•  Anwendung auf den situationsspezifischen Einzelfall ist Aufgabe der praktischen Urteilskraft und des geschulten Gewissens.

Sokrates 496-399 v.Chr.

•  Hat Ethik ins Zentrum des philosophischen Denkens gerückt:

•  Sokratische Wende: Abwendung von reiner Naturbetrachtung zugunsten menschlicher Angelegenheiten.

•  Vertrat die sophistische Auffassung der Vorsokratiker, wonach es den Menschen als Vernunftwesen unangemessen sei, wenn dessen Handeln nur von Konventionen und Traditionen geleitet wird.

Aristoteles 384-322 v.Chr.

•  Begründer die Ethik als eigenständige philosophische Disziplin

•  wissenschaftliche Beschäftigung mit Gewohnheiten, Sitten und Gebräuchen (ethos)

•  Überzeugung von der Zugänglichkeit allen menschlichen Handelns für eine vernünftige und theoretisch fundierte Reflexion

•  Das Ziel des menschlichen Lebens ist das gute Leben, das Glück.

•  Die konkreten Einzeldinge (wie Sokrates) die Substanzen (nicht die Idee wie bei Plato) sind das Grundlegende aller Wirklichkeit

Kant 1724-1804 •  Einfachste und klassische Formulierung

nach der Frage ethisch-moralisch guten Handelns: „Was soll ich tun?“

•  Was Du nicht willst, dass man Dir tue, das füg´ auch meinem anderen zu.

•  Selbstverantwortung, Selbstgesetzlichkeit

Hegel 1770-1831 •  Unterscheidung zwischen Ethik u. Moral •  Versuch einer Synthese aus dem

klassischen Gemeinschafts- und dem modern-individualistischen Freiheitsdenken

•  Dialektik als „Pate“ für Feuerbach und Marx

Unterscheidung Gesellschaftliche Normen des Handelns •  Empirische Wissenschaften wie Soziologie,

Ethnologie und Psychologie •  Beschreibung und Erklärung faktisch

bestehender ethischer Überzeugungen, Einstellungen und Sanktionsmuster

Normative Ethik •  Prinzipien und Kriterien der Moral, allgemein

gültige Normen und Werte •  Rechtfertigung und Kritik guten handeln Sollens

Ethikformen heute (I) Allgemeine Ethik Befasst sich mit Normen und Werten als •  Kriterien für gutes und schlechtes Handeln und

die Bewertung seiner Motive und Folgen •  Grundlage für:

Angewandte Ethik Befasst sich mit normativen Problemen eines

spezifischen Lebensbereiches •  Individualethik, Sozialethik, Bereichsethiken

Praktische Philosophie •  befasst sich mit dem menschlichen

Handeln, z. B. als Rechts- , Staats- und Sozialphilosophie

Theoretische Philosophie •  befasst sich mit der menschlichen

Erkenntnis, z.B. Logik, Erkenntnistheorie und Metaphysik.

Ethikformen heute (II)

Gliederung von Ethik Nach Art der Behandlung ethischer

Aussagen: •  Normative Ethik, z.B. allgemeine Ethik,

angewandte Ethik (Bereichsethiken). •  Deskriptive Ethik, beschreibt Moral mit

empirischen Mitteln, ohne Wertung. •  Metaethik, reflektiert die allgemeinen logischen,

semantischen und pragmatischen Strukturen moralischen und ethischen Sprechens.

Grundlage für deskriptive und normative Ethik

Nach Art der Begründung ethischer Aussagen:

•  Theologische Ethik, z.B. jüdisch, christlich, islamisch

•  Religiös-philosophische Ethik, z.B. buddhistisch, konfuzianisch

•  Philosophische Ethik, z.B. Rationalismus, Intutionismus

Nach Zahl der avisierten Personen: •  Individualethik •  Sozialethik

Nach Prinzipien und Werten (vgl. allgemeine normative Ethik):

•  Pflichtethik •  Verantwortungsethik •  Hedonismus •  Konsens-/Diskursthoerie/Dialogethik •  Mitleidsethik •  Utilitarismus (Nützlichkeitsethik) •  u.v.a.m.

