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Schiltenwolf Schwarz Lexikon – Begutachtung in der Medizin Unter Mitarbeit von W. Petruschka P. Gaidzik und W. Müller

Lexikon – Begutachtung in der Medizin · Was vor einigen Jahren in der gesetzlichen Unfallversicherung als belanglose Baga - telle angesehen wurde, erfüllt heute den Tatbestand

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SchiltenwolfSchwarz

Lexikon – Begutachtung in der Medizin

Unter Mitarbeit von W. Petruschka P. Gaidzik und W. Müller

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Lexikon – Begutachtung in der Medizin

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Marcus Schiltenwolf Markus Schwarz (Hrsg.)

Lexikon – Begutachtung in der MedizinUnter Mitarbeit von W. Petruschka, P. Gaidzik und W. Müller

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HerausgeberProf. Dr. med. Marcus SchiltenwolfUniversitätsklinikum HeidelbergDepartment Orthopädie, Unfallchirurgie und ParaplegiologieSchlierbacher Landstr. 200 A69118 Heidelberg

Dr. med. Markus SchwarzPsychiatrisches Zentrum NordbadenAllgemeinpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik IHeidelberger Straße 1a69168 Wiesloch

AutorenWolfgang PetruschkaSchillerstr. 28,69168 Wiesloch

Prof. Dr. med. Peter W. Gaidzik Prof. Dr. med. Gaidzik/Dr. jur. Eckart, RechtsanwälteHafenstr. 1459067 Hamm

Walfried Müller Hans-Thoma-Str. 1069168 Wiesloch

ISBN-13 978-3-642-17601-2 ISBN 978-3-642-17602-9 (eBook) DOI 10.1007/978-3-642-17602-9

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Springer Medizin© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzel-fall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundes-republik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.

Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwen-der im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jeder-mann benutzt werden dürfen.

Planung: Antje Lenzen, HeidelbergProjektmanagement: Barbara Knüchel, HeidelbergLektorat: Michaela Mallwitz, TairnbachProjektkoordination: Eva Schoeler, HeidelbergUmschlaggestaltung: deblik BerlinFotonachweis Umschlag: © deblik BerlinHerstellung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Springer Medizin ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Mediawww.springer.com

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Geleitwort

Allgemeine Nachschlagewerke verlieren angesichts der Informationsmöglichkeiten des Internets an Bedeutung. Auch die Erklärung eines medizinischen Begriffs lässt sich leicht auf den Bildschirm aufrufen. Anders ist die Situation bei komplexen Fra-gestellungen, bei denen sowohl fachliche medizinische Aspekte als auch juristische Rahmenbedingungen zu berücksichtigen sind.

Der praktisch tätige Arzt verfügt mit seiner Approbation über die formale Qualifi-kation eines medizinischen Sachverständigen. Die Bescheinigung einer Arbeitsun-fähigkeit ist ebenso wie die Feststellung des Todes dem Sachverstand des Mediziners vorbehalten, sie stellt zudem einen rechtlichen Akt dar. Jeden Tag stellt ein praktisch tätiger Arzt eine Vielzahl von Attesten und Bescheinigungen aus, die einen gutach-terlichen Charakter haben. Die fälschliche Attestierung eines Tatbestandes kann strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Medizinische Gutachten werden seit mehr als einhundert Jahren für gesetzliche Renten- und Unfallversicherungen erstattet. Die Begriffe und Beurteilungskriterien unterliegen – bei langfristiger relativer Stabilität – einem kontinuierlichen Wandel. Was vor einigen Jahren in der gesetzlichen Unfallversicherung als belanglose Baga-telle angesehen wurde, erfüllt heute den Tatbestand eines versicherten Ereignisses. Andere Bereiche wie die Absicherung der Berufsunfähigkeit wurden der privaten Versicherungswirtschaft übertragen. Damit änderten sich die Versicherungsbedin-gungen und Leistungsvoraussetzungen grundlegend.

Mehr als 50 Jahre herrschte im Versorgungsrecht Stillstand. Die Kriterien der Be-gutachtung Kriegsbeschädigter wurden in das Schwerbehindertenrecht übernom-men. Seit kurzem ist auch hier ein tiefgreifender Wandel eingetreten. Die Bewertung bzw. Festsetzung des Grades der Behinderung unterliegt zunehmend rationalen Kriterien. Mit der Berücksichtigung internationaler Klassifikationssysteme ist eine weitere Fortentwicklung zu erwarten. Selbst der interessierte Arzt ist kaum in der Lage, die Veränderungen in den verschiedenen Rechtsgebieten und die Auswirkung auf die Begutachtungspraxis zu überblicken, er muss sich im Bedarfsfall rasch in-formieren können.

Die zunehmende Bedeutung medizinischer Sachverständigentätigkeit hängt auch mit dem Fortschritt der Medizin und besseren Behandlungsverfahren zusammen. Die mit neuen Therapien verbundenen höheren finanziellen Aufwendungen wer-den in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Welche Behandlung ist medizinisch notwendig, welche überflüssig oder vielleicht sogar schädlich?

Weit weniger beachtet werden die Veränderungen, die sich innerhalb der Medizin und im Verhältnis zwischen Medizin und Gesellschaft ergeben haben. Der Arzt hat die paternalistische Rolle verlassen, er ist vom Helfer zum Dienstleister und „Anbieter“ geworden. Behandlungsempfehlungen und medizinische Leistungen

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beruhen häufig nicht mehr auf einer eindeutigen medizinisch definierbaren Indi-kation, sondern auf Nachfrage und Angebot. Der Gesetzgeber hat ein „Wahl- und Wunschrecht“ des Patienten anerkannt. Da die Kosten von der Gemeinschaft, i. Allg. von gesetzlichen oder privaten Versicherungen übernommen werden, wächst die Nachfrage nach medizinischer Expertise. In medizinischen Gutachten wird der gel-tend gemachte Bedarf nach wissenschaftlichen Kriterien – unter Berücksichtigung der gesellschaftlich anerkannten Prämissen – überprüft.

Der medizinische Sachverständige steht nicht selten in öffentlicher Kritik.

Bemängelt wird eine zu große Nähe zu den beauftragenden Sozial- und Privatver-sicherungen. Diese Kritik ist nicht immer unberechtigt. Das Ergebnis einer Begut-achtung darf nicht von der Person des Gutachters abhängen. Das Gutachten ist nach bestem Wissen und Gewissen zu erstatten, es muss objektiv, transparent und auch für den Probanden verständlich sein. Der Sachverständige sollte seine Quellen angeben.

Mit dem von Marcus Schiltenwolf und Markus Schwarz herausgegebenen Lexi-kon „Begutachtung in der Medizin“ steht dem therapeutisch tätigen Arzt und dem Sachverständigen, der häufiger Gutachten verfasst, ein verlässlicher Ratgeber zur Verfügung. Dem Werk ist eine weite Verbreitung zu wünschen.

Klaus-Dieter Thomannim Juni 2013

GeleitwortVI

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Vorwort

Begutachtung ist Medizin im Rechtsrahmen. Der medizinische Sachverständige klärt, welche Krankheiten vorliegen, welche Auswirkungen sie zur Folge haben, wodurch sie verursacht wurden, und beurteilt den Versicherungsfall.

Das liest sich einfacher als danach zu handeln. Wann liegt der Versicherungsfall vor? Gab es Änderungen in den rechtlichen Voraussetzungen? Welche Unterschiede bestehen zwischen Zivilrecht und Sozialrecht und Strafrecht? Die Antworten sind wegen der Vielfältigkeit der Rechtsbedingungen schwer zu finden.

Es war unser Anliegen, Hilfe zu bieten. Die Herausgeber haben sich mit den Autoren dieses Buches auf den weiten Weg gemacht, Rechtsbegriffe, die dem Arbeiten des medizinischen Sachverständigen zugrunde liegen, zu definieren, zu bestimmen, dabei zudem dem Arzt das juristische Deutsch zu übersetzen.

