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13 Grenzleistungen und Staueffekte Produktions-, Leistungs- und Logistiksysteme sind Netzwerke von Stationen, die durch Transportverbindungen miteinander verknüpſt sind. Durch die Netzwerke lau- fen Logistikobjekte und Informationsobjekte (s. Abb. 1.3). Logistikobjekte sind Mate- rial, Produkte, Waren, Sendungen, Ladeeinheiten, Personen oder Transporteinhei- ten. Informationsobjekte sind Auſträge, Belege, Informationen und Daten. In den Abfertigungs-, Produktions- und Leistungsstellen des Systems werden die Objekte verbraucht, bearbeitet, abgefertigt oder erzeugt. Die Leistungs- und Durchsatzfähigkeit der einzelnen Stationen und Verbindun- gen bestimmt das Leistungs- und Durchsatzvermögen des Gesamtsystems. Warte- schlangen in den Stationen und auf den Verbindungen verlängern die Durchlauf- zeiten der Objekte von den Eingängen und Quellen zu den Ausgängen und Senken. Für die optimale Gestaltung und Dimensionierung eines neuen Systems sowie für die Bewertung, den Vergleich und die Verbesserung vorhandener Systeme ist daher die Kenntnis der Grenzleistungen und Staueffekte der Stationen und Verbindungen erforderlich, aus denen sich die Systeme zusammensetzen [27, 73, 74, 117]. Hierfür werden in diesem Kapitel das Durchsatzverhalten der Stationen von Produktions-, Leistungs- und Logistiksystemen analysiert, Formeln zur Berechnung der technischen Grenzleistungen hergeleitet und die möglichen Abfertigungsstrategien beschrieben. Für die verschiedenen Stationstypen und Abfertigungsstrategien wer- den Grenzleistungsgesetze entwickelt und anhand ausgewählter Beispiele erläutert. Wenn der Zulauf die Grenzleistung einer Station erreicht oder überschreitet, kommt es zu Warteschlangen, Rückstaus und Blockierungen. Die Auswirkungen und die Quantifizierung dieser Staueffekte sind Gegenstand eines weiteren Abschnitts. Durch Störungen und Ausfälle wird die technische Grenzleistung der Systemele- mente auf eine verfügbare Grenzleistung reduziert. In einem weiteren Abschnitt wer- den daher die Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit von Elementen, Leistungsketten und Systemen behandelt. Die angegebenen Definitionen und Berechnungsformeln sind grundlegend für den Funktionstest und die Abnahme von Anlagen und Systemen mit diskontinuierlicher Belastung [118]. Hierfür werden Funktions- und Leistungsanaly- sen entwickelt und Tests zur Abnahme von Systemen dargestellt. Zur Demonstration des Nutzens der in diesem Kapitel entwickelten Verfahren werden abschließend Handlungsmöglichkeiten und Strategien zur Leistungsoptimie- rung in der Produktion hergeleitet. T. Gudehus, Logistik 1, VDI-Buch, 451 DOI 10.1007/978-3-642-29359-7_13, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

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13 Grenzleistungen und Staueffekte

Produktions-, Leistungs- und Logistiksysteme sind Netzwerke von Stationen, diedurchTransportverbindungenmiteinander verknüpft sind. Durch die Netzwerke lau-fen Logistikobjekte und Informationsobjekte (s.Abb. 1.3). Logistikobjekte sind Mate-rial, Produkte, Waren, Sendungen, Ladeeinheiten, Personen oder Transporteinhei-ten. Informationsobjekte sind Aufträge, Belege, Informationen und Daten. In denAbfertigungs-, Produktions- und Leistungsstellen des Systems werden die Objekteverbraucht, bearbeitet, abgefertigt oder erzeugt.

Die Leistungs- und Durchsatzfähigkeit der einzelnen Stationen und Verbindun-gen bestimmt das Leistungs- und Durchsatzvermögen des Gesamtsystems. Warte-schlangen in den Stationen und auf den Verbindungen verlängern die Durchlauf-zeiten der Objekte von den Eingängen und Quellen zu den Ausgängen und Senken.Für die optimale Gestaltung und Dimensionierung eines neuen Systems sowie fürdie Bewertung, den Vergleich und die Verbesserung vorhandener Systeme ist daherdie Kenntnis der Grenzleistungen und Staueffekte der Stationen und Verbindungenerforderlich, aus denen sich die Systeme zusammensetzen [27, 73, 74, 117].

Hierfür werden in diesem Kapitel das Durchsatzverhalten der Stationen vonProduktions-, Leistungs- und Logistiksystemen analysiert, Formeln zur Berechnungder technischen Grenzleistungen hergeleitet und diemöglichenAbfertigungsstrategienbeschrieben. Für die verschiedenen Stationstypen und Abfertigungsstrategien wer-den Grenzleistungsgesetze entwickelt und anhand ausgewählter Beispiele erläutert.

Wenn der Zulauf die Grenzleistung einer Station erreicht oder überschreitet,kommt es zuWarteschlangen, Rückstaus und Blockierungen. Die Auswirkungen unddie Quantifizierung dieser Staueffekte sind Gegenstand eines weiteren Abschnitts.

Durch Störungen und Ausfälle wird die technische Grenzleistung der Systemele-mente auf eine verfügbare Grenzleistung reduziert. In einem weiteren Abschnitt wer-den daher dieZuverlässigkeit undVerfügbarkeit von Elementen, Leistungsketten undSystemen behandelt. Die angegebenen Definitionen und Berechnungsformeln sindgrundlegend für den Funktionstest und dieAbnahme von Anlagen und Systemenmitdiskontinuierlicher Belastung [118]. Hierfür werden Funktions- und Leistungsanaly-sen entwickelt und Tests zur Abnahme von Systemen dargestellt.

Zur Demonstration des Nutzens der in diesem Kapitel entwickelten Verfahrenwerden abschließend Handlungsmöglichkeiten und Strategien zur Leistungsoptimie-rung in der Produktion hergeleitet.

T. Gudehus, Logistik 1, VDI-Buch, 451DOI 10.1007/978-3-642-29359-7_13, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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452 13 Grenzleistungen und Staueffekte

13.1 Leistungsdurchsatz

Wie die Abb. 1.3 zeigt, laufen in die i = 1, 2. . .NE Eingangsstationen ESi eines Leis-tungssystems NE Einlaufströme λEi [LOi/ZE] hinein und aus den j = 1, 2. . .NA Aus-gangsstationen λS j insgesamt NA Auslaufströme λE j [LO j/ZE] heraus, die aus gleich-artigen oder unterschiedlichen Logistikobjekten [LO] bestehen. Hinter den Einlauf-stationen verteilen sich die Ströme λn(t), die in der Regel zeitabhängig sind, auf dieverschiedenen Leistungs- und Logistikstationen, in denen sie zusammenlaufen, ver-zweigt werden, enden oder andere Ströme erzeugt werden.

Produktions-, Logistik- und Transportsysteme sind Subsysteme der Leistungs-systeme eines Unternehmens, einer Branche oder einer Volkswirtschaft. Sie unter-scheiden sich voneinander durch das Ausmaß der Veränderung, die im System mitoder an den Logistikobjekten stattfindet (s. Kap. 1 und 15):

• Wenn die einlaufenden materiellen Objekte im System technisch verändert oderaus ihnen andere Objekte erzeugt werden, wenn also anders beschaffene Objektedas System verlassen, ist das Leistungssystem ein Produktionssystem.

• Wenn die einlaufenden materiellen Objekte das System nach gewisser Zeit ingleicher oder anderer Zusammensetzung technisch unverändert verlassen, han-delt es sich um ein Logistiksystem.

• Wenn die Einlaufströme aus Lade- oder Transporteinheiten bestehen, die dasSystem nach einer bestimmten Laufzeit an einem anderen Ort inhaltlich unver-ändert verlassen, ist das Logistiksystem ein Transportsystem (s. Kap. 18).

Das Durchsatz- und Leistungsvermögen eines Produktions-, Logistik- oder Trans-portsystems wird durch die Durchsatz- oder Leistungsfähigkeit eines oder wenigerEngpasselemente begrenzt.

� Engpasselemente sind die Stationen einer Leistungskette, die bei dem gefordertenDurchsatz am höchsten ausgelastet sind.

DasDurchsatz- und Leistungsvermögen eines Systems oder einer Station bezieht sichstets auf eine bestimmte Zeiteinheit [ZE] oder Bemessungszeit, deren Länge von dengestellten Anforderungen abhängt. Maßgebend für die Auslegung und Dimensio-nierung eines Leistungs- und Logistiksystems sind in der Regel der Durchsatz undLeistungsbedarf in der Spitzenstunde des Spitzentages des Planungszeitraums (s. Ab-schn. 9.11). Hieraus folgt die Bemessungsregel:

• Die Strombelastungen und Leistungsdurchsätze λ [LO/h], mit denen die Leis-tungsberechnungen, Auslastungsanalysen und Stauuntersuchungen durchge-führt werden, beziehen sich in der Regel auf die Zeiteinheit einer Stunde [h].

Außerdem ist zu berücksichtigen, ob die Leistungs- und Durchsatzströme stationäroder zeitabhängig, getaktet oder stochastisch sind. Dabei ist zu unterscheiden zwi-schen rekurrenten Strömen, in denen die Objekte einzeln und unabhängig voneinan-der eintreffen, und schubweisen Strömen, in denen die Objekte in Schüben oder Pulksgleicher oder unterschiedlicher Größe ankommen (s. Abschn. 9.1).

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13.2 Elementarstationen und Transportelemente 453

13.2 Elementarstationen und Transportelemente

Die Stationen und Verbindungen, aus denen ein Leistungs- und Logistiksystem auf-gebaut ist, lassen sich nach unterschiedlichen Gesichtspunkten klassifizieren (s. Ab-schn. 1.4.3). Grundlegend für die Berechnung der Grenzleistungen und Staueffekteist die Unterscheidung zwischen elementaren und zusammengesetzten Stationen (s.Abb. 1.3 und 1.5):

• Eine Elementarstation hat eine zentrale Abfertigungszone, in die alle ankommen-den Ströme hineinlaufen und aus der alle ausgehenden Ströme herauskommen.Sie lässt sich ohne Verlust ihrer Funktion nicht in einfachere Stationen zerlegen.

• Eine zusammengesetzte Station hatmehrere parallele oder nacheinander geschal-tete Abfertigungszonen. Sie lässt sich zerlegen in aneinandergrenzende Elemen-tarstationen.

In ausgedehnten Leistungs- und Logistiknetzen sind die einzelnen Stationen weitervoneinander entfernt und durch Transportverbindungen miteinander verknüpft, diedie Entfernungen überbrücken. Die Leistungs- und Durchsatzfähigkeit für zusam-mengesetzte Stationen ergibt sich ebenso wie für größere Systeme aus den Grenzleis-tungen der konstituierenden Elementarstationen. Daher beschränken sich die weite-renAusführungen zunächst auf die unterschiedlichen Typen von Elementarstationen:

• Eine Elementarstation vom Typ (n,m) mit der Ordnung o = n + m erzeugt ineiner Abfertigungszone aus n Einlaufströmen λEi [LOi/h], i = 1, 2, . . .n, die anden Eingangsstellen Ei in die Station einlaufen, m Auslaufströme λA j [LO j/h],j = 1, 2, . . .m, die an den Ausgangsstellen A j das Element verlassen.

Die einfachsten Elementarstationen sind die Quellen, die Senken und die Bedie-nungsstationen. Elementarstationen eines Transportsystems sind die irreduziblenTransportknoten oder Transportelemente [73, 117]:

• EinTransportelement vomTyp (n,m)mit derOrdnung o = n+m überführt in ei-nerUmschaltzone die Transporteinheiten [TE] von n Einlaufströmen λEi [TE/h],i = 1, 2, . . .n, die über die Eingangspunkte Ei einlaufen, in m AuslaufströmeλA j [TE/h], j = 1, 2, . . .m, die an denAusgangspunktenA j das Element verlassen.

Die einfachsten Transportelemente sind die Verbindungen:

• Eine Transportverbindung ist ein Element der Ordnung 2 vom Typ (1;1), daseinen Strom von Lade- oder Transporteinheiten über eine Transportweglänge s[m] von einem Einlaufpunkt E zu einem Ausgangspunkt A befördert.

Die Abb. 13.1 zeigt in aufsteigender Ordnung die Struktur einiger einfacher Elemen-tarstationen. InAbb. 13.9 ist die Struktur einer Elementarstation, eines Transportele-ments oder eines Transportknotens der Ordnung n +m vom Typ (n,m) dargestellt.Beispiele für die technische Ausführung von Stationen und Transportelementen zei-gen die weiteren Abbildungen.

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454 13 Grenzleistungen und Staueffekte

Abb. 13.1 Einfache Systemelemente in aufsteigender Ordnung

Ei : Eingangspunkte A j : Ausgangspunkte

13.2.1 Quellen

Quellen sind Elementarstationen vom Typ (0,m), aus denen m Auslaufströme λA jherauskommen. Eventuell vorhandene Einlaufströme einer Quelle werden zunächstnicht näher betrachtet. Beispiele für Quellstationen erster Ordnung sind:

RohstofflagerstellenEingangsstationenProduktionsstellenMontagestellenAbfüllstationenLagerstellenEntladestellen.

(13.1)

Haben die Quellstationen (13.1) zwei oder mehr Ausgänge, die gleichartige oder un-terschiedliche Logistikeinheiten abgeben, handelt es sich um Quellen höherer Ord-nung.

Quellen geben die auslaufenden Objekte in einem oder mehreren QuellströmenλAj [LO/h] ab. Der Quellstrom oder die Erzeugungsrate λwird von der Taktzeit τ [s]des Erzeugungsprozesses und der Pulklänge c [LO], das heißt von der Anzahl Ob-jekte bestimmt, die in einem Schub erzeugt wird. Zwischen Stromintensität, Taktzeitund Pulklänge besteht der Zusammenhang:

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13.2 Elementarstationen und Transportelemente 455

� Bei einer mittleren Taktzeit τ [s] und einer mittleren Pulklänge c ist die auf eineStunde bezogene Stromintensitätλ(c) = 3600 ⋅ c/τ [LO/h] . (13.2)

Da alle Ströme, die ein betrachtetes System durchlaufen, über eine Eingangsstati-on aus einer externen Quelle oder aus einer internen Quelle kommen, müssen fürdie Leistungsberechnung und die Stauanalyse die Größe und die Eigenschaften allereinlaufenden und aller im System erzeugten Ströme bekannt sein.

Die Quellströme können zeitlich konstant sein oder sich mit der Zeit verändern.Abhängig davon, ob die Taktzeiten konstant oder stochastisch veränderlich sind,und davon, ob die Objekte die Quelle einzeln oder in Pulks verlassen, ist ein Quell-strom ein rekurrenter, ein stochastischer oder ein schubweiser Strom (s. Abb. 9.2 inAbschn. 9.1).

Die maximal mögliche Erzeugungsrate einer Quelle, die sich nach Beziehung(13.2) aus derminimalen Taktzeit τmin ergibt, ist die Grenzleistung der Quelle:

μ(c) = λmax(c) = 3600 ⋅ c/τmin [LO/h] . (13.3)

Für die Auslegung und Dimensionierung von Leistungs- und Logistiksystemen, diewie viele Produktionssystemeunddiemeisten Transport- undVerkehrssystemenachdem Push-Prinzip arbeiten, gelten die Dimensionierungsregeln (s. Abschn. 8.9):� Leistungsanforderungen bei Push-Betrieb:Wenn die Abläufe vom Push-Prinzip be-

stimmt werden, ergeben sich die maximalen Leistungsanforderungen an die Sta-tionen des Systems aus den Grenzleistungen der Quellen.

� Systemauslegung bei Push-Betrieb: Für den Push-Betrieb ist das System mit sei-nen einzelnen Stationen beginnend bei den Eingängen und internen Quellen dendurchlaufenden Strömen folgend bis zu den Ausgängen und Senken auszulegenund zu dimensionieren.

Da materielle Objekte nicht aus dem Nichts entstehen, haben alle Quellen bis aufdie Rohstofflagerstellen einen oder mehrere Eingänge, in die das benötigte Materi-al oder Transporteinheiten einlaufen, die wie in Abb. 13.2 B dargestellt zu entladensind. Ob die Eingangsströme einer Quellstation berücksichtigt werden, hängt vonder Problemstellung und von der Systemabgrenzung ab:

• Eine Quellstation vom Typ (n,m) der Ordnung o = n +m ist eine Quelle mit mAusgangsströmen, bei der n Eingangsströme berücksichtigt werden.

So ist beispielsweise eine Abfüllstation für Getränke in Flaschen, die als Leergut zu-geführt, abgefüllt und zu je 24 Stück in Kästen abgepackt werden, eine Quellstationder Ordnung 4 vom Typ (3,1). Die drei Einlaufströme sind das Füllgut, die leerenFlaschen und die leeren Kästen. Der Auslaufstrom besteht aus den vollen Getränke-kästen mit je 24 Flaschen.

13.2.2 Senken

Senken sind Elementarstationen vom Typ (n; 0), in denen n Einlaufströme λEi[LOi/h] enden und deren eventuell vorhandene Auslaufströme zunächst unberück-sichtigt bleiben.

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456 13 Grenzleistungen und Staueffekte

Abb. 13.2 Übergangsstationen zwischen Transportsystemen

A: Beladestation auf der Fahrstrecke (online-station)B: Entladestation auf der Fahrstrecke (online-station)C: Be- und Entladestation auf der Fahrstrecke (online-station)D: Seitliche Be- und Entladestation neben der Strecke (offline-station)E: Rückseitige Be- und Entladestation neben der Strecke (offline-station)Λ: Ladeeinheitenströme [LE/h]λ: Transporteinheitenströme [TE/h]

Beispiele für Senken sind:

LagerstationenVerbrauchsstellenBeladestellenVerpackungsstationenProduktionsstellenDepalettierstationenDemontagestellen

(13.4)

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13.2 Elementarstationen und Transportelemente 457

AusgangsstationenDeponienEndlager.

(noch 13.4)

Als Beispiel zeigt Abb. 13.2 unter A eine Beladestation, in der die einlaufenden La-deeinheiten in Transporteinheiten verladen werden und auf diese Weise das Systemverlassen.

Senken absorbieren oder verbrauchen die einlaufenden Objekte einzeln oderschubweise mit einer Verbrauchsrate oder einem Abnahmestrom λ. Der Abnahme-strom wird gemäß Beziehung (13.2) von der Taktzeit τ [s] und der Pulklängec [LO]des Verbrauchs- oder Abnahmeprozesses bestimmt.

Für die Auslegung und Dimensionierung von Leistungs- und Logistiksystemen,die nach dem Pull-Prinzip betrieben werden, wie Beschaffungssysteme und Kom-missioniersysteme, gelten die Dimensionierungsregeln (s. Abschn. 8.9):

� Leistungsanforderungen bei Pull-Betrieb: Wenn die Abläufe vom Pull-Prinzip be-stimmt werden, ergeben sich die Leistungsanforderungen an die übrigen Statio-nen des Systems aus den maximalen Verbrauchsraten, Abnahmeströmen und Be-darf der Senken.

� Systemauslegung bei Pull-Betrieb: Für den Pull-Betrieb ist das gesamte Systemmitseinen Stationen von den Ausgängen und den Senken her entgegen den Strömenbis hin zu den Eingängen und Quellen auszulegen und zu dimensionieren.

Da bei einem Betrieb nach dem Pull-Prinzip alle Ströme, die in das System einlau-fen oder in einer internen Quelle erzeugt werden, am Ende in einer internen oderexternen Senke verschwinden, müssen die Größe und Eigenschaften der maximalenAufnahmeströme aller Senken bekannt sein.

Materielle Objekte können nicht rückstandslos verschwinden. Daher haben alleSenken mit Ausnahme der Endlager und Deponien einen oder mehrere Ausgänge,aus denenmit einem bestimmten Zeitverzug erzeugte Güter, Abfall, Leergut oder zu-vor eingelagerte Ladeeinheiten herauskommen. Analog wie bei den Quellen ist dieBerücksichtigung der Ausgangsströme einer Senkenstation abhängig von der Pro-blemstellung und von der Systemabgrenzung:

• Eine Senkenstation vom Typ (n,m) der Ordnung o = n +m ist eine Senke mit nEingangsströmen, bei der m Ausgangsströme berücksichtigt werden.

Eine Senkenstation ist von der Auslaufseite her gesehen eine Quellstation. Umge-kehrt ist eineQuellstation vonder Einlaufseite her gesehen eine Senkenstation.Die inAbb. 13.2 unter A, B und C gezeigten Be- und Entladestationen ebenso wie Palettier-und Depalettierstationen sind Beispiele für derartige kombinierte Quell- oder Sen-kenstationen.

13.2.3 Bedienungsstationen

Bedienungsstationen sind Elementarstationen zweiter Ordnung vom Typ (1,1), indie ein Einlaufstrom einläuft und aus denen ein Auslaufstrom herauskommt.

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458 13 Grenzleistungen und Staueffekte

Wie in der Prinzipdarstellung Abb. 13.3 gezeigt, wird in einer Bedienungsstati-on an oder mit den einlaufenden Objekten mit einer Taktzeit, die gleich der Bear-beitungszeit oder Vorgangszeit des Bedienungsprozesses ist, einzeln oder schubweiseeine Veränderung durchgeführt, eine Serviceleistung erbracht oder eine Erfassungvorgenommen (s. Abschn. 8.5).

In einer unstetigen Bedienungsstation kommt jedes Objekt mindestens einmalzum Stillstand. In einer stetigen Bedienungsstation bewegen sich die Objekte wäh-rend des Bedienungsvorgangs, solange kein Stau eintritt.

Beispiele für Bedienungsstationen sind:

ServicestationenAbfertigungsstationenMautstationenArbeitsplätzeEtikettierstationenKontrollpunkteErfassungsstationenMess- und PrüfstellenLesestationen.

(13.5)

Die maximale Strombelastbarkeit einer Bedienungsstation ist gleich der Abferti-gungsgrenzleistung. Für die Berechnung der Grenzleistung gilt:

� Die Grenzleistung einer Elementarstation mit einer mittleren Abfertigungszeitτab [s] ist bei Abfertigung mit einer mittleren Pulklänge c [LO]

μ(c) = λmax(c) = 3600 ⋅ c/τab(c) [LO/h] . (13.6)Bei Einzelabfertigung ist c = 1 und bei paarweiser Abfertigung c = 2. Bei konstanterschubweiser Abfertigung hat c einen festen Wert.

Bei getakteter Abfertigung sind die Abfertigungs- oder Taktzeiten gleichbleibend.Bei stochastischer Abfertigung schwanken die Taktzeiten zufallsabhängig um einenMittelwert. Im allgemeinsten Fall schwanken Abfertigungszeiten und Pulklänge umbestimmte Mittelwerte (s. Abb. 9.2).

13.2.4 Stetige Verbindungen

In einer stetigen Verbindung – auch Streckenelement genannt – können die Lade-oder Transporteinheiten den Transportweg vom Eingang bis zumAusgang ohne An-halten durchlaufen. Sie kommen nur zum Halt bei Begegnung mit einer vorfahrtbe-rechtigten Einheit, bei einem Rückstau aus einem der nachfolgenden Elemente oderbei einer Störung.

Stetige Verbindungen in Fördersystemen zum Befördern von Ladeeinheiten oderpassiven Transporteinheiten sind (s. Abb. 18.7) [27, 117, 120]:

RöllchenbahnenRutschenRollenbahnen

(13.7)

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13.2 Elementarstationen und Transportelemente 459

GurtbänderS-FördererKreisförderer.

Zur Illustration zeigt Abb. 13.4 einen S-Förderer, der häufig als leistungsstarke Verti-kalverbindung in Stetigfördersystemen für Paletten oder leichtes Stückgut eingesetztwird.

Stetige Verbindungen in Fahrzeugsystemen, in denen aktive Transporteinheitenverkehren, wie Stapler, Schleppzüge, Hängebahnen, Kraftfahrzeuge oder Eisenbahn-züge, sind [108, 119]:

FahrspurenFahrtrassenSchienen.

(13.8)

Ist amin [m] der minimale Endpunktabstand von zwei aufeinander folgenden Lade-oder Transporteinheiten [TE] und vS [m/s] die aktuelle Fahrgeschwindigkeit auf derVerbindungsstrecke, dann ist die minimale Taktzeit auf der freien Strecke

τS = amin/vS [s] . (13.9)

Abb. 13.3 Bedienungsstation oderWartesystem vom TypWan/Wab/1

Wan : AnkunftsverteilungWab : Abfertigungs- oder Serviceverteilungλ : Ankunftsrate oder Einlaufstromτan : Ankunftstaktzeitμ : maximale Abfertigungsrate oder Grenzleistungτab : Abfertigungs- oder Servicezeit

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460 13 Grenzleistungen und Staueffekte

Abb. 13.4 Beispiel eines vertikalen Stetigförderers

S-Förderer für Pakete, Behälter oder Paletten

Durch Einsetzen von Beziehung (13.9) in Beziehung (13.6) folgt die Grenzleistungs-formel für stetige Verbindungen:

� DieGrenzleistung einer stetigen Verbindung mit der Fahrgeschwindigkeit vS [m/s]und einem minimalen Endpunktabstand amin [m] ist bei Einzeldurchfahrt

μ = 3600 ⋅ vS/amin [TE/h] . (13.10)Wenn die Verbindung von Pulks mit je c Transporteinheiten durchfahren wird, istdie rechte Seite von (13.10) mit c zu multiplizieren und für amin(c) der minimaleEndpunktabstand der Pulks einzusetzen.