Nach Anwendungsbereichen (vgl. angewandte Ethik):

•  Arbeitsethik •  Ärztliche Ethik •  Bildungsethik •  Bioethik •  Friedensethik •  Forschungsethik •  Institutionsethik •  Konsumethik •  Kriegsethik •  Medizinethik

•  Medienethik •  Naturethik •  Neuroethik •  Ökologische Ethik •  Organisationsethik •  Rechtsethik •  Sexualethik •  Sicherheitsethik •  Tierethik •  Wirtschaftsethik etc.

Disziplinen der Ethik nach Art der Behandlung ethischer Aussagen Disziplin Gegenstandsbereich Methode

Deskriptive E.

Tatsächlich befolgte Handlungs-präferenzen, Normen und Werte

beschreibend empirisch

Metaethik das moralische/ethische Sprechen analytisch

Normative E. Prinzipien und Kriterien der Moral, allgemein gültige Normen und Werte

wertend, je nach Ansatz (apriorisch, empirisch)

Angewandte E.

gültige Normen, Werte, Handlungsempfehlungen des jeweiligen Bereichs

wertend, je nach Ansatz (apriorisch, empirisch)

4. Ethik (z.B. Theorien und Begriffe, Ethik der Medizin/Bioethik)

In zwei Modulen vertreten: •  EuG: Ethik und Gesellschaft mit der Vorlesung

„Ethik in der Rehabilitationspädagogik“ und den begleitenden Wahlpflichtseminaren

•  EIP: Ethik – Integration – Partizipation (nach LPO 2003 und im Master Sonderpädagogik)

http://www.fk-reha.tu-dortmund.de/fk13/de/Fakultaet/Lehrgebiete/Theorie_der_Rehabilitation_und_Paedagogik_bei_Behinderung/index.html

(Stand: 10.01.2012)

Exkurs 1: Ethik in Lehre und Forschung Sonder-/Rehapädagogik

„Sonderpädagogik bewegt sich … im Grenzbereich zur Therapie und erfordert hohe Ethik, Ausgeglichenheit und Liebenkönnen. Die Arbeit mit den Problemen der Familien und den Verhaltensproblemen der Kinder verlangt Ein hohes Maß an Selbstreflexion und Beziehungsfähigkeit (im Sinne einer Dialogischen Heilpädagogik, welche das Medizinische Paradigma in der Sonderpädagogik abgelöst hat).“ http://de.wikipedia.org/wiki/Sonderp%C3%A4dagogik (Stand:

10.01.2012)

Rehabilitationspädagogik „Die Studierenden sind mit

erziehungswissenschaftlichen Denkansätzen sowie den theoretischen (wie z.B. Selbstbestimmung, Teilhabe, Empowerment, Assistenz, Diversität, Disability Studies usw.) und ethischen Grundkonzepten der Rehabilitationspädagogik vertraut und können sie auf berufspraktische Problemstellungen übertragen.“

http://www.hu-berlin.de/studium/beratung/sgb/rehamono (Stand: 10.01.2012)

Philosophie (und Ethik) der Inklusion Werteorientierungen und Handlungskonzepte der Menschenrechts- dimensionen: Selbstbestimmung, Gleichberechtigung und Teilhabe (Wocken 2011, S. 57)

Franz. Revolution

Menschenrechte BRK

Werteorientierung

Handlungskonzepte Positive Valenzen Negative Valenzen

Freiheit

Selbstbestimmung

Autonomie

Assistenz

Unmündigkeit

Fürsorge Gleichheit

Gleichberechtigung

Gleichwertigkeit

Gleichstellung

Minderwertigkeit

Kategorisierung Brüderlichkeit

Teilhabe

Zugehörigkeit

Inklusion

Dissoziabilität

Exklusion

Exkurs 2: ICF und Ethik Auszüge aus dem Final Draft (2011, 170ff.) •  Von Anfang an hat der Revisionsprozess der

ICF vom Beitrag seitens Menschen … und Organisationen von Menschen mit Behinderungen profitiert.

