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Alexander Beyer lernarchitektur.com Lernen mit Gedankenpalästen 1. Wie verwende ich das Hörbuch? Das ist ziemlich simpel: Du suchst dir einen ruhigen Ort, an dem du aufmerksam und ungestört zuhören kannst. Wenn du möchtest, kannst du die Augen schließen, falls dir das hilft, dir den Palast genauer vorzustellen. Unbedingt notwendig ist das aber nicht, sondern von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Der Palast ist in sogenannte "Loci" (sprich: Lōki oder Lōtzi, beides ist üblich) unterteilt. Das Wort kommt aus dem Lateinischen und heißt einfach nur "Orte", in der Einzahl "Locus". Vielleicht hast du schonmal den Begriff "Locus" für "Toilette" gehört – das spiegelt sich in unserem "stillen Örtchen" wider. In der Aufnahme werde ich dich sehr detailliert beim Errichten deines Gedankenpalastes anleiten, sodass du nur meinen Anweisungen folgen musst, um ihn dir sehr genau vorstellen und langfristig merken zu können. Wenn ich dich z.B. bitte, dir das Singen eines Vogels vorzustellen oder ein Bild in einem Farbklecks zu entdecken, dann nimm einfach die erste Idee, die dir kommt (oder die zweite, falls du sie viel besser findest). Falls dir wider Erwarten doch einmal nichts einfallen sollte, mach einfach weiter. Ich habe wirklich viele Sicherungsnetze eingebaut, damit alles Wesentliche hängenbleibt. Die Details dienen nur dazu, dass du dir den Palast besser vorstellen und merken kannst; es ist nicht nötig, dass du dich danach an alle erinnerst ! 2. Woher weiß ich, dass es funktioniert hat? Am besten findest du das heraus, indem du den Palast benutzt, d.h. mit Wissen füllst. Aber wenn du magst, kannst du dir ja folgende Fragen stellen: 1. Wie viele einzelne Loci gibt es im Gedankenpalast? Optional, aber oft sehr hilfreich: In welcher Reihenfolge sind sie angeordnet? 2. Wenn mich ein Freund fragen würde: Welche zwei bis drei Stichworte könnte ich 1

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Lernen mit Gedankenpalästen

1. Wie verwende ich das Hörbuch?

Das ist ziemlich simpel: Du suchst dir einen ruhigen Ort, an dem du aufmerksam und

ungestört zuhören kannst. Wenn du möchtest, kannst du die Augen schließen, falls dir das

hilft, dir den Palast genauer vorzustellen. Unbedingt notwendig ist das aber nicht, sondern

von Mensch zu Mensch unterschiedlich.

Der Palast ist in sogenannte "Loci" (sprich: Lōki oder Lōtzi, beides ist üblich) unterteilt. Das

Wort kommt aus dem Lateinischen und heißt einfach nur "Orte", in der Einzahl "Locus".

Vielleicht hast du schonmal den Begriff "Locus" für "Toilette" gehört – das spiegelt sich in

unserem "stillen Örtchen" wider.

In der Aufnahme werde ich dich sehr detailliert beim Errichten deines Gedankenpalastes

anleiten, sodass du nur meinen Anweisungen folgen musst, um ihn dir sehr genau

vorstellen und langfristig merken zu können. Wenn ich dich z.B. bitte, dir das Singen eines

Vogels vorzustellen oder ein Bild in einem Farbklecks zu entdecken, dann nimm einfach

die erste Idee, die dir kommt (oder die zweite, falls du sie viel besser findest). Falls dir

wider Erwarten doch einmal nichts einfallen sollte, mach einfach weiter. Ich habe wirklich

viele Sicherungsnetze eingebaut, damit alles Wesentliche hängenbleibt. Die Details

dienen nur dazu, dass du dir den Palast besser vorstellen und merken kannst; es ist nicht

nötig, dass du dich danach an alle erinnerst!

2. Woher weiß ich, dass es funktionierthat?Am besten findest du das heraus, indem du den Palast benutzt, d.h. mit Wissen füllst.

Aber wenn du magst, kannst du dir ja folgende Fragen stellen:

1. Wie viele einzelne Loci gibt es im Gedankenpalast? Optional, aber oft sehr hilfreich:

In welcher Reihenfolge sind sie angeordnet?