Im Frühling 2013

Marcus SchiltenwolfMarkus Schwarz

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Inhaltsverzeichnis

A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1

B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

D . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

F . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

G . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

H . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

J . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

K . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

L . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273

M . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

N . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297

O . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303

P . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

S . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353

T . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407

U . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417

V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439

W . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459

Z . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475

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Abkürzungsverzeichnis

a. F. alte FassungaaK anspruchsausfüllende KausalitätAB-BUV Allgemeinen Versicherungsbedingungen der

BerufsunfähigkeitsversicherungabK anspruchsbegründende KausalitätAbs. AbsatzAG AktiengesellschaftAGB Allgemeine GeschäftsbedingungenAGW ArbeitsplatzgrenzwertAH Arzthaftung AHP Anhaltspunkte für ärztliche GutachtenAktG AktiengesetzAlg ArbeitslosengeldAMG ArzneimittelgesetzARGE ArbeitsgemeinschaftArbGG ArbeitsgerichtsgesetzAU ArbeitsunfähigkeitAUB Allgemeine UnfallversicherungsbedingungenAufenthG AufenthaltsgesetzÄV Ärztliches VersorgungswerkAVB Allgemeine VersicherungsbedingungenAWMF Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen

Fachgesellschaften

BA Bundesagentur für Arbeit BAFöG BundesausbildungsförderungsgesetzBAG BundesarbeitsgerichtBAK BlutalkoholkonzentrationBAT biologischer ArbeitstoleranzwertbbB besondere berufliche BetroffenheitBBG BundesbeamtengesetzBeamtStG BeamtenstatusgesetzBeamtVG Beamtenversorgungsgesetz (Bund)BEG BundesentschädigungsgesetzBG BerufsgenossenschaftBGB Bürgerliches GesetzbuchBGBl. Bundesgesetzblatt Teil I (Jahrgang entsprechend dem Gesetzesdatum,

Anfangsseite des Gesetzes)BGH BundesgerichtshofBGW biologischer GrenzwertBK BerufskrankheitBKV BerufskrankheitenverordnungBl BehandlungsleitlinieBMA Bundesministerium für Arbeit (und Sozialordnung)BMAS Bundesministerium für Arbeit und SozialesBRD Bundesrepublik DeutschlandBreithaupt Sammlung sozialrechtlicher Entscheidungen Jahrgang entsprechend dem

Gesetzesdatum)BRK UN-Behindertenrechtskonvention BRKG BundesreisekostengesetzBSA BerufsschadensausgleichBSG BundessozialgerichtBSGE Entscheidungssammlung des Bundessozialgerichts

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BT-Drucks. BundestagsdrucksacheBtMV BetäubungsmittelverordnungBU Berufsunfähigkeit BUrlG BundesurlaubsgesetzBUZ BerufsfähigkeitszusatzversicherungBVerfG BundesverfassungsgerichtBVerfGE amtliche Sammlung der Entscheidungen des BVerfG, zitiert nach Band und

SeiteBVerfGG Gesetz über das Bundesverfassungsgericht BVG Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges

(Bundesversorgungsgesetz)

D-Arzt(-Verfahren) Durchgangsarzt(verfahren)DGB Deutscher GewerkschaftsbundDGUV Verband der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e. V.,

Spitzenverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand

DIN Standard des Deutschen Instituts für NormungDKG-NT Tarif der Deutschen Krankenhausgesellschaft – NormaltarifDNA „desoxyribonucleic acid“ („Desoxyribonukleinsäure“)DRiG deutsches RichtergesetzDRV Deutsche Rentenversicherung DSM-IV-TR Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, revision IV

(Diagnostisches und Statistisches Handbuch Psychischer Störungen, 4. Textrevision)

EFZG EntgeltfortzahlungsgesetzEGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte in StraßburgEMRK Europäische MenschenrechtskonventionEntgFG EntgeltfortzahlungsgesetzEp persönliche EntgeltpunkteEStG EinkommensteuergesetzEU Europäische Union bzw. Erwerbsunfähigkeit (je nach Zusammenhang)EuGH Europäischer GerichtshofEWR Europäischer Wirtschaftsraum

FamFG Gesetz über die Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit

FGG Gesetz über die freiwillige GerichtsbarkeitFGO FinanzgerichtsordnungFRG Fremdrentengesetz

GA Gutachten Gb GerichtsbescheidGdB Grad der BehinderungGdS Grad der SchädigungsfolgenGG GrundgesetzGKG GerichtskostengesetzGKV gesetzliche KrankenversicherungGNP Gesellschaft für NeuropsychologieGOÄ Gebührenordnung für ÄrzteGRV gesetzliche RentenversicherungGUV gesetzliche UnfallversicherungGVG GerichtsverfassungsgesetzGVO Gefahrstoffverordnung

Abkürzungsverzeichnis X

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h. M. herrschende MeinunghaK haftungsausfüllende KausalitätH-Arzt An der Heilbehandlung der gesetzlichen Unfallversicherung beteiligter ArzthbK haftungsbegründendende Kausalität HHG HäftlingshilfegesetzHs. Halbsatz

i. d. F. v. in der Fassung vomi. d. G. in der Gestalti. e. S. im engeren Sinnei. o. S. im oben dargestellten Sinne i. V. m. in Verbindung miti. w. S. im weitesten SinneICD-10 International Statistical Classification of Diseases and Related Health

Problems, revision 10 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Aufl.)

ICF International Classification of Functioning, Disability and Health (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit)

i. d. G. in der GestaltIfSG InfektionsschutzgesetzISO Standard der Internationalen Organisation für Normung

JAV JahresarbeitsverdienstJGG JugendgerichtsgesetzJVEG Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz

Kfz KraftfahrzeugKJHG Kinder- und Jugendhilfegesetz KOV KriegsopferversorgungKOVVerfG Gesetz über das Verwaltungsverfahren der KriegsopferversorgungKrad KraftradKSchG KündigungsschutzgesetzKV Kassenärztliche VereinigungKEZ Kindererziehungszeiten

LBVG LandesbeamtenversorgungsgesetzLPartG Lebenspartnerschaftsgesetz LSG LandessozialgerichtLUV (gesetzliche) landwirtschaftliche Unfallversicherung LWS Lendenwirbelsäule

m. W. v. mit Wirkung vomMAK maximale ArbeitsplatzkonzentrationMB/KK Musterbedingungen der KrankheitskostenversicherungMBO-Ä (Muster-) Berufsordnung für ÄrzteMDD Mainz-Dortmunder-Dosis-ModellMdE Minderung der ErwerbsfähigkeitMdG Minderung der GebrauchsfähigkeitMDK Medizinischer Dienst der KrankenversicherungMedR Medizinrecht (juristische Fachzeitschrift)MOE bestimmte mittel- und osteuropäische Beitrittsstaaten der EU, zusätzlich

Zypern, Malta und TürkeiMVZ medizinisches Versorgungszentrum

XIAbkürzungsverzeichnis

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n. F. neue FassungNIOSH National Institute of Occupational Safety and Health (der USA)NJW Neue Juristische Wochenschrift (juristische Fachzeitschrift; zitiert nach

Kalenderjahr und Seite)Nr. Nummer

OEG OpferentschädigungsgesetzÖPNV Öffentlicher PersonennahverkehrOWiG Ordnungswidrigkeitengesetz

PCR „polymerase chain reaction“ (Polymerasekettenreaktion)PKH Prozesskostenhilfe PKV private KrankenversicherungPV Patientenverfügung

Raf Rentenartfaktor REFA ehem. Reichsausschuss für Arbeitsstudien, heute Verband für

Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung e. V. RöVO RöntgenverordnungRVO Rechtsverordnung bzw. Reichsversicherungsordnung (je nach

Zusammenhang)

S. SatzSED Sozialistische Einheitspartei DeutschlandsSf Schädigungsfolge SG SozialgerichtSgb Sozialgerichtsbarkeit SGB Sozialgesetzbuch (röm. Zahl = Ordnungszahl des Buches)SGG SozialgerichtsgesetzSHT Schädel-Hirn-TraumaSozEntschR soziales EntschädigungsrechtStA Staatsanwalt(schaft)StGB StrafgesetzbuchStPO StrafprozessordnungSTR „short tandem repeat“StrRehaG StrafrechtsrehabilitierungsgesetzStrSchV Strahlenschutzverordnung StVG StraßenverkehrsgesetzStVO StraßenverkehrsordnungStVollzG StrafvollzugsgesetzSV Sachverständiger bzw. Sicherungsverwahrung (je nach Zusammenhang)SVG Soldatenversorgungsgesetz

TAD Technischer AufsichtsdienstTA-Luft Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft des Bundesministeriums für

Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitTbc TuberkuloseThUG TherapieunterbringungsgesetzTRGS technische Regeln für GefahrstoffeTRK technische Richtkonzentration

UStG UmsatzsteuergesetzUVTr UnfallversicherungsträgerUVV Unfallverhütungsvorschrift

Abkürzungsverzeichnis XII

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v. H. VomhundertsatzVDI Verein Deutscher Ingenieure bzw. Standard des Vereins Deutscher

IngenieureVdK Sozialverband VdK Deutschland e. V.VerwVfG VerwaltungsverfahrensgesetzVfG-KOV Gesetz über das Verwaltungsverfahren der KriegsopferversorgungVG versorgungsmedizinische Grundsätze bzw. Versorgungsmedizin-

Verordnung (je nach Zusammenhang)VO VerordnungVV VerwaltungsvorschriftVVaG Versicherungsverein auf GegenseitigkeitVVG VersicherungsvertragsgesetzVwGO VerwaltungsgerichtsordnungVwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz

WDB Wehrdienstbeschädigung WfB Werkstätte für behinderte MenschenWHO World Health Organization (Weltgesundheitsorganisation)WLM „working level months“ WS WirbelsäuleWStG Wehrstrafgesetz

Z. n. Zustand nachZDG Gesetz über den Zivildienst der KriegsdienstverweigererZPO Zivilprozessordnung

XIIIAbkürzungsverzeichnis

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Mitarbeiterverzeichnis

Herausgeber

Schiltenwolf, Marcus, Prof. Dr. med. Leiter der GutachtenambulanzDepartment Orthopädie, Unfallchirurgie und ParaplegiologieUniversitätsklinikum HeidelbergSchlierbacher Landstraße 20069118 [email protected]

Schwarz, Markus, Dr. med.Psychiatrisches Zentrum NordbadenAllgemeinpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik IHeidelberger Straße 1a69168 [email protected]