•  Vor allem Disabled Peoples' International hat ihre Zeit und Energie für den Prozess der Revision zur Verfügung gestellt …

•  Die WHO erkennt die Bedeutung der vollen Partizipation von Menschen mit Behinderungen … an.

•  Die ICF ist keine Klassifikation von Menschen!

•  Die Kategorien in der ICF neutral gefasst, um Herabsetzungen, Stigmatisierungen und unangemessene Konnotationen zu vermeiden.

•  Die WHO wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass Menschen mit Behinderungen durch die Klassifikation und die Beurteilung ermächtigt statt ihrer Rechte beraubt und diskriminiert werden.

•  Das Eintreten für Behindertenrechte kann auch durch die Verwendung der ICF gestärkt werden.

•  Das wichtigste Ziel … ist die Identifikation von Maßnahmen, welche das Maß an sozialer Partizipation [Teilhabe] von Menschen mit Behinderungen erhöhen können.

Anhang 6 (S.172) Ethische Leitlinien zur Verwendung der ICF

„Jedes wissenschaftliche Werkzeug kann falsch gebraucht oder missbraucht werden … Dieses Dokument ist davon nicht ausgeschlossen …

Respekt und Vertraulichkeit (1) Die ICF sollte so verwendet werden, dass das

Individuum mit seinem ihm innewohnenden Wert geschätzt und seine Autonomie respektiert wird.

(2) Die ICF sollte nie benützt werden, um einzelne Menschen zu etikettieren oder sie nur mittels

einer oder mehreren Kategorien von Behinderung zu identifizieren.

(3) In klinischen Kontexten sollte die Verwendung der ICF immer in voller Kenntnis, mit der Einwilligung und Kooperation derjenigen Person erfolgen, deren Funktionsfähigkeit und Behinderung klassifiziert wird. Wenn Einschränkungen der kognitiven Fähigkeiten des Individuums diesen Einbezug erschweren oder verhindern, sollten seine Interessensvertreter aktive Teilnehmer an diesem Prozess sein.

(4) Die durch die ICF kodierten Informationen sollen als persönliche Informationen betrachtet und verbindlichen Regeln der Vertraulichkeit unterstellt werden, welche für die jeweilige Verwendung der Daten adäquat ist …“

Exkurs 3: Medizinethik und …

Nie werde ich irgend jemanden auch auf Verlangen nicht ein tödliches Mittel verabreichen oder auch nur einen Rat dazu erteilen. Hippokrates, ca. 460-377 v.Chr.

Hippokratischer Eid

Der Arzt soll und darf nichts anderes thun, als Leben erhalten,

ob es Werth habe oder nicht, dies geht ihn nichts an ...

Maasst er sich dies einmal an, wird der Arzt der gefährlichste Mensch im Staate... Christoph Hufeland 1742-1836

Die Bewertung des rein biologischen Lebens

hat die mögliche Entwertung zur unmittelbaren Folge und wird

zur geistigen Voraussetzung der Vernichtung dieses biologischen Unwertes.

Viktor von Weizsäcker 1886-1957

Lehren aus den Nürnberger Ärzteprozessen (1947)

„Es tritt die Gefahr der persönlichen Aufspaltung ein, bei der – ist sie vollzogen – der Funktionär persönlich in seiner Funktion ein Teil des „Es“, der Sache wird, die ihren eigenen, vom Persönlich-Menschlichen unabhängigen seelischen Grund in ihn versenkt ….“

Mielke & Mitscherlich: „Medizin ohne Menschlichkeit“ 1948/1978/1990, S. 19

„Psychologie des Völkermords“ Lifton & Markusen 1990

Individuelles Menschsein z.B. Psychische Folgen bei NS-Ärzten und KZ/SS-

Schergen und vielen anderen: •  Abstumpfung, Spaltung, Dissoziation •  Fragmentiertes, gebrochenes Selbst/Ich

Allgemeines Menschsein •  Verbrechen an der Menschheit •  Aufspaltung und Vernichtung des „Gattungsselbst“