2. Wenn mich ein Freund fragen würde: Welche zwei bis drei Stichworte könnte ich

1

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ihm für jeden Ort nennen, um einen Eindruck zu vermitteln? Je mehr dir einfallen,

desto besser! Beispiel: Zum ersten Locus könnten dir die Stichworte "Feuerschale",

"Holzscheite" und "Stichflamme" einfallen.

Was machst du aber, falls dir zu einem Ort nicht mehr so viel einfällt?

Du kannst entweder die Aufnahme nochmal hören und besonders auf den Ort achten, um

den es geht, oder du fügst einfach selbst noch Details hinzu, die dir gefallen.

Das Schöne ist: Sobald du anfängst, Wissen im Gedankenpalast zu speichern, wird auch

deine Vorstellung von ihm immer klarer!

3. Wie speichere ich Wissen in einemGedankenpalast?Die allgemeine Antwort lautet: Mit Bildern und Emotionen. Allerdings ist das wahrscheinlich

nicht wirklich hilfreich, also gebe ich dir einen Leitfaden an die Hand:

Wie geht das genau? Die drei Schritte1. Zuerst einmal ordnest du das Wissen in Stichworten, am einfachsten in einer Liste.

Das hat dir oft schon jemand abgenommen (Inhaltsverzeichnisse,

Zusammenfassungen im Internet, Lehrpläne…). Alternativ kannst du auch

Strukturdiagramme oder Mindmaps verwenden.

2. Dann nimmst du das erste Stichwort und machst es in deiner Vorstellung zu einem

Ding, d.h. zu etwas Sichtbarem und möglichst Anfassbarem.

Ein paar Beispiele: Das Stichwort Königtum lässt sich etwa in eine Krone verwandeln,

Freiheit wird zur Freiheitsstatue. Manchmal ergeben sich auch Kombinationen: Aus

Freiheitsbewegung wird dann eine Freiheitsstatue, die Bauchtanz macht.

Am leichtesten ist es, wenn du etwas nimmst, dass du schon kennst. Zum Beispiel denke

ich bei der Krone konkret an die britische Krone, wie ich sie schon einmal in einem Film

gesehen habe (mit weißem Pelz, Edelsteinen und Samt). Du kannst dir aber auch etwas

komplett Neues ausdenken, wenn du magst.

3. Dieses Bild verbindest du nun durch eine winzig kleine Geschichte mit dem Ort, an

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dem du das Stichwort speichern willst.

Was heißt Geschichte? Das ist einfacher, als du denkst: Eine Geschichte ist eine Handlung mit Anfang, Mittelteil

und Ende. Das war‘s.

Handlung heißt: es muss etwas passieren, sich etwas verändern.

Ein Beispiel: Im Oasenpalast gibt es eine Feuerschale. Wie speichere ich nun z.B. den

Begriff „Königtum“ an diesem Ort? Fangen wir mal so an:

"Du entdeckst in den Flammen einen großen, glitzernden Gegenstand und trittst näher, um

herauszufinden, was es ist. Als du erkennst, dass es eine wertvolle Krone ist, schubst du

sie mit einem Stück Holz aus der Glut. Nachdem sie abgekühlt ist, setzt du sie auf und

gehst weiter."

Diese Geschichte ist schonmal ganz in Ordnung, aber noch nicht wirklich „MERK-würdig“.

Wie können wir denn eine Geschichte so gestalten oder verbessern, dass sie wirklich

hängenbleibt?

Grundsätzlich gilt: Alles, was starke Emotionen auslöst, bleibt auch besser hängen. Für

Merktechnik haben sich folgende vier Faustregeln bewährt:

1. Lustiges

2. Seltsames

3. Gewalt, d.h. Zerstörerisches

4. Sexuelles

Alle diese Bereiche lösen in der Regel starke Emotionen aus. Deshalb lohnt es sich, deine

Geschichten daran zu orientieren: Kann ich die Geschichte seltsamer machen? Oder eine

sexuelle Anspielung einbauen? Usw.