Autoren

Gaidzik, Peter W., Prof. Dr. med.Rechtsanwälte Hast Maus GaidzikMünsterstr. 959065 [email protected]

Mueller, Walfried R., Direktor des Amtsgerichts Wiesloch a. D. Hans-Thoma-Str. 1069168 [email protected]

Petruschka, Wolfgang, Vizepräsident des Sozialgerichts Mannheim i. R.Schillerstraße 2869168 [email protected]

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Abartigkeit, schwere seelische (§ 20 StGB)

Definition

Eine der in § 20 StGB aufgezählten psychischen Ursachen, die zu einer Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit eines Straftäters führen können (→ Schuldfähigkeit), wenn es sich um eine solche „schwerer, seelischer“ Art handelt.

z Abgrenzung und BeispieleDer Begriff ist kein medizinisch-diagnostischer, sondern ein Rechtsbegriff. Es handelt sich um einen Sammelbegriff, unter dem alle psychischen Störungen erfasst werden, die nicht unter die in § 20 StGB aufgezählten Merkmale einer möglichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit, nämlich krankhafte seelische Störung, tiefgreifende Bewusstseinsstörung oder Schwachsinn fallen. Die diagnostische Einordnung in Fallgruppen und Erscheinungsformen der Abartigkeit sind im Einzelnen umstritten. Am ehesten lassen sich stoffgebundene und nicht stoffgebun-dene Suchtstörungen, Triebstörungen und sonstige Persönlichkeitsstörungen unterscheiden. Rechtsprechung und Literatur haben sich unter dem Gesichtspunkt einer schweren seelischen Abartigkeit mit einer Vielzahl einzelner psychischer Störungen befasst. Als forensisch relevant sind z. B. zu nennen:- Abhängigkeiten i. S. stoffgebundener Suchterkrankungen, namentlich Alkohol-, Betäu-

bungsmittel- und Medikamentenabhängigkeit, - Störungen der Impulskontrolle wie Spielsucht, Kleptomanie, Pyromanie, gravierende Persönlichkeitsstörungen (z. B. dissoziale, narzisstische, vom Borderline-Typus),- Störungen der Sexualpräferenz wie Pädophilie, Fetischismus und sexuelle Hörigkeit.

z RechtsfolgenAus den genannten Diagnosen und Symptombeschreibungen, die bei Weitem nicht vollstän-dig sind, kann für sich allein nicht geschlossen werden, dass unter ihrem Einfluss begangene Straftaten zu einer relevanten Aufhebung oder Minderung der Schuldfähigkeit i. S. der §§ 20, 21 StGB führen. Es kommt für die Beurteilung der „Schwere“ der Störung auf deren Inhalt und Ausprägung im Einzelfall an. Entscheidend ist jeweils, ob die Abweichung zu einer schweren umfassenden Persönlichkeitsdeformierung geführt hat und ob die Beeinträchtigung in ihren konkreten Auswirkungen auf die intellektuellen und emotionalen Persönlichkeitsanteile die Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit derart stark einengt, dass der Täter die Kraft zu einem normgemäßen Verhalten nicht oder nur eingeschränkt aufzubringen vermag. Im Mittelpunkt der Beurteilung im Einzelfall, die ohne Zuziehung eines Sachverständigen in der Regel nicht

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A

M. Schiltenwolf, M. Schwarz (Hrsg.), Lexikon – Begutachtung in der Medizin, DOI 10.1007/978-3-642-17602-9_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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N

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P

Q

R

möglich ist, steht damit die Bewertung des Merkmals „schwer“. Die schwere seelische Abar-tigkeit führt, wenn sie nicht die Schuldfähigkeit ausschließt, regelmäßig zu einer erheblich verminderten → Steuerungsfähigkeit.

Abfindung

z In sozialrechtlichem SinnHauptsächlich: kapitalisierte Einmalzahlungen bei oder mit Beendigung eines Anspruchs auf monatliche Rentenzahlung, deren Voraussetzungen eingehend einzeln geregelt sind.

Im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung werden nur Hinterbliebenenrenten an Ehe- oder Lebenspartner abgefunden (§ 107 SGB VI). Dieser Anspruch steht dem überlebenden Partner bei der ersten Wiederheirat oder der erstmaligen Begründung einer Lebenspartner-schaft nach einer Ehe oder Lebenspartnerschaft zu, obwohl der Hinterbliebenenrentenanspruch bereits mit Eingehen der neuen Ehe/Partnerschaft erlischt.

Nach der ähnlichen Regelung des § 80 SGB VII erlischt in der GUV im Gegensatz mit der A. der Anspruch auf eine regelmäßige Rentenzahlung endgültig oder befristet.

Ist beispielsweise zu erwarten, dass nur eine vorläufige → Entschädigung zu zahlen ist, kann der voraussichtliche Rentenaufwand als → Gesamtvergütung in einer Summe abgefunden werden (§ 75 SGB VII). Nach Ablauf des Zeitraums, für den die Gesamtvergütung gezahlt wor-den ist, ist auf Antrag erneut Rente zu bewilligen, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen.

Unterschiedlich geregelt ist die A. von → Renten auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um (einzeln oder additiv) weniger („kleine Rente/n“) oder mehr als 40 v. H. (§§ 76 f. und 78 f. SGB VII). Die A. einer oder aller regelmäßig zu zahlenden (nicht ruhenden und auch nicht an Dritte abzuführenden) kleinen Rente/n kann auf Antrag an den Rentner in einem Betrag erfolgen, wenn mit einem wesentlichen Sinken der MdE nicht zu rechnen ist. Bei der Ausübung des bei der Entscheidung auszuübenden pflichtgemäßen Ermessens darf der Unfall-versicherungsträger zudem persönliche Verhältnisse des Rentners berücksichtigen, wie z. B. eine geringe Lebenserwartung, das Angewiesensein auf die laufende Rente zur Vermeidung von Sozialhilfebdürftigkeit oder zu erwartende Nichterfüllung von Unterhaltspflichten bei Wegfall der laufenden Leistung, und dies als Grund für die Ablehnung des Abfindungsantrags benutzen.

Der Kapitalwert der A. ist hier durch die VO über die Berechnung des Kapitalwerts bei A. von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach Lebensalter des Rentners und seit dem Versicherungsfall verstrichener Zeit geregelt. Die abgefundene/n Rente/n erlöschen mit Ablauf des Monats der → Bekanntgabe des Abfindungsbescheids. Kommt es nach der A. aufgrund einer wesentlichen Verschlimmerung im Einzelnen zu einer höheren MdE, dann be-steht ein erneuter monatlicher Rentenauszahlungsanspruch (nur) hinsichtlich der zusätzlichen MdE für den Verschlimmerungsanteil (§ 76 Abs. 3 SGB VII). Wird der Versicherte dagegen nachträglich sogar → Schwerverletzter, lebt auf seinen Antrag die Rente in vollem Umfang wieder auf; die Abfindungssumme ist unter Beachtung bestimmter Anrechnungsmodalitäten bei der aufgelebten Rente zu berücksichtigen (§ 77 SGB VII).

Bei Versicherten mit Anspruch auf eine oder mehrere Renten auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um (ggf. auch additiv) mehr als 40 v. H. kann eine oder können alle Rente/n bis zur Hälfte für (bis zu) 10 Jahre abgefunden werden, wenn der Rentner das 18. Lebensjahr voll-endet hat und ebenfalls kein wesentliches Absinken der MdE zu erwarten ist. Bei der Prüfung der Bewilligung ist eine Ermessensausübung wie bei den „kleinen Renten“ geboten. Hier hat der Gesetzgeber selbst die Abfindungssumme auf 9 Jahresrenten festgelegt (§§ 78 f. SGB VII).

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Für die Dauer des 10-Jahres- (oder ggf. auch eines konkret geringeren) Zeitraums erlischt die abgefundene Rente in Höhe des abgefundenen Teils mit Ablauf des Monats der Auszahlung; nach Ablauf des Zeitraums lebt der abgefundene Teil wieder auf. Zwischenzeitlich eingetretene Veränderungen, die bei der A. unberücksichtigt bleiben, sind erst bei der aufgelebten Rente zu berücksichtigen.

Den Begriff der A. benutzen UVTr schließlich noch in „Abfindungsbeitragsbeschei‑den“. Dort umfasst die A. den festgesetzten abschließenden Beitrag des Unternehmers bei einem Wechsel in der Person des Unternehmers oder bei Einstellung des Unternehmens (§ 164 Abs. 2 SGB VII).

Das SozEntschR kennt die A. ebenfalls nur an bisherige Bezieher einer „Witwen- oder Lebenspartnerrente“ für den Fall ihrer Wiederverheiratung bzw. Eingehung einer Lebenspart-nerschaft. Die A. ist in § 44 BVG mit zahlreichen von der obigen Darstellung abweichenden Details, z. B. zur Höhe (das 50-Fache der monatlichen Grundrente), geregelt.

z In arbeitsrechtlichem SinnFinanzielle Entschädigung eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber für den Verlust seines sozialen Besitzstandes (z. B. durch Arbeitgeberkündigung des Arbeitsverhältnisses eingetretener Verlust des Arbeitsplatzes), in der Regel gestaffelt nach der Dauer des Beschäftigungsverhält-nisses, u. U. bis maximal 18 Monatsgehälter.