„Denn es kann wirklich kein Zweifel darüber bestehen, dass die moralische Anästhesie gegenüber den Leiden der zu Euthanasie und Experimenten Ausgewählten begünstigt war durch die Denkweise einer Medizin, welche den Menschen betrachtet, wie ein chemisches Molekül oder einen Frosch oder ein Versuchskaninchen.“ Viktor von Weizsäcker: „Euthanasie und Menschenversuche“ 1947, S. 101

1.  Individuelle Rückbindung der Medizin: Bedeutung der Arzt-Patient-Beziehung als soziale Mikrosituation (Begegnung)

2.  Informierte persönliche Einwilligung vor jedem Heilversuch (Selbstbestimmung)

3.  Konkreter Nutzen für den Einzelnen 4.  Rückbindung (re-ligio) auf das Gattungsselbst

(Gewissen, Verantwortung für den anderen, verletzliches, fürsorgliches Menschenbild)

Helsinki-Deklaration 1947/48 und ff.

Ethische Konsequenzen für Ärztekodex Wunder 2002, S. 476 ff.

Aufgeklärte Einwilligung

Informed consent

Fürsorge Paternalismus, Beneficience

Schadensvermeidung Non maleficience

Selbstbestimmung Autonomie

Prinzipien der Medizinethik

modifiziert nach Beauchamp & Childress 2009

Arzt-Patient-Beziehung

als

soziale Mikrosituation Gerechtigkeit

Justice

modifiziert nach Vollmann 2000 und Zieger 2012

Medizinethische Brennpunkte

•  Genozid •  Präimplantationsdiagnostik •  Antiageing •  Sterbehilfe •  Hirntoddefinition •  Präfinale Organentnahme

… Neuroethik

Definition •  Disziplin im Grenzgebiet zwischen den

Neurowissenschaften und Philosophie

Unterschiedliche Auffassungen zum Gegenstandbereich:

1.) Teil der Bioethik der sich mit der moralischen Bewertung von neurowissenschaftlichen Technologien beschäftigt:

http://de.wikipedia.org/wiki/Neuroethik (Stand: 30.01.2012)

•  als „den Bereich der Philosophie, der die Behandlung oder Verbesserung des menschlichen Gehirns moralisch diskutiert.“ (Illes 2006)

•  Typische Fragen der … Neuroethik sind: In welchem Maße darf man in das Gehirn eingreifen, um Krankheiten zu heilen oder kognitive Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit oder Gedächtnis zu verbessern?

•  Neuroenhancement, Neuro-doping

2.) als Verhältnis zwischen neurowissenschaftlichen Erkenntnissen und moralisch relevanten Konzepten wie etwa „Verantwortung“, „Freiheit“, „Rationalität“ oder „Personalität“:

•  „die sozialen Fragen nach Krankheit, Normalität, Sterblichkeit, Lebensstil und der Philosophie des Lebens, informiert durch unser Verständnis der grundlegenden Gehirnmechanismen“(Gazzaniga 2005).

•  fragt letztlich nach der Bedeutung der Hirnforschung für das menschliche Selbstverständnis.

http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Fmrtuebersicht.jpg&filetimestamp=20070410095511

Neue Bildgebung -Neuroimaging Die Entwicklung von bildgebenden Verfahren – hier ein fMRT-Scan – wirft zahlreiche neuroethische Probleme auf.

Müller et al 2009

Neuroethische Brennpunkte Umgang mit schwerst zerebral

Geschädigten und nicht einwilligungs-fähigen (jungen, alten) Menschen:

Angeboren: •  Un- oder Neugeborene mit Mißbildung am Kopf, Rücken:

Cephalocele, Hydrocephalie, Hydranencephalie, Anencephalie, Myelocele, Spina bifida, Mißbildungstumor

Erworben: •  Neurologische Intensivpatienten: Schlaganfall, Locked-in-

Syndrom, SHT, Koma •  Degenerativ: ALS, Wachkoma •  Gerontopsychiatrisch: Demenz

Sterbehilfe für Babys?