Die Beispielgeschichte von eben ist ein wenig seltsam, aber noch nicht besonders. Wir

können sie leicht verbessern, etwa so:

„In dem Moment, wo du mit einem Stück Holz die Krone herausholen willst, ertönt ein

lautes Husten, und mit einer goldenen Stichflamme fliegt die Krone einige Meter in die

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Höhe und dann direkt auf deinen Fuß. AUA! Jetzt ist die Krone zwar draußen, aber auch

ein wenig verbeult.“

In der Praxis geht das mit ein wenig Übung sehr schnell. Für dieses zweite Beispiel habe

ich mir bewusst nur ein paar Sekunden Zeit genommen:

Angenommen, du möchtest das Stichwort „Freiheitsbewegung“ in deinem Badezimmer

ablegen:

"Du betrittst das Bad, um zu duschen, da entdeckst du in der Dusche eine Freiheitsstatue,

die einen – nicht wirklich verführerischen – Stangentanz macht. Du bist völlig verdattert,

dann sauwütend. Du packst die dämliche Statue und zerrst sie zur Tür, wo du sie mit

einem gepflegten Tritt hinausbeförderst."

Das war’s. Nochmal zusammengefasst:Schritt 1: Wissen strukturieren

Schritt 2: Verbildlichen (möglichst sichtbar und anfassbar)

Schritt 3: Mit Mini-Geschichte an den Ort binden

Hierbei ist besonders wichtig die Verkettung mit dem Ort und dass es wirklich eine

Handlung ist! Es muss etwas (verrücktes) passieren, sich etwas verändern!

Damit du dir das gleich merken kannst, speichern wir es doch einfach sofort.

4. Ein simpler Gedankenpalast

Ich wette, du hast oder kennst zumindest eine Küche bei dir zu Hause oder bei jemand

anderem, wo sich ein Kühlschrank, eine Arbeitsfläche mit Spüle, ein Herd, ein Tisch und

eine Spülmaschine befinden.

Stell dir bitte folgende Szene gleich in deiner bekannten Küche vor:

• Du holst Zutaten aus dem Kühlschrank,

• bereitest sie auf der Arbeitsfläche mit Waschbecken vor (z.B. wäschst und

schneidest du Gemüse),

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• kochst sie in einem Topf auf dem Herd,

• isst das Essen am Tisch,

• und räumst am Ende das Geschirr in die Spülmaschine.

Du hast damit fünf Orte in einer klaren Reihenfolge, an denen du Wissen ablegen kannst.

Nun können wir die einzelnen Schritte speichern. Entscheide dich jetzt bewusst dafür, dir

die Bilder und Geschichten so intensiv vorzustellen, wie es dir möglich ist. Tu so, als

würdest du sie gerade erleben!

1. Wissen strukturierenAls Bild fällt mir spontan ein Einkaufszettel ein, eben eine einfache Liste von Dingen, an

die ich mich erinnern möchte, wenn ich im Laden bin, vielleicht auf einem kleinen,

zerknitterten Zettel mit Kugelschreiber aufgelistet.

Viele Leute hängen ihre Einkaufsliste mit einem Magneten an ihren Kühlschrank, also lass

uns das auch versuchen. Allerdings fällt der billige Magnet immer wieder ab. Du versuchst

es wieder und wieder, aber egal wie sehr du reibst, presst und schiebst, der Magnet hält

einfach nicht. Schließlich wirst du so wütend, dass du ein großes Küchenmesser greifst

und die Liste damit an den Kühlschrank heftest: Du holst aus und rammst mit aller Kraft

das Messer in die Kühlschranktür, die ein leises Knirschen von sich gibt. Mit grimmiger

Zufriedenheit betrachtest du dein Werk: Die Liste haftet nun durchbohrt an der

Kühlschranktür.

2. Verbildlichen (sichtbar und anfassbar)Für "Verbildlichen" und "sichtbar" nehme ich ein kleines Ölgemälde mit schwerem

goldenen Rahmen, vielleicht mit einem Landschaftsbild im Frühling; für "anfassbar" nehme

ich einen Kettenhandschuh, weil die Hand fürs Anfassen steht und der schwere

Metallhandschuh viel spürbare Struktur hat.

Stell dir vor, du stehst an der Arbeitsfläche mit Schneidebrett und Messer. Doch statt

irgendwelcher Gemüse versuchst du, das Ölgemälde zu zerschneiden. Zunächst ist es

schwer genug, das sperrige Ding auf der Arbeitsplatte zu arrangieren. Das Schneiden geht

bei der Leinwand ganz gut, aber als du dich beim schweren Metallrahmen mit aller Kraft

auf das Messer stützt, rutschst du ab und schneidest dich fast – aber zum Glück hast du

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deinen Kettenhandschuh angezogen. Anstatt dich zu schneiden, ertönt ein langgezogenes

metallisches Kreischen. Da beschließt du, dass es sich vielleicht doch nicht so lohnt, das

Gemälde in mundgerechte Stücke zu teilen.