Der Anspruch kann beruhen auf- privater Vereinbarung, - gerichtlicher Festlegung (bei Auflösung des nicht weiter zumutbaren Arbeitsverhältnisses durch das Arbeitsgericht – § 9 Kündigungsschutzgesetz), - einem Tarifvertrag, - einem Sozialplan wegen Betriebsänderung oder einem Verstoß des Arbeitgebers gegen einen Interessenausgleich (= schriftliche Vereinbarung zwischen Unternehmer und Be-triebsrat zur Harmonisierung gegensätzlicher Interessen, insbesondere zur Vermeidung, wenigstens der Milderung der sich aus der Betriebsänderung ergebenden Nachteile bei den Arbeitnehmern – §§ 111 ff. Betriebsverfassungsgesetz) oder- einer Zusage bei einer betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung, wenn der Arbeitnehmer von einer Kündigungsschutzklage absieht (§ 1a KSchG).

Die A., die wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird oder auf die ein Anspruch besteht, führt ggf. zum Ruhen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld von längstens einem Jahr. Dies verschiebt nur den Beginn des Arbeitslosengeldes, hat aber keinen Einfluss auf die Leis-tungsdauer (§ 143a SGB III).

z In zivilrechtlichem SinnVereinbarte Leistungen (in der Regel Geldzahlungen) zur Erledigung von insbesondere Scha-densersatzansprüchen (vgl. z. B. § 843 Abs. 3 BGB) für Vergangenheit und/oder Zukunft zwi-schen Schuldner (Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer) und Gläubiger (Geschädigter oder dessen Hinterbliebenen).

Beispielhaft ist zu erwähnen, dass im Rahmen des Ausgleichs von Rentenansprüchen bei Ehescheidung zukünftige Ausgleichsansprüche durch eine A. ausgeglichen werden können (§ 1587 l BGB1).

1 Zur Klarstellung: gemeint ist § 1587 lit. l BGB (nicht Nummer „1“).

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Abstammungsgutachten (AG)

Zweck des AG ist es, eine vermutete Verwandtschaftsbeziehung festzustellen oder auszuschlie-ßen.

z TechnikenWaren früher Vergleiche anthropologischer Merkmale oder Untersuchungen an Blutzellen gebräuchlich, haben sich in den beiden letzten Jahrzehnten gentechnische Diagnosetechniken als Standard durchgesetzt. Der „genetische Fingerabdruck“ macht sich den Umstand zunutze, dass die menschliche Erbsubstanz (DNA) überwiegend nicht proteinkodierende, aber für jede Person unterschiedliche und damit charakteristische Bereiche enthält.

Die Vaterschaft ist i. S. eines → Vollbeweises für derartige AG „praktisch erwiesen“, wenn der Grad an Wahrscheinlichkeit einen Wert von 99,9 % erreicht oder übersteigt.

In der heute gebräuchlichen STR-Analyse (STR = „short tandem repeat“) werden aus Mund-schleimhautabstrichen der Beteiligten zunächst geringe Mengen an DNA isoliert, sodann be-stimmte Abschnitte mittels PCR-Technik vervielfältigt und schließlich elektrophoretisch aufge-trennt. Da die entsprechenden DNA-Abschnitte bei jedem Menschen unterschiedlich lang sind, resultiert hieraus ein individuelles, unverwechselbares Bandenmuster, sodass eine Vaterschaft sicher (zu 100 %) ausgeschlossen oder mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit positiv bestätigt werden kann.

z Gesetzlicher RahmenDie inhaltlichen und technischen Anforderungen an die Durchführung von AG finden sich in den „Richtlinien für die Erstattung von Abstammungsgutachten“ der Bundesärztekammer. Auftraggeber von AG sind Gerichte, Behörden oder Privatpersonen. Das Familienrecht ist um eindeutige statusrechtliche Zuordnungen bemüht und lässt folgerichtig eine Anfechtung der Vaterschaft nur ausnahmsweise und nur innerhalb bestimmter Fristen zu (§§ 1592–1600e BGB).

Mit den neuen Techniken ist hingegen die Klärung verwandtschaftlicher Beziehungen jederzeit und einfach möglich. Um dem daraus resultierenden Wildwuchs „heimlicher Va-terschaftstests“ zu begegnen, wurde mit dem „Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhän-gig vom Anfechtungsverfahren“ vom 26.03.2008 ein gesetzlicher Rahmen geschaffen, um den Grundrechtsbelangen der Beteiligten, insbesondere aber auch dem Wohl des betroffenen Kindes Rechnung zu tragen.

Abweg

Definition

Es handelt sich als Unterfall der Unterbrechung (→ Wegeunfall) um einen privat veranlass-ten Wegteil unter Verlassen der versicherten Wegrichtung (Ziele: Arbeitsort oder Wohnung) eines sonst in der → gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Weges (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII).

Während der Fußgänger bei der Zurücklegung eines versicherten Weges die Seite des nutzbaren Verkehrsraums frei wählen darf, beginnt die Unterbrechung bei Benutzung eines Verkehrsmit-

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tels bereits mit dem Ab- oder Aussteigen, wenn dies nicht mehr der Fortbewegung zum Wegziel dient (neue Rechtsprechung seit dem BSG-Urteil vom 9.12.2003 – B 2 U 23/03 R). Schon mit dem Verlassen eines Verkehrsmittels aus privaten, mit der direkten Zurücklegung des Weges nicht zusammenhängenden Gründen und ungeachtet der Länge des A. entfällt auf diesem der Versicherungsschutz (→ Wegeunfall, → Umweg). Das Absteigen vom Fahrrad, um dieses auf dem „unmittelbaren“ Weg z. B. gegen eine Einbahnstraßenrichtung zu schieben, ist dagegen unschädlich.

Es liegt selbst dann ein unversicherter Abweg vor, wenn zurückgefahren wird, um der (pri-vaten) Pflicht zur Feststellung einer etwaigen Unfallbeteiligung zu genügen. Der Versicherungs-schutz lebt erst wieder auf, wenn der Weg zum ursprünglichen Ziel erneut aufgenommen wird.

Zu den gesetzlich geregelten Fällen des § 8 Abs. 2 Nr. 2–5 SGB VII, auf denen trotz nicht unmittelbaren Weges Versicherungsschutz dennoch bestehen bleibt, s.  Darstellung unter → Umweg.

Affektdelikt

Definition

Straftaten, die nicht willensmäßig gesteuert, sondern durch Gemütsbewegung veranlasst, also im Affekt begangen werden.

z Abgrenzung und RechtsfolgenEin hochgradiger Affektzustand kann zu einer → Bewusstseinsstörung und bei einer in einem solchen Affekt begangenen Straftat zu einer Schuldunfähigkeit oder erheblich eingeschränk-ten Schuldfähigkeit führen, wenn der Täter affektbedingt unfähig ist, nach noch vorhandener Unrechtseinsicht zu handeln, oder wenn diese Fähigkeit erheblich vermindert ist (→ Schuld-fähigkeit).

Der Begriff des Affekts ist unspezifisch und umfasst eine Vielzahl normalpsychologischer Erlebnis- und Reaktionszustände, ohne bedeutsame Auswirkungen auf die Impulssteuerung eines Täters zu haben. Der Anerkennung eines die Schuld ausschließenden Affekts kommt deshalb ein Ausnahmecharakter zu, während Affektzustände mit einer lediglich schuldein-schränkenden Wirkung in wesentlich weiterem Umfang anerkannt werden. Schuldrelevant sind durchweg die sog. asthenischen Schuldeffekte, bei denen die Handlungen eines Täters aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken erfolgen. Die praktische Bedeutung des hochgradigen Affekts beschränkt sich fast ganz auf Gewalttaten und hier wiederum auf den Bereich der Tö-tungsdelikte.

z „Vorverschulden“ und VerschuldensprüfungNach der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung ist bei der rechtlichen Beurteilung eines hochgradigen Affekts als einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung ein mögliches „Vorver-schulden“ des Täters bedeutsam. Die vorzunehmende Verschuldensprüfung betrifft die Genese des unmittelbar die Straftat auslösenden Affekts, nämlich die Frage, ob der Täter in schuldhafter Weise (vorsätzlich oder fahrlässig) den zur Bewusstseinsstörung führenden Affektprozess her-beigeführt hat. Nach der Rechtsprechung gleicht die vorwerfbare Herbeiführung des Affekts ein Schulddefizit bei der Straftat in der Weise aus, dass eine affektbedingte verminderte Tatschuld

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durch die schuldhafte Herbeiführung des Affekts ausgeglichen wird. Entgegen der herrschen-den Meinung ist der verschuldete Affekt nach den Grundsätzen der actio libera in causa zu beurteilen (→ Schuldfähigkeit). Das führt dazu, dass eine Bestrafung wegen einer vorsätzlichen Affekttat nur in Betracht kommt, wenn der Täter selbst den zur Bewusstseinsstörung führenden Prozess vorsätzlich herbeigeführt hat.