Hoppe: Die niederländische Entwicklung zeigt, „dass die Dammbruchtheorie stimmt … Hier sind keine Mitleids-, sondern vielmehr materielle Aspekte entscheidend.“ (Hoppe)

In den Niederlanden sollen Babys, die an einer unheilbaren oder „unerträglichen“ Krankheit leiden, legal getötet werden können.

Zeichen und Zeugnis, 21. September 2005

Gelähmter Australier gestorben - Recht auf Sterben?

Rossiter - mit Atemwegsinfektion und Trachealkanüle; vom Kopf abwärts gelähmt.

Ein Gericht hatte im August entschieden, dass sich die Pfleger nicht strafbar machten, wenn sie die künstliche Ernährung auf seinen Wunsch hin beendeten.

21. Sept. 2009

Terri Schiavo † 2005

Human vegetable?

PVS

Aktive Sterbehilfe bei „Wachkoma“? Böttger-Kessler (2006): Befragung von

MitarbeiterInnen im Gesundheitswesen (Ärzte, Pflegepersonen in Kliniken und (Alten-) Pflegeheimen (2001-2002)

•  Über 50% für gesetzliche Änderung in Richtung aktive Sterbehilfe (NL/B: 55%)

•  65% für aktive Beendigung des Lebens „unter bestimmten Umständen“

davon Ärzte: •  allgemein: 38% (NL/B) •  bei Wachkomatösen: 51,5% davon Pflegepersonal

(welches die Hauptlast der Versorgung psychisch und physisch tragen muss):

Allgemein für aktive Sterbehilfe: •  63% bei Wachkomatösen •  „unter bestimmten Umständen“: 70%

(Zieger 2002, 1)

3.2 Forschungsethik „Beschäftigt sich mit den ethischen

Grundlagen der Forschung und dem Spannungsfeld zwischen Forschungsinteressen und der Einhaltung allgemeingültiger Normen und Werte ...

Im Zentrum ... stehen Fragen nach der Verantwortung und Verantwortbarkeit von Forschung und ihren möglichen Auswirkungen auf den Einzelnen und die Gesellschaft ...

Gesellschaftlich relevante Problemfelder sind ...

•  Tierversuche oder Menschenversuche mit Probanden,

•  Stammzellforschung, •  Gentechnik, •  die Forschung zu Rüstungszwecken, •  der Ressourcenverbrauch durch die

Forschung und •  der Datenschutz.“ http://de.wikipedia.org/wiki/Forschungsethik (Stand:

27.01.2012)

„Wissenschaft und Technik waren nicht in erster Linie da, zu helfen. Sie schufen Werkzeuge der Vernichtung, Werkzeuge grässlichsten Mordes ...

Wir müssen die Wissenschaft wieder menschlich machen.“

Carl von Ossietzky (1889-1938)

Wissenschaft „menschlich“ machen?

Partizipation in Forschung „Forschen nicht ´über´ sondern ´mit´

Menschen mit Behinderung - Peer-Interview als Möglichkeit der Erfassung der Lebensqualität von Menschen mit Behinderung – anhand eines Beispiels aus dem Wohnbereich der Lebenshilfe Salzburg.“

Breinlinger, S., Diplomarbeit MA, Kultur- und Gesellschaftswissenschaften, FB Soziologie und Politikwissenschaft, Uni Salzburg 2011 (Stand: 29.12.2011)

Download: www.bidok.uibk.ac.at/library/breinlinger-peer-dipl.hmtl

Forschungsethik

Richtlinien für Integrität in der Forschung und gute wissenschaftliche Praxis in der ETH Zürich http://www.vpf.ethz.ch/services/researchethics/Broschure.pdf (Stand: 27.01.2012)

