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34 ZÜCHTER FORUM 7/2015 Hengstportrait E rst veredelt, dann vergessen, und nun vielleicht neu entdeckt? Das ist – auf den Punkt gebracht – der Kar- riereverlauf des heute zwölfjährigen Han- noveraner Hengstes Hotline (v. Hof- rat/T.-De Niro-Wendepunkt-Busoni xx-Aal- fänger; Z.: Friedrich Oppermann, Salzgit- ter). Hotline war 2005 der strahlende und unangefochtene Siegerhengst der hanno- verschen Körung in Verden. Wie eine Takt- maschine durchmaß er die Verdener Nie- dersachsenhalle. Keine Frage: Der oder keiner! Als Sieger kostete er auch den Auk- tions-Höchstpreis: 800.000 Euro, gemein- schaftlich angelegt durch Paul Schocke- möhle und das dänische Gestüt Blue Hors. Als sich abzeichnete, dass Hotline der Gast- star der hannoverschen Privathengstschau 2006 sein würde, „rappelte“ es im Karten- vorverkauf. Nie zuvor waren so viele Kar- ten verkauft worden wie in dem Jahr. Und die Zuschauer sahen einen dreijährigen Hengst, der mit Anja Engelbart souverän seine Bahn zog: Nervenstark, taktbe- herrscht mit einem Grundgangartenarran- gement vom Allerfeinsten. Ein regelrechter Hype um diesen Hengst brach los, etwa so, wie er vorher schon von den Siegerhengs- ten des Jahres 2002, His Highness und Ste- dinger, bekannt war. Im Herbst 2006 war Hotline dann schon erwartungsgemäß in Schlieckau unangefochtener Sieger im 70-Tage-Test, den er mit 149,28 Punkten in der Dressur und 137,34 Punkten im Ge- samtindex beendete. Die Fremdreiter attes- tierten seine Rittigkeit einheitlich mit der Idealnote 10,0. Die Deckliste 2006 war randvoll, die Telefondrähte in Mühlen glühten heiß und machten so dem Hengst- namen alle Ehre: Alle wollten Hotline, und es haben auch so ziemlich alle, die ihn wollten, ein Hotline-Fohlen bekommen. Ob der Hengst zur Stute passte oder nicht, war nebensächlich, Hauptsache, man war einer der Ersten. Doch die Ernüchterung folgte auf dem Fuße: Etliche Fohlen hatten etwas „runde“, andere wiederum etwas „lange“ Gesichter. Viele hatten eine schlichte Optik. Wie konnte das sein, wo der Großvater doch Trakehner war? Die Fohlen wurden zwar dennoch vielfach prämiert und bereicher- ten mehrere Fohlenauktionen. Aber den- noch: Aus den „Hosianna“-Rufen des Vor- jahres wurde ab 2007 „Kreuziget ihn!“ Da- mit kam schon früh ein Karriereknick. Mit deutlich geringeren Bedeckungszahlen als 2006 stand Hotline 2007 nochmals in Müh- len und wechselte 2008 nach Dänemark zum Mitbesitzer-Gestüt Blue Hors. Damit war er der deutschen Züchterschaft aus den Augen und aus dem Sinn. In Däne- mark wurde das sportliche Management vorangetrieben: Hotline selbst siegte im Dänischen Bundeschampionat 2008, ge- wann 2009 eine Qualifikation mit 9,45 und wurde Dänischer Reserve-Champion. Sie- benjährig war Hotline unter seinem däni- schen Reiter Sune Hansen 2010 bereits in Liebe auf den zweiten Blick Der Hengst Hotline Hofrat De Nira Kostolany Gondola II Guter Planet Helvetia II Hotline De Niro Waleska Gribaldi Habsburg II Donnerhall Alicante Wendepunkt Baroness Im internationalen Sport für Dänemark erfolgreich: Hotline Foto: ll-foto

Liebe auf den zweiten Blick - zuechterforum.com · Viele hatten eine schlichte Optik. Wie konnte das sein, wo der Großvater doch Trakehner war? Die Fohlen wurden zwar dennoch vielfach

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34 ZÜCHTER FORUM 7/2015

Hengstportrait

Erst veredelt, dann vergessen, und

nun vielleicht neu entdeckt? Das ist

– auf den Punkt gebracht – der Kar-

riereverlauf des heute zwölfjährigen Han-

noveraner Hengstes Hotline (v. Hof -

rat/T.- De Niro-Wendepunkt-Busoni xx-Aal-

fänger; Z.: Friedrich Oppermann, Salzgit-

ter). Hotline war 2005 der strahlende und

unangefochtene Siegerhengst der hanno-

verschen Körung in Verden. Wie eine Takt-

maschine durchmaß er die Verdener Nie-

dersachsenhalle. Keine Frage: Der oder

keiner! Als Sieger kostete er auch den Auk-

tions-Höchstpreis: 800.000 Euro, gemein-

schaftlich angelegt durch Paul Schocke-

möhle und das dänische Gestüt Blue Hors.