3. Mit Mini-Geschichte an den Ort bindenDas Bild für die Mini-Geschichte ist für mich ein altes, ledergebundenes Märchenbuch mit

einem grünen Drachen auf dem Umschlag, das allerdings nur wenige Zentimeter groß ist.

An den Ort können wir es sogar direkt im Bild binden:

Du kochst auf dem Herd Gemüseeintopf in einem großen Topf mit Deckel. Er köchelt

schon eine Weile, also willst du hineinschauen, wie es aussieht. Da entdeckst du, dass der

Deckel auf dem Topf festgebunden ist, sodass du ihn nicht öffnen kannst. Mit an den Topf

gebunden wie an einen Marterpfahl ist das kleine Märchenbuch mit dem grünen Drachen

darauf. Du bist schon sehr irritiert, aber als das Buch plötzlich mit piepsiger Stimme ruft:

„Hilfe! Hilfe! Mach mich los!“, bist du völlig verdattert. Du löst den Knoten und das Buch

fällt auf den Boden. Mit beiden Umschlagdeckeln wie mit zwei staksigen Beinchen

galoppiert es davon, klettert an ein paar Schubladen zum offenen Fenster hoch und

verschwindet.

Das waren die drei Schritte. Damit du dir die Kriterien für die Geschichten aber auch

gleich merken kannst, speichern wir sie noch dazu:

4. Verkettung mit dem Ort:Als Bild für Verkettung können wir natürlich große, schwere, etwas rostige Metallketten

nehmen. Da die Betonung hier auf der Verkettung mit dem Ort liegt, wollen wir auch

diesen Begriff verbildlichen: Du erinnerst dich sicher an die Bezeichnung „stilles Örtchen“

für „Toilette“, also nehmen wir das: Ketten und eine Toilettenschüssel.

Du setzt dich an den Tisch, um in Ruhe einen Kaffee zu trinken. Doch als du den Stuhl

unter dir näher an den Tisch rücken möchtest, geht das erstaunlich schwer, und du hörst

ein Klirren und ein Kratzen auf dem Fließenboden hinter dir. Als du dich ein wenig

verrenkst, um hinter dich zu schauen, entdeckst du, dass irgendein Spaßvogel mit

schweren, rostigen Eisenketten eine Kloschüssel an deinen Stuhl gekettet hat, sodass du

bei jedem Verschieben die Keramikschüssel über den Boden ziehst. Zum Glück lassen

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sich die Ketten um die Stuhlbeine leicht lösen, indem du den Stuhl einfach heraushebst

und die Ketten zur Seite schiebst. Jetzt genießt du deinen wohlverdienten Kaffee.

5. Handlung und VeränderungHandlung lässt mich an eine Hand denken, z.B. eine Roboterhand. Veränderung lässt sich

wieder gut in der Geschichte selbst darstellen, indem wir einen Gegenstand sich in einen

anderen verwandeln lassen.

Nachdem du nun mit deinem Kaffee fertig bist, möchtest du die Tasse in die Spülmaschine

stellen. Als du den Griff packst und die Maschine mit einem kleinen Ruck öffnest, kommt

zügig eine Roboterhand aus dem Innenraum herausgefahren und reißt dir abrupt die

Tasse aus der Hand, um sie auf das Gitter zu stellen. Dann greift sie die Tür von innen und

zieht sie mit einem kleinen Knall zu. Die Maschine fängt an seltsam zu rattern und zu

knirschen und wackelt dabei extrem hin und her, wodurch sie ein Stückchen über den

Boden gleitet. Dann ertönt plötzlich ein „Bing!“ wie bei einer Mikrowelle und die Tür springt

auf. Etwas Pinkes und Verschwommenes fliegt quer durch den Raum, prallt an der Wand

ab und fällt auf den Boden. Das war wohl mal deine Tasse, allerdings ist sie jetzt ganz

rosa und plüschig – daraus trinkst du vielleicht lieber nicht mehr. Du stellst sie als Warnung

auf die Spülmaschine und verlässt die Küche.