Beispiel ETH Zürich

Vorwort Erfolgreiche Forschung basiert auf Kompetenz. In der Praxis ist diese allein aber nicht hinreichend, sondern benötigt ein von Vertrauen geprägtes Umfeld zur Entfaltung. Vertrauen wiederum kann sich nur dort entwickeln, wo Integrität das Handeln bestimmt. Deswegen ist es für die ETH Zürich und insbesondere deren Leitung eine wichtige Aufgabe, Integrität in der Forschung zu fördern und zu fordern. Den Forscherinnen und Forschern wird der für selbstbestimmte und eigenverantwortliche Forschung notwendige Freiraum gegeben, der

dann zu einem fruchtbaren Boden für erfolgreiche Wissenschaft werden kann, wenn er durch Wahrhaftigkeit, Selbstkritik, Transparenz und Fairness gefüllt wird. Was integres Handeln im konkreten Fall für den einzelnen Forschenden heißt, wird nicht nur durch die gesetzlichen und Die institutionellen Regelungen der ETH Zürich bestimmt, sondern ist auch von den Gepflogenheiten seiner Wissenschaftsgemeinschaft und vom ethischen Konsens der Gesellschaft abhängig. In deren Auftrag forschen wir, sie ermöglicht uns Forschung

und stellt deswegen berechtigterweise Ansprüche an uns. Von unserer Integrität hängen die Glaubwürdigkeit und damit die Akzeptanz unserer Forschung in der Gesellschaft ab. Gemeinsam getragene und gleiche Standards sind die Keimzelle und Voraussetzung für eine Kultur des Vertrauens. Diese in einer hoch kompetitiven Umgebung der Spitzenforschung zu bewahren ist eine Herausforderung, die ohne eine aktive Pflege und Förderung nicht gemeistert werden kann. Hier sieht sich die Schulleitung Verantwortung Ihren Beitrag zu leisten, indem sie selber Vorbild

ist und mit den Richtlinien für Integrität in der Forschung für die ETH Zürich eine gemeinsame Basis für Vertrauen in der Forschung schafft. Diese Richtlinien sollen eine Orientierungshilfe zum integren Handeln sein. Sie sind nicht nur als Leitplanken zu verstehen, innerhalb derer man sich unbedacht bewegen kann, sondern sie sollen auch Anstoß zur kritischen Reflexion des Handelns in der Forschung sein. So gelebt wird Integrität in der Forschung zum Ausgangspunkt für den nachhaltigen Erfolg in der Wissenschaft.

Richtlinien für Integrität in der Forschung und gute wissenschaftliche Praxis an der ETH Zürich

•  Die Schulleitung hat die Richtlinien für Integrität in der Forschung und gute wissenschaftliche Praxis an der ETH Zürich (RSETHZ 414) an ihrer Sitzung vom 14. November 2007 verabschiedet und auf den 1. Januar 2008 in Kraft gesetzt.

•  Die Richtlinien wurden im Februar 2008 allen wissenschaftlich tätigen Mitarbeitenden der ETH Zürich in Form einer zweisprachigen Broschüre an den Arbeitsplatz zugestellt.

•  Die Vertrauensperson steht Forschenden der ETH Zürich bezüglich der Integrität in der Forschung und der guten wissenschaftlichen Praxis beratend, unterstützend und vermittelnd zur Verfügung.

•  Bei einem Verdacht auf Fehlverhalten in der Forschung ist die Vertrauensperson die Ansprechperson.

•  Nach dem Eingang einer Meldung prüft die Vertrauensperson die Sachlage gemäss dem in der Verfahrensordnung bei Verdacht auf Fehlverhalten in der Forschung an der ETH Zürich (RSETHZ 415) festgelegten Verfahren.

Fehlverhalten •  Menschenunwürdiger Versuchsaufbau

und/oder –ablauf •  Kein Nutzen für den Einzelfall •  Fehlende Aufklärung und Einwilligung •  Falsche Methodik, so dass unnötige

Belastungen/Schäden bei den Versuchteilnehmern („Probanden“) entstehen.

•  Keine Genehmigung der Ethikkommission •  Abschreiben/Plagiat, Datenfälschung

Forschung am Menschen

Ethikkommission •  Für jede Forschungsuntersuchung am

Menschen, die nicht entweder unter das Heilmittelgesetz oder das Patientengesetz, muss vor Versuchsbeginn eine Bewilligung der Ethikkommission eingeholt werden.