Aggravation

Definition

(lat. aggravare: schwerer machen)Bewusst übertriebene Demonstration von vorhandenen Krankheitssymptomen.

Abzugrenzen von einer geradezu der Begutachtungssituation immanenten „normalen“ Ver‑deutlichungstendenz des Probanden, der vorausschauend der Gefahr begegnen möchte, dass eine reale Symptomschilderung zu einer Bagatellisierung seines Leidenszustands durch den Gutachter führt, andererseits von der → Simulation.

Das Gegenteil, also das bewusste Herunterspielen von Krankheitssymptomen durch den Probanden, wird als Dissimulation bezeichnet.

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Siehe → Arbeitsplatzgrenzwert.

Aktengutachten

(syn. → Gutachten nach Aktenlage)Es handelt sich um eine vom Auftraggeber gewollte oder sich aus der Natur der Sache erge-

bende gutachtliche Sachverhaltsklärung durch einen → Sachverständigen allein auf der Grund-lage ihm zur Verfügung gestellter oder beizuziehender Akten/Unterlagen. Gewollt kann dies z. B. sein, wenn sich in bereits vorliegenden Gutachten bei (unstreitig) feststehenden Befunden widersprechende Beurteilungen (z. B. des Ursachenzusammenhangs oder der Leistungsfähig-keit) befinden, die durch ein weiteres Gutachten (i. S. auch eines nicht in allen Gerichtszweigen – so z. B. in der Sozialgerichtsbarkeit – so bezeichneten sog. „Obergutachten“, das bei einem der widersprechenden Gutachten eingeholt werden kann, um den Sachverhalt defintiv ermitteln, ohne dass ihm schon an sich ein höherer Beweiswert zukäme) zu klären sind. Aus der Natur der Sache ergibt sich die Notwendigkeit eines Aktengutachtens, wenn ein Proband nicht (mehr) zur Verfügung steht und ihn betreffende Beurteilungen deshalb nur aus dem Akteninhalt abgeleitet werden können.

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Allgemeinverfügung

Definition

→ Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft (§ 31 S. 2 SGB X, § 35 S. 2 VwVfG).

Damit regelt oder gestaltet auch die A. einen konkreten Einzelfall, bezeichnet jedoch die davon Betroffenen nur generell und nicht individuell. Erforderlich ist allerdings, dass der insofern be-reits bestimmte oder jedenfalls bestimmbare Personenkreis erkennen kann, dass er von der A. betroffen ist.

Amtsermittlungsgrundsatz

Definition

(syn. Untersuchungsgrundsatz, Inquisitionsmaxime)Verpflichtung von Gericht, Staatsanwaltschaft oder Behörde/Sozialversicherungsträger, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt in einem anhängigen Verfahren von Amts wegen – d. h. nicht erst auf diesbezügliche Anregung/Antrag eines Verfahrensbeteiligten, die aber durchaus zu beachten sind – selbstständig, objektiv und soweit wie möglich umfassend unter Wahrnehmung aller in Betracht kommenden Beweismittel nach pflichtgemäßem Ermessen bis zur durch das Verfahrensziel bestimmten Entscheidungsreife zu klären. Bei den Ermittlungen ist der Betroffene durchaus heranzuziehen (für die Sgb: § 103 SGG). Es gilt hier der Grundsatz der materiellen Wahrheit.

z GeltungsbereichVom A. beherrscht sind v. a. das Sozial-, Straf- und Verwaltungsrecht im (auch vor-)gerichtli-chen Verfahren (vgl. z. B. § 103 SGG, § 86 Abs. 1 VwGO, § 26 Abs. 1 FamFG). Ausnahmsweise gilt der A. auch im Zivilprozess, wenn der Streitgegenstand aufgrund des öffentlichen Interesses eine vom Vorbringen der Parteien unabhängige Sachaufklärung gebietet, so in Aufgebots-, Kindschafts-, Ehe- und Partnerschaftssachen (Einschränkungen des Grundsatzes in Schei-dungs- und Vaterschaftsanfechtungsverfahren gem. §§ 127, 177 FamFG). Die Verletzung des A. stellt einen Verfahrensmangel dar.

Während im Sozial- und Verwaltungsrecht die Nachforschungen erst im (auf Antrag oder ohne diesen bei zulässiger Nachprüfung) eröffneten (zumindest Verwaltungs-)Verfahren erfol-gen dürfen, sind Polizei und Staatsanwaltschaft bei jeglichem Verdacht auf eine Straftat (nicht jedoch aufgrund bloßer Vermutung oder purer Möglichkeit) berechtigt und verpflichtet, ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren einzuleiten. Dabei können die letztgenannten Stellen den Untersuchungs- und Beweisgegenstand frei bestimmen. Im Sinne der gebotenen objektiven Sachverhaltsermittlung sind alle Umstände zu klären, die den Beschuldigten sowohl be- als auch entlasten.

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Der A. ist im Sozialgerichtsverfahren durch die Möglichkeit des Klägers durchbrochen, gem. § 109 SGG die Einholung eines Gutachtens vom Arzt seines Vertrauens (→ Sachverstän-diger) zu beantragen. Eine Durchbrechung folgt auch aus den Präklusionsvorschriften der §§ 106 a, 157a SGG für das Gericht; danach können Tatsachen und Beweismittel, die das Gericht dem Kläger zu benennen oder beizubringen aufgegeben hat, zurückgewiesen werden, und es kann ohne weitere Ermittlungen entschieden werden, wenn der Maßgabe unentschuldigt nicht rechtzeitig entsprochen wurde (→ Sozialgerichtsverfahren).

Modifiziert wird der A. auch in sozialgerichtlichen Verfahren gegen die private Pfle‑geversicherung, sofern vertraglich zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer das sog. Sachverständigenverfahren vereinbart ist. Ist dieses Verfahren wirksam vereinbart und vor dem Gerichtsverfahren korrekt durchgeführt worden, dann ist die Feststellung des Sachver-ständigen bezüglich der Pflegebedürftigkeit nach § 84 VVG verbindlich. Eine Überprüfung dieser Feststellung ist durch das Sozialgericht trotz des ihn treffenden A. nur zulässig, wenn die gutachtlich getroffene Feststellung von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht oder der Sachverständige die Feststellung nicht treffen kann, will oder sie verzögert.

Allgemein steht der A. einer gewissen Dispositionsmöglichkeit der sozialgerichtlichen Ver-fahrensbeteiligten, z. B. hinsichtlich des Antrags auf Ruhen des Verfahrens, nicht entgegen.

z ZivilprozessrechtIm Gegensatz dazu steht das (mit den oben genannten Ausnahmen) vom formellen Wahrheits‑begriff beherrschte Zivilprozessrecht. Nach der dort geltenden Dispositionsmaxime können die Verfahrensbeteiligten den zu klärenden Sachverhalt allein bestimmen. Sie sind aufgrund des Verhandlungs-/Beibringungsgrundsatzes zudem verpflichtet, den Prozessstoff zu beschaf-fen. In einem Prozess, auf den ausschließlich die ZPO anzuwenden ist, darf das Gericht vor-behaltlich spezieller Vorschriften nur über den von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt entscheiden; es muss jedoch offenkundige Verletzungen der Wahrheitspflicht bei der Beweis-würdigung berücksichtigen. Weitere Grenzen der Beschränkung des Gerichts ergeben sich aus der gebotenen Wahrung des verfassungsmäßig geschützten Gebots des rechtsstaatlichen und fairen Verfahrens.

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Änderung, wesentliche (w. Ä.)

Definition

Voraussetzung für eine Neufeststellung i. w. S. (daher z. B. auch der Leistung an sich) v. a. im Sozialrecht gegenüber einer positiven bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung (auch Vergleich oder Anerkenntnis) mit Dauerwirkung zur Anpassung an die zwischenzeitlich geänderte aktuelle Sach- und/oder Rechtslage (Vorrang der jetzt richtigen Entscheidung gegenüber der → Bestands- oder Rechtskraft). Vergleichsbasis zur Prüfung der w. Ä. sind die in Wirklichkeit zzt. der früheren Entscheidung objektiv vorliegenden, nicht etwa die damals angenommenen Verhältnisse. Wesentlich ist eine Änderung im Sachverhalt (Besse-rung oder Verschlechterung der maßgeblichen Verhältnisse) oder in der Rechtslage (auch durch geänderte Rechtsprechung), wenn die frühere Entscheidung jetzt nicht mehr oder nicht mehr so getroffen werden dürfte.

Bei Feststellungen im Zusammenhang mit der → Gesamt-MdE (d. h. auch bei Renten)/dem → Gesamt-GdS/-GdB liegt eine w. Ä. immer vor, wenn der jeweilige Ansatz wegen der Änderung der Verhältnisse um mehr als 5 (v. H.) höher oder niedriger als früher anzuneh-men ist.

Die bei der Einschätzung solcher Gesamtansätze intern berücksichtigten Teilansätze sind rechtlich nicht bindend. Eine w. Ä. der Teilansätze bedingt also nicht zwingend einen höheren Gesamtansatz. Eine rechtlich w. Ä. liegt z. B. aber selbst dann vor, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse zwar beim Betroffenen nicht geändert haben, jedoch eine bei der ursprünglichen Entscheidung vorbehaltene → Heilungsbewährung eingetreten ist oder bei gleich bleibender Pflegebedürftigkeit (→ Pflegestufen) eines Kindes dieselbe gleichaltriger anderer (nicht behin-derter) Kinder abgenommen hat.

