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LÄMMER, LAMPEN, MÜNZEN ein rätselhafter depotfund aus vindonissa Kantonsarchäologie Aargau, Industriestrasse 3, CH-5200 Brugg Telefon +41 [0]56 462 55 00, Fax +41 [0]56 462 55 15 [email protected], www.ag.ch /archaeologie © Kanton Aargau 2017

LÄMMER, LAMPEN, MÜNZEN · LÄMMER, LAMPEN, MÜNZEN ein rätselhafter depotfund aus vindonissa Kantonsarchäologie Aargau, Industriestrasse 3, CH-5200 Brugg Telefon +41 [0]56 462

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Page 1: LÄMMER, LAMPEN, MÜNZEN · LÄMMER, LAMPEN, MÜNZEN ein rätselhafter depotfund aus vindonissa Kantonsarchäologie Aargau, Industriestrasse 3, CH-5200 Brugg Telefon +41 [0]56 462

LÄMMER, LAMPEN, MÜNZENein rätselhafter depotfund aus vindonissa

Kantonsarchäologie Aargau, Industriestrasse 3, CH-5200 Brugg Telefon +41 [0]56 462 55 00, Fax +41 [0]56 462 55 15 [email protected], www.ag.ch /archaeologie© Kanton Aargau 2017

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ausserhalb des lagers, unter freiem himmelDie verbrannten Lammkeulen, Lampen und Münzen wurden frühestens

in den Jahren 68 / 69 n. Chr. deponiert. Wie die Bebauung südlich

des Legions lagers zu diesem Zeitpunkt genau aussah, können wir heute

nicht mit Sicherheit sagen, da die archäologischen Ausgrabungen

hier noch im Gange sind.

Wahrscheinlich ist, dass die Grube, in welcher die Überreste der rituel-

len Handlung deponiert wurden ( Fundort : gelber Kreis ), einstmals nicht

im Bereich eines Hauses, sondern unter freiem Himmel lag.

Derzeit kennen wir in Vindonissa zwei heilige Bezirke innerhalb des

Legionslagers und einen sicheren sowie zwei vermutete ausserhalb

der Lager mauern ( sichere Heiligtümer : weisse Kreise, vermutete : blaue

Kreise ).

mit den göttern in kontakt tretenDer wichtigste Wesenszug der römischen Religion war das korrekte

Ausführen von Ritualen. Dazu gehörte als zentraler Akt das Opfer,

also das Darbringen einer Gabe. Die Gaben konnten unblutig sein ( zum

Beispiel Wein, Weihrauch oder Früchte ) oder blutig ( zum Beispiel

Hühner, Schafe, Schweine, Rinder ).

Die Rituale dienten dazu, mit den Göttern in Kontakt zu treten, und die

Opfer waren für die Menschen von damals eng mit der Vorstellung

eines gemeinsamen Mahls verbunden. Zu opfern hiess, mit den Göttern

zu speisen, denn in der antiken Vorstellung galt das Prinzip «do vt des»

( ich gebe, damit du gibst ). Die Speisen wurden in zwei Teile geteilt,

der eine Teil gebührte den Göttern, der andere den Sterblichen. Auf

diese Weise konnten die Menschen die Götter um etwas bitten

oder sich bei ihnen bedanken, indem sie mit einer Opfergabe ein

Gelübde einlösten.

lampen und münzen – symbolische gabenEinzelne Scherben von Keramikgefässen oder Tonlampen sind gängige

Funde bei Ausgrabungen. Sie gelangten als Abfall in den Boden.

Sind aber Gefässe oder Lampen ganz erhalten, wurden sie oftmals

bewusst deponiert : zum Beispiel in einem Grab, zur Vorrats-

haltung, zur Verwahrung von Wertgegenständen oder als Gaben an die

Götter.

Das vorliegende Ensemble weist ein vollständig erhaltenes Gefäss und

intakte Lampen auf. Zusätzlich wurden Münzen bewusst auf die

Lampen gelegt und diese lagen nach fast 2000 Jahren im Boden teil-

weise immer noch dort!