Abschluss: TestenJetzt kannst du überprüfen, ob alles geklappt hat:

1. Welche fünf Orte hast du in deinem Küchen-Gedankenpalast?

2. Welche Wissenseinheit hast du jeweils dort abgelegt? (die genaue Formulierung ist

hier egal)

Ort Wissenseinheit12345

Was aber, wenn noch nicht gleich alles hängengeblieben ist? Genau dafür machen wir

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den Test! Falls du feststellst, dass eine Geschichte für dich persönlich noch nicht gut

genug funktioniert hat, kehre noch einmal zum entsprechenden Abschnitt zurück und

durchlebe sie bewusst noch einmal! Du kannst deine Aufmerksamkeit verbessern, wenn

du folgende Fragen zur Hand nimmst:

1. Wie ist mein emotionaler Zustand zu Beginn der Geschichte? Wie verändert er sich

im Laufe der Geschichte bis zum Ende? Stell dir vor, dass du es wirklich erlebst!

(z.B. erst entspannt und geduldig, dann immer ungeduldiger, schließlich wütend

und gegen Ende zufrieden und ein bisschen erleichtert)

2. Wie genau sehen die einzelnen Szenen/Gegenstände aus? Wie hören und fühlen

sich die Dinge an? Welche Details könntest du aussuchen, um sie danach einem

Freund zu erzählen? (z.B. hat der Kühlschrank in meiner Vorstellung zwei Türen,

eine obere und eine untere. Die Türen sind aus weißem Kunststoff, der sich glatt

und kühl anfühlt)

Wenn du magst, kannst du die Geschichten auch verändern oder dir komplett eigene

Verbildlichungen und Geschichten ausdenken. Warum probierst du es nicht einfach gleich

mal beim ersten Ort und verknüpfst „Wissen strukturieren“ auf eigene Weise mit dem

Kühlschrank?

Das sind die Prinzipien, der Rest ist Feinschliff.

Ich habe dir auch noch alternative Methoden versprochen. Hier kommen sie:

5. Alternative Speichermethoden

Wortbilder1

Wortbilder haben den großen Vorteil, dass du dir weder Bilder noch Geschichten

ausdenken musst, um Wissen an einen Ort zu binden. Sie sind also ziemlich leicht

erlernbar.

Die Methode ist einfach:

1 Diese Methode stammt von Vera Birkenbihl. Ich habe sie lediglich in einen neuen Kontext gestellt. Mehr dazu findest du in ihrem Buch: Birkenbihls Denkwerkzeuge. Gehirn-gerecht zu mehr Intelligenz und Kreativität.

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1. Du schreibst den Namen des Ortes in die Mitte auf ein großes Blatt Papier, z.B.

"Windrad" für den zweiten Locus.

2. Du assoziierst zu den einzelnen Buchstaben des Wortes (W, I, N, D, R, A, D)

Stichworte zu dem Thema, das du dir merken willst. An den Buchstaben "W" etwa

könntest du etwa "Westfälischer Friede" hängen, an "A" könnte man "Aufklärung"

knüpfen.

Ich habe einmal ein Kapitel zum Philosophen Spinoza an den zweiten Ort des

Oasenpalastes geknüpft: Das Windrad. Hier sind ein paar Fotos aus meinem Notizbuch,

die das Prinzip veranschaulichen:

Du siehst: Es geht mehr um den Prozess als um das Endergebnis.

Hierbei gilt: An jeden Buchstaben können eines oder mehrere Stichworte angehängt

werden; es muss aber nicht jeder Buchstabe auch ein Wort bekommen. Kreativ

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schummeln ist immer erlaubt. Ich kann etwa ein "W" als "M" verwenden, wenn ich das

Blatt auf den Kopf drehe (rechte Seite). Oder ich verwende einen Buchstaben als Bild: Das

"D" habe ich als Linse interpretiert, damit Spinozas Beruf "Linsenschleifer" mit ans Wort

passt (linke Seite). Außerdem rate ich dir, möglichst farbige Stifte zu verwenden.

Damit es gut funktioniert, lass deine Assoziationen wirklich frei fließen! Beobachte einfach

ein paar Sekunden, was dir so an Stichworten in den Sinn kommt, wenn du an dein

Thema denkst.

Ein optisch ansprechenderes Wortbild wäre das hier:

Was machst du nun, wenn ein absolut wichtiger Begriff einfach nicht an das Wort passen

will, weil die Buchstaben nicht übereinstimmen?