In Fördersystemen ist derminimale Endpunktabstand zweier aufeinander folgen-der Einheiten gleich der Länge der Transporteinheiten lTE [m] plus einem geome-trisch oder technisch bedingten Konstruktionsabstand lkonstr [m], der im günstigstenFall gleich 0 ist [73]:

amin = lLE + lkonstr [m] . (13.11)

Tabelle 13.1 enthält die mit Hilfe der Beziehungen (13.10) und (13.11) aus dentechnischen Kenndaten errechneten Grenzleistungen der wichtigsten stetigen Ver-bindungselemente von Fördersystemen für Paletten und Behälter.

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13.2 Elementarstationen und Transportelemente 461

Tab. 13.1 Grenzleistungen stetiger Verbindungselemente in Fördersystemen

Tabellenkalkulationsprogramm mit Formel (13.10)EURO-Palette: l × b × h = 1.200 × 800 × 1.800mmNormbehälter: l × b × h = 600 × 400 × 300mm

In Fahrzeugsystemen ist der minimale Endpunktabstand der Transporteinheitenabhängig von der Art derAbstandsregelung, der Länge der Transporteinheiten lTE [m]und vom Sicherheitsabstand lsich [m] zwischen den Transporteinheiten.

Um bei einem plötzlichen Halt oder Unfall eines voranfahrenden Fahrzeugseinen Aufprall zu verhindern, muss der Sicherheitsabstand mindestens so groß seinwie die Länge des Bremswegs lbr [m]:

lsich ≥ lbr [m] . (13.12)

Bei einer Fahrzeuggeschwindigkeit vS [m/s], einer Reaktionszeit t0 [s] und einer ma-ximal zulässigen Notbremskonstanten bn [m/s2] ist der Bremsweg oder sogenannteBremsschatten, der jedem Fahrzeug vorauseilt:

lbr = vS ⋅ t0 + v2S/2b−

n [m] . (13.13)

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462 13 Grenzleistungen und Staueffekte

Bei aktiverAbstandsregelung verhindert die Fahrzeugsteuerung oder der Fahrer durchrechtzeitigesAbbremsen, dass derAbstand zumvoranfahrendenFahrzeug, der durchAbstandsmessung permanent kontrolliert wird, den Sicherheitsabstand unterschrei-tet. Daher ist in diesem Fall derminimale Endpunktabstand einzeln aufeinander fol-gender Transporteinheiten:

amin = lTE + vS ⋅ t0 + v2S/2b−

n [m] . (13.14)

Bei passiver Abstandsregelung oder Blockstreckensteuerung ist der Fahrweg in Block-strecken der Länge d unterteilt. Die Blockstreckensteuerung hindert eine Transport-einheit mit ihrem Bremsschatten solange an der Einfahrt in die nächste Blockstrecke,wie sich in dieser noch eine andere Transporteinheit befindet. Daher ist in diesemFall derminimale Endpunktabstand aufeinander folgender Transporteinheiten

amin = d ⋅AUFRUNDEN((lTE + vS ⋅ t0 + v2s /2b−

n)/d) [m] . (13.15)

Der Vergleich der Beziehungen (13.14) und (13.15) zeigt, dass der Mindestabstandbei passiver Abstandsregelung größer ist als bei aktiver Abstandsregelung, wenn dkein ganzzahliger Bruchteil von (13.14) ist. Daher ist diemaximaleDurchsatzleistungbei aktiver Abstandsregelung i. d. R. größer als mit einer Blockstreckensteuerung.

Durch Einsetzen der Beziehung (13.14) für den minimalen Endpunktabstand indie allgemeine Grenzleistungsformel (13.10) folgt die Grenzleistungsformel für Stre-ckenelemente in Fahrzeugsystemen:

� Die Grenzleistung eines Streckenelements, das von Transporteinheiten der LängelTE [m], die eine Notbremskonstante b−n [m/s2] und eine Reaktionszeit t0 [s] ha-ben, mit einer Fahrgeschwindigkeit vS [m/s] einzeln durchfahren wird, ist

μS(vS) = 3600/(t0 + lTE/vS + vS/2b−n) [TE/h] . (13.16)InAbb. 13.5 ist diemitHilfe dieser Beziehung errechneteGeschwindigkeitsabhängig-keit der Streckengrenzleistung einer Fahrspur für Straßenfahrzeuge unterschiedlicherLänge dargestellt.1 Hieraus geht hervor, dass die Streckengrenzleistung mit zuneh-mender Fahrgeschwindigkeit zunächst rasch ansteigt und nach Erreichen eines Ma-ximums langsam wieder abfällt. Für kurze Fahrzeuge ist die optimale Grenzleistungdeutlich größer als für lange Fahrzeuge. Allgemein folgt aus der Beziehung (13.16)der Zusammenhang:

� DieGrenzleistung eines Streckenelements ist vonder Fahrgeschwindigkeit abhän-gig und hat ein Maximum bei der durchsatzoptimalen Geschwindigkeit

vSopt =√

2 ⋅ lTE ⋅ b−n [m/s] . (13.17)Die durchsatzoptimale Geschwindigkeit steigt hiernach mit der Fahrzeuglänge undder Notbremskonstanten an. Sie liegt im Straßenverkehr – abhängig von den An-teilen der verschiedenen Fahrzeugtypen – bei ca. 30 km/h. Die durchsatzoptimale

1 Aus der Fahrschulregel, dass der Abstand zum vorherfahrenden Fahrzeug mindestens gleich der hal-ben Tachoanzeige in Meter sein soll, ergibt sich – ohne Berücksichtigung der Fahrzeuglänge – mitBeziehung (13.10) eine geschwindigkeitsunabhängige Durchsatzleistung pro Fahrspur von 2000 Fz/h.Messungen der Verkehrsleistung stark befahrener Straßen ergeben deutlich geringereWerte [121,122].

Page 13: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

13.2 Elementarstationen und Transportelemente 463

Abb. 13.5 Geschwindigkeitsabhängigkeit der Streckengrenzleistung einer Fahrspurfür Straßenfahrzeuge

M-PKW: Mini-PKWN-PKW: Normal-PKWG-PKW: Groß-PKWLKW: LastzugTechnische Kenndaten s. Tab. 13.2

Geschwindigkeit ist jedoch in der Regel nicht gleich der kostenoptimalen Geschwin-digkeit, die für Schiffe in Abschn. 18.13 berechnet wird.

Aus der Abhängigkeit (13.16) ergibt sich die Möglichkeit einer bedarfsabhän-gigen Leistungsregelung durch Anpassung der Fahrgeschwindigkeit an den aktuel-len Durchsatz. Diese Optimierungsmöglichkeit wird zum Beispiel im Straßenverkehrgenutzt, indem auf viel befahrenen Strecken die Grenzleistung durch eine belas-tungsabhängige Geschwindigkeitsregelung der aktuellen Verkehrsbelastung ange-passt wird.

Die Tab. 13.2 enthält die Grenzleistungen der Streckenelemente verschiedenerFahrzeugsysteme, die sich mit Beziehung (13.16) bei der jeweils leistungsoptimalenGeschwindigkeit (13.17) aus den angegebenen technischen Kenndaten ergeben.

13.2.5 Unstetige Verbindungen

Unstetige Verbindungen oderVerbindungselemente sind Stationen, in denen die Lade-einheiten von einem intermittierend arbeitendenUmsetzelementmit einerKapazität

Page 14: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

464 13 Grenzleistungen und Staueffekte

Tab. 13.2 Grenzleistungen von Streckenelementen in Fahrzeugsystemen

Tabellenkalkulationsprogramm mit Formeln (13.16) und (13.17)1m/s = 3,6 km/h; 1 km/h = 0,28m/s

cU [LE] über einen Verbindungsweg der Länge s [m] befördert werden. Beispiele fürVerbindungselemente sind:

VerschiebewagenDrehscheibenSchwenktischeUmsetzerHub- und SenkstationenAufzügeFahrzeuge.

(13.18)

Auch Transportfahrzeuge mit einer Kapazität cTE [LE/TE], die an einem Beladeortstarten, nach einem Fahrweg s den Entladeort erreichen und nach dem Entladenzum Ausgangsort zurückkehren, können zur Berechnung der maximalen Beförde-rungsleistung als Umsetzelement betrachtet werden.

Die minimale Taktzeit, mit der c ≦ cU Einheiten von einem Verbindungsele-ment abgefertigt werden können, ist gleich der Summe der Einlaufzeit oder Bela-dezeit tbel(c), der doppelten Wegzeit tweg(s) des Umsetzelements für die Hin- undRückfahrt und der Auslaufzeit oder Entladezeit tent(c) ∶

τv(c; s) = tbel(c) + 2 ⋅ tweg(s) + tent(c) [s] . (13.19)

Die Wegzeit für die Fortbewegung über eine Strecke der Länge s [m] mit einer Ma-ximalgeschwindigkeit vm [m/s] und der mittleren Bremsbeschleunigungskonstantenbm = 2b+b−/(b+ + b−) [m/s2] ist (s. Bez. (16.59), Abschn. 16.10):

tweg(s) =WENN (s < v2m/bm ; 2√s/bm ; s/vm + vm/bm) [s] . (13.20)

Page 15: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

13.2 Elementarstationen und Transportelemente 465

Wegen des Zeitbedarfs für die Rückfahrt geht die Wegzeit (13.20) in die Taktzeit(13.19) doppelt ein.

Wenn sein der Einlaufweg, saus der Auslaufweg und die t0 die Totzeit für Schalt-und Reaktionsvorgänge ist, folgt mit Beziehung (13.20) für die Einlaufzeit tein(c) =t0 + tweg(sein) und für die Auslaufzeit taus(c) = t0 + tweg(saus), die für das Einlaufenbzw. Auslaufen der c ≦ cU Einheiten benötigt wird. Bei schubweiser Abfertigung sindder Einlaufweg und der Auslaufweg mindestens gleich der Länge c ⋅ lTE eines Pulks.Wenn die c Ladeeinheiten nicht in einem Schub ver- und entladen werden, sind dieBeladezeit und die Entladezeit größer als die Einlaufzeit und die Auslaufzeit einesPulks.

Durch Einsetzen von (13.19) in Beziehung (13.6) folgt:

� Die Grenzleistung einer unstetigen Verbindung, eines Verbindungselements odereines Transportmittels, das die Ladekapazität cU, die Beladezeit tbel(c) und dieEntladezeit tent(c) hat und für einenVerfahrweg s dieWegzeit tweg(s) benötigt, istbei Abfertigung von Schüben der mittleren Pulklänge c ≦ cU

μv(c; s) = 3600 ⋅ c/(tbel(c) + 2tweg(s) + tent(c)) [LE/h] . (13.21)Die Abhängigkeit der Grenzleistung von der Länge des Verfahrwegs ist für das Bei-spiel eines Verteilerwagens für Paletten mit unterschiedlicher Kapazität in Abb. 13.6dargestellt. Die Tab. 13.3 enthält die Grenzleistungen weiterer unstetiger Verbin-dungen von Fördersystemen für Paletten und leichtes Stückgut, die mit Hilfe derBeziehung (13.21) aus den technischen Kenndaten berechnet wurden. Aus Bezie-hung (13.21), derAbb. 13.6 und den tabellierten Grenzleistungen ist ablesbar (s. auchAbb. 16.20):

� Den stärksten Einfluss auf die Grenzleistung eines Verbindungselements oderTransportfahrzeugs haben die Ladekapazität und die Länge des Transportwegs.

Hieraus folgt, dass sich das Leistungsvermögen unstetiger Verbindungselemente undintermittierend arbeitender Förderelemente vor allem durch eine vergrößerte Lade-kapazität cU und eine Verkürzung des Transportwegs steigern lässt. Weitere Ver-besserungsmöglichkeiten sind die Verkürzung der Be- und Entladezeiten, größe-re Brems- und Beschleunigungswerte und bei größeren Entfernungen eine höhereFahrgeschwindigkeit.

13.2.6 Verzweigungs- und Zusammenführungselemente

Wie das Beispiel der inAbb. 13.7 dargestellten Absenkstation einer Hängebahn zeigt,haben die unstetigen Verbindungen (13.18) in vielen Fällen mehrere Eingänge odermehrereAusgänge.Dann sind sieVerzweigungselemente,Zusammenführungselemen-te oder Transportelemente höherer Ordnung.

Verzweigungselemente sind Transportelemente der Ordnung 3 vom Typ (1;2) miteinem Eingang und zwei Ausgängen, die einen Einlaufstrom λE = λA1 + λA2 in zweipartielle Auslaufströme λA1 und λA2 aufteilen. Beispiele für Verzweigungselementesind (s. auch Abb. 18.8):

Page 16: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

466 13 Grenzleistungen und Staueffekte

Abb. 13.6 Abhängigkeit der Grenzleistung eines Verteilerwagens von der Längedes Verfahrwegs

c: Kapazität des Verteilerwagens [Pal]Technische Kenndaten: s. Tab. 13.3

Abb. 13.7 Absenkstation einer Einschienenhängebahn mit einer Abfertigungskapazitätfür cA = 3 Fahrzeuge

Page 17: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

13.2 Elementarstationen und Transportelemente 467

Tab. 13.3 Grenzleistungen unstetiger Verbindungselemente in Fördersystemen

Tabellenkalkulationsprogramm mit Formel (13.21)EURO-Palette: l × b × h = 1.200 × 800 × 1.800mmNormbehälter: l × b × h = 600 × 400 × 300mm

WeichenSchwenktischeDrehscheibenFahrbahnverzweigungenUmsetzer.

(13.22)

sowie alle Verbindungselemente (13.18) mit zwei Ausgängen.Zusammenführungselemente sind Transportelemente der Ordnung 3 vom Typ

(2;1) mit zwei Eingängen und einem Ausgang, die zwei partielle Einlaufströme λE1und λE2 zu einem Auslaufstrom λA = λE1 + λE2 vereinigen. Beispiele für Zusammen-führungselemente sind die in umgekehrter Richtung arbeitenden Verzweigungsele-mente (13.18) und (13.22) (s. auch Abb. 18.9).

Die Abb. 13.8 zeigt die Verzweigungs- und Zusammenführungselemente einerHängebahn. Hieraus ist ersichtlich, dass es stetige, halbstetige und unstetige Verzwei-gungselemente und Zusammenführungselemente gibt, abhängig davon ob die Ver-bindungen in die Verzweigungs- und Zusammenführungsrichtungen stetig oder un-stetig sind.

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468 13 Grenzleistungen und Staueffekte

Abb. 13.8 Unstetige, halbstetige und stetige Verzweigungs-und Zusammenführungselemente einer Hängebahn

Bei den unstetigen Verbindungsrichtungen ist die Umschaltzone ein intermittie-rend arbeitendesUmschaltelement, das –wie inAbb. 13.7 dargestellt – eine bestimmteKapazität cU ≧ 1 hat und c ≦ cU gleichzeitig einlaufende Einheiten zu einem Aus-laufpunkt umsetzt.

Die technisch maximal durchsetzbaren partiellen Ströme sind die partiellenGrenzleistungen μ1 und μ2, die bei schubweiser Abfertigung von der mittleren Pul-klänge c ≦ cU abhängen. Für stetige Verbindungsrichtungen lässt sich die partielleGrenzleistung mit Hilfe der Beziehungen (13.10) und (13.16) und für unstetige Ver-bindungsrichtungen mit Hilfe von Beziehung (13.21) aus den technischen Kennda-ten berechnen.

Bei mehr als zwei Ausgängen wird aus einem Verzweigungselement ein Verteile-relement. Mit mehr als zwei Eingängen ist ein Zusammenführungselement ein Sam-melelement. Diese speziellen Transportelemente höherer Ordnung sind in Abb. 13.1dargestellt.

Page 19: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

13.2 Elementarstationen und Transportelemente 469

13.2.7 Transportelemente höherer Ordnung

Beispiele für Transportelemente höherer Ordnung mit n > 2 Eingängen und/oderm > 2 Ausgängen sind (s. Abb. 13.7 und 18.10):

VerteilerwagenDrehscheibenAufzügeHub- und SenkstationenRegalbediengeräteKraneKreuzungenKreuzungsweichenMehrfachweichen.

(13.23)

Zwischen den n Eingängen Ei und den m Ausgängen A j eines Transportelementshöherer Ordnung fließen durch stetige oder unstetige Verbindungen n ⋅ m partielleStröme λi j .

Die Partialströme λi j laufen, wie in Abb. 13.9 dargestellt, als Bestandteile der nEinlaufströme

λEi = ∑jλi j (13.24)

in die Umschaltzone ein und werden dort umgewandelt in die m Auslaufströme

λA j = ∑iλi j . (13.25)

Die Gesamtstrombelastung des Transportelements ist also

λ =∑i jλi j =∑

iλEi = ∑

jλA j . (13.26)

Für die maximalen Durchsatzleistungen in den verschiedenen Verbindungen desTransportelements gilt das partielle Grenzleistungsgesetz:

� Jeder Partialstrom λi j ist nach oben begrenzt durch die partielle Grenzleistung μi jder entsprechenden Verbindung Ei → A j

λi j ≦ μi j . (13.27)

Das partielle Grenzleistungsgesetz besagt, dass alle partiellen Stromauslastungenkleiner als 100% sein müssen, dass also

ρi j = λi j/μi j ≦ 1 für alle i und j . (13.28)

Wie bei den Verzweigungen und Zusammenführungen lassen sich die Transport-elemente entsprechend den vorkommenden Verbindungsarten einteilen in stetige,teilstetige und unstetige Transportelemente. Die partiellen Grenzleistungen sind fürdie stetigen Verbindungsrichtungen mit Hilfe der Beziehungen (13.10) oder (13.16)und für die unstetigen Verbindungsrichtungen mit Hilfe von Beziehung (13.21) zuberechnen.

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470 13 Grenzleistungen und Staueffekte

Abb. 13.9 Irreduzibler Transportknoten (Transportelement) der Ordnung o = n +mvom Typ (n,m)

Ein Transportelement wird nicht nur durch die Partialströme ausgelastet, son-dern auchdurch dieWechselzeiten, die beimFunktionswechsel von einerVerbindungzu einer anderen Verbindung auftreten:

• DieWechselzeit oder Zwischenzeit zi j kl [s] ist die Zeit, die bei Funktionswechseleines Transportelements von einer Verbindung Ei → A j zu einer anderen Ver-bindung Ek → Al zwischen dem Einlauf der letzten Einheit des Stroms λi j unddem frühestmöglichen Auslauf der ersten Einheit des Stroms λkl verlorengeht.

Die Wechselzeit der Transportelemente entspricht der Rüstzeit, die bei einem Pro-duktwechsel in einer Produktionsstelle auftritt (s. Abschn. 13.9).

Die Wechselzeit zwischen zwei stetigen Verbindungsrichtungen ist gleich derRäum- und Schaltzeit, die zwischen dem Einlauf der letzten Einheit einer Richtungund dem Auslauf der ersten Einheit der nächsten Richtung benötigt wird.

Bei einer Drehweiche, wie sieAbb. 13.8 zeigt, ist dieWechselzeit gleich der Dreh-zeit des Weichentellers in die neue Durchlassrichtung plus der Fahrzeit für den Wegvom Einlaufpunkt zumAuslaufpunkt. Bei einer einspurigen Fahrstrecke mit Gegen-verkehr, wie sie an Baustellen häufig vorkommt, ist die Wechselzeit gleich der Zeitzwischen der Einfahrt des letzten Fahrzeugs in der einen Richtung und der Ausfahrtdes ersten Fahrzeugs der Gegenrichtung.

DieWechselzeit zwischen zwei unstetigen Verbindungsrichtungen ist 0, wenn siein den Schatten der Taktzeit (13.19) fällt.

In Tab. 13.4 sind die Grenzleistungen und Wechselzeiten einiger Transportele-mente von Paletten- und Behälterfördersystemen angegeben.

Wenn νi j kl [1/h] die Umschaltfrequenz zwischen den Verbindungen Ei → A jund Ek → Al ist, geht pro Stunde, also pro 3.600 s, insgesamt die Zeit νi j kl ⋅ zi j kl [s]für das Wechseln verloren. Hieraus folgt:

Page 21: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

13.3 Abfertigungsstrategien 471

Tab. 13.4 Grenzleistungen von Verteiler- und Sammelelementen in Paletten- undBehälterfördersystemen

EURO-Palette : l × b × h = 1.200 × 800 × 1.800mmNormbehälter : l × b × h = 600 × 400 × 300mm

� DieWechselzeitbelastung eines Transportelements mit denWechselzeiten zi j kl [s]und den Umschaltfrequenzen νi j kl [1/h] istρw = ∑

i j∑

klνi j k l ⋅ zi j kl /3600 . (13.29)

Während der unproduktiven Wechselzeitbelastung (13.29) kann eine Station nichtfür die eigentlich benötigte Durchsatzfunktion genutzt werden.

13.3 Abfertigungsstrategien

Im Gegensatz zu den Grenzleistungen und Wechselzeiten, die konstruktionsabhän-gig und daher nur schwer veränderbar sind, lassen sich die Umschaltfrequenzenwährend des Betriebs durch geeigneteAbfertigungsstrategien verändern und demBe-darf anpassen:

Page 22: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

472 13 Grenzleistungen und Staueffekte

• Eine Abfertigungsstrategie regelt, in welcher Anzahl und Priorität die einlaufen-den Einheiten abgefertigt und auf die verschiedenen Ausgangsrichtungen verteiltwerden.

Wie fast alle Strategien in der Logistik ergeben sich die Abfertigungsstrategien ausden drei Grundstrategien Bündeln, Ordnen und Sichern und ihren Gegenstrategien(s. Abschn. 5.2). Mit einer Abfertigungsstrategie lassen sich unterschiedliche Zieleverfolgen, wie:

• Auslastungsziele

maximale Auslastung der Station (13.30)

• Leistungsziele

maximaler Durchsatz in allen Verbindungsrichtungenmaximaler Durchsatz für bestimmte Verbindungsrichtungen (13.31)

• Zeitziele

minimale Abfertigungszeiten für alle Verbindungsrichtungenminimale Abfertigungszeiten für bestimmte Verbindungsrichtungen

(13.32)

• Stauzieleminimale Warteschlangen und Wartezeitenkein Blockieren vorangehender Stationen (13.33)

• Sicherheitszielegrößtmögliche Störungs- und Ausfallsicherheitmaximale Verkehrssicherheitminimale Unfallgefahr für personenbesetzte Fahrzeuge.

(13.34)

Diese Ziele sind in der Regel nicht kompatibel und lassen sich nicht durch die glei-chen Strategien erreichen. Daher müssen die angestrebten Ziele vor der Auswahlder Abfertigungsstrategien klar definiert und in ihrer Rangfolge festgelegt werden(s. Kap. 5.1).

DieAuswirkung der verschiedenenAbfertigungsstrategien auf diemaximalmög-lichen Durchsatzleistungen einer Elementarstation oder eines Transportelementslassen sich mit Hilfe der Grenzleistungsgesetze quantifizieren.

13.3.1 Bündelungsstrategien

Wenn die Abfertigungskapazität eines Transportelements cU > 1 ist, können bis zucU Einheiten gleichzeitig abgefertigt werden. Für Stationen mit cU > 1 muss daherdie Anzahl der Einheiten, die in einem Pulk in die Abfertigungs- oder Umschaltzoneeinlaufen, durch eine Bündelungsstrategie geregelt werden. Mögliche Bündelstrategi-en sind:

Page 23: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

13.3 Abfertigungsstrategien 473

• Einzelabfertigung: Die ankommenden Einheiten laufen nacheinander einzeln indie Abfertigungs- oder Umschaltzone, werden dort einzeln abgefertigt und in diegeforderte Auslaufrichtung umgesetzt.

• Konstante Pulkabfertigung: Die ankommenden Einheiten laufen in Schüben glei-cher Pulklänge cK ≦ cU in die Abfertigungs- oder Umschaltzone, werden dortgemeinsam abgefertigt und in die geforderte Auslaufrichtung umgesetzt.

• Variable Pulkabfertigung: Die ankommenden Einheiten laufen in Schüben wech-selnder Pulklänge c ≦ cU in die Abfertigungs- oder Umschaltzone, werden dortgemeinsam abgefertigt und in die geforderte Auslaufrichtung umgesetzt.

• Zyklische Abfertigung: Das Transportelement oder die Abfertigungsstation arbei-tet in einem konstanten oder belastungsabhängigen Zyklus. Die Auslastung derAbfertigungskapazität hängt von der Zykluszeit und von der Strombelastung ab.

