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DENNIS SCHÄRER 18. MÄRZ MASTER IN DESIGN EINE BEOBACHTUNG ZUR EVENTISIERUNG ANHAND DER VERANSTALTUNG „DAS VERMÄCHTNIS DER MAYA“ IM VOLKSHAUS ZÜRICH ENTSTANDEN IM RAHMEN DES WORKSHOP PLACE TO BE

Licht aus, Ruhe Bitte

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Eine Abhandlung zum Thema der Eventisierung

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DENNIS SCHÄRER

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VERANSTALTUNG „DAS VERMÄCHTNIS DER MAYA“ IM

VOLKSHAUS ZÜRICH

ENTSTANDEN IM RAHMEN DES WORKSHOP PLACE TO BE

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    Das neue Millenium der 2000er Jahre liegt bereits hinter uns, und doch ist die Erde am 21. Dezember 2012 nicht in einem Feuer-inferno zu Staub zerfallen. Wie man nun die Vorhersagungen der Maya - dem indigenen Volk des präkolumbischen Mesoamerikas - auch interpretiert, der mystischen Anziehung dieser Hochkultur lässt es sich nur schwerlich entkommen. Kaum überraschend also, dass die Eventisierung auch vor dieser Thematik keinen Halt macht. Martin Engelmann, ein Fotograf aus Innsbruck, besuchte mit seiner Live Multivisionsshow zum Thema „Das Ver-mächtnis der Maya“ das Volkshaus in Zürich. Überraschender aber war die Frequenz, mit welcher für den Event geworben wurde. Bei-nahe von jeder Eventsäule im Raum Zürich strahlte das Plakat zur Veranstaltung in eso-terischen Farbtönen ins urbane Grau.

Die Esoterik, welche bereits der Titel des Events versprühte, fand mit der Einfärbung des Plakats aber bereits ihr verfrühtes Ende.

Martin Engelmann führte vielmehr als reise-verrückter Fotograf durch den Abend und be-liess es dabei, einige Eigenheiten der Maya-Kultur zu erwähnen, die das Publikum aber meist ebenso in Staunen versetzte.

18.30 Auf dem Ticket wird halb sieben als Türöffnungszeit genannt, doch vor der Ein-gangstüre herrscht einsame Leere. Nur die zwei Flaggen des Veranstalters, die im Wind rascheln, zeugen von einer geplanten Ver-anstaltung. Ein Pärchen nähert sich der EIn-gangstüre, er in eine beige Fleecejacke gehüllt und mit Sneakers, sie mit roter Outdoorjacke und einer Kappe, die stark an die traditionel-len Hüte der Bewohner des Himalayagebie-tes erinnern. Und tatsächlich, sie schreiten durch die zwei geöffneten Tore, die zum Trep-penaufgang und dann zum weissen Saal des Volkshauses führen, wo der Vortrag stattfin-den wird. Ich folge den zwei Besuchern und beginne, mir bereits ein Publikum auszuma-len, das jegliches Klischee der ewig studie-

DAS VERMÄCHTNIS DER MAYAV O R T R A G I M V O L K S H A U S

„ICH ERZÄHL‘ IHNEN EIN BISSCHEN, WIE

DIE MAYA HEUTZUTAGE IN DEN MEXIKOGEBIETEN UND

BELIZE UNTERWEGS SIND, UND ICH MÖCHTE

IHNEN AUCH MEINE REISEERLEBNISSE

NICHT VORENTHALTEN, DAS HEISST, WENN SIE SELBST MAL

PLANEN, NACH ZENTRALAMERIKA ZU REISEN, DANN WERDEN SIE

HEUTE SICHER JEDE MENGE TIPPS NACH HAUSE

NEHMEN KÖNNEN.