Das ist genau der Witz an der Methode: Eigentlich sind Wortbilder eine Denk- und

Kreativtechnik – das "Kreativ"-Beispiel ist z.B. ohne Bezug zu einem Gedankenpalast

entstanden (Ich habe meine Kamera getestet und aufgenommen, wie ich ein Wortbild

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erstelle). Du musst also möglicherweise um einige Ecken denken, um einen wichtigen

Aspekt doch noch irgendwie an das Wortbild anzuschließen, z.B. indem du es anders

formulierst oder als kleines Bild malst.

Es geht dabei nicht darum, dass du das Wortbild auswendig lernst. Viel wichtiger ist der

Vorgang selbst: der Versuch, möglichst viele assoziative Verbindungen zu finden.

Darin besteht allerdings auch ein Nachteil der Methode: Sie ist zwar einfacher als die

klassische Geschichten-Methode, aber du kannst nicht genau kontrollieren, was exakt du

dir merkst. Außerdem spielt das tatsächliche Bild des Ortes im Gedankenpalast keine

Rolle, sondern nur sein Name.

Am klügsten ist es also, wenn du für jedes wesentliche Stichwort einen eigenen Ort

verwendest, sodass du dir dieses über die vielen kleinen Verbindungen auf jeden Fall

merkst. Das Schöne ist allerdings, dass oft sehr viel mehr hängenbleiben wird, als du jetzt

vielleicht erwartest.

Versuch es doch einfach gleich mal, bevor du weiterliest, und hänge ein bisschen Wissen

an den ersten Locus deines Gedankenpalastes!

SymbolverflechtungenDas ist mein heimlicher Liebling. Die Symolverflechtung hat fast die gleichen Vorteile wie

Wortbilder. Allerdings bezieht sie sich viel mehr auf die tatsächliche Gestaltung des

Speicherortes und nicht bloß auf den Namen.

Für diese Methode musst du dir nur eine einzige Frage stellen und immer mehr Antworten

finden:

Was hat der Speicherort mit dem Wissen zu tun, dass ich dort ablegen möchte?

Oder mit anderen Worten:

Inwiefern könnte der Ort bzw. ein Teil des Ortes ein Symbol oder eine Metapher für

das Wissen sein, das ich mir merken möchte?

Beispielsweise habe ich mit dieser Methode einiges über den Philosophen Leibniz am

dritten Locus des Vorhofs der vier Elemente abgelegt: dem Wasserspeier. Dazu habe ich

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das entsprechende Kapitel in einer Philosophiegeschichte gelesen und danach mit dieser

Frage bombardiert.

Was also hat ein Wasserspeier mit Tierkopf mit einem Philosophen des 17. Jh. zu tun?

Zunächst einmal war Leibniz ein Universalgelehrter, d.h. er kannte sich in unheimlich

vielen verschiedenen Fachgebieten aus. Woher wir das wissen? Durch seine große

Menge an Büchern über verschiedenste Themen.

Was hat das mit meinem Wasserspeier zu tun? Genau wie der Wasserspeier ein nie

endender Quell von Wasser ist, war Leibniz ein nie endender Quell von Werken. Genauso

wie Wasser fast überall um uns herum vorhanden ist – in unserem Körper, in der Luft, in

Flüssen, Seen, Bächen, Nahrungsmitteln, im Badezimmer usw. - war Leibniz in vielen

verschiedenen Wissensgebieten zu Hause.

Eine wichtige Theorie von Leibniz ist seine Monadenthese: Eine Art Atomtheorie über die

Wirklichkeit. Sie besagt sehr grob, dass alles aus kleinen Einheiten, sogennanten

Monaden besteht (die Philosophen werden mich für diese plumpe Erklärung lynchen).

Auch das Wasser, das aus dem Wasserspeier kommt, hat eine besondere Beziehung zu

den Grundbausteinen der Welt: Das Wassermolekül H2O ist fast jedem bekannt und

besteht einerseits aus dem einfachsten Element überhaupt, Wasserstoff, und aus dem für

uns so lebenswichtigen Sauerstoff.

Dieses Spiel kannst du ewig weiterspielen, und oft kommt man zu faszinierenden

Einsichten, wenn man diese Grundfrage weitertreibt.

Außerdem lohnt es sich, von dem Ort her ein paar Fragen zu formulieren (und danach

nach den Antworten zu suchen):

Das Wasser erinnert mich an die Hydraulik, eine technische Disziplin. Zusammen mit der

Verbindung über H2O frage ich ich, ob Leibniz auch in den Naturwissenschaften und der

Technik zugange war?

Brunnen und Wasserspeier sind häufig öffentliche Einrichtungen. Hat Leibniz irgendeine

offizielle Funktion gehabt, etwa als Beamter?