Eine Einzelabfertigung ist unvermeidlich, wenn die Abfertigungs- oder Umschaltzo-ne zu einer Zeit nur eine Einheit aufnehmen und abfertigen kann. Sie hat den Vorteilminimaler Abfertigungszeit aber den Nachteil einer geringeren Grenzleistung.

Diemaximale Auslastung einer Station mit einer Aufnahmekapazität cU > 1wirdmit der konstanten Pulkabfertigung erreicht, wenn cK = cU ist. Bei geringer Strom-belastung führt diese Strategie jedoch dazu, dass die ersten eintreffenden Einheitenlänger warten müssen, bevor die zur Vollauslastung geforderten cU Einheiten aufge-laufen sind. Die Folge sind also lange effektive Durchlaufzeiten. Wenn jede Abfer-tigung mit Kosten verbunden ist, wird jedoch mit der Abfertigung maximaler Pul-klängen Geld gespart.2

Um längereWartezeiten zu vermeiden und die effektiven Durchlaufzeiten geringzu halten, wird eine Station mit einer Kapazität cU > 1 besser nach der Strategie dervariablen Pulkabfertigung betrieben. Nach jederAbfertigungwerden aus der nächstenvorgegeben Einlaufrichtung die inzwischen eingetroffenen c ≤ cU Einheiten abgefer-tigt. Mit dieser Regelung wird die Station mit zunehmender Belastung immer höherausgelastet.

Bei niedriger Belastung ist allerdings mit dieser Strategie die Auslastung gering.Dafür aber sind die effektiven Durchlaufzeiten erheblich kürzer als bei der konstan-ten Pulkabfertigung. ImVergleich zur Einzelabfertigung aber sind die Durchlaufzei-ten auch bei der variablen Pulkabfertigung länger, da für den Ein- und Auslauf undmeist auch für die Bearbeitung und das Umsetzen von mehr als einer Einheit mehrZeit benötigt wird als für eine einzelne Einheit.

13.3.2 Vorfahrtstrategien

Bei Stationen mit mehr als einem Eingang muss zusätzlich zur Pulklänge die Prio-rität der Abfertigung geregelt sein. Zur Prioritätsregelung von Elementarstationenund Transportelementen sind folgende Ordnungsstrategien oderVorfahrtsregelungengeeignet:

2 Das Dilemma ist jedem Reisenden bekannt, der schon einmal auf eine Fähre oder ein Fahrzeug getrof-fen ist, das erst abfährt, wenn genügend Passagiere da sind.

Page 24: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

474 13 Grenzleistungen und Staueffekte

• Gleichberechtigte Abfertigung (First-Come-First-Served FCFS): Die ankommen-den Einheiten werden in der Reihenfolge ihres Eintreffens abgefertigt.

• Einfache Vorfahrt (z. B. Vorfahrtsstraße): Die Einheiten aus einer nachberechtig-ten Einlaufrichtung dürfen nur in die Abfertigungszone einlaufen, wenn zwi-schen zwei aufeinander folgenden Einheiten aus den bevorrechtigten Richtungeneine ausreichend große Grenzzeitlücke (13.37) vorkommt.

• Absolute Vorfahrt (z. B. Stoppstraße): Alle Einheiten aus einer nachberechtigtenEinlaufrichtung müssen an einem Einlaufpunkt anhalten und warten, bis zwi-schen zwei aufeinander folgenden Einheiten aus den bevorrechtigten Richtungeneine ausreichend große Grenzzeitlücke vorkommt.

Beide Vorfahrtsstrategien setzen eine Priorisierung der Einlaufrichtungen in einerVorfahrtsrangfolge voraus:

λE1 vor λE2 vor λE3 vor λE4 vor . . . vor λEn . (13.35)

Bei der Zusammenführung von zwei Strömen wird der vorfahrtsberechtigte StromalsHauptstrom λH undder benachteiligte StromalsNebenstrom λN bezeichnet. Danngilt:

λH vor λN . (13.36)

Das heißt jedoch nicht, dass der Nebenstrom kleiner als der Hauptstrom ist.Damit mindestens eine Nebenstromeinheit ohne Behinderung des Hauptstroms

einlaufen kann, muss der Zeitabstand zwischen zwei Einheiten desHauptstroms grö-ßer sein als die Summe der minimalen Taktzeiten von Hauptstrom und Nebenstromund der Wechselzeiten vom Hauptstrom zum Nebenstrom und wieder zurück. Diebenötigte Grenzzeitlücke ist daher:

tgrenz = τH + τN + zHN + zNH = τH + τN + z . (13.37)

Bei absoluter Vorfahrt ist die Gesamtwechselzeit z = zHN + zNH um die Brems- undAnfahrzeit der haltenden Nebenstromeinheit größer als die Gesamtwechselzeit dereinfachen Vorfahrt.

Mit der einfachen und der absoluten Vorfahrt wird zu Lasten der Gesamtdurch-satzleistung und auf Kosten der effektiven Durchlaufzeiten der nachberechtigtenRichtungen für die bevorrechtigten Richtungen eine kürzere Durchlaufzeit erreicht.Die absolute Vorfahrt bietet gegenüber den beiden anderen Vorfahrtsregelungen ei-ne größere Funktionssicherheit und gewährleistet im Straßenverkehr eine geringereUnfallgefahr.

Von den drei Vorfahrtsstrategien ist die einfache Vorfahrt mit dem geringstenAufwand zu realisieren. Wegen der erforderlichen Messung der Grenzzeitlücke istdie steuerungstechnische Realisierung der absoluten Vorfahrt in der Regel aufwen-diger und mit höheren Kosten verbunden. Für die gleichberechtigte Abfertigung be-steht bei hoher Strombelastung das Problem, die Anzahl und die Ankunftszeiten derwartenden Einheiten zu erfassen.

Page 25: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

13.3 Abfertigungsstrategien 475

13.3.3 Steuerungsstrategien

Die größtmögliche Sicherheit gegen Störungen und Unfälle bieten die Steuerungs-strategien:

• Konstante zyklische Abfertigung (Feste Ampelregelung): Jede Einlaufrichtung Eiwird mit der Bedienungsfrequenz νi [1/h] für eine gleichbleibend lange ZykluszeitTZi [s] geöffnet, in der nur die Einheiten aus dieser Richtung abgefertigt werden.

• Flexible zyklische Abfertigung (Flexible Ampelregelung): Jede Einlaufrichtung Eiwird mit der Bedienungsfrequenz νi [1/h] für eine bedarfsabhängige ZykluszeitTZi(λi) [s] geöffnet, in der nur die Einheiten aus dieser Richtung abgefertigt wer-den.

Strategieparameter der zyklischen Abfertigung sind die Bedienungsfrequenzen, dieZykluszeiten und die Reihenfolge der Einlaufrichtungen innerhalb eines Gesamtzy-klus. Wenn jede Einlaufrichtung Ei pro Zyklus ni mal bedient wird, ist die Gesamt-zykluszeit

TZ = ∑ini ⋅ Tzi [s] . (13.38)

Damit ist die Gesamtbedienungsfrequenz

νZ = 3600/TZ [1/h] (13.39)

und die Bedienungsfrequenz der Einlaufrichtung Ei

νi = ni ⋅ νz [1/h] . (13.40)

Die zyklische Abfertigung gewährleistet im Vergleich zu den Vorfahrtsstrategien diegrößte Störungssicherheit und die geringste Unfallgefahr. Sie ist jedoch mit einerLeistungseinbuße verbunden, die von den Umschaltfrequenzen und denWechselzei-ten abhängt.

Aus den Beziehungen (13.29), (13.38) und (13.39) ist ablesbar:

� Mit kurzen Zykluszeiten lassen sich hohe Bedienungsfrequenzen und kurzeWar-tezeiten erreichen, dafür aber ist der Leistungsverlust hoch.

� Mit längerenZykluszeiten vermindert sich der Leistungsverlust, zugleich aber sin-ken die Bedienungsfrequenzen und steigen die Wartezeiten an.

Die steuerungstechnische Realisierung der zyklischen Abfertigung ist aufwendigerund teurer als für die Vorfahrtsstrategien. Wegen der erforderlichen Messung derStrombelastungen und der Regelung der Frequenzen ist die flexible Ampelregelungnoch aufwendiger als die feste Ampelregelung.

Ein wesentlicher Nachteil der zyklischen Abfertigung sind die systematischenWarteschlangen, die sich während der Sperrzeiten auf den Zulaufstrecken bilden. Inder Sperrzeit können die Warteschlangen bis in voranliegende Stationen anwachsenund diese blockieren, wenn die Zykluszeiten aufeinander folgender Stationen nichtrichtig synchronisiert sind (s. Abschn. 13.5.4).

Page 26: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

476 13 Grenzleistungen und Staueffekte

13.3.4 Systemstrategien

Außer durch geeignete Abfertigungsstrategien für die einzelnen Stationen lassen sichLeistungsvermögen, Durchlaufzeiten und Betriebskosten eines Systems, das aus par-allelen und nacheinander geschalteten Stationen besteht, durch übergreifende Sys-temstrategien optimieren. Eine Systemstrategie regelt die Belastung und den Funkti-onsablauf mehrerer Stationen.

Für die unterschiedlichenLogistiksysteme,wie dieUmschlag-, Transport-, Lager-und Kommissioniersysteme, gibt es eine Vielzahl spezieller Systemstrategien, die inden nachfolgenden Kapiteln behandelt werden. In fast allen Produktions-, Leistungs-und Logistiksystemen aber kommen die folgenden Parallel- und Reihenbetriebsstra-tegien zum Einsatz.

Wenn in einem System, wie in Abb. 13.10 dargestellt, nach einer Verzweigungs-stelle mehrere Abfertigungsstationen oder Leistungsketten zur Auswahl stehen, diealle die gleiche Funktion bieten, das gleiche Ergebnis erzeugen oder zum selben Zielführen, sind – abgesehen vom reinen Zufallsbetrieb ohne Strategie – folgende Paral-lelbetriebsstrategien möglich:

• Zyklische Einzelzuweisung: Die ankommenden Einheiten werden in zyklischerFolge einzeln auf die parallelen Stationen oder Leistungsketten verteilt.

• Zyklische Pulkzuweisung: Die ankommendenEinheitenwerden in zyklischer Fol-ge pulkweise auf die parallelen Stationen oder Leistungsketten verteilt, wobei diePulklänge konstant oder auslastungsabhängig sein kann.

Abb. 13.10 Parallele Abfertigungsstationen oder Leistungsketten

V: Verzweigungs- und ZuteilungsstelleSk : Abfertigungsstation oder Prozessketteneingang

Page 27: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

13.3 Abfertigungsstrategien 477

Abb. 13.11 Einfache Leistungskette, Logistikkette oder Transportkette

Sk : Stationen (Leistungsstellen, Abfertigungsstationen, Transportelemente)ηk : Funktionssicherheiten (Zuverlässigkeit oder Verfügbarkeit)

• Auslastungsabhängige Einzelzuweisung: Die ankommenden Einheiten werden je-weils der Station oder Leistungskette zugewiesen, die zum Zeitpunkt des Eintref-fens am geringsten ausgelastet ist.

• Dynamisches Auffüllen: Die ankommenden Einheiten werden der ersten Stationmit freier Staukapazität zugewiesen. Bei ansteigendem Zustrom werden nach-einander weitere Stationen geöffnet. Bei abnehmendem Strom werden Stationengeschlossen [178].

Für die Steuerung des Durchlaufs der Einheiten durch eine Leistungskette, Logis-tikkette oder Transportkette, die – wie in Abb. 13.11 dargestellt – aus einer Reiheaufeinander folgender Stationen besteht, gibt es die Reihenbetriebsstrategien:

• Freier Durchlauf : Die ankommenden Einheiten laufen unabhängig voneinanderauf die einzelnen Stationen zu und werden dort nach den zuvor beschriebenenAbfertigungsstrategien abgefertigt.

• Gedrosselter Einzeldurchlauf : Stochastisch verteilt ankommende Einheiten, de-ren zeitlicher Abstand τE kleiner ist als die längste Abfertigungszeit τmax der Sta-tionen in der Leistungskette, werden von einer Einlassdrossel erst durchgelassen,wenn τE = τmax ist.

• Gedrosselter Pulkdurchlauf (Engpassbelegung): Die ankommendenEinheitenwer-den von einer Einlassstelle in Pulks gruppiert, deren Länge cE gleich der maxima-len Abfertigungskapazität cmax und deren zeitlicher Abstand τE gleich der längs-ten Abfertigungszeit τmax in der Prozesskette ist.

• Geregelter Durchlauf (,,GrüneWelle“): Die Zykluszeiten der aufeinander folgen-den Stationen der Prozesskette sind so aufeinander abgestimmt, dass ein längererPulk von Einheiten die gesamte Kette ohne Halt durchlaufen kann [121, 123].

Die Parallel- und Reihenbetriebsstrategien haben unterschiedliche Auswirkungenauf die Leistung, die Durchlaufzeiten, die Funktionssicherheit und die Prozesskos-ten. Die Auswahl unter den möglichen Strategien hängt von der Zielsetzung undden Prioritäten ab und erfordert eine sorgfältige Analyse und Quantifizierung derStrategieeffekte. Hierfür werden die nachfolgenden Grenzleistungs- und Staugesetzebenötigt [70, 74].

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478 13 Grenzleistungen und Staueffekte

13.4 Grenzleistungsgesetze

Damit eine Elementarstation oder einTransportelement die benötigtenAbfertigungs-undDurchsatzleistungen erbringen kann und vor keinemder Einlaufpunkte ein end-loser Stau anwächst, muss die Gesamtauslastung ρ, die gleich der Summe der par-tiellen Stromauslastungen und der Wechselzeitbelastung ist, zu allen Betriebszeitenkleiner als 1 sein:

ρ = ∑i jρi j + ρW < 1 . (13.41)

Durch Einsetzen von Beziehung (13.28) für ρi j und von Beziehung (13.29) fürρWfolgt hieraus das allgemeine Grenzleistungsgesetz:

� Notwendige Bedingung für die Leistungsfähigkeit einer Elementarstation odereines Transportelements mit den partiellen Grenzleistungen μi j [LO/h] und denUmschaltzeiten zi j kl [s], das von den Partialströmen λi j [LO/h] durchflossen undmit den Umschaltfrequenzen νi j kl [1/h] umgeschaltet wird, istn

∑i=1

m

∑j=1

λi j/μi j +n

∑i ,k=1

m

∑j, l=1

νi j kl ⋅ zi j kl /3600 < 1 . (13.42)

Das Grenzleistungsgesetz (13.42) ist eine notwendige Funktionsbedingung für alleStationen und Transportelemente, in deren Abfertigungs- und Umschaltzone sich zugleicher Zeit nur die Einheiten einer Verbindungsrichtung befinden dürfen. Wenndie Abfertigungs- und Umschaltzone den gleichzeitigen Durchlauf der Ströme ausmehr als einer Einlaufrichtung zulässt, erstrecken sich die Summen in Beziehung(13.42) nur über die Einlaufrichtungen, deren Ströme nicht gleichzeitig fließen kön-nen.

FürAbfertigungsstationenundTransportelemente, derenAbfertigungs- undUm-schaltzone eine Kapazität cU > 1 hat, setzen sich die Partialströme λα zusammen ausStromanteilen λα(c)mit richtungsreinen Schüben der Länge c = 1, 2, . . . , cU. Die par-tielle Auslastung ρα = λα/μα in der Grenzleistungsbeziehung (13.42) ist in diesemFall gleich der Summe

λα/μα =cU∑

c=1λα(c)/μα(c) mit α = i , j . (13.43)

Die von der Pulklänge abhängigen partiellen Grenzleistungen μα(c) lassen sich mitHilfe der vorangehenden Beziehungen berechnen.

Bei zufälliger Durchmischung ist die Wahrscheinlichkeit, dass c Einheiten desPartialstroms λα aufeinander folgen, (λα/λ)c . Die Wahrscheinlichkeit, dass dienächst folgende Einheit nicht zum Partialstrom λα gehört, ist (λ − λα)/λ. Das Pro-dukt dieser beiden Wahrscheinlichkeiten ist die Folgewahrscheinlichkeit:

� Die Folgewahrscheinlichkeit, dass in einem stochastisch durchmischten Gesamt-strom λ, der sich aus den Partialströmen λα zusammensetzt, genau c Einheiteneines Partialstroms aufeinander folgen, ist

Page 29: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

13.4 Grenzleistungsgesetze 479

wα(c) = (λα/λ)c ⋅ (λ − λα)/λ . (13.44)Die Folgewahrscheinlichkeit (13.44) ist allgemein nutzbar zur Berechnung der rela-tiven Häufigkeit der Folgen von c Lade- oder Transporteinheiten gleicher Art in ei-nem zufallsgemischten Strom, beispielsweise von Fahrzeugen gleicher Farbe in ei-nem Verkehrsstrom [73, /2].

Mit der Folgewahrscheinlichkeit folgt für die Stromanteile λa(c) in der Grenz-leistungsformel (13.43):

λα(c) =⎧

⎪⎪

⎪⎪

wα(c) ⋅ λ für c < cU(λα/λ)c ⋅ λ für c = cU

(13.45)

Für die verschiedenen Elementarstationen, Transportelemente und Abfertigungs-strategien ergeben sich aus den allgemeinen Grenzleistungsgesetzen (13.42) und(13.43) spezielle Grenzleistungsgesetze.

Nachfolgend werden die Grenzleistungsgesetze für Verzweigungs- und Zusam-menführungselemente bei unterschiedlichen Abfertigungsstrategien behandelt. Diehieraus resultierenden Aussagen und Zusammenhänge gelten grundsätzlich auch fürElementarstationen und Transportelemente höherer Ordnung [73, 117].

Für einige Transportelemente wurde zum Test der analytischen Grenzleistungs-kurven eine digitale Simulation durchgeführt [56]. Die Simulationsergebnisse, die inden nachfolgenden Diagrammen eingetragen sind, bestätigen die analytischen Be-rechnungen mit Hilfe der Grenzleistungsgesetze.

13.4.1 Grenzleistungsgesetz für Zusammenführungen und Verzweigungen

Bei Einzelabfertigung reduziert sich das allgemeine Grenzleistungsgesetz (13.42) fürVerzweigungselemente mit einem Eingang und zwei Ausgängen sowie für Zusam-menführungselemente mit zwei Eingängen und einem Ausgang auf die Forderung:

λ1/μ1 + λ2/μ2 + ν ⋅ z/3600 < 1 . (13.46)

Dabei sind die Partialströme λi für ein Zusammenführungselement die Anteile desEinlaufstroms

λE = λ = λ1 + λ2 (13.47)

und für ein Verzweigungselement die Anteile des Auslaufstroms

λA = λ = λ1 + λ2 . (13.48)

Da bei nur zwei Betriebsstellungen die Hinschaltfrequenz gleich der Rückschaltfre-quenz ist, sind für die Grenzbelastbarkeit des Elements nur die Umschaltfrequenz

ν = ν12 = ν12 (13.49)

und die Summe der Wechselzeiten

z = z12 + z12 (13.50)

maßgebend. Bei Pulkabfertigung sind die partiellen Auslastungen λi/μi gemäß Be-ziehung (13.43) zu zerlegen in Stromanteile mit richtungsreinen Schüben gleicherLänge.

Page 30: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

480 13 Grenzleistungen und Staueffekte

13.4.2 Belastungsgrenzen bei zyklischer Abfertigung

Bei zyklischer Abfertigung der Einlaufströme eines Zusammenführungselements istdieUmschaltfrequenz durchBeziehung (13.39) gegeben.Damit folgt aus demGrenz-leistungsgesetz (13.46) der Satz:

� Bei zyklischer Abfertigung mit der Zykluszeit TZ [s], der Wechselfrequenz ν =3600/TZ [1/h] und derWechselzeit z [s] sind die Partialströme eines Zusammen-führungselements begrenzt durch die Bedingung

λ1/μ1 + λ2/μ2 + z/TZ < 1 . (13.51)Für das in Abb. 13.8 dargestellte Beispiel einer beidseitig stetig arbeitenden Hänge-bahndrehweiche zeigt Abb. 13.12 die aus dem Grenzleistungsgesetz (13.51) mit denangegebenen partiellen Grenzleistungen resultierenden Grenzleistungskurven.

Die Grenzleistungskurve (13.51) für die maximal zulässigen Belastungszustände(λ1; λ2) ist eine Grade. ImGrenzfall sehr großer Zykluszeiten verläuft die Grade zwi-schen den beiden Achsenschnittpunkten (μ1; 0) und (0; μ2). Mit abnehmender Zy-kluszeit und zunehmender Zyklusfrequenz verschiebt sich die Grenzleistungsgradein Richtung auf den Nullpunkt. Die Leistungseinbuße infolge der Wechselzeitbelas-tung wird immer größer [73].

13.4.3 Belastungsgrenzen bei gleichberechtigter Abfertigung

Bei Einzelabfertigung gleichberechtigter Ströme ist die Wahrscheinlichkeit wi j einerUmschaltung von Partialstrom λi auf Partialstrom λ j gleich der bedingten Wahr-scheinlichkeit, dass die nächste nach einer Einheit des Partialstroms λi ankommen-de Einheit dem Partialstrom λ j angehört. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Einheiteines stochastisch durchmischten Gesamtstroms λ = ∑ λi dem Partialstrom λi an-gehört, ist λi/λ. Die Wahrscheinlichkeit, dass die nächstfolgende Einheit dem Parti-alstrom λ j angehört, ist λ j/λ. DieUmschaltwahrscheinlichkeit ist gleich dem Produktdieser beiden Wahrscheinlichkeiten:

wi j = (λi/λ) ⋅ (λ j/λ) . (13.52)

Die Umschaltfrequenz, das heißt die Anzahl Umschaltungen von Partialstrom λi aufPartialstrom λ j und umgekehrt, wird damit:

νi j = wi j ⋅ λ = λi ⋅ λ/λ . (13.53)

Für nur zwei Einlaufströme oder zwei Auslaufströme ist λ = λ1 + λ2. DurchEinsetzen von (13.53) in (13.49) und (13.46) folgt damit:

� Bei gleichberechtigter Abfertigung stochastischer Ströme λi [LO/h] in einem Zu-sammenführungs- oder Verzweigungselement mit der Wechselzeit z [s] sind diePartialströme begrenzt durch die Bedingung

λ1/μ1 + λ2/μ2 + (λ1 ⋅ λ2/(λ1 + λ2)) ⋅ z/3600 < 1 . (13.54)Für das in Abb. 13.8 dargestellte Beispiel unterschiedlicher Drehweichen einer Hän-gebahn zeigt Abb. 13.13 die aus demGrenzleistungsgesetz (13.54) mit den angegebe-nen partiellen Grenzleistungen resultierenden Grenzleistungskurven.

Page 31: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

13.4 Grenzleistungsgesetze 481

Abb. 13.12 Grenzleistungsgraden eines stetigen Zusammenführungs- oderVerzweigungselements bei zyklischer Abfertigung

ν [1/h]: Umschaltfrequenz übrige Parameter s. Abb. 13.13

Für die stetigen Zusammenführungs- und Verzweigungselemente ist die Grenz-leistungskurve eine um 45 Grad gedrehte Hyperbel, deren Durchbiegung von derGröße der Wechselzeit bestimmt wird. Die Abweichung der Hyperbel von der Ver-bindungsgraden der Punkte (μ1; 0) und (0; μ2) ist der Leistungsverlust infolge derUmschaltbelastung.

Bei den halbstetigen und bei den unstetigen Elementen sind die Grenzleistungs-kurven Verbindungsgraden zwischen den beiden Achsenschnittpunkten (μ1; 0) und(0; μ2), da hier die Wechselzeit Null ist. Da jedoch die Grenzleistung in der unsteti-gen Verbindungsrichtung deutlich geringer ist als in der stetigen Verbindungsrich-tung, liegen beide Grenzleistungsgraden weit unter der Grenzleistungskurve der ste-tigen Elemente.

Für das Beispiel einer halbstetigen Rollenbahndrehweiche mit Kapazität für cUPaletten ergeben sich mit der Zerlegung (13.45) der Partialströme in Anteile glei-

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482 13 Grenzleistungen und Staueffekte

Abb. 13.13 Grenzleistungskurven für Zusammenführung und Verzweigung beigleichberechtigter Abfertigung

Stetige Verbindung: μstet = 507TE/h; z = 12 sUnstetige Verbindung: μunst = 173TE/h; z = 0 sKreuze, Kreise, Dreiecke: Simulationsergebnisse

cher Schublänge aus demGrenzleistungsgesetz (13.54) die inAbb. 13.14dargestelltenGrenzleistungskurven [73]. Hieraus ist ablesbar, dass ein größeres Fassungsvermö-gen des Drehtisches nicht für alle Belastungszustände (λ1; λ2) zu einer Verbesserungder Durchsatzleistung führt. Im Bereich gleicher Partialströme ist die Wahrschein-lichkeit längerer richtungsreiner Schübe gering und die Drehzeit größer als für einenDrehtisch mit der Kapazität cU = 1.