Weder Lampen noch Münzen waren viel wert. Es dürfte sich deshalb um

symbolische Gaben handeln.

vielfältige rituale bei tag und bei nachtDie Römer verehrten viele unterschiedliche Götter, und diese waren

überall im Leben der Menschen präsent. Zu den Besonderheiten

der römischen Religion gehört die Trennung zwischen öff entlichen,

durch die Allgemeinheit fi nanzierten Ritualen ( sacra pvblica ) und

familiären oder individuellen Ritualen ( sacra privata ).

Öff entliche Rituale wurden durch Vertreter der öff entlichen Gemein-

schaft ausgerichtet und fanden in der Regel im Freien, vor einem

Tempel, in der Nähe eines Altares und in Anwesenheit der Gemeinde

statt. Private Rituale spielten sich hingegen im familiären, häus-

lichen Rahmen ab. Sie konnten neben den Göttern auch den Ahnen

gelten. Ausserdem gab es magische Rituale, die vorzugsweise im

Geheimen, an abgelegenen Orten und bei Nacht durchgeführt wurden.

ausgewählt, abgezählt – für welches ritual?

Nach allem, was wir heute wissen, handelt es sich bei den in der Grube

deponierten Objekten um die Überreste eines komplexen Rituals.

Die Zahlen 11 und 21 könnten dabei eine besondere Rolle gespielt haben :

das Ensemble enthält 21 Bronzemünzen, 21 Lampen – wenn man

die zuunterst in der Grube deponierte Lampe nicht mitzählt – sowie die

Reste von mindestens 11 geopferten Lämmern. Zufall ?

Die vielen Lampen könnten darauf hinweisen, dass hier die Reste eines

nächtlichen Rituals vorliegen. Einen offi ziellen Charakter dürfte das

Ritual eher nicht gehabt haben, denn diese fanden in der Regel in einem

heiligen Bezirk statt und die Reste wurden auch dort deponiert.

lämmer, lampen, münzen – wer opferte?

Die Akteure haben von sich selbst keine Zeugnisse hinterlassen und

bleiben deshalb anonym. In Frage kommen sowohl zivile Personen

aus dem Umfeld des Legionslagers als auch Angehörige der römischen

Armee, die ein solches Ritual im Rahmen einer privaten Kult-

handlung ausgeführt haben könnten.

Obwohl die Anzahl der Gaben auff ällt, ist es zu gewagt, eine Verbindung

zur 21. und 11. Legion herzustellen, die in der fraglichen Zeit nach-

einander in Vindonissa stationiert waren. Mit derartigen Zahlenspielen

stossen wir an die Grenzen der Interpretierbarkeit archäologischer

Bodenfunde.

religion und rituale in vindonissaReligion spielte in römischer Zeit im Leben der Menschen eine

wichtige Rolle, und dies quer durch alle sozialen Schichten.

Unsere Kenntnis der römischen Religion stammt vorwiegend aus

antiken Texten, wie jenen des Politikers und Schriftstellers

Marcus Tullius Cicero, und gilt vor allem für Rom.

Auch die Menschen in Vindonissa waren damals geprägt von ihren

religiösen Vorstellungen. Freilich fehlen uns hier die antiken

Texte, sodass die Bodenfunde die einzigen Zeugen sind. Oftmals sind

sie aber nur schwer interpretierbar.

Und trotzdem : wie faszinierend ist es, wenn ein Fund wie der hier

vorgestellte, entdeckt wird ! Denn auch nach 2000 Jahren erahnen

wir noch etwas von der geistigen Welt der damaligen Menschen und

ihrem Willen, mit den Göttern in Kontakt zu treten.

LÄMMER, LAMPEN, MÜNZEN

« Falls uns die Götter jedoch weder

helfen können noch wollen,

falls sie sich überhaupt nicht um

uns kümmern, unser Tun und

Treiben nicht beachten und es

nichts gibt, was von ihnen bis

zum Leben der Menschen dringen

kann, warum sollten wir dann

für die unsterblichen Götter

irgendwelche Kulte einrichten,

ihnen Ehren erweisen und

Gebete an sie richten ? »

Cicero (Über das Wesen der Götter 1,3)

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