JA, ICH WÜRD‘ SAGEN, WIR STARTEN LOS, DAS LICHT KÖNNEN WIR

GERNE AUSMACHEN. ICH WÜNSCHE IHNEN IN DEN KOMMENDEN

ZWEI STUNDEN SPANNENDE UNTERHALTUNG

UND SCHNALLEN SIE SICH AN, DENN IN 30 SEKUNDEN LANDEN WIR

BEREITS IN MEXIKO CITY.[GELÄCHTER]

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renden, stets in Südamerika umherreisenden Lebenskünstler erfüllen wird. Der Vorraum des Saales ist bereits gut gefüllt, in verschiedenen Ecken hängen Pla-kate, die auf weitere Vorträge hinweisen, und ein Stand vor dem Eingang zum weissen Saal preist DVD-Ausgaben des bevorstehenden Vortrags, die Engelmann gleich persönlich an den Mann und die Frau bringt. Ein kleiner Im-bissstand zeugt davon, dass hier tatsächlich ein kleiner Event stattfindet, der Verpflegung erfordert. Das bereits anwesende Publikum hat sich an den diversen kleinen Tischchen verteilt, ungefähr 6 an der Zahl. Im hinteren Bereich bieten vier Stehtische Platz zum Plau-dern und um seinen Kaffee kurz abzustellen.

Das Pärchen, dem ich gefolgt bin, habe ich aus den Augen verloren, vielleicht liegt es daran, dass sie sich nach dem Eintreten ihrer klischierten Kleidung entledigt haben, und so nur zwei unter vielen sind, denn das Publi-kum entspricht so gar nicht meinen Vorstel-lungen. Der Altersdurchschnitt scheint sich irgendwo zwischen 55 und 60 zu bewegen, durch Kleidung aufzufallen vermag niemand so richtig, schon gar nicht durch trendige Fri-suren. Das auffälligsten sind zwei Krücken, an denen ein Mann geht, er wird denn auch mit einigen neugierigen Blicken bedacht.

Eine leicht nervöse, aber dennoch sehr gedämpfte Stimmung liegt im Raum, wenn gesprochen wird, dann meist im Flüsterton, nur vereinzelt schallt ein etwas lauteres Ge-lächter durch den Raum. Von Zeit zu Zeit kramt ein Besucher in seinem Reiserucksack - auf den zweiten Blick sind es sehr viele an der Zahl - um einen mitgebrachten Snack zum Vorschein zu bringen. Der Imbissstand wird nur selten genutzt, und wenn, dann für Kaffee oder ein Wasser. 19.00 Immer mehr Maya-interessierte

strömen durch die Eingangstür und bewegen sich schüchtern durch den Vorraum. Viele haben bereits im weissen Saal Platz genom-men, einige bereits vor geraumer Zeit. Der Vortrag soll um 19.30 beginnen, aber sich gute Plätze zu sichern kann ja nicht schaden. Ich begebe mich zur Toilette, setze mich in eine Kabine und horche eine Weile. 15 Minuten vergehen, ohne Wortfetzen, ohne Räuspern, geschweige denn ein Gespräch. Das Rau-schen des Wasserhahns nimmt gemeinsam mit dem Gebläse des Handtrockners und der zuschlagenden Türe ein rhythmisches Mus-ter an, das beinahe etwas meditatives inne hat.

Zurück im Vorraum setze ich mich an die Tischchen. Die Gespräche sind immer noch gedämpft, man unterhält sich in Phasen. Am Tisch in der Nähe des Imbissstandes dreht sich das Gespräch um Geld, Kinder und das Krux der Technologie - wie an vielen anderen Stationen im Raum ebenso. Ich suche den leisen Lärm nach Wörtern, die auf Reisen, Südamerika oder ähnliches hinweisen könn-ten, ab. Vergeblich. Direkt neben mir wird über die Bretagne diskutiert. Doch keiner der beiden war jemals dort. Man scheint sich der Schöhnheit der Gegend aber gewiss zu sein.

19.25 Der Strom zieht mich mit, in den Saal, der nicht ganz so weiss ist. Der Vortrag soll pünktlich beginnen. Bevor ich mich set-ze, werfe ich einen letzten, langen Blick in die Runde. Mit meinen 26 Jahren scheine ich mit Abstand einer der jüngsten zu sein, mit Ausnahme vielleicht des Pärchens, dem ich zu Beginn gefolgt bin. Im hinteren Teil des Raumes fühle ich mich wohl und setze mich. Hier jedoch scheinen einige mit ihrer Platz-wahl unzufrieden zu sein. Plätze werden gewechselt, es wird geseufzt, wenn sich je-mand in die vordere Reihe setzt, der das ei-gene Sichtfeld übersteigt und angeregt wird

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über nervende Sitznachbarn getuschelt. Vor-ne, neben der enormen Leinwand, prangern zahlreiche Sponsoren des Events, die meine Vortsellungen des esoterischen Events kom-plett ersticken.