Ähnlich wie bei den Wortbildern hast du auch bei der Symbolverflechtung nicht die

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Möglichkeit, im Detail festzulegen, was genau du dir merken möchtest. Deshalb gilt auch

hier: Wähle dein Thema für den Locus so aus, dass es für deine Prüfung (oder was auch

immer dein Lernziel ist) ausreicht.

Am besten wird dir dein Gedankenpalast dienen, wenn du alle drei Methoden kombinierst.

Sie ergänzen sich nämlich wunderbar: Während die klassische Geschichtentechnik zwar

nicht viel dazu beiträgt, dass du ein Thema inhaltlich durchdringst und verstehst, hast du

damit sehr große Kontrolle darüber, was du dir merkst. Wortbilder und Symbolverflechtung

dagegen lassen dir zwar weniger Kontrolle darüber, was genau du dir merkst, aber sie

helfen sehr stark dabei, ein Thema zu inhaltlich wirklich zu begreifen.

Auf diese Weise erzeugst du in deinem Kopf ein System von Wissen, dass du wirklich

verstanden hast und jederzeit erklären kannst, wenn du magst. Durch die Bindung an die

Loci hast du immer einen klaren Überblick über das gelernte Wissen und brauchst nur in

Gedanken an den Speicherort zu gehen, um das Wissen abzurufen.

Für alle Methoden gilt: Habe Spaß dabei!

Eine Sache bin ich dir noch schuldig:Wie genau kann ich mit diesen Methoden ein ganzes Referat allein im Vorhof der vier

Elemente speichern?

Das ist einfach: Durch Kombination der drei Methoden.

Zunächst besorgst du dir das Wissen, über das du referieren sollst (in Schule oder

Universität bekommt man oft Seitenzahlen vorgegeben), und liest die nötigen Texte.

Du gliederst den Inhalt je nachdem, worüber genau du sprechen willst, d.h. du wählst die

wichtigsten Punkte/Oberbegriffe aus und bringst sie in die Reihenfolge, in der du sie

behandeln möchtest. Am besten orientierst du dich hier bereits am Gedankenpalast und

wählst entweder fünf Oberbegriffe aus (für jeden Locus einen) oder drei, damit du

Einleitung und Schluss an einen eigenen Platz setzen kannst. Falls nötig, fasst du jeweils

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mehrere Begriffe an einem Ort zusammen.

Jetzt speicherst du die Begriffe mit der Geschichtentechnik an ihrem Platz. Denke immer

daran, deine Geschichten im Nachhinein zu testen! Wo du mehrere Begriffe ablegen

möchtest, erweiterst du die Geschichte ein wenig, bis alle Begriffe in der richtigen

Reihenfolge gespeichert sind (so wie wir es oben bei der Arbeitsplatte in der Küche

gemacht haben).

Als nächstes wendest du Wortbilder und/oder Symbolverflechtung an, um das Thema

ordentlich zu durchdringen – immerhin gehören zu Vorträgen in der Regel auch

Fragerunden danach – und ein paar Details hinzuzufügen, die deinen Vortrag reicher

machen können oder dir einfach ein Gefühl von Sicherheit geben. Du weißt dann mehr, als

du vorträgst.

Hierbei werden dir möglicherweise einige Punkte auffallen, die du unbedingt sagen

möchtest/solltest. Falls du sie dir nicht schon von alleine gemerkt hast – das kann leicht

passieren – ergänzt du die Geschichte am entsprechenden Ort, damit du sicheren Zugriff

auf dieses Detail hast.

Jetzt dürftest du so souverän mit dem Stoff sein, dass der Vortrag ein Klacks wird: Du

arbeitest dich während des Vortrags einfach an deinen Stichworten entlang und erklärst

sie deinen Zuhörern. Es lohnt sich, den Vortrag vorher auch wenigstens einmal zu üben.

Ich hoffe, du hattest Freude und ein paar Einsichten von diesem kleinen Ebook. Ich kann

dich nur ermuntern: Probiers aus! Einfach mal machen, dann klären sich viele Fragen auf

dem Weg.

Falls du noch Detailfragen hast, schau mal auf meinem Youtube-Kanal vorbei oder schreib

mir einfach an [email protected].

Jetzt wünsche ich dir alles Gute auf deinem Weg und viel Spaß mit deinem

Gedankenpalast!

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