13.4.4 Belastungsgrenzen bei Vorfahrt

Bei einer Zusammenführung mit Vorfahrt sind nicht alle Zeitlücken zwischen denvorfahrtberechtigten Einheiten des Hauptstroms ausreichend für ein behinderungs-freies Einschleusen der nachberechtigten Einheiten des Nebenstroms. Alle Zeit-lücken im Hauptstrom, die kleiner sind als die benötigte Grenzzeitlücke (13.37), ge-hen für die Leistungsnutzung verloren. Daher ist das Grenzleistungsgesetz (13.54)in diesem Fall nur eine notwendige aber keine hinreichende Bedingung für die Leis-tungsfähigkeit einer Zusammenführung.

Aus einer Analyse der Zeitlückenverteilung resultiert für Hauptströme, derenTaktzeiten annähernd eine modifizierte Exponentialverteilung haben (s. Abschn. 9.2und Abb. 9.2), das Grenzleistungsgesetz für Vorfahrt [78/3]:

Page 33: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

13.4 Grenzleistungsgesetze 483

Abb. 13.14 Grenzleistungskurven einer unstetigen Verzweigung mitAbfertigungskapazität c = 1, 2 und 3 LE

Rollenbahn- Drehtisch- Rollenbahn für Paletten mit den Grenzleistungen fürc = 1∶ μ1(1) = μ2(1) = 144Pal/hc = 2∶ μ1(1) = μ2(1) = 118Pal/h; μ1(2) = μ2(2) = 207Pal/hc = 3∶ μ1(1) = μ2(1) = 100Pal/h; μ1(2) = μ2(2) = 178Pal/h

μ1(3) = μ2(3) = 231Pal/h

� Der maximal mögliche Nebenstrom λN einer Zusammenführung mit den partiel-len Grenzleistungen μN und μH und der Wechselzeit z ist bei einem vorfahrtsbe-rechtigten Hauptstrom λH mit Poisson-verteilten Zeitlücken

λN < λH ⋅ exp(−(λHμHz/3600)/(μH − λH))/(exp((λHμH/μN)/(μH − λH)) − 1) .(13.55)

Für die in Abb. 13.8 dargestellten stetigen, halbstetigen und unstetigen Hängebahn-weichen zeigt Abb. 13.15 die aus dem Grenzleistungsgesetz (13.55) resultierenden

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484 13 Grenzleistungen und Staueffekte

Abb. 13.15 Grenzleistungskurven stetiger, halbstetiger und unstetigerZusammenführungen bei absoluter Vorfahrt

Parameter: s. Abb. 13.13Kreuze, Kreise, Dreiecke: Simulationsergebnisse

Grenzleistungskurven bei Vorfahrt. Aus dem Diagramm und aus der Grenzleistungs-formel (13.55) sind folgende Regeln ablesbar:� Die Durchlassfähigkeit für den Nebenstrom wird durch eine Vorfahrtsregelung

im Vergleich zur gleichberechtigten stochastischen Abfertigung erheblich redu-ziert.

� Die Durchlassfähigkeit nimmt mit ansteigendem Hauptstrom rasch ab und sinktnahezu auf Null, lange bevor der Hauptstrom die Grenzleistung erreicht hat.

Dieser Effekt ist jedem Autofahrer bekannt, der einmal an einer hochbelasteten Vor-fahrtsstraße auf eine ausreichende Lücke zum Einschleusen gewartet hat. Ein ande-res Beispiel sind Sekretärinnen, die ihren Chef stets absolut vorrangig bedienen unddaher fast nie ausreichend Zeit für Aufträge anderer Mitarbeiter haben. Die Leis-tungsminderung durch eine Vorfahrtsregelung wird in der Verkehrsplanung nichtausreichend beachtet, wenn wie üblich mit der bekannten Formel von Harders ge-rechnet wird. Diese vernachlässigt die Mindestabstände der Fahrzeuge und ergibtdaher bei hoher Hauptstrombelastung eine weitaus zu große Durchlassfähigkeit fürden Nebenstrom [121, 123].

Eine Konsequenz aus dem Grenzleistungsgesetz (13.55) ist das Vorfahrtprinzip:� Der stärkere Strom sollte Vorfahrt haben vor dem schwächeren Strom.Je gleichmäßiger die Lücken im Hauptstrom verteilt sind, umso mehr weicht dasDurchlassverhalten einer Zusammenführung von der stetigen Grenzleistungskurve

Page 35: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

13.4 Grenzleistungsgesetze 485

Abb. 13.16 Grenzleistungskurven für verschiedene AbfertigungsstrategienRollenbahn- Drehtisch- Rollenbahn für Paletten

Parameter: μ1 = 400TE/h; μ2 = 150TE/h; z = 1,25 sKurve 1: zyklische Abfertigung mit Umschaltfrequenz n ≪ 60 1/hKurve 2: gleichberechtigte EinzelabfertigungKurve 3: absolute Vorfahrt rekurrenter Ströme mit λ1 vor λ2Kurve 4: absolute Vorfahrt rekurrenter Ströme mit λ2 vor λ1Kurve 5: absolute Vorfahrt rekurrenter Ströme mit λ2 vor λ1 und τ1 = 20 sKurve 6: absolute Vorfahrt mit getaktetem Hauptstrom λ1

(13.55) ab. Bei getaktetem Hauptstrom hat die Grenzleistungskurve einen sprunghaf-ten Verlauf wie er für das Beispiel einer halbstetigen Zusammenführung einer Rol-lenbahn als Kurve 6 in Abb. 13.16 gezeigt ist. Dieses Diagramm enthält außerdemeinen Vergleich der Grenzleistungskurven für die unterschiedlichen Abfertigungs-strategien.

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486 13 Grenzleistungen und Staueffekte

13.5 Staueffekte und StaugesetzeWenn die Gesamtbelastung einer Station die Belastungsgrenze erreicht oder über-schreitet, kommt es vor den Einlaufpunkten zu Wartezeiten, Warteschlangen undRückstaus, die voranliegende Stationen blockieren können. Diese Staueffekte könnendurch einen stochastischen oder einen systematischen Stau verursacht werden:

• Ein stochastischer Stau entsteht unterhalb der zulässigen Belastungsgrenze, wennder Zulauf und/oder die Abfertigung stochastisch schwanken.

• Ein systematischer Stau entsteht oberhalb der zulässigen Belastungsgrenze unab-hängig davon, ob der Zulauf oder die Abfertigung getaktet oder stochastisch sind.

Die Analyse der Einflussfaktoren und die Berechnung von Größe undAuswirkungenstochastischer Staus sind Gegenstand der Warteschlangentheorie [70, 125–127]. DieTheorie der Warteschlangen liefert Formeln zur Berechnung der Staueffekte, die inder Regel recht kompliziert sind und deren Voraussetzungen in der Praxis häufignicht erfüllt sind oder sich kaum überprüfen lassen.

Wegen der generellen Ungenauigkeit der Leistungsanforderungen und der Un-kenntnis der genauen Taktzeitverteilungen genügen in der Logistik zur Berechnungund Abschätzung der zu erwartenden Staueffekte für viele Anwendungsfälle einfa-che Näherungsformeln, die sich unter relativ allgemeinen Voraussetzungen aus denexakten Formeln der Warteschlangentheorie herleiten lassen [27, 74].

Bei richtigerDimensionierung und korrektemBetrieb eines Logistiksystems sinddie stochastischen Staus bei Einzelabfertigung von relativ untergeordneter Bedeu-tung. Ein systematischer Stau, der auch bei schubweiser Ankunft und gebündelterAbfertigung entsteht, kann hingegen wesentlich größere Auswirkungen haben. Diesystematischen Staus aber werden in der Warteschlangentheorie, wenn überhaupt,nur am Rande behandelt.

13.5.1 Klassifizierung derWartesysteme

In der Warteschlangentheorie ist zur Kurzbezeichnung eines allgemeinen Wartesys-tems, wie es inAbb. 13.10 dargestellt ist, mit einerAnkunftsverteilung Wan, mit n par-allelen Abfertigungsstationen und mit der Abfertigungsverteilung Wab die Kendall-Notation gebräuchlich [70]:

Wan/Wab/n . (13.56)

EinWartesystemmit nur einer Bedienungsstation zeigtAbb. 13.3. Das einfachste unddaher am häufigsten betrachtete Wartesystem M/M/1 ist eine einzelne Bedienungs-station mit exponentialverteilten Ankunfts- und Abfertigungszeiten, die als Poisson-Ströme oder alsMarkov-Prozess bezeichnet werden.

Das SystemM/D/1 hat eine exponentialverteilte Ankunftsverteilung und eine ge-taktete Abfertigung, die auch als Dirac-Verteilung bezeichnet wird (s. Abb. 9.4). DasSystem D/M/1 hat einen getakteten Zulauf und eine exponentialverteilte Abferti-gung.Die Zulaufverteilung unddieAbfertigungsverteilung des Systems E k/El /1 sindErlangverteilungen. Das SystemG/G/1 hat imZulauf undAuslauf allgemeine Zufalls-verteilungen (s. Abschn. 9.3 u. 9.4) [70].

Page 37: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

13.5 Staueffekte und Staugesetze 487

Für Wartesysteme vom Typ Ek/El /1 gibt es explizite Formeln zur Berechnungder Staueffekte [70]. Aus diesen Formeln ist ableitbar, dass die Staueffekte vor einerAbfertigungsstation in erster Näherung nur von der Systemauslastung und der Sys-temvariabilität abhängen [74].

• Die Systemvariabilität ist der Mittelwert der Einlaufvariabilität VE = (sE/τE)2und der Abfertigungsvariabilität VA = (sA/τA)2:

V = (VE + VA)/2 . (13.57)Allgemein gilt:

� Stochastisch bedingte Staueffekte treten nur auf, wenn die Systemvariabilität grö-ßer 0 ist.

Um die Staueffekte für Wartesysteme vom Typ G/G/n mit n > 1 Parallelstationenberechnen zu können, muss zusätzlich zu den Mittelwerten und den Variabilitätendes Zulaufs und der Abfertigung die Abfertigungsstrategie bekannt sein.

Aus den nachfolgend angegebenen Näherungsformeln zur Berechnung der Stau-effekte für Systeme vom Typ G/G/1 und G/G/n ergeben sich grundlegende Ausle-gungsregeln für stochastisch belastete Produktions-, Logistik- und Transportsysteme.Außerdem lassen sich mit Hilfe der Näherungsformeln die Auswirkungen verschie-dener Abfertigungsstrategien abschätzen.

WenndieseAuslegungsregeln berücksichtigt und dieAbfertigungsstrategien rich-tig genutzt werden, sind die einzelnen Stationen eines logistischen Netzwerks ausrei-chend voneinander entkoppelt. Eine aufwendige stochastischeNetzwerkanalyse oderSimulation ist unnötig, solange die Strombelastung stationär ist.

13.5.2 Berechnung der Systemvariabilität

In bestehenden Systemen lässt sich dieVariabilität oder relativeVarianz VE = (sE/τE)2eines stationären Einlaufstroms λE = 3600/τE grundsätzlich durch eine Messung derZeitabstände τ zwischen den Endpunkten aufeinander folgender Einheiten ermitteln(s. Abschn. 9.2). Solche Messungen sind jedoch in der Praxis sehr aufwendig, aus be-trieblichen Gründen häufig kaum durchführbar oder, weil der Strom instationär ist,nur begrenzt brauchbar [122]. Für neue Systeme ist die Verteilung der Einlauftaktzei-ten unbekannt und nur unter bestimmten Annahmen prognostizierbar.

Im Straßenverkehr wurde in zahlreichenMessungender Taktzeiten zwischenPer-sonenwagen, die auf einer Fahrspur einander folgen, eine modifizierte Exponential-verteilung beobachtet [121–123]. Auch in vielen anderen Fällen gibt eine modifizier-te Exponentialverteilung die Zufallsverteilung der Zeitabstände ausreichend genauwieder (s. Abb. 9.2).

Wenn die Taktzeiten eines Einlaufstroms eine modifizierte Exponentialvertei-lungmit derminimalenTaktzeit τE0 haben, ist dieZulaufgrenzleistung μE = 3600/τE0.Für die Einlaufvariabilität gilt dann (s. Abschn. 9.3):

VE = (sE/τE)2 = ((τE − τE0)/τE)2 = (1 − λE/μE)2 . (13.58)

Page 38: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

488 13 Grenzleistungen und Staueffekte

Im Grenzfall λE → 0 folgt aus Beziehung (13.58) die Einlaufvariabilität VE = 1, dasheißt eine maximale Zulaufstreuung, und für den Grenzfall λE → μE die Einlaufva-riabilität VE = 0, das heißt ein getakteter Zulauf mit minimaler Taktzeit.

Für mehrere Einlaufströme λEi mit den Zulaufgrenzleistungen λEi , die in einerStation gleichberechtigt abgefertigt werden, ist dieVariabilität der Einlaufströme nä-herungsweise gleich dem gewichtetenMittel der Variabilität (13.58) für die partiellenStröme:

VE ≈ ∑i(λEi/λ)⋅VEi . (13.59)

Die Variabilität der Grenzleistung einer Abfertigungsstation lässt sich bei bekann-ter Verteilung der Abfertigungszeiten mit Hilfe der Beziehungen (9.7) und (9.8) ausAbschn. 9.2 berechnen. Bei einer Rechtecksverteilung der Abfertigungszeiten, wie siein Abb. 9.2 dargestellt ist, sind die Taktzeiten τa zwischen einer minimalen Taktzeitτmin und einer maximalen Taktzeit τmax gleichverteilt. In diesem Fall ergibt sich fürdie Abfertigungsvariabilität:

VA = 1/3 ⋅ ((τmax − τmin)/(τmax + τmin))2 . (13.60)

ImGrenzfall τmin = 0 ist die Streuung derAbfertigungszeitenmaximal und dieVaria-bilität der RechtecksverteilungVA = 1/3. ImGrenzfall τmax = τmin ist dieAbfertigunggetaktet und die Variabilität VA = 0.

Ein Transportelement, das in jeder Funktion Fα eine konstante Taktzeit τα hatund mit der partiellen Grenzleistung λα = 3600/τα arbeitet, hat eine diskrete Ab-fertigungsverteilung, deren Streuung sich mit Hilfe von Beziehung (9.12) berechnenlässt. Bei einer partiellen Strombelastung λα der Funktionen Fα ist diemittlere Grenz-leistung einer solchen Abfertigungsstation:

μ = (∑α(λα/λ) ⋅ (1/μα))

−1

[AE/h] . (13.61)

Für die Abfertigungsvariabilität eines Transportelements folgt damit:

VA = ∑α(λα/λ) ⋅ (1 − μ/μα)2 . (13.62)

Sind die partiellen Grenzleistungen für alle Funktionen gleich, ist die Abfertigungs-variabilität 0 und die Abfertigung durch das Transportelement getaktet.

Wenn sich die Systemvariabilität weder messen noch mit den angegebenen For-meln berechnen lässt, genügt es in vielen Fällen, die Systemvariabilität nach folgen-den Regeln abzuschätzen:

� Im günstigsten Fall eines getakteten Zulaufs mit getakteter Abfertigung ist die Sys-temvariabilität 0.

� Im ungünstigsten Fall eines Poisson-verteilten Zulaufs mit Poisson-verteilter Ab-fertigung ist die Systemvariabilität 1.

� Im mittleren Fall, der bei stochastischem Zulauf und getakteter Abfertigung, beigetaktetem Zulauf und stochastischer Abfertigung oder bei einer Zulauf- und Ab-fertigungsvariabilität 1/2 eintritt, ist die Systemvariabilität 1/2.

Page 39: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

13.5 Staueffekte und Staugesetze 489

Wenn die Variabilität des Zulaufs und der Abfertigung unbekannt sind, kann über-schlägig mit der mittleren Systemvariabilität V ≃ 1/2 gerechnet werden. Da die Zu-laufströme bei Annäherung an die Grenzbelastbarkeit in den meisten Fällen zuneh-mend getaktet sind und die Abfertigungsvariabilität in der Praxis meist deutlich klei-ner als 1 ist, liegt der Ansatz einer mittleren Systemvariabilität 1/2 in der Regel aufder sicheren Seite.

13.5.3 Staugesetze für stochastische Staus

Die Gesamtanzahl aller Einheiten, die vor dem Einlaufpunkt warten und sich in derAbfertigung befinden, hat zu einem Zeitpunkt t einen ganzzahligen Wert N(t), derallgemein alsWarteschlangenlänge oder kurz alsWarteschlange bezeichnet wird. Diemomentane Warteschlange N(t) ist eine stochastisch schwankende Zufallsgröße, de-ren exakter Wert für einen bestimmten Zeitpunkt t nicht vorausberechenbar ist.

Für den Fall der gleichberechtigten Einzelabfertigung stationärer Ströme lassensich aus den Ergebnissen der Warteschlangentheorie folgende Staugesetze ableiten,deren Genauigkeit für die Planungspraxis meist ausreichend ist [74]:

� Diemittleren partiellenWarteschlangen auf den Zuführungsstrecken vor den Ein-laufpunkten Ei haben bei gleichberechtigter Abfertigung die Länge

NWi = (λEi/λ) ⋅ (1 − ρ + Vρ) ⋅ ρ2/(1 − ρ) = (λEi/λ) ⋅ NW [AE] . (13.63)

� Die Summe der Warteschlangen, die im Mittel insgesamt auf den Zuführungs-strecken vor den Einlaufpunkten warten, ist im eingeschwungenen Zustand beigleichberechtigter Abfertigung

NW =∑iNWi = (1 − ρ + Vρ) ⋅ ρ2/(1 − ρ) [AE] . (13.64)

� Diemittlere Gesamtwarteschlange aller Einheiten, die sich imMittel insgesamt vorund in der Station befinden, ist bei gleichberechtigter Abfertigung

N = (1 − ρ + Vρ) ⋅ ρ/(1 − ρ) [AE] . (13.65)

� Diemomentane Gesamtwarteschlange schwankt imVerlauf der Zeit um denMit-telwert (13.65) mit der Streubreite (Standardabweichung)

sN ≈√

V ⋅ ρ ⋅ N [AE] . (13.66)

� Die mittlere Wartezeit der Einheiten, die auf der Zuführungsstrecke vor einemEinlaufpunkt Ei auf den Eintritt in die Abfertigungszone warten, ist bei gleichbe-rechtigter Abfertigung für alle Richtungen gleich3

TWi = TW = 3600 ⋅ NW/λ [s] . (13.67)Hierin ist λ [AE/h] die Gesamtstrombelastung (13.26), ρ die Gesamtauslastung, diebei stochastischer Einzelabfertigung durch Beziehung (13.42) gegeben ist, und V dieSystemvariabilität (13.57).3 Der Zusammenhang (13.67) zwischenWartezeit undWarteschlangenlänge wird auch LITTLE’s Gesetzgenannt.

Page 40: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

490 13 Grenzleistungen und Staueffekte

Abb. 13.17 Auslastungsabhängigkeit der mittlerenWarteschlange

Systemvariabilität: V = (VE + VA)/2 = 0,6Kreuze: Simulationsergebnisse für VE = 0,2 und VA = 1,0Kreise: Simulationsergebnisse für VE = 1,0 und VA = 0,2

Bei einer Zusammenführung mit Vorfahrt entsteht nur auf der nachberechtig-ten Nebenstrecke eine Warteschlange. In diesem Fall ist in den Beziehungen (13.63)bis (13.66) anstelle der Gesamtbelastung ρ die Belastung ρN = λN/λNmax des Ne-benstromzulaufs und für die Variabilität V = 1 einzusetzen. Die vom HauptstromλH abhängige maximale Nebenstromleistung λNmax ist durch den Ausdruck auf derrechten Seite der Grenzleistungsformel (13.55) gegeben [74].

Für die in Abb. 13.3 dargestellte Bedienungsstation zeigt Abb. 13.17 die mit Hil-fe der Beziehung (13.65) errechnete Abhängigkeit der mittleren Warteschlange vonder Auslastung bei einer Systemvariabilität 0,60. Die eingetragenen Punkte undKrei-se sind das Ergebnis einer digitalen Simulation für zwei unterschiedliche Zulauf- undAbfertigungsvariabilitäten [56]. In Abb. 13.18 ist die aus Beziehung (13.65) resultie-

Page 41: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

13.5 Staueffekte und Staugesetze 491

Abb. 13.18 Abhängigkeit der Warteschlange von der Systemvariabilität

Parameter: Auslastungsgrad ρ = 80%/90%/95%

rende funktionale Abhängigkeit der mittleren Warteschlange von der Systemvaria-bilität dargestellt.

Die auch für andere Verteilungen und Variabilitäten durchgeführten Simulati-onsrechnungen ergeben in guter Übereinstimmung mit den Ergebnissen der analy-tischen Näherungsrechnung folgende Staugesetze [55, 56, 128]:

� Bei Auslastungen unter 50% sind die Warteschlangen imMittel kleiner als 1 unddie Staueffekte auch bei maximaler Systemvarianz vernachlässigbar.

� Mit Annäherung an die Belastungsgrenze nehmen dieWarteschlangen und damitauch die übrigen Staueffekte immer rascher zu.

� Die Staueffekte steigen überproportional mit der Auslastung und linearmit der Sys-temvariabilität an.

� Bei maximaler Systemvariabilität beginnt der steile Anstieg der Warteschlangenab einer Auslastung von etwa 85% und bei mittlerer Systemvariabilität ab einerAuslastung von 90%.

� Die Streuung der momentanen Warteschlange um den stationären Mittelwertnimmtmit der Auslastung und der Variabilität zu. DiemomentaneWarteschlangekann sich kurzzeitig auf hohe Werte aufschaukeln, aber auch bis auf 0 zurückge-hen.

Page 42: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

492 13 Grenzleistungen und Staueffekte

Abb. 13.19 Mittlere Warteschlange vor einer halbstetigen Verzweigung als Funktionder partiellen Auslastung in Abzweigrichtung

Parameter: partielle Auslastung in DurchlaufrichtungPunkte, Dreiecke, Kreise: Simulationsergebnisse

� Bei gleicher Systemvariabilität hat die spezielle Verteilung der Einlauf- und Ab-fertigungszeiten keinen praktisch bedeutsamen Einfluss auf die Staueffekte.

Zur Illustration der Zusammenhänge und als Beispiel für die Anwendbarkeitzeigt Abb. 13.19 die mittlere Länge der Warteschlange vor einem halbstetigen Ver-zweigungselement mit Drehweiche als Funktion der partiellen Stromauslastung inAbzweigrichtung. Die Kurven wurden für unterschiedliche Auslastungen in Durch-laufrichtung mit Formel (13.63) berechnet. Die eingetragenen Punkte sind Ergebnis-se einer digitalen Simulation [56]. Die Simulationsergebnisse stimmen gut mit demErgebnis der analytischen Näherungsrechnung überein.

Page 43: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

13.5 Staueffekte und Staugesetze 493

Abb. 13.20 Abfertigungsstationen in Reihenschaltungmit Zwischenpufferfür 5 Abfertigungseinheiten

R: StaukapazitätAE: AbfertigungseinheitenlAE: Länge der Abfertigungseinheitena0: Stauplatzlängesein : Einlaufweg

13.5.4 Rückstau und Blockierwahrscheinlichkeit

Auf dem Verbindungselement zwischen dem Eingangspunkt einer Station S0 unddem Ausgangspunkt einer voranliegenden Station S1 können, wie in Abb. 13.20 dar-gestellt, maximal R Einheiten gestaut werden. Wenn die Warteschlangenlänge dieRückstaukapazität R übersteigt, wird die voranliegende Station blockiert. Daraus re-sultiert eine reduzierte Auslastbarkeit dieser Station.

Die Auslastungsreduzierung ist gleich der Blockierwahrscheinlichkeit der vor-anliegenden Station durch die folgende Station. Die Blockierwahrscheinlichkeit BR istdie Wahrscheinlichkeit, dass die Warteschlange vor einer Station länger ist als dieRückstaukapazität R auf der Verbindung bis zur voranliegenden Station.

Die Blockierwahrscheinlichkeit ergibt sich aus der RückstauwahrscheinlichkeitPN. Diese ist gleich der Wahrscheinlichkeit, dass sich vor und in dem Wartesystemgenau N Einheiten befinden.

Bei Einzelabfertigung eines stationären rekurrenten Stroms ist dieRückstauwahr-scheinlichkeit für eine Systemvariabilität V und eine Gesamtauslastung ρ näherungs-weise [46]:

PN = ((1 − ρ)/V) ⋅ (ρV/(1 − ρ + ρV))N wenn N ≧ 1 . (13.68)

DieWahrscheinlichkeit, die Abfertigungszone besetzt vorzufinden, ist gleich der Ge-samtauslastung ρ der Abfertigungsstation. DieWahrscheinlichkeit, die Station unbe-setzt vorzufinden, ist daher:

PN = 1 − ρ wenn N = 0 . (13.69)

Abb. 13.21 zeigt für eine Systemvariabilität V = 0,75 die mit Hilfe der Beziehungen(13.68) und (13.69) errechnete Rückstauwahrscheinlichkeit als Funktion der Warte-schlangenlänge.