Vorgehen •  Gesuche an die Ethikkommission der ETH

Zürich müssen mindestens fünf Wochen vor Versuchsbeginn auf www.etappo.ethz.ch eingereicht werden …

•  Die Ethikkommission beschließt, ob ein Antrag auf dem Korrespondenzweg behandelt werden kann oder ob dafür eine Kommissionssitzung einberufen werden muss.

•  Im ersten Falle kann mit einem Entscheid innerhalb eines Monats gerechnet werden.

•  Ist eine Kommissionssitzung notwendig, liegt ein Entscheid spätestens drei Monate nach Gesuchseingabe vor.

•  Gesuche, die über Drittmittel finanziert werden, beurteilt die Ethikkommission erst, wenn die schriftliche Bewilligung des Geldgebers vorliegt.

•  Auf Antrag der Kommission entscheidet der Vizepräsident für Forschung über Bewilligung, Verweigerung oder Abbruch eines Projektes.

•  Tritt ein Schadensfall ein, hat der Projektleiter … unverzüglich schriftlich Anzeige zu erstatten.

Stichwort „Forschungsethik“

Stichwort „Gute wissenschaftliche Praxis“

Leitlinie Gute wissenschaftliche Praxis

30. Sept. 2002

CvO Uni Oldenburg

Fazit

•  Forschungsfragen sind immer auch ethische (und gesellschaftliche) Fragen

•  Sehr komplexe und spezifische wissen-schaftliche Gegenstände und Kenntnisse

•  „Verwirrende“ Entwicklungen im Bereich Ethik

•  „Denkwerkzeuge“ der politischen Philosophie: Biomacht, Biopolitik, Bioethik, Biomedizin … (Agamben, Foucault, Gehring)

Quellen und weiterführende Literaturhinweise Beauchamp, T., Childress, J. (1978/2009, 5. Aufl.).

Principles of Biomedical Ethics. Oxford: University Press Böttger-Kessler, G. (2006). Aktive Sterbehilfe bei

Wachkoma-Patienten. Frankfurt am Main: Mabuse-Verlag

Dederich, M. (2000). Behinderung, Medizin, Ethik. Behindertenpädagogische Reflexionen zu Grenzsituationen am Anfang und Ende des Lebens. Bad Heilbrunn: Klinkhardt

Changeux, J.-P., Ricoeur, P. (2002). What makes us think? A neuroscientist and a philosopher argue about ethics, human nature, and the brain. Chichester: Princeton University Press

Ethik: http://de.wikipedia.org/wiki/Ethik (Stand: 09.01.2012)

Forschungsethik: http://de.wikipedia.org/wiki/Forschungsethik (Stand: 27.01.2012)

Gazzaniga, M. (2005). The ethical brain. New York: Dana Press

Illes, J. (Hrsg.) (2006). Neuroethics: defining the issues in theory, practice, and policy. Oxford University Press, Oxford

Maio, G. (2011). Mittelpunkt Mensch: Ethik in der Medizin. Ein Lehrbuch. Stuttgart: Schattauer

Neuroethik: http://de.wikipedia.org/wiki/Neuroethik (Stand: 30.01.2012)

Sabine Müller, S., Zaracko, A., Groß, D., Schmitz, D. (2009). Chancen und Risiken der Neurowissenschaften. Berlin: Lehmanns Media

Schnell, M.W., Heinritz, Ch. (2006). Forschungsethik: Ein Grundlagen- und Arbeitsbuch mit Beispielen aus der Gesundheits- und Pflegewissenschaft. Bern: Huber

Wiesing, U., Simon, A., Engelhardt, D.v. (2000). Ethik in der medizinischen Forschung. Stuttgart: Schattauer

Wocken, H. (2011). Zur Philosophie der Inklusion. Spuren, Eckpfeiler und Wegmarken der Behindertenrechtskonvention. Teilhabe 50(2): 52-59

Zieger, A. (1999). Ethische Grenzfragen in der Behandlung Schwerst-Hirngeschädigter. Mitteilungen der Luria-Gesellschaft e.V., 6;1:4-18