Als sich abzeichnete, dass Hotline der Gast-

star der hannoverschen Privathengstschau

2006 sein würde, „rappelte“ es im Karten-

vorverkauf. Nie zuvor waren so viele Kar-

ten verkauft worden wie in dem Jahr. Und

die Zuschauer sahen einen dreijährigen

Hengst, der mit Anja Engelbart souverän

seine Bahn zog: Nervenstark, taktbe-

herrscht mit einem Grundgangartenarran-

gement vom Allerfeinsten. Ein regelrechter

Hype um diesen Hengst brach los, etwa so,

wie er vorher schon von den Siegerhengs-

ten des Jahres 2002, His Highness und Ste-

dinger, bekannt war. Im Herbst 2006 war

Hotline dann schon erwartungsgemäß in

Schlieckau unangefochtener Sieger im

70-Tage-Test, den er mit 149,28 Punkten in

der Dressur und 137,34 Punkten im Ge-

samt index beendete. Die Fremd reiter attes-

tierten seine Rittigkeit einheitlich mit der

Idealnote 10,0. Die Deckliste 2006 war

randvoll, die Telefondrähte in Mühlen

glühten heiß und machten so dem Hengst-

namen alle Ehre: Alle wollten Hotline, und

es haben auch so ziemlich alle, die ihn

wollten, ein Hotline-Fohlen bekommen.

Ob der Hengst zur Stute passte oder nicht,

war nebensächlich, Hauptsache, man war

einer der Ersten.

Doch die Ernüchterung folgte auf dem

Fuße: Etliche Fohlen hatten etwas „runde“,

andere wiederum etwas „lange“ Gesichter.

Viele hatten eine schlichte Optik. Wie

konnte das sein, wo der Großvater doch

Trakehner war? Die Fohlen wurden zwar

dennoch vielfach prämiert und bereicher-

ten mehrere Fohlenauktionen. Aber den-

noch: Aus den „Hosianna“-Rufen des Vor-

jahres wurde ab 2007 „Kreuziget ihn!“ Da-

mit kam schon früh ein Karriereknick. Mit

deutlich geringeren Bedeckungszahlen als

2006 stand Hotline 2007 nochmals in Müh-

len und wechselte 2008 nach Dänemark

zum Mitbesitzer-Gestüt Blue Hors. Damit

war er der deutschen Züchterschaft aus

den Augen und aus dem Sinn. In Däne-

mark wurde das sportliche Management

vorangetrieben: Hotline selbst siegte im

Dänischen Bundeschampionat 2008, ge-

wann 2009 eine Qualifikation mit 9,45 und

wurde Dänischer Reserve-Champion. Sie-

benjährig war Hotline unter seinem däni-

schen Reiter Sune Hansen 2010 bereits in

Liebe auf den zweiten BlickDer Hengst Hotline

Hofrat

De Nira

KostolanyGondola IIGuter PlanetHelvetia IIHotline

De Niro

Waleska

Gribaldi

Habsburg II

DonnerhallAlicanteWendepunktBaroness

Im internationalen Sport für Dänemark erfolgreich: Hotline

Foto

: ll-f

oto

7/2015 ZÜCHTER FORUM 35

Hengstportrait

Klasse S erfolgreich und tauchte erstmals

wieder in Deutschland auf. Bei der Olden-

burger Althengstparade in Vechta im No-

vember 2010 staunte das Publikum nicht

schlecht, als der erst siebenjährige Hengst

bereits nahezu alle Grand-Prix-Lektionen

beherrschte und sauber vortrug. Es war je-

denfalls eine glänzende Visitenkarte, mit

der der schon vergessene Held sich wieder

in Erinnerung brachte.

Gekörte Söhne ohne Nachfrage

Indessen waren auf den deutschen Körplät-

zen auch die ersten Söhne aufgetaucht. Es

wurden auch einige gekört, jedoch kaum

einer fand Aufstellung auf einer Hengststa-

tion. Einen Hotline? Och nee, lieber nicht.