Das erstmalige Erreichen z. B. einer/s rentenberechtigenden MdE/GdS oder eines feststel-lungsfähigen GdB aufgrund einer um nur 5 höheren Ansatzes als früher bei einer Ablehnung angenommen ist mangels früher erfolgter verbindlicher Feststellung keine Frage der w. Ä. ge-genüber einer früheren Ablehnung. Liegen nur die verbindliche Ablehnung einer Feststellung oder einer Leistungsbewilligung vor, bedarf es zur positiven Neufeststellung nicht des Nachwei-ses einer w. Ä. gegenüber dem Zustand zzt. der Ablehnung, ebenso wenig bei einzelnen gesetz-lich vorgesehenen Neufeststellungsmöglichkeiten (so etwa nach vorläufiger → Entschädigung im Recht der GUV, § 62 Abs. 2 S. 2 SGB VII). Keine w. Ä. stellen z. B. neuere medizinische Erkenntnisse oder Beurteilungen (z. B. neue Einschätzungsrichtlinien/-empfehlungen, s. auch → Anhaltspunkte, → versorgungsmedizinische Grundsätze) dar, auch wenn sie die Unrichtigkeit der damaligen Feststellung indizieren.

z Dauer Im Sozialrecht berechtigt je nach Rechtsgebiet u. a. erst eine bestimmte Dauer der w. Ä. zu ei-ner Neufeststellung; sie ist sogar verboten, wenn die w. Ä. in einer gesundheitlichen Änderung besteht. So muss die w. Ä. im → sozialen Entschädigungsrecht oder → Schwerbehinderten-recht mehr als 6 Monate anhalten. Ausgeschlossen ist im sozialen Entschädigungsrecht die Herabsetzung einer Rente aufgrund einer medizinisch begründeten Herabsetzung des GdS in der Regel innerhalb von 2 Jahren nach Bekanntgabe des letzten Bewilligungsbescheids. Ab Vollendung des 55. Lebensjahrs darf der GdS (und damit die Rente) eines Beschädigten nicht

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mehr herabgesetzt werden, wenn der bisherige GdS (früher: MdE) unverändert über wenigstens 10 Jahre Bestand hatte.

Ebenso ausgeschlossen ist für diesen Personenkreis die Herabsetzung der Stufe der Schwerstbeschädigtenzulage bei 10-jährigem Bestand der Stufe (§ 62 BVG). Dagegen dürfen im gesetzlichen Unfallrecht vorläufige Entschädigungen jederzeit und ungeachtet der Dauer der Änderung neu festgestellt werden; bei Renten auf unbestimmte Zeit ist eine w. Ä. von mehr als 3 Monaten erforderlich. Je nach Rechtsgebiet erfolgt die Neufeststellung z. B. ab Antragstellung, ggf. aber auch schon davor ab erwiesener w. Ä.

z Unrichtige frühere FeststellungGrundlegende sozialrechtliche Vorschrift bezüglich der Neufeststellung wegen w. Ä. ist neben vorgehenden spezialgesetzlichen Regelungen § 48 SGB X. Nach dessen Abs. 3, der von der entscheidenden Stelle geltend zu machen ist, führt bei nicht mehr änderbarer unrichtiger überhöhter früherer Feststellung auch eine tatsächliche w. Ä. nicht zwangsläufig zu einer höheren Neufeststellung. Wegen der zu beachtenden Verbindlichkeit der überhöhten Fest-stellung/Leistung ist diese „eingefroren“, bis objektiv durch Änderung eine andere (für den Betroffenen positivere) Entscheidung gerechtfertigt ist. Ausgangspunkt für die Prüfung ist also zunächst nicht der formell „eingefrorene“ Zustand. Ausgehend von den tatsächlichen (aber damals nicht korrekt berücksichtigten) Gegebenheiten zum Zeitpunkt der maßgebli-chen Entscheidung erlaubt die demgegenüber eingetretene w. Ä. eine höhere Neufeststellung/Leistung erst dann, wenn dadurch ein Zustand erreicht ist, der über das hinausgeht, was zu Unrecht festgelegt war. Rechtfertigt eine w. Ä. dies noch nicht, dann verbleibt es bei der „eingefrorenen“ Feststellung.

z Änderung im ZivilrechtSoweit im Zivilrecht Kapitalbeträge geleistet werden, sei es aufgrund eines (vorwerfbar) schä-digenden Ereignisses im Haftpflichtrecht, sei es aufgrund eines Versicherungsvertrags (z. B. Invaliditätsleistung in der privaten Unfallversicherung), kann eine auch w. Ä. keine Auswir-kungen auf das endgültig abgewickelte Leistungsverhältnis haben. Weder kommt in einem solchen Fall eine Nachforderung des Geschädigten/Versicherten bei Verschlechterung noch ein Rückzahlungsanspruch des Schädigers/Versicherers bei Besserung der gesundheitlichen Situation in Betracht.

Anders dort, wo wiederkehrende (Renten-)Zahlungen Leistungsinhalt sind. Sinkt etwa die Beeintrachtigung der Berufsfähigkeit unter die vertraglich festgelegte Schwelle in der Berufs-unfähigkeitsversicherung, so entfällt eine weitere Leistungspflicht des Versicherers.

Ähnliches gilt für Schmerzensgeldrenten oder Renten für entgangenen Verdienst. Treten hier Änderungen im Zustand des Betroffenen ein, die eine höhere oder geringere Kompensa-tionsleistung rechtfertigen (z. B. der Verdienstentgang wäre aufgrund einer zwischenzeitlichen Erkrankung ohnehin eingetreten oder die gesundheitliche Schädigung hat sich infolge von Komplikationen verschlimmert), können Geschädigter/Schädiger für die Zukunft die Herab- bzw. Heraufsetzung der geschuldeten Leistung verlangen.

Die entsprechende – allgemeine – prozessuale Regelung findet sich in § 323 ZPO (Abän-derungsklage): Tritt im Falle der Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen eine w. Ä. derjenigen Verhältnisse ein, die für die Verurteilung zur Entrichtung der Leistungen, für die Bestimmung der Höhe der Leistungen oder der Dauer ihrer Entrichtung maßgebend waren, so ist jeder Teil berechtigt, im Wege der Klage eine entsprechende Abän-derung des Urteils zu verlangen. Die Klage ist nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf die sie

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gestützt wird, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der eine Erweiterung des Klageantrages oder die Geltendmachung von Einwendungen spätestens hätte erfolgen müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.

Die → Beweislast für eine derartige w. Ä. in den Verhältnissen trägt – in allen Rechtsberei-chen – derjenige, zu dessen Gunsten sich dieser Umstand auswirken würde.

Anerkenntnis

Definition

Eindeutige und unbedingte Erklärung oder Handlung einer Person, mit der das Bestehen eines Rechts eines Anderen gegen den Anerkennenden verbindlich zugestanden oder erklärt wird, dass ein Recht gegen einen Anderen nicht besteht (Anerkennung eines An-spruchs).

z AnwendungsbereichDas A. ist wirksam nur in Rechtsbereichen möglich, wo der Anerkennende selbst über das be-treffende Recht disponieren, d. h. ein solches rechtsverbindlich bejahen oder verneinen kann. Ein A. ist daher beispielsweise bei der Feststellung der Nichtigkeit einer Ehe, bei der Bestellung eines Betreuers oder im Strafprozess ausgeschlossen. Je nach Rechtsgebiet wird das A. darüber hinaus unterschiedlich eingeordnet und hat unterschiedliche Folgen. Im Zivilrecht hängt die Wirksamkeit des A. davon ab, dass die anerkennende Person geschäftsfähig ist; im Rechtsstreit muss die erklärende Person prozess- und postulationsfähig sein (d. h. ihr muss als Partei/Betei-ligtem erlaubt sein, wirksam Erklärungen im Prozess abzugeben, was z. B. im Zivilverfahren ab dem Landgericht und höher nur zugelassenen Prozessvertretern, in der Regel Rechtsanwälten, vorbehalten ist).

z Bürgerliches RechtIm bürgerlichen Recht ist u. a. ausdrücklich das Schuldanerkenntnis als Vertrag geregelt (§ 781 BGB). Die Anerkennungserklärung muss schriftlich bzw. in der Form erfolgen, die für die Begründung des anerkannten Schuldverhältnisses vorgeschrieben ist.

Dabei kann das A. deklaratorisch sein, d. h. es bestätigt eine Schuld und stellt sie au-ßer Streit. Daneben steht das konstitutive A., das unabhängig von einer etwa bestehenden Schuld eine neue, selbstständige Verpflichtung schafft. Das A. kann aber auch ohne jeglichen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen nur zum Zweck der Beweiserleichterung abgegeben werden.

Das A. – auch in der Gestalt der Abschlags- oder Zinszahlung, Sicherheitsleistung auf den Anspruch oder sonstige Art des A. seitens des Verpflichteten gegenüber dem Berechtigten – führt zu einem Neugebinn der Verjährung (§ 212 BGB).