Page 44: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

494 13 Grenzleistungen und Staueffekte

Die Rückstauwahrscheinlichkeit ist zugleich dieWahrscheinlichkeit, dass sich ei-ne Einheit für eine Wartezeit ZW(N) = 3600N/λ vor dem Einlasspunkt befindet, bissie in die Abfertigungszone eingelassen wird.

Aus Beziehung (13.68) folgt:

� Die Blockierwahrscheinlichkeit oder Überlaufwahrscheinlichkeit für eine Rück-staukapazität R ist bei Einzelabfertigung eines rekurrenten stationären Einlauf-stroms, einer Gesamtauslastung ρ und einer Systemvariabilität V

BR =∞

∑N=R+1

PN = ρ ⋅ (ρV/(1 − ρ + V ⋅ ρ))R . (13.70)

Die Näherungsformeln (13.68) und (13.70) für die Rückstauwahrscheinlichkeit undfür die Blockierwahrscheinlichkeit werden durch entsprechende Simulationen eben-falls sehr gut bestätigt [56, 74].

Die Abb. 13.22 zeigt für eine Systemvariabilität V = 0,75 die mit Beziehung(13.70) berechnete Blockierwahrscheinlichkeit als Funktion der Staukapazität. Hie-raus ist ablesbar, dass die Warteschlange eine Staukapazität von 7 AE-Plätzen mit ei-ner Wahrscheinlichkeit von 30% und eine Staukapazität von 11 Plätzen immer noch

Abb. 13.21 Wahrscheinlichkeitsverteilung der momentanenWarteschlange(Rückstauwahrscheinlichkeit)

Systemvariabilität: V = 0,75 Auslastung: ρ = 90%Mittlere Warteschlange: NW = 7AE

Page 45: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

13.5 Staueffekte und Staugesetze 495

mit einer Wahrscheinlichkeit von 20% überschreitet. Die Beziehung (13.70) bedeu-tet:� DieBlockierungswahrscheinlichkeit nimmt exponentiellmit derAnzahl der Stau-

plätze zwischen zwei aufeinander folgenden Stationen ab.Hieraus ergeben sich die Auslegungsregeln:� Wenn technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar, sind aufeinanderfolgende

Stationen oder Abschnitte einer Prozesskette, die hoch ausgelastet sind und einegroße Variabilität haben, durch einen Puffer voneinander zu entkoppeln, dessenStaukapazität deutlich größer ist als die mittlere Warteschlange.

� Staueffekte in einer Kette von Stationen lassen sich durch Vorschalten einer Dros-selstelle senken, die den stochastisch zulaufenden Strom taktet und die Einlaufva-rianz reduziert.

In der Tab. 13.5 ist ein Programm zur Berechnung der Staueffekte für Abfertigungs-stationen abgedruckt, das die vorangehenden Formeln in einem EXCEL-Tabellen-kalkulationsprogramm enthält. Nach Eingabe des Zulaufstroms, der Abfertigungs-grenzleistung sowie der minimalen und maximalen Taktzeiten für den Zulauf und

Abb. 13.22 Blockierwahrscheinlichkeit als Funktion der Staukapazität

Systemvariabilität: V = 0,75 Auslastung: ρ = 90%Mittlere Warteschlange: NW = 7AE

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496 13 Grenzleistungen und Staueffekte

die Abfertigung berechnet das Programm die Auslastung und die Systemvariabilitätund hieraus die mittlere Warteschlange, die mittlere Wartezeit und die Rückstau-wahrscheinlichkeit für die eingegebene Staukapazität. Dieses Programm hat sich beider Stauanalyse von Fördersystemen und anderen Abfertigungsstellen in der Praxissehr gut bewährt.

Als Beispiel enthält die Tab. 13.5 die Eingangsdaten eines Palettierautomaten,auf den Einzelkartons aus einer Zigarettenproduktion zulaufen. Der Palettierauto-mat benötigt minimal 40, im Mittel 90 und maximal 150 s für das Aufstapeln derKartons zu einer vollen Palette nach unterschiedlichen Packschemata. Ein Palettier-auftrag umfasst 24 bis 72 Kartons, die vor demPalettierautomaten in den Staubahneneines Sortierspeichers sortenrein angesammelt werden.

DieTaktzeit,mit der der Inhalt einer Palette von den 24 parallel arbeitendenZiga-rettenmaschinen fertiggestellt wird, istminimal 0, imMittel 120 undmaximal 3000 s.Die zulaufenden Logistikobjekte LO sind in diesemFall die im Sortierspeicher gesam-melten Pulksmit den Kartons für eine Palette, denen Palettieraufträge entsprechen,die nach dem Ansammeln eines Paletteninhalts von der Prozesssteuerung generiertwerden.

Aus der Stauanalyse resultiert, dass bei einer Auslastung von 90% im Mittel 6,3Palettieraufträge durchschnittlich 9,7min auf den Zulauf in den Palettierautomatwarten. Die installierte Staukapazität des Sortierspeichers für R = 24 Palettierauf-träge wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 3,3% überschritten. Mit der gleichenWahrscheinlichkeit wartet ein Palettierauftrag, also ein fertiger Pulk mit Kartons, imSortierspeicher länger als die maximal zulässige Wartezeit von 36min.

Infolge der Rückstaus kam es während des Betriebs mit einer unzulässigen Häu-figkeit von über 3% zum Stillstand einzelner Zigarettenmaschinen. Aufgrund derdurchgeführten Stauanalyse wurde beschlossen, einen zusätzlichen Palettierautoma-ten zu installieren. Dadurch sinkt die Rückstauwahrscheinlichkeit auf unter 3 ⋅ 10−7.

13.5.5 Staueffekte bei Parallelabfertigung

Wartesysteme vom Typ G/G/n mit Abfertigung eines stochastischen Stroms durchn Parallelstationen kommen in der Praxis recht häufig vor. Beispiele für derartigeParallelabfertigungssysteme, deren Struktur in Abb. 13.10 dargestellt ist, sind [11,70]:

CallcenterSchalter von Banken, Post und BahnMautstellen auf AutobahnenPass- und ZollkontrollstellenSchreibdiensteWareneingangstoreFahrzeugpools.

(13.71)

Wenn der ankommende Strom λ nach der Strategie der zyklischen Einzelzuweisungauf n Stationen, die alle die gleiche Grenzleistung μ haben, verteilt wird, ist jede ein-zelne Station mit dem Strom λn = λ/n belastet. Die mittlere Auslastung der einzel-nen Stationen ist dann ρn = λ/(nμ). Wenn der Einlaufstrom ein Poisson-Strom mit

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13.5 Staueffekte und Staugesetze 497

Tab. 13.5 Tabellenkalkulationsprogramm für Staueffekte

Abfertigungseinheit (AE): Palettierauftrag = PaletteninhaltEingabefelder: unterstrichen

VE = 1 ist, sind die Einlaufströme für die n Einzelstationen nach der zyklischen Auf-teilung n-Erlangströme mit der Variabilität VEn = 1/n (s. Bez. (9.15) [70, 129]).4 Die

4 Der Verfasser dankt Prof. D. Arnold für den Hinweis auf diesen Zusammenhang und das Problem derStaueffekte vor parallelen Abfertigungsstationen.

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498 13 Grenzleistungen und Staueffekte

mittlere Gesamtwarteschlange vor den n Stationen ist daher bei zyklischer Einzelzu-weisung:

NW(n) = n ⋅ NWn = n ⋅ (1 − ρn + Vn ⋅ ρn) ⋅ ρ2n/(1 − ρn) . (13.72)

Für das Wartesystem M/M/n mit maximaler Zulauf- und Auslaufvariabilität ist dieSystemvariabilität Vn = (1 + 1/n)/2.

Mit einem Gesamtzulaufstrom λ = 220AE/h, der auf n = 4 Stationen mit dengleichen Grenzleistungen λn = 60AE/h zyklisch aufgeteilt wird, ist die Stationsaus-lastung ρn = 91,7%. Für die mittlere Gesamtwarteschlange vor den 4 Stationen re-sultiert in diesem Fall aus Beziehung (13.72) NW(4) = 26,5AE.

Mit der Strategie des dynamischen Auffüllens wird dafür gesorgt, dass bei einerStationsgrenzleistung λ die ersten n(λ) = ABRUNDEN(λ/μ) Stationen zu 100%ausgelastet sind und eine weitere Station die Auslastung ρn = (λ−n(λ)⋅μ)/μ hat. Vorden voll ausgelasteten Stationen warten stets so viele Einheiten, wie dortWarteplätzeinstalliert sind. Vor der letzten, teilausgelasteten Station warten insgesamt so vieleEinheiten, wie sich mit Hilfe von Beziehung (13.64) für die Auslastung ρn dieserStation ergeben.

Bei der Auffüllstrategie genügt es, dass vor den einzelnen Stationen jeweils einWarteplatz angeordnet ist, der nachgefüllt wird, sobald eine Einheit in die Abferti-gungszone eingelassen wird. Alle ankommenden Einheiten, die keinen freien War-teplatz vorfinden, werden vor dem Verteilpunkt zurückgehalten, bis ein Warteplatzfrei wird. Damit folgt für die mittlere Gesamtwarteschlange bei auslastungsabhängi-gem Auffüllen die Näherungsbeziehung:

NW(n)≈⎧

⎪⎪

⎪⎪

MIN (n(λ) + 1; (1 − ρn + V ⋅ ρn) ⋅ ρ2n/(1 − ρn)) wenn n(λ) < n − 1n(λ) + (1 − ρn + V ⋅ ρn) ⋅ ρ2n/(1 − ρn) wenn n(λ) ≥ n − 1

.

(13.73)

Hierin ist n(λ) = ABRUNDEN(λ/μ) und ρn = (1 − n(λ) ⋅ μ)/μ. In dem betrach-teten Beispiel mit der Belastung λ = 220AE/h ist die Anzahl der voll ausgelastetenStationen n(220) = ABRUNDEN(220/60) = 3 und die Auslastung der bei dieserBelastung benötigten vierten Station ρn = (220 − 3 ⋅ 60)/60 = 0,67. Damit ergibtsich bei maximaler Systemvariabilität V = 1 für die mittlere GesamtwarteschlangeNW(n = 4) = 3 + 1,3 = 4,3AE.

Der Vergleich der Ergebnisse zeigt, dass die Auffüllstrategie im Vergleich zur zy-klischen Einzelzuweisung im Mittel 3,7 statt dauernd alle 4 Stationen belastet unddabei die mittlere Warteschlange nur 4,3 statt 26,5 Abfertigungseinheiten beträgt.Das setzt allerdings voraus, dass bei ansteigendem Zulaufstrom die Zahl der besetz-ten Abfertigungsstationen erhöht und bei abnehmendem Zulaufstrom die Zahl derbesetzten Stationen reduziert wird.

Mit diesem Beispiel sollen die grundsätzlichen Möglichkeiten unterschiedlicherAbfertigungsstrategien für Parallelabfertigungssysteme gezeigt werden. Die Vielzahlder Strategien und die unterschiedlichen Abfertigungssituationen erfordern jedocheine tiefer gehende Analyse, die den Rahmen dieses Buches sprengen würde [27,70].

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13.5 Staueffekte und Staugesetze 499

13.5.6 Staugesetze für systematische Staus

Bei einem zeitlich veränderlichen Zulaufstrom λZ(t) und einer zeitabhängigen Ab-fertigungsleistung von μZ(t) baut sich nach Ablauf einer Zeit T vor dem Einlauf-punkt eine Warteschlange auf mit einer Länge

NW(T) = NW0 +

T

∫0

(λZ(t) − μA(t))dt . (13.74)

Hierin ist NW0 die Länge der Warteschlange zum Anfangszeitpunkt 0. Das Integral(13.74) ist nicht für alle möglichen Zeitverläufe des Zustroms und der Abfertigunglösbar.

Für denFall, dass imMittel λZ < μA ist, dass also im zeitlichenMittel der Zustromkleiner ist als die Abfertigungsleistung, kann infolge der stochastischen Schwan-kungen von Zulauf oder Abfertigung die Zulauffrequenz immer wieder kurzzeitigdie Abfertigungsfrequenz überschreiten. Dadurch entsteht eine Warteschlange mitschwankender Länge. Die Verteilung und die mittlere Länge dieser stochastischenWarteschlange, die sich nach länger anhaltendem stationären Zulauf und stationärerAbfertigung ergibt, lassen sich mit den vorangehenden Beziehungen berechnen.

Ist imMittel λZ > μA, übersteigt also der Zustrom permanent die Grenzleistung,ist das Integral (13.74) explizit lösbar, wenn λZ(t) und μA(t) integrierbare Funk-tionen der Zeit sind. Für die einfachsten, aber praktisch besonders wichtigen Fälleergeben sich aus (13.74) die Staugesetze für systematische Staus:

� Bei einem konstant anhaltenden Zulauf λZ und einer unzureichenden konstan-ten Abfertigung mit einer Grenzleistung μA < λZ wächst die Warteschlange nacheiner Zeit T von einem Anfangswert 0 im Mittel an auf den Wert

NW(T) = (λZ − μA) ⋅ T . (13.75)

� Bei unterbrochener Abfertigung, also für μA = 0, und konstantem rekurrenten Zu-laufstrom λZ erreicht die Warteschlange nach einer Zeit T die mittlere Länge

NW(T) = λZ ⋅ T . (13.76)

� Bei einem rekurrenten Zulaufstrom λZ mit der Variabilität VZ ist die Streuung dernach der Zeit T aufgelaufenen Warteschlange um den Mittelwert (13.76)

sN =√

VZ ⋅ λZ ⋅ T =√

VZ ⋅ NW(T) . (13.77)

Für einen allgemeinen stochastischen Zulaufstrom mit Pulks, deren Länge undZeitabstände zufallsabhängig schwanken, ist die Streuung der systematischen War-teschlange durch Beziehung (9.38) in Abschn. 9.7 gegeben.

Bei Poisson-verteilten Zulauftaktzeiten mit maximaler Einlaufvariabilität VZ = 1ist die Streuung der in ungleichmäßigen Sprüngen anwachsenden Warteschlangegleich der Wurzel aus der mittleren Warteschlangenlänge, also sN =

NW. Bei ge-taktetem Zulauf mit VZ = 0 ist die Streuung der anwachsenden Warteschlange 0.

Als Beispiel zeigt Abb. 13.23 den Anstieg einerWarteschlange von Fahrzeugen inAbhängigkeit von der Dauer der Rotphase einer Straßenverkehrsampel.

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500 13 Grenzleistungen und Staueffekte

Die relativ einfachen Staugesetze für systematische Staus sind in der Logistik viel-seitig anwendbar. So lässt sich bei zyklischer Abfertigung mit Hilfe von Beziehung(13.76) der während der Sperrzeit T entstehende mittlere Stau und mit Hilfe derBeziehung (13.77) dessen Streuung errechnen [128]. Wenn auf eine Station mit kon-stanter Abfertigungsrate ein schubweiser Strom mit Pulks konstanter Länge zuläuft,ist der dadurch entstehende Rückstau mit Hilfe der Beziehung (13.75) berechenbar.

Haben die Lade- oder Transporteinheiten im Stau den Endpunktabstand aS,dann ist die Länge der Warteschlange nach einer Zeit T

LS(T) = aS ⋅ NW(T) = aS ⋅ (λZ − μA) ⋅ T . (13.78)

Hieraus resultiert für die Stauausbreitungsgeschwindigkeit

vS = ∂LS(T)/∂T = aS ⋅ (λZ − μA) . (13.79)

Wird beispielsweise dieDurchlassfähigkeit einer Fahrspur, auf der 1.200 Fz/h fahren,an einem bestimmten Punkt – etwa durch eine Verkehrskontrolle – auf 100 Fz/h ge-drosselt, dann wächst der Stau von diesem Punkt aus entgegen der Fahrtrichtung mit

Abb. 13.23 Länge einer systematischenWarteschlange als Funktion derUnterbrechungszeit für rekurrenten und getakteten Zulauf

Kurve A: Poisson-verteilter Zulauf mit Vz = 1Kurve B: getakteter Zulauf mit Vz = 0Zulauf: 500 Fz/h

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13.5 Staueffekte und Staugesetze 501

einer Stauausbreitungsgeschwindigkeit von 6,6 km/h, wenn die Fahrzeuge im Staueinen mittleren Endpunktabstand von 6m haben.

13.5.7 Auslastbarkeit

Die Auslastbarkeit einer Station, einer Produktionsstelle, eines Transportelementsoder eines Teilsystems ist die maximal zulässige Auslastung, bei der noch alle Funk-tionen mit der benötigten Durchsatzleistung blockierungsfrei erbracht werden.

Wenn die Staukapazität auf den Zulaufstrecken begrenzt ist oder eine maximalzulässige Durchlaufzeit die Wartezeit begrenzt, ist die Auslastbarkeit aufgrund derStaueffekte kleiner als die maximale Auslastung, die aus den Grenzleistungsgesetzenresultiert.

Aus der vorangehenden Analyse der Staueffekte folgen die Auslegungsgrundsät-ze [74]:

� DieAuslastbarkeit eines Systemelements, einer Produktionsstelle oder einesTrans-portelements bestimmt sich einerseits aus der Blockierwahrscheinlichkeit, die ei-ne nachfolgende Station bei begrenztem Stauraum bewirkt, und andererseits ausder maximal zulässigen Blockierung der vorangehenden Stationen.

� Die Staukapazität auf der Verbindung zwischen zwei aufeinander folgenden Sta-tionen muss mindestens so groß sein wie die mittlere Warteschlange, die sich beider geplanten Gesamtauslastung vor der zweiten Station ausbildet.

Die Auslastbarkeit folgt durch Auflösung von Beziehung (13.65) für die zulässigemittlere Warteschlange N(ρ) = Nzul nach der Auslastung ρ. Für V = 1 ergibt sichauf diese Weise:

� Bei einer zulässigen Warteschlange Nzul vor und in der Station und maximalerSystemvariabilität ist die Auslastbarkeit der Abfertigungsstation

ρaus(N) = Nzul/(1 + Nzul) . (13.80)Wenn beispielsweise eine mittlereWarteschlange von 5 Abfertigungseinheiten zuläs-sig ist, folgt beimaximaler Systemvariabilität, das heißt fürV = 1, eine Auslastbarkeitvon 83%. Das Beispiel zeigt, dass infolge der Staueffekte die Auslastbarkeit einer Sta-tion nicht unerheblich reduziert werden kann. Mit abnehmender Systemvariabilitätnimmt jedoch die Auslastbarkeit zu.

Wenn eine bestimmte Staukapazität R nur mit einer Wahrscheinlichkeit p über-schritten werden darf, beispielsweise weil die Grenzleistung einer vorangehende Sta-tion maximal um p = 2% reduziert werden darf, dann muss die zulässige Auslast-barkeit ρaus(R) durch numerische Auflösung der Gleichung (13.70) mit BR(ρ) = pnach ρ bestimmt werden.

Wenn eine bestimmte Wartezeit Z mit einer Wahrscheinlichkeit q eingehaltenwerden soll, muss zunächst die für diese Zeitbegrenzung maximal zulässige War-teschlange N errechnet und für diese durch Auflösung der Beziehung (13.68) mitPN(ρ) = p = (1 − q) nach ρ die Auslastbarkeit bestimmt werden.

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502 13 Grenzleistungen und Staueffekte

Derartige Berechnungen zur Abschätzung der Auslastbarkeit sind unerlässlichfür Systeme mit hoher Auslastung und geringer Staukapazität. Ein Beispiel sindkonventionelle Kommissioniersysteme, wo in einer Gasse zu Spitzenzeiten mehrereKommissionierer arbeiten, die sich bei Anfahrt des gleichen Fachs gegenseitig be-hindern können (s. Abschn. 17.11 und Abb. 17.32).

13.6 Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit

Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit sind Kenngrößen der Funktionssicherheit einesSystemelements, einer Leistungskette oder eines Systems. Die Zuverlässigkeit ist dieWahrscheinlichkeit, dass eine Funktion zu einem beliebigen Bedarfszeitpunkt ausge-führt wird. DieVerfügbarkeit gibt an, in welchemAnteil der Betriebszeit die Funktionrichtig ausgeführt wird.

Die Zuverlässigkeit und die Verfügbarkeit von Stationen, Leistungsketten undSystemen mit diskontinuierlicher Belastung sind wie folgt definiert [118, 130]:

• Die Zuverlässigkeit ηαzuv eines Systemelements, einer Leistungskette oder einesSystems für eine Funktion Fα ist die Wahrscheinlichkeit, dass die betreffendeFunktion von dem Element, der Kette oder dem System während der planmä-ßigen Betriebszeit störungsfrei und korrekt ausgeführt wird.

• Die Verfügbarkeit ηαver eines Systemelements, einer Leistungskette oder einesSystems für eine Funktion Fα ist die Wahrscheinlichkeit, das Element, die Ketteoder das System während der planmäßigen Betriebszeit solange in betriebsfähi-gem Zustand anzutreffen, dass eine störungsfreie und korrekte Ausführung derbetreffenden Funktion möglich ist.

Aus der Zuverlässigkeit folgt die Unzuverlässigkeit oder Störungswahrscheinlichkeit:

ηαunz = 1 − ηαzuv . (13.81)

Aus der Verfügbarkeit ergibt sich die Nichtverfügbarkeit oder Ausfallwahrscheinlich-keit:

ηαnver = 1 − ηαver . (13.82)

ZurMessung von Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit sind alle Funktionen Fα des Ele-ments, der Prozesskette oder des Systems für eine statistisch ausreichend lange Test-zeit Ttest mit den geplanten Belastungsströmen λα zu betreiben (s. Abschn. 9.14). DieGesamtanzahl der in dieser Zeit durchgeführten Tests der Funktion Fα ist dann

nα gesamt = λα ⋅ Ttest . (13.83)

Während der Testzeit werden für jede Funktion Fα gesondert alle auftretenden Stö-rungen und Ausfälle erfasst und zusammen mit den gemessenen Unterbrechungszei-ten oder Ausfallzeiten τiα aus , i = 1, 2, . . . , nα falsch, in einem Störungsprotokoll doku-mentiert [118]. Aus der gezählten Anzahl aller Störungen nα falsch der Funktion Fαund der Gesamtanzahl durchgeführter Funktionstests nα gesamt folgt die Anzahl richti-ger Funktionserfüllungen

Page 53: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

13.6 Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit 503

nα richtig = nα gesamt − nα falsch (13.84)

Damit ist die

• gemessene partielle Zuverlässigkeit des Elements, der Leistungskette oder des Sys-tems

ηα zuv = nα richtig/nα gesamt = nα richtig/(nα richtig + nα falsch) (13.85)Durch Summation der gemessenen Ausfallzeiten τaus αi ergibt sich die Gesamtaus-fallzeit für die Funktion Fα :

Tα aus =∑iτiα aus . (13.86)

Die mittlere Ausfallzeit – auchMean Time To Restore (MTTR) genannt – ist damit:

τα aus =MTTRα = Tα aus/nα falsch (13.87)

Aus der Gesamtausfallzeit folgt die Gesamteinschaltzeit in der Funktion Fα :

Tα ein = Ttest − Tα aus . (13.88)

Diemittlere störungsfreie Einschaltzeit zwischen zwei Ausfällen wirdMean Time Bet-ween Failure (MTBF) genannt. Sie ist

τein α =MTBFα = Tα ein/nα falsch . (13.89)

Aus der Gesamtausfallzeit und der Gesamteinschaltzeit errechnet sich die

• gemessene partielle Verfügbarkeit des Elements, der Leistungskette oder des Sys-tems in der Funktion Fα

ηα ver = Tα ein/(Tα ein + Tα aus) =MTBFα/(MTTRα +MTBFα) . (13.90)Für längere Leistungsketten und komplexe Systeme ist eine Messung der Zuverläs-sigkeit und Verfügbarkeit in der Praxis kaum durchführbar, da es in der Regel nichtmöglich ist, die erforderlichen technischen, betrieblichen und belastungsmäßigenVoraussetzungen für eine statistisch ausreichend lange Testzeit zu schaffen. Die Stö-rungen und Ausfallzeiten und damit die Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit einzelnerSystemelemente lassen sich hingegen während des laufenden Betriebs leichter erfas-sen. Aus diesen Messwerten können bei Kenntnis der Strombelastungen die Zuver-lässigkeit undVerfügbarkeit für die Prozessketten und für das Gesamtsystem berech-net werden.

Die voranstehenden und nachfolgenden Definitionen und Berechnungsformelnsind grundlegend für Funktionstests und Abnahmen von Leistungsketten und Sys-temen mit diskontinuierlicher Belastung durch diskrete Ströme (s. Abschn. 13.7 und13.8). Für die Abnahme von förder- und lagertechnischen Systemen gibt es speziel-le VDI- und FEM-Richtlinien, die auf den 1976 vom Verfasser entwickelten Berech-nungsformeln aufbauen. In diesen sind weitere Einzelheiten und die Voraussetzun-gen für die Messung der Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit geregelt [118, 130].