Hotline war „out“. Dennoch wurden im In-

und Ausland elf Söhne gekört, aber nur

drei haben in Deutschland überhaupt einen

Zuchtnamen erhalten, und lediglich zwei

von ihnen sind hierzulande in den Deck-

einsatz gelangt. Das war einmal Hofmar-

schall V (M. v. D’accord-Griseldo xx-De-

bütant; Z.: Friedrich Lampe, Barver), der

Bundeschampionats-Finalist gewesen ist

und bei Günter Voss (Gestüt Letter Berg)

im westfälischen Coesfeld-Lette gedeckt

hat, und zum anderen der erste Reservesie-

ger der Süddeutschen Körung 2010, näm-

lich der schwarzbraune Bayer Hot Spirit

(M. v. Sandro Hit-Argentinus-Castro; Z.:

Birgit Alber, Marktoberdorf). Hot Spirit war

vier Jahre stationiert auf dem Gestüt Birk-

hof bei Familie Casper in Donzdorf (Ba-

den-Württemberg). Der Vollständigkeit hal-

ber sei angemerkt, dass Hot Spot (M. v.

Florestan I- Donnerhall-Classiker; Z.: Georg

Sieverding, Emstek) Prämienhengst der Ol-

denburger Körung 2009 war. Er kam aller-

dings nicht in den Deckeinsatz. Gekörte

Söhne sind weiterhin die Oldenburger Hot

Story (M. v. Sandro Hit-De Niro-Rubinstein

I; Z.: Stall Troff, Jemgum) und Hot Shot TP

(M. v. Donnerhall-Pik Bube I-Duellschütz;

Z.: Inge Bastian, Bargeheide), die Hanno-

veraner Hermes de Hus (M. v. Rohdia-

Bundeschampionats-Finalist: der gekörte Hofmarschall V

In der schweren Dressur angekommen: Hilfiger OLD unter Holga Finken

War auf dem Birkhof stationiert: Hot Spirit

Foto

: ll-f

oto

Foto

: Laf

rent

z

36 ZÜCHTER FORUM 7/2015

Hengstportrait

mant-Tin Rocco-Wienerwald; Z.: Heinrich

Gießelmann, Barver) und Highflyer (M. v.

Rohdiamant-Calypso II-Nevado xx), der

Niederländer Davino V.O.D. (M. v. Miche-

langelo/T.-Farn-Erdball xx-Zodiac) und der

Däne Ripline (M. v. Cavan-Rambo-Rossi xx;

Holst. Stamm 2269). Davino hat in den Nie-

derlanden einige Stuten gedeckt, ansonsten

sind die Hotline-Söhne inzwischen aus-

nahmslos Reitpferde; keiner ist aktuell im

Deckeinsatz.

Internationaler Grand-Prix-Sieger

Hotlines Dressurkarriere ging unterdessen

weiter: 2011 hat er im Rahmen der däni-

schen Körung in Herning mit deutlichem

Vorsprung den Prix St. Georges gewonnen.

Inzwischen ist er mit dem in Dänemark le-

benden Deutschen Maik Kohlschmidt inter-

nationaler Grand-Prix-Sieger, war 2014 u. a.

erfolgreich beim Derbyturnier in Ham-

burg-Klein Flottbek, Nieuw en Sint Joos-

land (NED), Vestfold (NOR) und Roo-

sendaal (NED). Nicht nur deshalb müssen

wohl auch die ärgsten Zweifler neu über

Hotline nachdenken, denn seine Verer-

bung sucht ihresgleichen: Seine ersten

Nachkommen wurden 2010 dreijährig und

waren auf Anhieb in Reitpferdeprüfungen

hoch erfolgreich. Halifax OLD (M. v. Sunny

Boy-Rubinstein I-Furioso II; Z.: Paul Wen-

deln, Garrel) gehörte

mit Hermann Gerdes

zu den Top Five des

Bundeschampionats,

Highland Christmas

war mit 42.000 Euro

zweitteuerstes Pferd

der Vechtaer Winter

Mixed Sales, auf der

Oldenburger Elite-Auk-

tion im Herbst brachte

Hopkins 48.000 Euro,

und in Ankum anläss-

lich der P.S.I.-Auktion

wurde Horizon für

550.000 Euro in die

USA versteigert. In Dä-

nemark stellte Hotline

die bis Intermédiaire I

erfolgreiche Landes-

Siegerstute Sirikit (M. v.

Don Schufro- Camelot/

T.-Schwadroneur/T.),

in Deutschland wurden

über 30 Staatsprämien-

stuten ausgezeichnet.