In § 397 Abs. 2 BGB ist das „negative Schuldanerkenntnis“ als formfreier Vertrag geregelt, in dem der Gläubiger gegenüber dem Schuldner anerkennt, dass das Schuldverhältnis zwischen ihnen nicht besteht; selbst ein bisher bestehendes Schuldverhältnis erlischt dadurch.

Besonders geregelt ist die Anerkennung der Vaterschaft als einseitige Erklärung, die zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Mutter oder des Kindes (ggf. seines Vertreters) bedarf; ein Widerruf ist nur beschränkt zulässig (§§ 1594 ff. BGB).

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z GerichtsverfahrenIm Gerichtsverfahren, in dem das A. aufgrund der Dispositionsmaxime zulässig ist, erfolgt es durch eine gegenüber dem Gericht abgegebene bindende und in der Regel unwiderrufliche Prozesserklärung, mit der ein in Anspruch Genommener den ihm gegenüber geltend gemach-ten prozessualen Anspruch zugesteht. In Gerichtsverfahren, in denen § 307 ZPO anwendbar ist (Zivil-, Arbeits- und Verwaltungsgerichtsprozess), entfaltet die Erklärung selbst und sogar deren Annahme durch die Gegenseite auch bei umfassender Anerkennung des prozessualen Anspruchs noch keine verfahrensbeendende Wirkung. Vielmehr hat das Gericht erst auf Antrag der Gegenseite ohne weitere Prüfung des Anspruchs (zu prüfen sind nur die Prozessvorausset-zungen und bei deren Bejahung) durch ein dem A. entsprechendes Anerkenntnisurteil (je nach Umfang teilweise oder umfassend) insofern instanzbeendend zu entscheiden.

Dagegen beendet im → Sozialgerichtsverfahren (§ 101 Abs. 2 SGG) bereits die Annahme des abgegebenen A. durch die Gegenseite (Prozesserklärungen jeweils gegenüber dem Ge-richt) den Rechtsstreit, d. h. bei vollem A. insgesamt, bei Teilanerkenntnis nur insofern. Für ein Anerkenntnisurteil i. S. des § 307 ZPO ist danach allenfalls dann Raum, wenn das A. von der Gegenseite nicht angenommen wird.

Über einen ggf. nicht beendeten Teil des Streitgegenstandes ist der Rechtsstreit nach dem einschlägigen Prozessrecht fortzusetzen.

z AbgrenzungenDas A. ist abzugrenzen gegen das Geständnis, das nach §§ 288 ff. ZPO während eines Prozesses nicht einen prozessualen Anspruch ganz oder teilweise zugesteht, sondern sich nur auf von der Gegenseite behauptete Tatsachen bezieht. Es bedarf keiner Annahme und hat zur Folge, dass die zugestandenen Behauptungen keines Beweises mehr bedürfen; sie sind vom Gericht als wahr zu berücksichtigen. Auch das Geständnis ist nur bei gegebener Dispositionsfreiheit möglich, nicht bei zu beachtender Untersuchungsmaxime. Die Widerrufsmöglichkeit richtet sich nach § 290 ZPO.

Dem Strafprozess ist das A. fremd. Dort gibt es allerdings auch den Begriff des Geständ-nisses (des Angeklagten), das sich ebenfalls nur auf Tatsachen bezieht. Es unterliegt der freien Beweiswürdigung, allerdings mit gesetzlichen Einschränkungen. So darf ein Geständnis, erlangt durch verbotene Vernehmungsmethoden, aufgrund von § 136 a Abs. 3 S. 2 StPO selbst bei Zustimmung des Angeklagten nicht verwertet werden (→ Beweis, Beweisverbote).

Anhaltspunkte (AHP); soziale Entschädigung

„Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) – 2008“: Letzte Ausgabe eines dem Grunde nach seit 1916 bestehenden Regelwerks, das bei allen ärztlichen Begutachtungen in den angeführten Rechtsgebieten sowohl im Verwaltungs- wie im Sozialgerichtsverfahren verpflichtend bezüglich der Beurteilungsmaßstäbe anzuwenden war.

Die AHP betrafen Ausführungen zu Rechtsgrundlagen, enthielten allgemeine Grundsätze für die Verfahrensweise bei der ärztlichen Begutachtung, für die Feststellung von → Schädi-gungsfolgen einschließlich Darlegungen zur Klärung der Ursachen verschiedener Gesundheits-störungen, Ansätze für → MdE/GdB bei beschriebenen Gesundheitsstörungen, Darstellungen der Voraussetzungen für → Nachteilsausgleiche usw. Die demokratische Legitimation der vom BMAS in Abständen aktualisiert herausgegebenen AHP war mangels Rechtsgrundlage für de-

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ren Erlass umstritten und ist vom BSG über die Konstruktion des „antizipierten Sachverstän-digengutachtens“ mit normähnlicher Wirkung gerechtfertigt worden; durch die allgemeine Anwendung der AHP sollte die gebotene Gleichbehandlung aller Betroffenen gewährleistet sein. Den Sozialgerichten oblag dabei besonders die Prüfung ihrer Vereinbarkeit mit Gesetz und Verfassung, mit dem allgemeinen wissenschaftlichen sozialmedizinischen Kenntnisstand, sowie die Prüfung auf Lücken bei Sonderfällen, die eine von den AHP abweichende Beurteilung des besonders gelagerten Einzelfalls rechtfertigten.

Die Verrechtlichung des Regelwerks ist durch das Gesetz zur Änderung des Bundesversor-gungsgesetzes und anderer Vorschriften des sozialen Entschädigungsrechts vom 13.12.2007 und der darauf basierenden Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 i. d. G. der Anlage zu deren § 2 → versorgungsmedizinische Grundsätze m. W. v. 1.  Januar 2009 erfolgt.

Anhörungsverfahren

Definition

Gesonderter Abschnitt im verwaltungs- wie sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren, der vor Erlass eines beabsichtigten → Verwaltungsakts durchzuführen ist, wenn dieser in bestehende Rechte einer Person eingreift (§ 28 VwVfG, § 24 SGB X). Eine Anhörung ist erforderlich, wenn beispielsweise Leistungen herabgesetzt oder entzogen, aber auch wenn bestehende Rechtspositionen, z. B. im Schwerbehindertenrecht, verschlechtert werden sollen (Herabsetzung des → GdB, „Aberkennung“ von → Merkzeichen).

Das A. ist eine Umsetzung des verfassungsrechtlich gesicherten Anspruchs auf rechtliches → Gehör schon vor einem Gerichtsverfahren. Damit soll dem Betroffenen die Möglichkeit gegeben werden, auf die noch nicht abgeschlossene Willensbildung der Verwaltung Einfluss zu nehmen und zu einer umfassend sachgerechten Entscheidung beizutragen. Der Verzicht auf diese Einflussmöglichkeit wird als zulässig angesehen.

z Absehen vom AnhörungsverfahrenIm allgemeinen Verwaltungsrecht kann zulässigerweise leichter von einer A. abgesehen werden als im Sozialrecht, weshalb sich die weiteren Ausführungen wesentlich an Letzterem orientieren. Hier kann von einer Anhörung u. a. abgesehen werden, wenn - eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse not-

wendig erscheint, - durch die Anhörung eine für die Entscheidung maßgebliche Frist in Frage gestellt würde, - von tatsächlichen Angaben eines Beteiligten nicht zu seinen Ungunsten abgewichen wer-den soll, - Allgemeinverfügungen oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl erlassen oder - einkommensabhängige Leistungen den geänderten Verhältnissen angepasst werden sollen usw.

Diese Ausnahmen erlauben jedoch kein Absehen beispielsweise wegen der durch die Anhörung längeren Zahlung einer Rente, der Nichtwahrung der 3-Jahres-Frist bei der vorläufigen → Ent-schädigung mit dem Erstarken zur → Rente auf unbestimmte Zeit oder wegen der Belastung der

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Verwaltung durch die regelmäßigen halbjährlichen Entscheidungen über Hartz-IV-Leistungen. Insofern handelt es sich nicht um schematische Regelungen gegenüber einer Vielzahl von Ad-ressaten, wie es aber bei Anpassungsbescheiden der Fall wäre.

z DurchführungIm A. ist dem Rechtsinhaber Gelegenheit zur Äußerung zur beabsichtigten eingreifenden Entscheidung einzuräumen. Dazu kann ihm eine im Hinblick auf die Bewertung der von der Verwaltung durchgeführten Erhebungen angemessene Äußerungsfrist vorgegeben werden. Auch ohne eine solche Vorgabe hat die Verwaltung vor ihrer Entscheidung eine angemessene Frist abzuwarten.

Zur Realisierung einer sachgerechten Anhörung hat die Verwaltung dem Betroffenen in der Regel schriftlich, durchaus aber auch mündlich, in verständlicher Weise Zweck und Ziel der Information sowie v. a. die aus der Sicht der Verwaltung für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen zur Kenntnis zu bringen, um ihm eine fundierte Stellungnahme zu ermöglichen. Dabei kann der Betroffene zum Verständnis auch weitere Erklärungen bis hin zu Gutachtens-abschriften anfordern.