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504 13 Grenzleistungen und Staueffekte

13.6.1 Verfügbarkeit der Systemelemente

Da alle partiellen Funktionen von einem irreduziblen Systemelement in der gleichenAbfertigungszone und in einem Transportelement vom gleichen Umschaltelementerbracht werden, unterbrechen Störungen undAusfälle einer Funktion für die Dauerder Ausfallzeit den Durchsatz für alle Funktionen. Hieraus folgt:

� Durch Störungen und Ausfälle der partiellen Funktionen eines irreduziblen Sys-temelements werden die technisch maximal möglichen partiellen Grenzleistun-gen μα um den Faktor Gesamtverfügbarkeit ηver(λ) auf die verfügbaren partiellenGrenzleistungen reduziert

μα ver = ηver(λ) ⋅ μα . (13.91)Für ein Systemelement wird also nur die Gesamtverfügbarkeit benötigt. Diese lässtsich ohne die Funktionsunterscheidung α mit Hilfe der Beziehungen (13.86) und(13.90) aus der Gesamtausfallzeit Taus und der Testzeit Ttest = Taus + Tein errechnen.Eine nach den Funktionen getrennte Erfassung der Störungen und Ausfallzeiten istfür die Systemelemente also nicht erforderlich.

Aus den Definitionen und Beziehungen (13.81) bis (13.90) folgt die

� Abhängigkeit der Verfügbarkeit von der Strombelastung, dermittleren Ausfallzeitund der Zuverlässigkeit ηzuv

ηver(λ) =MAX(0; 1 − λ ⋅ τaus ⋅ (1 − ηzuv)) . (13.92)Für das Beispiel eines Regalbediengeräts ist die Abhängigkeit der Verfügbarkeit vonder Strombelastung, von dermittleren Ausfallzeit und von der Zuverlässigkeit in denAbb. 13.24, 13.25 und 13.26 dargestellt. Aus dem Zusammenhang (13.92) und denAbb. 13.24, 13.25 und 13.26 ist ablesbar:

� Mit abnehmender Zuverlässigkeit, zunehmender mittlerer Ausfallzeit und anstei-gender Strombelastung sinkt die Verfügbarkeit.

Die Abhängigkeit der Verfügbarkeit von der Strombelastung resultiert daraus, dassbei hoher Belastung die Funktionsfähigkeit häufiger getestet wird. In dem Beispieldes Regalbediengeräts – s. Abb. 13.24 – sinkt die Verfügbarkeit bei einer Zuverlässig-keit von 99,0% und einer mittleren Ausfallzeit von 15min mit zunehmender Strom-belastung bis zum Erreichen der Grenzleistung, die hier 36 LE/h beträgt, auf 91,0%.Der Einfluss der Strombelastung, die allein vom Betreiber und nicht vom Herstellerabhängt, auf die Verfügbarkeit ist vor allem bei der Dimensionierung von Hochleis-tungssystemen zu beachten, wird aber häufig übersehen.

Eine Konsequenz der Abhängigkeit (13.92) der Verfügbarkeit von der mittlerenAusfallzeit und von der Zuverlässigkeit ist der Gestaltungsgrundsatz:

� Durch Senkung der mittleren Ausfallzeiten und durch Verbesserung der Zuver-lässigkeit lässt sich die Verfügbarkeit erhöhen.

Die Ausfallzeit setzt sich zusammen aus einer Ausfallerkennungszeit, der Wartezeitauf Fachpersonal, der Fehlersuchzeit, einer eventuellen Ersatzteilbeschaffungszeit, dereigentlichen Reparaturzeit, der Testzeit und der Wiedereinschaltzeit. Die Dauer der

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13.6 Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit 505

einzelnen Anteile der Ausfallzeiten wird sowohl vom Betreiber wie auch vom Her-steller beeinflusst.Herstellerabhängige Einflussfaktoren auf die Ausfallzeiten sind:

Konstruktion und SteuerungWartungs- und ReparaturfreundlichkeitVollständigkeit der ErsatzteilempfehlungQualität und Vollständigkeit der DokumentationEinweisung und Schulung des Betriebspersonals.

(13.93)

Betreiberabhängige Einflussfaktoren auf die Länge der Ausfallzeiten sind:

Abb. 13.24 Abhängigkeit der Verfügbarkeit eines Systemelements von der Strombelas-tung

Beispiel: RegalbediengerätGrenzleistung: μRBG = 36Pal/hZuverlässigkeit: ηzuv = 99,0%Mittlere Ausfallzeit: τaus = 15min

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506 13 Grenzleistungen und Staueffekte

Abb. 13.25 Abhängigkeit der Verfügbarkeit eines Systemelements von der mittlerenAusfallzeit

Parameter: Strombelastung 20 und 30 Pal/hÜbrige Parameter: s. Abb. 13.24

Aufmerksamkeit des BetriebspersonalsQualifikation und Verfügbarkeit des WartungspersonalsEinhaltung der WartungsvorschriftenVerfügbarkeit von ErsatzteilenArt der NotfallorganisationSchadensort.

(13.94)

Wegen der Vielzahl der Einflussfaktoren ist es oft schwierig, für die Abnahme vonSystemen aber unabdingbar, die Verantwortung für die wichtigsten Einflussfaktorenauf die Ausfallzeit zwischen Hersteller und Betreiber eindeutig zu regeln [118].

13.6.2 Zuverlässigkeit der Systemelemente

Die Zuverlässigkeit eines diskontinuierlich belasteten Systemelements wird von sei-ner Betriebszuverlässigkeit bestimmt. In der Zuverlässigkeitstheorie, die sich vorwie-gend mit kontinuierlich belasteten Elementen und Systemen befasst, wird die Be-triebszuverlässigkeit auch als Zuverlässigkeitsfunktion oder einfach als Zuverlässig-keit bezeichnet [131–135, 137]. Wenn Verwechslungsgefahr besteht, wird nachfol-gend die Zuverlässigkeit bei diskontinuierlicher Belastung als Funktionszuverlässig-keit bezeichnet und die Zuverlässigkeit bei kontinuierlicher Belastung als Betriebszu-verlässigkeit.

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13.6 Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit 507

Abb. 13.26 Abhängigkeit derVerfügbarkeit eines Systemelements von der Zuverlässigkeit

Strombelastung: λRBG = 20Pal/hMittlere Ausfallzeit: τaus = 15minÜbrige Parameter: s. Abb. 13.24

Die Betriebszuverlässigkeit R(t) ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Systemele-ment für eine Zeitdauer t der kontinuierlichen Belastung richtig und störungsfrei ar-beitet. Sie nimmt bei stochastischem Störungsanfall mit der Belastungszeit t expo-nentiell ab:

R(t) = R0 ⋅ exp(−t/τm) . (13.95)

Hierin ist R0 die Einschaltwahrscheinlichkeit, das heißt, die Wahrscheinlichkeit ei-nes erfolgreichen Einschaltens. τm ist die mittlere Laufzeit bis zum Auftreten einerStörung.

Die mittlere Laufzeit zwischen zwei Störungen bei kontinuierlicher Belastungwird in der Zuverlässigkeitstheorie ebenfalls alsMean Time Between Failure (MTBF)bezeichnet. Sie ist kleiner als die mittlere störungsfreie Einschaltzeit (13.89) bei dis-kontinuierlicher Belastung und daher von dieser zu unterscheiden.

Für Elemente, die jeweils erst bei Bedarf eingeschaltet werden, ist die Einschalt-wahrscheinlichkeit R0 < 1. Für permanent eingeschaltete Elemente, wie ein Förder-band oder die Prozesssteuerung, ist R0 = 1.

Bei diskontinuierlichem Betrieb ist die Dauer der kontinuierlichen Belastunggleich der Zeit, die ein Systemelement zur Ausführung der Funktion benötigt, al-

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508 13 Grenzleistungen und Staueffekte

so gleich derDurchlaufzeit der in einem Schub einlaufenden Abfertigungseinheiten.Hieraus folgt:

• Die Funktionszuverlässigkeit diskontinuierlich belasteter Systemelemente, Ele-mentarstationen und Transportelemente nimmt exponentiell mit der Stations-durchlaufzeit ab.

• Die Betriebszuverlässigkeit permanent belasteter Systemelemente, wie der Pro-zesssteuerung, der Transportfahrzeuge und der Ladungsträger, nimmt exponen-tiell mit der Einschalt- oder Einsatzdauer ab.

Die Funktionszuverlässigkeit und die Betriebszuverlässigkeit der Systemelementewerden sowohl vom Hersteller wie auch vom Betreiber beeinflusst. Herstellerabhän-gige Einflussfaktoren auf die Zuverlässigkeit sind:

Konstruktion und SteuerungGüte des MaterialsSorgfalt und Kontrolle der MontageDauer und Qualität der InbetriebnahmeAusgereiftheit und Bewährtheit.

(13.96)

Betreiberabhängige Einflussfaktoren auf die Zuverlässigkeit sind:

Dauer der NutzungQualität und Regelmäßigkeit der WartungSicherung gegen BeschädigungenBeachtung der BedienungsanweisungenIntensität und Dauer der BelastungBeschaffenheit der Abfertigungseinheiten.

(13.97)

Die Anbieter von Lager-, Förder- und Transportsystemen sollten in ihren Produkts-pezifikationen die garantierten Funktionssicherheiten und Verfügbarkeitswerte vonStandardelementen bei definierter Durchsatzleistung angeben, um die Berechnungder Verfügbarkeit von Transportketten und Transportsystemen und entsprechendeAbnahmevereinbarungen zu ermöglichen. Das ist jedoch bisher noch immer nichtdie Regel.

13.6.3 Funktionssicherheit von Leistungs- und Prozessketten

Leistungs-, Produktions-, Logistik- und Transportsysteme werden von den Eingän-gen und internen Quellen bis zu den Ausgängen und internen Senken von Auftrags-und Logistikketten durchzogen, die aus einer Reihe von elementaren Leistungsstel-len, Abfertigungselementen und Transportelementen bestehen. Eine solche Leis-tungskette ohne Redundanz zeigt Abb. 13.11.

Aus der Multiplikationsregel der Wahrscheinlichkeitsrechnung folgt:

• Die Funktionssicherheit, also die Prozesszuverlässigkeit ηzuv bzw. die Prozessver-fügbarkeit ηver einer Prozesskette PKα , die aus n hintereinander geschalteten Sta-tionen und Systemelementen SEkα , k = 1, 2 . . . n, mit den Funktionssicherheitenηkα besteht, ist

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13.6 Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit 509

ηα = η1α ⋅ η2α ⋅ η3α . . . ηnα =n

∏k=1

ηkα . (13.98)

Soweit es sich bei den Stationen der Prozesskette umElementarstationen oder Trans-portelemente handelt, ist in das Wahrscheinlichkeitsprodukt (13.98) die Gesamt-funktionssicherheit einzusetzen und nicht die partielle Funktionssicherheit, da auchdie übrigen, nicht vonder Prozesskette PKα genutztenPartialfunktionen die Elemen-te belasten. Hieraus folgt dasWechselwirkungsprinzip:� DieProzesszuverlässigkeit und die Prozessverfügbarkeit sind nicht nur vomDurch-

satz der betrachteten Leistungskette sondern auch von der gleichzeitigen Belas-tung der Systemelemente durch andere Leistungsketten abhängig.

Aufgrund des Wechselwirkungsprinzips genügt es in der Regel nicht, nur die einzel-nen Leistungsketten für sich zu betrachten. Zusätzlich muss auch das Zusammen-wirken der verschiedenen Leistungsketten im System berücksichtigt werden (s. Ab-schn. 1.3).

Eine weitere Konsequenz der Abhängigkeit (13.98) ist das Komplexitätsprinzip:� Mit zunehmender Länge einer Leistungskette, also mit steigender Anzahl betei-

ligter Systemelemente, nehmen Prozesszuverlässigkeit und Prozessverfügbarkeitab.

So ist beispielsweise die Prozessverfügbarkeit einer Leistungskette mit 10 Elementen,deren Einzelverfügbarkeit jeweils 99,0% beträgt, nur (0,99)10 = 90,4%.

Außer den einzelnen Leistungsstellen, Abfertigungsstationen und Transportele-menten trägt in der Regel auch die übergeordnete Prozesssteuerung zur Erfüllung derGesamtfunktion einer Leistungskette bei. Daher ist die Funktionssicherheit der Pro-zesssteuerung ηPS ein gesonderter Faktor des Wahrscheinlichkeitsprodukts (13.98).

Die Prozesszuverlässigkeit einer Transportkette ist dieMissionswahrscheinlichkeit[131]:

• Die Missionswahrscheinlichkeit ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine rechtzeitigabgehende Sendung oder Transporteinheit den Bestimmungsort zur vereinbar-ten Zeit mit vollständigem Inhalt unbeschädigt erreicht.

Wenn bei einem Transportprozess primär die Einhaltung der geforderten Laufzeitgesehen wird und die korrekte und schadensfreie Zustellung gesichert ist, d. h. wenndie Sendungsqualität 100% ist, wird die Prozesszuverlässigkeit einer Transportketteals Termintreue bezeichnet.

In einem Fahrzeugsystem führt der Ausfall eines Fahrzeugs ebenso zu einer Stö-rung des Transportprozesses wie der Ausfall der Transportelemente oder der Trans-portsteuerung. Bei einer Transportkette TKAB von A über die TransportelementeTEk , k = 1, 2, . . . , n, nach B, die von einzelnen Fahrzeugen [Fz] durchlaufen wird, istdaher die Betriebszuverlässigkeit des Fahrzeugs ηFz für die Durchlaufzeit von A nachB ein weiterer Faktor in dem Produkt (13.98). Entsprechend ist in Fördersystemenzum Transport von Ladeeinheiten die Betriebszuverlässigkeit der Ladeeinheiten ηLEein zusätzlicher Faktor im Produkt (13.98).

Wegen des Komplexitätsprinzips ist es ratsam, die Leistungsketten möglichstkurz zu machen. Hierfür gibt es folgende Gestaltungsmöglichkeiten:

Page 60: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

510 13 Grenzleistungen und Staueffekte

Abb. 13.27 Prozesskette mit zweifacher Redundanz

PK0: HauptkettePK1 und PK2: AusweichkettenSrk : k-te Station der Parallelkette PKr

� Auftrennen in Teilleistungsketten durch Einbau einer Entkopplungsstelle, wie ei-ne Lagerstation oder eine Produktionsstelle mit frei verfügbarem Bestand, dieden Vorprozess vom zeitkritischen Auftragsprozess abkoppelt (s. Abschn. 8.6 und8.10).

� Entkoppeln von Leistungsketten durch einen Zwischenpuffer, dessen Staukapazitätgroß genug ist, um die zulaufenden Einheiten für die Dauer einer Störung in dernachfolgenden Kette aufzunehmen, und dessen Inhalt ausreicht, um den Folge-prozess bei Störung des vorangehenden Teilprozesses weiter zu versorgen.

� Nutzung oder Aufbau von Redundanzketten gleicher Funktion, die parallel zu ei-nem hochbelasteten oder besonders störanfälligen Abschnitt einer Leistungsketteverlaufen.

Das Entkoppeln von Teilleistungsketten durch einen Zwischenpuffer ist ein üblichesVerfahren in der Fertigungstechnik, das bei der Verkettung von Maschinen ange-wandt wird, um bei einem kurzzeitigen Ausfall einer vorangeschalteten oder nach-folgenden Maschine eine Produktionsunterbrechung zu vermeiden.

Wenn bei einer Produktionsleistung λ [PE/h] der Maschine M2 maximal eineUnterbrechungszeit τ1aus [h] der vorangeschalteten Maschine M1 überbrückt wer-den soll, muss der Inhalt des Zwischenpuffers λ ⋅ τ1aus betragen. Um den Produkti-onsausstoß λ der Maschine M1 für eine maximale Unterbrechungszeit τ2aus [h] derMaschine M2 aufnehmen zu können, muss der Puffer zwischen M1 und M2 die Ka-pazität λ ⋅ τ2aus haben. Bei stochastischer Schwankung des Zulaufs λ oder der Ab-fertigung μ2 muss der Zwischenpuffer auch die mittlere Warteschlange aufnehmenkönnen, die sich vor der zweiten Maschine bildet und durch Beziehung (13.64) ge-geben ist. Hieraus folgt die Auslegungsregel:

Page 61: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

13.6 Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit 511

� Ein Zwischenpuffer zur Entkopplung einer Station S1 mit der maximalen Ausfall-zeit τ1aus von einer Station S2 mit der maximalen Ausfallzeit τ2aus muss bei einerDurchsatzleistung λ und der Auslastung ρ2 = λ/μ2 die Staukapazität haben

CZP =MAX(λ ⋅ τ1aus; λ ⋅ τ2aus; (1 − ρ2 + Vρ2) ⋅ ρ22/(1 − ρ2)) . (13.99)Wie in Abb. 13.27 für n = 2 dargestellt, hat eine Prozesskette PK0 mit n-facher Red-undanz für einen bestimmten Teil der Gesamtkette n Ausweichmöglichkeiten aufparallele Prozessketten PKr , r = 1, 2, . . .n, mit gleicher Funktion und ausreichenderLeistungsreserve. Wenn eine Parallelkette PKr einen Anteil pr < 1 des Durchsat-zes einer Prozesskette aufnehmen kann, bietet diese Kette eine Teilredundanz. Wennpr = 1 ist und die Parallelkette im Störungsfall den gesamten Durchsatz der Haupt-kette PK0 übernehmen kann, bietet die Kette eine Vollredundanz.

Die Wahrscheinlichkeit, dass eine parallele Kette mit der Funktionssicherheit ηrund der Aufnahmefähigkeit pr die Objekte des Stroms im Störungsfall übernehmenkann, ist gleich pr ⋅ηr . DieWahrscheinlichkeit, dass sie diese nicht übernehmen kannist daher (1 − pr ⋅ ηr). Die Wahrscheinlichkeit, dass keine der parallelen Ketten dieObjekte des Stroms im Störungsfall übernehmen kann, ist gleich dem Produkt allerNichtübernahmewahrscheinlichkeiten (1 − pr ⋅ ηr). Daraus folgt:

� Die Funktionssicherheit einer redundanten Prozesskette PKα mit n ParallelkettenAKr , die die Funktionssicherheiten ηr und die Aufnahmefähigkeiten pr haben, ist

ηα = (1 −n

∏r=0(1 − pr ⋅ ηr)) ⋅ η0α . (13.100)

Hierin ist η0α die Funktionssicherheit des nicht redundanten Abschnitts PK0 derProzesskette PKα . Diese lässt sich nach Beziehung (13.98) aus dem Produkt derFunktionssicherheiten der Stationen der nichtredundanten Restkette errechnen.

Wenn die Verfügbarkeit der nichtredundanten Restkette η0ver = 100% ist, folgtbeispielsweise aus (13.100) für die in Abb. 13.27 gezeigte Prozesskette, in der alleParallelketten die Verfügbarkeit ηr = 90% haben, bei Volredundanz, dass heißt fürp0 = p1 = p2 = 1, die Prozessverfügbarkeit ηver = (1−(1−0,90)3) = 0,999 = 99,9%.

Bei einer Hauptkette mit p0 = 1 und einer Teilredundanz der Parallelketten mitp1 = p2 = 0,5 ist die Prozessverfügbarkeit ηver = (1 − (1 − 0,90)(1 − 0,5 ⋅ 0,90)2) =0,970 = 97,0%. Die Prozessverfügbarkeit bei Teilredundanz ist damit geringer als beiVollredundanz, aber immer noch deutlich besser als die Prozessverfügbarkeit ohneRedundanz, die nur 90,0% beträgt.

13.6.4 Funktionssicherheit von Systemen

Jeder Funktion Fα eines Teil- oder Gesamtsystems entspricht eine Prozesskette PKα ,die nα der NS Stationen des Systems mit der Strombelastung λα durchläuft. Wenndie Gesamtstrombelastung des Systems

λ =∑αλα (13.101)

Page 62: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

512 13 Grenzleistungen und Staueffekte

ist, wird die Funktion Fα mit derNutzungswahrscheinlichkeit pα = λα/λ beansprucht.Die Funktionssicherheit des Gesamtsystems ist gleich dem mit den Nutzungswahr-scheinlichkeiten pα gewichteten Mittelwert der Funktionssicherheiten ηα der Pro-zessketten, die sich mit Hilfe der Beziehungen (13.98) und (13.100) aus den Funkti-onssicherheiten der Systemelemente berechnen lassen. Hieraus folgt:

� Die Systemzuverlässigkeit eines Systemsmit den Prozessketten PKα , den partiellenStrombelastungen λα und den Prozesszuverlässigkeiten ηα zuv ist

ηSys zuv =∑α(λα/λ)⋅ηα zuv . (13.102)

� Die Systemverfügbarkeit eines Systems mit den Prozessketten PKα , den partiellenStrombelastungen λα und den Prozessverfügbarkeiten ηα ver ist

ηSys ver =∑α(λα/λ)⋅ηα ver . (13.103)

Zur Demonstration der Berechnung einer Gesamtverfügbarkeit aus den Verfügbar-keiten der Systemelemente mit Hilfe der Beziehung (13.103) zeigt Abb. 13.28 eineVerfügbarkeitsanalyse für zwei verschiedene Ausführungsformen des Zu- und Ab-fördersystems eines Hochregallagers. Die Verfügbarkeitsanalyse ergibt, dass bei glei-cher Belastung die Systemverfügbarkeit eines getrennten Zu- und Abfördersystemsmit 92,5% um 1,1% besser ist als die Systemverfügbarkeit von 91,4% eines kombi-nierten Zu- und Abfördersystems [130].

Aus der Beziehung (13.102) ergibt sich nach Einsetzen von Beziehung (13.98)für die Prozesszuverlässigkeiten mit den durch Beziehung (13.85) gegebenen Zuver-lässigkeiten ηα zuv der betroffenen Systemelemente nach einigen Umrechnungen derSatz [130]:

� Werden von einem Leistungs-, Produktions-, Logistik- oder Transportsystemwährend einer längeren Betriebszeit die angeforderten Funktionen nrichtig malrichtig und nfalsch mal falsch oder gestört ausgeführt, dann ist die Systemzuver-lässigkeit

ηSys zuv = nrichtig/(nrichtig + nfalsch) . (13.104)Analog folgt aus Beziehung (13.103) nach Einsetzen von Beziehung (13.98) für dieProzessverfügbarkeiten mit den durch Beziehung (13.90) gegebenen Verfügbarkei-ten ηkver der betroffenen Systemelemente [118, 130]:

� Haben die N Systemelemente SEk eines Leistungs-, Produktions-, Logistik- oderTransportsystems, die jeweils von einem Anteil λk des Gesamtdurchsatzes λ be-lastet sind, während einer Gesamtbetriebszeit T die Gesamtausfallzeiten Tk aus,dann ist die Systemverfügbarkeit

ηSysver = (T −N

∑k=1(λk/λ) ⋅ Tkaus) /T . (13.105)

Die Gewichte gk = λk/λ sind die Strombelastungsfaktoren der Systemelemente SEk .Mit den Beziehungen (13.104) und (13.105) lassen sich die Systemzuverlässigkeit

Page 63: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

13.6 Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit 513

Abb. 13.28 Verfügbarkeitsanalyse des Zu- und Abfördersystem eines automatischenHochregallagers

Oben: getrenntes Zu- und AbfördersystemUnten: kombiniertes Zu- und AbfördersystemSystemelemente:

P: ProfilkontrolleVi : VerzweigungselementeZi : ZusammenführungselementeRFZi : RegalförderzeugeLi : LagergassenH: Hubstation

und die Systemverfügbarkeit eines Gesamtsystems direkt aus den gemessenen Stö-rungen und Ausfallzeiten errechnen. Die damit gewonnenen pauschalen Kennzah-len für die Funktionssicherheit des Systems besagen jedoch nichts darüber, welcheder Prozessketten und Systemelemente wie gut oder schlecht arbeiten. Die Systemzu-verlässigkeit und die Systemverfügbarkeit sind daher nur bedingt brauchbare Kenn-zahlen für die Funktionssicherheit eines Systems und zur vertraglichen Regelung ei-ner Systemabnahme allein nicht ausreichend. Zusätzlich müssen zwischen Auftrag-geber und Auftragnehmer Mindestwerte für die Zuverlässigkeit und Verfügbarkeitaller funktionskritischen Systemelemente und Leistungsketten vertraglich festgelegtwerden.

Page 64: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

514 13 Grenzleistungen und Staueffekte

13.7 Funktions- und Leistungsanalyse

Um bei der Inbetriebnahme böse Überraschungen und kostspielige Änderungen zuvermeiden, ist vor der Realisierung eines Logistik-, Produktions- oder Transportsys-tems eine sorgfältige Funktions- und Leistungsanalyse durchzuführen.

Wenn ein bestehendes System seine Leistungsgrenzen erreicht hat oder stärkergenutzt werden soll, hilft eine solche Analyse, Engpässe zu erkennen, Schwachstellenauszuweisen und Maßnahmen zur Steigerung der Leistungsfähigkeit zu planen.