Aus dem ersten Jahr-

gang waren 2014 allein

in Deutschland bereits

sage und schreibe 14

Nachkommen sieben-

jährig S-erfolgreich. Die bekanntesten Ex-

ponenten sind die Oldenburger Hilfiger

OLD (M. v. Argentinus-Don Primero-Wold

Cup I; Z.: Heike Kind, Bremen) mit Holga

Finken und Hot Chocolate 50 (M. v. Rubin-

stein I-Insider-Furioso II; Z.: Hartmut Jans-

sen, Aurich) mit Carolin Hergenröder. In

Dänemark kommt ein erheblicher Anteil

gleichwertiger Pferde hinzu. Damit steht

fest: Hotlines Nachkommen sind Reitpferde

der allerbesten Sorte. Sie sind klar im Kopf,

gelehrig und arbeitswillig, hoch veranlagt

und mit besten Grundgangarten ausstaf-

fiert. Von der Sorte dürfte es gerne mehr

geben. Aber gerade die Dressurpferde-

züchter treiben ja jedes Jahr lieber eine

„neue Sau durchs Dorf“, statt bewährte

Hengste zu nutzen. Bei Hotline sind die

„Baustellen“ bekannt: Es wird nicht immer

Erfolgreichster Nachkomme 2014: Hot Chocolate

Silber beim Bundeschampionat der Sechsjährigen 2014: Hollister

Foto

: Str

eitf

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Foto

: ts-

Foto

/Güh

ring

7/2015 ZÜCHTER FORUM 37

Hengstportrait

ein Arabergesicht, und in der Fundaments-

korrektheit sind die vom Vater Hofrat mit-

gegebenen Defizite ebenfalls nicht ganz

wegzudiskutieren, aber ansonsten ist hier

ein Dressurpferdemacher von höchsten

Gnaden herangereift. Heute ist das Gestüt

Blue Hors übrigens alleiniger Besitzer von

Hotline.

Besondere Herkunft

Diese bisherige Erfolgsbilanz wird natürlich

begünstigt durch eine außergewöhnliche

Abstammung: Der Vater Hofrat war Reser-

vesieger der Trakehner Körung in Neu-

münster 2000 und ging später erfolgreich

bis Intermédiaire I. Er stellte bisher acht

gekörte Söhne. Nach langen Jahren auf der

Station Meyerhof (Ahstedt/Niedersachsen)

mit zeitweiligen Ausflügen auf die Station

van Uytert (Heerewarden/NED) steht er

seit 2015 auf der Oldenburger Station Böck-

mann in Lastrup-Hamstrup.

Der Muttervater De Niro, unter anderem

Sieger im Deutschen Dressur-Derby und

vielfach im Grand Prix erfolgreich, schlug

eine ebenso erfolgreiche Karriere in Sport

und Vererbung ein wie sein berühmter

Vater Donnerhall.

2008 wurde er

H a n n o v e r a n e r

Hengst des Jahres

und ist gegenwär-

tig der erfolg-

reichste lebende

Dressurvererber

der Welt.

Die Großmutter

Waleska brachte

aus der Anpaarung

mit Akzent II her-

ausragende Dres-

surpferde wie den

Bundeschampion

Alabaster (Ldb.

Celle) und Aukti-

onsspi tzenpferd

Atachi W. Nach sei-

ner internationalen

Karriere mit Jürgen

Wirths holte Atachi

W unter Tochter

Nadine Wirths Sil-

ber bei der EM der

Jungen Reiter.

Der Leistungsträger Wendepunkt als drittes

Glied der Ahnenfolge hat von 1975 bis

1979 als Privathengst auf dem Amselhof

Walle gedeckt und ging dann nach Groß-

britannien, wo er ein sehr beliebter Verer-

ber in der dortigen Hannoveraner Popula-

tion wurde.

Abgerundet wird das Pedigree durch den

Vollblüter Busoni xx, der auf der ehemali-

gen Celler Deckstelle Cremlingen in der

Region Südhannover-Braunschweig ge-

wirkt hat. Seine Nachkommen waren in al-

len Disziplinen bis Klasse S erfolgreich. Sie

waren schnittige, elegante und außeror-

dentlich beliebte Reitpferde, in den meisten

Fällen als Halbblüter klar erkennbar und

von unbedingter Leistungsbereitschaft ge-

prägt.

Über Aalfänger und Goldfalk führt die Mut-

terlinie zur hannoverschen Stutenfamilie

426/Finkenliebe (v. Finkenstein-Alamund-

Colloki-Nestoricus) die aus dem Hambur-

ger Gebiet stammte. Alles in allem hat Hot-

line alles richtig gemacht, und es lohnt ein

zweiter Blick auf diesen außergewöhnli-

chen Hengst. Claus SchriddeMittlerweile siegreich in S: Hotline-Nachkomme Horares

Foto

: Frie

ler