19.30 Das Licht geht aus, sofort ver-stummt das Murmeln des Publikums, ein jun-ger Mann, nun der jüngste im Raum, betritt das Podium und führt in den Abend ein. Auf Schweizerdeutsch. Nun tritt Engelmann vor die grosse Leinwand und - nach einer kurzen Bemerkung zum Wettbewerb, dem man sich in der Pause widmen kann - eröffnet seine Show. Ich fühle mich, als ob ich der einzige wäre, der das hier zum ersten Mal macht. Engelmann spricht routiniert, das Publikum scheint sich des Ablaufs irgendwie bewusst zu sein. Nach einiger Zeit ziehen Engelmanns ruhige Stimme und Erzählungen auch mich in den Bann.

20.30 Pause. Menschenströme. Wettbe-werb. Draussen vor dem Volkshaus einsam Leere. Talons einwerfen. Toilettenpause. Wei-ter geht‘s.

21.30 Engelmann bedankt sich, schliesst ab mit einem Witz, wie er das während des Vortrags immer wieder gezielt getan hat-te und entlässt das Publikum in die kühle Nacht. Der Vorraum wird nun nur noch als Transit genutzt, oder für einen letzten Toilet-tenbesuch. Viele scheinen es eilig zu haben, und nach gut 10 Minuten hat sich der weis-se Saal komplett geleert, bald darauf wirkt auch der Vorraum verlassen, und als ich vor das Volks-haus trete, herrscht auch da Lee-re. Schwierig zu bennenen, welchen Zweck die-ser Vortrag über das Vermächtnis der Maya erfüllen soll. Vielleicht eine Befriedigung nicht gestillter Wünsche nach Exotik, Frei-heit, Abenteuer? Oder er dient als Instrumen-

tarium, um sich selbst einem Gesellschafts-bild anzunähern, das sich heute je länger je mehr vom Konservatismus entfernen möch-te - nicht aus einem Wunsch heraus, sondern aus Zwang. Engelmann wird sich jedenfalls weiterhin in die wieten Tiefen unserer Welt stürzen um in Multivisionsshows dem gemei-nen Bürger das Abenteuer in die sichere Stube zu bringen.

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„Händ ihr scho Plätz jetzt drinne?“„Ja, wenn öppis nöd… Eusi Nummere sind echli hinder eu, ihr seid so schräg.“„Aber mir händ eu under Kontrollä!“

„Du häsch sGfühl gha, du segsch im Mittelalter det.“„Mhm.“„Dass du vil Gäld häsch, das händ die det gar nöd gwüsst!“„Mhm.“„Also jetzt wüsseds es, wege Internet und Fernseh und so.“„Ja.“„Nachher hetteds der alles klaut, sPortemonnaie, sHandy… Ich bin nur na mitem Buech verusse gange, und sogar das händs wele gseh!“„Mhm, ja.“

„Bretagne isch na schön?“„[abwesend]…und da, ja häsch halt es paar Büsch…“„[etwas lauter] Vo dem her isch halt dBretagne na schön… Aber ebe bi dene Schnäggefresser…“„France…“„Und Gänseläberli… Wenn dFranzose nöd wäred, würd ich det es Hüüsli chaufe.“„Du nei, ja nöd, sust musch no stüre zahle!“

„Händer scho mal so en Vortrag glueget?“„Jaja, isch na guet gsi!“

[Pause]„Mer chönnt na Durst überchoo…“

„Ja, das isch na guet möglich.“„Chunnt druff a, wie lang dasses gaht!“

„Und es iPhone hätter au nöd?“„Nei, so Züg brucht dä nöd, so virtuells Züg.“

„Ja weisch mini Tochter hätt früehner au mal so öppis gha, weisch das Tamagochi, sones chlisses Grätli, wienes Ei.“

„Jaja, das känni, du, und de Moritz, de isch au die ganz Ziit a sim Grätli, und isch immer uf dem Facebook. Du, das isch mir zhöch.“

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