Die Arbeitsschritte einer Funktions- und Leistungsanalyse sind:

1. Erstellen des Strukturdiagrammsdes Logistik-, Produktions- oder Transportsys-tems mit allen Elementarstationen und Transportelementen und den zwischendiesen bestehenden Verbindungen.

2. Aufstellen des Strombelastungsdiagramms durchEintragen aller in die Stationeneinlaufenden und auslaufenden Leistungs- und Durchsatzströme in das Struk-turdiagramm.

3. Aufstellen des Grenzleistungsdiagramms durch Eintragen der partiellen Grenz-leistungen für alle Elementarstationen, Verbindungen und Transportelementein das Strukturdiagramm.

4. Erfassung und Überprüfung der Abfertigungsstrategien an den Stationen undTransportknoten sowie der Systemstrategien für TeilsystemeundGesamtsystem.

5. Berechnung derAuslastungen von Stationen, Verbindungen undTransportkno-ten aus den Strombelastungen und den Grenzleistungen unter Anwendung derGrenzleistungsgesetze undEintragung derAuslastungswerte in einAuslastungs-diagramm.

6. Berechnung oderAbschätzung der Staueffekte vor den StationenundTransport-knoten mit Hilfe der Staugesetze und Eintragung der errechnetenWarteschlan-gen und Blockierungswahrscheinlichkeiten in ein Staudiagramm.

7. Überprüfung der Funktions- undLeistungsfähigkeit des Systems anhand desAus-lastungsdiagramms und des Staudiagramms.

8. Erstellen eines Verfügbarkeitsdiagramms durch Eintragung der Verfügbarkeitder einzelnen Stationen, Verbindungen und Transportelemente.

9. Verfügbarkeitsanalyse durch Berechnung der Prozessverfügbarkeit für die Auf-trags- und Logistikketten und der Systemverfügbarkeit für das Gesamtsystemsowie Ermittlung der funktionskritischen Elemente.

Ein Logistik-, Produktions- oder Transportsystem kann die geforderten Durchsatz-leistungen nur erbringen, wenn folgende Funktionskriterien erfüllt sind:

� Keine Station und kein Transportelement darf bei Normalbetrieb eine Auslastungüber 85% und in der Spitzenzeit von über 95% haben.

� DiemittlerenWarteschlangen vor den StationenundTransportelementenmüssenauch in der Spitzenzeit kleiner sein als die Staukapazität der zuführenden Verbin-dungen.

Wenn vor einzelnen Stationen die mittlere Warteschlange größer als die Staukapazi-tät ist, muss die Blockierwahrscheinlichkeit für die vorangehende Station berechnet

Page 65: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

13.7 Funktions- und Leistungsanalyse 515

werden, um zu prüfen, ob deren Auslastung die Blockierung verkraftet. Die Über-prüfung der Funktions- und Leistungsfähigkeit nach diesenKriterien zeigt rasch undlückenlos alle Engpassstellen des Systems:

� Engpassstellen sind Stationen, Verbindungen und Transportelemente, die zu Spit-zenzeiten zu mehr als 95% ausgelastet sind oder deren Warteschlangen die Leis-tung voranliegender Stationen unzulässig beeinträchtigen.

Engpassstellen sind die leistungsschwächsten Glieder der Produktions-, Leistungs-und Transportketten. Sie begrenzen das Leistungs- und Durchsatzvermögen des ge-samten Systems. Die Analyse hochbelasteter Systeme ergibt, dass ihre Leistungsfä-higkeit in der Regel nur durch ein oder wenige Engpasselemente begrenzt wird [136,210]. Bei diesen Engpasselementen müssen die ersten Maßnahmen zur Steigerungder Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems ansetzen. Zur Engpassbeseitigung beste-hen folgende Handlungsmöglichkeiten:

� Aufbohren des Engpasses: Steigerung der Grenzleistungswerte durch erhöhte Ab-fertigungskapazität, Senkung der Rüst- und Stillstandszeiten, verkürzte Ein- undAuslaufzeiten oder reduzierte Abfertigungszeiten.

� Umgehung des Engpasses: Ausweichen auf redundante Leistungs- und Transport-ketten, die die gleiche Funktion bieten und nicht so hoch ausgelastet sind.

� Doppelung der Engpassstation: Einbau einer Parallelstation oder einer Ausweich-kette (bypass) mit gleichen Funktionen.

� Veränderung der Abfertigungsstrategie: Gleichberechtigte Abfertigung anstelle vonVorfahrt oder Austausch von Haupt- und Nebenstrom.

In Abb. 13.29 ist das Strukturdiagramm einer Behälterförderanlage in einem reali-sierten Kommissioniersystem mit statischer Bereitstellung dargestellt, das für eineFunktions- und Leistungsanalyse erstellt wurde. Die gepickte Ware wird in die vomFördersystem zugeführten Auftragsbehälter abgelegt, die nach Ablage der letztenAuftragsposition in die Packerei befördert werden. Engpasselemente dieses Systemssind die Zusammenführungselemente Z auf dem Sammelkreisel, der entlang den Re-galstirnseiten verläuft, sowie die Pickstationen S in den Regalgassen, die zu Rückstauin eine voranliegende Pickstation führen können.

Funktionskritische Elemente eines Logistiksystems sind alle Stationen, derenAus-fall zumErliegen vonmehr als 20 %der regulär geforderten Funktionen oder zu einerLeistungseinbuße von über 20% führt. Die funktionskritischen Elemente ergebensich aus dem Leistungs- und Verfügbarkeitsdiagramm des Systems durch schrittwei-ses Nullsetzen der Verfügbarkeit der einzelnen Systemelemente und Berechnung derdaraus resultierenden Funktions- und Leistungseinbußen.

Ausfallstellen sind Stationen und Transportelemente mit einer Verfügbarkeit un-ter 90%. Sie blockieren vorangehende Stationen durch häufige oder länger dauerndeUnterbrechungen, führen zur Unterauslastung nachfolgender Leistungsstellen undverursachen Lieferzeitverzögerungen und Terminüberschreitungen.

Die Abb. 13.28 zeigt das Ergebnis einer Leistungs- und Verfügbarkeitsanalysefür zwei verschiedene Zu- und Abfördersysteme eines automatischen Hochregalla-

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516 13 Grenzleistungen und Staueffekte

gers [117,118]. Für das Systemmit getrenntemZu- undAbfördersystem sind dieEng-passelemente das erste Verzweigungselement des Zufördersystems und das letzte Zu-sammenführungselement des Abfördersystems. Engpasselemente des kombiniertenZu- und Abfördersystems sind alle Verzweigungs- und alle Zusammenführungsele-mente. Funktionskritische Elemente sind in beiden Fällen die Regalbediengeräte, de-ren Verfügbarkeit bei voller Belastung hier wie in vielen anderen Fällen 95% beträgt,bei guterGerätekonstruktion und regelmäßigerWartung aber über 98 % liegen sollte.

Wenn die Durchlaufzeiten zwischen den Eingangsstationen ESi und den Aus-gangsstationen AS j eines Systems bestimmte Werte nicht überschreiten dürfen, sindzusätzlich zum Auslastungs- und Staudiagramm Durchlaufzeitdiagramme des Sys-tems zu erarbeiten. Hierzu sind alle Leistungs-, Transport- und Auftragsketten ge-sondert darzustellen (s. Kap. 19).

Für jede dieser Prozessketten sind die Transportzeiten der Verbindungen, dieWartezeiten vor den Stationen und die Abfertigungs- oder Durchlaufzeiten der Ele-mentarstationen undTransportelemente zu errechnen und aufzusummieren zurGe-samtdurchlaufzeit. Die errechneten Gesamtdurchlaufzeiten Ti j der verschiedenenProzessketten von den Eingängen zu den Ausgängen sind dann mit den Vorgabe-werten zu vergleichen (s. Abschn. 8.6).

Aus der vorangehenden Analyse von Grenzleistungen, Staueffekten und Verfüg-barkeit ergibt sich, dass für die Planung und Auslegung von Logistiksystemen undLeistungsketten ein Vorgehen in folgenden Auslegungsschritten zweckmäßig ist:

1. Im ersten Schritt werden die Leistungs- und Durchsatzanforderungen als sta-tionär, die Prozesse als getaktet, die Durchlaufzeiten als konstant und alle Sta-tionen als funktionssicher betrachtet. Die Grenzleistungen der Leistungsstellen,Prozessketten und Systemewerden so ausgelegt, dass siemit einer Schwankungs-reserve von 10 % für dieMittelwerte der Belastung zur Spitzenstunde ausreichen.

2. Im zweiten Schritt wird für das geplante System unter Berücksichtigung dertechnischen Zuverlässigkeit der Elemente eine Funktions- und Leistungsanalysebei stationärer Belastung durchgeführt, um die Engpassstellen, Schwachstellenund funktionskritischen Elemente zu erkennen.

3. Im dritten Schritt werden die Grenzleistungen der Engpasselemente dem Be-darf bei stochastischer Belastung angepasst. Die resultierenden Staueffekte wer-den durch ausreichend dimensionierte Lager oder Pufferstrecken entschärft.Die Prozesse werden durch Verbesserung der Verfügbarkeit der funktionskriti-schen Elemente oder durch Redundanzketten funktionssicher gemacht.

Soll das System mit unterschiedlichen Belastungen betrieben werden, ist die Funk-tions- und Leistungsanalyse für verschiedene Belastungsszenarien durchzuführen.Wenn sich die Belastungsszenarien in weniger als einer Stunde ändern und die sto-chastischen Schwankungen der Leistungs- und Durchsatzanforderungen hoch sind,sollte nach der analytischen Auslegung undOptimierung eine digitale SimulationdesSystems durchgeführt werden.

Eine digitale Simulation eines Systems, das nach analytischen Verfahren dimen-sioniert und optimiert wurde, macht die Wechselwirkungen und Folgen der kurz-zeitigen dynamischen und stochastischen Veränderungen deutlich. Soweit die dabei

Page 67: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

13.7 Funktions- und Leistungsanalyse 517

Abb. 13.29 Strukturdiagramm einer Behälterförderanlage in einemKommissioniersystem

Systemelemente: Vi : VerzweigungselementeZi : ZusammenführungselementeU: UmlenkscheibeS: Pickstation

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518 13 Grenzleistungen und Staueffekte

erkennbaren Staueffekte funktionskritisch sind, müssen sie durch erhöhte Grenz-leistungen, weitere Staustrecken und veränderte Betriebsstrategien behoben wer-den [54–56].

13.8 Abnahme von Anlagen und Systemen

Analog zumVorgehen der Funktions- und Leistungsanalyse wird auch die Abnahmeeiner gelieferten Produktionsanlage, eines förder- und lagertechnischen Gesamtsys-tems oder eines anderen Logistiksystems durchgeführt [118].

Nachdem der Auftragnehmer die Fertigstellung gemeldet und der Auftraggeberdie erforderlichen Betriebsmittel, Stapler, Paletten und Mitarbeiter bereitgestellt hat,wird ein Funktions- und Leistungstest durchgeführt:

• Im Funktionstest werden die zugesicherten Eigenschaften und Funktionen dereinzelnen Systemelemente, der Anlagenteile und des Gesamtsystems geprüft undgetestet.

• Im anschließenden Leistungstest wird das System mit den vertraglich vereinbar-ten Durchsatzleistungen belastet.

Nachdem der Funktions- und Leistungstest mit einerMindestverfügbarkeit von 80%erfolgreich abgeschlossen ist, wird die Anlage dem Auftraggeber zur Nutzung über-geben. Andernfalls hat der Lieferant die Pflicht zur Nachbesserung binnen angemes-sener Zeit, in der Regel innerhalb von wenigen Wochen. Nach Behebung der festge-stellten Mängel wird der Funktions- und Leistungstest wiederholt.

Nach erfolgreichem Funktions- und Leistungstest beginnt die Probezeit, die ma-ximal gleich der Gewährleistungszeit ist. In der Probezeit werden laufend alle auf-tretenden Störungen, Störungsursachen und Unterbrechungszeiten vom Betreibererfasst und daraus nach den in Abschn. 13.6 angegebenen Beziehungen die Verfüg-barkeit aller kritischen Einzelelemente, der wichtigsten partiellen Funktionen undder Gesamtanlage errechnet.

Wenn die vertraglich vereinbarten Verfügbarkeitswerte nachhaltig erreicht sind,wird ein Verfügbarkeitstest durchgeführt [130]:

� Für den Verfügbarkeitstest wird die Anlage für eine statistisch ausreichend langeZeit, die in der Regel 1 bis 10 Tage beträgt, mit mindestens 70% der Soll-Leistungbelastet (s. Abschn. 9.15).

Während des Verfügbarkeitstests werden von Vertretern des Auftraggebers unddes Auftragnehmers gemeinsam alle Störungen, Ursachen und Unterbrechungszei-ten erfasst und ausgewertet. Werden am Ende der Testzeit mit den vom Auftrag-nehmer zu vertretenden Störungen und Unterbrechungszeiten die vertraglich zuge-sicherten Verfügbarkeitswerte erreicht oder überschritten, ist die Anlage endgültigabgenommen.

Andernfalls ist die Lieferfirma zur Nachbesserung verpflichtet. Wenn diese nichtin angemessener Zeit – maximal in 6 Monaten – gelingt, hat der Auftraggeber dasRecht zurMinderung oder zurWandlung, wenn eine Mängelbeseitigung nicht mög-lich ist.

Page 69: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

13.8 Abnahme von Anlagen und Systemen 519

Die vertraglich vereinbarten Kapazitäten, Leistungen und Termine lassen sicham wirksamsten durch Vertragsstrafen oder Pönalen absichern, wie Terminpönalen,Leistungspönalen und Verfügbarkeitspönalen. Jede Pönale erhöht jedoch das Kosten-risiko des Anbieters und wird durch einen Risikozuschlag bei der Preiskalkulationberücksichtigt (s. Abschn. 7.2.2). Mit der Höhe der Pönale, die dem Auftragnehmerbei Nichteinhaltung der vertraglichen Leistungen und Vereinbarungen droht, steigtdaher auch der Anlagenpreis für den Auftraggeber.

Eine pragmatische Lösung des Zielkonflikts zwischen Absicherung der Vertrags-einhaltung und Begrenzung der hieraus resultierenden Mehrkosten ist eine Pönale-begrenzung:� Die Summe aller Pönalen und Vertragsstrafen ist auf 10% des Gesamtpreises be-

schränkt. Zusätzlich wird jede Einzelpönale auf einen geringeren Wert begrenzt.Üblich für die Einzelpönalen sind 5% des Preises für das betroffene Gewerk oderTeilsystem.

Bis zum Ablauf aller Fristen zur Einhaltung von Leistungs- und Verfügbarkeits-werten darf eine Anlage oder ein System nur mit dem Vorbehalt der Erfüllung nochausstehender Vertragswerte abgenommen werden, auch wenn derGefahrenübergangauf den Auftraggeber mit dem Nutzungsbeginn eintritt.

13.8.1 Terminpönale

Zur Absicherung der Einhaltung eines Fertigstellungstermins und von wichtigen Eck-terminen ist folgende Terminpönaleregelung geeignet:� Wird der vereinbarte Termin für die Fertigstellung aus Gründen, die der Auftrag-

nehmer zu vertreten hat, nicht eingehalten, kann der Auftraggeber den Preis desbetroffenen Teilsystems oder des Gesamtsystems um 0,5% je angefangene Ver-zugswoche mindern.

Wenn es auf eine tagesgenaue Termineinhaltung ankommt, ist statt der Wochenpö-nale von 0,5 eine Tagespönale von 0,1% des Preises pro Verzugstag sinnvoll. Hat derAuftraggeber Interesse an einer vorfristigen Fertigstellung, kann zusätzlich zur Ter-minpönale eine analog formulierte Terminbonusregelung vereinbart werden.

13.8.2 Leistungspönale

Zur Absicherung der Einhaltung der vereinbarten Leistungs- und Kapazitätswerteeiner Anlage oder eines Systems ist folgende Leistungspönaleregelung geeignet:� Werden die garantierten Werte für Leistung und Kapazität eines Teil- oder Ge-

samtsystems aus Gründen, die der Auftragnehmer zu vertreten hat, nicht erreicht,hat der Auftraggeber Anspruch auf eine Minderung des Preises des betreffendenTeil- oder Gesamtsystems um 0,5% je Prozentpunkt der Abweichung vom Ver-tragswert.

Wenn der Auftraggeber daran Interesse und dadurch einen Nutzen hat, ist auch eineLeistungsbonusregelung für das Übertreffen bestimmter Leistungs- oder Kapazitäts-werte möglich.

Page 70: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

520 13 Grenzleistungen und Staueffekte

13.8.3 Zuverlässigkeits- und Verfügbarkeitspönale

Ein System oder eine Anlage ist für den Betreiber im praktischen Betrieb nur dannwirtschaftlich nutzbar, wenn die vereinbarten Funktionen und Leistungswerte mitausreichender Verfügbarkeit erfüllt werden. Daher ist zusätzlich zur Termin- undLeistungspönale folgende Pönaleregelung für die Zuverlässigkeit und Verfügbarkeitsinnvoll:

� Werden die vereinbarten Werte der maximal zulässigen Störquote und der Min-destverfügbarkeit aus Gründen, die der Auftragnehmer zu vertreten hat, nicht in-nerhalb einer angemessenen Frist erreicht, kann der Auftraggeber den Preis desbetreffendenTeil- oder Gesamtsystems je Prozentpunkt der Abweichung vomGa-rantiewert um 0,5% mindern.

Beträgt beispielsweise die garantierte Mindestverfügbarkeit einer Anlage, deren Lie-ferwert 5,5 Mio. € ist, 98,0% und wird auch nach mehrfacher Nachbesserung nureine Verfügbarkeit von 95,0% erreicht, so reduziert sich der Preis um 3 ⋅ 0,5% ⋅5.500.000 € = 82.500 €.

Die Verfügbarkeit einer Anlage oder eines Systems erreicht meist nicht sofortnach Fertigstellung den angestrebten Wert, da viele Fehler und Störungen erst nachlängerem Betrieb auftreten und behoben werden können. Daher muss die Frist fürdie Verfügbarkeitspönale abhängig von der Intensität der Anlagennutzung ab Be-triebsbeginn ausreichend lang bemessen sein. Für Logistiksysteme wird die Verfüg-barkeitsfrist in der Regel auf 6 Monate festgelegt.

Bei der Verfügbarkeitsmessung zur Überprüfung der Einhaltung von garantier-ten Zuverlässigkeits- oder Verfügbarkeitswerten sind unbedingt die in Abschn. 9.6behandelten Regeln der Qualitätsmessung zu beachten. Andernfalls kommt es we-gen zu großer Messfehler nach dem Test zu unnötigen Streitigkeiten. Vor Beginndes Tests ist nach Beziehung (9.35) für die zugesicherte Zuverlässigkeit und Ver-fügbarkeit die Anzahl der Gesamtereignisse zu berechnen, die erforderlich ist, umeine Messgenauigkeit von mindestens ±1% zu erreichen. Mit der für den Test ge-planten Anlagenbelastung ergibt sich hieraus die statistisch benötigte Testdauer (s.Abschn. 9.15).

NachDurchführung des Tests sind außer denMittelwerten auch die statistischenMessfehler zu errechnen. Diese müssen kleiner als ±1% sein, damit fair entschiedenwerden kann, ob ein Garantiewert erfüllt ist oder nicht (s. Abschn. 9.15).

13.8.4 Nachweis der Vollastverfügbarkeit

Die Erfassung der Störungen und Ausfallzeiten sowie die Berechnung der Zuverläs-sigkeit und Verfügbarkeit sind in den Richtlinien VDI 3580, VDI 3581 und FEM9.222 geregelt [118]. Keine dieser Richtlinien legt jedoch fest, für welche Belastungs-werte die garantierten Verfügbarkeitswerte gelten und wie sich eine vertraglich ga-rantierte Verfügbarkeit in der Praxis nachweisen lässt.

Die Verfügbarkeit von diskontinuierlich belasteten Elementen und Systemenhängt aber gemäß Beziehung (13.92) von der Strombelastung ab (s. Abb. 13.24).

Page 71: Logistik 1 || Grenzleistungen und Staueffekte

13.8 Abnahme von Anlagen und Systemen 521

Wenn die Bemessungsleistung für eine garantierte Verfügbarkeit nicht eindeutig ge-regelt ist, können sich bei der Abnahme Differenzen ergeben. Da der Betreiber ei-ne maximale Nutzbarkeit bei der garantierten Systemleistung benötigt, sind die ein-schlägigen Richtlinien zur Abnahme der Verfügbarkeit von Transport- und Lager-anlagen um folgenden Passus zu ergänzen:

� Die garantiertenVerfügbarkeitswerte sindVorlastverfügbarkeiten beiNutzung derAnlage mit den garantierten Leistungs- und Durchsatzwerten.

Die Garantie einer Mindestverfügbarkeit für ein Systemelement oder eine Gesamt-anlage gilt also für eine bestimmte Soll-Leistung.

Eine längere Belastung der Anlage genau mit der vereinbarten Soll-Leistung zurMessung der Vollastverfügbarkeit im Rahmen eines Abnahmetests ist mit einem er-heblichen Aufwand an Zeit und Kosten verbunden. Ein Verfügbarkeitstest, der sta-tistisch ausreichend abgesicherteMesswerte liefern soll, dauert mehrere Tage und er-fordert eine sorgfältigeVorbereitung.Während der gesamtenTestzeit ist eine größereAnzahl von gewerblichenMitarbeitern für dieAufgabe undAbnahmedesTransport-und Lagerguts erforderlich, beispielsweise zur Aufgabe der einzulagernden und zurAbnahme der ausgelagerten Paletten beim Test eines automatischen Hochregalla-gers. Weiteres Fachpersonal wird benötigt für das Erfassen der Anzahl, Ursachenund Dauer auftretender Störungen und zum Beheben der Fehler.

Hinzu kommt, dass ein Verfügbarkeitstest zur Endabnahme einer Gesamtanla-ge erst sinnvoll ist, nachdem die Anlage eine ausreichend lange Zeit unter Betriebs-bedingungen genutzt wurde und die typischen Anfangsstörungen bereits behobenwurden. Wenn eine Anlage jedoch erst einmal vom Auftraggeber produktiv genutztwird, ist eine mehrtägige Unterbrechung des Betriebs zur Durchführung eines län-geren Verfügbarkeitstests in der Regel nicht mehr möglich.

Ein Verfügbarkeitstest bei Soll-Belastung ist jedoch nicht erforderlich, um einErreichen der garantierten Vollastverfügbarkeit nachzuweisen. Die Vollastverfüg-barkeit lässt sich nämlich aus der Ist-Verfügbarkeit hochrechnen, da aus Beziehung(13.92) folgt:

� Ein Systemelement, für das bei einer Ist-Belastung λIst eine Ist-Verfügbarkeitηver(λIst) gemessen wurde, hat bei der Soll-Belastung λSoll die Sollastverfügbar-keit:

ηver(λSoll) = 1 − (λSoll/λIst) ⋅ (1 − ηver(λIst)) . (13.106)Die Nichtverfügbarkeit ηnver(λSoll) = 1 − ηver(λSoll) für die Soll-Belastung λSoll re-sultiert aus der gemessenen Nichtverfügbarkeit ηnver(λIst) = 1 − ηver(λIst) bei Ist-Belastung λIst durch Multiplikation mit dem Belastungsverhältnis λSoll/λIst, da dieWahrscheinlichkeit ausfallbedingter Unterbrechungen proportional mit der Belas-tung ansteigt.

Wenn beispielsweise für ein Regalbediengerät bei einer Ist-Belastung von 15 Ein-und Auslagerungen pro Stunde die Verfügbarkeit ηver(15) = 98,6% gemessen wur-de, errechnet sich nach Beziehung (13.106) für eine Garantieleistung von 30 Ein-und Auslagerungen die Verfügbarkeit ηver(30) = 1− (30/15) ⋅ (1− 0,986) = 0,972 =97,2%. Falls eineMindestverfügbarkeit bei Garantiebelastung von 98,0% vertraglich

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522 13 Grenzleistungen und Staueffekte

vereinbart wurde, ist diese trotz des recht gut erscheinenden Messwerts von 98,6%in diesem Fall nicht erreicht.

Da sich die Ist-Belastungsstruktur, die durch die Strombelastungsfaktoren gk =λk/λges der einzelnen Systemelemente SEk gegeben ist, bei der betrieblichen Ist-Belastung in der Regel von der Soll-Belastungsstruktur unterscheidet, ist eine di-rekte Berechnung der Systemverfügbarkeit für die Soll-Belastung mit Hilfe von Be-ziehung (13.106) nicht zulässig. Die Systemverfügbarkeit für die vereinbarte Soll-Belastung lässt sich jedoch mit Hilfe der Beziehungen (13.103) und (13.98) aus denSoll-Verfügbarkeiten der einzelnen Systemelemente errechnen, die mit Beziehung(13.106) aus den gemessenen Ist-Verfügbarkeiten ermittelt wurden.