Eine Pflicht zur Abgabe einer Äußerung besteht für ihn nicht. Eine unterbliebene → Mit-wirkung hat für einen späteren Verfahrensabschnitt oder ein nachfolgendes Gerichtsverfahren daher materiellrechtlich keine negativen Auswirkungen; sie hindert aber die Verwaltung auch nicht am Erlass der beabsichtigten Entscheidung.

Äußert sich der Betroffene, kann die Verwaltung aufgrund des → Amtsermittlungsgrund-satzes gehalten sein, weitere Ermittlungen zu betreiben. Soweit diese im Hinblick auf die be-absichtigte Entscheidung zu neuen Erkenntnissen führen oder von einem anderen Sachverhalt als bisher ausgegangen werden soll, ist hierzu erneut anzuhören.

Gegen die Anhörung steht dem Betroffenen über den Vortrag der nach seiner Meinung ge-gen die beabsichtigte Entscheidung sprechenden Fakten hinaus kein eigenständiger → Rechts‑behelf zu. Anfechtbar ist dann erst der trotz Einwendungen erlassene Verwaltungsakt. Un‑terbleibt die vorgeschriebene Anhörung oder wird das A. nicht korrekt durchgeführt (z. B. unzureichende Information, Entscheidung vor Ablauf der angemessenen Anhörungsfrist) und kann sie auch nicht mehr wirksam nachgeholt werden (z. B. durch das in der Regel den Mangel heilende Widerspruchsverfahren, § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X; nach Abs. 2 ist die A. bis zur letz-ten Tatsacheninstanz des sozialgerichtlichen Verfahrens nachholbar), dann ist der gleichwohl erlassene eingreifende → Verwaltungsakt im Sozialgerichtsverfahren in der Regel ersatzlos aufzuheben (§ 42 S. 2 SGB X). Dies führt zur ununterbrochenen Fortgeltung der Rechtslage vor dem Eingriff. Deshalb sind z. B. zu Unrecht unterbliebene Leistungen nachzugewähren.

Anknüpfungstatsachen (At)

Definition

Anknüpfungstatsachen sind die Tatsachen, von denen der → Sachverständige (SV) in sei-nem → Gutachten ausgehen muss.

Diese Tatsachen sind dem SV möglichst schon bei seiner Bestellung mitzuteilen, sofern er sie nicht als Befundtatsachen selbst zu ermitteln hat. Dazu soll ihm vom Auftraggeber jedenfalls

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ein Sachbericht (Darstellung der maßgeblichen Sachlage), in der Regel sogar das gesamte Ak-tenmaterial zugänglich gemacht werden.

z Befundtatsachen→ Befundtatsachen sind Anknüpfungstatsachen, die der SV bei der Ausführung seines Auftrags aufgrund seiner Sachkunde selbst feststellt. Hierzu gehören auch die tatbezogenen Angaben von Zeugen im Rahmen der Exploration durch den SV sowie Umstände, die ihm aufgrund seiner früheren gutachtlichen Tätigkeit bekannt geworden sind. Ausführliche Darstellung unter dem gesonderten Begriff → Befundtatsachen.

z ZusatztatsachenZusatztatsachen sind Anknüpfungstatsachen, die der SV bei Gelegenheit seiner Tätigkeit er-fährt, zu deren Ermittlung und Wahrnehmung keine besondere Sachkunde erforderlich ist und die auch Gericht, Staatsanwaltschaft und Polizei oder die den Auftrag gebende Behörde/der Sozialversicherungsträger hätten feststellen können, wie etwa ein Geständnis des Täters. Solche Zusatztatsachen sind nicht Inhalt des Gutachtens. Der SV muss über sie als → Zeuge aussagen.

Anscheinsbeweis

Der Beweis des ersten Anscheins, auch Prima-facie-Beweis genannt, ist geführt, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung – „typischerweise“ – ein bestimmter Umstand auf das Vorlie-gen eines anderen Umstands (z. B. Behandlungsfehler, Verschulden oder Ursachenbeziehung) schließen lässt.

Es handelt sich um eine Beweismaß‑, nicht um eine Beweislastregel, sodass der Beweis-gegner nicht mit dem vollen Gegenbeweis belastet ist. Vielmehr ist hinreichend, aber auch notwendig die Möglichkeit eines atypischen Verlaufs aufzuzeigen und deren Voraussetzungen zu beweisen. So lässt ein Auffahrunfall in der Regel auf ein schuldhaftes Verhalten des Auffah-renden schließen (unangepasste Geschwindigkeit, zu geringer Sicherheitsabstand etc.). Der Anscheinsbeweis ist erfolgreich „erschüttert“, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen eines plötzlichen, verkehrsbedingt motivierten Abbremsvorgangs des Vorausfahrenden dargelegt und bewiesen sind.

Anschlussberufung

Die A. stellt das → Rechtsmittel des Prozessbeteiligten dar, gegen den sich eine bereits von der Gegenseite eingelegte → Berufung richtet (vgl. z. B. §§ 511 ff., 524 ZPO).

Die A. erfordert mithin in der Regel eine schon anhängige Berufung gegen das selbe Urteil sowie das Vorliegen einer eigenen → Beschwer dieses Rechtsmittelführers und die Beachtung der sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen je nach Prozessordnung. Da die Führer einer Be-rufung wie der A. in der Regel (ausgenommen die Staatsanwaltschaft) unterschiedliche Ziele anstreben, sind beide → Rechtsmittel sinnvoll.

z Selbstständige AnschlussberufungWird die A. innerhalb der Berufungsfrist eingelegt, dann handelt es sich um eine selbstständige Anschlussberufung, deren Existenz nicht vom Fortbestehen und der Zulässigkeit der zuerst

15Anschlussberufung

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eingelegten Berufung abhängig ist; z. T. wird dabei nicht von A., sondern nur von Berufung (des anderen Beteiligten) gesprochen. Über sie ist neben der (ursprünglichen) Berufung re-gelmäßig mangels eingetretener anderweitiger Erledigung nach Prüfung von Zulässigkeit und Begründetheit zu entscheiden.

z Unselbstständige AnschlussberufungWahrt die A. dagegen die Berufungsfrist nicht, dann liegt eine unselbstständige Anschluss-berufung vor. Die unselbstständige A. verliert ihre Wirkung als Rechtsmittel völlig, wenn die (primäre) Berufung zurückgenommen oder vom Berufungsgericht als unzulässig verworfen wird (z. B. § 524 Abs. 4 ZPO) bzw. das (Haupt-)Rechtsmittel oder schon die Klage sonst wirk-sam in der Hauptsache erledigt sind. Dies hat zur Folge, dass dann über eine solche unselbst-ständige A. nicht mehr zu entscheiden ist. Ist dagegen über die zulässige Berufung sachlich zu entscheiden, muss auch über eine dann noch anhängige unselbstständige A. unter Prüfung der sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen (ohne Prüfung der Wahrung der Berufungsfrist) und der Begründetheit des Begehrens befunden werden.

Die dargestellte Unterscheidung der un-/selbstständigen A. und deren Rechtsfolgen gelten auch für andere in Betracht kommende Anschlussrechtsmittel (z. B. im Zivilprozess bei → Be-schwerde – § 574 Abs. 4 ZPO für den unselbstständigen Anschluss an eine Rechtsbeschwerde – ebenso bei der Revision – § 554 ZPO).

Antragsdelikte

Definition

Straftaten, bei denen das Gesetz die Strafverfolgung von der Stellung eines Strafantrags abhängig macht.

Die meisten Delikte sind → Offizialdelikte. Besteht der Verdacht auf ein Offizialdelikt, müs-sen Polizei und Staatsanwaltschaft (StA) die Ermittlungen aufnehmen und die Straftat von Amts wegen (→ Amtsermittlungsgrundsatz) ohne Rücksicht auf den Willen des Verletzten/Geschädigten verfolgen. Bei den Antragsdelikten ist dagegen das Vorliegen eines Strafantrags eine strafprozessuale Voraussetzung dafür, dass Ermittlungen überhaupt in Gang kommen, Anklagen erhoben und Verurteilungen erfolgen dürfen (→ Strafprozess). Welche Straftaten nur auf Antrag verfolgbar sind, wird vom Gesetz im Einzelnen bestimmt. Die Antragsdelikte umfassen lediglich einen kleinen Teil der Straftaten, die weniger schwerwiegend sind, wie etwa Beleidigung, leichte oder fahrlässige Körperverletzung, Hausfriedensbruch, einfache Sachbe-schädigung.

Strafantrag ist die Erklärung des durch eine Straftat Verletzten/Geschädigten oder sonst eines vom Gesetz dazu Berechtigten, dass er die Strafverfolgung begehrt. Im Gegensatz hierzu enthält eine Strafanzeige, die von jedermann erstattet werden kann, die bloße Mitteilung, dass der Verdacht einer beliebigen Straftat besteht, und die Anregung, hierzu Ermittlungen aufzunehmen.

Der Verletzte/Geschädigte kann bei den meisten A. in den im Gesetz bestimmten Fällen eine sog. Privatklage (→ Strafprozess) erheben, ohne vorher den Staatsanwalt angehen zu müssen. Die StA kann aber auch in solchen Fällen die Strafverfolgung übernehmen, wenn dies

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