Auf diese Weise ist es möglich, anstelle eines längeren Verfügbarkeitstests, dersich in der Betriebspraxis kaum durchführen lässt und daher in vielen Fällen unter-lassen wird, aus den laufenden Störprotokollen bis zum Ende der Verfügbarkeitsfristdie Verfügbarkeitswerte bei Soll-Leistung zu bestimmen. Damit sind die garantiertenVerfügbarkeitswerte für funktionskritische Systemelemente und für das Gesamtsys-temmit relativ geringem Aufwand ohne Betriebsunterbrechungen über einen statis-tisch ausreichend langen Zeitraum nachweisbar (s. auch Abschn. 9.15).

13.9 Leistungsoptimierung von Produktionsstellen

Für eine kostenoptimale Produktionsplanung und termintreue Fertigungsdispositi-on muss das Leistungsvermögen aller Produktionsstellen bekannt sein, die an derAusführung der Fertigwarenaufträge beteiligt sind. Eine einzelne ProduktionsstellePS(n,m), die aus n Einsatzmaterialien EMq , q = 1, 2, . . . , n, mit den Verbrauchsein-heiten VEq bis zu m unterschiedliche Ausgangserzeugnisse AEr , r = 1, 2, . . . ,m, mitden Erzeugniseinheiten VEr produzieren kann, ist eine Elementarstation vom Typ(n,m) derOrdnung n+m. Daher gelten die zuvor entwickeltenGrenzleistungsgeset-ze, Staugesetze und übrigen Verfahren zur Analyse und Berechnung der Funktions-und Leistungsfähigkeit auch für Produktionsstellen.

Aus einer Analyse der Einflüsse von Produktwechsel und Leistungszeiten auf dieAuslastbarkeit und dieDurchlaufzeitenwerdennachfolgendOptimierungsregelnundaus diesen eine Standardfertigungsstrategie für Produktionsstellen hergeleitet. In Ver-bindung mit weiteren Regeln und Systemstrategien ist die Standardstrategie auch fürdie Produktionsplanung und Fertigungsdisposition von Fertigungsketten und Ver-sorgungsnetzen einsetzbar [178].

13.9.1 Leistungskennzahlen einer Produktionsstelle

Maßgebend für denMaterialeinsatz und für dieMaterialbedarfsplanung (MRP:Ma-terial Requirement Planning) eines Produktionssystems sind die Stücklisten der Er-zeugnisse:

• Eine Stückliste mqr [VEq pro VEr] gibt an, wie viele Verbrauchseinheiten VE desEinsatzmaterials EMq zur Herstellung einer Einheit VEr des Ausgangserzeugnis-ses AEr benötigt werden.

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13.9 Leistungsoptimierung von Produktionsstellen 523

Wenn die Stückliste bekannt ist, lassen sich aus den partiellen Auslaufströmen λr diepartiellen Einlaufströme λq einer Produktionsstelle berechnen:

λq =∑rmqr ⋅ λr [VEs/PE] . (13.107)

Die Auslaufströme λr der Produktionsstelle sind das Ergebnis der aktuellen Produk-tionsleistung oder einer Planbelegung zur Erfüllung zukünftiger Leistungsanforde-rungen. Sie resultieren über entsprechende Stücklistenauflösungen aus den Liefer-oder Produktionsaufträgen der Nachfolgestellen, die von der betrachteten Produkti-onsstelle versorgt oder beliefert werden.

Die maßgebenden Kennzahlen für die Leistungsfähigkeit einer elementaren Pro-duktionsstelle sind die:

• Produktionsgrenzleistungen μr [VEr/PE] der Erzeugnisse Er ; Sie sind die maxi-malen Produktionsleistungen bei ununterbrochener Fertigung jeweils nur einesErzeugnisses;

und die

• Produktwechselzeiten TPWZrs [PE], die für das Umrüsten und den Wechsel voneinem Erzeugnis Er zu einem Erzeugnis Es erforderlich sind.

Die einzelnen Produktwechselzeiten der Wechselzeitmatrix TPWZrs werden auch alsUmrüstzeiten oder Rüstzeiten bezeichnet. Sie können jedoch im Einzelfall länger seinals die rein technischen Rüst- oder Umrüstzeiten (s. Vorgänge (8.12) in Abschn. 8.5).

Die Zeit, die zur Vorbereitung der Fertigungsstelle bis zum Start des ersten Auf-trags für das Erzeugnis Er benötigt wird, ist die Erstrüstzeit TERZr. Die Summe vonErstrüstzeit und Unterbrechungszeiten, die jeweils nach einer bestimmten Ausstoß-mengemR für planmäßige Wartungs- oder Reinigungsarbeiten anfallen, kann in derWechselzeitmatrix als Zwischenrüstzeit TPWZrr berücksichtigt werden.

Die Multiplikation der Wechselzeiten mit dem Kostensatz der Produktionsstelleplus den Kosten des Anlaufmaterialverlustes (Makulatur) ergibt die Produktwechsel-kosten oder Rüstkosten. Deren Höhe bestimmt maßgebend die dispositionsabhängi-gen Logistikkosten eines Fertigungsbetriebs und ist entscheidend für die dynamischeDisposition der Aufträge und Bestände in Versorgungsnetzen [178].

Ebenso wie bei anderen Quellstationen für diskrete Ströme resultiert die Grenz-leistung μr = μr(c) = c/τr(c) einer Taktfertigung aus der Taktzeit τr(c) [PE/VE],mit der die Erzeugniseinheiten einzeln (c = 1) oder im Pulk (c > 1) die Station ver-lassen (s. Beziehung (13.3)).

Ein pulkweiser Produktionsausstoß ist typisch für dieChargenproduktion, bei dereine festeMenge gleichartigerObjekte gemeinsam in einer Produktionsstelle erzeugt,bearbeitet und geschlossen fertiggestellt wird. Die Chargengröße c wird bestimmtdurch das Fassungsvermögen der Produktionsstelle, z. B. eines Schmelzofens, einesBrennofens oder einer Galvanisationsanlage. Sie hängt außerdem von der Kapazitätder Ladeeinheiten ab, mit denen die Produktionsstelle beschickt wird.

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524 13 Grenzleistungen und Staueffekte

13.9.2 Auslastbarkeit und AuftragsdurchlaufzeitenDie Auslastbarkeit begrenzt das effektive Leistungsvermögen der Produktionsstelle.Sie ist die maximal mögliche Auslastung der Produktionsgrenzleistung:

ηaus = ρprodmax . (13.108)

Die Gesamtauslastung der Produktionsstelle ist die Summe der produktiven Auslas-tung ρprod, die sich aus der Summation der partiellen Auslastungen ρr = λr/μr derProduktionsgrenzleistungen ergibt, und einer Umschaltauslastung ρumsch, die mitden Umschalt- oder Wechselfrequenzen νrs aus den Produktwechselzeiten TPWZrs re-sultiert. Bei einem partiellen Produktionsausstoß λr [VEr/PE] und einem Produkt-wechsel mit denWechselfrequenzen νrs [1/PE] ist also die

• Gesamtauslastung der Produktions- oder Leistungsstelle

ρges = ρprod + ρumsch =∑rλr/μr +∑

r ,sνrs ⋅ TPWZrs . (13.109)

Hierin sind die Zwischenrüstzeiten TPWZrr, die mit einer festen Wartungs- und Rei-nigungsfrequenz νrr = λρ/mR wiederkehren, als Unterbrechungszeiten zu berück-sichtigen.

Wenn der Auftragszulauf und die Abfertigungszeit stochastisch schwanken, bil-det sich vor einer Produktionsstelle eine Auftragswarteschlange, die mit zunehmen-der Auslastung länger wird und zu ansteigenden Auftragswartezeiten führt. DieProduktions- oder Leistungsstelle einer Fertigungskette oder eines Auftragsnetz-werks mit der höchsten Auslastung ist eine potentielle Engpassstelle (s. Abb. 8.1). BeiErreichen oder Überschreiten der 100%-Grenze steigen die Warteschlange und dieWartezeiten immer weiter, bis die Auslastung wieder deutlich unter 100% absinkt.Für die Dauer der Überauslastung ist die betreffende Produktionsstelle eine aktuelleEngpassstelle.

Unter Berücksichtigung derVerfügbarkeit ηver, die die Produktionsgrenzleistungauf die effektive Grenzleistung (13.91) reduziert, muss die Gesamtauslastung nachdem allgemeinen Grenzleistungsgesetz in allen Dispositionsperioden kleiner sein alsηver. Für die Auslastbarkeit einer Produktionsstelle gilt daher

ηaus = ηver − ρums = ηver −∑r ,s

νrs ⋅ TPWZrs . (13.110)

Hieraus ist ablesbar:

� Das effektive Leistungsvermögen einer Produktionsstelle reduziert sich mit zuneh-mender Länge der Produktwechselzeiten, mit der Häufigkeit des Produktwech-sels und bei unterschiedlichen Produktwechselzeiten auch mit der Reihenfolgedes Produktwechsels.

Abgesehen von einer eventuellen Verfahrenszeit, die eine Trockenzeit, Reifezeit oderAushärtungszeit oder 0 sein kann (s. Vorgänge (8.15)), ist die Durchlaufzeit einesProduktionsauftrags für das Erzeugnis AEr mit der Auftragsmenge mr die Summevon:

• Produktwechselzeit TPWZ r−1r , die abhängig vom vorangehenden Auftrag die Er-strüstzeit oder die Umrüstzeit ist,

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13.9 Leistungsoptimierung von Produktionsstellen 525

• Leistungszeit TLZr = mr/μr , die sich aus demQuotienten von Auftragsmenge undGrenzleistung errechnen lässt, und

• Auftragswartezeit TWZ, die gleich der Summe der Durchlaufzeiten aller vorange-henden Aufträge ist.

DieDurchlaufzeit für ein ErzeugnisAEr , dasmit derAuftragsmenge oder Fertigungs-losgrößemr produziertwird, ist also die Summe aller Produktwechselzeiten undLeis-tungszeiten der vorangehenden Aufträge und des aktuellen Auftrags:

TDLZr =r

s=1(TPWZs−1,s +ms/μs) . (13.111)

Die Summe erstreckt sich über alle Produktionsaufträge der Erzeugnisse AEs , die vordem Erzeugnis AEr auszuführen sind, und den Auftrag für das Erzeugnis AEr . Dererste Teil der Summe ist die Rüstzeitsumme, der zweite Teil die Leistungszeitsumme.Hieraus ist ablesbar:

� DieAuftragsdurchlaufzeiten einer Produktionsstelle steigenmit zunehmender Län-ge der Produktwechselzeiten, mit der Häufigkeit und der Reihenfolge des Pro-duktwechsels sowie mit der Anzahl und Größe der vorrangig abzufertigendenübrigen Fertigungsaufträge.

Die Auftragsdurchlaufzeiten sinken also mit abnehmenden Fertigungslosgrößen,während sich das Leistungsvermögen mit abnehmenden Losgrößen verschlechtert,da diese zu einem häufigeren Produktwechsel führen. Die gegenläufige Abhängigkeitdes Leistungsvermögens und der Auftragsdurchlaufzeiten von den Auftragsgrößenführt zu einem grundlegenden Zielkonflikt der Fertigungsplanung und der Auftrags-disposition.

13.9.3 Optimierungsregeln

Das oberste Ziel der Produktionsplanung und Fertigungsdisposition ist eine Mini-mierung der Kosten bei einer termintreuen Einhaltung der geforderten Lieferzei-ten. Die Betriebskosten einer Produktionsstelle sind minimal, wenn die produktiveAuslastung maximal ist. Aus den Beziehungen (13.109) und (13.111) ist ablesbar,dass lange Wechselzeiten und häufige Produktwechsel sowohl die Auslastbarkeit ei-ner Produktionsstelle reduzieren als auch die Durchlaufzeiten verlängern.

Daraus folgen die grundlegenden Optimierungsstrategien der Produktionspla-nung und Fertigungsdisposition:

� Rüstzeitsenkung: Durch Reduzierung der Produktwechselzeiten werden sowohldie Kosten gesenkt als auch die Durchlaufzeiten verkürzt.

� Variantenminimierung:Durch eine Minimierung der Anzahl der in einer Dispo-sitionsperiode herzustellenden Erzeugnisse oder Produktvarianten lassen sich dieAuslastbarkeit, die Kosten und die Durchlaufzeiten optimieren.

� Auftragsbündelung: Alle Aufträge einer Dispositionsperiode, die das gleiche Er-zeugnis betreffen, werden zu einem Sammelauftrag zusammengefasst und ohneWechselzeitverlust nacheinander ausgeführt.

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526 13 Grenzleistungen und Staueffekte

� Rüstfolgeoptimierung:DieReihenfolge der unterschiedlichen Sammelaufträgewirdso festgelegt, dass die Rüstzeitsumme über alle Aufträge einer Periodeminimal ist.

Eine Rüstfolgeoptimierung ist beispielsweise die Auftragsausführung in einem Ab-füllbetrieb, einer Druckerei oder einer Färberei in Hell-Dunkel-Folge (s. Abschn.10.4.4). Durch die Optimierungsregeln wird neben den Kosten auch die durch-schnittliche Auftragsdurchlaufzeit minimiert.

13.9.4 Standardfertigungsstrategie

Die zentrale Forderung nach termintreuer Einhaltung der geforderten Lieferzeitenbei minimalen Kosten wird erfüllt, wenn die Belegung jeder Produktionsstelle nachfolgender Standardfertigungsstrategie disponiert wird:

1. Für die nächste Dispositionsperiode werden zunächst nur die fälligen Aufträgeeingelastet, deren Lieferzeit einer Rückwärtsterminierung einen Start spätestensin dieser Periode erfordert (s. Abschn. 8.8).

2. Alle Aufträge, die in einer Dispositionsperiode das gleiche Erzeugnis anfordern,werden zu einem Sammelauftrag zusammengefasst.

3. Die Sammelaufträge mit den fälligen Aufträgen werden in der optimalen Rüst-zeitfolge geordnet.

4. Mit der so erreichten Auftragsfolge wird für die betrachtete Periode die Gesamt-auslastung (13.109) der Produktionsstelle berechnet.

5. Wenn die Gesamtauslastung kleiner ist als die Verfügbarkeit ηver, werden in ab-steigender Dringlichkeitsfolge nacheinander weitere Aufträge hinzugenommenund die Schritte 1 bis 4 solange durchlaufen, bis die Auslastung die Verfügbar-keit erreicht hat oder bis alle aktuellen Aufträge eingelastet sind.

6. Liegt die Auslastung einer Produktionsstelle über der Verfügbarkeit, ist alsoderEngpasszustand erreicht, werdennach vorgegebenenEngpassprioritätsregelnnacheinander einzelne Aufträge auf die nächste Dispositionsperiode verscho-ben, bis die Auslastung nach den Schritten 1 bis 4 unter der Verfügbarkeit liegt.

Mit diesem Standardablauf der Fertigungsdisposition lassen sich für viele Ferti-gungsbereiche minimale Kosten bei Einhaltung der Standardlieferzeiten erreichen,solange die Auslastung der Engpassstelle nicht für länger als eine Periode über dieVerfügbarkeit ansteigt.

Sobald erkennbar ist, dass die Auslastung der Engpassstelle fürmehrere Periodengrößer als die Verfügbarkeit ist, müssen kurzfristig die Betriebszeiten verlängert, undwenn das nicht mehr möglich ist, die Aufträge vor Beginn des Standardablaufs derFertigungsdisposition nach geeigneten Engpassprioritätsregeln ausgewählt werden.

13.9.5 Zusatzregeln und Zuweisungsstrategien

Für die praktische Anwendung der Standardfertigungsstrategie und der Optimie-rungsstrategien sind zusätzlich folgende Punkte zu beachten:

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13.9 Leistungsoptimierung von Produktionsstellen 527

• Die Länge der Dispositionsperiode eines Fertigungsbereichs darf maximal so langsein wie die Periodenlänge der Auftragsdisposition. Diese ergibt sich aus der ge-fordertenTermintreue (s.Abschn. 8.2). So ist die Dispositionsperiode ein Arbeits-tag, wenn eine tagesgenaue Lieferung angestrebt wird [178].

• Wenn als Bemessungszeit für die Produktionsgrenzleistungen die Stunde und fürdie Produktwechselzeiten die Sekunde oder Minute gewählt werden, sind diesezur Berechnung der Periodenauslastung nach Beziehung (13.109) mit der Peri-odenlänge zu multiplizieren, die in den entsprechenden Zeiteinheiten gemessenist.

• Bei festen Betriebszeiten ist in Schritt 5 und 6 der Standardstrategie darauf zuachten, dass durch die Hinzunahme und Herausnahme einzelner Aufträge amTagesende keine Teilaufträge entstehen, die am nächsten Tag eine zusätzliche Er-strüstzeit erfordern. Das kann durch eineMengenanpassungsstrategie vermiedenwerden, die unter Umständen Vorrang vor der Dringlichkeitsfolge hat (s. Ab-schn. 12.5.3).

• In einem Produktionsbetrieb mit planmäßig veränderlichen Betriebszeiten, etwadurch Werksferien, Personalausfall, Wartungsarbeiten, Kontrollen oder Kurzar-beit, ändert sich die Periodenlänge von Tag zu Tag.

• In einer atmenden Fabrikmit flexiblen Arbeitszeiten ist eine dynamische Anpas-sung der Produktionsgrenzleistungen an den aktuellen Leistungsbedarf über dieBetriebszeiten möglich (s. Abschn. 10.5).

• In einer Fertigungskette, einem Auftragsnetzwerk oder einem Versorgungsnetz istdie Standardfertigungsstrategie nur auf die potentiellen Engpassstellen anzuwen-den. Die einer Engpassstelle nachfolgenden Produktions- und Leistungsstellenwerden nach dem Push-Verfahren, die vorangehenden nach dem Pull-Verfahrendisponiert (s. Abschn. 8.9).

• Zur dynamischen Fertigungsdisposition werden nach jeder abgeschlossenen Dis-positionsperiode bis zumBeginn der nächsten Periode die Schritte der Standard-fertigungsdisposition für alle aktuell eingegangenen Aufträge zusammenmit dennoch nicht begonnenen Aufträgen erneut durchgeführt.

Sind in einem Produktions- oder Auftragsnetzwerk für das gleiche Erzeugnis meh-rere Produktionsstellen verfügbar, sind außerdem folgende Zuweisungsstrategien zubeachten:� Kostenoptimale Zuordnung: Die Einzel- oder Sammelaufträge werden jeweils der

Produktionsstelle zugewiesen, die den Auftrag zu den geringsten Kosten ausfüh-ren kann. DieAuftragskosten sind die Summe dermengenunabhängigen Rüstkos-ten und der mengenabhängigen Leistungskosten.

� Dynamische Gleichverteilung: Die Aufträge oder Auftragspulks werden jeweilsderjenigen der N gleichartigen Parallelstationen zugewiesen, die am gerings-ten ausgelastet ist. Wenn die mittlere Auslastung der Parallelstationen für länge-re Zeit über 0,9 ansteigt, wird eine weitere Station zugeschaltet. Sinkt sie unter0,8 ⋅ (N − 1)/N , wird eine Station abgeschaltet.

Durch das dynamische Zu- und Abschalten wird diemittlere Stationsauslastung zwi-schen 80 und 90% gehalten. In Verbindung mit der kostenoptimalen Zuordnung

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528 13 Grenzleistungen und Staueffekte

werden durch die dynamische Gleichverteilung minimale Kosten bei einer akzepta-blen Länge der Warteschlangen und Wartezeiten erreicht.

13.9.6 Engpassstrategien

Aus dem prognostizierten mittelfristigen Bedarfsverlauf lassen sich kommende Be-darfsspitzen ablesen und eventuelle Engpässe erkennen. Das gilt für den Bedarf derFertigerzeugnisse ebenso wie für den aus dem Primärbedarf über Stücklistenauflö-sung abgeleiteten Sekundärbedarf.

Die Summe des für die Periode t prognostizierten Bedarfs λA(t) aller Artikel A,die auf den gleichen Anlagen oder Maschinen gefertigt werden, ergibt den Produkti-onsleistungsbedarf in der Periode t:

λP(t) = ∑AλA(t) [VE/PE] . (13.112)

Solange der Leistungsbedarf λP(t) kleiner ist als die reguläre Produktionsgrenzleis-tung μP, d. h. wenn λP(t) < μP ist, können alle Fertigungsaufträge innerhalb derPlandurchlaufzeit ausgeführt werden. Wenn jedoch der Leistungsbedarf die Pro-duktionsgrenzleistung für mehrere Perioden überschreitet, entsteht ein ansteigenderAuftragsbestand, der zu Wartezeiten und längeren Durchlaufzeiten führt.

In den Perioden einer Engpasszeit Teng, für die λP(t) > μPmax ist, baut sich einAuftragsbestand auf. Dieser erreicht zum Zeitpunkt t den Wert:

AB(Teng) = ∑t∈Teng(λp(t) − μPmax) [VE] . (13.113)

Wenn der prognostizierte Spitzenbedarf für eine Engpasszeit Teng über die Produk-tionsgrenzleistung ansteigt und sich in dieser Zeit der Auftragsbestand (13.113) auf-baut, kann dieser durch eine Vorabfertigung der betreffenden Artikel vermindertoder sogar ganz vermieden werden. Voraussetzung einer solchen Vorabfertigung istallerdings, dass der Bedarf in der vorangehenden Zeit deutlich unter der Grenzleis-tung der Produktion liegt und damit eine Mehrproduktion überhaupt möglich ist.

Der Preis einer vorgezogenen Produktion vonEngpassartikeln für einen absehba-ren Spitzenbedarf ist ein zusätzlicher Lagerbestand, der mit entsprechenden Kostenund Risiken verbunden ist. Daraus folgt der Grundsatz:

� DieEntscheidung zurVorabfertigung oderVorausbeschaffungmuss derDisponentin Abstimmung mit dem Vertrieb und der Unternehmensleitung treffen. Sie darfnicht allein einem Dispositionsprogramm überlassen werden.

Ein leistungsfähiges Dispositionsprogramm kann einen Engpass rechtzeitig erken-nen, indem es aus dem prognostizierten mittelfristigen Bedarf und der hinterlegtenProduktionsgrenzleistung mit Hilfe von Beziehung (13.113) bestimmt, für welchenZeitraum eine Engpasssituation zu erwarten ist. Ebenfalls mit Hilfe von Beziehung(13.113) kann das Programm auch den in der Engpasszeit auflaufenden Auftrags-bestand und die bis zum Beginn der Engpasszeit verfügbare Überschussleistung be-rechnen.

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13.9 Leistungsoptimierung von Produktionsstellen 529

Wenn ein Engpass von mehreren Artikeln verursacht wird, die konkurrierendvon der gleichen Engpassstelle produziert werden, gilt die Auswahlregel zur Vorab-fertigung von Engpassartikeln:

� Vorzufertigen sind die Artikel mit dem höchsten gesicherten Absatz.

Mit dieser Auswahl wird verhindert, dass bei einem Absatz, der gegenüber der Eng-passprognose unerwartet absinkt, die vorproduziertenMengen zu lange oder unver-käuflich auf Lager liegen. Außerdem können für diese Artikel in den Phasen gerin-gerer Auslastung besonders wirtschaftliche Losgrößen gefertigt werden.

Wenn der Leistungsbedarf jedoch diemaximal verfügbare Produktionsgrenzleis-tung für mehrere Perioden übersteigt, wird die betreffende Produktionsstelle zumakuten Engpass. Dann sind ein ansteigender Auftragsbestand und immer längereDurchlaufzeiten unvermeidlich. Ist dieser Zustand erreicht, müssen die knappenRessourcen von der Disposition den einzelnen Aufträgen nach geeigneten Priori-tätsregeln zugeteilt werden. Mögliche Engpassprioritätsregeln sind die Auswahl dersofort auszuführenden Aufträge nach:

First-Come-First-ServedDeckungsbeitragGewinnDringlichkeitKundenbedeutungFehlmengenkosten.

(13.114)

Die fairste Regelung ist eine Zuteilung des begrenzten Produktionsausstoßes im Ver-hältnis des regulären Bedarfs der Abnehmer außerhalb der Engpasszeit.

Wenn aus einer Engpassstelle mehrere Bedarfsstellen eines größeren Versor-gungsnetzes zu beliefern sind, ist in Engpasszeiten eine Zentraldisposition notwen-dig, um die geplanten Zuteilungsregeln einhalten zu können. Allgemein gelten dieDispositionsregeln:

� Bei ausreichender Produktionsleistung und Verteilung über ein Zentrallager ge-nügt die dezentrale Disposition.

� Bei mehreren Produktionsauslieferlagern ist eine Zentraldisposition nach derStrategie des virtuellen Zentrallagers vorteilhafter als die dezentrale Disposition(s. Abschn. 20.18).

� Nur Knappheit und Engpässe erfordern eine zentrale Planung und Disposition.

Hält der Engpasszustand länger an, ist keineVorabfertigungmöglich. Abgesehen voneiner Preiserhöhung ist die Lösung eine Investition in zusätzliche Produktionsanla-gen. Bis zu deren Inbetriebnahme können nicht alle eingehenden Lieferaufträge aus-geführt werden.